[250] Drei Pindarische Oden

[251][253]

1. Ode

1. Strophe.
Bezwinger jenes alten Nichts,
Erhabner Schöpfer weiter Welten!
Auf dessen Allmachtswink, sich tausend Sonnen stellten,
Vertheilte Quellen alles Lichts.
Vernünftiger Geschöpfe Glück!
Der Güter Urquell, die auf Millionen Erden,
Und in den Himmeln selbst, der Gottheit Meisterstück,
Das Paradies der Geister werden.
Herr! der du alles schuffst, und dessen Wunderhand
Noch jetzt das Sternenreich umspannt;
Des Weldbaus Pfeiler hält, daß sie nicht kraftlos wanken:
Von deren Drohn der Abgrund bebt,
Der Ocean erschrickt, und Inseln neu erhebt;
Wann Berge schreckensvoll mit bangen Häuptern schwanken.
Gott, aller Weisheit reicher Quell!
Laß Tropfen deiner Gunst in meine Seele fließen:
Daß Geist, Verstand und Wahrheit schnell,
Sich in mein Trauerlied um Sachsens Haupt ergießen.
1. Antistrophe.
Ihr Völker seufzet! Friedrich fällt:
Ihr Länder weint; der Elbstrom klaget.
Provinzen Sachsenlands, die ihr verzweifelnd zaget,
Schaut, eure Raute liegt zerschellt!
[253]
Gebirge Mißniens erschallt!
Seht, der Hermundurer und Daleminzer Auen
Wie Dübens dunkler Hayn, und der Varisker-Wald,
Sind ganz untröstbar anzuschauen.
Frankoniens Bezirk, das reiche Henneberg,
Läßt seiner Grüfte Wunderwerk
In tiefer Kummernacht unangebauet stocken;
Und fühlt in seinem düstern Schacht,
Morbonens Grausamkeit und Mortens strenge Macht,
Im tönenden Geheul geschlagner Trauerglocken.
Lusatien, der Kreis der Chur,
Der Unstrut, Saal und Muld halb eingefrorne Ruthen,
Die solche Schreckenspost durchfuhr,
Erstarren tief gebeugt, so wie des Elbstroms Fluthen.
1. Epistrophe.
Gönner unsrer Philurenen,
Die ihr hier gerührt erscheint!
Hemmet doch die milden Thränen,
Die heut eure Wehmuth weint.
Euer höchst gerechtes Kränken
Gebe hier der Ehrfurcht Raum!
Solch ein ächzend Angedenken
Gnüget unsern Pflichten kaum.
Väter unsrer hohen Schulen;
Söhne der gelehrten Zucht,
Die ihr Künsten nachzubuhlen,
Unsern Helikon besucht!
Widmet dem erblaßten Haupte,
Welches uns die Vorsicht raubte,
[254]
Lebenslang den Zährenbach;
Jetzo nur denkt Seinen Gaben,
Die wir früh verlohren haben,
Kummervoll, doch schweigend nach.
2. Strophe.
Wo heb ich an, Dich, Friederich!
Zu bald entrißnes Haupt! zu preisen?
Soll, nach gewohnter Kunst, ich deinen Stammbaum weisen,
Der nie dem allerschönsten wich?
Aus Wittekinds erlauchtem Blut,
Und Habspurgs Heldenstamm in ächter Reih entsprossen,
Gehörst du zweifelsfrey, an Werth und Edelmuth,
Zu Deutschlands höchsten Reichsgenossen.
Von Sachsens Friedrichen und Moritzen erzeugt,
Von welchen Fama noch nicht schweigt;
Von Drey Augusten auch, und mehr Johann Georgen;
Durch Josephs Reis vom Leopold,
Den Trieb zur Gottesfurcht und wahrer Tugend Gold,
Durch Beyspiel und Geburt, so glücklich zu erborgen;
War das kein Vorzug edler Art,
Der wenig Fürsten so, wie dir, o Churfürst! glückte?
Der aber sehr erhöhet ward,
Durch Gaben, welche Gott in Dein Gemüthe drückte.
2. Antistrophe.
Stolziret nur mit Stamm und Blut,
Mit blanken Helmen grauer Ahnen,
Die ihr euch nie gewußt, des Nachruhms Weg zu bahnen,
Durch Tugend, Wissenschaft und Muth.
[255]
Mein Fürst bedarf der Stralen nicht,
Womit sein altes Haus in den Geschichten pranget;
Ein Blöder schmücke sich durch sein erborgtes Licht,
Davon er wenig Glanz erlanget.
Von früher Wiegen an brach schon Sein Geist hervor,
Als er der Künste Gold erkohr,
Das gleich Aurorens Glanz die Sterblichen erquicket.
Wies nicht des Morgens Heiterkeit,
Den hellen Mittag schon, der Sachsen mit der Zeit,
In seines Herrschers Blick, so hoffnungsvoll entzücket?
Der Musen Freude brach schon aus,
Gleich Rosen, die bereits in vollen Knospen keimen.
Der schönste Kranz und Lorberstraus
Wuchs schon in ihrer Hand, Sein Haupt nicht zu versäumen.
2. Epistrophe.
O was läßt sich hier erblicken!
Seh ich recht? Prinz Friederich
Ueberfliegt der Alpen Rücken,
Zeigt im klugen Wälschland sich.
Seine Lehrbegier zu stillen,
Sucht er an dem Tyberstrom,
Um der alten Römer willen,
Das mehr neu' als alte Rom.
Herzogthümer, Königreiche
Biethen Alterthümer dar:
Und des Bodens tiefe Schläuche,
Deren Schlund ein Schatzhaus war,
Oeffnen in Neapels Fluren,
Tiefer Seltenheiten Spuren,
Die Vesuv in Asche grub:
[256]
Als sein Innres, reich an Flammen,
Gluthen, Fels und Fluth zusammen,
Aus der Tellus Schooß' erhub.
3. Strophe.
Des Latiums gepriesne Kunst,
Die Tochter weiser Scipionen,
Der klugen Lälier, der großen Ciceronen,
Verlohr zuletzt der Römer Gunst.
Was Constantin verfallen lies,
Als er des Reiches Sitz bis nach Byzanz getragen;
Wo Wissen und Verstand sich im Verderben wies,
Latein und Griechisch umgeschlagen;
Fiel, bey der Heruler und Gothen Feldgeschrey,
Ins Joch der gröbsten Barbarey;
Und gieng auf tausend Jahr' in aller Welt verlohren.
Bis neuer Griechen beßrer Witz,
Aus wilder Türken Scheu, Florenz zum neuen Sitz
Der Weisheit und Vernunft und schönen Künst' erkohren.
Nunmehr ward Rom von neuem groß;
Durch den erwachten Geist, der edelsten Quiriten:
Als in Pabst Leons Vaterschooß,
Zu nieverloschnem Ruhm die Wissenschaften blühten.
3. Antistrophe.
So ward nun Rom der Erden Licht,
Die Sonne von Europens Staaten:
Die gleichfalls allgemach in gleiche Gluth gerathen,
Durch Beyspiel, Reiz und Unterricht.
[257]
Bis in des tiefen Nordens Kreis
War, um Christinens Zeit der Künste Glanz gedrungen;
Stockholms und Upsals Hand brach manches Lorberreis,
Als es die Finsterniß bezwungen.
Wiewohl die Heldinn drang mit heiß entbrannter Brust,
Bis zu dem Quell erhabner Lust,
Von dem ihr bis dahin nur Bächlein zugeflossen:
Rom ehrte Sie als Königinn;
Noch mehr den weiten Geist, und aufgeklärten Sinn,
Den der Monarchinn schon der Norden aufgeschlossen.
Sie warf durch männliche Vernunft
In Rom den ersten Grund zu dem Arkaderorden;
Durch den so mancher wälschen Zunft,
Der seltsamste Geschmack durchaus geläutert worden.
3. Epistrophe.
In viel aufgeklärtern Zeiten,
Zog hier Sachsens Churprinz ein.
Jede Kunst begann zu streiten,
Jede wollt die liebste seyn.
Alles beut Ihm froh die Hände;
Alles sieht Er gnädig an.
Geist- und weltlich, alle Stände,
Reich und arm, und was nur kann,
Sammlet sich in Friedrichs Zimmern;
Wo Er als ein Phöbus sitzt,
Und durch holder Blicke Schimmern,
Jedes Meisters Trieb erhitzt.
Alterthümer und Geschichte,
Tonkunst, Reden und Gedichte,
[258]
Bildschnitz- Baukunst, Malerey;
Alles treibt den Argwohn höher,
Daß Er der Hyperboräer
Wirklicher Apollo sey.
4. Strophe.
Mit Ruhm gekrönt eilt er daher,
Durch Apennins beschneyte Klippe,
Begrüßt den breiten Po, Ravennens alt Gerippe,
Und dann das Adriater-Meer.
Hier thront der Städte Königinn,
Der Staatskunst tiefer Brunn, das Wunder neuer Zeiten;
Venedig, dessen Glanz sich ost- und westwärts hin,
Vorzeiten wußte zu verbreiten.
Dein volles Arsenal zeigt noch die alte Macht,
Dein Marcus-Platz Verstand und Pracht,
Du Vormaur des Gebieths der stolzen Ottomannen!
Dieß alles sah Prinz Christian,
Und wand es einsichtvoll zu wahrer Staatskunst an,
Aus seinen Staaten einst manch' Uebel zu verbannen.
Nun gab Ihm das gekrönte Wien,
Der Deutschen Kaisersitz, der ihm schon winkte, Flügel;
Der Alpen höchste Reihe schien
Für seiner Räder Schwung, ein sanft gebähnter Hügel.
4. Antistrophe.
Wie freudig hofft Amalia
Dich, ihren Enkel, zu umfassen!
Du kömmst; der höchste Hof, ganz Wien steht lüstern da:
Wer könnte Josephs Abkunft hassen?
[259]
An Jahren jung, an Klugheit alt,
Beschämt Dein Anblick schon die Blicke reifer Weisen;
Verdunkelt Wort und Spruch, an Nachdruck und Gewalt,
Auch das geprüfte Wort von Greisen.
Indeß entweicht allhier Prinz Friedrichs Blicken nichts.
Der Sitz des deutschen Rechts und Lichts,
Des Reiches Kanzelley, die Burg und Favorite,
Und mancher wohlbebaute Platz:
Schönbrunn, das Meisterstück, von deines Ahnherrn Güte;
Vor allen Karl, Theresia;
Die Oestreichs Kraft und Ruhm, in voller Stärke wiesen:
Allein dich reizt dein Ithaka
Noch mehr, als jenes sich Ulyssen angepriesen.
4. Epistrophe.
Sachsen eilt Dir schon entgegen!
Komm zurück, Prinz Friederich!
Alles wünscht Dir tausend Segen,
Freuet Deiner Ankunft sich.
Hoher Aeltern theuren Händen,
Liefert dich Dein Wackerbart,
Der bey hundert Gegenständen
Dein getreuer Mentor ward.
Welch entzückendes Umfangen
Labet der Geschwister Zahl!
Wie's mit sehnlichem Verlangen,
Napels Königinn empfahl.
Hof und Adel schwimmt in Freuden,
Selbst der Bürger stimmt mit beyden,
[260]
Voll getreuer Sehnsucht ein.
Höre, Vorsicht! unser Flehen,
Laß ein standhaft Wohlergehen
Unsers Prinzen Krone seyn.

2. Ode

1. Strophe.
Ein neues Lied, o Friedrich! soll Dich preisen:
Ein zweyter Lobgesang erhebet Deinen Ruhm.
O möchte Pindars Geist sich heute wirksam weisen!
O wär er jetzt mein Eigenthum!
Du bist es werth, du Preis der Prinzen!
Die das Geschick zu Kron und Thron ersehn:
Wenn nur ihr, Völker und Provinzen!
Es auch verdient, daß solches kann geschehn.
Allein, o weh! Die Tochter des Verstandes,
Womit die Tugend ihn beschenkt;
Dieß edle Kind des treusten Ehebandes,
(Gewißen heißt das Wort des reinen Liebespfandes)
Das, das hat unser Heil umschränkt!
Der Himmel wies in Ihm, uns ein sehr nahes Glücke:
Wir huldigten Ihm froh; doch, Gott nahm Ihn zurücke.
1. Antistrophe.
Wie mancherley sind die gewohnten Triebe,
Wovon das edle Herz der Fürsten-Kinder brennt!
[261]
Den reizt von Jugend auf der grünen Wälder Liebe,
Darinn das Wild bey Schaaren rennt.
Ein stolzer Hirsch wird kühnen Hunden
Ein Gegenstand der eingepflanzten Wuth:
Bald wird ein Eber ausgefunden,
Bald reizet ihm ein flüchtig Reh den Muth.
Bevor sich noch in hellen Silbertropfen
Der Thau, Aurorens Augen zeigt,
Sieht man ihm schon vor Lust das Herze klopfen,
Ja vor Sirenen auch sein männlich Ohr verstopfen,
Daß er der Lagerstadt entweicht.
Des lauten Hifthorns Schall lockt in bekannten Fluren,
Den jungen Herkul frisch auf wilder Hauer Spuren.
1. Epistrophe.
Seht den andern dort erhitzt,
Auf der rauhen Bahn der Helden!
Wo Bellonens Lanze blitzt,
Länder schreckt, verheert und schützt;
Daß man seinen Muth soll melden.
Tag und Nacht auf den Gefilden,
Wo des Mavors Künste blühn,
Sieht man ihn die Streiter bilden,
Die dereinst zu Sturme ziehn.
Mörser speyen Graus und Tod,
Zu der Sterblichen Erstaunen;
Und das Wetter der Karthaunen,
Häuft der Erdenbürger Noth.
Verdienen solch ein Prinz, und seine tapfern Heere,
Nicht Lorbern, Tempel und Altäre?
[262] 2. Strophe.
Noch andre giebts, die gleich der Cypris Sohne,
Der Gratien Gefolg, der Schönheit Sklaven sind.
Der Tänze Gauckelspiel lockt sie durch weiche Tone,
Dahin wo jedes Herz zerrinnt.
Rinaldo schmilzt ja bey Armiden,
Entkräftet, zart, und zu Geschäfften matt;
Vergißt, wozu man ihn beschieden,
Wozu ihn Gott der Welt geschenket hat.
Nur Scherz und Spiel, des Müßigganges Kinder,
Umnebeln den gedämpften Geist,
Er irrt vermummt, im Dunkeln, wie ein Blinder,
Die wilden Nächte durch, wann sich Tancred gesünder,
Dem Feinde dort im Panzer weist.
Bey vollen Bächern weicht die Gabe des Verstandes;
Und schwerer Tafeln Pracht erdrückt den Flor des Landes.
2. Antistrophe.
Weit edler war, des Prinzen, den wir ehren,
Erhabnes Fürstenherz, von früher Jugend auf.
Von zarter Kindheit an erwählt Er weise Lehren,
Für seines ganzen Lebens Lauf.
Was Xenophon Mandanens Sohne
Für Kränze wand, durch sein unsterblich Buch;
Die allerbeste Bahn zum Throne,
Nach Telemachs und Fenelons Versuch;
Was Gracians und Saavedrens Blätter,
Und Bilderwitz die Prinzen lehrt;
Was Seckendorf zum Nutz der Erdengötter,
Und Ramseys edles Buch von Asiens Erretter,
Erdacht, erläutert und gemehrt;
[263]
Was Tacitus, Plutarch und ein Schich-Sady schrieben,
Das ward Prinz Friedrichs Lust, und ist an Ihm beklieben.
2. Epistrophe.
Phöbus und sein kluges Chor
Wurden seine Zunftgenossen:
Alles was nur je zuvor,
In der klügsten Völker Ohr,
Und geweihte Schrift geflossen;
Wie die Helden grauer Zeiten,
Philipps Sohn und Scipio,
An Gedichten sich erfreuten;
So ward auch Prinz Friedrich froh,
Edler Geister Augenmerk,
Was August und Cäsar liebten,
Wenn sie Witz und Dichtkunst übten,
War des Churprinz liebstes Werk.
Auf gallisch und latein, in deutsch und wälscher Zungen
Ward um die Wett' Ihm vorgesungen.
3. Strophe.
Wie reizend hob nicht in den Pleißenauen,
Der Helikon voll Stolz sein muntres Haupt empor!
Wie glänzend war damals der Churprinz anzuschauen!
Wie gnädig lieh er uns Sein Ohr!
Ihr Lichter unsrer Philurene!
Erinnert euch, mit was für Herrlichkeit,
Umringt durch tausend Musensöhne,
Ihr dazumal bestralt gewesen seyd?
Halb Deutschland sah, hier vom Merkur vereinet,
Wie schön der Purpur Künste hebt;
[264]
Wann, wie man sonst im Alterthum gemeynet,
In sterblicher Gestalt ein Gott bey uns erscheinet;
Und neben uns nach Weisheit strebt.
Und kam auch Prinz Xaver, auf seines Bruders Spuren:
So wie Prinz Karl; so sah man neue Dioscuren.
3. Antistrophe.
Ein neu Gestirn schien Sachsen aufzugehen,
Als Churprinz Friedrichs Herz sich höchst erwünscht verband:
Und was vermochte wohl Sein Glücke zu erhöhen?
Ein Kaiserkind aus Bayerland.
Antonia ward Seine Schöne;
Ein edler Zweig aus Karls erhabnem Stamm.
Wie laut erscholl das Lustgetöne,
Um den mit Recht erfreuten Bräutigam!
Minerva selbst erschien durch Sie in Meißen,
Und jede Muse noch zugleich.
In jeder Kunst, darauf sie sich befleißen,
Davon sie einzeln gar Beschirmerinnen heißen,
War Sie vor allen doppelt reich.
Gesang und Saitenspiel, Gedichte, Geist und Wissen,
Hatt' Ihre Fähigkeit allein an sich gerissen.
3. Epistrophe.
Bild uns nur mit klugem Rohr,
Großer Leibnitz! durch dein Wissen,
Jenen Priester Theodor,
Und die Göttin Pallas vor,
Die ihm Zweifel lösen müssen.
Laß ihn matt in Ohnmacht sinken,
[265]
Wenn er Jovis Kind erblickt;
Weil ihr himmlisch Augenwinken
Ihn voll Majestät entzückt.
Hier in unserm Tempelbau
Sahn wir Die mit Götterblicken,
Und mit hundert edlern Stücken,
Zehnfach reich begabte Frau!
Wie reizend war uns nicht Ihr gnädigstes Bezeigen?
Kurz, wer sie sah, der ward Ihr eigen.
4. Strophe.
Sprecht, habt ihr Sie verwundernd nicht verehret,
Die ihr euch damals theils der Wissenschaft ergabt;
Und theils der Weisheit Kern, die Er so gern gehöret,
Dem Prinzen vorgetragen habt?
Wer gab seitdem Ihm das Geleite,
Wenn man ihn oft bey uns erscheinen sah?
Wer wars, der sich den Künsten weihte?
Wars nicht sein Herz und Licht Antonia?
Ich war beglückt, zuerst Sie zu empfangen:
Wie zauberreich war Ihre Huld?
Wie aufmerksam, wie lockend Ihr Verlangen?
Wie konnt ein Helikon mit weisern Hörern prangen?
Wer hört' uns doch mit mehr Geduld?
Noch mehr! Ihr Erbprinz war bereits erwünscht gebohren,
Gleichwohl gieng noch ihr Trieb zum Wissen nicht verlohren.
4. Antistrophe.
Die ihr so gern Zenobien bekränzet,
So gern Eudoxien aus Griechenland verehrt:
Sagt, hat im Alterthum wohl eine so geglänzet,
[266]
Als diese, so uns angehört?
Der Palmyrener Haupt war weise,
Von Einsicht stark, und groß von gutem Rath;
Allein, wer liest zu Ihrem Preise,
Daß Sie auch schrieb, und Weisen Gutes that?
Die Kaiserinn war fromm und aufgekläret;
Als Philosophinn herrschte sie;
Doch welche Schrift hat sie der Welt gewähret?
Welch Musenchor geneigt ermuntert und genähret?
Nein, selber dichtete sie nie!
Kurz, was wir ganz erstaunt zu unsrer Zeit gesehen,
War vor Antonien in Wahrheit nie geschehen.
4. Epistrophe.
Und wo bleibt Thaliens Kunst,
Nebst Euterpens süßem Singen?
Wo der Trauerspiele Gunst?
Die mit stets erneuter Brunst,
Selbst der Fürsten Herzen zwingen?
In Prinz Friedrichs Nebenstunden,
Fanden alle gleichen Platz;
Was die Bühne nur erfunden,
Ward der klugen Augen Schatz.
Ermelindens eigner Fleiß
Zeigte sich hier oft aufs neue;
Ihr Triumph der Schäfer-Treue,
Brach Ihr manches Lorberreis.
So reizend, so vergnügt entflohn dem großen Paare,
Acht ruherfüllte Friedensjahre.
[267] 5. Strophe.
Doch wähnet nicht, ihr Völker später Zeiten!
Wir hätten hier Verstand und Witz allein verehrt:
Nein, dieser schwache Grund daurhafter Seeligkeiten
Ist keines Landes Opfer werth.
Rom sieht den Nero auf dem Throne,
Der wie Apoll, die Leyer schlägt und singt;
Er dichtet gar um Daphnens Krone,
Da ihm der Sieg, so, wie er glaubt, gelingt.
Doch weit gefehlt, daß bloße Geistes-Gaben
Des Raths und Reiches Glück gebaut!
Hat er nicht Rom in Schutt und Graus begraben;
Um Trojens alten Brand recht vorgestellt zu haben?
Und was für Wuth ward sonst geschaut?
Nein! fehlt ein fühlbar Herz voll sanfter Menschenliebe,
Was hülfen doch der Welt des größten Geistes Triebe?
5. Antistrophe.
Seyd weiser noch, als hundert Salomonen!
Denkt philosophischer, als Kaiser Julian!
Des bösen Herzens Schmutz erniedrigt auch die Kronen;
Mehr, als der Geist sie adeln kann.
Des Himmels Oberherrn verspotten,
Noch heydnischer, als Götzendiener seyn:
Gehört für ungeschlachte Rotten,
Die sich verkehrt den niedern Lüsten weihn.
Ein Antonin war tugendhaft in Sitten,
Verehrte Wissenschaft und Gott,
Ward nie vom Gift des Epikurs bestritten;
Hat sclavenähnlich nie des Lasters Joch erlitten!
Vertrug auch nie der Tugend Spott.
[268]
Ein seichter Philosoph kann leicht ein Zweifler werden;
Ein wahrer ehrt den Gott des Himmels und der Erden.
5. Epistrophe.
Sieh Dein Bild, o Friederich!
Das der Wahrheit Griffel malte;
Wo aus jedem Pinselstrich,
Der Dir selber völlig glich,
Gottesfurcht und Sanftmuth stralte.
Deines Geistes edle Triebe
Blieben stets dem Schöpfer treu:
Und Dein Herz voll Menschenliebe
Wußte nichts von Häucheley.
Wohlthun und Gerechtigkeit,
Die der Himmel vorgeschrieben,
Nach den strengsten Regeln üben;
Sanftmuth und Gelassenheit;
Das waren Deines Thuns, und fürstlicher Gedanken,
Zweck, Leitstern, Augenmerk und Schranken.

3. Ode

1. Strophe.
Hilf Gott! was wälzen sich von weiten
Für schreckliche, für wilde Zeiten
Aus der umwölkten Nacht der trüben Zukunft her?
Von was für grauser Wellen Wogen
Wird Sachsens Horizont bezogen?
[269]
Es braust nach Norden zu, wie ein bestürmtes Meer.
Der Tag wird schwarz, wie Mitternacht;
Der Himmel blitzt, die Wolke kracht:
Und nun schießt Stral auf Stral, auf Hütten und Paläste.
Der Berge tiefer Grund erbebt;
Es zittert alles, was nur lebt:
Ihr Sachsen! rettet euch! denn Fliehn ist hier das Beste.
1. Antistrophe.
Hier tobet Mars; doch von Bellonen
Erwartet gleichfalls kein Verschonen,
Die gegen Süden herrscht, und hinter Bergen sitzt.
Zwey Wetter treffen hier zusammen;
Sie drohen beyde Sturm und Flammen,
Sie brechen wütend los, und Meißen wird durchblitzt.
Es donnern Nord und Süd zugleich:
August begiebt sich in sein Reich,
Um dort, als wie im Port, den Stürmen zu entgehen.
Nur Friedrich und Antonia
Verbleiben, uns zum Troste, da,
Bereit, Gefahr und Noth mit uns zu überstehen.
1. Epistrophe.
Theureste Beyde! welch zärtlich Erbarmen
Regt sich in Eurer mitleidigen Brust!
Fürstliche Regungen bringen uns Armen
Mitten im Jammer die tröstliche Lust.
Glühende Kugeln, Karcassen und Bälle,
[270]
Schwerer als Zentner, zerschmettern die Wälle;
Zünden so Schlösser, als Wohnungen an:
Tempel und Thürme, nebst niedrigen Hütten,
Sieht man durch Kohlen und Asche verschütten,
Weil man die Gluthen nicht bändigen kann,
Theurung und Kummer zerstreuen die Bürger,
Vor den Bedrückungen wüthender Würger.
2. Strophe.
Weh uns! Entfernt euch, Theure Beyde!
Verdoppelt nicht in unserm Leide,
Des Schicksals, das uns trifft, unendliche Gefahr.
Wie mancher Ort wird noch bestürmet!
Seht? wie sich schon das Wetter thürmet,
Und schwärzer wiederkehrt, als es von Anfang war.
Welch ein unnennbarer Verlust
Wär es, für treuer Sachsen Brust:
Wenn unser Haupt – – – o: flieht, in weit entlegne Lande!
So seufzet Sachsens bange Flur,
Und bey der Angst, so uns durchfuhr,
Empfängt das große Prag dieß Paar zum Unterpfande.
2. Antistrophe.
Besorgt, geschehn! Der Sturm erwachet.
Die aufgestiegne Wolke krachet;
Und schlägt mit neuer Wuth in Dresdens Gassen ein.
Gottlob! der Churprinz ist gedecket:
Das Ungewitter, so uns schrecket,
Wird Ihm und seinem Stamm nicht mehr verderblich seyn.
Die halbe Stadt zerfällt in Graus,
[271]
Wohl uns, daß unser Fürstenhaus
Am Muld und Iserstrom in stolzer Ruhe wohnet.
Wohl uns! daß Sachsens Augenlust,
Der dritte Friederich August,
Nebst seinem Aelternpaar in sichern Mauren thronet.
2. Epistrophe.
Himmlische Vorsicht, erhalte das Leben,
Derer, die du uns zu Herrschern bestimmt:
Sollen wir länger im Ungemach schweben;
Wenn nur der Churprinz kein Theil daran nimmt.
Hören wir Ihn und die zärtlichen Seinen
Nicht auch in Bayern, das Unglück beweinen,
Welches das ächzende Sachsen bedrückt?
Führ Ihn, o Himmel! auf sicheren Wegen;
Führ Ihn zurück, und dem Frieden entgegen;
Welcher uns nach dem Zerstören erquickt.
Laß Ihn, in langen, beglückteren Jahren,
Lauter geseegneten Ruhstand erfahren.
3. Strophe.
Er kömmt und kann sein Erbland länger
Nicht leiden sehn! O! wie viel bänger
Wirds ihm um Brust und Herz, wenn ers von ferne schaut.
Er kömmt! durch was für Ehrenbogen
Von Herzen, kömmt Er eingezogen;
Die treuer Völker Gunst mit tausend Freuden baut.
Sein großes Herz ist Kronen werth:
Bey allem, was uns wiederfährt,
[272]
Geußt seine Sorgfalt Oel in die geschlagnen Wunden.
August, der dieß bemerket hat,
Stellt Ihn erfreut an seine Statt,
Zum Troste seines Volks, das so viel Noth empfunden.
3. Antistrophe.
In kurzem hebt durch sein Bemühen,
Des Friedens Oelzweig an zu blühen.
Der wilde Mars wird selbst des langen Wüthens satt.
Prinz Friedrich beut vergnügt die Hände,
Und ruft der langen Trübsal Ende
So kräftig wieder her, bis Ers errungen hat.
Komm, komm, Irene! laß uns nun
Nach so viel Unruh, wieder ruhn,
Und unser gütig Haupt, den König wieder sehen.
Mit Ihm kömmt unser Heil zurück:
Sein gnadenvoller Vaterblick
Ist niemals ohne Frucht auf Land und Volk geschehen.
3. Epistrophe.
Aber wie kurz sind die menschlichen Freuden!
Seit wir Ihn wieder in Sachsen gesehn!
Wenige Monden bereiten ein Leiden,
Herber, als irgend im Kriege geschehn.
Plötzlich wird Vater Augustus zur Leichen:
Alles, was um Ihn steht, scheint zu erbleichen;
Kinder und Hofstatt, die Stände, das Heer!
Doch die Betäubung verliert sich bey allen:
Friederich Christian, hört man erschallen;
Ist unser Churfürst! Was wünschen wir mehr?
[273]
Alles, was Sachsen im Vater verlohren,
Wird uns im Sohne von neuem gebohren.
4. Strophe.
Nun zeigen sich im hellsten Lichte,
Der weisen Einsicht reife Früchte,
Die uns Prinz Friedrichs Geist, vor langer Zeit versprach.
Was die Verderbniß schlechter Jahre,
Und, mit dem Krieg' in einem Paare,
Die Bosheit aufgebaut, das neigte sich und brach.
Er sieht es ein, und sein Entschluß
Setzt alles auf den besten Fuß,
Und Hof und Stadt und Land gewinnen neues Leben.
Der Stände lange Gegenwart,
Der jede Last erleichtert ward,
Kann seiner Mäßigung das schönste Zeugniß geben.
4. Antistrophe.
So lächelnd waren hier die Blicke
Der besten Hoffnung zu dem Glücke,
Das uns in Friedrichs Huld die Vorsicht selbst verhieß.
Doch ach! ihr reizerfüllten Stunden!
Wie plötzlich seyd ihr auch verschwunden!
Wie flüchtig war das Gut, das uns der Himmel wies!
Verborgner Krankheit schleichend Gift,
Das sonst nur zarte Jugend trifft,
Hat hier ein männlich Blut, unheilbar angestecket.
Es wüthet stark, nimmt überhand;
Kaum wird es Hof und Stadt bekannt:
So liegt das Theure Haupt entseelt dahin gestrecket.
[274] 4. Epistrophe.
Schrecklicher Zufall, betäubende Schmerzen!
Welche der Himmel uns eingeschenkt hat.
Wie viel erstaunten hier zärtliche Herzen,
Theurer Geschwister, des Hofes, der Stadt!
Und wer erkühnt sich mit würdigen Bildern,
Den unaussprechlichen Jammer zu schildern,
Der die Gemahlinn in Ohnmacht versenkt?
Wehmuth und Kummer bestürmen die Kräfte,
Reißen Sie von dem erhabnen Geschäffte,
Wozu die Staatskunst ihr Herze gelenkt.
Tausend Gerüchte vom Tode des Prinzen,
Strömen voll Schreckens durch Sachsens Provinzen!
5. Strophe.
Verhängniß! welch ein strenges Fügen
Raubt uns so plötzlich das Vergnügen,
Das wir so lang gehofft, das uns so kurz erfreut?
Ach! hatten wir in so viel Jahren
Nicht Ungemachs genug erfahren?
Hatt' uns die bittre Noth nichts sanfters prophezeiht?
Vertrauten wir zu stark auf Ihn,
Der uns zu retten fähig schien?
Und nicht auf deinen Arm, Erhalter unsers Lebens!
Drum reißest du den Rohrstab hin,
Und überzeugst den blöden Sinn:
Ohn deinen Beystand sey auch Fürstenmacht vergebens.
[275] 5. Antistrophe.
Beschirme, nach so frühem Sterben
Des Vaters, den noch zarten Erben,
Den Folger in der Chur, Prinz Friederich August!
Er sey des Rautenstammes Ehre!
Des Vaters Ruhm dien' Ihm zur Lehre:
So wird er gleich wie der, dereinst der Völker Lust.
Antonia sey in der That,
Was dort dem jungen Theodat,
Amalasuntha war, an Staatskunst, Geist und Tugend,
Wie Prinz Xaver, der kluge Held,
Der itzt des Landes Wohl bestellt,
An Muth und Tapferkeit, das Vorbild Seiner Jugend!
5. Epistrophe.
Bürger, in jenen umstirneten Kreisen!
Theuerster Churfürst! sey ewig verklärt!
Nennt die Geschichte Dich künftig den Weisen,
Bist Du es wahrlich vor tausenden werth.
Laß mich mein Dichten, Dich preisend vollenden;
Mich, dem die Stunden mit bebenden Händen,
Täglich die Scheitel mit Flocken bestreun.
Hab ich Dich funfzigmal lebend erhoben,
Soll Dich, erblaßt auch, dieß Schwanenlied loben;
Welches Dir Wehmuth und Dankbarkeit weihn.
Selber die späteste Nachwelt soll lesen,
Daß du ein Muster der Prinzen gewesen.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Gottsched, Johann Christoph. Drei Pindarische Oden. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-E475-C