[298] An ein Frauenzimmer, welches zornig geworden, weil er sie angesehen

I.f.N.


Ihr schönsten Augen! zürnt nur nicht,
Daß ich euch lechzend angesehen.
Es prallten nur die eignen Blicke,
Die selbst von euch nach mir geschehen,
Als meiner Seelen Sonnenlicht,
Durch meiner Augen Stral zurücke.
Ihr schönsten Augen! zürnt nur nicht etc.
So sang der zarte Filamor,
Als Phyllis ihm den Fehler vorgerücket,
Er hätte sie zu oft, zu heftig angeblicket.
Was kann ich, sprach er, denn davor,
Daß du so reizend bist?
Daß sich mein Aug auf deinen Lilgenwangen,
Die schon so manches Herz gefangen,
Verirrt, vertiefet und vergißt?
Klage dich nur selber an!
Wenn ich dir zu viel gethan.
Deiner Augen Zauberkerzen
Zwingen hundert zarte Herzen,
Daß dich keines hassen kann.
Klage dich nur selber an! etc.
[299]
Das Unrecht schien ihm allzugroß,
Das Phyllis hier begangen.
Drum schwieg er etwas still; doch endlich brach er los:
Wie! steht es frey, des Himmels Prangen
Mit starren Augen anzusehn?
Und Phyllis will von mir verlangen,
Es soll kein Blick nach ihr geschehn?
Nein! ihr Verboth kann mich nicht rühren,
Nein! sie wird nichts dadurch von ihrer Pracht verlieren.
Soll ich mein Verbrechen büssen,
Strenge Phyllis! strafe mich!
Sage nur, ich solle dich
Mit verbundnen Augen küssen.
Ungesehn,
Wird mir da recht weh geschehn.
Doch will ich aus Mund und Augen
Meiner Seelen Nectar saugen.

V.A.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Gottsched, Johann Christoph. Gedichte. Gedichte. Singgedichte. An ein Frauenzimmer. An ein Frauenzimmer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-E41F-1