[195] An Herrn Hofrath von Köpcken, zu Magdeburg

Laß du dem Britten seinen Wahn und Hohn,
Daß er der erstgeborne Sohn
Der Freiheit sey, wir aber Sklaven!
Was kümmert sich der Weis' um Fasees und um Thron?
Für ihn hat kein Gesetz noch Strafen.
So lang des Landes Satzung ihm gefällt,
Ist er der erste, der sie hält;
Was hat er noch zu fürchten? Glücklich leben
Kannst du, ob über dich den Zepter Einer hält,
Ob Hundert dir Gesetze geben.
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Doch, kann der Stab der Consuln nicht so schwer,
Als eines wüthenden Tiber
Metallner Zepter, auf dich fallen?
Was ist dir übrig, Freund, als, selbst an Gütern leer,
Zu einem freiern Volk' zu wallen?
Denn, Köpcken, wer nicht Freiheit höher hält,
Als alle Güter dieser Welt,
Ja selbst als dieses gute Pilgerleben:
Der ist ein Sklav, wenn gleich Tartaren ihm ein Zelt
In ihrer freien Horde geben.
Zu edlen Thaten fühlt er nimmer Muth;
Ihm ist sein Leben oder Gut
Der höchste Trieb zum Thun und Unterlassen.
So billigt denn der Sklav das, was ein Nero thut,
Und muß August mit Nero hassen.
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Den Pöbel blendet jedes falsche Licht;
Der Freiheit Name hat Gewicht
Für ihn; die Freiheit selbst, für Weise.
Der Schweizer, der so laut zu Hause prahlet, spricht
Mit seinen Consuln, ach! so leise!
Er beugt vor ihnen dreimal tiefer sich,
Als ich vor einem Fürsten mich,
Und was er ist, das muß er ewig bleiben.
Wenn du ein Haller 1 wärst, Bern könnte dennoch dich
Nicht auf der Rathsherrn Rolle schreiben.
Den Prunk mit Sina's Vasen, mit Kristall
Aus Böhmen, und den ganzen Schwall
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Von Frankreichs Moden, mag der Staat mir wehren.
Stört das des Weisen Glück: so muß sich überall
Sein Freiheits-Sinn in ihm empören.
Laß auch den Staat der Russen Kaviar,
Und Holsteins Austern, ja sogar
Den edlen Most vom Rhingau selbst, vertheuren;
Der Freundschaft Feste werd' ich dennoch, Freund, ob zwar
Mit etwas kleinern Bechern feiren.
Doch wenn er auf der Bahn der Ehre, Stein
Auf Steine häufte, aus dem Hain'
Der Wahrheit, uns zum Nichtstuhl' zöge,
Und Wahrheit strafte: dann würd' ich der erste seyn,
Der nackt nach Sanct-Marino flöge.

Fußnoten

1 Herr von Haller selbst, war zwar ein Mitglied des großen Raths in Bern, weil er aus einer Rathsfähigen Familie war; denn sonst würde er es noch weniger haben werden können, als er, seiner vielen und großen Mühe ohnerachtet, Mitglied des kleinen Raths werden konnte. Er war in seiner Vaterstadt schon halb vergessen, als seine Mitbürger durch den Besuch, welchen ihm der Kaiser gab, erst wieder an ihn erinnert wurden.

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TextGrid Repository (2012). Goeckingk, Leopold Friedrich Günther von. Gedichte. Lyrische Gedichte. Zweites Buch. An Herrn Hofrath von Köpcken. An Herrn Hofrath von Köpcken. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-E23D-D