AUS: ERSTE VERSE
*

Am wasserplatz der singt und kühl gewährte
Schwieg der zerstreuten meute lang gebell ·
Die jäger flohen auf den rossen schnell
Bei horn und stimmenlärm auf falsche fährte.
Den teich bewegten nicht der hunde zungen
Kein fuss zertrat der graden rohre stolz ·
Kein zug in der verlezten bäume holz
Begräbt die flüchtigen erinnerungen.
Und abends kommt zu mir der hirsch gezähmt ·
Wenn aus der flöte kindlich und verschämt
Mein finger lockt die abgemessnen klänge ·
Er reicht gekniet sein ästiges geweih
Woran ich eine rosenbotschaft hänge
Dir · Süsse · deine diener sind wir zwei.

[53] NACHWORT

Im alten buch geziert mit krallenschlössern
Hab ich begierig nach der zauberweisheit
Den geist und allen willen eingesezt
Um der juwelen manche kraft zu lernen.
Smaragde helfen zwillinge gebären ·
Rubin macht keusch und hält die lüste fort ·
Der amethyst das auge fleissger nächte ·
Und demant bricht das gift und böses wort.
Ich tötete an seinem tisch den meister ·
Als kymophan er schnizte und gagat
Ein wirksam mittel gegen zaubereien.
Die steine hab ich dir gestohlen · Holde!
Und tat an meine hand sein vorrecht kennend
Den chrysolith der von dem wahnsinn heilt.

[54] AUS: WIE IM TRAUM
ABSCHNITT

Wo sich des waldes wege kreuzen – eines abends
Im sturm · mit meinem schatten – eines abends
Die aschen müd von herden und von jahren
Eh ich die vorbestimmung noch erfahren
Liess ich mich hin.
Die wege zogen nach den tagen hin ·
Ich hätte noch mit ihnen ziehen können ·
Und immerfort
Zu ländern meeren träumen immerfort
Bis zu dem tag
Wo mit der magischen geduldigen hand der Tod
Mein aug geschlossen hätte mit dem siegel:
Mit seiner goldnen friedensblume.
Du weg der stolzen eichen und der einsamkeit ·
Dein herber stein ist schlimm für müdigkeiten ·
Dein spitziges geröll für müde füsse.
Dort wird das blut vergangner jahre bluten
Bei jedem schritt.
[55]
Die stolzen eichen schelten in den rauhen winden
Und ich bin matt.
Du weg der klaren birken die sich zitternd
Entblättern · bleich wie deiner bleichen wandrer schmach ·
Der irrenden in deinem zähen schlämme.
Sie gehn zusammen ·
Sich drehend um sich nicht ins angesicht zu sehn –
Du weg aus kot und schweissenden gewässern ·
Wind flüstert deinen blättern seine klage ·
Der grossen sümpfe silber mond und frost
Stehn still im dämmerlichte deiner fähren ·
Und wer dir folgen will
Den führt gram bei der hand.
Du weg der sanften eschen und des leichten sandes
Wo wind den schritt verwischt und wünscht dass man vergesse ·
Dass man wie er von baum zu baume gleite –
Wie goldner sand ist deiner honigblumen farbe ·
Dein bogen so dass man wo's abweicht nicht bemerkt.
Die stadt zu der du führest ist den fremden hold ·
Sacht würden meine füsse über ihre schwelle treten
Wenn sie nicht an dem andern leben haften blieben
Wo hoffnung weinend aus nach toten schatten späht.
[56]
Ich werde nicht zu euren eichen schreiten
Noch längs der birken längs der eschen ·
Zu euren sonnen städten und gewässern ·
O wege!
Ich höre die vergangenheit! sie blutet ·
Die totgeglaubten schritte – ach sie kommen wieder
Und scheinen mir vorauszugehn mit ihren echo.
O wege!
Du leichter du · du schmählicher · du stolzer!
Ich horche zu
Dem wind · begleiter meiner eitlen züge ·
Der weint und wandert durch die eichen weiter.
O seele mein · der abend trauert wegen heut.
O seele mein · der abend schauert wegen morgen.
O seele mein · dem abend bangt es wegen dir.

[57] EIN TRAUM VON STUNDEN UND JAHREN

Es ziehn vorbei vergessner stunden züge ...

Den schatten schmückte ich mit bleichen blumen
Und von der decke bis zum estrich hin
Liess ich die wände lange falten tragen
Gefärbt von toten nächten und verlornen tagen
Und meine bleich gewordnen träume
In noch bleicheren schatten
Erschienen darin eingewebt
Mit reinen händen drin die goldne blume bebt.
Des alten und trübsinnigen hauses grund
Von saal zu saal · von stund zu stund
Durchschweifst du · lächelst · weinst ·
Erinnerung mit dem angesicht von einst ·
Schreitest auf sandalen
Lautlos wie neben einem schläfer her.
Die klare silberampel mit dem goldnen öl
Verstreut durch deine wachsam bleichen hände strahlen
Auf der Vergessenen wangen
Auf ihrer augen schlaf und ihrer lippe kühle ·
[58]
Sie die im fahlen kleide mit juwelenspangen
Sich schlummernd stützen in dem alten chorgestühle.
Und meine seele wohnt in trübem haus
Wo bis zum estrich von der decke aus
Die wände lange falten tragen
Von toten nächten und verlornen tagen.
Die fenster ach! sind offen all gen norden.
Der horizont ist himmel weg und flut.
O dass ich noch mit meinen träumen schwebte ·
Geführt wie einst längs weg und flut!
O dass mein traum noch vor mir schwebte
Mit reinen händen drin die goldne blume ruht!
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). George, Stefan. Henri de Regnier. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-D3AC-3