Georg Forster
Noch etwas über die Menschenraßen

[73] An Herrn D. Biester

Wilna, den 20sten Jul. 1786


Wir dürfen es mit Recht zu den Siegen der Aufklärung zählen, mein lieber B. daß Ihr vortrefliches Journal bis ins Innere dieser sarmatischen Wälder dringt, und auf demselben Fleck gelesen wird, wo noch im Jahr 1321, Gedimin 1 Auerochsen jagte, und erst seit vierhundert Jahren das dem Donnerer Perkunas geweihte ewige Feuer verlosch. Zwar erhalte ich diese mir so schätzbaren Hefte spät genug, und lese erst im Julius, was teutsche Leser bereits im Januar verschlangen; allein dafür geniesse ich auch das Vergnügen der Wiederholung, welches bey einem Überfluß an geistiger Nahrung unmöglich wäre; und kann daher aus Erfahrung von manchen lehrreichen Aufsätzen in Ihrer Monatschrift sagen: decies repetita placebunt! Wenn sich gleich zuweilen ein gewisses Sehnen nach den vollen Fleischtöpfen einstellt, so ist es doch leichter aus der Noth eine Tugend zu machen, wenn man wenigstens statt der losen Speise, die unser Zeitalter so reichlich auftischt, sich an Ihren gesunden, herzstärkenden Gerichten laben kann. Denn hier vertritt die Lektüre die Stelle des Umgangs mit denkenden Männern, der in großen Städten und selbst auf teutschen Akademien über manche Gegenstände ein so helles und so neues Licht verbreitet. Dort werden unzähligemal die feinsten Bemerkungen gemacht, die weitumfassendsten Gesichtspunkte angegeben, die reichhaltigsten Resultate entdeckt, zu denen der belesenste Autor in seinem Studierzimmer nie gelangt. Wenn dort der durchdringende Scharfblick des Geschäftsmannes auf den Ideenvorrath des systematischen Gelehrten stößt, so blitzt es Funken, bey deren Anblick es einem wohl wird ein Mensch zu seyn, und in unserm Jahrhundert zu leben. Für solche Vortheile ist Lektüre eine unvollkommene Entschädigung; allein füritzt bleibt sie meine einzige Zuflucht und ich fühle mich desto stärker zum Danke verpflichtet, je gewisser ich überzeugt bin, daß nur sie vermögend ist, mich hier wirksam zu erhalten, und eine Paralysis des Geistes abzuwehren, die wenigstens zufälligerweise durch eine Verwickelung der Umstände befördert werden [73] könnte, wenn sie auch nicht in den Plan gewisser Menschen gehören sollte.

Ich habe daher die beyden lehrreichen Abhandlungen des vortreflichen Herrn Professors Kant im November 1785, und im Januar 1786, Ihrer Monatschrift, mit doppeltem Vergnügen gelesen; denn sie befriedigten nicht nur meine Wißbegierde von der Seite, von welcher mich praktische Bemühungen im Fach der Naturkunde am meisten entfernt gehalten haben; sondern sie erweckten auch eine Reihe von Gedanken in mir, die mich eine Zeitlang lebhaft und angenehm beschäftigen. Der Wunsch, zu neuen Belehrungen für mich, und alle die mit mir in gleichem Falle seyn möchten, Veranlassung zu geben, verführte mich, meine Bemerkungen über die erwähnten Aufsätze des Aufschreibens werth zu halten. Sie werden mir die Absicht nicht beymessen, dadurch, daß einmal neben einem so berühmten Namen der meinige genannt wird, mir ein Ansehen geben zu wollen. Sie wissen, daß der Ruhm des Weltweisen, den wir beyde so aufrichtig verehren, viel zu fest gegründet, viel zu hoch emporgewachsen ist, als daß er durch meine Beypflichtung den kleinsten Zusatz erhalten, oder durch eine Erinnerung gegen eine seiner Äußerungen beeinträchtigt werden könnte. Am besten wird der wahrhaft große und verdienstvolle Mann den Grad der Ehrfurcht und Hochachtung die ich ihm weihe, selbst ermessen können, wenn ich ohne weitere Rücksicht auf die Person, mich geradesweges zur Sache wende.

Ich glaube einzusehen, daß man endlich dem Abstraktionsvermögen Abbruch thun könne, indem man zu fest an der Anschauung klebt; und so mislich es auch immer ist, sich von ihr zu entfernen, so scheint doch der Aufklärung und dem Fortschritt in der Erkenntniß nicht gerathen zu seyn, wenn irgend eine Anlage der menschlichen Natur vernachläßigt werden sollte. Das Mittel, wodurch man Einseitigkeit vermeiden wollte, kann auf diese Art leicht einseitig machen. Eben deswegen aber dünkt mich, es müsse dem Philosophen, wo er von Erfahrungen ausgeht, äußerst wichtig seyn, daß die Fakta, aus welchen gefolgert wird, ganz richtig aufgefaßt werden; weil ohne diese Vorsicht alle Syllogistik umsonst verschwendet wird. Denn ob es gleich Fälle giebt, wo Spekulation [74] und abstrakte Bestimmtheit voraus ahnden können, was die Anschauung hernach für wahr erkennt: so sind doch jene nicht selten, wo sie auf Abwege gerathen und die Erfahrung rechts liegen lassen.

Laßen Sie mich dieses auf die Naturgeschichte anwenden. Ein großer Theil des Verdienstes, das sich Linné um diese Wissenschaft erwarb, bestand unstreitig in den genauen Definitionen, wodurch er die verschiedenen Grade der Verwandschaft des Ähnlichen zu unterscheiden lehrte. Nach gewissen angenommenen Sätzen, die er aus seiner Erfahrung abstrahirt hatte, entwarf er sein Fachwerk, und paßte nun die Wesen der Natur hinein. Allein so lange unsere Erkenntniß mangelhaft bleibt, scheinen wir von einer Infallibilität der Principien noch weit entfernt zu seyn. Bestimmungen, die sich auf eingeschränkte Erkenntnis gründen, können zwar innerhalb dieser Schranken brauchbar seyn; aber sobald sich der Gesichtskreis erweitert, der Sehepunkt verrückt, werden sie da nicht einseitig und halbwahr erscheinen? In der Litterargeschichte der Naturkunde giebt es hievon auffallende Beyspiele. Die Botanik, die Chymie und die Physik sind lediglich aus diesem Grunde jetzt ganz etwas anderes als vor funfzig Jahren. Vielleicht wird unser jetziges Schema der Wissenschaften ein halbes Jahrhundert weiter hinaus, eben so wie das vorige, veralten und mangelhaft werden. Sogar die spekulative Philosophie dürfte diesem allgemeinen Schicksal unterworfen seyn. Wer denkt hiebey nicht gleich an die Kritik der reinen Vernunft?

Wenn also der Satz: daß man in der Erfahrung nur alsdenn finde, was man bedarf, wenn man vorher weiß, wornach man suchen soll, (Berl. Monatsschrift, Novemb. 1785. S. 390.) auch seine unangefochtene Richtigkeit hätte: so wäre gleichwohl bey der Anwendung desselben eine gewisse Vorsicht nöthig, um die gewöhnlichste aller Illusionen zu vermeiden, diese nämlich, daß man bey dem bestimmten Suchen nach dem was man bedarf, dasselbe oft auch da zu finden glaubt, wo es wirklich nicht ist. Wie vieles Unheil ist nicht von jeher in der Welt entstanden, weil man von Definitionen ausgieng, worein man kein Mißtrauen setzte, folglich manches unwillkührlich in einem vorhinein bestimmten Lichte sah, und sich und[75] andere täuschte! In sofern der unbefangene Zuschauer also nur getreu und zuverläßig berichtet, was er wahrgenommen, ohne lange zu ergrübeln, welche Spekulation seine Wahrnehmung begünstige, – und hiezu braucht er nichts von philosophischen Streitigkeiten zu wissen, sondern lediglich dem angenommenen Sprachgebrauch zu folgen – in sofern würde ich zuversichtlicher bey ihm Belehrung suchen, als bey einem Beobachter, den ein fehlerhaftes Princip verführt, den Gegenständen die Farbe seiner Brille zu leihen. Dieser letztere mag immerhin einen größeren Vorrath von Beobachtungen liefern können, weil er überall nach bestimmten Erfahrungen hascht: allein hier kommt es ja mehr auf den reinen Ertrag, als auf die Summe an. Wer wollte nicht die wenigen Beobachtungen eines bloßen, jedoch scharfsichtigen und zuverläßigen Empyrikers, den vielen geschminkten eines partheyischen Systematikers vorziehen? Überdies pflegen auch die offenen Augen des ersteren zuweilen wichtige Dinge zu bemerken, die derjenige nie gewahr wird, der sein Augenmerk stets auf gewisse, ihm vorher zur Aufsuchung anbefohlene Vorwürfe richtet. Doch diese Gegensätze stehen vielleicht zu schneidend neben einander, und sowohl der empyrische als der systematische Kopf kann unter gewissen Umständen die besten Beobachtungen liefern. Denn Aufmerksamkeit, Beurtheilungskraft und Unpartheylichkeit sind die Erfordernisse, von welchen hier alles abhängt; diese mögen mit spekulativer Theorie verbunden seyn oder nicht. Das Geschäft des Philosophen ist es, aus einzelnen wahren Angaben die allgemeinen Begriffe zu berichtigen; und wahrlich! bey diesem Geschäfte ist Irren so möglich, wie im Augenblick des Beobachtens. Fordere ich zuviel, indem ich den Werth des Beytrags, den die neuern Reisenden zur Kentnis der Menschengattung geliefert haben, nach dem obigen Maasstabe geprüft zu sehen wünsche? Wenigstens befinden sich unter der beträchtlichen Anzahl von Personen, welche dieser Ausdruck in sich faßt, verschiedene glaubwürdige Männer, denen man es nicht absprechen kann, daß ihre Beobachtungen genau, bestimmt, zuverläßig, und folglich brauchbar sind, so wenig übrigens auch ihre etwanigen Begriffe in Ansehung des Worts: Menschenraße, mit einander übereinstimmen mögen. Die [76] Kritik dürfte wahrscheinlich die von vielen Reisenden auf eine gleichlautende Art erzählten Fakta gerade aus dem Grunde für wahr erklären, weil so verschiedene Menschen, von so verschiedenen Begriffen und Kenntnissen, in ihrer Darstellung des Beobachteten übereinkamen.

Um zuverläßig beobachten zu können, ob ein gewisses Objekt schwarz oder weiß sey, braucht man nicht zu wissen, daß die schwarze Farbe der Abwesenheit des Lichts, und die weiße der Vereinigung aller verschieden gebrochenen Strahlen zugeschrieben wird: wenn aber ein Beobachter, der diesen bestimmtern Begrif hat, und ein anderer, der blos empyrisch weiß, was schwarz sey, beyde von demselben Gegenstande erzählen, daß er schwarz erscheine, so ist das Faktum desto unläugbarer.

In wie fern ist also die Behauptung (S. 393.) gegründet, »daß man sich, nach allen bisherigen Beschreibungen, noch keinen sicheren Begrif von der eigentlichen Farbe der Südseeinsulaner machen könne?« Was ich hersetzen will, finden Sie bestimmt und gleichlautend von den neuern Reisebeschreibern erzählt. Die Einwohner der meisten Inseln des stillen Meeres, und der übrigen Südsee, sind nicht nur von hellbrauner Farbe, ansehnlicher Statur, schönem Wuchs, angenehmer Gesichtsbildung, mit lockigtem schwarzem Haar und starcken Bärten, sondern verrathen auch ihre Verwandschaft auf den ersten Blick durch die Gleichförmigkeit ihrer Sitten und ihrer Sprache, welche ostwärts bis zur Osterinsel, südwärts bis nach Neuseeland und nordwärts bis auf die Sandwichsinseln, geringe Abweichungen abgerechnet, dieselbe ist. Hingegen haben sich kleinere, hagere, schwarze Menschen mit krausem Wollhaar und häßlicheren Gesichtszügen, die sich auch von Seiten der Lebensart, und insbesondere durch gänzlich verschiedene Sprachen von den hellbraunen unterscheiden, in einigen nahe am moluckischen Archipel liegenden Inseln verbreitet, und bewohnen Neuguinea, Neuholland, Neukaledonien, die Charlotteninseln und die Hebriden. Die schwarze Farbe hat hier Nüancen wie in Afrika, und ist auf einigen Inseln so dunckel wie in Guinea. Carteret und Bougainville beschreiben diese Menschen so schwarz wie afrikanische Neger. Dampier und Cook fanden die Neuholländer schwarz, [77] und ihr Haar so wollig, wie ein Eingebohrner von Guinea es nur immer aufweisen könne. In den neuen Hebriden sah Bougainville, und sahen wir, ganz schwarze, schwarzbraune und dunkelbraune Menschen; doch scheint die letzte Schattirung sehr wahrscheinlich von einer Vermischung mit der hellbraunen Völkerschaft, deren Inseln hier nicht weit entfernt sind, herzurühren; da auch in Tanna, neben der gewöhnlichen Landessprache, von etlichen Einwohnern ein Dialekt der Sprache der hellgefärbten Nation gesprochen wird. Ich breche ab; denn ich müßte wiederholen, was bereits über diese zwey so deutlich verschiedenen Völker gesagt worden ist, wenn ich noch jetzt Beobachtungen und Wahrnehmungen, wobey es lediglich auf die noch nie zuvor bezweifelte Glaubwürdigkeit der Augenzeugen ankömmt, vor dem Publikum vertheidigen wollte. Allerdings sehe ich wohl ein, daß es um manche Hypothese besser stehen würde, wenn sich die häßlichen Schwarzen gänzlich aus der Südsee wegdemonstriren ließen. Sie sind nun aber einmal da; und wenn nicht eine Stelle in Carterets Reisebeschreibung Herrn K. zu einem etwas gewagten Schluß verleitet hätte, würde er selbst vermuthlich weniger zweifelhaft von ihnen geschrieben haben. Erlauben Sie mir, diese Stelle, und die darauf gegründete Äusserung etwas näher beleuchten zu dürfen.

Auf Freewills Eilanden (S. 393.) soll Carteret zuerst das wahre Gelb der indischen Hautfarbe gesehen haben; und hieraus schließt Herr K. daß die Bewohner der meisten Inseln in der Südsee Weisse seyn müssen. Der eben genannte Weltumsegler hatte aber, wie Herr K. sehr richtig erinnert, nur wenig Land im Südmeere betreten, und nur in den westlichen Gegenden desselben, zuerst bey den Charlotteninseln und sodann in Neubrittannien, Menschen gesehen. Schwerlich dürfte daher der Schluß von einem so geringen Theile auf das Ganze gelten. Wenigstens könnte man nach diesen Prämissen mit eben so viel Wahrscheinlichkeit auf Schwarze rathen; denn aus Carterets Worten folgt nur, daß er bis dahin, Menschen von anderer Farbe gesehen habe. Warum befragen wir den ehrlichen Seefahrer nicht selbst? Wie gesagt: die einzigen bewohnten Inseln, die er im stillen Meere besuchte, sind die Gruppen der Königin Charlotte und die von Neubrittannien, [78] nebst den dazwischen liegenden Gowers und Carterets Eilanden: und hier fand er überall – nur schwarze Bewohner mit wolligem Haar. Lesen Sie ihn selbst nach, um sich zu überzeugen, daß es nicht allemal des Beobachters Schuld ist, wenn man ihn unrecht versteht.

In meinem Exemplar von Carterets Reisebeschreibung 2 lese ich ferner: daß die Einwohner der Freewills Eilande von der gewöhnlichen Kupferfarbe der Indianer sind. Das wahre indische Gelb, welches Herr K. an dieser Stelle ließt, habe ich nicht finden können. Durch das Wort, Indianer, werden hier keinesweges die gelbbraunen Hindus, sondern überhaupt solche Menschen bezeichnet, die man sonst mit einem nicht weniger schwankenden Ausdruck, Wilde nennt. Herr Carteret bedienet sich desselben durchgehends in dieser Bedeutung. Byron und Wallis geben ohne Bedencken den Patagoniern und Peßeràhs an der magellanischen Meerenge diese Benennung, die dem englischen Sprachgebrauch gemäß ist. Auch hätte Carteret schwerlich die Einwohner des Ganges kupferfarbig genannt, so wenig übrigens dieses Beywort sich ausschliessender Weise von den ursprünglichen Amerikanern gebrauchen läßt. Wenn man annimmt, daß es eine Schattirung des röthlichbraunen ohne Einmischung einiger Schwärze bedeuten soll, – und an metallischen Glanz ist hierbey wenigstens im Allgemeinen nicht zu dencken – so können die hellbraunen Völker im Südmeere, auf Neuseeland, den Societäts-Marquisen- Sandwichs- Carolinen- Marianen- und Freundschaftsinseln füglicher damit bezeichnet wer den, als gewisse mehr ins schwärzliche fallende Nationen im mittägigen Amerika. Aus diesem Grunde finde ich auch keinen Anstand, die Insulaner auf Freewills Eilanden zu der im Südmeer allgemein verbreiteten hellbraunen Völkerschaft zu zählen, wozu mich das wenige, was Carteret von ihrer Kleidung und ihren Sitten erzählt, noch mehr berechtigen kann.

Indem ich aber nun behaupte, daß in Absicht der Südseeinsulaner alles geleistet worden ist, was man billiger Weise von den Beobachtern fordern konnte, läugne ich freylich nicht, [79] daß der Versuch, den Herr K. verlangt, – daß nämlich ein Kind von einem dortigen Paare in Europa gezeugt werden müsse, um die ihnen von Natur eigene Hautfarbe ohne Zweydeutigkeit zu entdecken, – noch nicht angestellt worden sey, und vielleicht nie statt finden werde. Allein sollte er wohl so unentbehrlich seyn, wie unser Herr Verfasser glaubt? Ich gestehe Ihnen, lieber Freund, ich kann mich hievon um so weniger überzeugen, da ich ihn sogar zur Bestimmung des Verhältnisses zwischen Negern und Weissen für unsicher halte. Es wird Ihnen bekannt seyn, daß die Negerkinder, auch in Guinea nicht schwarz, sondern roth gebohren werden, und von den neugebohrnen Kindern der Europäer an Farbe nur wenig verschieden sind 3. Wenige Tage nach der Geburt werden sie schwarz, und in kurzem kann man sie der Farbe nach von ihren Eltern nicht mehr unter scheiden. Daß aber dieses Phänomen an Negerkindern auch ausserhalb Afrika wahrgenommen werde, ist ein Faktum, an welchem in Ländern wo man sich täglich davon überzeugen kann, wie Frankreich, England und Nordamerika, niemand mehr zweifelt. Ich selbst habe Negerkinder gesehen, die in Europa oder auch in Nordamerika geboren, und daselbst, wie in ihrer Eltern Vaterlande, durch Einwirkung der Atmosphäre auf ihre Haut, schwarz geworden waren. Wenn also nur die Neugebohrnen vermöge ihrer Organisation, und der Mischung ihrer Grundstoffe zu dieser Verwandlung vorbereitet sind, geschieht sie überall auf eine gleichförmige Art, indem die Luft hier verrichtet, was das Sonnenlicht in Ansehung des Pflanzenreichs bewirkt. Die vor den Lichtstrahlen sorgfältig verwahrte Pflanze ist von bleichgelber Farbe; wird aber, nachdem sie an das Licht gestellt worden ist, in wenigen Tagen völlig grün.

Ganz anders verhält es sich mit der allmähligen Einwirkung des Klima, welche viele Generationen erfordert, ehe sie sichtbar und bemerklich wird. Ihr Gang ist langsam, aber unausbleiblich. Die späten Enkel in warme Länder versetzter Weissen, erlangen eine dunckelere Farbe, und werden endlich im heißen Erdgürtel nach Verlauf von Jahrhunderten beynahe völlig schwarz. Umgekehrt, wenn Schwarze über die Gränzen des Wendekreises hinaus treten, verliert sich unter ihrer [80] Nachkommenschaft die schwarze Farbe: sie werden schwarzbraun, olivenfärbig, und vielleicht, – denn wer kann hier mit einiger Wahrscheinlichkeit das non plus ultra abstecken? – noch einige Grade heller, je höher sie vom Äquator ab, in mildere Zonen hinaufziehen. Die Beyspiele dieser langsam bewirkten Veränderung der Farbe sind so auffallend, so unbezweifelt an ganzen Nationen erweislich, daß man sich billig wundern muß, wie immer noch darüber hinweggesehen wird. Das Faktum ist unläugbar, daß der weisse Mensch in Spanien, Mauritanien, Egypten, Arabien und Abyssinien dunkler gefärbt ist, als in Teutschland, Polen, Preußen, Dännemark und Schweden; ja sogar, daß die dunkle Schattirung ohngefähr in der Stufenfolge, wie ich jene Länder nenne, zunimmt, bis sie in Abyssinien und in den arabischen Pflanzstädten an der Ostküste von Afrika schon sehr ins schwarze fällt. Nicht minder in die Augen fallend ist es, daß aus Nigritien hervorgegangene Colonien, die sich gegen die südliche Spitze von Afrika gezogen haben, daselbst anjetzt unter dem Namen der Kaffern und Hottentotten, je nachdem sie sich dem Einfluß der scheitelrechten Sonne mehr entzogen, weiter polwärts oder tiefer ins kalte Gebirge rückten, nach Verlauf einer unbekannten Zeit, schwarzbraun und gelbbraun angetroffen worden. Eine ähnliche Farbenleiter, deren Extrema aber weit näher zusammen liegen ist in Amerika bemerklich; und so wie man die ursprünglichen Bewohner allmähliger dunkler findet, wenn man von Canada hinab gegen den Äquator und bis nach Guiana und Brasilien reiset: so bemerkt man, daß die Männer weiter südwärts, auf den Pambasebenen, in Chili, an Magellans Meerenge und im äußersten Feuerlande wieder heller werden. Endlich verhält es sich auch nicht anders mit den Völkern, welche die verschiedenen Zonen Asiens bewohnen. Von China über Tunquin und Kochinchina, von Tibet über Pegu und Malakka trift man Nüancen des Weissen, die sich bis ins tiefste schwarzbraun verlieren. Die Belege hiezu finden Sie in dem zahlreichen Heere der Reisebeschreiber zerstreut; doch zum Theil hat Büffon sie gesammelt. Nur die Länge der Zeit können wir nicht bestimmen, welche erfordert wird, wenn eine Familie die Reihe aller Schattirungen zwischen Weiß und Schwarz, [81] die ihr erreichbar sind, aufsteigend oder absteigend durchlaufen soll. Denn hierüber fehlt es uns an historischen Nachrichten und Denkmälern, deren gänzlicher Mangel gleichwohl in der Hauptsache nicht das mindeste ändert.

Wenn es dennach erwiesen werden kann, daß die Hautfarbe der Menschen, zwar spät und mit unmerklichen Schritten, aber demnach unfehlbar in die Länge, dem Einfluß des Klima gehorcht; daß im brennenden Afrika die Abkömmlinge weisser Menschen schwärzlich werden; daß am Vorgebirge der guten Hofnung die Nachkommenschaft der schwärzesten Neger zu olivenfärbigen Hottentotten sich bleicht: wie wird es als denn noch möglich seyn, durch die Erzeugung eines einzigen Negerkindes in Europa, zu bestimmen, wieviel von seiner schwarzen Farbe seinen Eltern, wieviel dem Klima gehört? Im Gegentheil, da diese Farben-unterschiede sich überall klimatisiren, so hat der Abbé Demanet so gänzlich Unrecht nicht, wenn er, wie es scheint, den Satz behaupten will: ein Neger sey eigentlich nur in seinem Vaterlande ein rechter Neger. Ein jedes Wesen der Natur ist, was es seyn soll, nur an dem Orte, für den sie es entstehen ließ; eine Wahrheit, die man in Menagerien und botanischen Gärten täglich bestätigt sieht. Der Neger, in Europa geboren, ist wie eine Treibhauspflanze, ein modificirtes Geschöpf; in allen der Veränderung unterworfenen Eigenschaften mehr oder weniger dem unähnlich, was er in seinem Vaterlande geworden wäre.

Linné, dessen tiefes Studium der Natur selten recht erkannt wird, weil er es in seinen aphoristischen Schriften eher vergraben als zur Schau getragen hat; Linné zählte die Farbe bey Thieren und Pflanzen unter jene zufälligen, veränderlichen Eigenschaften, welche für sich allein, ausser dem Zusammenhange mit andern Kennzeichen, zur Unterscheidung der Gattungen nicht hinreichend sind. Ich weiß, wie wenig ich befugt bin, meine Stimme entweder für oder wider seinen Canon zu geben; 4 und folglich lasse ich ihn in seinem Werthe beruhen. Hier kommt es darauf an, ob die Farben-Unterschiede, die man bey verschiedenen Menschenstämmen bemerkt, einer klimatischen Abänderung fähig sind, oder ob sie vielmehr, wie S. 403 behauptet wird, sich auch ausserhalb [82] des Erdstrichs, dem sie jedesmal eigen sind, in allen Zeugungen unvermindert erhalten? Ich baue hier nichts auf das schwankende Zeugnis des Heidenbekehrers Demanet, und auf sein schwarzes Portugiesenkind. So etwas mag gut genug seyn, wenn man Voltairen widerlegen will, welcher zu verstehen gegeben, daß die Neger vielleicht einen andern Stammvater als die Europäer hätten. Sie, lieber B. sind in der Geschichte der Ketzereyen zu wohl bewandert, um nicht zu wissen, daß dieser Einfall, der bey jedem andern der unschuldigste von der Welt wäre, nichts geringeres als Gotteslästerung seyn kann, so bald Voltaire ihn denkt und sagt. Ist nun solchergestalt das Feuer im Dach, so müssen ja die Gläubigen löschen, – womit und wie sie können. Ich wähle meine Beyspiele von schwarzgewordenen Abkömmlingen weisser Menschen, unter Völkern die Herr K. auch selbst noch zu den Weissen zählt, unstreitig weil er überzeugt ist, daß sie trotz ihrer jetzigen schwarzbraunen Farbe von Weissen entsprungen sind. Die Kaffern hingegen, die Herrn K. von den Schwarzen absondert, ohne ihrer Abstammung von diesen zu erwähnen, sind mir, und wie mich dünkt jedem Unbefangenen, Beweises genug, von einer durch milderes Klima sanft vertuschten Schwärze.

Gehen wir jetzt noch einen Schritt vorwärts. Anstatt die Extreme an ein ander zu knüpfen, und den Neger aus Guinea mit den Blonden aus Skandinavien zusammenschmelzen zu wollen, setzen wir den möglichen Fall, daß ein schwarzbrauner Abessinier mit einer Kafferin von gleicher Farbe sich vermähle. Mithin vereinigen wir die Stämme auf dem Punkt, wo sie sich einander wirklich am nächsten sind, sich gleichsam auf halbem Wege begegnen. Der Blendling, der aus dieser Mischung entsteht, wird unstreitig Vater und Mutter nacharten; aber seine Hautfarbe wird nicht mehr das Mahlzeichen dieser Nachartung, und der gemischten Naturen seyn, denn beyde Eltern hatten einerley Farbe. Tritt nun der Umstand ein, wo ein angenommenes Unterscheidungszeichen dasjenige nicht leistet, was man sich von ihm versprach; das ist im gegenwärtigen Falle: giebt es nicht mehr eine wirklich geschehene Mischung zweyer Menschenstämme an: so erkennen wir, daß es übelgewählt und verwerflich sey.

[83] Ich fühle wohin mich diese Untersuchung zu führen scheint. Sie betrift nicht mehr die Anwendung des Begriffes, den man zum Grunde legt, sie untergrabt viel mehr das Prinzip selbst, und zeigt dessen Unzuläßigkeit. Immerhin! denn es gilt um Wahrheit; und das Prinzip kann seinem Erfinder nur in sofern es Stich hält, etwas werth seyn. Eines der zuverläßigsten Mittel, in einer glückseligen Alltäglichkeit des Denkens behaglich zu ruhen, sich in demüthiger Geistesarmuth unter das Joch der thörichtsten Vorurtheile zu schmiegen, und nie eine nahe, dem Denker winkende Wahrheit zu ahnden, ist dieses: wenn man vor einer kühnen Folgerung, die ganz unmittelbar aus deutlichen Prämissen floß, zurückbebt wie vor einem Ungeheuer. Hinweg mit dieser unmännlichen Furcht! Statt derselben nachzugeben, untersuche man nochmals sorgfältig den zurückgelegten Weg, und prüfe jeden Schritt mit unerbittlicher Strenge. Ist alles sicher, nirgends ein Sprung geschehen, nirgends auf betrüglichen Triebsand gefußet worden: so trete man getrost dem neuen Ungeheuer unter die Augen, man reiche ihm vertraulich die Hand, und in demselben Augenblick wird alles Schreckliche an ihm verschwinden. Die Kraft, womit ein Satz uns überzeugt, muß sich völlig gleich bleiben, er werde jetzt zum ersten mal behauptet, oder man höre dessen zehntausendste Wiederkäuung. Denn Wahr kann dem Selbstdenker doch nur dasjenige seyn, wovon seine Vernunft, nicht jene aller anderen Menschen, die Gründe faßt, erwägt, billigt und anerkennt. So thue dann auch ich ohne Scheu das Bekenntnis, daß ich anderwärts mich Raths erholen muß, um die Abstände zwischen verschiedenen Nüancen im Menschengeschlecht zu messen.

Wollen Sie also, mein Freund, in einem gedrängten Inbegrif übersehen, worauf es eigentlich bey der Bestimmung der Unterschiede im Menschengeschlecht ankommt, so lesen Sie einen Sömmerring, über die körperliche Verschiedenheit des Negers vom Europäer 5. Mir drückt die Freundschaft die Hand auf den Mund, daß ich nicht loben darf, was so uneingeschränktes Lob verdient; daß ich Empfindungen unterdrücke, die mich durchdrangen, als ich laß, was seit manchen Jahren an Interesse für den Philosophen, an Fleis, an Wahrheitsliebe [84] an Bescheidenheit, an geistvoller Gelehrsamkeit und Kunst, in meinen Augen nicht übertroffen ward. In der wichtigen Schrift dieses vortreflichen Mannes werden Sie nicht nur finden, daß die Farbe unter die minder wesentlichen Eigenschaften gehöre, woran man Neger von Europäern unterscheidet; sondern was das merkwürdigste ist, daß der Neger sichtbarlich so wohl in Rücksicht äusserer als innerer Gestaltung weit mehr übereinstimmendes mit dem Affengeschlecht habe, als der Weisse. Schon der Augenschein giebt gewissermaßen dieses Resultat; allein hier wird es mit physiologischen und anatomischen Gründen erwiesen. Ich bin indessen weit entfernt, nunmehr mit Herrn Fabricius zu vermuthen, daß irgend ein Affe an der Bildung des Negers Antheil gehabt haben könne. Vielmehr bestätigt sich immermehr, auch durch dieses Faktum, der fruchtbare Gedanke, daß alles in der Schöpfung durch Nüancen zusammenhängt 6. Camper, der als Physiolog, und von so vielen andern Seiten groß und liebenswürdig ist, zeigte mir in einem seiner Briefe, an einem Theile des Körpers, den Füßen, wie sorgfältig die Analogie der Bildung durch alle Säugthiere hindurch bis auf die Wallfische beobachtet ist. Und vortreflich hat Herder einen ähnlichen Gedanken aufgefaßt und ausgeführt, indem er sagt: es sey unläugbar, daß bey aller Verschiedenheit der lebendigen Erdwesen, überall eine gewiße Einförmigkeit des Baues, und gleichsam eine Hauptform zu herrschen scheine, die in der reichsten Verschiedenheit wechselt 7. Gewis, in mehr als einem Betracht, und selbst in moralischer Beziehung, ist das Mancherley auf unserm Planeten nicht auffallender und an Stof zum Nachdenken ergiebiger, als das darin nur stets verkleidete, und immer wieder durchschimmernde ewige Einerley; der größte Reichthum neben der äussersten Dürftigkeit!

Der affenähnlichste Neger ist dem weissen Menschen so nahe verwandt, daß bey der Vermischung beyder Stämme, die auszeichnenden Eigenschaften eines jeden sich im Blendling in einander verweben und verschmelzen. Die Abweichung ist [85] sehr gering; die beyden Menschen, der schwarze und der weisse, stehen ganz nahe neben einander; und anders konnte es nicht wohl seyn, wenn Menschheit nicht in Affennatur übergehen, der Neger nicht, anstatt ein Mensch zu bleiben, ein Affe werden sollte. Denn auch die beyden Thiergeschlechter, (genera) der Mensch und der Affe, gränzen in der Reihe der Erdenwesen unglaublich nahe aneinander; näher als viele andere Thiergeschlechter miteinander verwandt sind. Gleichwohl bemerken wir einen deutlichen Zwischenraum oder Abstand zwischen diesen beyden physischen Geschlechtern; jenes schließt sich mit dem Neger, so wie dieses mit dem Orangutang anhebt. Ein affenähnlicher Mensch ist also kein Affe.

Ob nun aber der Neger und der Weisse, als Gattungen (species) oder nur als Varietäten von einander verschieden sind, ist eine schwere, vielleicht unauflösliche Aufgabe. Mit dem Schwerdt drein zu schlagen, überläßt der kaltblütige Forscher denen, die nicht anders lösen können, und doch alles lösen wollen. Was ihm zu verworren ist, läßt er lieber als einen Knoten zurück, dessen Band sich doch einmal, früher oder später, wenn die Fäden erst alle gefunden sind, entwickeln laßen wird. Trennt man mit Herrn K. die Naturwissenschaft in Naturbeschreibung und Naturgeschichte, – eine Eintheilung die ich gar wohl gelten laßen kann, wenn beide nur immer wieder vereinigt und als Theile eines Ganzen behandelt werden, – so möchte es scheinen, daß der Naturbeschreiber eher mit der Frage fertig werden kann. Zwar scheint Herr K. anzunehmen, eine jede Verschiedenheit der Merkmale sey dem Naturbeschreiber hinreichend, um eineArt daraus zu machen. Ich kann hierauf nicht ganz befriedigend antworten, denn der vorzüglichste Schriftsteller, der die Wissenschaft systematisch behandelte, Linné hat lateinisch geschrieben. Seine Eintheilungen heißen: classes, ordines, genera, species, varietates. Nun scheint mir Varietät immer durch veränderliche, zufällige Merkmale definirt zu werden; es wird dabey angenommen, eine Varietät könne in die andere übergehen. Will Herr K. in diesem Sinne lieber Art als Varietät sagen, so ist das nur eine Verwechselung der Worte, worüber man sich leicht verständigen kann.Gattung hingegen, wenn species so übersetzt werden soll, erfordert im [86] Linnäischen Sinne unveränderliche Merkmale. In der Naturgeschichte muß es sich anders verhalten, wenn es in derselben, wie Herr Kant behauptet, nur um die Erzeugung und den Abstamm zu thun ist. Allein in diesem Sinne dürfte die Naturgeschichte wohl nur eine Wissenschaft für Götter und nicht für Menschen seyn. Wer ist Vermögend den Stammbaum auch nur einer einzigen Varietät bis zu ihrer Gattung hinauf darzulegen, wenn sie nicht etwa erst unter unsern Augen aus einer andern entstand? Wer hat die kreißende Erde betrachtet in jenem entfernten und ganz in Unbegreiflichkeit verschleyerten Zeitpunkt, da Thiere und Pflanzen ihrem Schoße in vieler Myriaden Mannigfaltigkeit entsproßen, ohne Zeugung von ihres Gleichen, ohne Samengehäuse, ohne Gebärmutter? Wer hat die Zahl ihrer ursprünglichen Gattungen, ihrer Autochthonen, gezählt? Wer kann uns berichten, wie viele Einzelne von jeder Gestalt, in ganz verschiedenen Weltgegenden sich aus der gebärenden Mutter weichem, vom Meere befruchteten Schlamm organisirten? Wer ist so weise, der uns lehren könne, ob nur einmal, an einem Orte nur, oder zu ganz verschiedenen Zeiten, in ganz getrennten Welttheilen, so wie sie allmälig aus des Oceans Umarmung hervorgiengen, organische Kräfte sich regten?

Vielleicht wird man einwenden, daß es hiebey auf ein Experiment ankomme, welches alles leicht und ohne Widerrede entscheidet. Man nehme zwey Thiere von verschiedenen Merkmalen, die jedoch ganz nahe verwandt zu seyn scheinen; man lasse sie sich mit einander begatten. Entsteht aus dieser Vermischung ein Mittelgeschöpf, welches wieder zur Fortpflanzung fähig ist, so waren seine Eltern von einerley Gattung, obschon verschiedener Varietät (oder Art). Ich meines Theils finde hier, statt aller Entscheidung blos eine neue Definition. Man nenne den Windhund und den Bologneser, die zusammen fruchtbare Mittelgeschöpfe zeugen, Gattungen, oder Varietäten; so ist man dadurch der Erforschung ihres gemeinschaftlichen Abstamms von einem ursprünglichen Paare, nicht um ein Haarbreit näher gekommen, und jene Ausdrücke bleiben nach wie vor Erfindungen des systematischen Naturforschers, wodurch er auffallendere oder geringere Nüancen unter den Wesen der Erde bequem und schnell unterscheiden [87] will. Allein so geht es freylich immer, wenn man Begriffe verwechselt, und eine Hypothese, die irgend jemand auf eine Thatsache baute, nun selbst für Thatsache ansieht.

Es läßt sich a priori nicht läugnen, daß Thiere von verschiedener Art sich im wilden oder freyen Zustande paaren, wiewohl es mir höchst unwahrscheinlich ist. Allein ein Beyspiel dieser Paarung ist mir wenigstens noch nicht bekannt. Man hat zuweilen sehr ungleichgestalte Insekten gepaart angetroffen: indessen beweisen die meisten und bewährtesten der hiehergehörigen Beyspiele nur, daß die Natur dem weiblichen und männlichen Geschlecht in einerley Gattung zuweilen sehr verschiedene Bildungen ertheilt; keineswegs, daß verschiedene Gattungen sich mischten. Tausend und aber tausendmal blühen in unsern Gärten die allernächst verwandten Pflanzenarten neben einander ohne daß je eine die andere befruchte. Nur die Hand des Menschen hat bey diesen keuschen Geschöpfen künstlichen Ehebruch veranstalten können. Im Thierreich hat jede Art, jede Nüance, was diesen Punkt betrift, einen unwiderstehlichen Hang zu seines Gleichen, einen entschiedenen Abscheu vor andern Thieren, wenn gleich diese wenig, oft nur unmerklich, verschieden sind. Nicht einmal vom Affen, der den Geschlechtstrieb so heftig fühlt, ist es erwiesen, daß im freyen Zustande eine Gattung sich mit der andern belaufe. Und horchten Menschen nur der Stimme des Instinkts, wäre es nicht ihre Vernunft, welche Lüsternheit und Begierde erkünstelt: wie dies Herr K. so scharfsinnig und meisterhaft (Berlin. Monatschr. Januar 1786. S. 6.) entwickelt: so würden wir sowohl bey Schwarzen als bey Weissen, vor der ungleichartigen Vermischung Ekel und Abscheu bemerken. Noch jetzt, glaube ich, darf man diesen Widerwillen vom rohen unverdorbenen Landmann erwarten; er wird die Negerin fliehen; wenigstens wird Geschlechtstrieb nicht das erste seyn, was sich bey ihrem Anblick in ihm regt.

Als Beweis eines gemeinschaftlichen Ursprungs darf man also die künstliche und an Thieren durch Gefangenschaft erzwungene ungleichartige Begattung nicht anführen, obwohl sie in einer andern Hinsicht einigen Nutzen für die Naturkunde hat. Es ist nämlich außer allem Zweifel, daß die Blendlinge von Kanarienvögeln und Stieglitzen, auch mehreren Finkenarten, [88] die Fortpflanzungsfähigkeit besitzen, die man auch dem von Hund und Fuchs entsprossenen Mittelgeschöpfe nicht absprechen kann. Hingegen sind die Fälle von fruchtbaren Maulthieren sehr selten. Zwischen Gattung und Gattung ist folglich nicht immer ein gleichweiter Abstand; eine Bemerkung, die sich auch sonst aus der Vergleichung der Bildungen durch das sogenannte Thier- und Pflanzenreich ergiebt. Panther, Leopard, Unze und Jaguar sind mit einander näher verwandt, als mit dem gestreiften Tiger auf den sie folgen; und zwischen diesem und dem Löwen ist wiederum ein größerer Zwischenraum, obgleich keine Lücke. Die beyden Orang-Utangs, der afrikanische und der asiatische, stehen ungleich enger aneinander gerückt, als wiederum an beide der langarmigte Gibbon sich anschließt. Die beyden Kameele der alten Welt sind einander ungemein ähnlich; der Abstand zwischen ihnen und den amerikanischen, die auch wieder im engsten Verhältnisse unter sich stehen, ist weit größer. Man versetze den Dachs ins Bärengeschlecht oder unter die Viverren, so ist der amerikanische dem europäischen ungleich näher, als jeder andern mit ihnen verwandten Gattung. Will man auch lieber jeden etwas größern Abstand zwischen den Gattungen für die Gränze eines Geschlechts halten, so hat man hiedurch dennoch nichts gewonnen. Erstlich vermehrt man dadurch die Anzahl der Geschlechter (genera) auf eine für das Gedächtniß äußerst lästige Art; zweytens ist die allgemeine generische Verwandtschaft in einigen angeführten Beyspielen, wie zwischen Löwe, Panther und Tiger unläugbar; und drittens ist Geschlecht ein eben so unbestimmter Begrif als Gattung, sobald es auf das Maas des Abstandes ankommt, wodurch eines von dem andern getrennt ist. Das Nasehorngeschlecht faßt zwey nahe aneinander gränzende Gattungen in sich, und nun ist gleichsam zwischen ihm und den nächsten Geschlechtern eine große Kluft vorhanden. Eben so isolirt steht der Elephant; beynahe so das Pferdegeschlecht, und das Nilpferd. Dafür gränzen die Igel sehr nahe an die Stachelschweine, die Hasen an die Zerbos, die Antilopen an die Ziegen von einer, an die Hirsche von der andern, an die Ochsen von der dritten Seite. Überall trift man also völlig ungleiche Abstände zwischen den einzelnen Erdwesen, die [89] unseren bestimmten Eintheilungen nicht entsprechen. Unsere Fächer sind alle nach Einem Maasstabe entworfen, alle gleichgros, alle gleichweit voneinander gerückt, alle in einer langen unabsehlichen Reihe hintereinander gestellt. Von alle dem findet sich nichts in der Natur. Sie bringt Wesen hervor, die sich bald so völlig ähneln, daß wir keinen Unterschied an ihnen wahrnehmen können; bald solche, die in geringen Kleinigkeiten abweichen; bald andere, wo nur von ferne die Analogie beybehalten ist; jetzt ist es die Bildung, jetzt die Größe, jetzt die Farbe, die in ihren Formen wechselt. Oft stoßen wir auf ein Geschöpf, das wie im Mittelpunkt zwischen mehreren verwandten Gattungen steht. – Mit einem Worte, die Ordnung der Natur folgt unseren Eintheilungen nicht, und sobald man ihr dieselben aufdringen will, verfällt man in Ungereimtheiten. Ein jedes System soll Leitfaden für das Gedächtniß seyn, indem es Abschnitte angiebt, welche die Natur zu machen scheint; daß nun aber alle gleichnamige Abschnitte, wie Geschlecht, Gattung, Varietät, überall in gleichen Entfernungen von einander stehen, kann und darf niemand behaupten. Daher eifert Büffon gegen alle systematische Entwürfe, wiewohl es auch des Systematikers Schuld nicht ist, wenn man mehr von seiner Methode fordert, als er selbst davon verspricht.

Wie viel ist demnach für die Entscheidung jener Frage zu hoffen? Ist der Neger eine Varietät oder eine Gattung im Menschengeschlechte? Wenn es hiebey auf die erwiesene Abstammung aller Varietäten von einem ursprünglichen gemeinschaftlichen Elternpaare ankommt, die außer unbezweifelten historischen Belegen nicht dargethan werden kann, so findet keine bestimmte Auflösung statt; denn solche Belege finden sich nirgends. Genügt uns hingegen die Linnéische Bestimmung; ist eine Varietät von einer Gattung blos durch die Unbeständigkeit ihrer Merkmale verschieden: so erfordert es noch eine kleine vorläufige Untersuchung, in wie fern diese Definition auf die mancherley Menschenstämme paßt.

Offenbar giebt es Farbenunterschiede in einem jeden, sowohl dem weissen, als dem schwarzen Menschenstamme. Der Weisse wird in Afrika schwärzlich, der Neger im Kafferlande olivenfärbig. Allein ob diese Veränderlichkeit bis zu einer [90] völligen Umwandlung der weissen in die schwarze Farbe, und umgekehrt, der schwarzen in die weisse gehen könne, dies lehrt bis jetzt noch kein Experiment. So auffallend verschieden die Bildung des Negers, zumal seines Kopfes vom Weissen ist, so gewiß giebt es doch auch in Afrika verschiedene Nüancen, die an verschiedenen Völkerschaften bemerkt worden sind. Die Eigenthümlichkeit der Nationalbildungen unter den Weissen hat niemand geläugnet. Allein auch hier kann schlechterdings nicht bewiesen werden, daß die Gestalt eines Negers soweit abarte, bis sie den Weissen gleichkommt; und umgekehrt, sind schwarzgewordene Portugiesen, oder Araber der Bildung nach keine Neger. Im Gegentheil, ist im Kaffern und Hottentotten die charakteristische Negerphysiognomie unverkennbar; und im Araber, sey er auch noch so sehr verbrannt, leuchtet seine Abstammung von Weissen aus dem Antlitz hervor. Wir finden hier zwar Progressionen, aber nicht solche, deren Reihen sich endlich begegnen; sondern sie rücken vielmehr auf Parallel-Linien fort, ohne je sich näher zu kommen. Auf diesem Wege gelangen wir also nicht zum Ziele: und nun bleibt nur noch Ein Zugang offen, durch welchen wir vielleicht der Entscheidung unserer Frage näher kommen können. Wenn Menschen aus verschiedenen Stämmen, wie z.B. Weisse mit Negern, sich vermischen, so artet ihre Farbe in dem von ihnen erzeugten Mittelgeschöpfe, zu gleichen Theilen unausbleiblich an; kein anderes Kennzeichen, woran man sonst die beyden Stämme unterscheidet, trägt in dem Blendling diese unausbleibliche Spur der ungleichartigen Zeugung. Farbenunterschied also ist wesentlicher als alle übrigen Verschiedenheiten, er ist beständiger, sie aber zufällig und einem bloßen Ohngefähr unterworfen, welches bald vom Vater, bald von der Mutter einen Zug der Bildung des Kindes einverleibt. Dies, wenn ich nicht unrecht verstanden habe, ist der Inbegriff einer Behauptung, auf welche Herr Kant seine neue Definition gegründet hat. Lassen Sie uns sehen, in wie fern sie haltbar ist. Oben verwarf ich bereits diese Bestimmung, weil sie sich nicht auf alle Fälle anwenden läßt, denn so wie die Farbe blos durch klimatisches Einwirken sich ändert, auch ohne Vermischung, so tritt die Möglichkeit ein, daß einzelne Menschen aus zweyerley Stämmen gleichgefärbt seyn können. Hier[91] kommt nur noch das Anarten überhaupt in nähere Betrachtung. Zum Beweise, daß ausser der Farbe nichts unausbleiblich anarten könne, führt Hr. K. die zufälligen Gebrechen, Schwindsucht, Wahnsinn, Schiefwerden, u.s.w. an, denen er allenfalls auch noch die Bilfinger und Kakerlaken hätte hinzufügen können. Allein von Krankheiten und Mißgeburten auf natürliche Eigenthümlichkeiten der Bildung zu schliessen, scheint mir noch etwas gewagt. Noch nie habe ich einen Mulatten oder Mestizen gesehen, dem man es nicht auch in den Gesichtszügen angesehen hätte, daß er ein Blendling von zwey Völkern sey. Und wie wollte man auch daran zweifeln, da nicht nur, wenn Personen von zweyerley Stämmen, sondern auch, wenn Menschen aus einerley Volk, aus Einer Stadt und Einer Familie sich heurathen, die Eltern wieder in den Zügen der Kinder erkannt werden können. Wahr ist es, ein geübteres Auge wird zur Bemerkung dieser Ähnlichkeiten erfordert. Farbenunterschiede fallen auf, denn sie sind auf der ganzen Oberfläche des Körpers bemerklich: Nachartung in einzeln Theilen, kann auch nur in diesen Theilen gesucht werden. Daher, und nicht weil die Farbe ein wesentlicheres, dauerhafteres Unterscheidungszeichen als die Gestalt, z.B. des Gerippes, ist, können auch einzelne Züge nicht allemal unausbleiblich gleichförmig anarten, sondern müssen bald vom Vater, bald von der Mutter ohne Mischung genommen werden. In weissen Familien sieht man freylich die blauen und die braunlichen Augen, bald dem Vater, bald der Mutter nachgeartet; allein es scheint hier bloß deswegen keine Zwischennüance statt zu finden, weil die Farbe der Iris vermuthlich auf Umständen beruht, die mit den Erscheinungen chemischer Mischungen Ähnlichkeit haben. Je nachdem der Niederschlag mit diesem oder jenem Grundstoffe mehr oder weniger gesättigt ist, wird das Auge blau oder braun, und diesen Sättigungspunkt bestimmt im Augenblicke der Zeugung die zufällig überwiegende Energie des einen oder des andern Zeugungstoffes. Hier ist allerdings noch ein weites Feld für künftige Beobachter offen. Eine Reihe sorgfältig gesammleter Erfahrungen würde höchst wahrscheinlich zeigen, daß von der Gleichförmigkeit des Anartens in Mittelgeschöpfen noch vieles wegfallen muß. Nicht jede Zeugung von denselben [92] Eltern fällt gleichförmig aus, wenn beyde aus einerley Stamme sind: a priori sieht man nicht ein, warum bey zweyerley Eltern mehr Gleichförmigkeit statt finden müsse; a posteriori, ist man uns den Beweis noch schuldig. Ein Beyspiel vom Gegentheil entscheidet das Schiksal der Theorie. Man hat demnach vorerst Erkundigungen einzuziehen: ob es nicht Fälle giebt, wo bald der schwarze Vater, oder die schwarze Mutter, bald umgekehrt die weissen Eltern, sichtbarlich den stärksten Antheil an ihrer Nachkommenschaft haben?

Sie sehen nun wohl, mein Freund, daß diese Sache noch nicht aufs Reine gebracht ist. Man gebe uns ein unbezweifeltes Beyspiel, daß eine Negerfamilie, nachdem man sie in unser Klima versezt, in einer gewissen Reihe von unvermischten Generationen ihre Farbe verloren, ihre Affenähnliche Bildung allmählig für die Europäisch-klimatische vertauscht habe: so nennen wir ohne Widerrede den Neger eine Menschen-Varietät in Linnäischem Verstande, weil seine Merkmale blos klimatisch und veränderlich sind. Allein ein solches Beyspiel existirt nicht, und wird wohl immer entbehrt werden müssen. Nun werde mit einiger Wahrscheinlichkeit dargethan, daß die Farbe des Weissen, so wie des Negers, nur bis auf einen gewissen Punkt veränderlich sey, sodann aber bey vermischten Zeugungen ohnfehlbar gleichförmig nacharte: so habe ich nichts dawider, wenn man auf diesen Grund hin, den Weissen und Schwarzen als Varietäten (Rassen oder Arten) derselben Gattung aufführt. In so fern aber gemeinschaftlicher Ursprung aus einer oder der andern Bestimmung gefolgert werden soll, wird man auf jenen Beyfall Verzicht thun müssen, der nur auf klare unwiderstehliche Evidenz erfolgt.

Nehmen wir auf einen Augenblick an: das Faktum der halbschlächtigen Zeugung sey so unfehlbar, wie es nach Herrn Kant Voraussetzung seyn muß, und fragen wir nur, aus welchen Gründen wir glauben sollen, daß ein unausbleiblich erblicher Unterschied nicht allemal eine ursprünglich verschiedene Gattung bezeichne? Sich nur im gegenwärtigen Fall auf eine Race eines und desselben ursprünglichen Stammes beziehe? Hier antwortet Herr Kant, er könne nicht begreifen, wie Organisationen so nahe verwandt seyn sollten, daß aus ihrer Mischung unausbleiblich ein Niederschlag entstehen [93] müsse, falls sie nicht alle aus einem einzigen ersten Stamme entsprossen wären. Manchem ist es vielleicht eben so unbegreiflich, daß derselbe Vater den Weissen und den Neger gezeugt haben könne; denn die Keime dieser unähnlichen Brüder mußten, wie Ledas Eyer, Zwillinge in sich schliessen, damit jedem Bruder auch ein gleichförmiges Weib zu Theil würde; und nimmt man vollends vier Haupt-Rassen an, so ist hier mehr wunderbares als in jener griechischen Fabel.

Seltsam, und vielen unbegreiflich muß es auch immer bleiben, daß Herr K. seiner Theorie zu Gefallen sich in die große Schwierigkeit verwickelt, in einem Falle zuzugeben, ja sogar als nothwendig zu behaupten, was er in einem zweyten völlig ähnlichen Falle für ganz unmöglich hält. Wenn man annimmt, daß die Menschen, die gewisse Länder allmählig bevölkerten, nach langer Zeit durch Klimatisirung einen eigenthümlichen Karakter annehmen konnten: so läßt es sich auch allenfalls noch vertheidigen, daß gerade diejenigen Menschen, deren Anlage sich für dieses oder jenes Klima paßte, da oder dort, durch eine weise Fügung der Vorsehung, gebohren wurden. Allein wie ist nun derselbe Verstand, der hier so richtig ausrechnete welche Länder und welche Keime zusammentreffen müßten, und sie auch wirklich alle aus irgend einem Winkel Asiens an den Ort ihrer Bestimmung in ihrer Väter Lenden tragen ließ, auf einmal so kurzsichtig geworden, daß er nicht auch den Fall einer zweyten Verpflanzung vorausgesehen? Dadurch wird ja die angebohrne Eigenthümlichkeit, die nur für Ein Klima taugt, gänzlich zwecklos; hätten folglich auch auf diesen Fall wieder veränderliche Keime aufgehoben werden müssen, die sich in dem zweyten Klima entwickeln, und sich ihm anpassen sollten. Mit andern Worten: war es in einem Falle möglich, daß in verschiedenen Weltgegenden Menschen einerley Stammes sich allmählig ganz veränderten, und so verschiedene Karaktere annahmen, wie wir jezt an ihnen kennen: so läßt sich die Unmöglichkeit einer neuen Veränderung nicht nur a priori nicht darthun; sondern auch, wo sie statt findet, macht sie den Schluß auf einen gemeinschaftlichen Ursprung höchst verdächtig. Jezt gehen wir weiter.

[94] Sie werden mir zugeben, daß das jetzige Verhältniß der grasfressenden Thiere zu den fleischfressenden von jeher statt gefunden haben muß, weil sonst die ersteren von den letzteren gleich nach ihrer Entstehung verzehrt worden wären. Es gab also von jeher eine weit größere Menge von jeder grasfressenden Gattung als es Raubthiere gab, die sich von jenen nährten. Einer der besten zoologischen Schriftsteller, Herr Zimmermann 8, hat sogar mit vieler Wahrscheinlichkeit vermuthet, daß der ganze Erdboden gleich anfänglich sich überall mit Thieren und Pflanzen bedeckte. Er zeigt, daß es unmöglich sey, alle Thierarten an einem Orte entstehen zu lassen, und eben so leicht, oder eben so schwer, – wie man will, – sich die Entstehung eines einzigen Paares von jeder Art, oder von vielen hunderten auf einmal als möglich und wirklich zu denken. In der That, wenn doch einmal von unbegreiflichen Dingen gesprochen werden darf, so würde mir das unbegreiflichste von allen seyn, daß die unzählichen Erdwesen nur einzeln oder paarweise hervorgegangen wären; indem ein jedes, bis auf eine geringe Anzahl von Raubthieren, irgend einer andern Gattung zum Unterhalte dient. Man macht weit weniger Schwierigkeit, sich eine allgemeine Bekleidung der Erde im Pflanzenreiche zu denken, vermuthlich wohl, weil man noch jetzt die ganze Oberfläche mit jedem Frühling grün werden sieht, ohne daß man die Anstalten dazu, die man im Thierreich leichter wahrnimmt, so unmittelbar vor Augen hat. Ist aber die Erde jetzt reicher an organischen Kräften, als ehemals? Und wo ist vor andern das beglückte Plätzchen, welches allein den ganzen Vorrath der Natur in sich beschlossen hielt, den Vorrath für jedes Klima und jedes Element? Wenn im Gegentheil, jede Gegend die Geschöpfe hervorbrachte die ihr angemessen waren, und zwar in dem Verhältnisse gegeneinander, welches zu ihrer Sicherheit und Erhaltung unentbehrlich war: wie kommt es, daß der wehrlose Mensch hier eine Ausnahme machen soll? Die Natur hat vielmehr, wie Herr K. selbst behauptet, einem jeden Stamme seinen Charakter, seine besondere Organisation, ursprünglich in Beziehung auf sein Klima und zur Angemessenheit mit demselben, gegeben. Unstreitig läßt sich dieses genaue [95] Verähltniß zwischen dem Lande und seinen Bewohnern am leichtesten und kürzesten durch eine lokale Entstehung der letztern erklären. Brachte Afrika seine Menschen hervor, wie Asien die seinen, so ist es, dünkt mich, nicht schwer zu begreifen, warum jene so wie diese, sich so besonders zu ihrem jedesmaligen Klima passen? Warum aber diese beyden Menschenarten, wenn sie ja zusammen kommen, ihr Geschlecht miteinander fortpflanzen können, ist mir nicht räthselhafter, als der Grund, weshalb unsere Rinder mit den Bisons in Amerika und Asien, und mit den indischen Buckelochsen einen Mittelschlag geben: es sind Arten, die sehr nahe an einander gränzen; oder es sind Varietäten von einer Gattung, die das Siegel des Klima's an sich tragen, in welchem sie zuerst entstanden: jenes, wenn ihre unterscheidende Merkmale unauslöschlich sind; letzteres, falls sie, wie es der Linnäische Begriff erfordert, blos durch Verpflanzung, ohne Vermischung, eine in die andere übergehen können.

Ich habe mich im vorhergehenden geflissentlich öfter des Worts Varietät bedient, zugleich aber zu verstehen gegeben, daß ich es mit Rasse für gleichbedeutend halte; letzteres war freylich bisher noch wenig bestimmt. Wir haben es von den Franzosen entlehnt; es scheint mit racine und radix sehr nahe verwandt, und bedeutet Abstammung überhaupt, wiewohl auf eine unbestimmte Weise; denn man spricht im französischen von der Race Cäsars, so wie von Pferde- und Hunde-Races, ohne Rücksicht auf ersten Ursprung, aber doch, wie es scheint, allemal mit stillschweigender Unterordnung unter den Begriff einer Gattung. Es wäre ein Auftrag an einen geschäftslosen Menschen, zu entwickeln, in welchem Sinne jeder Schriftsteller dieses Wort gebraucht haben mag. Von den Reisebeschreibern, welche neuerlich die Bewohner der Südseeinseln geschildert haben, darf ich wohl sagen, daß sie ihre Zuflucht zu dem Worte Rasse nur da zu nehmen scheinen, wo es ihnen unbequem ward Varietät zu sagen. Es sollte mehr nicht heissen, als ein Haufen Menschen, deren gemeinschaftliche Bildung eigenthümliches und von ihren Nachbarn abweichendes genug hat, um nicht unmittelbar von ihnen abgeleitet werden zu können; ein Stamm, dessen Herkunft unbekannt ist, und den man folglich nicht so leicht unter eine [96] der gewöhnlich angenommenen Menschenvarietäten rechnen kann, weil uns die Kenntniß der Zwischenglieder fehlt. So nannte man die Papuaner und die übrigen mit ihnen verwandten schwarzen Insulaner im Südmeere, eine von den hellbraunen ebendaselbst befindlichen Völkern Malaischer Abkunft, verschiedene Rasse, das ist: ein Volck von eigenthümlichem Charakter und unbekannter Abstammung. Will man sich inskünftige an diese Definition halten, wenn von Menschen die Rede ist, so kann das Wort noch beybehalten werden: wo nicht, so können wir es füglich entbehren. Herrn Kants Bestimmung hingegen scheint um so weniger annehmlich zu seyn, je ungewisser und unwahrscheinlicher es ist, daß es unter Thieren eines und desselben Stammes jemals einen unausbleiblich erblichen Unterschied geben könne.

Von jenen veränderlichen Spielarten, die unter unsern Augen entstehen, wissen wir, daß ihre Unterscheidungszeichen auch vergänglich sind, daß eine in die andere übergeht und in den Enkeln wieder die unveränderte Bildung der Vorfahren zum Vorschein kommt, wenn gleich die Zwischenglieder davon abgewichen waren. Wenn sich aber Unterschiede nicht mehr historisch bis auf ihren Entstehungspunkt nachspüren lassen, so ist es das geringste was man thun kann, ihren Abstamm für unentschieden zu halten; und jener Unterschied den Herr K. zwischen den Begriffen des Naturbeschreibers und des Naturgeschichtskundigen machen wollte, muß ganz und gar wegfallen.

Ich erlaube mir dennoch keinesweges die Frage: ob es mehrere ursprüngliche Menschenstämme giebt? entscheidend zu bejahen. Allein nach allem, was Herr K. von dem dauerhaften Unterschiede zwischen dem Neger und dem Weissen darlegt; nach billiger Erwägung des wehrlosen Zustandes, in welchem sich der Naturmensch befindet, und der Gefahren, denen er von großen Raubthieren, giftigen Amphibien, Insekten und Pflanzen blosgestellt ist; kann ich es wenigstens nicht für unwahrscheinlich oder unbegreiflich halten, daß zwey verschiedene Stämme, und vielleicht von jedem eine hinlängliche Anzahl von Individuen, als Autochtonen, in verschiedenen Weltgegenden hervorgegangen sind. Wären die Unterschiede zwischen den Indiern und den Weissen erheblicher, so könnte[97] man jene vom asiatischen Erdbuckel, und diese vom Kaukasus ableiten. Amerika, als ein Welttheil, welcher später bewohnbar geworden ist, hat vielleicht gar keine Autochtonen gehabt; doch hier ist freylich alles ungewiß.

Übrigens sehe ich bey der Voraussetzung, daß es mehrere ursprüngliche Menschenstämme giebt, auch keine einzige Schwierigkeit mehr, als bey der Hypothese von einem einzigen Paare. Wenn in Afrika die Neger, am Kaukasus die Weissen, am Emaus die Scythen und Indier entstanden, so konnten Jahrhunderte verstreichen, ehe diese verschiedenen Menschen, die noch dazu vermuthlich durch Oceane getrennt waren, einander nahe kommen konnten. Herr K. befürchtet zwar, (Berl. Monatsch. Januar 1786. S. 3.) daß bey der Voraussetzung von mehr als einem Paare, entweder sofort der Krieg entstanden seyn müsse, oder die Natur wenigstens dem Vorwurf nicht entgehen könne, sie habe nicht alle Veranstaltungen zur Geselligkeit getroffen. Ich gestehe es, mir leuchtet dieser Einwurf nicht ein. Wenn es überhaupt nothwendig war, daß von gewissen Gattungen wehrloser Geschöpfe mehrere Einzelne zugleich hervorgebracht werden mußten, so kann man sich leicht überzeugen, daß der Erhaltungstrieb allein hinreichend gewesen sey, sie gesellig zu machen. Wie manche Gattungen geselliger Thiere giebt es nicht ausser dem Menschen; wie viele hat nicht die Natur gelehrt, aus ihrer Vertheidigung und Erhaltung eine gemeinschaftliche Angelegenheit zu machen! Hingegen hat sie nirgends zwischen Wesen von gleicher Art Feindschaft und Zerstörungswuth gesetzt. Krieg, wie Herr K. das unwiderleglich und unübertreflich (S. 19.) beweiset, ist eine der ersten Folgen des Misbrauchs der Vernunft, die dem Instinkt zuwider handelt. Wenn die Mythologie, die er zum Leitfaden wählt, in der Geschichte eines Menschenpaares sogleich den erstgebohrnen Sohn zum Brudermörder macht, so scheint doch freylich für die Sicherheit der Menschen durch ihre gemeinschaftliche Abstammung schlecht gesorgt zu seyn. Da der Instinkt hingegen die Antilopen in Afrika in Heerden vereinigt, damit ihrem festgeschlossenen Phalanx die Löwen, Panther und Hiänen nichts anhaben mögen; da der Instinkt einen Trupp Affen mit Prügeln bewafnet, womit sie den Elephanten aus ihren Nuß- und[98] Obstwäldern verjagen: so scheint es mir nicht ungereimt, durch diesen dunkeln Trieb auch Menschen sich versammeln zu lassen, damit die Folgen ihres geselligen Lebens, Sprache und Vernunft, sich desto schneller entwickeln mögen.

Doch indem wir die Neger als einen ursprünglich verschiedenen Stamm vom weissen Menschen trennen, zerschneiden wir nicht da den letzten Faden, durch welchen dieses gemishandelte Volk mit uns zusammenhieng, und vor europäischer Grausamkeit noch einigen Schutz und einige Gnade fand? Lassen Sie mich lieber fragen, ob der Gedanke, daß Schwarze unsere Brüder sind, schon irgendwo ein einzigesmal die aufgehobene Peitsche des Sklaventreibers sinken hieß? Peinigte er nicht, in völliger Überzeugung, daß sie seines Blutes wären, die armen duldsamen Geschöpfe mit Henkerswuth und teuflischer Freude? Menschen einerley Stammes, die der unerkannten Wohlthat einer gereinigten Sittenlehre theilhaftig waren, bezeigten sich ja darum nicht duldsamer und liebreicher gegeneinander. Wo ist das Band, wie stark es auch sey, das entartete Europäer hindern kann, über ihre weissen Mitmenschen eben so despotisch wie über Neger zu herrschen? War es nicht vielmehr noch immer edles Selbstgefühl und Widerstreben desjenigen den man bedrücken wollte, das hie und dort den Übermuth des Tyrannen in Schranken hielt? Wie sollen wir also glauben, daß ein unerweißlicher Lehrsatz, die einzige Stütze des Systems unserer Pflichten seyn könne, da er die ganze Zeit hindurch, als er für ausgemacht galt, nicht eine Schandthat verhinderte? Nein, mein Freund, wenn Moralisten von einem falschen Begriffe ausgehen, so ist es wahrlich ihre eigne Schuld, wenn ihr Gebäude wankt, und wie ein Kartenhaus zerfällt. Praktische Erziehung, die jeden Grundsatz durch faßliche und tiefen Eindruck machende Beyspiele erläutert, und aus der Erfahrung abstrahiren läßt, kann vielleicht es dahin bringen, daß Menschen künftig fühlen, was sie Menschen schuldig sind, was jede Thierart sogar, mit denen sie doch willkürlich umgehen, an sie zu fordern hat; Köhlerglauben hat es nie gekonnt, und wird es nie bewirken. In einer Welt, wo nichts überzählig ist, wo alles durch die feinsten Nüancen zusammenhängt, wo endlich der Begrif von Vollkommenheit in dem Aggregat und dem harmonischen [99] Zusammenwirken aller einzeln Theile des Ganzen besteht, stellte sich vielleicht dem höchsten Verstande die Idee einer zwoten Menschengattung als ein kräftiges Mittel dar, Gedanken und Gefühle zu entwickeln, die eines vernünftigen Erdwesens würdig sind, und dadurch dieses Wesen selbst um so viel fester in den Plan des Ganzen zu verweben. Weisser! der du so stolz und selbstzufrieden wahrnimmst, daß wohin du immer drangst, Geist der Ordnung und Gesetzgebung den bürgerlichen Vertrag begründeten, Wissenschaft und Kunst den Bau der Kultur vollführen halfen; der du fühlst, daß überall im weiten volkreichen Afrika die Vernunft des Schwarzen nur die erste Kindheitsstufe ersteigt, und unter deiner Weisheit erliegt – Weisser! du schämst dich nicht am Schwachen deine Kraft zu misbrauchen, ihn tief hinab zu deinen Thieren zu verstossen, bis auf die Spur der Denkkraft in ihm vertilgen zu wollen? Unglücklicher! von allen Pfändern, welche die Natur deiner Pflege anbefohlen hat, ist er das edelste. Du solltest Vaterstelle an ihm vertreten, und indem du den heiligen Funken der Vernunft in ihm entwickeltest, das Werk der Veredlung vollbringen, was sonst nur ein Halbgott, wie du oft glaubtest, auf Erden vermogte. Durch dich konnte, sollte er werden, was du bist, oder seyn kannst, ein Wesen, das im Gebrauch aller in ihm gelegten Kräfte glücklich ist; aber geh, Undankbarer! auch ohne deinen Willen wird er es einst, durch dich; denn auch du bist nur ein Werkzeug im Plane der Schöpfung! – –

Das sind die Gedanken, lieber B. – die des würdigen Philosophen beyde Aufsätze bey mir erregt haben: ich hange nicht so fest daran, daß ich sie nicht von Herzen gern fahren liesse, sobald man sie widerlegt haben wird. Indessen gebe ich keinen geringen Beweis von dem Durste nach Wahrheit und Belehrung, der in mir brennt, indem ich sie bekannt zu machen wage; denn das Urtheil derer, die sichs beykommen lassen in diesem Punkt vom gewöhnlichen Wege abzuweichen, ist schon gesprochen. Obschon ein altes Buch, wogegen niemand schreiben darf, mit keiner Sylbe des Negers erwähnt; obschon der große Mann, der angebliche Verfasser desselben, vermuthlich keinen Neger je gesehen: so ist es doch ein Angrif auf dieses alte Buch, wenn man von mehr als Einem[100] Menschenstamme sich eine Möglichkeit vorstellt, und dieser Streich, der niemand verwundet, heißt eine Ketzerey. Die Ketzer aber sind boshafte Leute; sie treibt die Neuerungssucht, sie führt die blinde Unwissenheit. Wenn Sie mich aber auch nicht immer von dem Verdacht einer solchen Begleiterin befreyen können, so wird wenigstens eine ächte philosophische Jury mich, in Ansehung der beyden andern Punkte, nicht für schuldig erkennen. Für jezt genug hievon; vielleicht nehme ich diese Materie von den Menschen-Varietäten künftig wieder zur Hand; denn mir fällt noch vieles ein, worüber ich nicht einverstanden bin. Leben Sie wohl.

Georg Forster

Fußnoten

1 Der Stifter von Wilna. Koialowicz, Hist. Lituan, Dantise. 1650, 4to

2 Die englische Urschrift habe ich hier nicht nachschlagen können. In der Oktavausgabe der Übersetzung, im zweyten Bande S. 123. (Berlin bey Haude und Spener, 1775.) stehen die von mir angeführten Worte.

3 Buffon Hist. Naturelle Tom. III. p. 522. Paris, 4to 1750.

4 S. dessen Critica botanica. S. 266.

5 Frankf. und Leipz. 1785.

6 Zimmermann in seiner vortreflichen geographischen Geschichte des Menschen und der vierfüßigen Thiere. I. S. 5.

7 Ideen zur Philos. der Gesch. I. S. 88.

8 S. Geographische Geschichte des Menschen, u.s.w. 3ter Theil, S. 203.


Notizen
Erstdruck in: Teutscher Merkur (Weimar), Oktober u. November 1786.
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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Forster, Georg. Noch etwas über die Menschenraßen. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-B1BD-F