[175] Die Fremde.

1. Kapitel

Erstes Kapitel.

v.K. Pardi! Herr Bruder, du bist des Teufels!

v.O. Man muß sein gutes Glück verfolgen!

v.K. Aber, wie in aller Welt hast du das angefangen?

v.O. Nichts leichter! Ich sah sie das erstemal auf der Redoute, wir tanzten zusammen, und die Bekanntschaft war gemacht.

v.K. Du hast ein eigenes Talent dazu.

v.O. Es ist eine Gabe Gottes; ich weiß es selbst nicht.

v.K. Aber der Ehewächter?

v.O. Er machte Bank, und gab nur auf seine Karten Acht.

v.K. Wie konntest du aber? –

v.O. Sie war ein wenig in Wallung, und sprach selbst davon.

v.K. Freilich, wenn's einem so nahe liegt.

[176] v.O. Er ist in seinem ganzen Leben nur mit Pferden und Hunden umgegangen. Aber sie – wahrlich wenn du sie sehen solltest, es ist ein göttliches Weibchen! So sanft, so duldend, so zärtlich!

v.K. Ich glaube es gern. Aber du wagtest doch verdammt viel, gleich den dritten Tag –

v.O. Sie gab mir es ja zu verstehen – der Patron war auf der Fuchshetze.

v.K. Und dann total glücklich!

v.O. Total, wie ich dir sage: Tout ou rien!

v.K. (mit der Pantomime des Vergnügens) Ich gratulire! – Aber nun ist's auch vorbei: sie sind auf dem Gute.

v.O. Vorbei? – Glaube das ja nicht!

v.K. Aber die Möglichkeit?

v.O. Sehr leicht. – Willst du mir helfen?

v.K. Wenn ich kann, von Herzen gern.

v.O. Schlag ein! Ich will dir's in zwei Worten sagen.

Sie setzten ihren Spaziergang fort, und die Sache war verabredet.

2. Kapitel

[177] Zweites Kapitel.

Es war ein schöner Herbstabend, und Frau von P. saß im Garten und dachte an ihren Liebling. Herr von P. besah seine Stuterei. Auf einmal bließ ein Posthorn, und aus den Staubwolken wurde eine Equipage sichtbar. Sie hielt an dem Hause, und alle Bedienten stürzten hinzu.

Herr von K. mit seiner Schwester; sie kommen aus dem Bade. Kaum waren sie angemeldet, als ihnen Herr und Frau entgegen eilten. Herr von K. war ein rüstiger Jäger, und seine Fräulein Schwester eine sehr interessante Figur. Man hatte viel zu fragen, und noch mehr zu erzählen. Doch schien Fräulein Julie ein wenig schüchtern zu sein, da sie erst vor kurzem aus der Provinz gekommen war.

Man setzte sich zu Tische, Frau von P. konnte nicht satt werden, das Fräulein anzusehen. Sie fand so täuschende Aehnlichkeiten; sie hatte so süße Erinnerungen, und mußte dennoch selbst darüber lächeln. Aber auch das Fräulein schien viel Zärtlichkeit für sie zu haben; sie drückte ihr häufig die Hand, und sprach fast beständig mit ihr.

So kam eilf Uhr heran, und es war endlich [178] Zeit, schlafen zu gehen. – Ich habe eine Bitte an Sie, allerliebste Freundin! lispelte das Fräulein: es ist mir un möglich, allein zu schlafen; wollten Sie mir ein Plätzchen in Ihrem Zimmer einräumen?

Mit Vergnügen! antwortete Frau von P. erröthend: es stehen gerade zwei Betten darin.

Bon soir Mesdames! – Die Herren blieben noch bei ihren Bouteillen, und die beiden Damen traten in ihr Zimmer.

3. Kapitel

Drittes Kapitel.

Wir wollen eine die andere ausziehen! sagte das Fräulein lächelnd, und machte mit Frau von P. den Anfang. – Kleine Lose! fiel diese ein, als sich ihre Hände an ihren Busen verirrten. Ich bin schon fertig, setzte sie hinzu: ich habe blos die Levite an.

Und ich ebenfalls, fuhr das Fräulein fort, und putzte das Licht aus. – Ich will dem Mädchen klingeln, sagte Frau von P.; aber das Fräulein fand es bei dem Mondschein hell genug, warf die Kleider ab, und schlüpfte ins Bette. – Es ist zweischläfrig, sagte Frau von P. lächelnd und zärtlich: werden wir uns auch vertragen? [179] – Gewiß, gewiß, meine Allerbeste! rief das Fräulein, und zog dic Zögernde vollends hinein.

Kaum hatte sich Frau von P. gelegt, als sie sich heftig umarmt fühlte, das Fräulein bedeckten sie mit ihren Küssen, und ihre Glieder verschlangen sich mit den ihrigen. – Himmel! was machen Sie, böses Kind? rief sie schmachtend und außer sich: ich werde ohnmächtig werden! – In dem Augenblick hatten sich die verrätherischen Hände des Fräuleins verirrt; Frau von P. wollte ihr abwehren, stieß an ihr – Nicht – Ich – und that einen lauten Schrei.

4. Kapitel

Viertes Kapitel.

Um Gotteswillen! rief der Herr von O.: ich bin es, theuerste Freundin! Kennen Sie mich nicht? – und seine Liebkosungen ermunterten sie.

Ach! gab sie seufzend zur Antwort: so habe ich mich nicht getäuscht! – Aber wie haben Sie mich überrascht.

Er: Wirst du mir verzeihen, liebes gutes Weib?

Sie: Mein Herz sagte mir's im ersten Augenblicke, und dennoch wagte ich's nicht, zu hoffen.

[180] Er: O so ist mir Alles gelungen! Laß uns glücklich sein, theuerste Julie!

Sie: Böser Mann, mich so zu erschrecken!

Er: Ich will dir tausend Küsse dafür geben.

Sie: Und mir auch kein Wörtchen vorher zu sagen!

Er: Um dir das Vergnügen aufzusparen. – Wirst du noch länger zürnen?

Sie: Bis ich dich abgestraft habe, du lieber böser Mann!

Süße wollüstige Strafe! Wie gern wollte ich mich ihr unterwerfen! Wie gern wollte ich mein Urtheil von diesen Lippen hören und in ihren Armen sterben! – So vergieng die Nacht, und der Morgen fand die süßen Schlafgefährtinnen zärtlicher als jemals.

Sie müssen ein Paar Tage hier bleiben, sagte Herr von P.: ich will Ihnen mein Revier zeigen.

Wer war entzückter, als die beiden Fremden? Die Herren giengen auf die Jagd: die Unzertrennlichen in die Eremitage.

Glückliche Tage, wo sie still und ungestört sich und ihre Liebe genossen! Am vierten endlich mußten die Fremden aufbrechen. So vielmal der Freund schon Abschied genommen hatte, die Freundin hatte doch noch einen Kuß zu fordern.

[181] – Nun, so geben sie mir bald wieder die Ehre! sagte der Heil von P.: nicht wahr, meine wilden Schweine sind der Mühe werth?

Und deine Turteltäubchen noch mehr! sagte Herr von K. leise, und der Wagen rollte fort.

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TextGrid Repository (2012). Fischer, Christian August. Erzählungen. Dosenstücke. Die Fremde. Die Fremde. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-A80A-6