[182] Dir Hosen des heiligen Bernhard. 1

1. Kapitel

Erstes Kapitel.

Augustina! Augustina! Geschwinde! Geschwinde! rief Maria ihrer Schwester zu: Bruder José geht mit dem Pater Prior vorbei! – Augustina flog hinzu, und beide Schwestern sahen den Mönchen mit Vergnügen nach.

Der Prior sah sich recht nach dir um, fuhr Maria lächelnd fort.

Augustina: Sie werden wohl wieder vorbei kommen. Sieh' doch, ob meine Retesilla 2 gut fällt.

Maria: Alles gut! – Bruder José lachte mich an, wie ein Engelchen.

[183] Augustina: Mir gefällt nun der Pater Prior besser; er ist schöner gewachsen.

Maria: Dafür ist Bruder José auch stärker. Wenn war's denn, als sie das erstemal Chocolade hier kauften?

Augustina: Morgen wird's vierzehn Tage. Weißt du noch, was der Prior sagte?

Maria: Wir hätten die beste Chocolade in ganz Barcellona.

Augustina: Aber ich gab ihm auch von Nro. I. für achtzehn Realen, mit Vanille und Ambra.

Maria: Und Bruder José wollte mir formen helfen.

Augustina: Und der Pater Prior fragte mich, was mein Mann machte?

Maria: Apropos! – Ja, was sagtest du denn?

Augustina (seufzend): Was sollte ich sagen? – Er mochte es errathen.

Maria: Nun das weiß ich, Schwester! So einen Lazarus nehm ich mir nicht.

Augustina: Ja wer's gewußt hätte! – Aber still! Hörst du sie reden? – Geschwinde setze dich dorthin.

Maria: Ja wahrhaftig, sie sind es!

2. Kapitel

[184] Zweites Kapitel.

Die Herren traten herein, und wurden mit Auszeichnung empfangen. Uniformen und Mönchskutten haben von jeher die Weiber bezaubert. Die Söhne des heiligen Bernhard hatten längst gemerkt, wie sehr sie willkommen waren, und ihren Plan gemeinschaftlich gemacht.

Aber Donna Augustina! hub der Prior an: man sieht Sie so selten! – Gehen Sie denn gar nicht aus?

Augustina: Ehrwürdiger Pater Prior! Meine Geschäfte –

Prior: Was! Ihre Geschäfte? – Ein schönes Weibchen muß sich nicht –

Augustina (freundlich): Und wenn ich auch einmal – so – (abbrechend):

Prior (vertraulich): Dürfen Sie nicht, armes Weibchen? (ihre Hand fassend.)

Augustina (treuherzig): Sie haben's errathen! Was soll ich's läugnen, ehrwürdiger Pater Prior!

Prior (rückt näher): Sie sind unglücklich, Augustina!

Augustina: Ich bin wenigstens nicht glücklich, ehrwürdiger Pater Prior!

Prior: Jesus Maria José! Wie bedaure [185] ich Sie, armes, armes Weibchen! (ihre Hand mit Inbrunst drückend.)

Augustina (sich zu ihm beugend): Mein abscheulicher Mann! (weinend und schmerzhaft) Ach Gott, wie bin ich betrogen worden!

Prior (treuherzig): Haben Sie keinen Freund?

Augustina: Wer sollte sich eines armen unglücklichen Weibes annehmen?

Prior (leis, aber mit steigender Wärme): Ich! – Ich! – Rechnen Sie ganz auf mich, Augustina!

Augustina (gerührt): Ehrwürdiger Pater Prior!

Prior (wie vorher, und ihre Hand an sein Herz drückend): Ich will dein Freund, dein Vertrauter, dein Tröster, dein Alles sein!

Augustina (sanft und zärtlich): Guter, theuerster Pater Prior!

Prior (ihre Hand unter dem Scapulier streichelnd): Ich will Balsam auf dein leidendes Herz gießen; ich will deine Schmerzen stillen und deine Thränen abtrocknen!

In diesem Tone fuhr er fort, und Augustina wurde mit jeder Minute verliebter. Eben so gute Fortschritte machte Bruder José bei Marien. Es waren ja zwei schöne rüstige Mönche, [186] die auf jeden Fall die Absolution im Voraus geben konnten.

3. Kapitel

Drittes Kapitel.

Nach acht Tagen war die Intrigue in vollem Gange. Die beiden Schwestern hörten in dem Minoritenkloster täglich die Messe, und giengen jeden Sonnabend zur Beichte. Bald folgten sie dem Rosario, bald fanden sie sich bei einer Novena ein; nie waren sie noch so andächtig gewesen.

Auch die Patres giengen nun fast täglich durch die Straße. Bald kauften sie Chocolade ein; bald hatten sie sich nach etwas zu erkundigen; bald begegneten sie ihnen an der Kirchthüre, um ihnen beim Weihkessel die Hand zu drücken; kurz, die partie quarrée verstand sich vortrefflich.

Die Hauptsache aber war der heilige Beichtstuhl. Hier wurden die eigentlichen Rendezvous gegeben; die zärtlichsten Gespräche unter vier Augen gehalten, und Küsse und Liebkosungen im stillen Dunkel erlaubt. Kein Scrupel, keine Bedenklichkeit, keine Gewissensangst. – Die Absolution nahm alles weg.

[187] An einem dieser glücklichen Sonnabend wurde nun auch endlich das Letzte verabredet. Der schwindsüchtige Don Fernandez mußte auf einige Tage verreisen, und die zärtlichen Paare setzten eine Zusammenkunft fest.

4. Kapitel

Viertes Kapitel.

Die Patres kamen an; man setzte sich zum Abendessen; der Becher gieng fröhlich herum; die Augen wurden immer zärtlicher, die Scherze immer freier, die Liebkosungen immer feuriger. Endlich verlöschten die Lichter, und jedes Paar fand sich zusammen wieder.

O Augustina! O Maria! Wie entzückend überschattete euch der heilige Bernhard! Seine kostbaren Reliquien an eure Körper gebracht, goßen Segen und Wollust über euch aus. Ihr wurdet der Erde entrückt; ihr schwebtet in den Himmel der Seligen; ihr hörtet die Harmonien der Cherubin, und sanket anbetend mit ihnen nieder.

Zwei Mönche, und zwei junge Weiber! – Man kann sicher etwas voraussetzen: zwei spanische Mönche, und zwei junge spanische Weiber! Man kann alles erwarten. Auch [188] thaten die frommen Seelen Wunder: sie starben, und standen ein Dutzendmal auf; und wenn sie sich noch so sehr verblutet hatten, huben sie doch nach einigen Minuten wieder triumphirend ihr Haupt empor.

Eben waren die Patres im Begriff, ihre letzte Oelung zu geben, als Don Fernandez heftig an den Laden klopfte. Kaum hatten sie Zeit, das Allelujah zu sagen, als er schon die Thüre einbrach. Noch eben gelang es ihnen, sich in den Garten zu retten, doch mußte der Pater Prior seine Holen im Stiche lassen.

5. Kapitel

Fünftes Kapitel.

Zum Teufel, sagte der Mann, und stürzte athemlos in das Zimmer. So macht doch auf! Ich bin die halbe Nacht gerennt, um fünfzig Pfund von Nummer I. zu holen, und muß mir da die Patrouille nachsetzen!

Die Weiber lachten in's Fäustchen, und entschuldigten sich bestens. – Aber, was der Henker! fuhr er fort: was sind denn das für ein Paar Hosen?

Ach, lieber Schwager! fiel Marie ein: um Gotteswillen, gehen Sie andächtig damit um! Es sind des heiligen Bernhard seine.

[189] Don Fernandez: Des heiligen Bernhard seine? – Jesus! Maria! Joseph! Wie kommen denn die her?

Augustina: Ach, sie haben ein Wunder an uns gethan!

Maria: Ja, Hermano! Augustina glaubte zu sterben.

Augustina: Ich hatte die heftigste Kolik von der Welt!

Maria: Und alle Hülfsmittel waren vergebens.

Augustina: Endlich fiel es Maria ein, zu den Minoriten zu schicken.

Maria: Sie haben sie nur erst kürzlich vonRom bekommen.

Augustina: Und da kam der fromme Prior selbst.

Maria: Und so wie er sie applicirte, hörte der Schmerz augenblicklich auf.

Don Fernandez (der lange in tiefer Verwunderung gestanden hat, schlägt endlich die Hände zusammen): Per Maria Sanctissima! Heute ist meinem Hause Heil wiederfahren! Lege sie dort in den Glasschrank, Mariechen; morgen werden sie sie wohl holen. – Ah benditas sean las calrones de san Bernardo! 3

[190] Die beiden Schwestern wollten sich die Zunge abbeißen, aber kaum läutete die Metten, so sprang Maria fort, und erzählte das Vorgefallene Bruder José.

6. Kapitel

Sechstes Kapitel.

Da wollen wir bald Rath schaffen, sagte der Prior, und befahl dem Bruder Glöckner, zu läuten. Die ganze Brüderschaft versammelte sich, der Prior trat an ihre Spitze, und so zogen sie in Prozession zu Don Fernandez.

Der Prior winkte Bruder José, der ein Tabernackel trug, und sie giengen hinein. Don Fernandez küßte ihnen die Hände, und stotterte Danksagungen für die empfangene Wohlthat. Die Mönche behaupteten ihre Gravität, und forderten die heilige Reliquie zurück.

Don Fernandez öffnete den Schrank, legte die Hosen in ein seidenes Tuch, und überreichte sie dem Pater Prior mit einem Fußfall. Der Prior steckte sie in das Tabernackel, und ließ sie die Anwesenden küssen. Die beiden Schwestern thaten es mit Inbrunst, und er drückte ihnen verstohlen die Hand.

Die Prozession gieng zurück; ihr feierlicher Gesang rief das Volk herbei, und jeder wollte [191] die Hosen küssen, die Weiber, um fruchtbar, die Männer, um mannhaft dadurch zu werden.

Mundus vult decipi, sagte der Prior leise zu seinem Schildträger. – Ergo decipiatur! gab Bruder José zur Antwort: auf den Abend ist er wieder fort.

Wirklich stellten sich auch die Wunderthäter wie der ein, und die frommen Schwestern hatten die Freude, nicht nur die irdische Hülle, sondern auch ihren Heiland im Fleische zu schauen.

Fußnoten

1 Man würde dem Verfasser Unrecht thun, wenn man glauben wollte, er habe die Absicht, die ächten heiligen Reliquien lächerlich zu machen. Er kennt und verehrt sie, wie er soll. Seine Satyre trifft nur die Bosheit und die Irreligiosität des schändlichen Mißbrauches.

2 Haarnez, welches die spanischen Weiber statt der Haube tragen.

3 Gebenedeiet seien die Hosen des heil. Bernhard.

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TextGrid Repository (2012). Fischer, Christian August. Erzählungen. Dosenstücke. Die Hosen des heiligen Bernhard. Die Hosen des heiligen Bernhard. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-A7EE-3