[429] [433]Ausspruch des Esels


Dulceis Lusciniae modulos sententia vana, Arcadici

pecoris Coccysmis post habet. Ergò, Nil miri,

modulamina nunc sperni Philo-Melæ. Definitiva

oder Endlicher Außspruch deß Esels, in strittigen

sachen der Nachtigaln, an einem, wider den

Guckguck, andern theils, vnd wie davon

rechtmessiger wolbefügter weiß

appellirt worden, allen denen,

so sich deß Richterlichen

Ampts vermeintlich

anmassen, zum vnterricht in

Teutsche Reimen verfast.


Ihr, die gern seht was sonderlichs,
Nun secht mir hie was wunderlichs,
Hie sitzt ein Esel vnd will richtn
Inn jhm gar vnbekandten Gschichtn,
(Wie heut noch manche Esel pflegn,
So vrtheiln, was sie nicht vermögn).
Dasselbig hat sich zugetragn
Auff weiß, wie ich euch nun will sagn:
Ein zanck erhub sich auff ein mal
Zwischen Guckgauch vnd Nachtigal,
Wer das best gsang führt vnter jhnen,
Weil mit einander sie beginnen
Zugleich im Aprill jhr Gesang
Vnd treibens übern May nicht lang.
Der Guckgauch ward gar vnverschampt
Vnd trotzt die Vögel Allesampt.
[433]
Damit nun solch spänige sach
Vnter Vögeln kein Auffruhr mach,
Wardt gschlossen, den streit abzustelln,
Daß man ein Richter solt erwehln,
Aber doch auß den Vögeln keinen,
Weil sie hierinn Partheysch scheinen,
Sondern ein auß Vierfüssing Thiern,
Der recht sprech, wem preiß solt gebürn.
Nun trat her auß dem Wald vngfähr
Ein Esel grobitetisch schwer,
Fein fuß für fuß vnd gar bedachtsam,
Daß er kein Fuß verrenckt, gmachsam.
All Vögel sahen jhn drumb an:
»Secht, was Schultheiß trit hie auff dban,
Es jst fürwar ein Erbarer Esel,
Der seß gar fein im Richter Sessel,
Dieweil er hat lang Ohren auch,
Die wol verhören vnsern Gauch.«
Sie schickten ein Gesandten hin,
Den Retscher, der solt bitten jhn,
Das sich sein Orithet bemühe,
Zu vrtheilen disen streit Alhie.
Als der Esel die werbung hört,
Der sachen er sich nicht lang wehrt,
Dann er sich hett albreit beredet,
Das man die gschicksten nur erbetet,
So man doch witz bey eim sucht gwönlich,
Weil er eim witzigen sicht ähnlich,
Darumb den Spruch man billich soll,
Wer weiß, obs war ist, wissen wol,
Obs Nemblich war ist, oder Narr ist,
Weil dunckel machet, daß nichts klar ist.
Nach dem nun Nachtigal vnd Gauch
Heten eingwilligt nach rechts brauch
In den Schiedrichter Herr Ragörlin,
Da nam er für ein Richters gwehrlin,
[434]
Ein grün Reiß, reuspert sich drauff bald,
Daß das Giga in Wald erschalt;
Er setzet sich vnd spitzt sein öhrlin,
Wie dMeydlin, wenn man sagt ein Märlin,
Vnd sach stracks zu dem walt dorthin,
Alda die Kempffer fassen kün.
In deß fieng an die Nachtigal
Zu gällen jhrn zwitzrenden schall,
Das der Esel sich drob vergaß
Vnd nicht wust, wie vnd was es was.
Darauff der Guckgauch auch herrucket,
Rufft dem Richter, der auff jn gucket,
Gugkuck, Gugkuck, giga gikuck:
Es laut als der Tantz auff der Kruck.
Meim Herr Esel Ohren richter
Gefiel so wol der Guckguck tichter,
Das vor verwunderung jhm gleich
Auß dem Trappen der stab entweich
Vnd thet das vrtheil gleich drauff sprechen,
Daß nach sein Ohrn es zu rechen,
So geb dem Guckgauch er das Lob,
Weil ers macht so verstendlich grob,
Daß solchs all Esels Ohrn merckn,
Dörffn nit drob viel kopffs zerwerckn
Vnd sein gsangsweiß errathen lang,
Weil er selbst rufft sein Nam vnd gsang.
Aber die Nachtigal darnebn
Führ so ein seltzam verwirts lebn,
Verkälerirts, verzuckts, zerhackts,
Verketzerts, verzwickts vnd verzwackts,
Koterts vnd kauets in der Käln,
Das man kein Silb jr nach kan zehln.
Drumb gab der Gauch weiß er den preiß,
Die reim sich zu seinr giga weiß,
Aber der Nachtigallen gellen
Wöll nicht in seinen Ohren stellen.
[435]
Hierauff so brach er seinen Stab,
Als ob ers wol verrichtet hab.
Da nun das vrtheil gsprochen ward,
Vertroß es alle Vögel hart,
Daß einer von so langen Ohrn,
Vnd darzu von so grawen Harn,
Nicht besser solt vrtheiln können,
Dann wie vom gschmack ein sau vol pfinnen.
Verjagten drumb den Gauch von jhnen,
Ders Recht durchs Esel recht wolt gwinnen,
Vnd gaben jrer Nachtigall
Den Rath, daß sie flucks in dem fall
Solt zu den Menschen Appelliern,
Der werds ohn zweiffel baß erspürn,
Weil er sein sinn nicht laß Regiern,
Sondern vernunfft die sinn laß führn.
Sejther, zu folgen diesem Rath,
Die Nachtigal kein ruh nicht hat;
Wann sie ein Menschen nur erblickt,
Daß sie zum singen sich gleich schickt,
Vnd singt daher mit allem fleiß,
Zuklagen jm durch kläglich weiß
Das vrtheil deß wald Esels grob,
Der jr abgsprochen hat Lob,
Vnd einem Guckgauch zugesprochn,
Auß vnvernunfft nur Abgestochn.
Ja auch, daß sie vmb solchen Hohn
Sich etwas rechen mög zu lohn,
Ist gantzem Nachtigallen gschlecht
Erlaubt vom Jove für gantz Recht,
Das es dem Esels gschlecht mög schadn,
Wann es mit gschweren ist beladn,
Es beissen auff den gschwollnen Ruckn,
Das es der Sattel bas mög truckn.
Ey daß all Nachtigal verächter
Han müsten noch erger durchächter,
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Wie Marsias, den Phoebus schundt,
Da er sich grössers vnterwundt
Vnd mit jm dorfft ein Kampff eingehn,
Darinn er doch nicht mocht bestehn.
Ey das all solche Guckgauchpreyser
Würden zuschanden oder weiser,
Weil sie sich über Eyer wagn,
Die sie nicht wissen, was sie tragn.
Wer sind aber ohn G. die GEselln,
Die solch wald Eßlisch vrtheil felln?
Das sind die, so sich düncken klug
Vnd vrtheiln alles auch ohn fug,
Wöllen erkennen über sachn,
Die sie nicht können noch betrachtn,
Die vrtheiln, ehe sie ejn Ding lesn,
Vnd doch daß vrtheil jn zumessn,
Die viel richten vnd nichts verrichtn,
Vnd wölln als schlichtn durchs vernichtn
Ja da es geht, wie der Weiß spricht:
Weißheit wird von jrn Kindern gricht.
Darumb, O liebe Nachtigal,
Es hat dir gfält in disem fall
Daß Appellirest zu den Leutn,
Weil auch bey jnen seind zu zeitn
Zweybejnig Esel, die dein gsang
Achten minder denn Schellen klang,
Vnd über Glehrte wolln sprechn
Vnd über jedes den Stab brechn,
Die so nichts können dann gigagen,
Wöllen vom gsang schön vrtheil sagen,
Doch muß die Nachtigal verliern,
Weil Eselsköpff richten von jrn,
Da, die in Künsten sind die minsten,
Sind im vrtheilen gar die küensten,
Die ohn verstand von sachen sprechn,
So weit sie auß fünff sinnen rechn,
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So doch, wie hie gemahlet stet,
Die wahr vernunfft für alle geht,
Die stet in mitten der fünff Sinnen,
Die sie beherrscht als Königinnen,
Durchs Scepter der Fürsichtigkeit
Vnd also jr vngwißheit leit.
Sie ist das Liecht, welchs die sinn schlicht,
Das kein ohn sie nicht dunckel richt;
Sie tregts Buch der erfahrenheit,
Die sie vom lesen jhr bereit,
Damit scherpfft sie jr Ration,
Daß sie nicht vrtheilt nach dem wohn,
Sonder nach grund vnd der kunst klarheit;
Draus entsteht weißheit vnd warheit.
Derhalben kompt her, all jr Leut,
Weil jr doch all wölt richten heut,
Sitzt neben dem Richtr Esel her,
Secht, wie Richten wol nicht ist schwer,
Aber es treffen, da ligt es,
Da fehlt offt grob das Eselmeß.
Auff das jrs aber Recht möcht treffn,
So last klug dünckel euch nicht äffn,
Dann eygen lieb vnd sich klug stelln
Vnd verstendigre nicht hören wölln,
Diß macht die Welt heut so verwirt,
Das man kaum kennt Schaf oder Hirt.
Wolan, Gott geb dem Esel die Beuln,
Das übr sein verstand will vrtheiln,
Vnd der Nachtigal ein scharpffn Schnabl,
Der dem Esel plag mehr denn die gabl.

In Forchten gehts Mittel.

Nürnberg, bey Peter Iselburger.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Fischart, Johann. Gedichte. Kleinere Dichtungen. Ausspruch des Esels. Ausspruch des Esels. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-A75B-B