[376] Ein nohtwendige Anweisung vnd vorbericht in lesung folgender lieblicher Histori von stäter Lieb des Ismenij vnd der Ismene, was darauß zu lehrnen, vnd wie das regiment der Liebe zuerkennen

J.F.G.M.


Wiewol die alten Artzet hielten,
Daß, welche die Lieb zu viel fülten,
Kranck weren beid an Leib vnd mut,
Weil mancher jhm selbst schaden thut,
Auch war der Heydnisch Weysen lehr,
Daß Lieb den Thoren nur gehör,
Dieweil sie anstift spöttlich sachen,
Die einen stellen zuverlachen;
Vnd auß dem grund bewisen sie,
Daß kein Weiser solt freyen nie,
Dann weil der anfang spöttlich sicht,
So werd der außgang ernsthafft nicht.
Aber das war zu weit geschritten,
Auß einem theil das gantz verbieten,
Vnd von wegen etlicher Leut,
So in der Lieb verschreiten weit
Vnd ordentlich zur Ehe nicht trachten,
Drumb die ordentlich Ehe verachten.
Solt mir eins andern wütigkeit
Erleiden drumb die bscheidenheit?
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Solt mir eins andren volle weiß
Erleiden drumb al tranck vnd speiß?
Nein, sonder eins andern irrer weg
Macht, daß ich such den rechten steg.
Vnd zugelassen, wie gemelt,
Daß oft die Lieb gar spöttlich felt
Vnd kindisch anfängt, wies offt gschicht,
Wann aber dieselb wird gericht
Zum ernsthafften Ehelichem leben,
Was wilt dem anfang schuld da geben?
Ein jeder anfang, weiß man wol,
Ist nicht vollkommen, wie er soll,
Wie man solchs in alln künsten sicht,
Daß keiner ist gleich Meister nicht
Das Kind muß stammeln, ehe es redt,
An bäncken klettern, ehe es trett;
Noch dannoch ist war, wie man seyt,
Auß den kindern werden auch Leut,
Vnd wann dieselben wol gedewen,
Was hast an kindheit dann vor schewen?
Also ist mit der Ehe auch gthan,
Die muß auch jhren anfang han
Vnd jhre kindheit, welche ist
Die Lieb, mit bulen zugerüst.
Da thut man offt viel kindisch Ding,
Biß man den ernst zuwegen bring,
Vnd wann alsdann guts komt auß spott,
Was ist der spott zuklagen noth?
Der schertz geht vor, ehe ernst nachgeh,
Vnd Lieb schleußt thür auff zu der Ehe.
Gleichwol muß ich bekennen diß,
Daß mans offt vbermacht gewiß,
Wann man gar vberschreit das Ziel,
Welchs dann sehr leichtlich gschicht vnd vil,
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Weil bald die hertzen werden geil,
Wann jn gut leben wird zu theil.
Ja offt, wann nicht die mässigkeit
Im zaum helt die begirlichkeit,
Vnd man zu sicher dahin lebt,
Als ob man in den Rosen schwebt,
So wird die Lieb ein Viehisch brunst,
Die nicht acht Gotts noch Eltern gunst.
Wie euch dann dessen hie bericht
Die gegenwertig wunder gschicht,
Da Ismene die Jungfraw schön
So plötzlich läßt die Lieb eingehn
Bei eim wolleben, da sie meint,
Daß jhr die Sonn allein nun scheint,
Weil sie ein jungen gsellen sicht,
Der vielleicht war der heßlichst nicht
Vnd laßt darumb dem lust sein raum,
Helt jhr begird nicht in dem zaum,
Sonder hengt jhm nach mit gewalt,
Entdeckt sie auch sehr manigfalt
Gegen dem Jüngling mit gebärden,
Daß er jhr auch drumb hold muß werden
Was war die vrsach, daß so gschwind
Eins gegen dem andern entbrint?
Kürtzlich die warheit fürgebracht,
Hats jugend vnd die wollust gemacht,
Dann jugend vor sich selber gleich
Ist zu Liebsachen mild vnd weich,
Vnd wann erst wollust darzu reicht,
Werden die hertzen mehr erweicht.
Gleich wie die Sonn ein steinharts eyß
Zertreibt, daß es zerschmeltzt gar leyß,
Also erweicht der wollust auch
Die Hertzen, wann sie schon sind rauch,
Dann freud die gmüter auf thut blähen,
Wie dWind ein lären Sack auffwähen,
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Vnd vberfluß bringt mutwill mit,
Kein freud ist ohn geylheit nit.
Dann was ist Lieb als jmmerzu
Eins müssigen Hertzens vnrhu?
Wann die gemüter müssig sein
Vnd freudig, da steigt Venus ein;
Darumb hie bei der Malzeit gschwind
Die Jungfraw lieb den Jüngling gwint,
Vnd weil sie die nicht ab thut kehren,
Auch jhr die Eltern die nit wehren,
So wird sie vnschamhafftig gar,
Daß sie dLieb spielt zu offenbar,
Vnd auch durch jhr leichtfertigkeit
Den Jüngling führt in gleiches leid.
Welcher wiewol standhafftig sehr
Ein zeitlang thet ein gegenwehr,
Vnd solche zartlicheit veracht,
Doch als er zuviel nachgedacht
Der freundlicheit, die sie offt übt,
Da ward er auch mit Lieb betrübt,
Vnd vngeschickter dann sie nie,
Dann er jhm macht vnzählig müh
Vnd achtet nicht all lehr vnd raht,
Die jhm sein Vater trewlich that,
Ja seiner Ehr er auch vergaß,
Die doch verwart die Jungfrau baß.
Letstlich verstiegen sie sich beid
So weit in dieser lieblicheit,
Daß sie jhr Eltern auch vergessen
Vnd jhren kummer nicht ermessen,
Vnd wagen in den lufft jhr leben,
Sich auff das wilde Meer begeben,
Nur daß sie jhre Eltern fliehen,
Die sie zu solcher forcht nicht ziehen.
Dann hetten sie vielleicht dorumb
Begrüsset jhre Eltern frumb,
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Die hetten gute weg gesucht,
Das es nicht hett bedörfft der flucht.
Aber weil sie jhn selber rathen,
Führen sie sich auch selbst in schaden,
Vnd weil sie an jhn selber werden
Zu Räubern mit grossen bschwerden,
So laßt sie nicht vngstraffet Gott,
Sonder schickt jhn ein grosse noht
Zu Meer, daß man sie werffen thut
Außm schiff für vnrecht fertig gut.
Allda erkanten sie jhr Sünd,
Wie sie auch Gott zu Meer hie find
Vmb jhre vngehorsam that;
Baten derhalben vmb genad,
Die jhn dann widerfehret auch,
Daß sie ohn allen gmeinen brauch
Im Meer erhalten werden beid,
Vnd kommen zusamen mit freud,
Nach welchem sie zu hauß erst reisen,
Vnd sich demütig da erweisen
Gegen den Eltern, bittens ab,
Daß man sie in genaden hab.
Dieselb heurathen sie zusamen,
Vnd bschliessens also in Gotts namen.
Secht, also wird die Lieb geübt,
Vnd, ehe sie klar wird, vor betrübt,
Vnd also wird die Lieb probiert,
Ob sie sey fest, wie sichs gebürt;
Vnd wann sie zu anfang all zu freudig,
So mittelt sie sich dann zu leidig;
Vnd wann das mittelst ist vnrichtig,
So wird das end dest besser schlichtig.
Darumb in keinem leid verzag,
Wer weiß, was bringt der morgig Tag?
Wann die gfärlicheit ist am höchsten,
So ist das glück am aller nächsten;
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Wann man allein auf Gott besteht,
So schlächt er wol, jedoch nicht tödt;
Vnd wer sein vbelthat erkent,
Dem reichet Gott bereit die händ.
Vnd fürnemlich darffs in der Ehe,
Das man allein auff Gott bestehe;
Dann da geht allerley zu hand,
Wie zu Meer, ehe man kompt zu Land,
Vnd wer da fest besteht vnd traut,
Fürt, wie man saget, heim die Braut.
Derwegen, weil man solche lehren
Mag aus disen Liebbüchern hören,
So laßt vns die nicht schlecht verlachen,
Wann sie schon handeln Bulersachen;
Dann diese seind, wie oben gmelt,
Der anfang zur Ehelieb gestellt,
Vnd müssen all schier durch die Schulen,
Ehe sie erlangen jhren Bulen,
Vnd vor die Narrenschuh zertretten,
Ehe sie die ernsthafft klugheit hetten.
Jedoch so halt ein weiser maß,
Daß man den Narrn nicht gar außlaß
Vnd gar vergeß Männische sterck,
Treib wie Hercules spinnwerck.
Dann solchs geht baß den Meidlein hin,
Die seind zarts Leibs, han leichten sinn,
Sonder halt dich bescheidenlich,
Wie hie vnser Jüngling ernstlich;
Laß dich den wollust nicht bewegen,
Sonder mit ernst stell dich dargegen,
So bleibstu selber mächtig dein,
Vnd führst dich in kein vnglück ein.
Wolan, diß wer zum eingang gnug,
Wie man die gschicht hie läß mit fug,
Daß keiner sich nicht ärger dran,
Sonder mehr nutz empfang darvon,
Darbei will ichs auch jetz lan bleiben,
Wiewol ich auch noch möcht beschreiben
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Von der bedeitnuß dieser gschicht,
Wie das sie nemlich vns bericht
Die Lieb, die wir vns selber tragen,
Vnd nur nach Leibswollüsten fragen,
Vnd wie wir schmeicheln vnserm fleisch,
Machen selbst, daß es nicht bleibt keusch.
Darumb seind hie fürgestellt gleich namen,
Weil vnser fleisch halt steiff zusamen,
Vnd wann Cupido die Begird,
Darzu schlächt, wird sie bald verführt.
Aber dieweil es lieff zu weit,
Ist gnug, daß ich drauff hab gedeit,
So kan ein jeder jm nachsinnen
Vnd den verstand leicht finden drinnen,
Fürnemlich wem Gotts wort ist kund,
Darinn solch lehr auch hat sein grund.
Secht, solcher gstalt ist nichts so schlecht,
Daß nicht eim Frummen nutzen brächt,
Dann dieser kan auß gringen Kräutern
Ihm auch ein nützlichs Wasser läutern,
Kan etwann auß eim grünen blat,
Das ein anderer mit füssen trat,
Ihm ein köstliches Wasser brennen.
Darumb ligt es als nur am erkennen
Vnd an dem brauch, wies einer gnießt,
Den verständigen als erschießt.
Denselben ist diß buch auch gschrieben,
Die werdens brauchen vnd belieben;
Aber das ander Spinnengschlecht,
Welchs zu gifft machet auch das Recht,
Achten wir nicht vnd wünschen dem,
Das es so vil gifft in sich nem,
Biß es jm mög den Leib zerzerren:
So trifft vntrew sein eignen Herren.

Notes
Aus »Ismenius, oder Ein Vorbild steter Liebe«, Erstdruck: Straßburg (Bernhard Jobin) 1573.
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TextGrid Repository (2012). Fischart, Johann. Anweisung zum Ismenius. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-A728-E