[416] Der Gorgonisch Meduse Kopf


Der Gorgonisch Meduse Kopf,

Ain fremd Römisch Mörwunder, neulicher zeit,

inn den Neuen Insuln gefunden, vnd gegenwärtiger

gestalt von etlichen Jesuitern

daselbs, an jre gute Gönner

abcontrafait heraus geschickt.


Gleich wie der Hailig ist. Also staht er gerüst.


Man hat etwa im Mör gefunden
Mörwunder von Römischen Kunden,
Als MörBischof, Mörmönch, Mörpfaffen,
Auch Meßkrotten vnd Pilgeraffen,
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Welches das vngheur wesen deit
Der Römischen vngaistlichkait.
Dan die Schrift nent die Welt ain Mör,
Welchs gros vngzifer stäts gebär,
Aber kain grösers wir heut kennen,
Als die sich Gaistlich Häupter nennen,
Die inn dem Mör der Welt hie wüten,
Vnd vil Mörteufel noch ausprüten.
Bei den weißt Sant Johann ain Haupt,
Welchs sich her aus der Erden schraubt,
Vnd ist gleich wie das Lamm gehörnt,
Aber red wie der Trach erzörnt,
Vnd haißt das gekrönt Abgrundthir,
Das Stulthir, so Frösch speit herfür.
Dasselb, wie es alls zaubern kan,
Also zaubert sichs selbs voran,
Kehrt wie der Mörgöz Proteus
Sich nun inns Lamm mit Fegfeur Rus,
Nun inn ain Thir, welchs vil verfür,
Nun inn ain Hur, so reut das Thir,
Welchs aus dem Mör herfür ist gstigen
Vnd muzt sich mit betrug vnd lügen,
Verzaubert mit dem Hurenwein
All, die auf Erden wonhaft sein,
Das sie mit jren Bulen müsen,
Vnd jren fallen gar zun füsen.
Solch Mörlamm, Stulthir, Babelshur
Ist zu Rom die Höllisch vnfur
Mit sein Schupen vnd Abgrundgschmais,
Wie man aus diser Bildnus wais.
Das ist das rechte Erzmörwunder,
Welchs mit dem Trachen färt herunter,
Darab die Leut verwuntern sich,
Vnd ehren es als Hailiglich,
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Ja selbs mus sein die Hailigkait,
Die durchs Fegfeur inn Himel lait.
Dis ist Medus, die Mörhur zwar,
Die der Mörabgot Phorcus gbar
Aus Ceto, dem Wallfischengschlecht,
Die Neptun inn dem Tempel schwächt,
Welcher Har waren eitel Schlangen,
Damit jr Buler sie thät fangen,
Vnd nur mit anplick von dem Haupt
Die Menschen jrer sinn beraubt.
Dis ist der schrecklich Gorgonsscheitel,
Der die Leut stainhart macht vnd eitel.
Dis ist Cirz, die Mörkönigin,
Die giftig Spinn vnd Zauberin,
So die Gäst, die bei jr einkehren,
Mit jrem trank inn Viech kan kehren.
Dan sie kan sich so hailig schmucken,
Das sich die Welt vor jr mus tucken,
Meinen nit, das solch gschmuckte Dirn
Mit Bann, Prand, Gift vnd Mord so zürn,
Bis sie den Libtrank ein hant gnommen,
Dan können sie nicht ab wol kommen.
Was ist aber das schöne schmucken,
Darinn sich die Pupp laßt begucken?
Vnd was ist der anstrich vnd schein,
Welcher die Menschen dunkt so fein?
Das sint gar selsam Kirchengpräng,
Fremd Ceremoni vnd Gesäng,
Ain Sacristei voll Mummerklaidung,
Gulden Kelch, Paten, Meßberaitung
Kirchenpalläst, Gmalt gemäur,
Vmhäng vnd Altartafeln theur,
Die Kirch voll Poppenkrämerei,
Monstranz, Orgeln, Vogelgschrai,
Gros Infuln, gulden Hirtenstab,
Pluthut, Feldstock, hailgen Grab,
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Die treifach Kron im Sessel tragen,
Pantoffel küssen, Basso sagen,
Vil Lastwägen mit Hailigtum,
Des schmuck wärd ist vil Fürstentum.
Dazu kommen dan faißt Prebenden,
Reich Stift, welche die Leut bald plenden,
Des Simons Gaistlich Wechsselbank,
Der Gnadenkram vnd Ablasschank,
Sölpfenning, zehend, Opfergelt,
Ausfart, Jarzeit, Presenzgefellt,
Das Bullenplei inn Gold Alchmirt,
Den Todenstaub zu Gelt palirt.
Desgleichen auch die Menschengsaz,
Die man auch halt für schönen Schaz,
Weil es scheint hailig äuserlich
Vnd töd den Gaist doch innerlich,
Als sind Decret, Extravagant,
Des Bapstes herzenschrein genant,
Das Weichbuch, Legent, Wunderzaichen,
Von Krisam, Weihsalz, ölen, Räuchen,
Von feiren, fasten, hungergbott,
Das Ehverbott vom Hurengbott,
Milchzins, Mönchskut, Nonnenzöpf,
Pfaffenplat vnd gefirmte köpf,
Jubeljar, Walfart, Leibfäll, Sälmeß,
Die Rumpelmet gut zu der Stillmeß,
Wachs, Kerzen, Ampeln, Glockentauf,
Butterprif, Orenbeicht, Kreuzgänglauf,
Beschwören, Kirchweih, Todenölen,
Vnd die Fegfeurig Poltersölen,
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Drauf die Meßpfrundner vnd Meßfechter
Gestift sind als recht Todenwächter,
Zuschicken kaine Säl Sant Petern,
Sie zoll dan vor den Sälverrätern.
Secht, solch gepräng, pracht, vberfluß,
Der hailig schein vnd gut genuß
Waren des Römischen Olgötzen
Augenplendung, in was zuschätzen;
Solche benannte scheinbar stuck
Waren der Babelshuren schmuck,
Dadurch jr Buler sie betrog,
Vnd schir die halb Welt an sich zog.
Aber da heut der Anstrich jren
Will ab gan vnd die farb verliren,
Da kommt an tag der Hurenschmuck,
Das es nur sind gespettelt stuck
Aus Judentum vnd Haidentum,
Vnd aus des Trachen Aigentum.
Darum, da sie es sicht verloren,
Thut sie wie vnverschamte Horen,
Will auch die Leut erst zu jr zwingen,
Mit jren Bulschaft zuvollpringen,
Praucht Bannen, mörden, praten, siden,
Thut die Biblische Schrift verbiten,
Nimt die Leut inn gelübd vnd Aid,
Zu loben all jr vppigkait,
Trennt Bündnus, vnd lößt auf die Aid,
Erregt zu Krig die Oberkait
Wider jr aigne Vntertonen,
Befilcht, kains Pluts noch Stands zu schonen
Stift Ketzermaister, bsold Mordgifter,
Sezt König ab, würd neuer Stifter,
Vnd will kurzum mit list vnd gwalt
Zwingen, das man jr Bulschaft halt
Aber es mag sie alls nichts frommen,
Dan jre zeit herbei ist kommen,
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Das die Buler, so sie vor schmuckten,
Iren den schmuck jzunt entzucken,
Vnd geben jren solchen lon,
Gleich wie sie jnen hat geton.
Des sollen wir Got danken billich
Vnd folgen jm den weg ganz willig
Den er vns heut aus Babel weißt,
Auf das man jn rain forthin preißt.
Dan welcher nicht aus Babel geht,
Der würd mit jr vmkommen schnöd.

1577.


Notes
Erstdruck dieser Fassung 1577, als erklärendes Gedicht zu einem Holzschnitt von Stimmer.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Fischart, Johann. Der Gorgonisch Meduse Kopf. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-A6FF-5