[333] Das Bett

Die Frau des Polizeihauptmanns Tromba war bei der Frau des Stadtrichters Matta gewesen. Matta ist Richter und Tromba ist nur Polizeihauptmann; das müßte gewisse Schranken für die weibliche Einbildungskraft setzen, sollte man meinen. Es setzt aber diese Schranken nicht. Die Frau des Richters Matta hat ein Fremdenzimmer, weil vornehme Leute zuweilen Besuch vom Lande bekommen. Tromba bekommt zwar keinen Besuch vom Lande, aber seine Frau findet, daß sie reichlich ebenso vornehm ist wie die Frau des Stadtrichters Matta, denn Frau Matta ist eine reiche Fleischerstochter gewesen und sie eine reiche Bäckerstochter; und deshalb ist es notwendig, daß sie auch ein Fremdenzimmer hat.

Tromba wünscht verschont zu werden und wird nervös. Beppina tröstet ihn und sagt, wenn die Mutter erst einmal gestorben ist, dann führt sie dem Vater die Wirtschaft, und dann bäckt sie auch jeden Tag Eierkuchen, und wenn er seinen Teil nicht ganz aufißt, dann schadet das nichts, dann ißt sie ihn mit. Tromba hebt sie hoch, küßt sie und sagt, sie ist ein Engel. Die Frau wischt Staub im Zimmer und wirst Gegenstände, welche sie abwischt, mit merklichem Knall an ihre Stelle. Das leere Zimmer hätte man nämlich; es liegt eine Treppe höher auf dem Boden und hat eine schöne Aussicht, genau wie das Fremdenzimmer der Frau Stadtrichter Matta. Man hätte auch die Bettstelle und die anderen Möbel. Es fehlt nur das Bett. Und sie findet, wenn man Polizeihauptmann ist, dann hält man einfach eine Haussuchung ab, und es wäre doch merkwürdig, wenn man da nicht ein Bett fände, das man mit Beschlag belegen kann.

Tromba sagt sich, daß er eine Gemeinheit begeht. Aber was [334] nutzt ihm alles, er muß Ruhe haben. Er kommt nicht zum Arbeiten. Also, er macht eine Haussuchung bei Lange Rübe.

Lange Rübe kann sich natürlich denken, wie die Haussuchung zu erklären ist, und macht bissige Bemerkungen über Ehrenmänner, wie sie beide, welche wissen, was sie sich gegenseitig schuldig sind, über das Unvermutete des Besuches, und über die Mühe, welche sich Tromba hätte sparen können, wenn er seinen Wunsch gegen Lange Rübe geäußert hätte. Tromba kann ihm nichts erwidern, denn Lange Rübe hat ja recht; und so erfüllt er denn mit den Häschern seine Pflicht, ohne Lange Rübe zu antworten. Lange Rübe kann sich nicht ausweisen über den Erwerb eines guten Bettes, eines Bettes mit Roßhaarmatratze und Daunendecke; und so wird das Bett denn mit Beschlag belegt.

Tromba übt in den ehelichen Kämpfen die bekannte Strategie, welche man auch von anderen Ehemännern erzählt. Zunächst wird er immer geschlagen und muß dann den Willen der siegreichen Frau erfüllen. Wenn er das aber getan hat, so ist die Frau in schwächerer Verfassung, weil ihre Geisteskräfte in Anspruch genommen sind durch das Bedenken, wie sie das Gewonnene verwertet; und nun dreht er sich um und greift seinerseits an. Das Bett wird also gebracht; die Häscher stellen die Bettstelle auf und legen das Bett hinein, verweigern ein Trinkgeld anzunehmen, und gehen mit höflichen Empfehlungen. Frau Tromba steht im Fremdenzimmer und überlegt, wie sie die Vorhänge aus einem alten Stoff herstellt; Tromba geht auf und ab, die Hände auf dem Rücken, pustet und stößt abgebrochene Laute aus.

Ein Gauner ist auch ein Mensch. Lange Rübe hat nicht gleich ein Bett wieder. Wo soll er denn schlafen? Anständige Menschen nehmen Rücksichten. Tromba hat aus freien Stücken Lange Rübe erklärt, wenn er wieder ein Bett habe, das geht ihn nichts an, er weiß nichts davon, er will nichts davon [335] wissen, ist seine Sache nicht. Er will nichts mehr hören von Betten. Er kann sich nicht um jedes Bett kümmern, das es in Rom gibt. Wenn Tromba zum Kaufmann geht und etwas kauft, der Kaufmann macht ihn doch dumm und nimmt ihm ab, was er kriegen kann, und lügt ihm noch vor, daß er ihm seine Ware zur Hälfte schenkt. Wenn der Bauer etwas in die Stadt bringt, und die Leute haben Hunger, und es ist nichts sonst auf dem Markt, dann verlangt er das Dreifache, und wenn sie es ihm geben, dann steckt er das Zehnfache ein. Sind die denn anders als der Gauner? Aber denen hat die Polizei nichts zu sagen, die werden vom Staat beschützt, ja, die kommen womöglich noch und machen Anzeige, wenn ein Gauner bei ihnen gewesen ist. Als ob der Gauner nicht auch sein Leben in Mühe und Schweiß verdient! Und überhaupt, die Polizei lebt von den Gaunern. Wenn die Gauner nicht wären, dann brauchte man die Polizei auch nicht. Das sagt man sich alles, wenn man ein Mann ist. Aber ein Weib, wenn sich ein Weib eine dumme Idee in den Kopf gesetzt hat, dann muß das geschehen. Dann muß das geschehen, und wenn der Himmel einstürzt. Alles einerlei.

Vielleicht denkt sich Frau Tromba, daß sie ja nun ihr Bett hat, und daß es für die Gesundheit eines Mannes immer besser ist, er tobt sich aus, statt den Ärger hinunterzuschlucken; vielleicht ist sie aber auch wirklich zu sehr mit der Frage der Gardinen beschäftigt; jedenfalls widerspricht sie nicht. Nach gewöhnlicher Psychologie müßte ja nun Trombas Zorn abnehmen; aber bei Tromba, wie bei manchen anderen Männern, wenn sie in ähnlichem Fall sind, steigert er sich jetzt.

Lange Rübe muß natürlich wieder ein Bett haben. Einerseits tut ihm ja Tromba leid; Tromba kann mit den Weibern eben nicht fertig werden; andererseits ist es Lange Rübe auch nicht zu verübeln, wenn er auf Tromba wütend ist, denn eine Gemeinheit bleibt es schließlich, ihm das Bett abzuholen.

[336] Lange Rübe nimmt sich also einen befreundeten Droschkenkutscher und fährt mit ihm zu Trombas Haus. Der Wagen hält unten, Lange Rübe steigt aus, tritt in das Haus, geht die Treppen hoch bis unter das Dach, öffnet das Fremdenzimmer und packt das Bett in zwei mitgebrachte große Säcke. Die nimmt er auf die Schultern und geht still wieder die Treppe hinunter.

Man geht in solchem Fall bekanntlich stets rückwärts die Treppe hinunter; wenn jemand Einen sehen sollte, dann kann man immer gleich so tun, als steige man nach oben und sagt, man bringe die Säcke zu einem Herrn Francesco, der ja wohl in diesem Haus wohne, mit einer schönen Empfehlung von Herrn Augusto. Herr Francesco wohnt nicht in diesem Haus, man schimpft über Herrn Augusto, der Einem doch stets die unrichtige Hausnummer nennt, so daß man die doppelte Arbeit hat; die Person, welche Einem begegnet ist, bedauert Einen, daß man die schweren Packen so hoch geschleppt hat, und gibt Einem den guten Rat, sich lieber immer erst unten zu erkundigen, ob man auch recht gegangen ist; dann geht man die Treppe hinunter und hat seine Masematten in Sicherheit.

Demnach geht also Lange Rübe rückwärts hinunter. Aber die Bodentreppe ist steil, und wie er eben auf der vorletzten Stufe ist, tritt er fehl, stürzt, die Säcke rollen von den Schultern, und er selber schlägt mit aller Wucht an Trombas Tür. Lange Rübe steht langsam auf und reibt sich das Bein, Tromba öffnet die Tür.

Natürlich tut Lange Rübe ganz selbstverständlich. Er beklagt sich über die Treppe, und preist sein Glück, denn er hätte sich ein Bein brechen können bei der Gelegenheit, und das hätte er dann von seinem guten Herzen gehabt. Da aus diesen Ausrufen und Erklärungen nicht zu erkennen ist, was Lange Rübe mit den beiden prallen Säcken will, so fragt Tromba;[337] Lange Rübe tut wieder selbstverständlich und erklärt, in denen sei doch das Bett; er habe gehört, daß der Herr Polizeihauptmann ein Bett brauche, und da er ein Bett überflüssig habe, so bringe er es ihm; der Herr Polizeihauptmann könne es behalten, solange er wolle, bei ihm sei es nicht nötig, und er freue sich sehr, daß er dem Herrn Polizeihauptmann die kleine Gefälligkeit erweisen könne, als ein Ehrenmann dem anderen.

Tromba denkt bei sich, daß Lange Rübe ja verdammt schnell wieder ein Bett gefunden hat, sein Gewissen ist beruhigt; einigermaßen ärgert er sich ja über die Frechheit, daß er es ihm gleich zeigten will, aber dann kann er ihm die Frechheit auch wieder nicht übelnehmen, denn Lange Rübe sieht doch zu komisch aus, wie er da steht mit dem dummen Gesicht. Also er erklärt kurz, er brauche kein Bett weiter, er sei schon versehen. Lange Rübe entschuldigt sich, setzt die Mütze wieder auf und reibt sich das Bein. Tromba fragt, ob es sehr weh tue; Lange Rübe erzählt, daß er mit dem Schienbein gerade auf die scharfe Schwellenkante geschlagen ist, wie er die letzte Stufe nach oben steigt, er hat die Engel im Himmel pfeifen hören.

Tromba geht in die Stube, bringt eine Schnapsflasche mit einem Glas heraus und gießt Lange Rübe ein. Lange Rübe dankt mit einer höflichen Verbeugung, leert das Glas und stellt es Tromba wieder zu. Dann sieht er seine beiden Packen an.

Tromba versteht den Blick. Er gibt Lange Rübe die Weisung, daß er sich auf eine Treppenstufe setzt, dann legt er ihm die beiden Packen auf den Rücken; Lange Rübe erhebt sich, dankt von Herzen und geht die Treppe hinunter auf die Straße, wo ihn sein Freund mit der Droschke erwartet.

Als Frau Tromba wieder in ihr Fremdenzimmer geht, fehlt das Bett. Sie stürzt zu ihrem Mann und erzählt es ihm. Die Vorwürfe, welche sie ihm macht, sind berechtigt. Daß die [338] Gauner so frech sind, selbst den Polizeihauptmann zu bestehlen, das muß denn doch an ihm liegen. Bei einem Andern würden sie mehr Furcht haben. Tromba sieht ein, daß er den Zwischenfall mit Lange Rübe nicht erzählen darf, und in seiner Bestürzung weiß er gar nichts zu erwidern, sondern schweigt, indessen die Frau den Übergang zum Weinen macht.

Natürlich kann Tromba jetzt nicht noch einmal Haussuchung halten. Aber er hat auch die Aufsicht über die Gewichte und Wagen in den Kaufmannsläden. Deshalb schießen die Kaufleute zusammen und kaufen ihm ein Bett, und so sind denn nun alle Teile zufriedengestellt.

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TextGrid Repository (2012). Ernst, Paul. Erzählungen. Komödianten- und Spitzbubengeschichten. Das Bett. Das Bett. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-A2D6-E