Aus der Ghaseleefabrik

Ob es die Locken lockend, Augen auch,
Die Lippenseime? weiß ich ganz und gar nicht.
Ob ich im Strahle deines Angesichts,
Im Wellenbade süßen Redeworts,
In Liebe taumle oder Trunkenheit,
Wach' oder träume, weiß ich ganz und gar nicht.
D'rum auch verzeihe mir, daß dich zu schau'n
Ich Zeit versäume fleißig ganz und gar nicht;
Weil And'res kaum mich Kranken hoffen läßt
Fruchtlorbeerbäume – Reisig ganz und gar nicht.
Dich aber, Zauberin, liebliche Nachtigall,
Da deinem Lied der Seel' entfalten sich
Die Rosenkeime, preis ich ganz und gar nicht,
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So du dich nur in leere Luft verhauchst,
Statt in die Saiten meines Busenspiels –
Millionen Zäume leg der Sehnsucht an
Und nur der Zäume dreißig ganz und gar nicht:
Indem ich schwerlich bei Verstande bin,
Wenn ich begeistert stolze Verse feil',
Denn arme Reime reiß ich ganz und gar nicht.
Noch weniger aber dichten ungereimt
Kann ich, denn Seume heiß ich ganz und gar nicht –
Ein Dichter, wisset, liebesgramberauscht,
Ist insgeheime bei sich ganz und gar nicht.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Eichrodt, Ludwig. Aus der Ghaseleefabrik. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-A0E8-7