[247] Schlacht am Morgarten

Zwielicht füllt die Nebelforste,
Schimmert an der Felsenwand,
Wo sich Falken hoch am Horste
Weithin schwingen übers Land,
Langsam hellen
Sich die Wellen,
Und der See blitzt auf am Rand.
Gott zum Gruß! die Eidgenossen
Rücken an im hellen Hauf.
Heut mit tückischen Geschossen
Stellen sie sich lauernd auf,
Zu erneuern
Ihrer theuern
Freiheit blutigen Erkauf.
Hört ihr schon das dumpfe Tosen?
Ferner Waffen Widerhall!
Wie sich in der Bergschlucht Schooßen
Fängt der Schlachtenhörner Schall;
Immer jäher
Wälzt sich näher
Ihrer stolzen Feinde Fall.
Gleichend einem Feuermeere,
Wenn es durch die Saaten quillt,
Glühet weit im Adelsheere
Schwert und Speer und Helm und Schild.
[248]
Solchen Schimmer
Sah man nimmer,
Solch ein prunkend Schreckenbild!
Schon verwirret sich die Masse
Vorn im unvorsichtgen Trab,
Ist ihr doch die hohle Gasse
Vorbestimmt zum sichern Grab!
Das Gedränge
In der Enge
Woget lärmend auf und ab.
Gräßlich in dem Augenblicke
Donnerts in den Rittertroß,
Ungeheure Felsenstücke
Schmettern nieder Mann und Roß;
In den scheuen
Reiterreihen
Wüthet schrecklich das Geschoß.
Abgewaldet stehn die Kämme
Des Gebirgs, o tolle Schlacht!
Wuchtiger Tannen Riesenstämme
Sausen nieder in den Schacht.
Staubumqualmet
Liegt zermalmet
Ryburg in der Todesnacht.
[249]
Seht sie jetzt heruntereilen
Unter jubelndem Geschrei,
Wie sie schlagen mit den Keulen
Aller Richtung Trotz entzwei!
Ja, da sanken
Auf den Flanken
Viele Herren stolz und frei.
Diese Bauern zu zertreten
Mit dem siegesharten Fuß,
War den prahlenden Trompeten
Hohngetränkter Schlachtengruß,
War in schnöden
Ingrimms Reden
Eures Uebermuths Erguß!
Jetzt vergeblich möcht ich schauen,
Jetzt bewundern jenen Zug,
Den so stattlich durch die Gauen
Einst der Schwarm der Rosse trug.
Weh, die Wunden
Nie gesunden,
Welche Männerrache schlug!
Leopold, du bester Ritter,
Held und Feldherr ruhmgekrönt,
An dergleichen Ungewitter
War dein Schlachtruhm nicht gewöhnt!
[250]
Du gerichtet,
Du zernichtet,
Dem ein standhaft Glück gefröhnt?
Ha, ich fühle deine Leiden,
Wie du wild im Zorne glühst,
Wenn du so auf allen Seiten
Die Getreuen fallen siehst!
Wie in Bächen,
Dich zu rächen,
Nur umsonst das Herzblut fließt.
Sieh! die Sonne ist gesunken,
Oede Stille herrschet nur,
Wieder dämmerts – Sternlein prunken
In die schweigende Natur;
Doch die Leichen
Dorten zeigen
Lauten Tobens tiefe Spur.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Eichrodt, Ludwig. Gedichte. Leben und Liebe. Geschichten und Gestalten. Schlacht am Morgarten. Schlacht am Morgarten. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-9CFE-1