[83] Brief an den Mond
No. 2

– Sie haben ihn zerrissen, Madam! Ach, die thrazischen Weiber haben den Orpheus zerrissen! Und er war ein Engel im Schleier der menschlichen Natur,groß und gut! der wahrhaftige Adam der Griechen – lassen Sie mich um ihn klagen, nicht mit Geschrei und Tränen; mit dem ernsten Schweigen wenn Geschrei und Tränen zu wenig sind und nur stille Zückungen, wie Blitze, im verstörten Gesicht flattern und auf den blassen Lippen! Und sollt ich nicht? Denn sie winden sich, wie die giftige schreckliche Hydra um Laokoons Hüften bis hinauf an den Nacken; er ringt umsonst, das Ungeheur von sich zu streifen, und steht da, ein trauriges Jammerbild, und seine Kinder um ihn! –

Auf diesen harten unverdaulichen Bissen will ich Ihnen zur Aufheiterung von Daphnes Begräbnis erzählen. Niemand hatte von unsrer Liebe gewußt; und, als sie das Mädchen dahertrugen, kam ich wie von ohngefähr, sah nach dem Sarge hin!! und ging vorüber; als aber der Grabhügel wieder allein war, und die liebe stille Nacht ihn bedeckte – doch was erzähle ich Ihnen, Sie haben mich ja auf dem Grabe gesehn.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Claudius, Matthias. Gedichte und Prosa. Asmus omnia sua secum portans. Erster und zweiter Teil. Brief an den Mond. Brief an den Mond. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-55E1-F