Eine Chria,

darin ich von meinem akademischen Leben und Wandel Nachricht gebe


Bin auch auf Unverstädten gewesen, und hab auch studiert. Ne, studiert hab ich nicht, aber auf Unverstädten bin ich gewesen, und weiß von allem Bescheid. Ich ward von ohngefähr mit einigen Studenten bekannt, und die haben mir die ganze Unverstädt gewiesen, und mich allenthalben mit hingenommen, auch ins Kollegium. Da sitzen die Herren Studenten alle neben'nander auf Bänken wie in der Kirch, und am Fenster steht eine Hittsche, darauf sitzt 'n Professor oder so etwas, und führt über dies und das allerlei Reden, und das heißen sie denn dozieren. Das auf der Hittschen saß, als ich drin war, das war 'n Magister, und hatt eine große krause Paruque auf'm Kopf, und die Studenten sagten, daß seine Gelehrsamkeit noch viel größer und krauser, und er unter der Hand ein so kapitaler Freigeist sei, als irgendeiner in Frankreich und England. Mochte wohl was dran sein, denn 's ging ihm vom Maule weg als wenn's aus'm Mostschlauch gekommen wär; und demonstrieren konnt er, wie der Wind. Wenn er etwas vornahm, so fing er nur so eben 'n bißchen an, und, eh man sich umsah, da war's demonstriert. [19] So demonstriert' er z. Ex. daß 'n Student 'n Student und kein Rhinozeros sei. Denn sagte er, 'n Student ist entweder 'n Student oder 'n Rhinozeros; nun ist aber 'n Student kein Rhinozeros, denn sonst müßt 'n Rhinozeros auch 'n Student sein; 'n Rhinozeros ist aber kein Student, also ist 'n Student 'n Student. Man sollte denken, das verstünd sich von selbst, aber unsereins weiß das nicht besser. Er sagte, das Ding »daß 'n Student kein Rhinozeros sondern 'n Student wäre« sei eine Hauptstütze der ganzen Philosophie, und die Magisters könnten den Rücken nicht fest genug gegenstemmen, daß sie nicht umkippe.

Weil man auf einem Fuß nicht gehn kann, so hat die Philosophie auch den andern, und darin war die Rede von mehr als einem Etwas, und das eine Etwas, sagte der Magister, sei für jedermann; zum andern Etwas gehör aber eine feinere Nas, und das sei nur für ihn und seine Kollegen. Als wenn eine Spinn einen Faden spinnt, da sei der Faden für jedermann und jedermann für den Faden, aber im Hinterteil der Spinne sei sein bescheiden Teil, nämlich das andre Etwas das der zureichende Grund von dem ersten Etwas ist, und einen solchen zureichenden Grund müß' ein jedes Etwas haben, doch brauche der nicht immer im Hinterteil zu sein. Ich hätt auch mit diesem Axioma, wie der Magister 's nannte, übel zu Fall kommen können. Daran hängt alles in der Welt, sagt er, und, wenn einer 's umstößt, so geht alles über und drunter.

Denn kam er auf die Gelehrsamkeit, und die Gelehrten zu sprechen, und zog bei der Gelegenheit gegen die Ungelahrten los. Alle Hagel, wie fegt' er sie! Dem ungelahrten Pöbel setzen sich die Vorurteile von Alp, Leichdörnern, Religion etc. wie Fliegen auf die Nase und stechen ihn; aber ihm, dem Magister, dürfe keine kommen, und käm ihm eine, schnaps schlüg er sie mit der Klappe der Philosophie sich auf der Nasen tot. Ob, und was Gott sei, lehr allein die Philosophie, und ohne sie könne man keinen Gedanken von Gott haben usw. Dies nun sagt' der Magister wohl aber nur so. Mir kann kein Mensch mit Grund der Wahrheit nachsagen, daß ich 'n Philosoph sei, aber ich gehe niemals durch 'n Wald, daß mir nicht einfiele, wer doch die Bäume wohl wachsen mache, und denn ahndet mich so von ferne und leise etwas von einem Unbekannten, und ich wollte wetten daß ich denn an Gott denke, so ehrerbietig und freudig schauert mich dabei.

[20] Weiter sprach er von Berg und Tal, von Sonn und Mond, als wenn er sie hätte machen helfen. Mir fiel dabei der Ysop ein, der an der Wand wächst; aber die Wahrheit zu sagen, 's kam mir doch nicht vor, als wenn der Magister so weise war, als Salomo. Mich dünkt, wer was Rechts weiß, muß, muß – säh ich nur 'nmal einen, ich wollt 'n wohl kennen, malen wollt ich 'n auch wohl, mit dem hellen heitern ruhigen Auge, mit dem stillen großen Bewußtsein etc. Breit muß sich ein solcher nicht machen können, am allerwenigsten andre verachten und fegen. Oh! Eigendünkel, und Stolz ist eine feindselige Leidenschaft; Gras und Blumen können in der Nachbarschaft nicht gedeihen.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Claudius, Matthias. Gedichte und Prosa. Asmus omnia sua secum portans. Erster und zweiter Teil. Eine Chria. Eine Chria. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-53AB-E