[349] [351]Friedrich Rudolph Ludwig Freiherr von Canitz
Galante und Schertz-Gedichte

[351] [353][1] Gedancken über etliche Personen in einer Wirthschafft

1682.

Diane. 1
O hab ich mich verirrt? wo bin ich eingekehret?
Warum ist dieser Ort so herrlich ausgerüst?
Es scheinet, wo ich bin, daß auch mein Tempel ist,
Weil hier, als Göttin, mich so manches Volck verehret.
Sultanin. 2
Man zittert nun nicht mehr vor Ketten und vor Banden,
Ist in der Barbarey ein solches Bild vorhanden,
So wird dort mit der Zeit an Fesseln Mangel seyn:
Denn wer nur sehen darf, stellt sich zum Sclaven ein.
[353] Sultan. 3
Kein Ottomanner-Printz mit allen seinen Reichen,
Ist mir an Tapfferkeit und Ansehn zu vergleichen.
Nur eins macht, daß ich nicht unüberwindlich bin:
Die ungemeine Zier der holden Käyserin.
Schäffer.
Kommt, laßt uns wieder gehn, und zu den Schaafen kehren,
Die Liebe möchte sonst uns alle Ruh verstören.
Ey was vor schönes Volck kriegt man allhier zu sehn!
Die Unschuld leidet Noth; kommt, laßt uns wieder gehn!
Ziegeunerinnen. 4
Nehmt eure Hertzen wohl in acht,
Die ihr diß Lumpen-Volck nicht kennet,
Das nur auf Mord und Raub durch Land und Städte rennet,
Sie haben viele hier schon in Gefahr gebracht.
Sie zeigen unser Glück und Unglück richtig an,
Dieweil ihr Ja und Nein uns beydes schaffen kan.
Mohren.
So groß ist unsre Glut in treu-verliebten Hertzen,
Als diese, die so sehr die Haut uns können schwärtzen.
Doch das ist Wunderns-werth in unserm Mohren-Land:
Wir beten das noch an, was uns so schwartz gebrannt.
[354] Hauß-Knecht. 5
Der Küch und Keller kan in gutem Stand erhalten,
Muß billig diesesmahl des Hauß-Knechts Amt verwalten,
Ihn lobt ein jeder Gast, denn, wo sein Stab sich rührt,
Es sey Schertz oder Ernst, wird Uberfluß gespührt.
Charlatan. 6
Ich bin auf diesem Plan mit Theriack erschienen,
Mit Balsam und Extract, ich gebe guten Kauff;
Es komme wie es will, hört gleich mein Handel auf,
So kan – – – – mir neues Geld verdienen.
Jude und zwo Jüdinnen.
Ich bin auf Schacherey und auf Betrug bedacht,
Und manchen falschen Stein hab ich schon angebracht.
Lacht nicht, ihr, die ihr seht zwey Weiber mit mir wandeln:
Wer Lust zu kauffen hat, kan eine von mir handeln.
Pickelhering. 7
Es mögen andre sich verkleiden,
Mein Leib kan nicht Verstellung leiden,
So wenig als mein treuer Sinn.
Drum zeig ich mich, auch selbst am Fest der Freuden,
So wie ich von Natur beschaffen bin.
[355] Moscowiterin. 8
Wer ist der Wunder-Peltz behängt mit hundert Schwäntzen,
Die uns der Kürschner hohlt von Ruß-Lands kalten Gräntzen?
Man sagt, daß Prügeln dort der Liebe Zeichen sey,
Warum schlägt ihr der Mann nicht Arm und Bein entzwey?
Gärtnerin. 9
Die dieses Gärtner-Weib in ihrer Einfalt schauen,
Die glauben nicht zu sehr dem frommen Angesicht!
Den stillen Wassern ist am wenigsten zu trauen,
Wißt, daß man viel von ihr und dem Apthecker spricht. 10

Fußnoten

1 Diß war die damahlige Brandenburgische Chur-Princeßin Elisabeth Henriette, aus dem Hoch-Fürstl. Hause Hessen-Cassel, König Friedrichs, als Chur-Printzen, erste Gemahlin, welche das folgende Jahr darauf verstorben, worüber der Herr von Canitz die ungebundene Rede aufgesetzt, welche Bl. 184. in dieser neuen Ausgabe zu finden.

2 Ihro Durchl. die Gemahlin des Marggrafen Ludwigs, Loyse Charlotte, eine gebohrne Printzeßin von Radzivil.

3 Ihro Durchl. der Marggraf Ludwig, welcher erst das Jahr zuvor mit Ihr Beylager gehalten hatte.

4 Es waren zwey Pohln. Fräulein, die sich bey der Frau Marggräfin Ludwig, als Hof-Damen, aufhielten, Nahmens Groschevska und Zinitschka, davon diese, durch ihre wohlausgesonnene und prächtige Kleidung, bey solcher Gelegenheit sich sonderlich hervor gethan: Massen sie eine von Gold reich durchwürckte Decke auf der Schulter mit einer grossen Diamantnen Spange zusammen gehefftet, nicht weniger das Stirn-Band mit vielen kostbaren Edelsteinen reich besetzt hatte; welches alles, zumahl sie bräunlich von Gesicht und Haaren, mit ihrer angenehmen Person vortrefflich schön überein kam.

5 War der damahlige Chur-Brandenburgische Ober-Hoff-Marschall Freyherr von Canitz.

6 Ich habe, alles Nachfragens ungeacht, nicht gewiß erfahren, wer der Charlatan gewesen, daher auch der letzte Vers nicht ergäntzt werden können.

7 Der damahlige Obriste, nachmahls General-Major von Wangenheim, welcher, wegen seiner Schertz-Reden, bekannt, und beständig um den Graff Rebenack gewesen.

8 Wer die Moßkowiterin, hätte ich, wegen des letzten Verses, worinn ein sonderliches Rätzel stecken mag, gerne erkläret; zumahl dergleichen Sinn-Gedichte, ohne die dabey genannte Personen, auf welche sie zielen, die meiste Anmuth und Stärcke verliehren, aber ich habe bißher keine zuverläßige Nachricht ausforschen können.

9 War die erste Gemahlin unsers Herrn von Caniz, mit der er sich, gleich das Jahr zuvor, vermählet hatte.

10 War ihr eigner Mann, der Herr von Caniz selbst, welcher in dieser Wirthschafft den Apothecker abgab, statt der Knöpfe am Kleide, lauter kleine runde Artzney-Fläschgen; statt des Degens, eine lange Clistir-Sprütze, und andere dazu sich schickende Auszierungen; über dieser Kleidung aber einen altväterischen mit Gold breit-gestickten schwartzen Sammtnen Mantel hatte, und durch diese artige Erfindung seines, zu dieser Vorstellung, wohl ausgesuchten Anzugs, den Beyfall des gantzen Hofes, eben wie hernach im Jahr 1690. erhielt; da er dergleichen wieder in der grossen Scheren-Schleiffer-Wirthschafft vorgestellt. Siehe die Besserischen Gedichte Bl. 445. Diese Wirthschafft geschah, bey Gelegenheit eines öffentlichen Lust-Festes, welches der damahlige Frantzösische Abgesandte am Chur-Brandenburgischen Hofe, Graf von Rebenac-Fequieres, wegen des dem Dauphin gebohrnen Hertzogs von Burgund, ietzigen Königs in Franckreich Herrn Vaters, zu Berlin, gegeben. Der Herr von Caniz meldet in einem Frantzösischen Schreiben an Hof-Rath Zapfen, daß Graf Rebenac zu solchem gantz ausser-ordentliche Zubereitungen gemacht, in dem Vorsatze, alle übrige Frantzösische Abgesandten in Teutschland und andern Orten, an Pracht und kostbarer Erfindung in ihren, schon vor ihm, dieserhalben angestellten Lustbarkeiten, zu übertreffen. Weil der Printz schon den 6. August zur Welt kam, hätte der Gesandte die Lust eher angestellt, er wolte aber erst die Zurückkunfft des Chur-Fürsten und des Hofes abwarten, welcher auch würcklich, nebst allem, was Vornehm war, demselben beygewohnet. Den ersten Tag, als den 26. Sept. alten Calenders, ward Mittags auf dem, zu solchem Ende, prächtig ausgeschmückten Stall-Platze an 5. Tafeln, jede zu 30. Personen, gespeiset; Abends aber, so wohl die vor dem Hause, als vor den Fenstern gesetzte Spitz-Säulen und Sinn-Bilder, mit mehr als sechs Tausend Lampen, und einer Menge Wachs-Kertzen und Fackeln erleuchtet. Nachmahls wieder, bey einer schönen Musicke, gespeiset, und zu dem Gesundheit-Trincken, unter Trompeten und Paucken-Schall, die Stücken gelöset endlich mit einem biß in die späte Nacht daurenden Balle beschlossen. Den andern Tag Abends, den 27. Sept. gieng die Wirthschafft vor sich, und versammelten sich die dazu Verkleidete in des Chur-Printzen und der Chur-Printzeßin Zimmer, welche mit von der Gesellschafft waren; so dann verfügten sie sich in Ihro Durchl. des Chur-Fürsten und der Chur-Fürstin Gemächer, und führten dieselben wieder auf den allbereits schon erleuchteten Stall-Platz, woselbst alle Verkleidete zur Wirthschafft, deren 80. Personen waren, an einer Tafel, in Form eines halben Monds; die übrige Hohe Gesellschafft aber, an verschiedenen andern Tafeln, speisete, biß endlich gegen Tag, mit Tantzen, geendiget ward. Im Mercure galant vom Nov. 1682. 2. T. Bl. 178. findet man dieses Fest sehr umständlich beschrieben.

[356] [358][2] Schreiben eines Römischen Königs 1 an eine Römerin bey der grossen Scheren-Schleiffer-Wirthschafft zu Berlin

1690.


Dein Diener hatte dir, geschickte Römerin,
Den besten Bräutigam des Römschen Reichs versprochen;
Es ist vom neuen Jahr, daß ich ihn schuldig bin, 2
Doch der Erfüllungs-Tag war noch nicht angebrochen.
Heut aber stellt er sich mit seiner Cronen ein,
Die er vorgestern erst, als Römer, hat bekommen, 3
Und wünscht, an dessen statt, dir angenehm zu seyn,
Der bey der Wirthschafft dich zur Römerin genommen.
Der Römer bey dem Spiel, ist, wie du weist, vermählt; 4
Der aber bleibet dein, der itzund nach dir freihet,
Stünd er dir auch nicht an, scheint doch dis ungefehlt,
Daß er etwas aus Rom dir künfftig prophezeyet. 5

Fußnoten

1 War der nachmahlige Ober-Hoff-Meister der Chur-Fürstin, Freyherr von Bülow, der mit der Fräulein von Croseck, an welche dieses geschrieben, sich nach der Zeit vermählte.

2 Die Wirthschafft geschah den 7. Jenner.

3 Als man zween Tage vorher das Looß zur Wirthschafft gezogen, ward er dadurch Römischer König.

4 Daß der Chur-Fürst selbst den Römer vorgestellt, ist aus dem Sinn-Gedichte des Scheren-Schleiffers bey dieser Wirthschafft in den Besserischen Gedichten am 444. Bl. zu ersehen.

5 Ein gewisser Cavalier des Berlinischen Hofes hielt sich damahlen, in Verschickung, zu Rom auf.

[358] Antwort der Römerin 1 auf das vorhergehende Schreiben

Als jener Römer mich zur Römerin erwehlte,
Den seine Tapfferkeit mehr, als sein Purpur, schmückt, 2
Da dacht ich, weil mir nichts an Ehr und Freude fehlte,
Ich wäre dieses Jahr vollkommen schon beglückt.
Drum laß ich, wie im Traum, das angenehme Schreiben,
Durch welches mir ein Printz, den Cron und Zepter ziert,
Aus Ernst, und nicht im Spiel, um ewig mein zu bleiben,
Und zwar von werther Hand, war gestern zugeführt. 3
Ich hab ihn willig auf und danckbar angenommen,
Und glaube, daß mein Glück nunmehr am höchsten ist.
Wie könte nun aus Rom für mich was bessers kommen?
Da du, der Römer Haupt, schon selbst mein eigen bist. 4

Fußnoten

1 War die Frau Ober-Hoffmeisterin von Bülow, damahls Fräulein von Croseck, wie aus den schon angezogenen Besserischen Sinn-Gedichten bey dieser Wirthschafft, Bl. 444. zu ersehen. Sie war die vertrauteste Hof-Dame der Chur-Fürstin, mit welcher Sie von Hanover, wie ihr noch lebender Gemahl, nach Berlin gekommen.

2 War der Chur-Fürst, der sie, als Römerin, zu seiner Frau bey der Wirthschafft erwehlet, und das Jahr vorher, selbst in hoher Person, Bonn belagert und erobert hatte.

3 Die Fräulein von Croseck, war eine Hertzens-Freundin der Frau von Caniz und unsers Herrn Verfassers, welcher diese Verse verfertigt, und ihr den Römischen König, bey der Wirthschafft, Tags vorher, zugeführet hatte. Das Schreiben war vom siebenden, und die Antwort vom achten Jenner.

4 Dieser letzte Vers hieß sonst anders in den vorigen Auflagen, man hat aber diesen, wie man ihn in einer Abschrifft gefunden, für natürlicher zur Sache, und für weniger anzüglich gehalten.

[359] [4] Als den Albend 1 vorher, am Buß-Tage, drey 2 Maßkirte Damen sich bey Hofe eingefunden

1690.


Als gestern unsre Stadt, wie ehmahls Ninive,
Im Sack und Asche lag, und ihre Fasten hielte,
Geschah es, bey der Nacht, daß, zwischen Ach und Weh,
Das schon betrübte Volck ein neues Schrecken fühlte;
Drey Maßken liessen sich in fremdem Zierath sehn,
Ich weiß nicht, ob sie uns vielleicht zum Trost erschienen.
Sie sahen denen gleich, die hin zum Paris gehn,
Durch seinen Richter-Spruch den Apffel zu verdienen.
Propheten, die ihr sonst die Geister prüfen könnt,
Und ob es solche sind, die Gott den Herren loben,
Ihr, die ihr jedes Ding bey seinem Nahmen nennt,
Sagt, kamen diese drey von unten oder oben?

Fußnoten

1 Es war den Abend vor der grossen Scheren-Schleiffer-Wirthschafft; Sie kamen in derjenigen Tracht, wie sie, des folgenden Tags, auf der Wirthschafft erscheinen wolten, und hatten, wieder die Gewohnheit bey dergleichen Wirthschafften, nur zu dem Ende, Maßken vorgeno ien, um die Durchl. Herrschafft, in eine desto freudigere Verwunderung zu setzen; je länger sie, alles Rathens ungeacht, unerkannt bleiben, endlich aber, mit Abnehmung der Maßken, sich selbst zu erkennen geben würden.

2 Eine davon in blau gekleidet, war die verstorbene Ober-Marschallin von Gromkau, welcher zu Ehren, bey eben dieser Gelegenheit, der Herr von Besser, auch ein Sinn-Gedicht geschrieben, so aber noch nicht in seinen gedruckten Gedichten zu finden. Er besitzt auch noch ietzo eine eigenhändige Abschrifft des Herrn von Caniz von obenstehenden Versen, die der Verfasser ihm damahls selbst gegeben. Die Frau Ober-Hof-Marschallin ward gleich durch ihre ansehnliche Gestalt verrathen, und eh sie noch das Gesicht entblößte, von den meisten erkannt.

[360] [5] Danck-Schreiben an zwey Fräulein von Schwerin 1

1696.


Vergönnt mir, Schönsten, daß ich mag
Durch diesen Brief die Hände küssen,
Die gestern einen gantzen Tag,
Zu meinem Dienst, sich regen müssen;
Und daß ich meine Danckbarkeit,
Zu der ich euch verbunden lebe,
Bey dieser frühen Morgen-Zeit,
Gehorsamst zu erkennen gebe.
Denn, daß die liebe Dorilis 2
Vielleicht nicht meiner gantz vergessen,
Das hab ich keinem sonst gewiß
Als eurer Arbeit beyzumessen.
Ich sehe noch in meinem Sinn
Die zarten Fingerchen spatziren,
Um diese, der ich eigen bin,
Mit hundert Schleiffen auszuzieren.
So lange, wie ich reden kan,
Soll immer euer Lob erschallen,
Weil ihr so manchen Stich gethan,
Mir armen Diener zu gefallen.
Mein Hertz stellt sich hier selber ein,
Mit diesem will ich euch begaben,
Wenn ihr nur wollt zu frieden seyn,
Ein schlechtes Macher-Lohn zu haben.
[361]
Es schien, als woltet, schönstes Paar,
Ihr beyde mit einander streiten,
Wer, was noch sonder Ordnung war,
Am besten könte zubereiten.
Ihr habt, zu eurem Ruhm und Preiß,
Mir etwas gutes ausgelesen,
Jedoch ist eure Müh und Fleiß
Mehr wehrt, als mein Geschenck, gewesen.
Nur, daß ihr ohne Fingerhut
Gefochten, und den Daum verletzet,
Daß euer schönes Purpur-Blut
Die eine Liljen-Hand benetzet,
Hat mir so weh, als euch, gethan,
Weil ich mir die Gedancken mache,
Das reine Blut schrey Himmel an,
Und fodre die verdiente Rache.
Verfluchte Nadel, die du dich
So eines Frevels unternommen,
Ich wünsche, daß kein guter Stich
Mehr mag von deiner Spitze kommen!
Sonst aber wünsch ich, zum Beschluß,
Um mich nicht länger zu verweilen,
Daß bald mein Demuths-voller Kuß,
Den bösen Daumen möge heilen.

Fußnoten

1 Diese hatten, auf sein Ersuchen, Tags vorher einen gewissen Putz eigenhändig angeordnet, mit welchem er ihre leibliche Schwester, seine nachherige zweite Gemahlin, Fr. Dorothea Maria, gebohrne Freyin von Schwerin, als seine damahlige Braut, beschenkt.

2 Weil seine beyde Gemahlinnen den Nahmen Dorothea geführet, hat er die letzte Dorilis, wie die erste Doris, in seinen Versen genannt.

[362] [6] Als der glückliche und Kunstreiche Schütze Floridon 1 auf dem Zwickauischen Vogel-Schiessen den 20. Julii 1674. mit jedermannes höchster Verwunderung einen Flügel ablösete, und dafür einen ansehnlichen Gewinn bekam, wolten ihre Freude darüber zu erkennen geben ein Paar seiner guten Freunde in Leipzig, F.R.L.v.C. und H.H. von E.

Floridon, wir solten dir
Billig so ein Denck-Mahl setzen,
Daß gar nichts desselben Zier
Fähig wäre zu verletzen;
Weil das Glück mit deiner Kunst
Einen solchen Bund geschlossen,
Daß, durch ihrer beyder Gunst,
Du den Flügel abgeschossen.
Aber, es kan nicht bestehn
Was aus unsrer Feder rinnet;
Pfleget nicht schnell zu vergehn,
Was ein schwacher Geist ersinnet?
Du kennst keine Niedrigkeit,
Und wir kleben an der Erden;
Drum wird besser anderweit
Deine That gepriesen werden.
[363]
Zwickau wird den schönen Schuß 2
Freudig in sein Zeit-Buch schreiben,
An dem gelben Pleissen-Fluß
Wird er unvergessen bleiben.
Weimar hat dir zuerkannt 3
Immer-grüne Sieges-Kronen,
Und dein andres Vaterland
Zeitz, wird deine Kunst belohnen. 4
Dannoch wisse, daß auch wir,
Wir, der Ausbund deiner Treuen,
Uns bey unsern Linden hier
Uber dieses Glück erfreuen,
Das dich aus der finstern Nacht
Der Vergänglichkeit entrissen,
So, daß manches Siegers Pracht
Deinem Ruhm wird weichen müssen.
[364]
Giebt man uns ein Gläßgen Wein,
Wann wir in der Rose sitzen, 5
Muß es die Gesundheit seyn
Des berühmten Vogel-Schützen,
Der die Ehre hat gehabt
Einen Flügel zu bestreiten,
Und drauf lassen wir den Abt
Auf dein Wohlergehen reuten. 6
Fragt uns einer, ob wir nicht
Etwas neues wo gehöret?
Was man vom Turenne spricht,
Ob er noch die Pfaltz verstöret?
Trägt er den Bescheid davon:
Daß wir anders nichts vernommen,
Als daß unser Floridon
Dreyßig Gülden jüngst bekommen. 7
Unterdessen schicke dich
Dieses Geld wohl anzulegen,
Glaub uns, sonst verzehrt es sich,
Und bringt weder Glück noch Seegen.
Gieb uns allen einen Schmauß,
Daß wir doch von deinem Schiessen,
Komst du wieder her nach Hauß,
Gleichwohl etwas mit geniessen.
[365]
Eile, wehrter Floridon,
Weg aus deinem Schwanen-Neste, 8
Komm, dann unser Helikon
Schmücket sich aufs allerbeste.
Phöbus selbst ist hertzlich froh,
Und erwartet, mit Verlangen,
Wann du komst von dubenroh, 9
Dich, nach Würden, zu empfangen.
Nun! wir wollen biß dahin
Unsern Glückwunsch auch versparen,
Wann von Schiessen und Gewinn
Wir gewißre Post erfahren.
Dann soll unsre gantze Schaar
Sich, nach Möglichkeit, bemühen,
Um dein zierlich-krauses Haar
Einen Lorbeer-Crantz zu ziehen.

Fußnoten

1 Wie Floridon den Herrn Zapfen, so bedeuten die Buchstaben F.R.L.v.C. unsers Verfassers Nahmen; Friedrich Rudolff Ludwig von Canitz, und H.H.v.E. Hanß Haubold von Einsiedel, drey dazumahlen unter einander sehr vertraute Academische Freunde. Man hat hier mit Fleiß den gantzen Titel des Gedichts so hinsetzen wollen, wie ihn damahls der Verfasser selbst geschrieben, weil man dieses Stück noch von seiner eignen Hand besitzet.

2 Herr Hof-Rath Zapffe war dazumahl Hofmeister Herrn Carl Gottfrieds von Bose, itzigen Königl. Pohln. würcklichen geheimen Raths, welcher der vierte von den vorhin genannten Academischen Freunden gewesen, und von dem der Leser in der Canitzischen Lebens-Beschreibung umständlicher Nachricht finden wird. Wie nun dessen Frau Mutter in der Stadt Zwickau wohnete, in welcher Gegend ihre Güter lagen, als hatte er mit seinem Hofmeister dem Herrn Zapfen eine Reise, von Leipzig aus, dahin gethan, um dieselbe zu besuchen, bey welcher Gelegenheit, Herr Zapfe, auf einem daselbst gehaltenen jährlichen Vogel-Schiessen, den Flügel abgeschossen.

3 Weimar war Herrn Zapfens Geburts-Stadt.

4 Zeitz konte mit Recht Herrn Zapfens andres Vaterland heissen, weil er daselbst, nach seiner Eltern frühzeitigem Absterben, von seinen beyden ältern Brüdern meistentheils erzogen ward; sonderlich aber, an dem dasigen geheimen Rathe und Cantzler, Herrn Veit Ludwig von Seckendorf, einen mächtigen Beförderer gefunden hatte.

5 Die Rose war zu derselben Zeit ein bekantes Wirths-Hauß in Leipzig.

6 Den Abt reuten lassen, ist ein Sprichwort, so nicht eben überall in Teutschland gewöhnlich, und will so viel sagen: sich recht lustig machen. Der Ursprung desselben kommt daher, daß ehemahls ein gewisser ernsthaffter Abt sich in einer Gesellschafft befunden, die, so lange er zugegen war, wieder ihren Willen, sich sehr eingezogen halten muste; weil aber das Pferd, worauf er wieder nach Hause reuten wolte, schon vor der Thüre stand, und doch der Wirth ihn länger zu bleiben nöthigte, folglich die Gäste sich noch nicht recht lustig machen konten, so lange der Abt nicht weg war, so sagte immer einer nach dem andern dem Wirthe ins Ohr: Laß den Abt reuten! Laß den Abt reuten!

7 So viel war der Gewinst, welchen Herr Zapfe für den abgeschossenen Flügel erhalten.

8 Weil die Stadt Zwickau sechs Schwanen im Wappen führet, wird sie daher die Schwanen-Stadt genannt.

9 Netzschkau, das Bosische Ritter-Gut, liegt noch etwas weiter hinauf als Zwickau, also, gegen Leipzig zu rechnen, ziemlich droben im Gebürge. Weil nun das gemeine Voigtländische Volck, wenn es gefragt wird, woher es komme? nach seiner Mund-Art spricht: von dubenroh, an statt: von droben herab; Als schertzete der Verfasser hier mit diesem Worte, weil Herr Zapffe von gemeldtem Bosischen Gute wieder herab kam.

[366] [7] Schreiben eines Cammer-Mägdgens an die Fräulein von Canitz 1

1692.


Weil sich doch keine Magd darf in ihr Zimmer wagen,
Und ihre Blicke nicht auf schlechte Leute gehn,
So muß ich, durch dis Blat, mich über sie beklagen,
Nachdem mir, ohne Schuld, so grosse Schmach geschehn;
Erinnert sie sich noch, wie gestern bey dem Tantze,
Ihr ungerechter Spruch mich aus der Reyhe stieß,
Ja, aus der Kammer selbst, als wenn ich ihrem Glantze
Ein Anstoß würde seyn, ins Elend wandern hieß?
Den Schwager, welcher mich, zu seinem Unglück, wehlte, 2
Betraf mit mir zugleich ihr hartes Donner-Wort,
Und weil mir ein Geschlecht von sechszehn Ahnen fehlte,
So muste Coridon mit samt der Nymphe fort.
Ich glaube, daß es nicht die Juno mehr verdrossen,
Als Paris ihren Grimm, durch seine Wahl, erweckt;
Ich schwere, daß, vor Angst, ich wenig Ruh genossen,
Ihr zornig Angesicht hat mich im Schlaf erschreckt.
Die Hochzeit ist wohl recht mein Trauer-Fest geworden,
[367]
Was andre frölich macht, ist Ursach meiner Pein;
Die Braut ist eine Magd noch in geringerm Orden,
Doch wird sie hoch geacht, ich muß verhöhnet seyn.
Die gantze Mägde-Zunfft wird meiner spöttisch lachen,
Die Fama trägt es schon biß auf den Fischmarckt hin,
Daß mein Verhängniß mir den Schand-Fleck wollen machen,
Und was ich vor ein Ball des falschen Glückes bin.
Ich kan mich, Fräulein, nicht an ihrem Hochmuth rächen;
Doch hoff ich, daß es ihr soll, nach Verdienst, ergehn:
Daß noch ein böser Mann 3 ihr wird den Starr-Kopff brechen,
Denn werd ich Freud und Lust au meiner Feindin sehn.

Fußnoten

1 Ist eben dieselbe, welche in dem Hause des Herrn von Canitz so bekannt und beliebt war, und die er, wie schon gedacht, im Schertze Pape zu nennen pflegte. Die Gelegenheit zu diesem Schreiben gab eine Hochzeit, welche die Frau von Canitz einer ihrer Dienst-Mägde, zu Blumberg, eben damahlen ausgerichtet hatte, als der Herr geheimde Rath von Brand, auf die bekannte Poetische Einladung, mit der schon oben gemeldeten Gesellschafft, dahin gekommen.

2 War der Cammer-Herr und Oberste von Perband, welcher, nach seiner Gewonheit, einen lustigen Streich zu spielen, der Fräulein von Canitz Cammer-Mädgen ergriffen, und zum Tantze, mitten unter die Adeliche Gesellschafft, aufgeführet hatte. Weil sich nun, in Gegenwart ihrer Herrschafft, das Cammer-Mädgen, nach dem Urtheil der Fräulein, dergleichen nicht hätte erkühnen sollen, als jagte sie solche, auf der Stelle, vom Tantz-Platze; worüber der Herr von Canitz, des andern Tags, diese Verse, gleichsam im Nahmen der verstossenen Cammer-Jungfer, an die Fräulein von Canitz überschickte, und dadurch der gantzen Gesellschafft zu vieler Kurtzweil Gelegenheit gab.

3 Diese Schertz-Prophezeihung hat so wenig eingetroffen, als wenig sie dem Herrn von Canitz ein Ernst gewesen; massen diese Fräulein von Canitz, kurtze Zeit nach dieser Begebenheit, im Jahr 1693. an Herrn Nicklas Ernst von Natzmer, Chur-Brandenb. geheimen, auch Hinter-Pommerischen und Camminischen Regierungs-Rath, residierenden Prälaten des Dom-Capituls zu Cammin, der Grafschafft Neugarten und Massou Hauptmann und Burgrichtern, Erb-Herrn auf Erba, Neuhof, Schonor, Gutzmin, Scharso, Gauß, Roßgars, Lübo, Wobestede, etc. etc. vermählet ward, und mit demselben, in Po iern, in der allerliebreichsten Ehe, wiewohl nur zwey Jahre, gelebt. Sie starb sieben Tage, nach der Geburt eines gleich wieder verblichenen Sohns, im 34sten Jahre ihres Alters, in den Armen ihrer Frau Schwester, der Frau General-Majorin von Wangenheim, den 20. Dec. 1695. also in eben dem Jahre, worinn, einige Monate vorher, die Frau von Canitz auch verstorben. Ihr darüber hertzlich betrübter Gemahl, welcher, fünff Jahre zuvor, an seiner ersten Gemahlin und einem Sohne, eben dergleichen erleben müssen, ließ sie zu Stargard Standsmäßig beysetzen, auch ihre Leichen-Predigten und dabey gehaltene Reden, nebst ihrem Bildnisse, zum Drucke befördern, aus welchen, weil sie uns in die Hände gerathen man dem Leser die Gemüths-Beschaffenheit dieser Dame hier mittheilen kan: Sie war Gottsfürchtig sonder angeno ienen Schein, aufrichtig sonder alberne Einfalt, gutthätig sonder eitles Absehen, freundlich sonder Heucheley, demüthig ohne verächtliche Niederträchtigkeit, freyen Mundes sonder Unbescheidenheit, und eines sehr gerechten Hertzens, welches keine, auch so gar nicht die einem andern wiederfahrende Unbilligkeit vertragen konte.

[368] [8] Den theuren Ritter Calenio, der Hoffenden, begleitet mit einem Interims-Wunsche Jacinto, der Muntere 1

1677.


Ich schmiere nicht viel her, weil es zum Scheiden gehet,
Und ich, Calenio, dich wieder lassen muß,
Da nunmehr dein Compaß dem Nordpol näher stehet,
Und dich dein Schicksal führt um kalten Pregel-Fluß.
Wohlan! es blicke dich in Süd- und Ost- und Westen,
So lang die Reise währt, das Glücke günstig an,
Biß man dich wiederum, zu deinem eignen Besten,
Und deiner Freunde Lust, willkommen heissen kan.
Doch einen rechten Wunsch will ich auf künfftig sparen,
Was heissers flößt mir erst, nach dir, die Sehnsucht ein;
Wann du verschwunden bist, dann werd ich erst erfahren,
Daß Hoffen und Verdruß die besten Musen seyn.
Indessen sey bedacht, dein Reisen anzustellen,
Daß, eh man noch den Mertz in unsern Briefen schreibt,
Du deine Gegenwart mir mögest zugesellen,
Drauf geh, wohin der Wind dein leichtes Segel treibt.
Dein Anschlag werde dir nicht anfangs gleich zu nichte!
Doch, wann du unverhofft von längerm bleiben hörst,
So sprich mit solchem Thon und solchem Angesichte,
Wie du des Morgens früh mich aus dem Schlaffe störst: 2
[369]
Soll Euer Sohn in Preussen bleiben,
Frau Oberjägermeisterin, 3
Warum habt ihr mir lassen schreiben,
Mir, der ich kein Landstreicher bin?
Und, ohne Müh und viel Beschwerden,
Wohl etwas grössers können werden.
Lasst euer Kind, betrübte Mutter,
Brecht nicht das schon gegebne Wort,
Und solte gleich kein Flaschen-Futter
Zu finden seyn, so muß er fort.
Hat manche sich doch trösten müssen,
Die aus Adonis Arm gerissen.
Der Weg ist einmahl vorgenommen,
So sagt der Herr von Wallenrodt 4
Lasst mir nur den Gefährten kommen!
Genädge Frau, im Fall der Noth,
Und, da mir alles sollt' entstehen,
Müst ihr selbst mit nach Franckreich gehen.
[370]
Ich weiß, ein Weiber Hertz ist leichtlich zu erbitten,
Wann ein beredter Mund den Vortrag selbst gethan,
Wer ist auch, welcher wohl so angenehmen Sitten
Und deiner Höflichkeit leicht was versagen kan?
Noch eins: du suchest war dein Heil in fremden Ländern,
Doch glaub ich, daß du fest in deiner Freundschafft bist,
Was meine Treu betrifft, die wird sich niemahl ändern,
So lange dann und wann und Spinde Märckisch ist. 5

Fußnoten

1 Jacinto war der Herr von Canitz, und Calenio der Herr Zapfe, welcher sich damahls bey unserm Herrn Verfasser zu Berlin aufhielt, und gleich im Begriff war, dem 16. Nov. nach Preussen abzureisen. Die angeno iene Nahmen haben keine andre Bedeutung, als daß der Herr Verfasser solche aus Schertz erwehlt, weil er sie gleich damahls in einem Romane gefunden, den sie zusammen gelesen, und über dessen abgeschmackte schwülstige Schreib-Art sie öffters hertzlich gelacht hatten.

2 Zielet auf ein gewisses Morgen-Lied, welches Herr Zapffe zu singen pflegte, und an gleicher Reim-Art und Sang-Weise mit gegenwärtigem Canitzischen überein kam.

3 Die verwittibte Frau Oberjägermeisterin von Müllenheim, in Königsberg, hatte den Herrn Zapfen verschreiben lassen, um ihren Sohn, als Hofmeister, in die Länder zu führen. Sie war aber dabey, aus Mütterlicher Zärtlichkeit, immer noch etwas unschlüßig, ob sie ihren Sohn so frühe schon von Hause senden, oder noch eine Zeitlang bey sich behalten solte; welches dem Herrn Zapfen, der sehr begierig war, fremde Länder zu besuchen, nicht wohl gefallen haben würde. Allein die Reise ist hernach würcklich für sich gegangen.

4 Der Chur-Brandenburgis. vornehmste Ober-Rath und Preußische Land-Hofmeister Herr von Wallenrodt hatte, auf Empfehlung des berühmten Veit Ludwigs von Seckendorff, den Herrn Zapfen, zum Hofmeister für den jungen Herrn von Müllenheim, aus Jena, verschrieben.

5 Dann und wann sagt man in der Marck sehr häuffig, an statt bißweilen; Spinde aber heist, nach der Berlinischen Mund-Art, ein Schranck. Welche Märckische Wörter der Herr Zapfe seinem Freunde, wie jener diesem manchmahl einige Sächsische Redens-Arten, im Schertze, vorzurücken pflegte.

[371] [9] Knittelhard an Herrn Licentiat Lobesan 1

1677.


Hier ist der Peltz und das Felleisen,
Die euch, auf euren weiten Reisen,
So grossen Nutzen han gethan,
Ach! seht sie doch genädig an,
Licentiat der beyden Rechten.
Von unserm und des Feindes Fechten 2
Hat man noch keine Zeitung nicht,
Weil der Postillion gebricht,
Und, mit Bestürtzung vieler Frommen,
Im Post-Hauß noch nicht angekommen.
Früh, eh es Morgen achte schlägt,
Macht, daß euch euer Gang herträgt.
Ich wollt euch gern was mehrers schreiben;
Doch seh ich durch die Fenster-Scheiben 3
Daß sich was angenehmes rührt,
Darob mein Hertze Freude spührt.
Darum so lasst euchs nicht verdriessen,
Daß ich die Ode schon muß schliessen.
Licentiate Lobesan,
Nehmt einen guten Abend an!

Fußnoten

1 Herr Zapfe war kurtz zuvor, in Jena, Licentiat der beyden Rechten worden, als er nach Berlin kam, über welchen neuen Ehren-Titel sie öffters unter sich zu schertzen pflegten.

2 Herr von Canitz und Herr Zapfe waren vorher mit bey der Belagerung vor Stettin gewesen, also begierig, was neues aus dem Lager zu hören.

3 Diß war seine Doris, die damahlige Fräulein von Arnim, welche in ihres Stief-Vaters, des Ober-Marschalls von Canstein Hause, der Frau Ober-Cammerherrin von Burgsdorff Behausung in der Heil. Geist-Strasse, gleich gegen über wohnte; bey welcher, als seiner Frau Groß-Mutter, der Herr von Canitz sich aufhielt.

[372] [10] Schertz-Schreiben an den damahligen Hoch-Fürstl. Anhalt-Dessauischen Ober-Jägermeister Herrn C.H. von Wülkenitz 1

1688.


Mein lieber Bruder, zürne nicht,
Daß, wann mir Zeit und Lust gebricht,
Ich nicht ans Schreiben dencke;
Du weist, daß ich dein Diener bin,
Und unterdessen meinen Sinn
Auf dich nach Dessau lencke.
Seit dem du weggereiset bist,
Spricht man allhier, ohn arge List,
Von vielen neuen Dingen.
Davon ich, nach der Meister-Art,
Und zwar in Knittel-Versen zart,
Dir etwas vor will singen.
Merckt, Christen, was der Teufel thut,
Den Morian das gute Blut 2
Hat Bolßwing todt gestochen; 3
So gehts, wann uns der Wein erhitzt,
Doch meint man, der gefangen sitzt,
Kan werden loß gesprochen.
[373]
Der Printz I*** Lobesan 4
Kam hier vergangnen Sonntag an,
Da er die Post gefahren
Von Dantzig an, biß nach Bernau,
Und will sich, lieber Leser, schau,
Mit einer Wittwe paaren. 5
So offt er den Magnet ansieht,
Der ihn so kräfftig an sich zieht,
Macht er verliebte Minen,
Und singt in dulci Jubilo;
Sonst hält er sich incognito,
Und läst sich nicht bedienen.
Fariole, welcher manche Nacht 6
Mit der Bassette zugebracht,
Hat Land und Banck verlassen,
Und ward von der Trabanten Schaar
Nach Sachsen, glaube mir fürwahr!
Begleitet auf der Strassen.
[374]
Des Rebenacs seinem Secret 7
ario es nicht besser geht
In Züchten und in Ehren,
So bald der Chur-Fürst sprach ein Wort,
Zog er in wenig Stunden fort
Warum? die Zeit wirds lehren.
Der Chur-Fürst und was Fürstlich heist,
Haben jüngst beym Raule gespeist, 8
Mittags zu Rosenfelde; 9
Allwo man hat, versteh mich recht,
Kostbar gegessen und gezecht,
Gespielet mit dem Gelde.
[375]
Die Churfürstin trägt ihren Bauch
Gesund, nach löblichen Gebrauch,
Und lernet sich drein schicken,
Daß sie, Gott geb es! ohne Scheu
Mit einem Printzen oder zwey 10
Uns jährlich woll beglücken.
Ihr Kammer-Juncker Hahn zuletzt 11
Starb, und ward zierlich beygesetzt,
Dazu viel Volck gebeten.
Der Tod von diesem armen Hahn,
Hat mancher Henne Leid gethan,
Die er noch solte treten.
Eins muß ich melden zum Beschluß
Du findest einen schönen Gruß
Allhier von meiner Frauen,
Die Fräulein Rackniz in Gebühr
Verlanget ebenfalls dich hier 12
Bald wieder anzuschauen.
[376]
Datum Berlin, den zwölfften Tag
Des Monats, da man erndten mag,
Im Jahre, da man schreibet
Tausend sechshundert Achtzig Acht,
Leb wohl! der sey zum Schelm gemacht,
Der nicht getreu verbleibet.

Fußnoten

1 Sie waren sehr gute Freunde, und gewohnt, in dergleichen Knittel-Reimen, Brieffe untereinander zu wechseln.

2 Morian von Calbeck, Churbrandenburgischer Cammer-Herr, dessen Frau Schwester an den damahligen Obersten Staats-Minister, Herrn von Danckelmann, vermählet war.

3 Gisbert von Bodelswing, damahls Stallmeister der Chur-Fürstin, mit welcher er, von Hanover, nach Berlin gekommen. Er ward, wegen seiner Unschuld, freygesprochen, lebet noch daselbst als Königl. Cammer-Herr, Drost zu Altena und Iserlohn, auch Landvogt und residirender Commendator zu Schievelbein in einem etlich und siebenzig-jährigen Alter, unverheuratet, und in aller Stille.

4 Diß geschah den 8. Jul. alten Stils, wer aber von sich selbst, aus andern Umständen, oder aus der folgenden Erklärung, noch nicht errathen kan, worauf dieses ziele, mag im XIII. Theile des Theatr. Europ. Bl. 413. die umständliche Nachricht davon suchen.

5 War des ein Jahr zuvor den 27. Apr. verstorbenen Marggraf Ludwigs nachgelassene Frau Wittwe, eine gebohrne Printzeßin Radzivil, die gleich hernach an den damahligen Printzen Carl von Neuburg, itzigen Churfürsten von der Pfaltz, vermählet worden.

6 Ein ausgeschickter von Franckreich, der sich damahls in Berlin aufhielt, grosse Spiele und starcke Banck machte; so bald sich aber der Churfürst für den Kayser erklärte, durch einige Chur-Brandenburgische Trabanten, biß auf die Sächsische Gräntzen weggebracht ward.

7 Des damahls schon abgereiseten Frantzösischen Gesandten Grafen von Rebenac noch hinterlassener Legations-Secretar.

8 Ein gewisser Ausländer, welcher, bey Churfürst Friedrich Wilhelms Zeiten, in grossem Ansehen stund, und in einem gedruckten Patente, wegen Verpachtung des Börnstein-Fangs in Preussen, vom 23. May 1688. Chur-Brandenburgischer Rath und Directeur der Marine, Benjamin Raulé genannt wird. Im Jahr etlich und neunzig fiel er in Ungnade, weil man ihn einer üblen Anwendung der gezogenen Gelder zur Afrikanischen Schif-Handlung, und andrer Dinge mehr, beschuldiget.

9 Rosenfeld ist ein Königliches Amtsdorff in der Mittel-Marck, auf dem Wege nach Franckfurt an der Oder, eine Meile von Berlin, in Niederbarnimbschen Kreise. Daselbst hatte Raule einen Garten, und mitten darinn ein mäßiges Hauß zu seiner Bequemlichkeit, erbauet. Dieses wurde nebst seinen andern Gütern eingezogen. Der Churfürst ließ sich hernach die angenehme Gegend gefallen, behielt das Hauß mit dem Garten für sich, und nannte es Friedrichs-Felde. Der itzige König hat solches dem Marggrafen Albrecht Friedrich, auf Lebenslang verliehen, welcher, zu seiner Lust-Wohnung, viele Gebäude hinzugefügt, den Garten erweitert, und besser ausgezieret, sich auch mehrentheils, den Sommer hindurch, daselbst aufzuhalten pflegt.

10 Die Chur-Fürstin gieng damahlen hoch schwanger, und brachte kurtze Zeit hernach, den 4. Aug. einen Printzen, nemlich Seine ietztregierende Königl. Majest. in Preussen zur Welt.

11 War der Cammer-Juncker von Hahn bey Ihro Durchl. der Churfürstin, auf den, weil er noch unverheurathet war, manche Fräulein sich Hofnung gemacht haben mochte.

12 Anna Regina Freyin von Rackenitz. Sie war mit der Frau von Canitz Schwester, der Frau geheimen Räthin von Schönberg aus Dreßden, nach Berlin gekommen, und hielt sich, als die Frau von Schönberg daselbst bey ihrer Frau Schwester, in Sechswochen, im Jahr 1688. verstarb, in dem Canitzischen Hause noch eine Zeitlang auf. Sie besaß viel Verstand, schrieb einen artigen teutschen Vers, und hatte mit dem Herrn von Wilknitz gleichfals selbst einen lustigen Brief-Wechsel in Knittel-Reimen. Sie starb unverheurathet zu Nürnberg 1721. und war eine Schwester des ietzigen Kön. Pohln. und Churfl. Sächsis. Ober-Stallmeisters, Freyherrn von Rackenitz, welcher sich hernach mit der Schwester-Tochter der Frau von Canitz, einer Fräulein Tochter obgedachter Frau von Schönberg, vermählet.

Zweytes Schertz-Schreiben
An eben den vorigen

1688.


Ohn Zweiffel, lieber Bruder mein,
Wirst du von mir ein Schreiben fein
Zu Händen han empfangen,
Und daraus wohl ersehen satt,
Wie es allhier in dieser Stadt
Und auch bey Hof ergangen.
Nunmehr ich auch berichten thu,
Was sich seit dem getragen zu
Gar schön nach alter Weise.
Der junge Printz I*** gut,
Sich hier nicht mehr aufhalten thut,
Er nahm von hier die Reise.
[377]
Gleichwie, er nun incognito
Gelebet, hat er auch also
Sich weggemacht zur Stunde.
Warum? Es kam ein andrer Fürst
Und nahm ihm, wie du hören wirst,
Den Braten aus dem Munde.
Der Bräutigam, die gute Haut,
Verlohr darüber seine Braut,
Denckt Christen, welcher Jammer!
Der Printz von Neuburg Tugendsam, 1
Des Käysers Schwager kam und nahm
Besitz in Bett und Kammer.
Er kam hieher ohn allen Spott,
Und hatte seiner Diener Rott
Bey sich ohn alle Scheue.
Der Churfürst ihn ins Schloß nahm ein,
Hat ihn auch selbst zur Tafel sein
Geladen ein mit Treue.
So bald er sich hier einlogirt,
Ward gleich sein tapffres Hertz gerührt
Mit des Cupido Pfeilen.
Er dachte, wie er sich bey ihr
Der Wittwen, möchte mit Manir
Einspielen ohn verweilen.
Die junge reiche Wittwe frisch
Saß stets bey ihm an einem Tisch
Wohl recht zu seiner Seiten,
Und ließ sich drauf, in kurtzer Frist,
Vernimm von mir ohn arge List,
Zu seiner Liebe leiten.
[378]
Vergessen war der Bräutigam,
Der in Gedancken sie schon nahm
Vor diesem jungen Helden.
Sie ließ sich eilends mit ihm traun, 2
B*** durffte nicht zuschaun,
Glaub mir, was ich thu melden.
Den Herrn Gravel diß Ding verdroß, 3
Vor Unmuth fuhr er bald aufs Schloß,
Bald wieder auf die Strassen.
Doch dieses halff nichts mehr dazu,
Der Teuffel selber muß sie nu
Wohl bey einander lassen.
Das ist so in der Still geschehn,
Da sich es niemand hat versehn,
So geht es auf der Erden:
Der eine sticht den andern aus,
Wie in der Karte kan das Tauß
Vom Trumpff gestochen werden.
Hiermit, mein Bruder, gute Nacht!
Tausend sechshundert achzig acht,
Zu Berlin nicht zu Halle,
Hab ichs den ersten Tag datirt,
Der von August den Nahmen führt,
Nun ist mein Neues alle.
P.S. Weil zu dieser Frist
Das Brieflein liegen blieben ist,
Muß ich dir noch diß schreiben,
Daß heut, den anderen August,
Die Thore dieser Stadt mit Lust
Geschlossen müssen bleiben.
[379]
Man war bemüht denselben gar, 4
Der heimlich hat getraut diß Paar,
Zu greiffen und zu fangen;
Allein, der Fuchs hat sich bey Zeit
Als wie ein Hofmann ausgekleidt,
Und ist davon gegangen.

Ende

Fußnoten

1 Dieses Schreiben erklärt sich selbst aus dem vorhergehenden, davon dieses eigentlich die Fortsetzung ist.

2 Dieses geschah den 24. Julii alten, oder den 1. Aug. neuen Calend. 1688.

3 Monsieur de Gravelle hieß der damahls neu angelangte Frantzösische Gesandte, bey welchem der erste Frey-Werber abgetreten war.

4 Die Trauung geschah heimlich in des Käyserlichen Abgesandten, Grafen von Sternberg, Wohnung, durch einen C. Priester, welcher sich gleich darauf wieder hinweg begab.


Notes
Erstdrucke: [1], [3]–[5], [7], [9], [10] in: Fr. R.L. von Canitz, Neben-Stunden unterschiedener Gedichte, Berlin (Joh. Michael Rudiger) 1700. [2] in: Fr. R.L. von Canitz, Neben-Stunden unterschiedener Gedichte, Berlin (Joh. Michael Rüdiger) 1703. [6], [8] und [11] in: Des Freyherrn von Canitz Gedichte, mehrentheils aus seinen eigenhändigen Schriften verbessert und vermehret, Leipzig und Berlin (Ambrosius Hauden) 1727.
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TextGrid Repository (2012). Canitz, Friedrich Rudolph Ludwig von. Galante und Schertz-Gedichte. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-4A50-E