Das Mädel, das ich meine

O was in tausend Liebespracht
Das Mädel, das ich meine, lacht!
Nun sing', o Lied, und sag mir an!
Wer hat das Wunder aufgethan:
Daß so in tausend Liebespracht
Das Mädel, das ich meine, lacht?
Wer hat, wie Paradieseswelt,
Des Mädels blaues Aug' erhellt? –
Der liebe Gott! der hat's gethan,
Der's Firmament erleuchten kann;
Der hat, wie Paradieseswelt,
Des Mädels blaues Aug' erhellt.
[64]
Wer hat das Rot auf Weiß gemalt,
Das von des Mädels Wange strahlt? –
Der liebe Gott! der hat's gethan,
Der Pfirsichblüte malen kann;
Der hat das Rot auf Weiß gemalt,
Das von des Mädels Wange strahlt.
Wer schuf des Mädels Purpurmund
So würzig, süß, und lieb und rund? –
Der liebe Gott! der hat's gethan,
Der Nelk' und Erdbeer' würzen kann;
Der schuf des Mädels Purpurmund
So würzig, süß, und lieb und rund.
Wer ließ vom Nacken, blond und schön,
Des Mädels seidne Locken wehn? –
Der liebe Gott! der gute Geist!
Der goldne Saaten reifen heißt;
Der ließ vom Nacken, blond und schön,
Des Mädels seidne Locken wehn.
Wer gab, zu Liebesred' und Sang,
Dem Mädel holder Stimme Klang? –
Der liebe, liebe Gott that dies,
Der Nachtigallen flöten hieß;
Der gab, zu Liebesred' und Sang,
Dem Mädel holder Stimme Klang.
Wer hat, zur Fülle süßer Lust,
Gewölbt des Mädels weiße Brust? –
Der liebe Gott hat's auch gethan,
Der stolz die Schwäne kleiden kann;
Der hat, zur Fülle süßer Lust,
Gewölbt des Mädels weiße Brust.
Durch welches Bildners Hände ward,
Des Mädels Wuchs so schlank und zart? –
Das hat die Meisterhand gethan,
Die alle Schönheit bilden kann;
Durch Gott, den höchsten Bildner, ward
Des Mädels Wuchs so schlank und zart.
Wer blies, so lichthell, schön und rein,
Die fromme Seel' dem Mädel ein? –
[65]
Wer anders hat's als er gethan,
Der Seraphim erschaffen kann;
Der blies so lichthell, schön und rein
Die Engelseel' dem Mädel ein. –
Lob sei, o Bildner, deiner Kunst!
Und hoher Dank für deine Gunst!
Daß du dein Abbild ausstaffiert,
Mit allem, was die Schöpfung ziert.
Lob sei, o Bildner, deiner Kunst!
Und hoher Dank für deine Gunst!
Doch ach! für wen auf Erden lacht
Das Mädel so in Liebespracht? –
O Gott! bei deinem Sonnenschein!
Bald möcht' ich nie geboren sein,
Wenn nie in solcher Liebespracht
Das Mädel mir auf Erden lacht.

Notes
Entstanden 1776, Erstdruck 1776.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Bürger, Gottfried August. Das Mädel, das ich meine. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-4754-F