Barthold Heinrich Brockes
Selbstbiographie

Mitgetheilt von I.M. Lappenberg, Dr.

[167] Es ist wohlbekannt, wie ehrenwerth einst der Name Hamburgs in der deutschen Literatur, namentlich in der letzten Hälfte des 17. und ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts da stand. Einheimische Talente, bedeutende Fremde, welche dort ihren Wohnsitz wählten, andere, welche ihren Erwerb suchten, die Oper und manches andere vereinte sich hier zum Schutze der Poesie und anderer schönen Künste. In späteren Jahren hat man sich wenig um jene Zeiten bekümmert. Vor Lessing, Klopstock, hernach Schiller und Göthe ist die ältere Literatur längst verstummt; erst neuerlich hat man sie einer näheren kritischen Würdigung unterzogen und historisch mehr untersucht. Vornemlich Gervinus 1 hat die Bedeutung des literarischen Hamburgs und namentlich des Dichters Brockes sehr herausgestellt; Prutz, 2 Bruno Bauer 3 und andere sind ihm hierin gefolgt. In unserem Geschichts-Vereine sind mit Recht die eingebornen Poeten nebst ihren literarischen Gesellschaften besonders berücksichtigt. Ueber Brockes und die teutschübende Gesellschaft sind lehrreiche Mittheilungen gegeben. Um so mehr durfte eine Mittheilung nicht länger zurückgehalten werden über eine handschriftliche Selbstbiographie von Brockes, welche sich auf dem hiesigen Stadtarchive findet. [167] Sie ist auf 19 Bogen geschrieben, die letzten 3 bis 4 von Brockes eigener Hand. Die erste Hälfte ist in den Jahren 1724 bis 1728 niedergeschrieben, wie aus des Verfassers Aeußerungen zu Anfange und zum Jahre 1714 hervorgeht, später ist sie ebenso allmälig fortgeführt, und hatBrockes selbst die Tage der Niederzeichnung am Rande bemerkt, deren erste 1730 April 14. zum Jahre 1721 und letze 1735 Jan. 16. zum Schlusse des Jahres 1731 bemerkt ist. Vielleicht mochte er nach dem im Jahre 1736 erfolgten Tode seiner vielgeliebten Frau nicht wieder an die Fortsetzung der Lebensbeschreibung denken. Götten im Jetzt lebenden Gelehrten Europa, Braunschweig 135, hat sie – also beiBrockes Lebzeiten – bereits gekannt und zu seinem Abrisse über dessen Leben benutzt.

So sehr viel Unbedeutendes dieser Aufsatz enthält, so wenig auch die Persönlichkeit von Brockes dadurch in unsern Augen gewinnen mag, so zeigt er doch Menschen und Zeit, und enthält manche, zumal für den Freund der Hamburgischen Geschichte anziehende Notizen. Das lebhafte Interesse, welches die Verlesung desselben in dem Kreise des Vereins für Hamburgische Geschichte erweckte, dürfte die Aufnahme desselben in unserer Zeitschrift genügend rechtfertigen.

In einer Selbstbiographie hat der Herausgeber sich weder Weglassungen noch Abänderungen, außer etwa in der Orthographie des Abschreibers erlauben dürfen. Die kurzen Anmerkungen dürften den meisten Lesern willkommen seyn, ganz entbehrlich nur den wenigsten. Zu den Namen der Freunde von Brockes im Auslande haben häufig keine weitere Nachweisungen geliefert werden können, da die Vornamen stets fehlen, die Geschlechtsnamen aber, sowie der Rang nicht immer richtig angegeben sind. Einige der desfallsigen Angaben sind daher nur als Vermuthungen anzusehen. Die Nachforschung bei einigen der berühmteren Namen hat meistentheils zu genaueren Angaben führen können, welche jedoch häufig zu der Bemerkung leiten, daß sein Leben in die Zeit kleiner Menschen fällt, eine Zeit, wo die Söhne vom Geiste und Ruhme der Väter zehrten und in welcher also schon ein Schriftsteller, – denn Dichter dürfen wir den Verfasser dieser versificirten Vorläufer unserer Stunden der Andacht kaum nennen, – [168] der einen einiger Maßen eigenthümlichen Weg verfolgte, die Anerkennung finden konnte, die ihm sein redliches Streben, seine Pietät und einiges Talent überreichlich verschafften, welche aber Leistungen gleich den seinigen früher nicht geworden wäre. Was die Persönlichkeit von Brockes jetzt leisten würde, kann zweifelhafter erscheinen; doch möchte es nur zu unläugbar sein, daß sie der seiner Enkel näher verwandt ist, als derjenigen seiner Väter. So sey ihnen denn auch die Selbstschilderung unseres berühmten Vorfahren, dessen Allongenperücke die bepuderten Lorbeeren beinahe erdrückten, bestens empfohlen.

I. M. L.


Ao. 1724 den 12. August habe ich diese meine Lebens-Beschreibung in Gottes Nahmen zu entwerffen angefangen, nicht aus eitler Ehre oder andern Absichten, welches ich vor Gott bezeuge, sondern bloß, um mich einiger von den fast unzähligen Wohlthaten Gottes, die er mir zeit meines Lebens erwiesen, mit froher Dankbarkeit zu erinnern. Denselben allerweisesten, allmächtigsten und liebreichsten Vater inbrünstig anflehend, daß er die übrige Zeit meines Lebens mir ferner gnädig seyn und vor allem Bösen sowol mich als die Meinen gnädiglich behüten wolle!

Ich Barthold Heinrich Brockes bin gebohren 1680 den 22. September, ein wenig über ein halb Viertel nach 1 Uhr zu Mittage, an einem Mittwochen. Von meinen Geschwistern bin ich der mittelste und ein einziger Sohn gewesen, da nemlich zwo meiner Schwestern vor mir, die andern beiden nach mir gebohren, die aber alle bereits verstorben sind. Mein Vater war Bernhard Brockes und meine Mutter Margaretha Elmhoffs. Meine Familie väterlicher Seite stammt aus Plön, welche bereits über 200 Jahre in Lübeck floriret, wie beygehendes Schema, welches auch in Herrn Pastoris Staphorst genealogischer Sammlung zu finden, ausweiset. 4 Mein Großvater [169] mütterlicher Seite ist aus Wismar gebürtig, woselbst verschiedene von seinen Ascendenten, wie die von väterlicher Seiten zu Lübeck, gleichfalls-Raths Herrn und Bürgermeister gewesen. Obbemeldter mein Vater ist mir frühe und zwar Ao. 1694 abgestorben. Diejenigen die denselben mehr als ich selbst gekannt, haben mir ihn als einen klugen Mann beschrieben, er ist aber mit seinen Brüdern unglücklich gewesen, als von deren .... er, weil er der jüngste war, nicht allein bei der väterlichen Erbtheilung sehr vervortheilet, und dannenhero gezwungen worden, verschiedene Processe sowol mit ihnen als seinen Vettern in Lübeck zu führen, sondern es hat ihm überdem einer derselben auf einem Posttag um mehr als 10000

gebracht. Wie er starb, war er mit seinem Schwager Hinrich Elmhoff in Compagnie, und hat er ein ziemliches Capital an meine seel. Mutter hinterlassen. Diese nachdem sie die Handlung aufgegeben, ist biß an ihren Tod Witwe verblieben und hat mich und meine seel. Schwester Annam Elisabeth, indem die andern drey Schwestern in früher Jugend bereits verstorben, sehr eingezogen aufgebracht.

Mein erster Praeceptor ist gewesen ein Schulmeister in unserer damahligen Nachbarschafft in der kleinen Reichen Straßen, woselbst wir das Gulische Haus bewohnten, welches vordem meines Großvaters Erbe gewesen, von Sosten genannt, ein sehr strenger Mann. Bei demselben bin ich biß 1688 geblieben und nachgehends zu dem berühmten Herrn Reimaro, 5 damahligen Studioso bey des seel. Herrn Bürgermeister Schafshausen Kindern gekommen, woselbst ich bis Ao. 1691 den 14. May freqventiret. Demselben bin ich wegen seiner treuen Information vielen Dank schuldig, nicht weniger dem seel. Hr. Magister Krüsicken, 6 welchem ich in. secunda Classe zur Information übergeben, nachdem wohlerwehnter Hr. Reimarus Collega an der Johannis Schule worden. Ich erinnere mich, daß ich zu dieser [170] Zeit aus einer augenscheinlichen Gefahr durch Gottes Gnade errettet worden. Ich mochte ungefähr zwölf Jahr alt sein, als ich nebst meiner Schwester im Winter in einer sogenannten Kreke, die in Form eines Schlittens ziemlich geschlossen war, von unsern Knechten nach der Alster gefahren wurde. Weil aber ein starkes Thauwetter eingefallen und bereits etwas Wasser auf dem Eise stand, wollten die Knechte ehe sie uns vollend aufs Eis hinaufführten, vorher probiren, ob es stark genug. Zu dem sprungen sie ein paar Schritte vor uns, die wir schon beim Pferdebrunnen vorn aufs Eis waren, mit allen Kräften auf dem Eise, welches denn mit großen Krachen einbrach, worüber sie nebst andern ins Wasser fielen, und beide sich zwar noch retteten. Welches uns Kindern aber allem Ansehen nach nicht würde widerfahren seyn, weil wir ganz eingewickelt uns nicht helfen können, und folglich außer allem Zweifel ertrunken wären. Gott sey gelobet!

Nachhero habe ich in Prima 7 und im Gymnasio 8 meine gebührende Zeit ausgehalten. Weil aber mein seel. Vater, wie bereits erwehnt, frühzeitig gestorben, hatte ich weniger Aufsicht als mir zur selbigen Zeit wol nütz gewesen wäre: indem meine seel. Mutter, ihrem eingezogenen Naturell nach (wie gut sie es auch mit mir meinete) nicht im Stande war auf meine Conduite gebührend acht zu haben. Bey solchen Umständen bin ich in nicht geringer Gefahr gewesen durch böse Gesellschaft verführt zu werden, da ich nemlich alzufrüh mein Meister ward, und kann ich Zeit Lebens nie genug erkennen und Gott danken, daß der liebreiche Vater so gnädig über mich gewacht, und mich insonderheit damals behütet, daß ich in keine hauptsächliche Irrwege gerathen. Mein Naturell war, Gott sey gedankt, zwar nicht [171] sonderlich zum Bösen, und für sich zu keinem hauptsächlichen Laster geneiget; was aber böse Gesellschaft über ein gutherziges junges Gemüth vermögen, solches gebraucht keines Beweises. Habe ich denn noch desfals absonderlich Ursache meinen Schöpfer dafür zu preisen. Ich verspürte der Zeit bey mir, eine besondere Lust zum Zeichnen, und ob mir gleich dieselbe Kunst einen großen Theil meiner damahligen Zeit kostete, so bin ich doch dadurch eins Theils als durch einen mir angenehmen Zeitvertreib von schlimmer Compagnie abgehalten, andern Theils durch fleißige Nachblätterung vieler Kupferstücke, Betrachtung mancherley Schildereyen, ämsiger Nachzeichnung derselben und Lesung vieler Bücher die davon handelten, zu einer ziemlichen Connoissance der Historie, insonderheit der Mythologie gekommen, welches mir nicht allein auf Reisen sehr zu statten kam, sondern ich bin der Meinung, daß wie ich mich, obgleich länger als 20 Jahren hernach, auf die Poesie gelegt, mir dieses alle eine beqvehme und leichte Thüre dazu eröfnet, und mich mit verschiedenen lebhaften Ideen angefüllt habe. Meine erste Gesellschafft waren der nunmehr W. E. Hr. Pastor Staphorst 9 und sein Bruder, als Kinder aus der Nachbarschafft, die andern waren diejenigen, so mit mir zugleich auf Hrn. Bürgermeister Schaffshausen Stube freqventirten. Schaffshausen Kinder selbst, Förster, Tamm, 10 Rasch. 11 Die dritte Classe waren nachhero Feind, 12 du Parc, Prigge, 13 Röver, Weisbach, von Lengercken, des [172] Bürgermeisters, 14 Hr.Wördenhoff, 15 Hrn. Langhans Stief-Sohn,Rath. 16 Mit den meisten von diesen machte mich der seel. Feind bekannt, um Comoedien mit einander zu spielen, welches wir auch in des Oberalten Prig gen Hause verschiedene Mahl recitirten. Wobey ich mich erinnere, daß unerachtet ich zum ersten Mal agirte, unerachtet ich der jüngste aus der Gesellschafft, unerachtet die meisten vornehmer waren als ich, dennoch aus einem billigen Ehrgeiz getrieben, ich nicht vertragen konnte, daß sie sich als Acteurs in Gegenwart der Zuschauer saumseelig bezeugten, sondern ich praesentirte gleichsam die Person des Groß-Veziers nicht allein auf dem Theatro, sondern auch bei der Gesellschafft, hofmeisterte, befahl und reprochirte sie fast alle mit großem Eifer, und wuchs dieser mein Eifer um so viel mehr, weil ich gewahr wurde, daß nicht allein meine Compagnons, sondern auch andere Erwachsene, die uns halfen, mir völlig parirten, welches ich jedoch mehr dem Recht meiner Sachen, da ich nemlich vermeiden wollte, daß wir keinen Schimpf einlegen möchten, als meinen Meriten zuzuschreiben hatte. Doch kann ich nicht bergen, daß ich mich damahls bey mir selbst darüber verwunderte.

Kurz hierauf gerieth mein seel. Oheim mit einem gewissen Mann, den mein seel. Vater auch schon gekannt hat, in Kundschaft, welcher wegen seines zierlichen Lateins sehr berühmt war und Granardus hieße. Diesem ward ich dazumahl der Lateinischen Sprache halber zur Information untergeben, und weil derselbige gewißer Angelegenheiten halber nach Wien gehen [173] wolte, entschloß sich meine seel. Mutter mich unter seiner Aufsicht mitgehen zu lassen, ich reisete auch würklich Ao. 1698 – mit ihm nach Dresden. Weil ich aber unterweges, unerachtet meiner Jugend vermerkte, daß gedachter mein Führer bey seiner Gelehrsamkeit eine schlechte Conduite hatte, auch am Tische mit einem Lausnitzschen Jungen von Adel nebst seinem Hoffmeister Krebs in Bekanntschaft geriethe, welche nach Prage zu gehen gedachten, machten wir zu Anfangs Partie mit einander dahin zu reisen. Mons. Granardus aber, welcher von dem Hoff-Meister zuweilen etwas stark railliret wurde, änderte seine Resolution. Dieses gefiel mir nicht, und weil ich vermeinte, man müße sein Wort halten, als resolvirte ich, ohne ihn mit oberwehnter Gesellschaft nach Prague zu gehen, und hoffete von dar schon Gelegenheit zu finden, nach Wien zu kommen, welches ich auch, weil ich das Geld zu administriren hatte, würklich zu Werke richtete. Wir langten zu Prague glücklich an, weil ich mich aber daselbst neu kleidete, und dadurch mein mitgenommenes Geldchen verringerte, machte ich den Ueberschlag, daß mir zu der Reise nach Wien nicht viel überbleiben würde, entschloß mich desfals mit meiner Reisegesellschaft wieder zurück nach Dresden und von da wieder nach Hamburg zu gehen. Nachdem ich zu Dresden wieder angelanget, und mein Geld fast auf die Neige sahe, muste ich mich um die wohlfeileste Gelegenheit bekümmern, ging desfalls von Dresden zu Wasser nach Hamburg und langte im Herbst daselbst glücklich wieder an. Wovor ich noch auf diese Stunde erkenne, daß ich große Ursache gehabt Gott zu danken, daß er mich, unerachtet auf dieser Reise das Wenigste mit sonderlichen Nachdenken angefangen war, doch überall so gnädiglich für 1000 Unglücksfällen behütet. Während der Zeit ich mich in Dresden aufhielte, ging ich einst mit diesem Jungen von Adel auf den Riesensahl, da wir von ungefähr die Gouvernante von dem jetzigen Chur-Prinzen 17 begegneten. Welche, nachdem sie sich unsers Zustandes erkundiget, auch uns dem [174] Prinzen, welcher noch aufm Arm getragen ward, die Hand zu küßen permittiret, auf einmahl sich zu ihrer Suite wendete und sagte: »siehet dieser junge Herr,« auf mich weisend, »nicht unserm König gleich?« Wie diese solches bejaheten, öffnete sie ein Zimmer, in welchem viele Hof-dames Lection im Tanzen nahmen und thate ihnen dieselbe Frage, welche denn nicht allein, nachdem sie mich ganz umringet, eben dasselbe sagten, sondern mich auch zum Tanze aufforderten, mich aber dadurch nicht wenig beschämten, weil ich nicht viel vom Tanzen wuste, auch schon vorhin durch die unvermuthete Rencontre gantz schamroth gemacht worden. Wieviel an dieser Gleichheit mit dem Könige gewesen, kann ich nicht, wol aber dieses sagen, daß ich nachgehendts so lange ich in Saxen gewesen, von mehr als 100 Leuten eben dergleichen gehöret, und verschiedliche Avantüren desfals gehabt, die doch eben von keiner sonderlichen Wichtigkeit gewesen.

In Hamburg war ich nun abermahl sonder Aufsicht, und muß ich wol gestehen, daß ich in diesem letzten Jahre nicht soviel avancirte als ich wol gekönnt, doch hörte ich die Institutiones von Monsieur Haetcke, lernete tanzen, fechten, voltigiren und reiten, legte mich auch etwas auf die Französische Sprache und Music, praeparirte mich als auf diese Weise mit dem fördersamsten nach Universitäten zu gehen. Zu dieser Zeit war mein meister Umgang mit Monsieur du Parc, 18 der nachhero Capitain beym König in Pohlen geworden, mit welchem ich in vielen Sachen, zumahl in Exercitiis emulirte, und uns beym Spatzieren gehen sehr oft im Ringen, Schwimmen, Springen und Fechten unsere Leibeskräffte exercirten, weil er sowol als ich robuster Leibesconstitution war. Gott hat mich dazumahl sowohl dabey überhaupt als auch insbesondere in zweien Gefahren gnädig bewahret, da nemlich einst ein Pferd mit ungemeiner Gewalt, nach mir schlug, und mich, unerachtet ich ihm sehr nahe war, nicht traff. Das andere, wie ich einst im Winter auf dem Eise ausgeritten war und mein Pferd im vollem Galoppiren mit mir stürzete, so daß ich über des Pferdes Kopf aufs Eis und wir [175] beide eine ziemliche Ecke auf dem Eis fortglitten. Gott sey gelobet für seine Gnade!

Ao. 1700 nach Ostern trat ich in Gottes Nahmen meine Reise nach Universitäten an, und begab mich in Gesellschaft von Mons. Voigt nach Halle 19 Hieselbst gerieth ich bald in Bekanntschaft mit den Landsleuten, die ich guten Theils schon vorher gekannt, nemlich Mons. Schaffshausen, 20 Mons. Rath, mit welchem letztern ich nachhero biß an sein Ende eine sehr vertrauliche Freundschafft gepflogen, Mons. Wiese, 21 Baron Abschatz, 22 Albedyl, 23 Auerbach, Best, Bourdon, Buchta, Carp in Lottwitz, Caroc, Diesckau, Eisen, Engelschall, Göttz, Höfflich, Hoff, zwei GrafenHenckel, Holtzschuher v. Schtritz, v.Kreckwitz, Kroserck, König, vonLoser, Maltenberg, Meisebuch, Mellin, Marschall, Oldenburg, ....Reden, Redberg, Schliven, Spielmann, Schwanenfeld, Schardius, Schelin, Steinkauentels, Schad, GrafSporck, drei Steuben, Uffelmann, 24 Weingarten, Wilckenitz etc. Ich war erst am Markte, nachgehends bey Krause und zuletzt bei Rathsmeister Pastoneller logiret. Im Ringe habe ich die ganze Zeit gespeiset. Meine Collegia habe ich ziemlich fleißig freqventiret und bey Geheimbt Rath Strieck 25 sowol Theoretica als auch ein Collegium practicum gehalten, nicht weniger Hrn. Thomasium, 26 [176] Ludewig, 27 absonderlich Hrn.Ludovici 28 in jure fleißig gehöret. Mit Herrn Baron Zocha, seinem Hofemeister Höflich, Hrn. Graffen Henckel, Mons. Witte undThümmel, absonderlich aber mit Mons. Linde aus Pommern und nachmahligen CammerjunkerHoff aus Hessen bin ich fleißig umgegangen. Zuletzt hielte ich mehrentheils alle Woche ein klein Concert auf meiner Stube, welches wenig kostete. Vom Trinken bin ich für mich selbst nimmer ein Liebhaber gewesen, jedoch habe selbiges wegen der Gesellschafft nicht allemahl vermeiden können. Ein ziemlicher Ehrgeiz, da ich nach Art junger Leute mich nicht wenig auf meine Person einbildete, hat mich auf Universitäten so wol als auf allen meinen Reisen von liederlichen Weibesbildern abgehalten, und kann ich öffentlich bekennen, daß ich nimmer mit einer Weibespersohn so wenig auf Universitäten als Reisen mich völlig gemein gemacht, bin auch desfals der Meinung, daß ich durch diese meine Enthaltung nicht allein vor vielen fast unvermeidlichen Verdrießlichkeiten und Gefahr bin gesichert geblieben, sondern daß Gott, wiewol außer allem meinem Verdienst und blos aus Gnaden, anstatt des verbotenen und schändlichen Vergnügens mir ein 1000faches Vergnügen in einer glücklichen und mit vielen gesunden Kindern gesegneten Ehe bescheret, wovor ich seiner Barmherzigkeit nie genug danken kann. Ich erinnere mich, daß ich auf meinen Reisen in Conversation mit Frauenzimmern eine Maxime observiret, wobey ich mich nicht übel befunden. Anstatt mich nach dem Exempel der meisten jungen Leute an die schönsten Frauenzimmer zu machen und dieselben am meisten zu bedienen, suchte ich mit Fleiß die ältesten und diejenigen so am wenigsten schön waren aus, und begegnete denselben am freundlichsten, welches mir daher nicht schwehr fiel, weil ich, durch ein wenig zu viel Eigenliebe, keine sonderliche tendresse gegen das Frauenzimmer fühlte. [177] Hierdurch hatte ich eines Theils fast gar keine Nebenbuhler und vermiede zugleich viele daraus sonst entspringende Verdrießlichkeiten, andern Theils gewann ich des Frauenzimmers Gewogenheit ohne große Mühe, und profitirte von ihrem Umgange, der mehr gesetzt war, drittens habe ich oft erfahren, daß die schönsten, welche mir vielleicht mit eben derfierté, womit sie andern begegneten, würden begegnet haben, mir mehr avances gemacht als man sich einbilden sollte, vermutlich aus der vanité, damit ihre Schönheit niemand echapiren möchte.

Ich war noch nicht lange in Halle gewesen, als ich um das prächtige Beylager der Cronprinceßin von Preußen 29 zu sehen, mit Hrn. Baron Zocha und Mons. Linden nach Berlin reisete, und daselbst den überaus prächtigen Einzug nebst allen Festitivitäten mit anzusehn Gelegenheit hatte. Auf die Oster- und Michaelis-Messe reisete ich mehrentheils nach Leipzig, wie ich denn auch einmahl in Gesellschaft verschiedener Grafen und Barone nach Naumburg auf die Meße gereiset. Und ob ich zwar verschiedene Mahlen beym Spiel interessiret gewesen, hat mich doch Gott behütet, daß ich dadurch in keinen empfindlichen Schaden kommen, wovor ich ihm so wohl als daß ich keine hitzige Inclination zu dem verderblichen Spielen gehabt, unendlichen Dank schuldig bin. Vor Händel hat mich Gott gleichfalls so wohl auf Universitäten als überall gnädig bewahret, und ich nicht mehr als ein einziges Mal mich schlagen dürfen, welches denn glücklich und sonder einigen Schaden abging. Mein Contrepart war obbemeldter Hr. von Hoff, einer meiner besten Freunde, welcher beim Trunk, ohne mein Verschulden, mit mir Händel angefangen, und weil ihm solches des andern Tages leid, unerachtet ich des Abends sein Meister worden, war unser Kampf nicht sehr hitzig. Welches alles ich als eine Gnade Gottes angesehen, nachdem ich Gott oft, wie ich auch indem ich dieses [178] schreibe, von Grund meiner Seelen thue, um Vergebung der dabey vorgefallenen Thorheiten angeflehet habe. Wie ich unsers damahligen Commandanten Hrn. Generallieutenant von Drüchleben 30 Sohn das Geleite gab, hätte ich abermahl ein großes Unglück haben können. Da ich nemlich einen Hengst ritte und wie eine Stute nach demselben schlug, traf sie mir das Bein, daß wofern ich nicht steife Stiefeln angehabt, sie mir selbiges unfehlbahr würde inzwei geschlagen haben, wie ich denn eine so starke Erschütterung empfand, daß ich es gebrochen glaubte, war aber ganz unverletzt blieben. Dem großen Gott sey davor Lob, Ruhm und Preis gesaget! Noch hat Gott mich aus einer andern Gefahr sichtbarlich gerißen. Da ich nemlich zur andern Zeit mit mehr Gesellschaft ausgeritten war und in vollen Courier jagte, sprang die Gurt von dem Sattel und ich fiel zusammt dem Sattel herunter, und war es wol ein Wunder, daß das Pferd, welches, weil es ein muthiger Hengst, ich nicht laufen lassen wollte, und desfals den Zügel fest hielte, mich nicht zertreten, wie es denn würklich mit dem Hufeisen mir recht in der Schläfe eine kleine Blessur machte. Gott, der allein dieses so nahe Unglück augenscheinlich von mir abgewandt, sey davor Lob, Ruhm und Preis! Noch erinnere ich mich eines Unglückes, welches Gott gnädig von mir abgewandt. Da nemlich einer meiner Bekannten, nachdem ihm der Trunk übernommen, ein Glaß mit Bier nach mir goß, worauf ich ihm mit solcher Kraft eine Ohrfeige gab, daß er niederstürtzte ohne einige Bewegung, als wenn er todt wäre liegen blieb, wo durch so wol ich als alle Umstehende sehr erschrecket wurden, weil wir ihn würklich für todt hielten. Er kam auch allererst nach einer Stunde wieder völlig zu recht, und brachte uns dadurch mit der Furcht auch die Händel zum Ende, weil man ihm bedeutet, daß er unrecht gehabt hätte. Gott sey für gnädige Abwendung dieses Unglücks inbrünstig gedanket!

Nachdem ich nun in Halle ohne andere sonderliche merkwürdige Zufälle zwei Jahre zugebracht, entschloß ich mich Ao. [179] 1702 nach Wetzlar, wo das Kayserliche Cammer Gericht, zu reisen um mich daselbst in Praxi etwas zu exerciren. Ich traf daselbst meinen Special-Freund Herrn Linden aus Pommern wieder an, wie auch Mons. Rath und Mons. Wiese aus Hamburg. Daselbst hielte ich ein Collegium bey dem Herrn Syndico Seip, 31 und hielte übrigens gute Freundschaft mit Herrn Assessor Fritz 32 und seinen Kindern, Herrn Asessor Bielefeld 33 und mit dem Canzeley-Director Friesen, 34 Herr Grafen und Gräfin Nitzen. 35 Ich hielte mich hieselbst 1/2 Jahr auf, und begab mich auf den Weg nach Genève, um so wol daselbst meine Studien zu absolviren, als Frankreich nahe zu sein. Mons. Linde begleitete mich biß Heidelberg und reisete wieder nach Wetzlar. Kaum aber war ich zwei Posten hinter Heidelberg gekommen, als mir ein Courier begegnete und die Zeitung von der unglücklichen Schlacht bei Hüningen 36 mitbrachte. Weil er nun zugleich berichtete, daß die Franzosen diesseits des Rheins stunden, ich also dieselbe zu passiren vor nicht möglich hielte, als sahe ich mich genöthiget mein Vorhaben zu ändern, resolvirte [180] also, weil ich nicht gar weit von Nürnberg war und daselbst einen Special-Freund Mons. Sandrart 37 hatte, mich vors Erste dahin zu begeben, welches ich auch ins Werk richtete. Die Zeit über welche ich mich zu Nürnberg aufhielte, brachte ich guten Theils in Gesellschaft bemeldten Mons. Sandrarts zu, welcher mich viele Curiositäten zu sehen veranlaßete, absonderlich continuirte ich auf sein Zureden mein angefangenes Stammbuch, welches ich um einige Zeichnungen und Gemählde zu sammlen bereits in Halle angefangen, auch von verschieden guten Freunden, welche mir zu ihrem Andenken etwas hineinmahlen laßen, eine gute Anzahl beysammen hatte und vergrößerte das Format. Dieses hat mich nachgehends nicht gereuet, denn zu geschweigen, daß ich dadurch mit vielen braven Künstlern aller Orten bekannt worden, welche sich zuletzt, wie ich bereits etwas Rechtes gesammlet hatte, sich eine Ehre machten dadurch gleichfals bekannt zu werden, verschiedene schöne Stücke umsonst hineingemahlet: so habe ich, wie ich mich nach meinen Reisen in Hamburg gesetzet, eine gantze kleine Gallerie mehrentheils aus diesem meinen Stammbuche errichtet, welche ich zwar nachmals vermehret, aber doch alle Vorsicht dabei gebrauchet, daß ich nicht zu viel Geld daran gewandt, als wodurch ich nicht allein anstatt der eingebildeten Ehre nach dem damahligen Zustande vielmehr eine übele Nachrede, und zwar ziemlich theuer würde gekauft haben. Gott sey gelobet, daß er mir so viel Nachdenken gegeben, und mir dennoch durch die Gemählde viele Ehre und Vergnügen gegönnet hat! Nachher ward ich in Nürnberg bekannt mit dem Hrn. Baron Böhm, Baron Beer und den GrafenOxenstirn. Die letztern zwei waren zwar Spieler, doch hat nicht Gott gnädig behütet, daß ich nicht von ihnen gefangen worden, wie absonderlich bei einem Spiele, bey welchem der Graf von H.L. interessiret war, und ich ehrentheils moitié machen müssen, leicht hätte geschehen können, ja fast geschehen müssen, wenn nicht zum großen Glücke sie über das Spiel einer Codille halben uneins worden. [181] Gott sey gelobet des abgewendeten, augenscheinlichen Schadens halber! Noch habe ich in Nürnberg eine sonderbahrerencontre gehabt mit einem sehr reichen Grafen Sp .... aus Böhmen, welcher ein sehr wunderbahrer Mensch war und seinen Reichthum auf eine sonderliche Weise herdurch brachte. Wesfalls ich mir damahls kein Gewissen machte bey der sich eräugenden Gelegenheit auch etwas davon zu profitiren. Die Gelegenheit dazu gab er selbst, da er im trunkenen Muthe meinem Hund mit einem schweren Säbelstreich fast den ganzen Rücken aufhiebe. Durch des dabey gegenwärtigen Baron Beers absonderliches Anstiften verlangte ich davor Satisfaction, welche zuletzt darauf hinauslief, daß er mir 400 Gulden bezahlen, den Hund heilen lassen und dem Baron Beer seiner Vermittelung halber 100 Pistolen geben müßen.

Nicht lange nach diesen Händeln überredete mich obbemeldter Graf Oxenstiern durch ein mir versprochenes Recommendationsschreiben an den Vetter des Dogen zu Venedig Mocenigo, 38 daß ich die Reise nach Italien antrat, selbige auch, unerachtet es eben zu der Zeit wie der Churfürst von Bayern mit dem Reiche brach und in Tirol einzufallen drohete, wir auch Donauwerth passiren musten, ohne merkwürdigen Anstoß, (nachdem ich von dem seel.Feind, der von Halle sich von mir zu beurlauben nach Nürnberg kommen war, bis Augsburg begleitet worden,) zurücke legte, in Venedig glücklich aufs Carnaval 39 anlangte und mich im Leon bianco logiret. Hieselbst nun war mir anfangs nicht wol zu Muthe, indem mein Wexel, welchen ich daselbst verhoffete bereits vorzufinden, nicht angelanget, und meine ganze Habseeligkeit für mich und meinen Diener nur in neun Ducaten bestand. Die allenthalben ausbrechenden Troublen erfülleten mich mit Furcht, die Posten möchten spoliiret werden. Ich befand mich an einem Ort, woselbst ich keinen einzigen Bekannten hatte, und was das Schlimmste, nicht einmahl die Sprache verstand, Alles dieses versalzte mir die Lust, welche ich mir in Venedig [182] vorgestellet hatte, gar sehr, absonderlich weil auf mein mitgenommenes Recommendations-Schreiben fast gar nicht reflectiret ward. Ich bedauerte oft, daß ich mich in meinem Vornehmen übereilet hatte, und muß ich es ja wol der gütigen Vorsehung Gottes zu schreiben, daß bey so vielen Verdrießlichkeiten ich nicht auf 1000 Art unglücklich worden bin. Ja ich erkenne nunmehr, daß diese Zufälle vielmehr zu meinem augenscheinlichen Besten dienen müßen. Denn anstatt daß ich, wofern ich Geld genug gehabt, vermuthlich andere Gesellschaft gesucht haben würde, und dadurch gar leicht in vielerley Unglück; welches an solchen Orten auf junge Frembde gleichsam lauert, hätte fallen müssen, wurde ich durch den Mangel nicht allein davon abgehalten, sondern gleichsam gezwungen meine Zeit wohl anzuwenden, welches ich denn auch absonderlich in Erlernung der Italiänischen Sprache zu Werk richtete. Mehr als vier Wochen verflossen ohne Briefe zu erhalten, mein Geldchen war bereits, ohne was ich im Wirthshause schuldig, biß auf einen Ducaten verschmolzen, und ich war schon im Begriff meine Kleider und ein klein diamanten Ringchen zu versetzen, als endlich der so sehnlich verlangte Wexel anlangte, und mich im Stande setzte, nachdem ich in der Eile alles, was ich noch nicht besehen können, besehen, noch zu rechter Zeit um in der heyl. Woche in Rom zu seyn, mich auf die Reise begeben kunnte.

Ob mir nun gleich die ganze Zeit in Venedig nichts sonderlichs begegnet war, trug sich doch noch am letzten Tage, wie ich des Abends mit dem Procaccio 40 abzureisen gedachte, ein wunderlicher casus zu. Nachdem ich alla Pieta eine Vesper gehöret hatte und etwan um drei aus der Kirche ging, trat eine sehr wohlgekleidete Dame vor mir über und grüssete mich tiefer als das Venetianische Frauenzimmer gewohnt. 41 Im Gedränge kam dieselbe eher aus der Kirche als ich, und sahe ich sie von weitem [183] in eine Gondole steigen, wovon die Barcariolen Livree trugen, nachdem sie mit meinen Barcariol im Vorbeygehen gesprochen. Ich setzte mich ohne darauf sonderlich zu reflectiren in meine Gondole, ward aber äußerst verwundert, als ich nach einer halben Viertelstunde auf dem großen Canale aus einer Gondole angeredet und gewahr ward, daß es eben die Dame. Sowol die Bestürzung als die noch nicht völlig begriffene Sprache hinderten mich zu anfangs an einer förmlichen Antwort, worauf sie mir sagte, ich möchte nur teutsch reden, mein Gondolier würde es ihr schon verdolmetschen. Ich konnte aber in dem Augenblick vor Verwirrung und gegen einander laufenden Affecten nicht einmal teutsch sprechen. Sie permittirte mir endlich in ihre Gondole zu steigen, und nachdem ich mich etwas besonnen, und wir eine Zeitlang herumgefahren, erzehlete sie mir, wie ihr Mann ein Marqvis, der aber nicht zu Hause, nahmen auch die völlige Abrede, daß ich des Abends sie in ihrem Pallast, welcher meinem Barcariol bekannt wäre, besuchen sollte, worauf wir uns separirten. Sobald ich in mein Quartier kam, dachte ich dieser Sache nach, und kam mir solches je länger je gefährlicher vor, entschloß also bey meiner Resolution zu bleiben, und des Abends heimlich abzureisen. Verschiedene gute Freunde besuchten mich um Abschied von mir zu nehmen, und möchte es ungefähr 8 Uhr seyn als mein Barcarjuol sich meldete mich nach dem Rendezvous abzuhohlen. Ich fertigte selben mit der Antwort ab: er sähe daß ich Freunde bey mir hätte, so bald selbige weg, wollte ich mich einfinden. Eine Stunde hernach kam er wieder, und sagte mir heimlich in's Ohr: die Marqvisin wäre selbst auf dem Canal mich abzuholen. Die Freunde mußten mir abermahl zur Entschuldigung dienen und wand ich vor, sie würden mich, weil sie etwas gemerkt, nicht qvitiren, wesfals ich, weil ich für Madame ihre Reputation billig Sorge tragen müste, und um sie nicht gerne in Gefahr zu setzen, lieber bis Morgen um dieselbe Zeit unsere Zusammenkunft auszusetzen gezwungen wäre. Hierauf war meine gröste Sorge, ob sie nicht würde gemerkt haben, daß ich, meines Versprechens unerachtet, wegzureisen und sie zu betriegen dächte, und sich etwan resolviren möchte mir aufpaßen zu laßen, welches in Venedig nichts ungewohntes. Ich versahe [184] mich desfals mit geladenen Pistolen und embarqvirte mich des Nachts umb zwölf. So oft ich hieran gedenke, finde ich meine Schuldigkeit Gott für so augenscheinlichen Schutz, da er mich sowohl für Sünden als Gefahr so gnädig behütet, von Herzen zu danken.

Meine Reise habe ich hierauf über Ferrara, Bologna, Loretto glücklich vollführet, und bin zu rechter Zeit, nemlich den Sonntag Palmarum zu Rom angelanget. Noch erinnere ich mich, daß in einem kleinen Städtlein Toletino unsere Reisegefährten im Camin eine grosse Oeffnung entdeckten, wodurch man auch bey verschloßenen Thüren in die Kammer kommen, und die Schlafenden ermorden oder berauben könnte. Ob wir nun gleich die ganze Nacht heimlich wachen ließen, dem ungeachtet sich aber niemand rührte, so ist doch nicht anders zu glauben als daß sie durch die zu starke Gesellschaft vermutlich davon abgehalten worden, welches mir aber, fals ich, wie ich sonst fast auf allen Reisen allein gewesen, gar leicht anders arriviren können. Gott sey auch hiervor herzlich gedankt! Ehe wir von diesem Ort reiseten, schrieben wir in allen uns bekannten Sprachen am Camin, daß ein jeder Frembde sich davor hüten möchte. Zu Rom logirte ich zu Anfangs allo scudo di Francia, nahm aber nachhero mein Qvartier alla piazza di Spagna bey einem Schilderer Paradiso genannt. In Rom empfand ich abermahl, daß es mit meinem Gelde auf die Neige war, da nemlich durch die Unrichtigkeit der Posten die Briefe nicht richtig einliefen, wie mir denn verschiedene Briefe verloren gangen. Doch habe ich Gott zu danken, daß derjenige, worin mein Wexel war, zuletzt wolbehalten arrivirte. Daß mir selbiger sehr angenehm war, ist leicht zu ermeßen, weil er eben zu der Zeit kam, wie ich denjenigen Ducaten, welcher zu Venedig der letzte gewesen, auch als den letzten auszugeben im Begriff war. Außer diesem ist mir in Rom Gott Lob nichts Böses begegnet, sondern ich habe mit großem Vergnügen so wol das herrliche Clima als die bewundrungswürdigen Werke der Natur und Kunst, nicht weniger die Ehrwürdigkeit der Alterthümer besehen. Bey welchem letztern ich mich erinnere, daß ich einmahl bey Betrachtung einiger Ruinen von alten Tempeln in eine tiefe Empfindlichkeit gerathen, und den fatalen [185] Wexel aller menschlichen Dinge schwermüthig überdachte. Ich sahe nemlich zu meinen Füßen im Sand und Staub zertrümmerte Ueberbleibsel von solchen Säulen, die nicht allein ein Auszug der Kunst, sondern auch zugleich Stützen an solchen Tempeln gewesen, welche nicht von einzelnen Menschen, sondern von ganzen Nationen verehret worden. Eine Handvoll Jahre, dacht ich, kann dem hier anjetzo nahe bey in solcher herrlichen Pracht in eurer Nachbarschaft glänzenden Peters Tempel eben so wie euch in Graus und Staub legen. Es ist zu bewundern, dacht ich unter andern, daß die Macht der Zeiten sich sogar über Religionen erstrecket. Verschiedene Alterthümer, deren man hier eine so große Menge antrifft, gaben mir zu dergleichen Betrachtungen zuweilen Anlaß. Diejenigen, mit denen ich in Rom vor andern bekannt gewesen, sind Albergetti, 42 Coller, Corelli, 43 Deneissen, Baron Firmund, Milord Montague, 44 Milord Guarmugton, Goggen, Graf Promnitz, 45 Carl Maratta, 46 M. Reepstorff, Vincelius, Redwitz, Ritter von Malta, Treisani.

Nachdem ich nun in Rom alles Merkwürdige besehen, wovon ich Verschiedenes notiret, und mich daselbst bis zum Fronleichnams-Fest aufgehalten, und alle Mühe angewendet hatte einen Paß nach Neapoli zu bekommen, welches aber der Kriegsläuften halber nicht möglich, begab ich mich auf die Reise nach Florenz, besahe unterweges Siena und arrivirte glücklich in Florenz. Hieselbst hielte ich mich eine Zeitlang auf, war al acqvila negra logiret, und nachdem ich alles Sehenswürdige, unter andern zwei [186] Corsi von Barbaren 47 daselbst, und einen zu Pratolino gesehen, auch mit Mons. la Farelle, Saravelli, Mr.Koch, auch der Gräfin H ..... und zwar mit der letzten, ihres freien Lebens unerachtet, Gott Lob ohne Schaden etc. bekannt worden, reisete ich in Gesellschaft eines Kayserlichen Officiers Mr. de Wald, der ein sehr aufgeweckter Kopf war, über Pistoja nach Luca, blieb daselbst drei Tage und ging von da über Pisa nach Livorno. Hieselbst befiel ich anfangs mit einem starken Hauptwehe, woraus endlich ein hitzig Fieber ward, so daß ich alhier einige Wochen bettlägrig bleiben, und unerachtet ich nicht gern daran wollte, zweimal zur Ader gelassen werden muste, wodurch sich denn zwar die heftige Hitze legte, allein ich kunt in einigen Wochen zu keinen Kräften kommen, weshalben ich auf den Rath meines Jüdischen Medici um die Luft zu verändern noch halb krank mich embarqviren und nach Genua reisen muste. Woselbst ich denn auch nach abgelegter glücklicher Reise zur See, als auf welcher Reise ich von der gewöhnlichen Seekrankheit keinen Anstoß, wol aber große Beschwerlichkeit in einem Hafen P.(orto) F.(ino) von Mücken ausgestanden, glücklich anlangete. In dieser schönen Stadt habe ich mich fünf Wochen aufgehalten, habe unter andern die schöne Opera gesehen, und nachdem ich mit verschiedenen braven Leuten als MarqvisDoria, Gioja, Hienlin, zwei Grafen Monti, Marquis de la Pierre, M. Spinola, Salvage de Negri, Schönfeldt, 48 Visconti, Bekanntschaft gemacht, entschloß ich meine Reise nach Genève wieder anzutreten. Begab mich des halben zu Schiffe nach Savona um über Turin von da meinen Weg zu nehmen.

Hieselbst langte ich nun nach einiger überstandenen Unpäßlichkeit zur See glücklich an. Allein nachdem ich erfuhr, daß die Franzosen fast alle Wege besetzt hielten, sogar daß fast stündlich Nachricht einliefe, daß verschiedene Passagiere von ihnen geplündert und die Postilionen aufgehenkt worden, folglich keine [187] Pferde zu haben, war guter Rath theuer. Den ganzen Weg durch Italien wieder zurück zu nehmen, und durch Deutschland nach Genève zu gehen, hielte ich so verdrießlich und unnützlich, als kostbar. Entschloß mich also einige Gefährlichkeit nicht anzusehen und lieber meine Reise geradezu in Gottes Nahmen fortzusetzen, und zwar solches um desto mehr, als ich von ungefehr erfuhr, daß ein Mauleseltreiber mit drei Mauleseln wieder zurück nach Santa Giulia, von wannen er bürtig, zu reisen gedächte, und mir zu gleicher Zeit Nachricht gegeben ward, daß zwei Montferratische Bauren sich alda befunden, welche von dem Grafen von Santa Giulia als Wegweiser gesandt wären den Marqvis de Pierre heimlich durchzubringen, der sich aber von Genua auf eine Galere embarqviret hatte. Diese Gelegenheit sah ich an, als wenn sie mir vom Himmel zugeschickt wäre, und trat meine Reise also mit ihnen, in Gottes Nahmen an, nachdem ich Gott um Seegen zu diesem meinem gefährlichen Vorhaben inbrünstig angerufen, und bey mir fest vorgenommen hatte, fals Gott mich aus dieser Gefährlichkeit retten würde, täglich mich daran zu erinnern. Es ging albereit gegen Abend als ich Savona verließ. Kaum war ich einen Büchsenschuß von der Stadt als mir der Graf Millesimo, mit dem ich vorher in Bekanntschaft gerathen, begegnete, und nachdem er meine Resolution, daß ich nach Turin gehen wollte, vernommen, mich mit Gewalt wieder zurück haben wollte, denn sprach er: »Sie müßen nothwendig über meine Güter, und dieselben sind bereits von den Franzosen in Possession genommen.« Ich ward nicht wenig hierüber bestürzt, nachdem ich aber mit meinen Wegweisern Rückrede gehalten, und von ihnen versichert worden, daß sie solche Wege wüsten, woselbst in zehn Jahren kein Mensch hinkommen, blieb ich bey meinem Vorhaben, beurlaubte mich von ihm, und begab mich ferner auf den Weg. Je mehr nun der Abend hereinbrach, je gefährlicher kam mir meine Reise vor, zumahl uns fast alle die uns begegneten, versicherten, daß die Franzosen nicht zwei welsche Meile, welche nur eine halbe teutsche Meile ausmachen, von uns mehr entfernet. Die zunehmende Dunkelheit vermehrte meine Sorgen, welche meine Leute mir doch so gut sie konnten, zu benehmen trachteten. Nach dem Verlauf ungefähr einiger Stunden, verlangten [188] meine Wegweiser, daß ich an dem Ort, wo wir waren, mich etwas aufhalten möchte, weil einer von ihnen hingehen und ihr Gewehr, als welches sie nach der italienischen Weise nicht mit in die Stadt bringen dörften, holen wollte. Ich muste mir solches gefallen laßen, und möchte wol 3/4 Stunde gewartet haben, als der Abgeschickte zwar wieder zurück kam, und eine Menge von Gewehr, aber auch noch einen Kerl mitbrachte. Dieser neue Compagnon nun nebst den vielen Waffen, da nemlich nunmehr ein jeder mit einer Büchse, einem Säbel, einem Dolch und einem Paar Pistolen versehen war, und sie im übrigen alle nach Art der Welschen Bauren wie die Zigeuner aussahen, machten mir neue Sorgen, und befürchtete ich, daß ich vielleicht bei meiner eigenen Escorte nicht weniger unsicher, als mitten unter der Französischen Armee seyn würde. Je mehr ich nun diese meine Furcht zu verbergen vor rathsam und nothwendig hielte, je mehr vergrößerte dieselbe der Trost, welchen sie mir gaben, wenn sie mir versicherten, daß außer ihnen kein Mensch auf zehn Meilen des Weges kundig, welchen sie mich gedächten zu führen. In diesen verdrießlichen Umständen war, nächst Gott das Billet, welches ich von des Grafen Hand, der sie geschickt und ich bey ihnen gesehen hatte, mein einziger Trost. Ich hatte zu meiner Beschützung nichts als ein Paar Pistolen und mein Seitengewehr, mein Diener nichts als seinen Degen, daher die Parthey nicht gleich ausgetheilt war. Ich wußte mir anders nicht zu helfen, als daß ich um sie zu vertheilen zweien Befehl gab, daß sie voraus gehen und sich des Weges erkundigen sollten, welchen es jedoch leicht gewesen mir von Weitem mit ihren Flinten den Rest zu geben. Behielte also nur einen bey mir nebst dem Mauleseltreiber. In dieser Eqvipage, da nemlich ich auf einem Maulesel, mein Diener auf dem andern saß, und meine Bagage auf dem dritten geladen war, hatten wir ein gut Stück Weges verrichtet, als wir an fast unersteigliche Klippen gelangten, worauf sich jedoch die Maulthiere, als dessen gewohnet, ziemlich verstunden, unerachtet sie oft im Aufsteigen auf einen hohen Stein zugleich sich zu schwenken gezwungen waren. Welcher Gestalt bei dem Menschen eine Furcht die andere vertreiben kann, solches habe ich so wol damahls als nachgehends öfter mit Verwunderung [189] bedacht. Die Furcht von dem Franzosen nicht angetroffen und geplündert oder von meinen Begleitern nicht umgebracht zu werden, hatte mein ganzes Gehirn so angefüllet, daß ich der großen Gefahr des Weges, da ich doch alle Augenblick in die Tiefe stürzen und umkommen können, nicht allein nicht achtete, sondern oft froh darüber war, weil ich mir die Unwegsamkeit als eine Versicherung, daß die Feinde daselbst nicht hinkommen könnten vorstellete. Hinzu kam, daß die sonst noch gefährlichere Dunkelheit mir von manchem précipice die Tiefe verbarg. Wir mochten ungefehr eine Stunde auf diese Weise marchiret haben, als mein Wegweiser mir ins Ohr sagte, daß wir nun mitten in der Französischen Armee wären, und sie auf beiden Seiten ihr Lager hätten. Diese Nachricht verursachte bei uns, wie leicht zu erachten, eine große Stille, und erinnere ich mich noch ganz eigentlich, daß wenn etwa nachgehends in einem Thal, wo hin und wieder ein Baurhäuschen seyn möchte, sich ein Hund hören ließ, dessen Gebell sich in dem Gebirg verdoppelte, ich in den größten Aengsten stand und befürchtete, es möchten die Franzosen dergleichen bei sich führen um alles aufzustäubern. Bald hierauf geriethen wir auf eine gewisse Höhe, und wurden zu unserer größten Verwunderung vieler Feuer auf den umliegenden Bergen gewahr, worin sich meine Leute anfangs nicht finden kunnten, zuletzt aber schloßen, es müßen Wachtfeuer seyn, welche die Savoyarden zu ihrer Sicherheit und Zeichen ihrer Wachsamkeit angesteckt hatten. Nachdem nun nachher des Mondes letztes Viertheil hervor gekommen und ein wenig Licht mittheilte: sahe ich unversehens meine vorausgeschickte Wegweiser in großer Eile zurückkommen und mit allen Kräften winken, daß ich mich zur Rechten hinschlagen sollte. Die Furcht vor den Franzosen, wovon ich meinen Kopf so voll hatte, stellete mir bei diesem Zufall einige nah gelegene Spitzen, woran der Mond schien, als weis mondirte Leute vor. Weshalben ich über Hals und Kopf zur Rechten abwandte, jedoch von ihnen nachher benachrichtiget ward, sie hätten desfals so eifrig gewinkt, weil sie zur Linken den Felsen ganz abschüßig gefunden hätten. Hiedurch verminderte sich meine Furcht, jedoch nur auf eine kurze Zeit, denn bald hernach gaben sie mir zu verstehen, daß wir uns jetzt auf spanischem Gebiet [190] befunden, welches mir nicht eben eine angenehme Zeitung war. Wir reiseten demnach noch eine Zeitlang in ziemlicher Stille, bis wir an einen Fluß kamen. Durch diesen nun, weil er nicht tief, waren wir kaum geritten, als meine Wegweiser (welche auf meines Dieners Esel, der zweymahl um sie nach zu holen, durchs Wasser gemust, herübergekommen) mit großen Freuden, Lachen und Springen mich versicherten, wir wären nunmehr aus aller Gefahr. Diese angenehme Zeitung ward von mir zwar geglaubt, jedoch benam sie mir nicht alle Sorgen, weil ich es gar leicht hielte, daß die Franzosen, sowol durch den Fluß kommen könnten als wir. Nachdem wir nun hierauf noch etwan eine viertel Meile marchiret hatten, trafen wir am Fuß eines hohen Gebirges eine elende Bauernhütte an. In diese führten sie mich, und ließen mich daselbst auf einem Boden voller Castanien den Rest der Nacht schlafen, nachdem sie mir die Nachricht gegeben, daß oben auf dem Berge des Grafen Schloß läge, der sie abgeschicket, vor welche gute Zeitung ich ihnen anstatt einer versprochenen Pistole zwey gab, worüber sie aus der Maßen zufrieden. Nach einigen Stunden Schlafs führeten sie mich noch vor Aufgang der Sonnen den Berg hinan, da wir denn unterwegs einige Hundert Mann Savoyarden antrafen, welche gleichfals den Berg hinan marchirten, um daselbst gemustert zu werden. Ich ward von dem Grafen di Santa Giulia, welcher daselbst nebst verschiedenen anderen Officieren gegenwärtig und beschäftiget waren die Leute zu mustern, wie er hörete, daß ich ein Teutscher wäre, mit aller Höflichkeit empfangen, und befahl er auf mein Ersuchen, meinen Mauleseltreiber, welcher mich, weil ich ihn nicht weiter bedungen, nicht weiter bringen wollte, daß, weil daselbst keine Voiture zu haben, er mich in das nächste Städtgen führen sollte. Hieselbst langte ich des Abends an, bezahlete meinen Eseltreiber, in der Meinung ich würde nunmehr andere Gelegenheit genug finden, weiter zu kommen. Dieses schlug mir aber fehl, denn ich krichte des anderen Morgens die unvermuthete Nachricht, daß Ordre vom Herzog kommen sey, bei Leib- und Lebensstrafe kein Pferd noch Maulthier wegzugeben, sondern alle unverzüglich zur Armee zu schicken. Muste ich also mit meiner höchsten Bekümmerniß an diesem elenden Ort einige [191] Tage bleiben. Gleich den ersten Morgen wurden daselbst 4000 Mann eingeleget, welche den ganzen Tag beschäftiget waren eine Brustwehre von Steinen um den Ort zu ziehen, weil sie alle Augenblick von den Franzosen überfallen zu werden vermutheten. Also war meine Sicherheit hier nicht groß, und mir nicht gar wol bei der Sache zu Muthe, absonderlich wie des andern Abends, nachdem ich eben gegeßen, sich ein greuliches Geschrei all' arme! all' arme! erhub. Alle Einwohner nebst den einquartirten 4000 Mann schrien all' arme, welches in der dunkelen Nacht fürchterlich genug anzuhören, doch kam ich mit der bloßen Furcht davon, indem ich, als ich eben meine Stiefel angezogen, meinen Kuffer unter das Bette gesetzt, mein bisgen Gold und meine Pistolen zu mir genommen, erfuhr, daß aller Lärm von einem trunkenen Soldaten hergekommen, der einen Bauern geschlagen, da denn dieser geschrien all' arme und dadurch aus dem Halse der Soldaten, die sich des Feindes versahen, ein so starkes Echo herausgebracht. Des andern Tages darauf ward ich mit einem alten Grafen Poco Paglia bekannt, welcher mich in dem Kloster daselbst tractirte, und, weil er zu meinem Glücke einen Sohn in Teutschland hatte, den Teutschen sehr gewogen war und unter andern Höflichkeiten mir versprach, drei Maulesel mit dem Ehesten mir zu verschaffen, welches er denn auch bereits des andern Tages ins Werk richtete.

Mit diesen trat ich meine Reise wieder an, und ob ich gleich des Abends in dem Städtgen Cortemiglia andere Pferde anzutreffen verhoffete, waren sie doch auch daselbst vor kein Geld zu bekommen, weshalben ich die schon ermüdeten Maulthiere mit doppelten Gelde weiter dingen und noch froh seyn muste, daß ihr Patron sie mir überließe. Diese Reise ging desfals, wie leicht zu erachten, ziemlich langsam fort, biß wir endlich zu Carmagnola eine Poststation vorfunden, und nachdem ich daselbst übernachtet, mit einer Postchaise mich auf den Weg begab und in Turin Gott Lob glücklich anlangete. An diesem schönen Ort, welche an regulairer Anlage der Straßen so wol als prächtigen Gebäuden nicht leicht seines Gleichen hat, hätte ich mich gerne länger aufgehalten; weil aber an allen Orten nichts als von der Einbrechung der Franzosen in Savoyen geredet ward, wodurch [192] ich jedoch meinen Weg nothwendig nehmen muste, entschloß ich mich je ehe je lieber weiter zu gehen, welches ich denn (nachdem ich den Hof verschiedene Mahl, auch unter andern den jetzigen Prinzen auf einem kleinen Pferde aus seinem Zimmer in die kostbare von schwarzem Marmor erbauete Schloß – Capelle reiten sehen) in Gottes Namen ins Werk richtete, und mit einem Vettorino, welcher sich resolviret, mich ganz bis Genève zu bringen, meinen Weg aufs Neue antrat. Kaum aber waren wir ins Thor von Turin angelanget, als man mich nach einem Paß fragte, und wie ich, daß ich ein Teutscher sey und keines Passes benöthiget zu seyn glaubte, gemeldet, antwortete man mir: »Sie wollten mich zwar passiren laßen, es wäre aber scharfe Ordre im ganzen Lande gestellet, niemand ohne Paß durch zu lassen.« Wann demnach die Bauern mich ausser Zweifel wieder zurück bringen würden, riethen sie mir mich mit einem Paß zu versehen. Ich muste demnach wieder umkehren und nach des Commandanten Hause fahren. Woselbst ich, nachdem ich ziemlich lange warten müßen, von dem Secretario schlechten Trost erhielte, doch endlich von dem Grafen selber, nachdem ich ihm meinen aus Augsburg mitgebrachten Gesundheitszettel lesen müßen, um zu sehen ob ich fertig Teutsch lesen könnte, weil er mir vorhielte, es wären viele Franzosen, die auch Teutsch reden könnten, den verlangten Paß empfing und meine Reise also weiter fortsetzete.

Diese ging auch ohne Hinderung einige Tage glücklich von statten biß wir an einem Abend in einem Flecken Aiguebelle genannt anlangten, und daselbst 2000 Soldaten einqvartiret funden, welche uns die unangenehme Zeitung berichteten, ob hätten die Franzosen die Bergvestung Montmelian, welche ich nothwendig vorbeypassiren muste, berennet. Mein Vettorino machte mir hierauf Schwierigkeit mich weiter zu bringen. Nachdem ich aber bey dem Commandant und Obristen mich genau erkundigen laßen, und von ihm so viel erfahren, daß sie würklich noch nicht angelanget, resolvirte er endlich bis Montmelian es zu wagen. Wie wir daselbst angelanget, fanden wir zwar daselbst noch keine Franzosen, doch würden dieselben, der Einwohner Meinung nach, in Chambery, welche Stadt wir gleichfals zu passiren hatten, bereits angelanget seyn. Durch Geld und gute Worte [193] persuadirte jedoch meinen Vettorin, daß er es ferner mit mir wagete. Unterwegs trafen wir zwar nichts Widrigs an, jedoch stunden wir immer in Sorgen, daß weil die Franzosen jenseits eines Gebirges lagen, und dieses Gebirge, welches uns bisher geschieden, sich an einem Orte endigte, sie nicht mit uns einerley Meinung hegen und mit uns zugleich ihren Einzug in Chambery halten mögten, wesfals wir uns zumahl wo das Gebirge aufhörte, wie leicht zu erachten, sehr fleißig umsahen. Wir langten jedoch Gott Lob noch allein, zu Chambery an, funden aber daselbst alles in der größten Confusion, indem die Einwohner alle Augenblick der Franzosen Ankunft vermutheten. Wir blieben in der Vorstadt und ward mir wie ich die Stadt besehen wollte, von der Wache ein Unterofficier ausgegeben. Unsere Sorge war auch nicht sonder Grund, indem des andern Abends, nachdem ich des Morgens meine Reise weiter fortsetzte, die Französische Armee arriviret und die Stadt eingenommen. In langer Zeit war mir nicht besser zu Muthe gewesen, als an dem Morgen, wie ich Chambery verließ, weil ich seit vielen Tagen die Franzosen, beständig theils vor mir, theils zur Seiten gehabt, jetzo aber zum ersten Mahl dieselben hinter mir ließ, weswegen ich Gott, wie ich es ja wol Ursache hatte, herzinniglich dankete, auch solches jetzo, da ich mich deßen erinnere, von Grund meiner Seelen wiederhohle.

In Genève, woselbst ich nachhero nach so langem Wünschen glücklich anlangete, logirte ich aux trois Rois und hielte mich daselbst den ganzen Winter auf, ward mit verschiedenen braven Leuten bekannt, worunter der Marquis de S. Maurice, BaronSchmittberg, de la Farelle, der MarquisDuquesne 49, Brandstein, de Maxen, Baron Ulm, dessen Hof-Meister Sauter, Gioja, Gibel, ein Irrländer Gasolet, Mons. Sckidamor, Cap. Wentz, de Muralt, 50 de Mernan, Mons. [194] de Quahlen, Staffhorst etc. Eines sonderlichen Zufall erinnere ich mich, welcher mir in dieser Stadt begegnete. Nachdem wir einst auf dem Genfer See um das daselbst befindliche Reservoir der Forellen zu besuchen spaziren fuhren, und dem Fischer seinen künftigen Fisch für 1/2 Lou isd'or abkauften, selbiger aber eine so große Truite fing, als er Zeit seines Lebens, wie er sagte noch nicht gefangen und zwar von 30 genevischen

, deshalben er sehr verdrießlich war, und wie er den Fisch mit Unwillen uns folgen laßen muste, begleitete er selbigen mit vielen Flüchen. Wie wir nun denselben zu verzehren mehr als einmahl zusammen kamen, und verschiedene Engelländer bey einer Serenata sich etwas betrunken hatten, entstunden Händel auf der Gassen und wurden einem General-Controlleur des Herzogs von Savoyen zwei Finger fast abgehauen, und nachdem ich einem andern, der gleichfals blessiret war, den Degen nahm, darüber aber ganz voller Blut ward, meinete ein jeder, nachdem wir uns der darüber zu kommenden Wache halber (ausser dem Controlleur, der blessiret war und arretiret wurde) retiriret, daß ich gleichfals schwer würde verwundet seyn, unerachtet ich nichts fühlete, welches sie jedoch der Hitze zuschrieben. Bey der Untersuchung aber fand sich Gott Lob nichts, wesfals ich mich zu Hause begab, unterwegs aber besagten General-Controlleur, welchen die Wache in einer Sänfte zu Hause brachte, der denn noch so trunken war, daß er mir die unversehrte Hand anstatt der andern zeigte, mit diesen Worten: »c'étoit une belle affaire, me voicy estropié.«

Nachdem der Winter vorbey, begab ich mich nach dem Städtchen Lausanne, logirte mich bey einem Professor Crousaz und ward unter andern daselbst mit dessen gelehrten Vetter, dem berühmten Mons.Crousaz 51 bekannt. Meine Wirthin erwiese mir daselbst viele Höflichkeit. Unser täglicher Umgang war mit Baron d'Ulm, der auch in unserm Hause logirte, einem Holsteinischen [195] Edelmann von Qvahlen, der mich zu besuchen von Genéve dahin kam, mit drei ziemlich bejahrten Mesdemoiselles Mernans, einer Mad. Schandié, Mons. de Lignon etc. welches weil es alles sehr artige Leute, auch zu Lausanne täglich nach Art kleiner Städte Assemblé gehalten wurde, eine ziemlich vergnügliche Conversation abgab. Absonderlich vergnügte ich mich oft auf dem Schweitzer Gebürge des Morgens herbatim zu gehen. Alhier empfing ich von Mons. Linde meinem special guten Freunde einen Brief aus Paris, worin er mir einen Paß auszuwirken versprach, im Fall ich mich entschliessen wollte nach Frankreich zu gehen. Dieses nahm ich mit höchstem Dank an, begab mich auch sobald ich selbigen erhalten über den Genfer See wieder zurück nach Genève, ging von da, nachdem ich unterweges unweit von Fort d'Ecluse die berühmten Versenkung der Rhone mit Verwunderung besehen, zu Pferde nach Lion und von Lion mit der Diligence gerades Weges auf Paris. Woselbst ich, Gott sey gedanket, ohne alle Verdrießlichkeit anlangte, und von Mons. Linde einer halben Meile von der Stadt eingehohlet wurde.

Ich logirte bey ihm à l'hotel Impérial dans la rue du four, trieb in Paris die gewöhnlichen Exercitia und wurde außer mit Hrn. Baron Firmund, den ich schon vorhin in Italien gekannt, mit Mons. de Bloom, de Bilinsky, Boursemouisky, MarqvisGremian, Comte Mayence, de Polier, Herrn von Reepstorff, 52 Seebach, Schwanenberg, Schreiber, B. Sparre, von Tinen und Unruhe, Grafen Witte und andern bekannt. Alhier hat mich Gott nebst vielen andern aus einer augenscheinlichen Gefahr gerettet, denn als eine mit großen Spiegelgläsern verseheneCarosse de remise mit mir auf der Gaßen umschlug, ist mir, unerachtet die Spiegelgläser beide aufgezogen waren, Gott sey gelobet, nicht das Geringste wiederfahren. Ich befand mich eben zu der Zeit in Paris als der [196] prince de Bretagne gebohren ward 53 welchem zu Ehren ganz Paris einen Monat lang mit Illuminationen, Feuerwerken, Bällen, Wasserkämpfen beständig beschäftiget war, welche Freude ihnen aber bald darauf ziemlich versalzen ward, als die Bataille beym Schellenberg 54 sowol als die bey Hochstädt 55 von den Franzosen verlohren wurde, da denn die wenigen anwesenden Teutschen ziemlich scheele Gesichter bekamen.

Nachdem ich nun alles was in Paris Remarqvables besehen hatte, begab ich mich, der Meinung nach Engelland zu gehen, im Anfang des Herbstes auf die Reise nach Holland durch Brabant über Brüssel, von da zu Wasser auf Antwerben etc. in Gesellschaft mit einem Polnischen von Adel Unruhe nebst seinem Hofemeister Bursemofsky. Wie nun in dieser gefährlichen Zeit in Braband, zumahl zwischen Antwerben und Rosendahl alles voller parties bleu, 56 Straßenräuber etc. war, so daß fast niemand unangetastet blieb, so kann ich doch Gott nicht genug danken, daß uns keiner von denselben aufgestossen, unerachtet wir in beständiger Furcht desfals lebeten, und alle Augenblick vermuthen musten, aus diesem oder jenem Gebüsche attaqviret zu werden, welche Furcht uns denn in ziemlicher Munterkeit unterhielte. Wir gelangeten endlich zum Rosendahl an, und dungen daselbst ein Schiff biß Rotterdam. Diese Wasserreise nun geschahe ebenmäßig nicht ohne alle Furcht, indem ich zwar einen Paß, meine Reisegefährten aber keinen hatten, wie wir denn auch würklich bey dem ersten Holländischen Paß visitiret wurden, wobey aber der Schiffer es mit den Visitateurs so zu karten wuste, daß sie nicht mehr sahen als sie sehen sollten. Worauf wir denn bald [197] darauf in Rotterdam glücklich anlandeten, und nachdem wir in den Holländischen Städten alles Merkwürdige besehen, und uns einige Tage in Leiden aufgehalten hatten, woselbst ich über Vermuthen Hrn. Baron Firmund nebst seinem Hofmeister, den ich fast an allen großen Oertern meiner Reise vorgefunden, von ungefähr wieder antraf, und ich absonderlich mit dem berühmten Schilderer Mieris 57 daselbst bekannt worden, reiseten wir nach Amsterdam. Alhier nun wurde mir mein Concept nach Engelland zu gehen und nachgehends mein Fortun bey Hofe zu suchen, ganz verrückt. Denn wie ich in der Liesfeldischen Bibel, woselbst ich logirte, zu Mittag äße, wurde mir unvermuthet ein Brief eingereichet, welchen ich denn gleich erbrach, und darin die Nachricht fand, daß meine einzige Schwester gestorben, welches, zumahl es ganz unvermuthet, mich sehr alterirte. Es kam noch hinzu, daß meine Mutter, weil sie nunmehr ganz allein, verlangte, daß ich mein weiteres Reisen einstellen, promoviren und sobald möglich zu Hause kommen mögte. Je schleuniger alle diese Veränderungen kamen, je weniger wuste ich mich anfangs darin zu finden. Weil aber alles in der höchsten Billigkeit bestand, entschloß ich mich zu thun was sie verlangte: zog darauf wieder nach Leiden, repetirte mein Jus in meinem Privatcollegio bey Hrn. Professor Vitriario, 58 disputirte de Cambio und erhielte gewöhnlichermaßen gradum Licentiati. Mein Umgang daselbst war mehrentheils mit Hrn. Beccelern, 59 Hrn. Hintzelmann 60 als meinen da selbst studirenden Landesleuten, wie auch [198] Hrn. Anckelmann. 61 Absonderlich aber freqventirte ich fleißig den berühmten Schilderer Mieris, und ward mit dem sehr begüterten Mons. de la Cour bekannt, der mir denn viele Höflichkeit erwieß, sogar, daß man mir hin und wieder wolte glauben machen, als ob ich vielleicht reussiren dürfte, wenn ich um eine von seinen Töchtern anhielte. Ich ließ solches zwar damals an seinen Ort gestellet seyn, und entreprenirte nichts, doch hat eben dieses einigen Eindruck bey mir gemacht, welcher durch verschiedene Umstände nachhero vermehret worden.

Ich reisete demnach damahls aus Holland, und arrivirte, Gott sey davor und vor alle unzehlige Gnade, die Er mir so wol in meinem Leben als auf meinen gefährlichen Reisen erzeiget, inbrünstig gelobet! Anno 1704 den 1. Advent-Sonntag glücklich wieder in meiner Vaterstadt, und ward von meiner Frau Mutter, wie leicht zu ermeßen, mit vielen Freuden empfangen. Nachdem ich nun hieselbst die gewöhnlichen Visiten angenommen und gegeben, ging ich mit mir zu Rathe, wie ich nunmehr mein Leben anstellen, ob ich mich auf die Praxin legen, und ein eifriger Advocat werden, oder ein geruhiges Leben führen und mein eigener Herr bleiben wolte. Zu dem letztern hatte ich einen natürlichen Trieb, und ward auch darin je mehr und mehr bestärket durch den Umgang verschiedener Freunde. Meine Absicht war demnach durch eine artige Aufführung zu einer reichen Heyraht zu gelangen, welches die einem jungen Menschen insgemeine anhangende gute Opinion von sich selbst mir als etwas leichtes vorstellte. Weil ich aber den Bogen zu hoch spannete, und verschiedene mir angetragene Partheyen ausschlug, hätte mir solches gar leicht fehlen können. Indessen versäumte ich nichts, was meiner Meinung nach, mir einige Hochachtung zu Wege bringen möchte. Ich hielte mich zu den vornehmsten Compagnien, gab wöchentlich ein Concert, verschaffte mir ein klein Cabinett von Gemählden etc. und gedachte auf solche Weise mich in Estime zu setzen und beliebt zu machen, welches mir denn eben nicht mißriehte. Doch habe ich nachmahls aus der Erfahrung bemerkt, daß nach Beschaffenheit des Zustandes unserer Stadt dergleichen Weg nicht allerdings [199] ohne Gefahr sey, und man auf solche Weise an einem Ort, wo ein jeder auf das Commercium bedacht, anstatt Ehren einzulegen, den Nahmen eines Müßiggängers gar leicht davon tragen kann. Ob ich nun gleich keine öffentliche Arbeit vornam, wendete ich jedoch meine Zeit nicht eben unnütz an, sondern tractirte für mich die Moral, lase meistentheils Bücher die davon handelten, als die Caractères des Mons. La Bruyere, Rochefaucault, Pensées de Pascal, Molière, Boileau etc. Und weil ich um die Italienische Sprache zu lernen, mich auf Lesung der Welschen Poesie geleget, auch zuweilen einige Passagen daraus übersetzt hatte, fing ich zum Zeitvertreib an einige Satiren aus dem Boileau zu übersetzen, wie auch aus den Gedichten der Mad. des Houillières, welches weil es mir ziemlich von Statten ging, mir allgemach eine größere Lust zur Poesie verursachte. Eben um diese Zeit fügte es sich, daß einer meiner guten Freunde Lt. Fegesack 62 sich verheirahtete, und weil der seel. Lt.Feind als ein großer Liebhaber der Poesie den Ruhm eines der vornehmsten Teutschen Poeten zu erwerben sich bemühete, mir aber seine Schreibart, wie gut sie auch sonst war, nicht so stark vorkame als die Welsche, womit ich mich ziemlich bekannt gemacht, als entschloß ich mich auf Zureden des seel. Lt. Raths ein recht ausgeführtes Hochzeitsgedicht zu verfertigen, welches mir denn zwar nicht wenig Mühe kostete, aber auch so gut aufgenommen ward, daß ich darob vergnügt zu seyn große Ursache hatte. Wie nun eine Gelegenheit der anderen die Hand bietet, als fügte es sich, daß zur selben Zeit die anwesende Kayserl. Herren Commissarii von E.E. Rath auf dem gewöhnlichen Petri Mahl tractiret, und mit einer extraordinairen Serenata regaliret werden sollten. Da man denn, abseiten des Hochweisen Raths durch den berühmten Herrn Syndicum von Bostel mich um Verfertigung der Poesie begrüßen ließe, welche denn ebenmäßig einen allgemeine Beifall erwarb, ich aber dadurch je länger je mehr angetrieben ward [200] dem studio poetico mit größerer Application mich zu widmen. Und wie eben damals la strage degl'innocenti des Ritters Marini zufälliger Weise durch den jetzigen Herrn Assessorem Surland, dem dieses Buch in einer Auction als eine Zugabe zugekommen, mir in die Hände gerieth, als machte ich mit dessen Uebersetzung einen Anfang, arbeitete daran bei müßigen Stunden, mehrentheils aber auf einem nicht weit von der Stadt in der Elbe belegenen Landgut, der Roß genannt, 63 und brachte solches glücklich zu Stande. Die Dedication dieses Buchs 64 an Ihro Kayserl. May. enthält eine poetische Prophezeihung von der Geburt eines Erzherzogs, 65 welche unvermutheter Weise und zu aller Verwunderung erfüllet worden, unerachtet selbige mehr als sechs Monat vorher verfertiget gewesen, ehe die erfreuliche Nachricht von der Schwangerschaft der Kayserin bei uns eingelaufen. Wann ich aber gar bald gewahr ward, daß die Poesie, wofern sie keinen sonderlichen und zwar nützlichen Endzweck hätte, ein leeres Wortspiel sey, und keine große Hochachtung verdiente, als bemühete ich mich solche Objecta meiner Dichtkunst zu erwehlen, woraus die Menschen nebst einer erlaubten Belustigung zugleich erbauet werden mögten. Da ich denn erstlich das bekannte nachher in verschiedene Sprachen übersetzte Passions-Oratorium verfertigt, nachgehends aber durch die Schönheit der Natur gerühret, mich entschloß den Schöpfer derselben, in fröhlicher Betrachtung und möglicher Beschreibung zu besingen. Wozu ich mich um so viel mehr verpflichtet hielte, als ich eine so große und fast unverantwortliche Nachlässigkeit, Unempfindlichkeit, und den daraus folgenden Undank gegen den allmächtigen Schöpfer für höchst sträflich und dem Christenthum ganz unanständig hielte. Verfertigte demnach, zumahl zur Frühlingszeit verschiedene einzelne Stücke, und suchte darin die Schönheit der Natur nach Möglichkeit zu beschreiben, um so wol mich selbst als andere zu des [201] weisen Schöpfers Ruhm durch eigenes Vergnügen je mehr und mehr anzufrischen, woraus denn endlich der erste Theil meines »Irdischen Vergnügens« erwachsen. Und wie ich durch Gottes Gnade verspühret, daß selbiges Buch zumahl in der Frembde nicht ohne Nutzen gewesen, hat mich solches um desto mehr angespornet, auf diesem Weg weiter fortzugehen. Und nachdem der erste Theil in kurzer Zeit verschiedene Mahlen wieder aufgeleget werden müßen, ist auch der andere und nachher der dritte und vierte Theil Gott Lob! zum Stande kommen, und wünsche ich von Herzen, daß auch diese nicht ohne Erbauung gelesen werden, ein jeder Mensch dadurch seine Sinnen beßer gebrauchen, sich auf eine leichte Weise vergnügen, und, welches billig der Endzweck aller Menschen seyn sollte, Gott in seinen Werken verehren lernen möge. Wie ich nun aus der Wichtigkeit und Wahrheit der Sachen, als auch aus dem guten Anfange an einem ferneren Nutzen nicht zweifele, so bitte ich Gott, daß Er in mir so wohl den Willen als die Kräfte, Ihn auf diese Weise ferner zu rühmen bis an mein Ende aus Gnaden erhalten und vermehren wolle. Dieses wäre nun eine kurze Nachricht auf welche Weise ich zur Poesie gekommen, und warum ich sie so lange continuiret. Weshalben ich nunmehro den durch diesen kleinen Absprung unterbrochenen Faden meiner Erzehlung wieder zur Hand nehme.

Mein vornehmster Umgang war dazumal mit Hrn. Syndico Sillem, 66 Hrn. Dr. Stampeel, 67 Hrn. Dr. Langermann, 68 Hrn. Lt. Schelhamer, 69 mit welchem ich alle Woche einmal collegialiter zusammen kam, am meisten aber mit Hrn. Lt.Rath, Hrn. Lt. Fegesack, Hrn. Dr. Surland, 70 in dessen Hause ich sehr fleißigen Umgang gehabt, und von ihm und den Seinigen viele Höflichkeit genoßen; Hrn. Lt. Bilderbeck. 71 Außer diesen [202] mit Hrn. Dr. Hartoghe, 72 Harbart, Stubbe, 73 Lt. Ehrhardt, Clamer etc.

Ao. 1705 wie die Königin von Preußen mit großer Pracht sollte beerdiget werden, 74 entschloß ich mich in Gesellschaft verschiedener meiner guten Freunde, absonderlich mit Mons. Hartogh, Harbart, Jenisch 75 diese kleine Reise anzutreten, wozu mich der Baron Kniestedt absonderlich vermogte. Ich habe selbige Reise auch Gott Lob! ohne Verdrießlichkeit zurückgeleget, und bin darauf gesund und wolbehalten wieder zu Hause kommen. Nach langer Ueberlegung was mir künftig am zuträglichsten seyn würde, blieb ich bei meiner ersten Resolution, meine Lebensart noch eine Zeitlang fortzusetzen, zu dessen Behuf ich mir einige Vicarien anschaffte, worüber ich aber einige Verdrießlichkeiten mir zuzog, da E.E. Rath mich aus dem Vinculo nicht entlaßen wollte. Welches zuletzt so weit gediehe, daß der Schwedische Envoyé Hr. von Lilienstädt, 76 sich der Sache nachdrücklich annahm, und dadurch soviel vermogte, daß die Sache in suspenso blieb.

Inzwischen war ich zugleich bedacht eine reiche Heyrath zu treffen, und weil mir aus Holland Nachricht einlief, daß ein sehr bemittelter Holländer, der mehr als eine Million im Vermögen haben sollte, und welcher bey meinem Aufenthalt in Holland ungemeine Neigung gegen mich spühren laßen, sich hätte verlauten laßen, daß wenn ich um seine Tochter angehalten, mir selbige [203] unversagt gewesen wäre 77, entschloß ich mich dieses vermeinte Glück nicht auszuschlagen, und trat desfals meine Reise nach Holland an, um wofern die Umstände sich noch wie vor für mich vortheilhaft anliessen, es daselbst zu tentiren. Gott muste aber solches nicht versehen haben, denn unerachtet ich von dem ganzen Hause mit besonderer Distinction tractiret ward, kam mir doch von einem vertrauten Freunde zu Ohren, daß die Jungfer an einen Holländer schon so gut als versprochen wäre. Worauf ich mich denn nicht lange säumete, sondern meine Rückreise gleich wieder antrat, und Gott sey gedankt! glücklich wieder in Hamburg anlangete.

Kurz hernach nahm ich noch eine kleine Excursion vor, und besuchte auf nachdrücklichere Einladung meines intimesten Freundes Hrn. von der Linde, denselben in Stettin, auf welcher Reise mir ebenfals, außer daß wir nicht weit Ratheburg des Nachts im Walde, doch Gott Lob! ohne Schaden, umgeworfen wurden, nichts Widriges zugestoßen. Gott sey davor gelobet und gepriesen. Einige Zeit nach meiner Zuhausekunst hätte ich leicht mit den Pferden, welche meine Mama und ich mit einem Freunde zur Hälfte hielten, ein Unglück haben können, indem dieselben einmahl mit mir beym Fischmarkt durchgingen, doch Gott Lob! bald und zwar in der Brandstwiete, welches bald darauf außerhalb Thors noch einmal geschahe, aufgehalten wurden, so daß ich beide Mal ganz außer Schaden geblieben, wovor ich Gott abermal zu loben große Ursache habe.

Ao. 1709 starb meine liebe Mutter, welcher ich für ihre sonderbare Liebe und Sorge für mich ein Grosses schuldig bin. Durch welchen Todesfall ich dann desto mehr mich genöthiget hielte meinen Heyrahts-Gedanken noch etwas mehr nachzuhengen. Inzwischen gab ich meine Haushaltung in so weit auf, daß ich auf dem Kaysershof speisete, und meinem Gesinde Kostgeld gab. Hierauf fing ich an mein Wohnhaus, so noch nach der alten Art eingerichtet war, zu verbeßern, wozu ich dann unter andern 250

, die ich aus unserer Stadt Lotterey gewonnen, verwendete. Nachdem der Bau zu Stande, und mir das Haus allein zu groß, [204] logirte sich Mr. Wichers in mein Hinterhaus. Nachdem derselbe sich verheyrahtete, qvartirte sich ein Franzos Mr. L'Aumont bey mir ein, und nachdem auch derselbe nicht lange darauf nach Petersburg reisete, bezog Mr. Groot einige Zimmer bey mir.

Wärend der Zeit, nachdem ich das bekannte Passions Oratorium verfertiget, 78 ließ ich solches in meinem Hause sehr solenniter aufführen, welches als etwas Ungewöhnliches mir nicht allein die ganze fremde Noblesse, alle Ministros und Residenten nebst ihren Damen, sondern auch den größten Theil der vornehmsten Hamburger zuzoge, dergestalt daß über 500 Menschen zugegen gewesen, welches mir denn, zumal alles Gott Lob! In der besten Ordre, ohne alle Confusion und zum Vergnügen aller Zuhörer abgegangen, kein geringes Vergnügen erweckte.

Bald hierauf ward mir von verschiedenen guten Freunden angerathen die damahls vacant gewordene Syndicat-Stelle 79 zu ambiren. Der seel. Hr. Bürgermeister von Bostel gab sich desfalls große Mühe, und würde ich vermuthlich dieselbe erhalten haben, wenn nicht durch einen gewissen Umstand solches verhindert worden, wofür ich aber Gott fast täglich gedanket, weil ich je länger je mehr erfahre, welch eine beschwerliche und verantwortliche Last dieses Amt mit sich führet.

Um diese Zeit ungefähr hatte ich meine Absicht auf eine sehr bemittelte Jungfer gerichtet, welches Vorhaben aber, unerachtet bei derselben ein guter Anfang gemacht worden, dennoch verschiedener Umstände halber seinen Fortgang nicht gewann. Woraus ich Gottes weise Direction um so viel mehr verspühret, und ihm zu danken große Ursache zu haben mehr als zu wol erkenne, als ich wofern solche Ehe zu Stande kommen, ich aufs Wenigste diejenige, die Gott mir nachher zugefüget und mit deren Gottesfurcht und übrigen ausnehmenden Leibes- und [205] Gemüths-Gaben ich so große Ursache habe zufrieden zu seyn, nicht erhalten hätte. Eben auf dieselbe Weise ging es mir mit einer andern Parthey, welche, unerachtet ich mit dem künftigen Schwieger-Vater so gut als völlig einig war, gewisser besonderer Umstände halber mit beyderseits gutem Willen wieder rückwärts ginge.

Es verflossen hierauf einige Jahre, ohne merkliche Veränderung, in welchen ich unter andern mit der oberwehnten Uebersetzung des Marini mich beschäftigte und selbige, geliebt es Gott, glücklich zum Stande brachte. 80 Die Bekanntschaft, in welche ich damahls bey Gelegenheit der Poesie mit dem jetzigen Geheimen Secretaire Hrn. König 81 geriethe, legte nachher den Grund zu meiner Verheyrathung, indem seine damahlige Freundin und jetzigen Eheliebste in dem Hause meiner jetzigen Frauen sehr bekannt war. Und weil selbige sowol an Leibes- als Gemüths- und Glücks-Gaben, zumahl nach dem kurz vorher eräugten Todesfall ihres seel. Vaters eine der considerabelsten Partheyen war, resolvirte ich im Namen Gottes darum anzuhalten, worinn ich denn Gott Lob! reussirte. Und bin ich mit gedachter meiner Braut Anna Ilsabe Lehmann Ao. 1714 d. Febr. von Hrn. Pastore Heinson copuliret worden. Dem großen Gott, von dem allein alles Gute kommt, sey innbrünstig gepriesen, daß Er mir in derselben ein wolgestaltetes, fruchtbares, vernünftiges, tugendhaftiges und Ihn mit allen Kräften fürchtendes Ehegemahl beygeleget, und meinen damahligen Hochzeit-Tag zu einer Quelle gemacht, aus welcher mir nunmehr in die vierzehn Jahre viel tausendfaches Vergnügen zugeflossen, welches Er aus Gnaden, [206] wofern es uns beiderseits nützlich, nach Seinem heiligen Willen von einer langen Folge und Dauer seyn lassen wolle!

In meinem Bräutigamsstand erinnere ich mich hiebey noch einer großen Leibes- und Lebens-Gefahr, woraus mich Gott auf eine fast wunderbare Weise gerettet. Denn wie ich kurz nach unserer Verlobung, um selbige einem meiner Verwandten kund zu machen, auf einem Sonnabend Morgen von dessen Hause fuhr, wendete mein Kutscher so kurz, daß das eine Rad auf einen Eckstein geriethe, wodurch der Wagen nicht allein umschlug, sondern die Pferde durch dessen Fall scheu gemacht, durchgingen und mich sammt dem umgeworfenen Wagen in gräulicher Geschwindigkeit mit sich fortschleppten, so daß ich sowohl durch die Gewalt als das im Wagen stehende lose Bänckgen, welches mir um die Knie gefallen, behindert ward oben aus dem Wagen zu springen. In dieser augenscheinlichen Gefahr, worin fast alle menschliche Hülfe ..... sprang mein großer Hund, der beym Wagen herlief, dem einen Pferde aus Maul und hemmete dadurch ihren gewaltigen Lauf, so daß mein Diener dadurch Zeit gewann, ihnen nachzukommen und sie völlig anzuhalten. Das Wenigste meiner Schuldigkeit ist ja wol, so oft ich an diese wunderbare Rettung gedenke, dem großen, unendlichen Wesen, als ohne dessen Willen kein Sperling auf die Erde fällt, dafür inbrünstig zu danken, und mit inniglich gerührter Seelen seine große Güte, Weisheit und Allmacht zu loben und zu preisen, und Seiner väterlichen Vorsorge sowol mich, als die Meinen ferner in tiefster Demuth zu empfehlen. Desselben Abends empfand ich zwar sehr heftige Schmerzen an beiden Beinen, als an welchen von der heftigen Bewegung des Sprunges, wodurch sogar beide Schnallen geborsten und die Schuhe zerrißen waren, die Nerven etwas mußten gelitten haben. Allein es verging die Pein in derselben Nacht, so daß ich des andern Tages schon wieder im Stande war, meine Braut zu besuchen. Von den guten Eigenschaften meiner Frauen alhier viel zu schreiben, scheinet mir der Wolstand zu verbieten, jedoch kann ich nicht umhin mit Wenigem zu erwähnen, daß sie nicht allein nebst andern Qualitäten, die solcher Vollkommenheit in der Musik, sowol auf der Laute als auf dem Clavier und im Singen [207] gelanget, daß wenig Meister sich funden, welche nicht durch sie beschämt wurden und sie bewundern mußten. Woraus sie selbst aber sich so wenig etwas machte, daß sie vielmehr ungern spielte und sich statt dessen mit allen Kräften auf die Haushaltung und Erziehung ihrer Kinder legte. In der französische Sprache ist sie so stark, daß sie nicht allein im Reden für eine geborne Französin passiren könnte, sondern sie besitzet sogar im Schreiben eine so natürliche, neue und scharfsinnige Art sich auszudrücken, daß niemand selbige ohne Verwunderung lesen wird. Von ihren ungeheuchelten Gottesfurcht als der Quelle alles Guten, will ich lieber ihre Werke und diejenigen die sie kennen, als meine Feder reden lassen.

Es hat Gott, der liebreiche Vater, diese unsere Ehe mit einer ungemeinen Fruchtbarkeit gesegnet, indem meine Frau in den ersten 81/2 Jahr neun, und außer drei, so nicht Vollkommenheit gediehen, bis Dato in allem neun lebendige Kinder gehabt. Wovon, nachdem das Aelteste und Jüngste wieder verstorben, so lange es Gott gefällt noch neun, als sechs Söhne und drey Töchter am Leben. Und gehet sie noch jetzo mit dem eilften schwanger, welches Gott wie alle andern aus Gnaden an Leib und Seele wohl bilden, und zu Seinen Ehren und unserer Freude zur rechten Zeit zur Welt helfen, auch zu ihrer Erziehung Seinen Seegen geben wolle! 82

Ao. 1714 den 24. November ist meine Frau zum ersten Mahl von einer Tochter Catharina Margaretha entbunden, welche Ao. 1715 den 8. Martii wieder verstorben 83.

[208] Ao. 1715 den 15. October ist mein Sohn Barthold Heinrich gebohren.

Ao. 1716 ward von mir ein starkes Gedicht auf die Geburt des von mir vorher prophezeyeten Erzherzogs, und nicht lange darauf auf inständiges Anhalten des Baron von Kurtzrock, Kayserl. Residenten, 84 eine auf eben dessen Geburtsfest 85, wie auch die Kayserliche erfochtene Victorie bei Temeswar gerichtete Serenata 86, die in dessen Hause in Gegenwart des Bischofs von Eutin, damahligen Administrator zu Holstein, musicalisch aufgeführet ward, verfertiget: welche beide denn nach Wien in einem prächtigen Bande gesandt worden.

In diesem Jahr ist mein anderer Sohn Johann Bernhard und zwar den 12. September gebohren.

Ao. 1717 den 31. August ward meine TochterAnna Ilsabe gebohren.

Ao. 1718 den 21. September ist meine Frau von meinem Sohn Erich Nicolaus entbunden. Anno 1718 den 18. Juni ward ich abermahl aus einer offenbaren Leibes-Gefahr, da abermahl meine Carosse bei finsterer Nacht mit mir umgeworfen ward, Gott sey gelobet! errettet, daß ich ganz keinen Schaden bekam.

Ao. 1719 kam meine Tochter Maria Anna den 7. November an die Welt.

87 Ao. 1719 hat Gott mich nebst meiner Frauen und zwei Kindern augenscheinlich bewahret. Denn da wir des Abends in [209] der Dämmerung auf einer über dem Teich im Garten gebaueten kleinen Gallerie speiseten, empfunden wir eine Bewegung, hörten auch etwas ins Wasser fallen: wir sprungen schnell auf voller Schrecken, kunten aber, weil es schon ziemlich finster wor den, die Ursache nicht sehen. Nachdem ich nun des andern Morgens frühe im Garten ging um nach der Ursache des gestrigen Gepolters zu sehen, war zu meinem größten Glück der Gärtner bereits vorher dagewesen und hatte vor die Gallerie ein Brett genagelt, da sonst, wann dieses nicht geschehen, und ich nur auf die Gallerie getreten wäre, ohne Zweifel den Augenblick mit in den Teich hinunter fallen müßen, weil alles Holzwerk so sehr verfaulet, daß es ein großes Wunder, wie solches noch so lange halten können und hätte ein solcher Fall ohne Zweifel dem Hineinfallenden wegen der Tiefe des Teiches das Leben kosten müssen. Gott sey für diese mir und den Meinigen erzeigte Gnade nochmahl inbrünstig gelobet, gepriesen und gedanket!

Ao. 1720 entschloß ich mich, weil mein Wohnhaus in der Gröningstraße, was das Vorderhaus betraf, sehr baufällig, selbiges zu bauen: einestheils, um meinen Kindern kein alt baufälliges Erbe zu lassen, anderntheils aber, weil ich, um mit größerer Menage und in ruhiger, jedoch bequemlicher Einsamkeit zu leben, mich resolvirete auf unserm, mit meiner Frauen Schwester im Neuen Werk in communione habenden Garten, mich nebst derselben zu wohnen zu begeben. Zu dessen Behuf wir entschlossen ein bequemes Haus darauf zu bauen, wozu ich denn das feste eichene Holz aus meinem abgebrochenen Hause in der Stadt zugleich zu employiren und auch darin einigen Vortheil zu finden gedachte. Bevor ich aber beides resolvirte, hatte ich mit Mons. Hiss 88 einen Contract errichtet, daß er das neue zu erbauende Haus in der Gröningstraße für 1200

jährlich in Miethe nehmen und mir noch überdem ein Paar Zimmer [210] überlassen wollte um, wann ich in der Stadt zu verrichten hätte, darauf zu logiren. Daß ich also draussen, nachdem alle Baukosten wol überschlagen worden, nicht auf 150

würde gewohnet haben. Nachdem nun alle beiden Häuser abgebrochen und man eben im Begriff war selbige wieder zu richten, gefiel es Gott anders, und ward ich eben zu der Zeit, nemlich am 13. August ganz unverhofft zu Rath erwehlet. Welches ich um so viel mehr als eine göttliche Schickung anzusehen habe, weil ich vermuthlich, wofern das Loos eben bei derselben Wahl nicht auf mich gefallen, indem ich sodann, da ich nicht mehr in der Stadt gewohnt hätte, nicht so leicht würde zu erwehlen gewesen seyn. Noch habe ich eben bei der Wahl als einen sonderbaren Umstand anzumerken, daß sie eben in der Stunde geschehen, als ich die Musik auf das zum Lobe des Schöpfers von mir verfertigte Frühlings-Gedicht, welche eben den Morgen in des seel. Dr. Stuhrs 89 Hause aufgeführet ward, mit Andacht und sonderbarem Vergnügen anhörete, wodurch ich denn bei der zu übernehmenden Amtslast mich sehr getröstet und befestiget fühlte, so daß ich dieselbe dazumal mit ziemlich gesetztem Muthe zu übernehmen durch Gottes Gnade mich im Stande befand. Gott wolle mir ferner, wie bisher, seine Gnade reichlich widerfahren lassen, damit dasselbe Amt zuförderst zu Seines heiligen Namens Ehre, dann auch zu unserer ganzen Stadt, auch mein und der Meinigen Wohlseyn lange und wohl möge verwaltet werden! Die Umstände meiner intendirten Menage veränderten sich zwar ratione meiner Wohnung und meiner Gebäude. Weil es aber ohne mein Zuthun geschehen, als nehme als eine göttliche Schickung, daß ich nicht allein in der Stadt, sondern auch auf dem Garten ansehnlich und beqwem wohnen sollen, und wie mir zu Ersetzung der Baukosten durch die Revenuen meines Amtes ein Ziemliches zu Gute kommen, als hoffe ich von Seiner Güte, daß er mit seinem Segen ferner dergestalt ob mir walten werde, daß nicht allein ich, sondern auch die Meinigen, wofern es Sein gnädiger Wille und uns nützlich, sie besitzen und zu Seinen Göttlichen Ehren [211] brauchen mögen. Hätte Gott aber ein Anders entweder mit mir oder mit ihnen verhänget, so getröste ich mich, daß ich weder aus Hochmuth noch andern eitlen Absichten dieses Dessin formiret. Wie ich denn nicht allein zu Anfang ein kleiner Haus bezogen, sondern wie Mr. Hiß mir das Meinige aufgekündiget, mir alle mögliche Mühe gegeben, solches anderwerts zu vermiethen, welches aber wegen der Menge der neugebaueten Häuser dazumal nicht möglich, und ich also genöthiget worden es selbst zu beziehen.

Bald nach meiner Wahl zu Rath belegte mich Gott mit einer schweren Krankheit, wovon ich in meinem Irdischen Vergnügen ein Mehres erwähnet und Gott für die mir auch darin erwiesene Hülfe in einem Gedicht auf das Fieber, Gottlob! mit mehrerem gedanket. Welches ich hiemit nochmal von Grunde meines Herzen wiederhole.

Ao. 1721 den 9. Mai habe ich die dem Hrn. Bürgermeister Sillem und mir aufgetragene Gesandtschaft 90 nach Wien um die verdrießliche Capellen-Sache zu berichtigen, in Gottes Namen angetreten, und hat Gott zu dieser beschwerlichen Reise nicht allein Seine Gnade, sondern auch zu Abthuung der ganzen Sache Seinen Segen gegeben, daß die Stadt auf sehr leidliche conditiones die Kaiserliche verlorne Gnade wieder erhalten. Wozu denn eine zu Wien von mir verfertigte und dem Kayser 91 überreichte Poesie, welche in der Europäischen Fama Part ... befindlich, nicht wenig beygetragen. Gott sey davor gelobet und gepriesen! Es haben Ihro Kayserl. Majestät mich desfals ansehnlich zu beschenken beschlossen gehabt, wie mir selbiges sowol von dem Hrn. Reichs-Vicecantzler selbst, als unserm Agenten berichtet worden. Verschiedene Rang-Ursachen wegen der Deputations andern membris aber haben solches behindert.

[212] Im selben Jahr kam der erste Theil meines »Irdischen Vergnügens in Gott« aus der Presse, und weil solcher bald vergriffen, ist er bald darauf stark vermehret zum andern Mal aufgeleget worden.

In diesem Jahr ist meine Tochter Catharina Margaretha den 4. April geboren, mit welcher folglich meine Frau, wie ich nach Wien reisete, noch in sechs Wochen lag, welche ich denn Gottlob! nachdem sie mir bis Braunschweig nebst meinem ältesten Sohn entgegen gereiset, gesund mit allen Kindern, Gott sey davor gepriesen! wieder vorgefunden.

Ao. 1722 habe ich den mit meiner Schwiegerin, der Frau Doctorin Hoefften 92 bisher in communione gehabten Garten verschiedener meist sie concernirenden Ursachen halben, allein übernommen. Eodem Anno habe meine Herrn-Gasterey gegeben und unserm damahligen Gebrauch nach den ganzen Rath tractiret, so daß ein jeder ungemein vergnügt sich darüber bezeuget.

Ao. 1723 den 13. Mart. ist mein Sohn Joachim Wilhelm geboren und ward mein Buch vom Irdischen Vergnügen in diesem Jahr abermahl aufgeleget. Auch ist in diesem Jahr ein uns drohendes Unglück durch Gottes Gnade von mir und den Meinigen abgewendet, indem durch einen verfaulten Balken im Keller ein darauf errichteter schwerer Ofen sich unvermerkt so sehr gesenket, daß fast kein Töpfer sich unterstehen wollen ihn abzunehmen. Dieses gefährlichen Zustandes wäre niemand gewahr worden, wenn ich nicht von ungefähr um eine Bettstelle in die Stube zu stellen, die Maaße genommen und darüber, wie ich den Zwischenraum neben der Thür und dem Ofen aufmerksam zu betrachten gleichsam gezwungen worden, mit Schrecken die fast schon sinkende Last des schweren Ofens bemerkte, der sonst entweder mich oder jemand der Meinigen, weil wir selbigen fast alle Augenblick passireten, gar leicht hätte zerschmettern können. Gott sey für diesen gnädigen Schutz inbrünstig gelobet und gepriesen!

[213] Im Jahr 1724 hat eine unvermuthete Krankheit mich befallen, wovon mich aber Gott (Ihm sey dafür Lob und Preis!) bald wieder genesen lassen. Ferner bin ich in diesem Jahr verschiedene Mahl in Gesandtschaften gebraucht worden; nemlich zwey Mahl mit Herrn Syndicus Surland nach Glückstadt zum Könige von Dännemark, 93 auf welchen Reisen ich für alles Widrige, der schlechten Umstände unerachtet, Gott Lob! gnädig behütet ward. Ferner ward ich nebst gedachten Herrn Syndicus Surland in der verdrießlichen Schauenburgischen Hof-Sache 94 nach Berlin zum Könige in Preußen und nachher nach Hannover versandt. Da wir denn mit allein an beiden Orten eine glückliche Expedition gehabt, sondern sowol in Berlin vom Könige, als absonderlich von der Königin, 95 nachdem ihr meine Bücher durch Herrn de la Crozen 96 behändigt worden, ungemein gnädig aufgenommen. Welche letztere unter andern uns nicht allein ihr königliches Zimmer in hoher Person selbst zeigte, sondern auch uns des andern Tages ihr Lustschloß Mon bijou zu besehen nöthigte und uns daselbst durch einen expres desfals Abgeschickten des Morgens mit einem von Ihrem Herrn Vater, dem König in Engelland, ihr übersandten trefflichen Palmsect, Confituren etc. reguliren ließ. Wie sie uns denn noch nachhero zwei schöne christallene Gläser, worin ihr Portrait geschnitten, durch der Cronprinzessin Frau Oberst-Hofmeisterin übersenden lassen.

Von Berlin reiseten wir zu Ende des Decembers ab und beschlossen das 1724. Jahr in Helmstädt. Langten darauf in Hannover 1725 den 2. Januar an, woselbst wir gleicher Weise [214] von dem Prinzen Friederich 97 besonders gnädig angesehen, und von den meisten Grossen zum öfteren tractiret. Auf der Reise haben wir ebenfalls keine Zufälle gehabt, als daß wir uns des Nachts im Walde verirreten, aber durch einen sonderlichen Zufall und Ankunft eines Soldatens, dem der Weg bekannt, gar bald wieder zurecht gewiesen wurden. Imgleichen brach ein Rad, jedoch nicht ehe als wie wir bereits nahe an einem Dorfe waren. Daß wir also Gott für Seinen mächtigen Schutz und erzeigte Gnade auf dieser ganzen Expedition und Reise nicht genug danken und Seine Liebe erkennen können.

In diesem Jahr ist der von mir übersetzte Kindermord, mit vielen Gedichten vermehret, zum andern Mahl ediret worden. Imgleichen beschenkte mich der Herzog von Wolfenbüttel mit dero Portrait und als derselbe nachher nebst dessen Gemahlin 98 in Hamburg eintrafen und nomine Ampl. Senatus von Herrn Surland und mir specialiter bedienet wurden, hat die durchl. Herzogin auch mich für meine Frau mit Ihrem Portrait mit Diamanten versetzt regaliret. Ferner hat in diesem Jahre Gott mir noch einen Sohn bescheret, der den 12. November gebohren undJulius Hermann genannt worden. Welchen so wol als alle übrigen der gütige Schöpfer gesegnen und zu Seinen Ehren erwachsen lassen wolle! In diesem Jahr ward meine Frau sehr gefährlich krank, jedoch kam sie durch Gottes Gnade bald wieder zu voriger Gesundheit. Den Rest des Sommers habe ich in Ruhe mit Verfertigung verschiedener Gedichte zu einem neuen Theil des Irdischen Vergnügens, Gottlob! vergnüglich zugebracht. Einer von meinen Söhnen Joachim Wilhelm ward an einer Kopfwunde, die er durch einen Fall bekommen, Gottlob! bald geheilet und habe ich, wie die Contusion geöffnet ward, einen seine Jahre fast übersteigenden beherzten Muth an ihm verspühret und mich herzlich darüber gefreuet. Gott erhalte und vermehre die Kräfte seines Geistes in ihm zu Seiner heiligen Ehre! Ferner [215] bin ich in diesem Jahr durch die abermahlige Dedication des trefflichenTrillerischen Werkes, noch mehr aber dadurch erfreuet worden, daß, durch die Folge eines so berühmten Mannes meine Lehrart nicht allein gebilliget, sondern der Nutzen in Ausbreitung der Göttlichen Allmacht in seinen Werken bey dem menschlichen Geschlecht allem Ansehen nach, sich je mehr und mehr vermehren wird. 99 Beym Schluß dieses Jahrs ward meine Frau abermahl von einem nicht zeitigen Kinde, mit grosser Schwächung ihrer Kräfte und nicht ohne Lebensgefahr entbunden. Jedoch hat Gott ihr das Leben gefristet und sie bald wieder zu Kräften kommen lassen. Ihm allein sey Lob, Preis und Dank dafür!

Ao. 1727 den 11. May ist mein Sohn Garlieb Joachim geboren, welchen Gott zum Werkzeug der Ausbreitung seiner Ehren nebst meinen übrigen Kindern gnädig machen wolle!

Noch bin ich unter anderm in diesem Jahr nebst meiner Frau, Kindern und Hausgenossen bei einem Zufall, da nemlich die halbe Decke einstürzte, Gott sei Lob! gnädig behütet worden. Ferner ist in diesem Jahr durch Gottes Gnade der andere Theil des Irdischen Vergnügens in Gott ans Licht getreten und habe ich so wol wegen des ersten Theils als dieses andern von sehr vielen Orten und meist von Unbekannten unglaublich viele Nachrichten von der Begierde, mit welcher es, Gott sey Lob dafür! überall aufgenommen worden, erhalten. Und habe ich eine grosse Anzahl theils gebundene theils ungebundene Zeugnisse, wie man es überall zu Gottes Ehren anfange zu gebrauchen und die göttlichen Geschöpfe auf eine vernünftige Weise betrachte, gesammlet. Wodurch ich denn Gott zu danken und in der Lehrart fortzufahren aufgemuntert worden, welches Vornehmen der grosse Gott, so wie bisher, ferner kräftigst segnen wolle! In diesem 1727. Jahr hat mich ein nicht geringes Unglück betroffen, indem durch [216] einen ungefehren Fall auf dem Garten ich den Arm gebrochen. Welcher Schaden jedoch, unerachtet mein Diener, in Meynung der Arm wäre aus dem Gelenke, ihn mit Gewalt wieder hinein zu bringen sich bemühte; unerachtet der Bruch dem Gelenke an der Achsel so nahe und nur zwei Finger breit davon, so daß allen Umständen nach der Arm zugleich hätte aus dem Gelenk kommen müssen, welches so wol meine Schmerzen unglaublich würden vermehret, sondern mich fast ausser Stand gesetzt haben den Arm bey den Umständen jemals wieder im guten Stand zu bekommen, ich sage daß gedachter Schade unerachtet aller dieser Zufälle, jedoch durch die guten Anstalten des berühmten Carpzers 100 und daß Gott zu der Cur insbesondere Gnade gegeben, so daß damit durch den kurz vorher vielleicht nicht von ungefähr genommenen Brunnen mein Körper von vielen bösen Feuchtigkeiten befreyet worden, weder Fieber noch sonst den geringsten bösen Zufall bekommen, – in kurzer Zeit und zwar dergestalt wieder curiret worden, daß ich Gottlob nachher nicht die geringste Unbeqwemlichkeit oder Schmerzen davon empfunden. Gott sey davor herzinniglich gepriesen, gelobet und gedanket, auch inbrünstig angerufen, daß für dergleichen schwerem Unglück Er so wohl mich, als die Meinigen künftighin gnädigst und väterlich behüten wolle. Ausser diesem habe ich in diesem Jahr mit der Uebersetzung des schönen physikalischen Werks vom Abbé Genest, 101 absonderlich aber mit der Zubereitung zu dem im künftigen Jahr zu übernehmenden Praeturat mich beschäftiget und ohne sonderliche Zufälle auch dieses Jahr, Gottlob! vergnüget beschlossen.

[217] Im 1728. Jahr ist meine Tochter Maria Gerdrut gebohren, an welcher uns Gott in diesem Jahr über viel Vergnügen sehen lassen. Auch habe ich in diesem Jahr das wichtige und beschwerliche Stadt-Richter-Ampt in Gottes Nahmen angetreten, wobei mir denn der große Gott die Gnade gethan, daß ich nicht allein die zu Ende des im Anfang dieses Jahres verfertigten Neujahrs-Gedichtes mir vorgeschriebene Richter-Regeln, so viel menschliche Schwachheit zulassen wollen, in Obacht genommen, sondern ich bin auch für alle widrige und mit diesem Ampt fast verknüpfte Zufälle in diesem Jahre durch göttliche Güte behütet und gnädig beschirmet worden, so daß ich desselben nimmer zu vergessen, sondern Gott davor zu danken mich schuldig erachte. Wie ich mich denn insbesondere erinnere, daß in der bei diesem Ampt verknüpften Aufsicht bei Feuersbrünsten ich so wol in diesem als in den bereits verflossenen drei Jahren, sowol überhaupt als besonders in einer absonderlichen Gefahr, da eine ausgebrannte Mauer gar nahe bei mir eingestürzet, sonderlich von Gott beschirmet worden. Bei aller dieser Arbeit hat sich zugleich noch so viel Zeit gefunden, daß ich noch in diesem Jahre die Uebersetzung des Genest nebst verschiedenen eigenen Gedichten, als den dritten Theil des Irdischen Vergnügens an's Licht stellen können. Gott sey, wie für alles Gute, auch davor von Herzen gelobet und gepriesen, auch inbrünstig angerufen, daß er auch zu diesem Theile wie zu dem ersten, so als vorhin seine Gnade geben und seinen herrlichen Nahmen ferner durch meine Schriften verherrlichen wolle!

Anno 1729 hat Gott im anderen Jahr meines Praeturats mich abermahl für unzählige ein solches Ampt begleitende Gefahren, gnädig bewahret, imgleichen bey Feuersbrünsten gnädig beschützet. Ferner habe ich in diesem Jahr immer mehr Nachrichten von den guten Wirkungen meiner geistlichen Schriften von unterschiedenen Orten als Königsberg, Riga, Nieder-Oesterreich, Strasburg, ja gar aus Petersburg 102, unter andern, daß an [218] verschiedenen Orten sie auf der Canzel allegirt würden, von Unbekannten erhalten. Wovor ich denjenigen, der Segen zu meiner Arbeit gegeben, von Herzen preise, und daß er sie ferner gnädig gesegnen und mir Lust und Vermögen reichlich dazu verleihen wolle, inbrünstig anflehe, weil ich je länger je mehr überführet werde, daß in der unterlassenen Erkenntniß Seiner Werke und der empfangenen und würklich besessenen Wolthaten nicht allein eine große Undankbarkeit und Sünde, sondern eine dieselbe begleitende Strafe, da man nemlich auch in dem größten Glück doch nicht glücklich seyn kann, bestehet. Sonst habe ich in diesem Jahr meine Wohnung verändert, und weil ich mein neu erbautes Haus nicht vermiethen können, solches selbst bezogen. Gott wolle auch in dieser meiner Wohnung über mich und die Meinigen ferner gnädig walten und mein Thun und Vornehmen darin gesegnet seyn lassen! 103

Der zweite und dritte Theil des Irdischen Vergnügens in Gott sind in diesem Jahr auf das Neue aufgeleget, welches denn, Gott Lob! von dem Nutzen des selben Werkes ein abermahliges Zeichen ist.

In diesem Jahr hat meine Frau in ihrer Schwangerschaft einen sonderlichen Zufall gehabt, indem sie von Zwillingen, die aber nicht zur Vollkommenheit gelanget, auf eine nicht leicht erhörte Art entbunden worden, da nemlich sie auf einen Mittwochen Mittag von einer unzeitigen kleinen Frucht, einem Knäbchen, ungefähr sechs Zoll groß, am Freytag Abend darauf aber und also in den dritten Tag von einem weit grössern und dem Ansehn nach fünfmonathlichen, vollkommen schön gebildeten Knaben über [219] alles Vermuthen entbunden worden, welches denn denen Herren Medicis in pto. superfoetationis zu vielen quaestionibus Anlaß gegeben. Ob meine Frau nun gleich ungemein dadurch geschwächet worden und sich in großer Gefahr ihres Lebens befand, ist sie doch durch Göttliche Gnade erhalten, und ihre Gesundheit bald wieder hergestellet worden. Wovor Seinen heiligen Nahmen wir allerseits zu preisen große Ursache haben.

Ao. 1730 habe ich, nach völlig zurückgelegtem Stadtrichter-Ampt, wovor ich dem Höchsten, daß er mich für alle böse Zufälle so gnädig bewahret, nimmer genug preisen kann, die Landprätur in Gottes Nahmen übernommen, und solches nicht allein glücklich verwaltet, sondern einen trefflichen Prediger, nemlich Herrn Scriba, im Ochsenwärder einzusetzen Gelegenheit gehabt. 104

Den 20. Mart. ward mir von Ihro DurchlauchtGünther, Fürsten zu Schwarzburg, ganz unverhofft ein gnädiges eigenhändiges Handschreiben, nebst einem diplomate palatinatus unvermuthet zugesandt, vigore dessen ich zum Kayserlichen Pfalzgrafen declariret und mit besondern Privilegien begnadigt worden 105. Diese Gnade, wie das Schreiben selbst enthielte, war eine Erkenntlichkeit für das Vergnügen, welches er aus meinem Irdischen Vergnügen empfunden zu haben, gnädigst bezeugte. Wofür ich denn Gott inbrünstig danke, indem ich solches als eine abermahlige Probe von dem Segen, welchen Gott zu meiner Arbeit gnädig gegeben, aufzunehmen mich schuldig erachte.

Noch sind in diesem Jahr so wol in prosa als ligata viele Bezeugungen von dem Nutzen, welchen meine Bücher gestiftet, von vielen vornehmen Personen bey mir eingelaufen. Unter andern habe von Ihro Durchlaucht dem Prinzen Ludwig von Hessen Homburg 106 ein in vortrefflichen Versen abgefassetes Schreiben über meine Bücher erhalten, welches im vierten Theil des Irdischen Vergnügens mit gedruckt ist. Imgleichen haben mich über diese Materie mit vortrefflichen Gedichten, wovon die meisten [220] gedruckt sind, in diesem Jahr beehrt Ihro Ehrw. HerrKrusicke, 107 Herr Hagedorn aus Engeland, 108 Herr Professor Richter. 109 Imgleichen haben in ihren Schriften auch sonst den Nutzen meiner Lehrart auf eine ausnehmende Weise gerühmet: Herr Mag. Wagener Pfarrherr in seinem himmlischen Vergnügen auf Erden 110 an verschiedenen Stellen; Herr Schreiber in Proben der Niedersächsischen Sammlung, 111 item in der Vorrede der fränkischen Poesien; 112 verschiedene Prediger auf den Canzeln; Herr Brockes aus Lübeck in seinerDisputatione de jure perhorrescentiae; Herr DoctorHauber; 113 Herr Carl Hinrich Rappolt in dissertatione de conjectur. philosophic. ferner imRéceuil de Philosophie et d'Histoire pag. 14, so von Herrn [221] Pastor Wulf 114 erhalten; item von demselben: Nachricht von Mademoiselle Thomasius in Nürnberg; ausser verschiedenen mündlichen Bezeugungen verschiedener Personen aller Stände und Nationen. Ausser diesen erinnere ich mich mit höchstem Recht, daß da ich mein funfzigstes Jahr nunmehr und in demselben ein halbes Seculum durch Gottes Gnade erlebet, ich dem Allmächtigen so wol davor, als für alle in so langer Zeit mir und den Meinigen so ungezehlte Wohlthaten gnädig wiederfahren lassen. Ich danke Ihm demnach mit der empfindlichsten Inbrunst meiner Seelen, lobe und preise Seine Güte, flehe Seine Barmherzigkeit mit innigster Bewegung an, daß er mir alle meine in einer so langen Zeit begangene Sünden, Fehler und Schwachheiten um unsers Erlösers willen gnädig vergeben, das wenige Gute, so durch Seine Gnade von mir verrichtet worden, sich väterlich gefallen lassen, und, so wol zu Vielem künftig mir ferner Seine Gnade mildiglich verleihen, als auch vor allen bösen und Ihm mißfälligen Neigungen gnädiglich behüten, auch mich und die Meinigen ferner mit vielem Segen gnädig ansehen wolle!

Zu Ende dieses Jahrs ist meine jüngste TochterMaria Gerdrut verstorben, ausser welchem Trauerfall ich dieses Jahr, bey meiner Landprätur vor allem Widrigen gnädig bewahret, vergnügt Gottlob! zurückgeleget.

Ao. 1731 habe ich die Landprätur ferner mit gutem Succes verwaltet. Jedoch hat mir die bekannte Jagdsache in Billwerder einige Verdrießlichkeit erwecket, da nemlich durch einen von mir zum Besten des Landes und Erhaltung der dem Rath zustehenden Hoheit abgegebenen Befehl einige im Lande mit interessirte Bürger sich einfallen liessen, als ob ihnen dadurch zu nahe getreten wäre, welchem noch beytrat, daß ein gewisser Nahmens C. unbefugter Weise sich unterstand, dem Stadtschützen die Flinte mit Gewalt zu nehmen, wodurch E.E. Rath veranlasset ward, mir desselben Gärtner, welcher mit impliciret gewesen, arretiren zu lassen, zu committiren. Dieses ward als eine Art von Eingriff in die bürgerliche Freiheit angesehen. Und weil eben die Collegia [222] versammlet waren, erregte solches eine ziemliche Bewegung, welche sich aber, Gottlob! bald wieder legte und die ganze Sache dahin auslief, daß die Interessenten vom Lande die Sache an das Kaiserliche Gericht zu Wetzlar anhängig machten, woselbst sie aber, weil E.E. Rath die Sache als die seine übernommen, in guter Ruhe bleiben wird. 115 Ferner habe ich in diesem Jahre durch Krankheit meiner Kinder, welche fast alle auf einmahl die Blattern bekamen, viele Betrübniß gehabt, um so mehr als zwei von ihnen, nemlich meine TochterCatharina Margaretha und mein Sohn Johann Bernhard, beide Kinder von sehr guter Hoffnung, dadurch weggerissen worden. Wieviel ich dadurch, absonderlich an dem letzten, verlohren, lieget durch ein ganzes Buch von den besten Dichtern auf ihn verfertigter Gedichte zu Tage. Indessen sey Gott gelobet, daß er ihm auf der Welt bereits so früh mehrere Ehren als gewöhnlich erleben und nach Ihm alhier erzeigten vielem Guten aus Gnade den Himmel ihm zu Theil werden lassen! Denen anderen Kindern hat Gott, mit Beybehaltung ihrer guten Gestalt, die Gesundheit, und zwar dem ältesten fast durch ein Wunder, gnädig wieder geschenket, indem er von dem Medico sowol als uns allen zu fünf verschiedenen Mahlen bereits völlig aufgegeben gewesen. Er hätte auch nach aller Vermuthung nicht gerettet werden können, wenn nicht der berühmte Doctor Biester 116 ein sonst hier zu Lande in der Krankheit ganz ungewöhnliches Aderlassen verordnet und ihn dadurch nicht Gott salviret hätte. Gott sey davor sowol als für alles andere inbrünstig gelobet und gepriesen, nebst demüthiger Bitte, daß Er dieselbe nebst dem in diesem Jahre mir aufs neu geschenkten Töchterlein Maria Helena, wodurch der Verlust der beiden einiger Massen ersetzet worden, fernerhin für alles Widrige gnädig behüten und sie ins gesammt zu Werkzeugen der Ausbreitung Seines heiligen Nahmens Ehre gnädiglich wolle gedeihen lassen! Sonst ist in diesem Jahre mir von Bürgermeister und Rath der Stadt Riga aus eigenem Trieb, in ihrer Stadt [223] die Cantorat-Stelle, ein auf die 1000 R.

jährlich einträgliches Ampt, zu besetzen aufgetragen worden. Welches mir denn, als ein Zeichen eines meiner Schriften halben in mich gesetzten Vertrauens, nicht anders als höchst angenehm seyn können. Ferner habe ich in diesem Jahre den vierten Theil meines Irdischen Vergnügens in Gott aus Licht zu stellen die Freude gehabt, und zwar unter der Aufsicht des berühmten Herrn Professoris Richey. Von welchem Theil ich mir denn nächst Gott nicht weniger Gutes als von den andern zu versprechen um so mehr gegründete Ursache habe, als nicht allein ausser des schönen. Kupfers und Drucks der gelehrte Herr Doctor und Superintendent Pritius, 117 HerrZell 118 und Herr Lambrecht 119 solches mit ausbündiger Anpreisung gezieret, sondern das Schreiben Ihro Durchlaucht Ludwigs von Hessen-Homburg demselben zu einem sonderbahren Schmuck gereichet. Der berühmte und nie genug zu preisende Herr Probst Reinbeck hat gleichfalls in diesem Jahre in seinen vortrefflichen Büchern meine Schriften auf eine ausnehmende Weise zu rühmen die Geneigtheit gehabt. Welches gleichfalls von verschiedenen andern Geistlichen geschehen. Gott sey davor inbrünstig gedanket, und daß er solche Arbeit fernerhin gesegnet seyn lassen wolle, in Demuth angerufen! Noch habe in diesem Jahr Nachricht erhalten, daß verschiedene meiner Poesien, insonderheit das Oratorium ins Schwedische übersetzet und letzteres auf Ordre der Königin in dem großen Rittersahl zu Stockholm, wo sonst niemals eine Musik gehalten, aufgeführet worden. Wie ich denn sonst, meiner Schriften halber, auch in diesem Jahr, Gottlob! von hohen und niedrigen Geist- und Weltlichen, insonderheit von dem berühmten Herrn Pastore und Consistorial-Rath[224] Reinbeck in seinem vortrefflichen Werk viele Approbation gefunden.

Anno 1732. In diesem Jahr habe eine Predigerstelle in der Mohrburg als Landherr zu besetzen Gelegenheit gehabt, wozu ich denn ohn alles Ansehn der Person oder Absicht auf einiges Interesse aus denen Candidatis den besten, nemlich Herrn Wilde, 120 erwählet. Womit die ganze Gemeine besonders zufrieden sich bezeuget. Von Ihro Durchlaucht dem Fürsten Günther zu Schwarzburg erhielte ein Präsent von köstlichem Tokayer Wein und aus Engelland in einem Journal eine besondere Nachricht von der Achtung meiner Schriften 121. Dergleichen Bezeugung ich denn von sehr vielen andern Orten auch erhalten, worunter ich des Herrn Baumanns von Wertheim, item des Herrn Eccards, Prediger zuWaabs, 122 ferner den Herrn Heidenreichs aus Sibirien, Herrn Pastor Finck, Herrn Dr. Thomas, 123 Herrn Pastor Cramern zu Idstedt, 124 Herrn [225] Professor Kahlern zu Rinteln, 125 Herrn Professor Arnold aus Königsberg, 126 insbesondere zu erwähnen mich nicht enthalten kann. Welches jedoch nicht aus eitlem Hochmuth, sondern aus der Ursache geschieht, daß sie sowohl mir zur ferneren Aufmunterung als andern zum Zeugniß dienen, wie Gottlob die von mir erwehlte Schreibart nicht ohne Nutzen gewesen. Ihro Durchlaucht der Prinz Carl von Bevern 127 haben mir solches mündlich zu bezeugen die Gnade gehabt, welches im gleichen von dessen würdigen Hofmeister, dem Herrn von Haimburg, in solcher Ausdrückung geschehen, daß ich Gott davor zu danken große Ursache habe. Hochgemeldeter durchlauchtiger Prinz, nachdem dieselben vig. Commiss. ampl. Senatus von Herrn Syndico Surland und mir noie. der Stadt auf der Alster mit deren ungemeinen Vergnügen bewirthet worden, thaten mir nicht allein die Gnade mich auf meinem Garten, sondern auch in meinem Hause zu besuchen, und sich daselbst zum Protectore der patriotischen Gesellschaft, 128 imgleichen der Herr von Haimburg als ein [226] Mitglied zu declariren. Uebrigens habe ich, Gottlob! in diesem Jahr meine Landprätur ohne alle Verdrießlichkeit nicht allein verwaltet, sondern an dem großen Seegen, welchen uns Gott geschenket, bey der Gelegenheit, daß ich oft auf dem Lande gewesen, mich ungemein vergnüget, und nebst den Meinigen, welche durch Seine Gnade gesund und fröhlich gewesen, zu danken vielfache Gelegenheit gehabt.

Anmerkung

Brockes scheint seine Selbstbiographie nicht weiter geführt zu haben. Die Memoria des ProfessorSchaffshausen berichtet wenig mehr als was sich aus den Fastis Consularibus ersehen läßt. 1735 übernahm er auf sechs Jahre die Amtmannschaft zu Ritzebüttel, wovon der siebente Band seiner Gedichte handelt. 1736, 1739 und 1740 erschienen der fünfte, der sechste und der siebente Band seines Irdischen Vergnügens. Als Herausgeber des sechsten Bandes erscheint sein Sohn Erich Nicolaus. Im letztgedachten Jahre ward auch seine Uebersetzung von Popes Versuch vom Menschen gedruckt, 1741 seine »Harmonische Himmelslust im Irdischen oder auserlesene, theils neue, theils aus dem Irdischen Vergnügen genommene und nach den vier Jahreszeiten eingerichtete musicalische Gedichte und Cantaten.« Eine von ihm dort angelegte Holzung hat den Namen Brockeswalde bis heute bewahrt. Bezeichnend für ihn ist die Anordnung eines kirchlichen Dankfestes nach Beendigung der Erndte. Nach seiner im Jahre 1741 erfolgten Rückkehr nach Hamburg ward er einer der Colonelherren und Landherr des Hamburger Berges, 1742 Landherr von Hamm und Horn. Auch trat er, wie gewöhnlich die gewesenen Amtmänner zu Ritzebüttel, der Admiralität und Convoy-Deputation bei. Zugleich ward er 1741 dem Scholarchate zugefügt, in welchem Collegio er seit 1743 die erste Stelle bekleidete. 1745 ließ er seine aus dem Englischen (Thomson's) übersetzte Jahreszeiten an das Licht treten. 1746 erschien der achte Theil seines Irdischen Vergnügens, von seinem ältesten ihm gleichgenannten Sohn herausgegeben. 1747 am 13. Januar erkrankte er an einem heftigen Brustübel, [227] welchem der anscheinend rüstige Mann schon nach drei Tagen erlag, im 67sten Lebensjahre.

Es sind ihm auch in spätern Jahren noch viele Beweise der Achtung der Mitwelt, namentlich auch fürstlicher Huld zu Theil geworden. Schaffshausen in der Memoria gedenkt in dieser Beziehung noch des Herzoges Ludwig Rudolf von Braunschweig, des Landgrafen von Hessen-HomburgLudwig Johann Wilhelm Gruno, und der Fürstin von Anhalt-Schaumburg Hedwig Sophia. Im Jahre 1744 war ihm der Auftrag geworden mit dem Syndicus Klefeker dem Kurfürsten von Cöln Clemens August, Herzog von Baiern, bei seinem Besuche in dieser Stadt zu empfangen, bei welchem Anlasse eine von ihm in italienischer Sprache abgefaßte Serenade L'Alstria festante ihm viel Bewunderung und Dankbarkeit erwarb. Eine Uebersetzung des Irdischen Vergnügens in die Holländische Sprache hatte der gelehrte Kaufmann Overbeck zu Amsterdam begonnen. Ein Auszug seiner vornehmsten Gedichte in einem Octavbande war 1738 durch Dr. Wilckens und den berühmten Hagedorn besorgt. Ein neunter Band dieses Werkes, in welchem einzelne, grossentheils früher gedruckte Gedichte gesammlet sind, erschien nach seinem Tode. Die schönste Anerkennung, welche unserm Brockes je zu Theil wurde, ist wohl die des jungen Schweizers Salomon Gesner gewesen, 129 so wie der Einfluß, welchen seine Werke auf diesen ausgeübt haben.

Seine geliebte Gattin hatte er in dem zweiten Jahre seines Aufenthaltes zu Ritzebüttel verloren, 1743 Nov. 27 auch seine Tochter Anna Ilsabe, welche seit 1735 an einen sehr angesehenen KaufmannMartin Bernhard Printz verheirathet war. 130 Von zwölf Kindern überlebten ihn nur sieben:

1) der älteste Sohn Barthold Heinrich, kurfürstlich Cölnischer Regierungsrath und Archivar des Bisthums Osnabrück. [228] 1734, also vermuthlich als Gymnasiast, ließ derselbe eine Teutsche Uebersetzuug der Schrift des Xenophon vom Hauswesen drucken.

2) Erich Nicolaus, großfürstlich Holsteinischer Justizrath und Mitglied des Geheimen Rathes zu Kiel.

3) Maria Anna, 1745 verheirathet an den Licentiaten Jacob Nicolaus Martens. Durch die Verheirathung mit einer Enkelin desselben ist Herr Herman Manecke in dem Besitze drei werthvoller Porträts der Kinder des Senator Brockes. Hinter einem derselben stehen die Worte:

B.H. Brockes hat die originalia gemacht.

Denner die Porträts gemacht.

van Sckuppen die Figuren gemacht.

von Tham die Blumen gemacht.

Ferg die Landschaft gemacht.

Ein Portrait unseres Brockes durch Denner besitzt Herr Obergerichts-Advocat Carl Scheel zu Itzehoe, ein anderes Herr Manecke.

4) Joachim Wilhelm. Dieser ging als Matrose mit dem englischen Capitain Perkins nach Lissabon, ward sodann auf der Marineschule zu London theoretisch gebildet. Mit Kauffahrern ging er nach Newcastle, St. Petersburg und den Canarischen Inseln. Hierauf diente er zwei Jahre als Cadet in der Escadre des Admiral Norris unter dem CapitainHardy. 1743 ward er als Lieutenant von dem Armateur, Capitain Saunders angenommen, nach dessen in einem Gefechte mit einem französischen Armateur erfolgtem Tode, vom Capitain Campbell. Dieser griff acht von Martinique kommende Kauffahrer an, von welchen fünf zu Bristol aufgebracht wurden. Unser Lieutenant Brockes erhielt einen derselben zum Commando und ward als Expresser nach London abgefertigt. Man nahm ihn daher in seiner Vaterstadt gerne zum Capitain des Hamburgischen Convoy-Schiffes, Wapen von Hamburg, welches er 1746 gegen die Algierischen Piraten führte. Später ging er in die Dienste der Generalstaaten.

5) Julius Herman, Kaufmann.

6) Garlieb Joachim ging in K. Preussische Kriegsdienste.

7) Das jüngste Kind Maria Helena, 1748 an den Kaufmann Christian Timpe verheirathet.

Fußnoten

1 Geschichte der poetischen National-Literatur der Deutschen. Th. III S. 547–56.

2 Der Gottinger Dichterbund. S. 65 flgd.

3 Geschichte der Politik des 18. Jahrhunderts. Th. I.S. 296 flgd.

4 Der Stammbaum führt bis auf Johann Brockes, Bürgermeister zu Plön, zurück, dessen Sohn gleiches Namens im 72. Jahre als Bürgermeister zu Lübeck im J. 1585 starb. Näheres über dieses Geschlecht s. in den Nachrichten von Niedersächsischen berühmten Leuten und Familien 1769. Bd. II, S. 233.

5 Nicolaus Reimarus aus Pommern, zum Lehrer der 8. Classe des Johannei erwählt 1691, rückte auf zur 4. Classe 1710. † 1724.

6 Mag. Paul Georg Krüsicke, poeta Caesareus laureatus, 1679 Lehrer in Tertia im Johanneum, 1684 Subrector, 1699 Conrector.

7 Unter dem Rector Mag. Joh. Hübner, durch sein Conversations-Lexicon, die genealogischen Tabellen, das Poetische Handbuch und viele andere Werke wohl bekannt.

8 Er ward 1697 im Gymnasio aufgenommen. Damals war Dr. Mentzer, Prof. der Mathematik, Dr. Müller, Prof. der Physik und Dichtkunst, Edzardius, Prof. der Logik und Metaphysik, Dr. Joh. Alb. Fabricius, Prof. der Beredsamkeit und Moral.

9 Der bekannte Verfasser der Hamburgischen Kirchengeschichte, Prediger zu St. Johannis.

10 Der Schiffscapitain Martin Tamm war 1725 im Convoy-Collegio.

11 Joh. Joachim Rasch, Ph. Dr., Bibliothekar an der St. Jacobi Kirche, deren Bücherverzeichniß er herausgegeben hat, oder der Capitain Hinrich Joh. Rasch.

12 Bartold Feind, geb. 1678, vorzüglich durch seine Pasquille bekannt, starb als dänischer Gefangener auf der Festung Rendsburg im Jahre 1723.

13 Joh. Prigge ward erst 1707 zum Oberalten erwählt.

14 Caspar, des Bürgermeisters Peter von Lengercke Sohn, J. U. Dr., von dem zwei juristische Dissertationen, Halle 1705 und Gröningen 1706 vorhanden sind. Seit 1709 Domherr.

15 Erich Wördenhoff, J. U. Dr., Secretär und Bibliothekar des Domcapitels, seit 1708 Canonicus Minor. Seine Dissertation erschien 1706 zu Leyden.

16 Joh. Christ. Rath, J. U. Lict., studirte zu Orleans 1701, † 1716. Wir finden auch noch später unsere Landsleute auf jener für die Jurisprudenz wenig ausgezeichneten Universität, vermuthlich des französischen Sprachstudiums wegen. Die letzten Hamburger, welche dort promovirten, scheinen Joh. Nic. und Joh. Gottfr. Misler im Jahre 1781 gewesen zu sein.

17 Der nachherige Kurfürst Friedrich August II, als König von Polen August III, geboren 1696 Oct. 7, Sohn des Kurfürsten Friedrich August I, als König von Polen August II.

18 Eine Frau dieses Namens war unter den Maitressen des Königs August II.

19 Die Universität war vor wenigen Jahren, 1694, gestiftet.

20 Nicolaus Lucas Schafshausen promovirte 1702 zu Halle als Doctor b. R. 1708, erwählt zum Rathssecretarius, † 1747.

21 Heinrich Diedrich Wiese, J. U. Lic., promovirte 1701 zu Orleans, 1710 Secretarius E. Oberalten, starb 1728 als Bürgermeister.

22 Vermuthlich ein Sohn des im Jahre 1699 verstorbenen Schlesischen Dichters Hans Ußmann, Freiherrn von Abschatz.

23 Der Schwedische General-Lieutenant Heinrich Otto, Freiherr von Albedyl ward 1724 zum Commandanten zu Hamburg erwählt. † 1738.

24 Burchard Joh. Uffelmann, Hamburgischer Vicarius, promovirte 1710 zu Utrecht.

25 Die Namen Samuel Stryck und Christian Thomasius bedürfen hier keiner weiteren Erläuterung; doch möge an ihre Verdienste um das Aufblühen der Universität Halle erinnert werden.

26 Die Namen Samuel Stryck und Christian Thomasius bedürfen hier keiner weiteren Erläuterung; doch möge an ihre Verdienste um das Aufblühen der Universität Halle erinnert werden.

27 Joh. Peter Ludewig, der berühmte Publicist seiner Tage, war damals noch nicht lange von den Ryswiker Friedensverhandlungen nach Halle zurückgekehrt. Adel und hohe Würde erlangte er erst später.

28 Joh. Friedr. Ludovici ward erst im Jahre 1701 Professor zu Halle.

29 Die Vermählung der einzigen Tochter Friedrichs, Kurfürsten von Brandenburg, Louise Dorothea Sophia († 1705), mit Friedrich, Erbprinzen von Hessen-Cassel, (später durch seine zweite Vermählung mit der Prinzessin Ulrike Eleonore von Schweden, König dieses Landes) ward am 31. Mai 1700 mit großem Glanze gefeiert.

30 Johann Gottlieb von Druchtleben, General-Major und Commandant zu Hamburg, erwählt 1698, † 1717.

31 Joh. David Seip, J. U. Dr., Raths-Syndicus zu Wetzlar. Er ward in den Jahren 1704 flgd. bekannt durch die vielen Beschwerden, welche die Bürgerschaft dieser Stadt gegen ihren Stadtrath, besonders aber gegen Dr. Seip und Lic. Starkmann, dem kaiserl. Reichshofrathe übergab. Die desfallsigen Streitigkeiten wurden erst im J. 1712 durch kaiserliche Commissarien geschlichtet. Vgl. F. W. v. Ulmenstein Geschichte der Stadt Wetzlar, Th. II. S. 435–535.

32 Joh. Ferdinand Fritz † 1710 s. daselbst S. 467.

33 Jacob von Bielefeld s. daselbst S. 347

34 Der kammergerichtliche Kanzley-VerwalterWolfgang Ignaz Fries. Daselbst S. 357.

35 Graf Joh. Tobias Ignaz Nytze von Wartenberg, vom Kurfürsten Max. Emanuel von Baiern zum Beisitzer des Reichskammer-Gerichtes präsentirt, zog sich, nachdem er den lebhaftesten Antheil an den Streitigkeiten mit dem älteren Präsidenten Freiherrn von Ingelheim genommen hatte, im J. 1771 zurück. S. a.a.O. S. 330–520.

36 Es kann hier wohl nur die Schlacht bei Friedlingen gemeint seyn, in welcher der Markgraf Ludwig von Baden 1708 Oct. 12–14 von Villars geschlagen wurde.

37 Vermuthlich Jacob Sandrart, der viele Porträts in Kupfer gestochen hat, ein Neffe des berühmten im J. 1683 verstorbenen Malers und Kunsthistorikers Joachim Sandrart.

38 Aluiso Mocenigo, Doge 1701–1709.

39 Im Jahre 1703.

40 Der Stadtpostbote.

41 Die Kirche alla Pieta wurde wegen der von den Nonnen aufgeführten Musiken viel besucht. C'est le rendez-vous de toutes les coquettes de Venise, et ceux qui aiment les avantures trouvent à s'y satisfaire schrieb Baron Pöllnitz im Jahre 1730Mémoires. 2de. ed. T. II. p. 208.

42 Man sieht nicht, ob Graf Albergati, ein beliebter Componist zu Anfange des 18. Jahrhundertes, oder der französische General Albergotti gemeint ist, oder ein dritter.

43 Corelli, der berühmteste Violinspieler seiner Zeit. † 1713 zu Rom.

44 Vielleicht Edward Wortley Montague, welcher später im J. 1712 die durch ihre Reisebriefe wohlbekannte Dame heirathete. Oder Ralph, Carl von Montague, welcher bald nach dieser Zeit den herzoglichen Titel erhielt.

45 Erdmann, Graf von Promnitz, vermählt mit einer Herzogin von Sachsen-Weissenfels, Kurfürstl. Sächsischer Cabinetsminister unter König August II.

46 Carlo Maratti, der berühmte Maler und Kupferstecher, starb 1713, 88 Jahre alt zu Rom.

47 Wettrennen mit Pferden aus der Berberei.

48 Der Dänische General-Lieutenant Christopher von Schönfeld wohnte 1725 zu Hamburg.

49 Vermuthlich Henry, Marquis de Duquesne, der älteste im J. 1722 zu Genf verstorbene Sohn des berühmten französischen, calvinistischen Seehelden, im Kriegs- und Seewesen ausgezeichnet, auch Verfasser einer viel besprochenen Schrift über das Abendmahl.

50 Von Muralt, im Canton Zürich angesessen.

51 Jean Pierre de Crouzas aus Lausanne, seit 1700 Professor in seiner Vaterstadt, wo er, nach manchen Wanderungen auch im J. 1748 starb. Er ist durch viele Werke über Moral, Metaphysik, Physik und Mathematik bekannt, besonders als Gegner von Leibnitz und Wolf.

52 Vielleicht Joh. Adolph von Röpstorff, Schleswig-Holsteinischer Oberkammerherr und Amtmann zu Trittaw und Reinbeck, der im Jetzt lebenden Hamburg 1725 verzeichnet ist. S. oben bei Rom.

53 Erster Sohn des Herzogs von Bourgogne, Louis, und der älteste Urenkel des Königes Louis XIV., geboren 1704 Juni 25, starb schon am 13. April 1705. Erst der dritte Sohn des Herzoges von Bourgogne, nachheriger Dauphin, erreichte das männliche Alter, Louis XV.

54 1704 Juli 2, wo Marlborough den Kurfürsten von Baiern besiegte.

55 August 12, Sieg des Prinzen Eugen bei Hochstädt, während Marlborough bei Blenheim siegte.

56 So nennt man bekanntlich einen Haufen unbefugter Bewaffneter, welche auf Plünderung ausgehen.

57 Wilhelm Mieris, der Jüngere genannt, Sohn des berühmteren Franz Mieris, des Aelteren, († 1681) und Vater des weniger ausgezeichneten Franz Mieris.

58 Johann Jacob Vitriarius, Sohn des berühmten Publicisten Philipp Reinhard, dessen Werk in der Erläuterung von I.F. Pfeffinger einen reichen Schatz geschichtlicher Notizen über die alten Reichsverfassungen enthält. Der Sohn war zu Leyden seit 1708, † 1745.

59 Hieronymus Franz Becceler, Lic., promovirte zu Leyden 1705.

60 Jacob Hintzelmann, Lic., promovirte daselbst in demselben Jahre.

61 Ebenso Adrian Albert Anckelmann, J. U. Dr.

62 Lic. Conrad Vegesack hatte 1704 zu Leiden promovirt. Das Gedicht auf seine mit der Jungfer Vegesack am 3. Dec. 1708 stattgefundene Hochzeit ist in Weichmanns Poesien der Niedersachsen, Th. II. S. 107–114 abgedruckt.

63 Brockes besingt den Roß auch in einem späteren Gedichte, den Frühlingsgedanken. S. dessen Irdisches Vergnügen in Gott. (Ausgabe v. J. 1737) Th. I.S. 53.

64 Es ist zuerst im Jahre 1715 gedruckt.

65 Der älteste Sohn des Kaisers Carl VI, ErzherzogLeopold, geboren 1716 April 13, starb schon in demselben Jahre am 4. Nov.

66 Der nachherige Bürgermeister Garlieb Sillem, J. U. Lic.

67 Der erste und sehr verdiente Archivarius, 1710 erwählt, nachher Bürgermeister Nicolaus Stampeel, J.U.D., † 1749.

68 David Langermann, J.U.D., Rathsherr 1714, † 1737.

69 Jacob Sigismund Schelhammer, Rathsherr 1716, † 1719

70 Joh. Jul. Surland, Lt. Syndicus 1719 † 1748.

71 Joachim Günther Bilderbeck promovirte zu Cöln 1703, Hamburgischer Decanus Calendarum.

72 Joh. Baptista de Hertoghe, Hamburgischer Canonicus Minor, Schleswig-Holsteinischer Justizrath, hatte 1705 zu Utrecht promovirt.

73 Franz Stubbe, J.U.D., promovirte zu Harderwyk 1712, Hamburgischer Vicarius.

74 Das Leichenbegängniß der am 1. Febr. 1705 verstorbenen Königin Sophie Charlotte kostete 200000 Rthlr.

75 Paul Jenisch, Rathsherr 1727, starb als Amtmann zu Ritzebüttel, wohin er nach der Rückkehr von Brockes gegangen, im Jahre 1745.

76 Graf von Lilienstedt war Mitglied der zur Schlichtung der hiesigen Wirren im Mai 1708 eingetroffenen kaiserlichen Commision, an deren Spitze Graf Schönborn stand. Die Theilnahme von Schweden an diesen Angelegenheiten war durch dessen damaligen Besitz der Herzogthümer Bremen und Verden veranlaßt.

77 Vermuthlich Herr de la Cour s. oben S. 199.

78 Der für die Sünden der Welt gemarterte und sterbende Jesus aus den vier Evangelisten in gebundener Rede vorgestellt. Hamburg, 1712. Bald darauf erschien eine Ausgabe mit französischer UebersetzungOtto Julii, Freiherrn von Maltzahn. Wittenberg.

79 Am 3. Febr. 1713 war der Syndicus J.H. Simon Dr. verstorben, in dessen Stelle Dr.Matth. Diedrich Schaffshausen erwählt wurde.

80 Verdeutschter Bethlehemitischer Kindermord des Ritter Marino, nebst des Herrn Uebersetzers eigenen Werken, auch vorgedrucktem Leben des Marino und beigefügten Anmerkungen von Johann Ulrich König. Hamburg 1715. 8. Dieser Ausgabe sind andere gefolgt 1725 1727. 1734. Tübingen 1741.

81 Der oben gedachte, nachherige K. Polnische und Kurfürstl. Sächsische Hof- und Ceremonien-RathJoh. Ulrich König, selbst Dichter, auch als Herausgeber der Gedichte von Canitz und Besser bekannt. S. über ihn F. Horn die Poesie u. Beredsamkeit der Deutschen. Bd. II. S. 365.

82 Es ist auffallend, daß Brockes hier ganz schweigt von der durch ihn, König und Richey zu Ende des Jahres 1714 gestifteten Teutschliebenden Gesellschaft. Ihre Protokolle v. J. 1715–1717 befinden sich auf hiesiger Stadtbibliothek und dürfen wir eine Nachricht über dieselben nächstens durch Herrn Professor Petersen erwarten

83 Aus diesen Anlaß ließen Brockes, so wie N. Triewald, I.A. Fabricius, Mich. Richey und Joh. Ulr. König drucken: Schuldigstes Beileid über das frühzeitige Absterben des erstgebornen Töchterleins Herrn B. H. Brockes J.U.L., ihres werthesten Mitgliedes, abgestattet von den Gliedern der Teutsch liebenden Gesellschaft, und mit Beibehaltung der Reimschlüsse beantwortet von obbenanntem Mitgliede B. H. Brockes. Hamburg 1715. 4.

84 Maximilian Heinrich, Edler vonKurtzrock, Freiherr zu Wellingsbüttel, früher Kaiserlicher Postmeister, hernach Kaiserlicher Hofrath und Resident beim Niedersächsischen Kreise. † 1735.

85 Abgedruckt bei Weichmann a.a.O. Th. I.S. 3–16. Vergl. oben S. 201.

86 Dem Siege des Prinzen Eugens über den Großvezier bei Peterwardein 1716, August 5, folgte bald die Eroberung von Temeswar. Die Serenata führt den Titel: Das vereinigte und triumphirende Erz-Haus Oesterreich, und ist am Geburtsfeste des Kaisers 1716 October 1, aufgeführt. S. dieselbe bei Weichmann a.a.O. S. 17–30.

87 Von hieran ist der Abdruck nach Brockes eigenhändiger Handschrift gemacht. Aus einigen Marginalien ersieht man, daß Brockes das Folgende an verschiedenen Tagen der Jahre 1730–1735 Januar 16, niederschrieb.

88 Pierre Hiss, ein sehr reicher Kaufmann, dessen Portrait von Stein gezeichnet in einem Kupferstich im J. 1763 durch C. Fritsch, sich noch bisweilen vorfindet.

89 Joh. Heinrich Stuhr, hatte als J. U. Dr. 1716 zu Leyden promovirt, lebte noch 1725.

90 Am 10. September 1719 war die vom Kaiserl. Gesandten Grafen Metsch so eben erbauete katholische Kapelle bei der neuen Michaelis Kirche am Kraienkamp, von dem Pöbel zerstört; und dabei auch das Gesandtschaftshaus sehr beschädigt. Nach vielfältigen Verhandlungen ward dafür das vom Grafen Görz erbauete Haus am Neuenwall, das jetzige Stadthaus, dem Kaiserlichen Gesandten eingeräumt.

91 Karl VI.

92 Wittwe des Ge. Jac. Höfft, J.U.D., welcher 1711 und 1712 zwei Dissertationen zu Giessen schrieb.

93 König Friedrich VI.

94 Ueber die erst in dem Gottorper Tractat v. J. 1768 durch definitive Abtretung des Schauenburger Hofes abseiten Holsteins an Hamburg beendigten Streitigkeiten rücksichtlich der prätendirten Exemtion der Einwohner jenes Hofes von der städtischen Jurisdiction hat Stelzner Versuch Th. IV. ausführliche Nachrichten.

95 Die Königin Sophie Charlotte, Gemahlin des Königs Friedrich Wilhelm I und Mutter Friedrich des Großen.

96 Maturin Veyziere la Croze, K. Preussischer Rath, Bibliothekar und Antiquarius, s. Götten Jetzt lebende Gelehrten Europa's. S. 313–323.

97 Friederich, Prinz von Wales, Sohn König Georg II, starb im 45sten Jahre seines Alters 1751.

98 Herzog August Wilhelm und dessen dritte Gemahlin Elisabeth Sophia Maria, eine Princessin von Holstein-Norburg.

99 Des Dr. Daniel Wilhelm Triller († 1782 zu Wittenberg als Churfürstl. Sächsischer Hofrath. und Professor der Medizin) »Poetische Betrachtungen über verschiedene, aus der Natur und Sittenlehre hergenommene Materien,« 6 Theile. Hamburg 1725–175. 8. sind ein nicht minder wohlgemeintes Werk als das Irdische Vergnügen in Gott, aber auch nicht geistvoller.

100 Von dem berühmten Wundarzte Carpser, des Dichters Hagedorn vertrautestem Freunde s.Eschenburg in der Ausgabe von Hagedorns poetischen Werken Th. IV. S. 15 und 160 flgd., wo auch zwei Gedichte von Carpser abgedruckt sind. S. auch Hagedorn selbst Th. I.S. 87 u. 123.

101 Des im J. 1719 verstorbenen Abbé Charles Claude Genest Principes de Philosophie et preuves naturelles de l'existence de Dieu et de l'immortalité de l'ame. 1716. Der damals 81jährige Greis hat in diesem Werke die Philosophie des Descartes in Versen verarbeitet.

102 Schafshausen in der Memoria unseres Brockes giebt Auszüge einiger Briefe des berühmten Astronomen Theoph. Siegfried Bayer anI.C. Wolf v. J. 1728 und 1731, als Zeugnisse der großen Verehrung für den frommen und philosophischen Dichter.

103 In dieses Jahr fällt die Anwesenheit des BaronPölnitz in Hamburg, der in den Mémoires P. I. p. 64 Folgendes über Brockes sagt: Il y a ici nombre de gens de mérite. J'y ai fait la connoissance de Mr. Brocks, qui est dans la magistrature, et qui s'est rendu célèbre par des ouvrages de poësie, qui lui font honneur et qui doivent convaincre les étrangers qui entendent l'Allemand, qu'on peut dire d'aussi belles choses dans cette langue que dans toute autre. Mr. Brockes est d'un caractère aimable, honnète et complaisant: il se fait aimer et estimer de tous ceux qui le connoissent.

104 Phil. Ludolph Scriba, 1730 Sept. 15 zum Prediger erwählt, 1771 emeritus, † 1775.

105 Also nicht, wie die Memoria angiebt, im Jahre 1746.

106 Kais. Russischer General-Major, damals zu Riga.

107 M.I.C. Krüsike, Prediger an der St. Petri Kirche zu Hamburg. S. Bd. II des Irdischen Vergnügens.

108 Der damals nur durch Jugendgedichte bekannte nachherige Secretär der Englischen Court zu Hamburg, Friedrich von Hagedorn, hatte am 24. Februar 1730 von London, wo er Privatsecretär des dänischen Gesandten Freiherrn von Söhlenthal war, an Brockes »Poetische Gedanken« über den dritten Theil seiner Gedichte geschickt, welche in den vierten Band derselben aufgenommen sind. Diese Epistel fehlt in Eschenburg's Ausgabe von Hagedorn's Werken.

109 Daselbst findet sich auch ein ähnliches Gedicht des Dr. B.B. Richter, Hofrath und Leibmedicus des Bischofs zu Lübeck.

110 M. Joh. Matth. Wagner des Himmlichen Vergnügens auf Erden I. Theil, darinnen Gottholds erstes Hundert zufälliger Andachten in reine deutsche Verse gebracht und andere zu Gottes Ehre abzielende und erbauliche Materie, gottseligen Gemüthern und andern Liebhabern der aus dem reinen Quell des Wortes Gottes unbefleckt fließenden Poesie zum erbaulichen Vergnügen, der Jugend aber zur gottseligen Anleitung ausgeführet worden. Leipzig 1731. 8.

111 Georg Christoph Schreiber Probe der Nieder-Sächsichsen Poesie, bestehend in Glückwünschungs- Hochzeit- Leichen- und vermischten Gedichten; nebst einer Vorrede, worinnen von den nöthigen Eigenschafften einer vernünftigen und reinen poetischen Schreibart gehandelt, und zugleich der Hr. L. Brockes wider die Tadlerin vertheidigt wird. Jena 1730. 8.

112 Poesie der Franken. Erste Sammlung. Frankfurt und Leipzig 1730. 8.

113 Der General-Superintendent der Grafschaft Lippe in seiner Inaugural-Disputation: De Cogitationibus. Helmstad.

114 Vermuthlich Joh. Christoph Wolf, Professor der Orientalischen Sprachen hieselbst seit 1708; seit 1712 Pastor zu St. Catharinen.

115 Vergl. über diese Angelegenheit (Klefeker) Sammlung der Hamburgischen Gesetze und Verfassungen. Th. XI, S. 717.

116 Der damals 87jährige Physicus Joachim Biester, Dr.

117 Senior des Ministerii zu Frankfurt.

118 Albrecht Jacob Zell aus Hamburg, Verfasser der Nachfolge zum Irdischen Vergnügen in Gott. 1735. 8.

119 Von Jac. Friedr. Lambrecht finden sich auch Gedichte bei Weichmann a.a.O. 1707 zu Hamburg geboren, führte er seit 1736 die Redaction des Hamburger Correspondenten, starb als Geh. Secretär im Departement der auswärtigen Angelegenheiten und Mitglied der K. Academie der Wissenschaften bereits im Jahre 1744.

120 Joh. Albert Wilde zum Prediger in Morburg erwählt 1732 Jan. 4., wo er 26 Jahre wirkte.

121 Dieser Artikel aus einem englischen Werke, Present State etc. in welchem Brockes der Teutsche Addison genannt wird, findet sich übersetzt in den Niedersächsischen Nachrichten von gelehrten neuen Sachen. 1732. S. 247.

122 Gervinus (Histor. Schriften IV. S. 512) führtEccard unter der Hofpoeten jener Zeit auf.

123 John Thomas, Capellan der Englischen Societät zu Hamburg, bereits 1725. Doctor der Theologie und Mitglied der Patriotischen Gesellschaft zu Hamburg s. Götten Jetzt lebendes Europa 1735. S. 134. Er war also vermuthlich der unmittelbare Vorgänger des oben (Bd. I. S. 311) erwähnten Charles Lake. Wir finden bald hernach zwei angesehene Geistliche in England desselben Namens J. Thomas, welche beide die in England nicht sehr häufige Würde der S.S. Theol. Doctoris bekleideten, davon einer also wohl mit unserm Dr. Thomas identisch seyn könnte. Einer war Bischof zu Salisbury 1761–66. s. Monast. Anglic. VI. 1293; der andere Fellow of all Souls, Oxford, Canonicus zu St. Pauls; London; 1740 Dechant zu Peterborough, 1747 daselbst Bischof, 1757 zu Salisbury, 1761 zu Winchester, † 1781.

124 Soll heißen: »Jöstadt,« in welchem bei Annaberg belegenen Orte der Vater des bekannten Joh. Andreas Cramer (geb. 1723) Prediger war.

125 Wigand Kahler, geb. 1699, † 1747, war seit 1727 Professor der Logik, Metaphysik und Dichtkunst zu Rinteln, erhielt 1730 die Professur der Gottesgelahrtheit und Mathematik, 1732 wieder die aufgegebene Professur der Poesie. Vergl. F.W. von Strieder Grundlage zu einer Hessischen Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte. Bd. VI.

126 Daniel Heinrich Arnoldt, seit 1730 ausserordentlicher Professor der Philosophie zu Königsberg, starb daselbst als Oberhofprediger; Verfasser vieler theologischer Schriften, auch mancher Gedichte in Weichmanns Poesien der Niedersachsen Th. IV–VI.

127 Der später regierende Herzog Carl von Braunschweig.† 1780.

128 Der Stiftung dieser von den überlebenden Mitgliedern der teutschübenden Gesellschaft gestifteten patriotischen Gesellschaft, einer mit der 1765 gestifteten Gesellschaft zur Beförderung der nützlichen Künste und Gewerbe nicht zu verwechselnden Vereinigung zu moralischen und literarischen Zwecken, welche vorzüglich unserm Brockes verdankt wurde, ist in obiger Biographie gleichfalls nicht gedacht. Sie fällt in das Jahr 1716. Die Gesellschaft gab die dermalen sehr beliebte Zeitschrift: »der Patriot,« heraus. 1724–26 in 4. (2te Ausgabe 3 Bde. 1728, 29 in 8. 3te Ausgabe 3 Bde. 1737. 8.) Die Mitglieder dieser Gesellschaft kamen bis zum Jahre 1748 wöchentlich zusammen. Vergl. auch Langermann Hamburg. Münz- und Medaillen-Vergnügen S. 50 u. 337.Klefeker Sammlung Hamburgischer Verfassungen und Gesetze, Th. XII. S. 372 flgd.

129 S. dessen Brief vom 27. Jan 1746 in I.I. Hottingers Leben Gesners in der Ausgabe der sämmtlichen Schriften des letzteren. Th. I.S. 101.

130 Einige Gedichte auf ihren Tod s. in den Hamburg. Berichten von Gelehrten Sachen. 1743. No. 96 und 102.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Brockes, Barthold Heinrich. Autobiographisches. Selbstbiographie des Barthold Heinrich Brockes. Selbstbiographie des Barthold Heinrich Brockes. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-450B-3