Pierre de Bourdeille, Seigneur de Brantôme
Das Leben der galanten Damen
(Vies des Dames galantes)

1. Abhandlung. Über die Damen

[1] Erste Abhandlung.
Über die Damen, die der Liebe pflegen und ihre Gatten zum Hahnrei machen.

Da die Damen die Hahnreischaft begründet haben, und sie es sind, die die Männer zum Hahnrei machen, so habe ich diese Abhandlung in mein Buch von den Damen aufgenommen, zumal ich ebensoviel von den Männern wie von den Frauen sagen werde. Ich weiß wohl, daß ich ein großes Werk unternehme, und daß ich es niemals ganz zu Ende führen könnte; denn alles Papier der Rechnungskammer zu Paris würde nicht zureichen, um die Hälfte der Geschichten sowohl über Männer wie über Frauen aufzuschreiben. Trotzdem werde ich schreiben, was ich vermag, und wenn ich nicht mehr kann, werde ich meine Feder dem Teufel überlassen oder irgend einem guten Freunde, der das Werk weiterführt. Wobei ich um Entschuldigung bitten muß, daß ich in dieser Abhandlung weder Maß noch Ordnung beobachte, denn die Zahl solcher Männer und Frauen ist so groß, gemischt und verschiedenartig, daß ich keinen so guten Feldherrn kenne, der sie in Ordnung bringen könnte.

[1] Ich folge also meiner Laune und werde in diesem Aprilmonat davon sprechen, wie es mir beliebt. Die ser Monat ist nämlich die richtige Zeit für die Hahnreie, ich meine die flüggen Kuckuckshähne, denn von den andern kann man zu jeder Zeit des Jahres genügend sehen.

Von dieser Art Kuckucke gibt es nun also eine Menge verschiedener Arten; aber die schlimmsten von allen, und die von den Damen mit Recht gefürchteten, sind jene tollen, gefährlichen, eigensinnigen, schlechten, bösen, grausamen, blutigen und argwöhnischen Ehemänner, welche schlagen, quälen, töten, teils mit, teils ohne Ursache; denn der geringste Verdacht bringt sie in Wut, und sowohl die Frauen wie deren Liebhaber tun gut, ihren Umgang zu meiden. Dennoch habe ich Damen und deren Liebhaber gekannt, die sich sehr wenig aus ihnen machten; denn die letztern waren ebenso schlecht wie jene, und die Damen waren so beherzt, daß sie ihren verzagten Liebhabern wieder Mut einzuflößen verstanden. Es gehört ja auch um so mehr Beherztheit zur Durchführung eines Unternehmens, je gefährlicher und heikler es ist. Wieder andre derartige Damen habe ich gekannt, die weder Mut noch Ehrgeiz nach hohen Dingen besaßen, sondern sich nur mit ihren niedrigen Angelegenheiten beschäftigten. Daher das Sprichwort: Feigherzig wie eine Dirne.

Ich habe eine anständige Dame gekannt, und keine von den geringeren, die eine gute Gelegenheit hatte, ihren Freund zu genießen, von diesem aber darauf hingewiesen wurde, was daraus entstehen würde, wenn ihr Gatte, der in der Nähe war, sie überraschte. Da ließ sie ihren Anbeter einfach stehen, denn er war ihr nicht verwegen genug: wie denn eine verliebte Dame, wenn die Glut und die Laune sie erfaßt und ihr Freund wegen irgend eines Hindernisses sie nicht sofort befriedigen kann oder will, ungeduldig wird und ihn haßt.

[2] Diese Dame muß man ihrer Kühnheit wegen sehr loben, ebenso wie andre, die nichts fürchten, um ihrer Liebe zu folgen, obgleich sie dabei größere Gefahr laufen als ein Soldat oder Seemann in den schlimmsten Gefahren des Krieges oder des Meeres.

Eine spanische Dame, die einst von einem galanten Ritter in die Wohnung des Königs geführt wurde, verbarg sich in einer versteckten und dunklen Ecke. Der Kavalier sagte zu ihr mit der gewohnten spanischen Ehrfurcht und Diskretion: »Señora, buen lugar, si no fuera vuessa merced.« (»Hier ist ein guter Ort, wenn es eine andre wäre als Sie.«) Die Dame antwortete ihm nur: »Si, buen lugar, si no fuera vuessa merced.« (»Ja, in der Tat, wenn es ein andrer wäre als Sie.«) Damit beschuldigte sie ihn der Feigheit, weil er an einem so guten Ort nicht das von ihr genommen hatte, was er wollte und sie wünschte, und was ein Kühnerer getan haben würde. Deshalb liebte sie ihn nicht mehr und verließ ihn.

Ich habe von einer sehr schönen und achtbaren Dame gehört, die ihrem Freunde eine Liebesnacht gewährte, unter der Bedingung, daß er sie nicht berühre und nicht weiter vorginge. Dies erfüllte er auch und blieb die ganze Nacht in Aufregung, zwischen Versuchung und Zurückhaltung schwankend. Das wußte sie ihm so gut Dank, daß sie sich ihm bald darauf hingab und sagte, sie habe nur seine Liebe prüfen wollen, indem er erfüllte, was sie befahl. Und deshalb liebte sie ihn nachher um so mehr, so daß er nach jener Leistung, die eine der größten ist, fernere große Abenteuer unternehmen durfte.

Man mag dies nun Zurückhaltung oder Feigheit nennen, man mag ihn loben oder tadeln; ich überlasse das der Ansicht beider Parteien.

Ich habe eine große Dame gekannt, die ihrem Freunde gestattete, eine Nacht mit ihr zu verbringen. Dieser kam denn auch eilig herbei, um seine Pflicht zu tun; aber da es Winter war und er im Nachtgewande, so fror er unterwegs [3] dermaßen, daß er im Bett nichts ausrichten konnte, und nur darauf bedacht war, sich zu erwärmen; deshalb wollte die Dame nichts mehr von ihm wissen und haßte ihn.

Eine andre Dame hatte eine Liebschaft mit einem Edelmann, der ihr unter anderm sagte, daß er sie in der Nacht sechsmal bedienen würde, so sehr hatte ihn ihre Schönheit gereizt. »Ihr rühmt Euch sehr,« sagte sie, »ich will Euch eine solche Nacht geben.« Er verfehlte denn auch nicht zu erscheinen; aber zum Unglück wurde er im Bett so von Konvulsionen, Erkältung und Nervenzuckungen befallen, daß er sie nicht ein einziges Mal bedienen konnte. Da sagte die Dame zu ihm: »Wollt Ihr weiter nichts machen? Dann verlaßt mein Bett! Ich habe es Euch nicht als Gastbett geliehen, damit Ihr Euch hineinlegt und ausruht. Deshalb hinaus!« So gab sie ihm den Laufpaß, machte sich über ihn lustig und haßte ihn wie den Tod.

Dieser Edelmann wäre sehr glücklich gewesen, wenn er die Konstitution des großen Protonotars Baraud besessen hätte, des Almosenpflegers am Hofe Königs Franz. Wenn dieser mit den Hofdamen schlief, so brachte er es auf ein Dutzend Mal, und morgens sagte er noch: »Entschuldigen Sie, Madame, wenn ich es nicht besser gemacht, aber ich habe gestern Medizin eingenommen.« Später sah ich ihn; man nannte ihn den Kapitän Baraud, den Aufschneider; er hatte sein Amt niedergelegt. Er hat mir alles Wort für Wort erzählt.

In seinem Alter fehlte ihm diese männliche Kraft; er war arm, obgleich ihm die Sache manches eingebracht hatte; aber er hatte alles verschwendet und beschäftigte sich nun mit Destillieren von Essenzen. »Aber,« sagte er, »wenn ich, wie in meinen jungen Jahren, einen edleren Saft destillieren könnte, dann würde es mir besser gehen.«

Während des Krieges der Liga hatte ein achtbarer Edelmann, der sicher brav und tapfer war, seinen Platz, wo er Gouverneur war, verlassen, um in den Krieg zu ziehen. Als er zurückkehrte, verweilte er, da er nicht zur Zeit in [4] seine Garnison gelangen konnte, bei einer schonen und sehr anständigen großen Dame, einer Witwe, die ihm ein Nachtlager anbot. Er schlug es auch nicht ab, denn er war sehr müde. Nachdem sie ihm ein gutes Abendessen gegeben, wies sie ihm ihr Zimmer und ihr Bett an, denn all die andern Zimmer waren wegen des Krieges ausgeräumt und ihre Möbel, deren sie sehr schöne besaß, verschlossen worden. Sie zog sich dann in ihre Kammer zurück, wo ihr gewöhnliches Bett für den Tag stand.

Der Edelmann weigerte sich wiederholt, dieses Zimmer und dieses Bett anzunehmen, entschloß sich aber auf Bitten der Dame endlich doch dazu. Als er sich niedergelegt hatte und fest eingeschlafen war, kam die Dame und legte sich ganz einfach neben ihn, ohne daß er die ganze Nacht lang etwas merkte, denn er war gar zu müde und verschlafen. So schlief er bis in den hellen Morgen, wo die Dame aufstand und ihn mit den Worten weckte: »Sie haben nicht ohne Gesellschaft geschlafen, wie Sie sehen; denn ich wollte Ihnen nicht das ganze Bett lassen, sondern auch von der Hälfte Genuß haben, ebenso wie Sie. Adieu. Sie haben eine Gelegenheit verpaßt, die Ihnen nicht wieder geboten wird.«

Der Edelmann verwünschte sein Schicksal (es war in der Tat, um sich aufzuhängen) und bat sie, zu bleiben. Aber damit war es nichts; sie war sehr erzürnt auf ihn, da er sie nicht nach Wunsch zufrieden gestellt hatte, denn sie wäre nicht wegen eines Ganges gekommen (wie man auch zu sagen pflegt: ein Gang ist nur der Salat des Bettes), sie wäre nicht wegen der Einzahl, sondern wegen der Mehrzahl gekommen, welch letzterer die Damen stets den Vorzug geben. Freilich im Gegensatz zu einer sehr schönen und anständigen Dame, die ich gekannt habe und die einst ihrem Freunde anbot, bei ihr zu schlafen. Dieser führte im Nu drei gute Attacken aus; da er sich aber zu weiteren Unternehmungen anschickte, bat sie ihn, sich zurückzuziehen. Er aber, ebenso frisch wie zuvor, bietet ihr den Kampf von neuem an und verspricht, die ganze Nacht bis zum Morgen [5] auszuhalten, denn wegen so wenig sei seine Kraft nicht im geringsten vermindert. Darauf sagte sie: »Begnügt Euch damit, daß ich Eure Kraft kennen gelernt habe, die in der Tat gut und schön ist, und seinerzeit werde ich sie besser zu verwenden wissen als jetzt; denn wir beide könnten zum Unglück leicht entdeckt werden. Wenn mein Mann das erfährt, bin ich verloren. Lebt also wohl bis zu einer besseren und sicherern Gelegenheit; dann werde ich mit Euch eine größere Schlacht liefern als dieses kleine Scharmützel!«

Viele Damen würden nicht so viel Überlegung besessen, sondern vom Vergnügen berauscht, den Feind in ihrem Lager bis zum hellen Tage bekämpft haben.

Diese ehrenwerte Dame pflegte, wenn sie gerade von der Laune ergriffen war, niemals vor ihrem Gatten Furcht zu haben, obgleich er einen guten Degen führte und sehr wachsam war; trotzdem hatte sie das Glück, weder sich noch ihren Liebhaber jemals in Gefahr zu bringen: Sie wurden nie überrascht, weil die Frau stets gute Wachtposten ausgestellt hatte. Freilich dürfen sich die Damen nicht immer auf diese verlassen, denn es braucht nur einmal eine unglückliche Stunde zu kommen, wie es vor kurzem einem tapfern Edelmann passierte, der auf dem Wege zu seiner Geliebten, wozu er von der Frau auf Anstiften ihres Gatten verlockt worden, infolge eines Verrats getötet wurde. Wenn er sich weniger auf seine Tapferkeit eingebildet hätte, als er tat, so würde er sich besser in Acht genommen und nicht den Tod erlitten haben, was sehr schade um ihn ist. Dies ist sicher ein Beweis, daß man den verliebten Frauen nicht zu sehr vertrauen soll, die, um der grausamen Hand ihres Gatten zu entgehen, auf dessen Veranlassung [6] solche Streiche spielen, wie diesen hier: sie rettete ihr Leben, und der Freund mußte sterben.

Es gibt auch andre Ehemänner, die den Liebhaber und die Gattin zusammen töten; wie ich von einer vornehmen Dame gehört habe, deren Gemahl eifersüchtig war und ohne sichere Beweise der Untreue, nur aus Eifersucht und schwachem Verdacht seine Frau an Gift sterben ließ, nachdem er vorher den Liebhaber getötet, der ein Edelmann war. Er sagte, es sei viel schöner und lustiger, erst den Stier zu töten und dann die Kuh.

Dieser Prinz war viel grausamer in Hinsicht auf seine Frau, als späterhin gegenüber einer seiner Töchter, die er mit einem Prinzen vermählt hatte. Dieser war ein großer Herr, aber nicht so groß wie er selbst, der fast ein Monarch war.

Jener törichten Frau passierte es, von einem andern als ihrem Gemahl, der auf einem Kriegszug abwesend war, guter Hoffnung zu werden. Als sie ein schönes Kind geboren hatte, wußte sie nicht, welchem Heiligen sie sich vertrauen sollte, wenn nicht ihrem Vater, dem sie alles durch einen Edelmann mitteilte, auf den sie baute und den sie zu ihm schickte. Sobald dieser die Sache vernommen, sandte er zu ihrem Gatten Botschaft, daß er sich bei seinem Leben hüten solle, etwas Böses gegen seine Tochter zu unternehmen, andernfalls er gegen des Prinzen Tochter übel verfahren und ihn zum ärmsten Prinzen der Christenheit machen würde, was in seiner Macht stand. Er sandte seiner Tochter eine Galeere mit einer Bedeckung und ließ das Kind und die Amme holen. Er richtete für das Kind ein schönes Haus ein und ließ es sehr gut pflegen und erziehen. Als aber nach einiger Zeit der Vater starb, ließ der Gatte das Kind infolgedessen sterben.

Ich habe von einem andern gehört, der den Liebhaber seiner Frau vor ihren Augen eines langsamen Todes sterben ließ, damit sie das Martyrium erleide, denjenigen langsam sterben zu sehen, den sie so sehr geliebt und in ihren Armen gehalten hatte.

[7] Ein andrer Mann der großen Welt tötete seine Frau vor versammeltem Hofe, nachdem er ihr während eines Zeitraumes von fünfzehn Jahren alle möglichen Freiheiten gewährt hatte. Er war so genau unterrichtet von ihrem Leben, daß er ihr darüber Vorhaltungen machte und sie ermahnte. Plötzlich kam ihm der Einfall (man sagt, auf Zureden eines großen Herrn), eines Morgens, als seine Gattin aufstehen wollte, sich zu ihr zu legen. Als sie sich wieder erhoben, versetzte er ihr vier bis fünf Dolchstiche, dann ließ er ihr von einem ihrer Liebhaber den Garaus machen, sie in eine Sänfte setzen und vor aller Welt in dessen Haus tragen, um sie beerdigen zu lassen. Darauf kehrte er zurück, stellte sich dem Hofe vor und triumphierte, als hätte er die schönste Sache von der Welt besorgt. Er würde mit den Anbetern ebenso verfahren haben, aber das wäre zuviel Arbeit gewesen, denn die Gattin hatte eine kleine Armee von Liebhabern besessen.

Von einem tapfern Feldherrn habe ich übrigens gehört, daß er, im Verdacht der Untreue seiner Frau, diese einst am rechten Ort erwischte und, da er keine weitere Begleitung bei sich hatte, sie eigenhändig mit einer weißen Schärpe erdrosselte. Darauf ließ er sie ehrenvoll beerdigen, wobei er in Trauerkleidern, die er noch lange trug, zugegen war. Ebenso verfuhr er mit einer Dienerin seiner Frau, die ihr bei ihren Liebesabenteuern hilfreiche Hand geleistet hatte. Er blieb von seiner Gemahlin nicht ohne Nachkommen, denn er hatte einen Sohn, der einer der Ersten und Tapfersten seines Vaterlandes wurde, und durch seine Verdienste im Solde seines Königs und seiner Vorgesetzten zu hohen Ehrenstellen emporstieg.

Ich habe auch von einem Granden in Italien sagen hören, daß er ebenfalls seine Frau tötete, den Galan aber nicht erwischen konnte, da dieser sich nach Frankreich geflüchtet [8] hatte. Man sagt jedoch, er habe sie weniger wegen ihres Vergehens getötet, denn er wußte seit geraumer Zeit, daß sie untreu war, ohne sich das zu Herzen zu nehmen; sondern er tötete sie, weil er eine andre Dame heiraten wollte, in die er verliebt war.

Deshalb ist es sehr gefährlich, einen von Waffen beschützten Schoß zu belagern und anzugreifen, ob gleich es auch Angriffe bei den Waffenlosen gibt, von denen ich eine kenne, die so gut bewaffnet war wie nur möglich. Ein tapferer Edelmann wollte sie besitzen, womit er sich aber nicht begnügte, sondern er rühmte sich auch öffentlich damit Da dauerte es aber nicht lange, und er wurde ohne großes Aufsehen von Aufpassern getötet. Die Dame aber litt sehr darunter, denn sie lebte lange in Furcht und Unruhe, da sie schwanger war und glaubte, daß sie nach ihrer Niederkunft, die sie am liebsten ein Jahrhundert hinausgeschoben hätte, ebensoviel auszustehen haben würde. Aber der Gatte, gut und mitleidig, obgleich er eine schneidige Klinge führte, verzieh ihr. Auch von den übrigen Liebhabern, die sie gehabt hatte, machte er nicht viel Aufhebens: denn der Eine bezahlte für sie alle. Die Dame gab denn auch, voller Erkenntlichkeit für die Güte ihres Gatten, diesem fortan nur wenig Grund zu Verdacht und wurde von da ab tugendhaft und gesetzt.

Etwas andres ereignete sich in diesen Jahren im Königreich Neapel mit der Donna Maria von Avalos, einer der schönsten Prinzessinnen des Landes, die mit dem Prinzen von Venusa verheiratet war. Diese hatte sich in den Grafen Andriano verliebt, einen der schönsten Männer dieses Landes. Beide genossen der Liebe, als sie von dem Gatten überrascht wurden (auf welche Weise, würde zu lang zu erzählen sein), und beide wurden in dem Bett durch bestellte Leute umgebracht. Am nächsten Morgen fand man die beiden schönen Geschöpfe tot auf dem Pflaster vor der Haustür, dem Anblick aller Vorübergehenden ausgesetzt die das traurige Geschick der beiden Unglücklichen beweinten und beklagten.

[9] Die Verwandten der ermordeten Dame wollten schmerz- und zornerfüllt ihren Tod rächen, so wie das Gesetz des Landes es zuläßt; aber da die Dame durch gewöhnliche Diener und Sklaven umgebracht worden war, Leute, die nicht verdienten, ihre Hände mit einem so schönen und edlen Blut zu benetzen, so wollten sie sich an dem Gatten rächen, ob gesetzmäßig oder auf andre Weise, als wenn er den Schlag mit eigener Hand geführt hätte; denn ein andrer Ausweg war nicht geblieben.

Das ist eine törichte und sonderbare Auffassung, die ich dem Urteil unserer großen Rechtsgelehrten überlasse. Sie mögen entscheiden: Welche Handlung wiegt schwerer: Seine Frau, die man geliebt hat, mit eigner Hand oder vermittels der Hand eines elenden Dieners zu töten? Darüber läßt sich viel sagen; ich unterlasse es aber, in der Befürchtung, daß meine Gründe gegenüber schwerer wiegenden zu schwach sein werden.

Ich habe erzählen hören, daß der Vizekönig, dem die Verschwörung zu Ohren kam, die Liebenden aufmerksam machte und warnte; aber das Geschick sollte sie dennoch ereilen.

Diese Dame war die Tochter des Don Carlo d'Avalos, zweiten Bruders des Grafen von Pescara. Wenn man bei einer seiner Liebschaften, von denen ich weiß, ebenso verfahren hätte, so würde er längst den Tod erlitten haben.

Ich kannte einen Ehemann, der, von auswärts kommend, lange nicht mit seiner Frau zusammen gewesen war und sich nun auf ein Lager mit ihr freute. Aber als es Nacht geworden war, hörte er durch den kleinen Spion, daß sie die Gesellschaft ihres Freundes genoß. Sofort griff er zum Degen, pochte an die Tür, die geöffnet wurde, und war entschlossen, sie zu töten. Zuerst aber suchte er den Galan, der aus dem Fenster gesprungen war, dann wendete er sich an sie. Aber zufällig hatte sie sich diesmal so hübsch angezogen, war so reizend in ihrem Nachtgewande und dem weißen Hemd, und so schön geschmückt (man bedenke, [10] daß sie ihrem Freunde gefallen wollte), daß er sie seinen Wünschen entsprechend gar nicht besser antreffen konnte. Sie warf sich ihm zu Füßen und bat ihn um Verzeihung mit so schönen und süßen Worten (was sie in der Tat vortrefflich verstand), daß sein Herz schmolz und er den Degen fallen ließ. Da er so lange Zeit nichts von ihr gehabt hatte und verschmachtet war (was seine Natur rege machen mußte), verzieh er ihr, nahm sie in seine Arme, brachte sie ins Bett, entkleidete sich schnell, schloß die Tür und legte sich zu ihr. Die Frau stellte ihn denn auch durch ihre Reize so zufrieden, daß sie am nächsten Morgen bessere Freunde waren als zuvor, und sich niemals so lieb gehabt hatten. Wie es auch Menelaus, der arme Hahnrei, machte, der zehn oder zwölf Jahre lang seine Gattin Helena bedrohte, er würde sie töten, wenn er sie in Händen hätte; er rief es ihr sogar unten von der Mauer nach oben zu. Als aber Troja gefallen war und sie in seine Hände geriet, war er so entzückt von ihrer Schönheit, daß er ihr alles verzieh und sie mehr liebte als zuvor.

Solche wütenden Gatten sind noch gut, die sich aus einem Löwen in einen Schmetterling verwandeln; aber es ist unangenehm, so etwas zu erleben, wie das Folgende:

Eine große Dame, jung und schön, zur Zeit Königs Franz I. lebend, war mit einem Grandseigneur von Frankreich vermählt; sie war aus einem so großen Hause, wie es deren nur wenige gibt Diese nun wußte sich anders und besser aus der Schlinge zu ziehen als die vorhergehende. Sei es, daß sie ihrem Gatten Anlaß zu Verdacht gegeben oder daß er von Eifersucht und plötzlicher Wut ergriffen war, genug, er kam zu ihr mit dem bloßen Degen in der Hand, um sie zu töten. Sie, an jedem menschlichen Beistand verzweifelnd, kam plötzlich auf den Gedanken, sich der Jungfrau Maria zu weihen, ihr Gelübde in der Kapelle zu Loreto zu erfüllen, und, wenn sie sie rettete, nach Saint-Jean des Mauverets in Anjou zu gehen. Und sobald sie dieses Gelübde bei sich abgelegt hatte, fiel ihr Gatte [11] zur Erde und der Degen entsank seiner Hand; dann stand er auf und, wie aus einem Traum erwachend, fragte er seine Frau, welchem Heiligen sie sich anvertraut habe, um der Gefahr zu entgehen. Sie sagte, der Jungfrau Maria in der genannten Kapelle, und sie habe versprochen, den heiligen Ort zu besuchen. Da entgegnete er: »Gut, gehen Sie hin und erfüllen Sie Ihr Gelübde!« Sie tat es und hing dort ein Gemälde auf, das ihre Geschichte darstellte, sowie verschiedene schöne und große Votivtafeln, die noch lange danach dort zu sehen waren. Das war ein schönes Gelübde und eine hübsche [unerwartete Ausflucht. Man sehe die »Chronik von Anjou«.

Ich habe gehört, daß König Franz einstmals mit einer Dame seines Hofes, die er liebte, eine Nacht verbringen wollte. Er traf ihren Gatten, mit dem Degen in der Hand, bereit, sie zu töten; aber der König hielt ihm den seinigen auf die Brust und befahl ihm, bei seinem Leben, ihr nichts zu leide zu tun, und wenn er ihr auch nur das Geringste antun würde, so würde er ihn töten oder ihm den Kopf abschlagen lassen. Für diese Nacht wies er den Gatten hinaus und nahm dessen Stelle ein.

Diese Dame konnte sich glücklich schätzen, einen so guten Beschützer gefunden zu haben; denn der Gatte wagte ihr kein Wort zu sagen und ließ sie tun nach ihrem Belieben.

Ich habe gehört, daß nicht nur diese Dame, sondern viele andre den gleichen Schutz der Könige genossen. Manche Leute pflegen in Kriegszeiten, um ihre Landgüter zu retten, über das Tor das Wappen der Könige zu setzen. Ebenso brachten auch viele Frauen die Wappen der Könige neben oder über ihrem Heiligtum der Liebe an, so daß ihre Gatten kein Wort dazu sagen durften, wenn sie nicht über die Klinge springen wollten.

Andre Damen habe ich gekannt, die, von den Königen und Großen begünstigt, ihren Freibrief überall trugen: jedoch gab es auch welche, die sich vergingen und von [12] ihren Gatten, die nicht zum Dolch greifen durften, durch Gifte oder andre heimliche Todesarten aus der Welt geschafft wurden, so daß man glaubte, sie seien infolge von Krankheiten gestorben. Solche Gatten sind abscheulich, die an ihrer Seite ihre schönen Frauen liegen haben und sehen, wie sie von Tag zu Tag dahinsiechen. Diese verdienten den Tod eher als ihre Frauen. Andre lassen sie auch zwischen zwei Mauern sterben, in beständiger Gefangenschaft, wovon in Frankreich einige ältere Chroniken sprechen. Ich habe einen großen Herrn von Frankreich gekannt, der seine Frau auf diese Weise sterben ließ, und es war eine schöne und anständige Dame. Er ließ dies Urteil auf Befehl des Hofes ausführen, der sich darüber amüsierte, daß der Mann sich auf diese Weise selbst zum Hahnrei erklärte.

Solche rasenden Gatten finden sich oft unter den Greisen, die ihrer Kraft mißtrauen und sich die Wärme ihrer Gattin sichern wollen, selbst wenn sie so dumm gewesen sind, sie jung und schön zu heiraten. Sie sind so eifersüchtig, sowohl wegen ihres Naturells wie wegen ihrer alten Praktiken, die sie selbst früher getrieben oder von andern gesehen haben, daß sie diese armen Wesen schändlich behandeln. Der Spanier sagt; »El diablo sabe mucho, porque es viejo.« (»Der Teufel weiß viel, weil er alt ist«) So wissen auch diese Greise wegen ihres Alters und ihrer früheren Routine, eine Menge Dinge. Sie sind sehr zu tadeln, denn wenn sie die Frauen nicht befriedigen können, weshalb heiraten sie sie denn? Und auch die schönen und jungen Frauen tun sehr unrecht, sich von diesen Greisen heiraten zu lassen, aus materiellen Absichten, um nach deren Tod, den sie stündlich erwarten, den alleinigen Genuß der Güter zu haben. Inzwischen vergnügen sie sich mit jungen Freunden, was mancher von ihnen schlimm zu stehen kommt.

Ich habe von einer solchen gehört, der ihr Gatte, ein Greis, als er sie auf der Tat ergriffen, ein Gift eingab, woran sie länger als ein Jahr krankte und ihr Körper eintrocknete [13] wie Holz. Der Gatte besuchte sie oft und sah mit Genugtuung ihr Hinsiechen an. Er lachte darüber und sagte: sie hätte nur das, was ihr nötig wäre.

Eine andre wurde von ihrem Gatten des Nachts bei Wasser und Brot in einem Zimmer eingesperrt; oft mußte sie sich entkleiden und er peitschte sie nach Herzenslust, ohne Mitleid mit diesem schönen Fleisch, noch ohne sonstige Regung. Das ist das Schlimmste bei solchen Ehegatten, denn da sie wie eine Marmorstatue ohne Wärme und Verlangen sind, so haben sie auch kein Mitleid mit der Schönheit und lassen ihre Wut in grausamen Quälereien aus, während sie in ihrer Jugend sie anders ausgelassen haben, wie ich oben sagte.

Deshalb ist es nicht gut, solche eigensinnigen Greise zu heiraten; denn obwohl ihre Augen in dem Alter kurzsichtig geworden sind, so können sie doch sehr gut spähen und ausspionieren, was für Streiche die jungen Frauen ihnen spielen.

Auch habe ich eine große Dame sagen hören, daß kein Sonnabend ohne Sonne, keine schöne Frau ohne Liebschaften und kein Greis ohne Eifersucht sei. Dies aber kommt eben von seiner unzureichenden Kraft.

Deshalb sagte auch ein mir bekannter Prinz: er möchte dem Löwen gleichen, weil dieser im Alter nicht weiß wird: dem Affen, weil dieser unersättlich ist; dem Hunde, weil dessen Glied mit dem Alter immer größer wird; und dem Hirsch, weil dieser, je älter er wird, desto mehr leistet und die Hirschkühe lieber zu ihm kommen als zu den jungen Hirschen.

Ich hörte von einer vornehmen Persönlichkeit die Frage aufwerten: Auf Grund welcher Macht und Autorität darf ein Gatte seine Frau töten, da er dies Recht doch weder von Gott, noch vom Gesetz, noch vom Evangelium empfangen hat, wonach er sie doch höchstens verstoßen darf? Das Evangelium spricht in diesem Punkte nicht von Mord, Blut, Tod, Folter, Gefängnis, Gift und Grausamkeiten. Unser Herr Jesus Christus hat uns wohl gezeigt, daß derartiges [14] ein großer Mißbrauch ist, und daß er solche Taten nicht gut heißt. Als man ihm die Ehebrecherin zuführte, damit er über sie das Urteil spreche, sagte er, indem er mit dem Finger auf die Erde schrieb: »Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie!« Das wagte aber keiner zu tun, denn jeder fühlte sich von diesem weisen und milden Vorwurf betroffen.

Unser Schöpfer lehrte uns, die Menschen nicht so leicht zu verdammen und zu töten, selbst in diesem Punkte nicht, denn er kannte die Schwäche unsrer Natur und den Mißbrauch, den viele damit treiben. Denn mancher, der ehebrecherischer ist als sie, tötet seine Frau; und mancher andre tötet sogar eine Unschuldige, deren er überdrüssig wurde, um eine andre zu heiraten. Und wie viele solche gibt es! Der heilige Augustin sagt, daß der ehebrecherische Mann ebenso strafbar ist wie seine Frau.

Ich hörte von einem großen Fürsten, der seine Gemahlin verdächtigte, mit einem Kavalier Liebe zu treiben. Er ließ diesen beim Verlassen seines Palastes ermorden, und dann auch die Dame. Diese hatte vorher bei einem Turnier bei Hofe ihren Anbeter, der sein Pferd vortrefflich ritt, aufmerksam beobachtet und gesagt: »Ah wahrlich! er sticht vorzüglich! – Ja, aber zu hoch!« Bald darauf wurde sie durch Gerüche oder sonst etwas, das ihr in den Mund gegeben wurde, vergiftet.

Ich kannte einen Herrn aus gutem Hause, der seiner Frau den Tod gab; sie war schön und von guter Herkunft. Er vergiftete sie, ohne daß sie etwas merkte (so fein zubereitet war dieses Gift), um eine große Dame zu heiraten, die mit einem Prinzen vermählt war. Er kam ins Gefängnis, und das Unglück wollte, daß er sie nicht heiratete; er wurde von Männern und Frauen verachtet.

Ich habe vornehme Persönlichkeiten unsre alten Könige strenge tadeln hören, wie Louis Hutin und Karl den Schönen, weil sie ihre Frauen umgebracht haben; die eine war Margarethe, Tochter des Herzogs Robert von Burgund, die [15] andre Blanche, Tochter Othelins, Grafen von Burgund. Die Männer erfuhren von dem Ehebruch und ließen die Frauen zwischen vier Wänden im Schlosse Gaillard grausam sterben. Ebenso verfuhr der Graf von Foix mit Jeanne d'Artois. Übrigens waren die Verbrechen der Frauen gar nicht so schlimm, wie die Herren glauben machten, aber sie waren ihrer Gattinnen überdrüssig, beschuldigten sie deshalb der Untreue und heirateten eine andre.

König Heinrich von England ließ seine Gemahlin Anna Boleyn enthaupten, um eine andre zu heiraten, denn er war sehr blutdürstig und liebte Abwechslung. Wäre es nicht besser gewesen, die Frauen nach dem Gesetze Gottes zu verstoßen, statt sie grausam umzubringen? Aber diese Herren brauchen frisches Fleisch, und sie wollen besonders speisen, ohne jemanden dazu einzuladen; oder sie brauchen neue Frauen, die ihnen Güter zubringen, nachdem sie die Güter der ersten verzehrt haben. So verfuhr Baudouin, der zweite König von Jerusalem, der unter dem Vorgeben, daß seine Frau ihn betrogen habe, sie verstieß und eine Tochter des Herzogs von Malyterne ehelichte, weil sie eine große Summe Geldes als Mitgift besaß, das er sehr notwendig brauchte. Dieser Fall findet sich in der Geschichte des heiligen Landes. Es steht wahrlich den Herren wohl an, das Gesetz Gottes zu verbessern und ein neues Gesetz zu machen, indem sie ihre armen Frauen töten.

König Ludwig der Junge verfuhr nicht so mit Leonore Herzogin von Aquitanien, die, des Ehebruchs verdächtigt, und zwar vielleicht ungerechterweise, auf der Reise nach Syrien einfach von ihm verstoßen wurde, ohne daß er von dem Gesetz der andern Gebrauch machen wollte, welches mehr aus Anmaßung als mit Recht und Vernunft erfunden und ausgeübt worden ist. Daher erwarb er denn auch einen [16] bessern Ruf als die andern Könige und den Beinamen der Gute, während die andern böse, grausam und tyrannisch heißen. Übrigens empfand er auch Gewissensbisse, und handelte als echter Christ. Man sehe die römischen Heiden, die sich oft christlicher benommen haben als heidnisch, und besonders einige Kaiser, deren Mehrzahl Hahnreie und deren Frauen sehr lüstern und wollüstig waren. So grausam sie auch gewesen sind, so haben sie sich doch ihrer Frauen öfter als wir Christen durch Verstoßung als durch Tötung entledigt.

Julius Cäsar tat seiner Frau Pompeja kein andres Leid an, als daß er sie verstieß. Sie hatte mit P. Claudius, einem schönen, jungen römischen Edelmann, in den sie sterblich verliebt war, Ehebruch getrieben. Cäsar wartete die Gelegenheit ab, wo sie eines Tages in ihrem Hause, in dem nur Frauen Zutritt hatten, opferte. Der Liebhaber verkleidete sich als Weib, da noch kein Bart sein Kinn schmückte, nahm teil am Sang und Saitenspiel und konnte, da er für ein Weib gehalten wurde, mit seiner Herrin in Muße tun, was er wollte. Aber er wurde doch erkannt, hinausgewiesen und angeklagt. Durch Geld und Gunst aber konnte er sich loskaufen, und die Sache hatte weiter keine Folgen. Cicero verschwendete sein Latein in einer schönen Rede, die er gegen ihn hielt. Freilich antwortete Cäsar den Leuten, die ihn überreden wollten, seine Frau sei unschuldig: er wolle, daß sein Ehebett nicht nur von diesem Verbrechen, sondern auch von jeglichem Verdacht rein bleibe. Diese Antwort mochte ja der Welt genügen, aber innerlich wußte er wohl, was das sagen wollte: er hatte seine Frau so mit ihrem Geliebten gefunden, weil sie selbst ihm möglicherweise diese Gelegenheit gegeben hatte. Denn wenn eine Frau begehrt, ist es nicht nötig, daß der Liebhaber die Gelegenheit aussinnt; sie wird in einer Stunde mehr Gelegenheiten finden als die Männer in hundert Jahren. So sagte eine mir bekannte Dame der großen Welt zu ihrem Anbeter: »Suche nur ein Mittel, damit ich Lust bekomme, für das andre werde ich selbst schon sorgen.«

[17] Cäsar wußte auch sehr gut, was von diesen Dingen zu halten ist, denn er war ein großer Frauenjäger, und man nannte ihn den Hahn aller Hennen. Er machte viele Männer Roms zum Hahnrei, weshalb die Soldaten von ihm bei seinem Triumphe sagten: »Romani, servate uxores; moechum adducimus calvum.« (»Römer, schließt eure Frauen ein, denn wir bringen den kahlen Cäsar, den großen Ehebrecher.«)

Durch jene kluge Antwort, die Cäsar über seine Frau gab, entging er dem Namen Hahnrei, den er seinerseits andern Männern verschaffte; innerlich aber fühlte er sich doch tief verletzt.

Octavio Cäsar verstieß auch Scribonia wegen ihrer Liederlichkeit, ohne weitern Grund, obgleich sie Ursache gehabt hätte, ihn zu hintergehen wegen der unzähligen Frauen, die er aushielt, und die er vor den Augen ihrer Gatten öffentlich zur Tafel lud, sie dann in sein Zimmer führte und, nachdem er sie genossen, sie wegschickte mit zerwühltem Haar und roten Ohren, ein Zeichen davon, was sie durchgemacht hatten. Ich habe wohl gehört, daß Damen aus solchem Kampf mit gerötetem Gesicht zurückkamen, aber mit roten Ohren –, nein! Er war berühmt wegen seiner Unkeuschheit, selbst Marcus Antonius warf es ihm vor; er aber entschuldigte sich damit, daß er die Damen nicht des Genusses wegen aushalte, sondern um durch sie leichter die Geheimnisse ihrer Männer zu entdecken, denen er mißtraute.

Ich habe verschiedene Große gekannt, die es ebenso machten und sich die Damen, die leicht zu finden waren, zu demselben Zweck hielten. Ich werde einige namhaft machen. Das ist übrigens ein vortrefflicher Kniff, denn das Vergnügen dabei ist doppelt. Die Verschwörung Catilinas wurde auch durch eine solche Freudendame entdeckt.

Derselbe Octavio stand einst im Begriff, seine Tochter Julia, die Gattin des Agrippa, dem Tode zu weihen, da sie eine sehr große Dirne gewesen war, die ihm viel Schande machte (denn zuweilen machen die Töchter ihren [18] Vätern mehr Schande, als die Frauen ihren Gatten). Er verbannte sie jedoch nur, entzog ihr zur großen Strafe den Wein und die schönen Kleider, wofür sie armselige Gewänder tragen mußte, und verbot ihr den Verkehr mit Männern. Es war in der Tat eine schlimme Strafe für eine Frau dieser Art, sie der beiden letztern Dinge zu berauben!

Kaiser Caligula, der ein großer Tyrann war, glaubte, daß seine Frau Livia Hostilia sich ihrem ersten Gatten C. Piso hingegeben habe, dem sie mit Gewalt entrissen worden war. Er machte aber von seiner gewohnten Grausamkeit keinen Gebrauch, sondern verstieß sie nur, zwei Jahre nachdem er sie dem Piso geraubt.

Ebenso verfuhr er mit Tullia Paulina, die er ihrem Gatten C. Memmius geraubt hatte; er jagte sie nur weg, aber mit dem ausdrücklichen Verbot, jemals wieder das holde Geschäft auszuüben, nicht einmal mit ihrem Gatten: das war wirklich eine grausame Strenge, sie nicht einmal ihrem Gatten wiederzugeben,

Ich hörte von einem großen christlichen Fürsten, der einer Dame, die er aushielt, dasselbe Verbot stellte, und auch ihrem Gatten untersagte, sie zu berühren; so groß war seine Eifersucht.

Claudius, Sohn des Drusus Germanicus, verstieß seine Gemahlin Plantia Herculalina nur deshalb, weil sie eine bekannte Buhlerin gewesen war; es war ihm aber auch zu Ohren gekommen, daß sie ihm nach dem Leben getrachtet Trotz seiner Grausamkeit und obwohl diese beiden Gründe triftig genug waren, sie zum Tode zu verurteilen, begnügte er sich doch mit der Scheidung.

Dafür ertrug er desto länger die Ausschweifungen seiner andern Frau, der Valeria Messalina. Diese begnügte sich nicht damit, sich zügellos und öffentlich dem einen oder andern hinzugeben, sondern sie besuchte auch die Lupanare und gab sich dort als die größte Dirne von Rom preis. Wie Juvenal erzählt, stahl sie sich oft von der Seite ihres Gatten, wenn er eingeschlafen war, verkleidete sich so gut [19] sie konnte, und ging in ein Bordell. Hier gab sie sich dermaßen hin, daß sie mehr ermüdet als gesättigt zurückkehrte. Ja, sie trieb es noch schlimmer: um die Genugtuung zu haben, daß sie die größte Dirne sei, ließ sie sich bezahlen und taxierte, wie ein landreisender Kommissär, ihre Dienste genau nach ihrer Leistung.

Ich hörte von einer Dame der großen Welt, die eine Zeitlang dasselbe Leben führte und ebenfalls verkleidet die Bordelle besuchte, um dieses Leben kennen zu lernen und sich preiszugeben, wobei sie dann eines Nachts von einem Wächter der Stadt, der die Runde machte, überrascht wurde. Man weiß derartige Dinge noch von andern Damen.

Boccaccio spricht in seinem Buche »Berühmte Unglückliche« von dieser Messalina sehr milde und sucht sie damit zu entschuldigen, daß sie zu diesem Lebenswandel geboren gewesen sei, da am Tage ihrer Geburt die Stellung der Gestirne am Himmel ihr Schicksal so bestimmt hätte. Ihr Gatte kannte ihren Lebenswandel und duldete ihn lange Zeit; er erfuhr sogar, daß sie sich mit einem gewissen Cajus Silius, einem der schönsten Edlen von Rom, heimlich vermählt hatte. Hierin sah er eine Verschwörung gegen sein Leben, und nur deshalb ließ er sie sterben, nicht aber wegen ihrer Ausschweifungen.

Wer das Bildnis der Messalina, das in der Stadt Bordeaux aufgefunden wurde, gesehen hat, wird zugeben, daß ihre Gesichtszüge das Leben verraten, das sie führte. Es ist dies eine sehr schöne, des Ansehens würdige, antike Münze, die unter Ruinen aufgefunden wurde. Messalina erscheint darauf als eine schöne, groß und stark gebaute Frau, mit hübschen Gesichtszügen, mit geschmackvoller römischer Haartracht; bei ihrem Anblick glaubt man, was von ihr gesagt wird. Denn nach dem, was ich von verschiedenen Philosophen, Ärzten und Physiognomikern gehört habe, sind die groß gebauten Frauen besonders zur Liebe geneigt, da sie etwas Männliches haben. Sie vereinigen in sich die Glut des Mannes und die der Frau, wodurch [20] sie an Leidenschaft und Stärke gewinnen; wie man auch sagt, daß ein großes Schiff mehr Wasser braucht als ein kleines. Die Gelehrten in der Kunst der Venus behaupten ebenso, daß eine große Frau besser als eine kleine zur Liebe geschickt sei.

Hier erinnere ich mich eines großen Fürsten, den ich gekannt habe. Dieser sagte, wenn er eine Frau, deren Liebe er genossen, loben wollte: »Sie ist eine sehr schöne Buhlin, groß wie meine Frau Mutter.« Wegen der Zweideutigkeit dieses Ausspruches fügte er hinzu, er habe nicht sagen wollen, die Dame sei eine so große Buhlerin wie seine Frau Mutter, sondern sie sei ebenso groß gewachsen wie diese. Manchmal sagt man Dinge, an die man nicht denkt, oft aber auch, ohne daran zu denken, daß man die Wahrheit sagt.

Deshalb verdienen die stattlichen Frauen den Vorzug, wäre es auch nur wegen ihrer Grazie und Majestät; denn in diesen Dingen werden sie ebenso wie bei andern Handlungen und Verrichtungen geschätzt; gleichwie die Führung eines großen und schönen Streitrosses hundertmal angenehmer ist und dem Ritter mehr Freude macht als die eines kleinen Kleppers. Aber der Ritter muß sich auch gut halten und mehr Kraft und Gewandtheit zeigen. So verhält es sich auch mit den großen Frauen; denn bei ihrer hohen Gestalt haben sie auch eine höhere Gangart als die andern, und werfen leichter aus dem Sattel, wenn man nicht festen Sitz hat, wie ich das von verschiedenen Rittern gehört habe. Und sie machen sich noch höchlich lustig darüber, wenn sie Einen abgeworfen haben, wie ich das von einer Dame dieser Stadt hörte, die beim erstenmal zu ihrem Liebhaber ganz offen sagte: »Umarmen Sie mich gut und .....halten Sie sich tapfer, damit Sie nicht abfallen. Andrerseits aber schonen Sie mich nicht, denn ich bin sehr stark und kann etwas aushalten .... Wenn Sie mich aber schonen, dann werde ich Sie nicht schonen. Für gutes Spiel guten Gewinn!« Aber die Frau gewann das Spiel.

[21] Deshalb lasse man sich geraten sein, solche starken und kühnen Frauen richtig zu handhaben, und obwohl das Übermaß ihrer Wärme auch viel Genuß gewährt, so haben sie es doch zuweilen auch gar zu eilig, eben wegen ihrer Hitze. Freilich sagt man: »Es gibt gute Windhunde von jeder Größe«, und so gibt es auch kleine Frauenzimmer, die in der geschickten Handhabung dieser Dinge jenen andern nahekommen, oder sie nachahmen wollen und dann ebenso hitzig sind. Wie denn (ich beziehe mich auf die Meister in diesen Künsten) ein kleines Pferd ebenso hurtig ist wie ein großes.

Nach dieser Abschweifung kehre ich zu meinem ersten Thema zurück.

Auch der grausame Nero verstieß seine Gemahlin Oktavia, Tochter des Claudius und der Messalina, wegen Ehebruchs, ohne sie mit weiterer Grausamkeit zu verfolgen.

Domitian handelte noch besser: er verstieß seine Gattin Domitia Longina, weil sie in einen Schauspieler und Gaukler Namens Paris verliebt war, und den ganzen Tag nichts weiter tat, als mit ihm der Liebe zu pflegen, ohne ihrem Gatten je Gesellschaft zu leisten. Nach einiger Zeit nahm er sie aber wieder zu sich und bereute die Trennung. Jener Gaukler hatte sie nämlich verschiedene Kunstgriffe gelehrt, die nun dem Domitian sehr gut gefielen.

Pertinax verfuhr ebenso mit seiner Frau Flavia Sulpitiana; zwar nicht, daß er sie verstoßen und wieder angenommen hätte, aber da er wußte, daß sie mit einem Sänger und Saitenspieler Umgang hatte und sich ihm ganz hingab, ließ er sie gewähren und hatte seinerseits Liebschaft mit einer Cornificia, seiner leiblichen Nichte. Darin folgte er dem Beispiel des Heliogabalus, der da sagte, es gäbe nichts Schöneres in der Welt, als den Umgang mit seinen Verwandten und Verwandtinnen. Ähnlicher Ansicht waren viele, von denen ich weiß.

Auch der Kaiser Severus kümmerte sich nicht um die Ehre seiner Frau, die eine öffentliche Dirne war; er suchte [22] sie nicht zu bessern und sagte, sie heiße eben Julia, und deshalb müsse man sie entschuldigen, da alle Frauen dieses Namens schon seit alten Zeiten als sehr große Buhlerinnen und Ehebrecherinnen bekannt waren. Auch unter unsern christlichen Damen kenne ich einige, die diesen Namen tragen, will sie aber nicht nennen aus Ehrfurcht vor unsrer heiligen Religion.

Ich könnte eine Unmenge andrer großer Damen und Kaiserinnen der alten Römerzeit anführen, an denen ihre betrogenen Gatten, die sonst grausam waren, keine ihre Grausamkeiten, ihrer Rechte und Vorrechte ausübten, trotzdem die Frauen sehr zügellos waren. Ich glaube auch, daß es in jenen alten Zeiten wenige Spröde gegeben hat; wie es die Beschreibung ihres Lebens bestätigt. Wenn man ihre Bilder auf antiken Medaillen betrachtet, sieht man deutlich, daß ihre schönen Gesichtszüge den Stempel der Lüsternheit tragen. Trotzdem erhielten sie von ihren Männern Verzeihung und wurden nicht zum Tode verdammt, wenigstens einige nicht. Sie, die Heiden, die Gott nicht kannten, waren also ihren Frauen gegenüber milde und wohlwollend, während die Mehrzahl unserer christlichen Könige, Fürsten und großen Herren wegen dieses Vergehens so grausam gegen sie sind!

Den tapfern Philipp August, unsern König von Frankreich, muß man freilich loben. Dieser hatte seine Gemahlin Angerberge, Schwester Knuts, Königs von Dänemark, die seine zweite Frau war, verstoßen unter dem Vorwand, daß sie seine Cousine im dritten Grade von seiten seiner ersten Frau Ysabel sei (andre sagen, sie habe Liebschaften gehabt). Trotzdem nahm dieser König, durch kirchliches Urteil gezwungen, sie wieder bei sich auf, obwohl er wieder verheiratet war. Auf seinem Pferde hinter sich führte er sie heim, ohne Vorwissen der Versammlung zu Soissons, die in dieser Angelegenheit stattfand und über die Entscheidung lange Sitzungen hielt.

Heutzutage handeln viele unsrer Großen nicht so, sondern die geringste Strafe, die sie ihren Frauen auferlegen [23] ist, sie bei Wasser und Brot in beständiger Gefangenschaft zu halten, sie darin sterben zu lassen, sie zu vergiften, zu töten, sei es mit eigner Hand oder durch die Justiz. Wenn sie ihre Frauen los sein und eine andre heiraten wollen, was oft vorkommt, warum trennen sie sich dann nicht von ihnen in ehrenvoller Weise, ohne sonstige Mißhandlung und erwirken beim Papst die Erlaubnis, eine andre zu ehelichen, obwohl was der Himmel zusammengefügt hat, der Mensch nicht scheiden soll? Freilich haben wir erst jüngst davon Beispiele gehabt, sowohl von Karl VIII. wie Ludwig XII., unsern Königen.

Darüber habe ich einen großen Theologen reden gehört, und zwar über den verstorbenen König Philipp von Spanien, der seine Nichte, die Mutter des heutigen Königs, geheiratet hatte. Der Dispens gab dem Papste das Recht, schlechte Ehen zu lösen.

Sicherlich sind die Frauen sehr zu tadeln, die ihre Gatten unter Verletzung ihres Glaubens so behandeln, den Gott ihnen so sehr ans Herz gelegt hat; andrerseits hat er aber auch den Mord strenge verboten und er ist ihm verhaßt, von welcher Seite er geschehe. Ich habe auch fast niemals blutgierige und totschlägerische Männer gesehen, die ihre Schuld nicht bezahlt hätten, und wenige Leute, die das Blut lieben, haben gut geendet. Dagegen haben sündige Frauen oft die Gnade Gottes erworben, wie jene Magdalena.

Diese armen Frauen verdienen ja auch die Gnade Gottes eher als wir, wegen ihrer Schönheit; denn was schön ist, steht Gott näher, der selbst die Schönheit ist. Aber was häßlich ist, gehört dem Teufel an.

Der große Alfonso, König von Neapel, sagte, die Schönheit sei das Merkmal guter und sanfter Sitten, so wie die schöne Blume auch eine gute und schöne Frucht hervorbringt. In der Tat habe ich in meinem Leben viele schöne Frauen gesehen, die auch gut waren, und obwohl sie der Liebe pflegten, taten sie doch nichts Böses, als daß sie eben nur an dieses Vergnügen dachten und an weiter nichts.

[24] Andre wieder habe ich gesehen, die sehr böse, grausam und gefährlich waren; diese dachten an die Liebe und an das Böse zu gleicher Zeit.

Aber sollen sie deshalb der Laune und Eifersucht ihrer Gatten unterworfen sein, die doch selbst hundertmal mehr Strafe verdienen? Die Natur solcher Leute ist ebenso schlecht, wie es peinlich ist, darüber zu schreiben.

Ich spreche jetzt noch von einem andern, der ein Großer von Dalmatien war; er hatte den Buhlen seiner Frau getötet und zwang diese, täglich bei dem Leichnam zu liegen, der bereits verweste, so daß die arme Frau fast erstickte von dem Geruch, den sie mehrere Tage lang auszuhalten hatte.

In den »Hundert Erzählungen« der Königin von Navarra findet sich eine rührende Geschichte von jener schönen deutschen Dame, die von ihrem Gatten gezwungen wurde, täglich aus dem Schädel ihres Geliebten, den der Mann getötet hatte, zu trinken. Dies hat der Seigneur Bernage, damals Gesandter Königs Karl VIII. in Deutschland, selbst mit angesehen und die Wahrheit dessen bestätigt.

Als ich zum erstenmal in Italien war und nach Venedig kam, wurde mir von einem albanesischen Ritter erzählt, der seine Frau beim Ehebruch überraschend, den Liebhaber tötete. Er war wütend darüber, daß seine Frau sich nicht mit ihm begnügte, da er doch ein wackerer Ritter war, und ein Held im Reiche der Venus, der zehn bis zwölfmal des Nachts das Opfer brachte. Zur Strafe suchte er ein Dutzend tüchtiger Männer zu finden, die im Rufe standen, sehr stark begabt und feurig zu sein. Diese mietete er für Geld, sperrte sie in das Zimmer seiner Frau, die sehr schön war, und überließ sie ihnen, indem er sie bat, gut ihre Pflicht zu tun; er versprach ihnen doppelte Bezahlung, wenn sie ihre Aufgabe sehr gut erfüllten. Die Männer machten sich nacheinander ans Werk und waren so eifrig, daß die Frau dabei starb, zur grossen Genugtuung ihres Gatten. Im Augenblick des Sterbens warf er ihr vor: da sie diesen [25] süßen Trank so sehr geliebt habe, möge sie sich nun daran satt trinken. Ähnlich wie Semiramis zu Cyrus sagte, indem sie seinen Kopf in ein Gefäß voll Blut steckte. Das ist wahrlich eine schreckliche Todesart!

Diese arme Frau wäre nicht dabei gestorben, wenn sie die robuste Natur jener Buhlerin im gallischen Lager Cäsars besessen hätte, von der man sagt, daß zwei Legionen in kurzer Zeit über sie hinwegschritten. Danach machte sie noch einen Luftsprung und fühlte sich ganz wohl.

Ich hörte von einer französischen Dame, aus der Stadt, einem sehr schönen Fräulein, die während der Bürgerkriege in einer erstürmten Stadt von einer Menge Soldaten vergewaltigt wurde. Später fragte sie einen hübschen Pater, nachdem sie ihm ihre Geschichte erzählt hatte, ob sie eine große Sünde begangen habe. Er sagte: Nein, denn sie sei ja ohne ihren Willen und widerwillig vergewaltigt worden. Sie antwortete darauf: »Nun, Gott sei Dank, daß ich mich doch wenigstens einmal in meinem Leben sättigen konnte, ohne zu sündigen und Gott zu beleidigen!«

Eine Dame von guter Herkunft wurde bei dem Gemetzel von St. Barthélemy gleichfalls vergewaltigt, und da ihr Gatte tot war, fragte sie einen klugen und gewissenhaften Mann, ob sie Gott beleidigt habe, ob sie streng bestraft werden würde, und ob sie den Manen ihres Gatten, der erst vor kurzem gestorben, Unrecht getan habe. Er antwortete ihr, daß, wenn sie bei der Sache Vergnügen empfunden, sie allerdings gesündigt habe; hätte sie aber Abscheu empfunden, dann mache es nichts aus. Das war ein gutes Urteil!

Ich habe eine Dame gekannt, die andrer Meinung war und sagte: das Vergnügen sei nicht so groß, wenn man dabei nicht halb gezwungen würde, besonders von einem Großen; je mehr man sich wehre, desto hitziger werde man. Denn habe er erst einmal Bresche geschlagen, dann genieße er seinen Sieg desto stürmischer und erhöhe dadurch das [26] Verlangen seiner Dame, die um dieses Vergnügens willen die Ohnmächtige und halb Tote spielt, nur um den Genuß bis aufs äußerste zu steigern. Diese Dame sagte ferner, daß sie sich ihrem Gatten gegenüber oft wütend, eigensinnig und widerspenstig stelle und ihn so in Stimmung bringe. Wenn es dann soweit wäre, befänden er und sie sich hundertmal wohler. Denn, wie öfter geschrieben wurde, ein Weib, welches etwas Widerstand leistet, reizt mehr, als wenn es sich gar zu leicht nehmen läßt. So ist ja auch im Kriege ein mit Gewalt errungener Sieg ruhmreicher als ein leicht gewährter, und der Triumph ist schöner. Nur darf die Dame es darin nicht zu weit treiben, denn dann würde man sie für eine geriebene Dirne halten, die die Spröde spielt, und sie würde bald beschimpft werden. Wie ich von den Erfahrensten und Geschicktesten auf diesem Gebiete gehört habe, auf die ich verweise; denn ich bin nicht so anmaßend, ihnen, die es besser wissen als ich, Lehren zu erteilen.

Ich habe über einige solcher eifersüchtigen und totschlägerischen Gatten tadelnd äußern hören, daß sie selbst daran schuld seien, wenn ihre Frauen Buhlerinnen würden. Denn, wie der heilige Augustin sagt, ist ein Ehemann sehr töricht, wenn er von seiner Frau Keuschheit verlangt, und sie doch selbst in den Abgrund der Wollust zieht. Die heilige Schrift lehrt sogar, es sei nicht nötig, daß Mann und Frau sich allzu heftig lieben: das heißt in zuchtloser Liebe. Denn wenn sie ihr ganzes Herz mit der wollüstigen Liebe füllen, zuviel daran denken und sich ihr zu sehr hingeben, vernachlässigen sie die Liebe zu Gott. Ich selbst sah Frauen, die ihren Gatten so sehr liebten, und von ihnen ebenso geliebt wurden, daß beide in ihrer Liebesglut ganz den Dienst Gottes vergaßen, so daß sie die Zeit, die sie diesem weihen sollten, erst nach ihren Ausschweifungen widmeten.

Außerdem lehren solche Ehemänner, was noch schlimmer ist, ihre Frauen die schlüpfrigsten Praktiken und üben mit ihnen die ungeheuerlichen Figuren des Aretino, womit sie [27] die Glut im Körper nur hundertfach anschüren. Wenn die Frauen nun in dieser Art erzogen sind, so können sie sich nicht enthalten, ihre Gatten zu verlassen und andre Kavaliere zu suchen. Dann geraten die Männer in Zorn und bestrafen die armen Frauen; womit sie sehr unrecht tun. Denn die Frauen wollen nun auch andern zeigen, was sie können; die Gatten aber wollen, daß jene ihre Kenntnis geheim halten, was keinen Sinn und Verstand hat. Gleich als ob ein guter Stallmeister, der sein Pferd gut dressiert hat, nun nicht auch zeigen wollte, welche Gangart es hat, und nicht erlaubte, daß man es besteigt, sondern es aufs bloße Wort hin kaufen solle.

Ich hörte von einem Edelmann erzählen, der sich in eine schöne Dame verliebt hatte, und dem einer seiner Freunde sagte, er verlöre nur seine Zeit, denn sie liebe ihren Gatten viel zu sehr. Einst kam er auf den Gedanken, ein Loch in die Wand zu bohren, wodurch er direkt in ihr Bett sehen konnte. Da sah er denn die tollsten Dinge, sowohl von der Frau wie von dem Manne. Am nächsten Tage traf er seinen Freund und erzählte ihm von dem erlebten Schauspiel. »Diese Frau wird mir gehören,« sagte er, »sobald der Gatte auf irgend einer Reise abwesend ist; denn sie wird bei der Glut, die sie von Natur und durch Kunst empfangen hat, sich nicht lange halten können. Durch meine Ausdauer werde ich sie schon gewinnen.«

Ich kannte einen andern Edelmann, der in eine schöne und achtbare Dame verliebt war, und wußte, daß sie einen Aretino mit Bildern in ihrem Schlafzimmer habe. Der Gatte wußte es auch, hatte es gesehen und erlaubt. Daraus schloß der Liebhaber, daß er sie erobern werde. Er verlor also nicht die Hoffnung, blieb ausdauernd und trug den Sieg davon. Er wußte von ihr, daß sie jene guten Lehren und Kunstgriffe entweder von ihrem Manne oder von andern gelernt hatte; trotzdem leugnete sie und sagte, daß weder die einen noch die andern ihre ersten Lehrer gewesen seien, sondern Mutter Natur, die die größte Lehrmeisterin ist. [28] Später gestand sie, daß das Buch von Aretino ihr ganz bedeutend dabei geholfen hatte.

Man liest von einer großen Courtisane und berühmten Buhlerin des alten Rom, Namens Elefantina, die ebensolche Figuren wie Aretino, aber noch schlimmere, erdachte und ausführte. Die großen Damen und Fürstinnen, die sich der Ausschweifung ergaben, studierten mit Vorliebe dieses Buch. Diese gute cyrenische Dirne empfing den Beinamen »Die mit den zwölf Erfindungen«, weil sie zwölf Arten, die Wollust zu steigern, erfunden hatte!

Heliogabel bezahlte mit schwerem Gelde jeden, der ihm neue Ausschweifungen erfinden und vorführen konnte. Ich habe auch von unsern Herren der großen Welt Ähnliches gehört.

Der Papst Sixtus ließ zu Rom einen Sekretär henken, der beim Kardinal d'Este gewesen war und sich Capella nannte. Der Grund war, daß er viele Verbrechen begangen, aber unter anderm auch ein Buch mit jenen schönen Figuren verfaßt hatte. Die Bilder in diesem Buche waren durch einen Großen, dessen Namen ich mit Rücksicht auf sein Kleid verschweige, und durch eine vornehme Dame, eine der schönsten Frauen Roms, dargestellt, und zwar waren sie beide getreu nach der Natur gezeichnet.

Ich kannte einen Prinzen, der es noch besser machte, denn er kaufte von einem Goldschmied einen sehr schönen Becher aus vergoldetem Silber, der ein Meisterwerk und eine große, auf das schönste gearbeitete und gravierte Spezialität war. Auf diesem Becher waren mit dem Stichel [29] innen und außen und rund herum höchst fein und genau etliche Figuren des Aretino eingraviert, zudem aber auch noch verschiedene Arten der Kohabitation von Tieren. Da lernte ich auch zum erstenmal (denn ich habe diesen Becher oft gesehen und auch daraus getrunken, nicht ohne zu lachen) die Beiwohnung von Löwe und Löwin kennen, die ganz anders ist, als bei andern Tieren. Bezüglich dessen beziehe ich mich aber auf diejenigen, die es kennen, ohne daß ich es sage. Dieser Becher war die Zierde des Büffets jenes Prinzen; denn er war, wie gesagt, sehr schön und kunstreich gearbeitet und lustig anzusehen, von innen und außen.

Wenn dieser Prinz die Frauen und Mädchen des Hofes zur Festtafel lud, was oft geschah, verfehlten seine Kellermeister niemals, auf seinen Befehl ihnen aus diesem Becher zu trinken zu geben. Die Damen, die ihn noch nie gesehen hatten, verwunderten sich und wußten nicht, was sie dazu sagen sollten; einige wurden verlegen und die Schamröte färbte ihre Wangen; andre wieder flüsterten unter sich: »Was ist denn da eingraviert? Ich glaube, das sind Unzüchtigkeiten. Ich trinke nicht mehr daraus. Nein, ich müßte schon sehr großen Durst haben, ehe ich wieder daraus trinken würde.« Aber sie mußten doch daraus trinken, wenn sie nicht verdursten wollten. Deshalb schlössen einige beim Trinken die Augen, andre weniger Schamhafte aber nicht Wer von dieser Sache sprechen hörte, Frauen wie Mädchen, lachte heimlich darüber; die andern aber schütteten sich aus vor Lachen.

Die einen sagten, wenn man sie fragte, warum sie lachten und was sie denn gesehen hätten: sie hätten nichts weiter gesehen als Bilder, und gerade deshalb wollten sie nicht wieder daraus trinken. Die andern sagten: »Was mich betrifft, so denke ich mir nichts Böses dabei. Das Anschauen eines Bildes schadet der Seele nichts.« Die einen sagten: »Ein guter Wein schmeckt daraus ebenso gut, wie aus einem andern Becher.« Andre bestätigten das und meinten, [30] man könne aus diesem Becher ebensogut den Durst löschen. Den einen machte man es zum Vorwurf, daß sie beim Trinken nicht die Augen schlössen; die aber entgegneten, sie wollten sehen, was sie tränken, ob es auch Wein sei und nicht etwa eine Medizin oder Gift. Andre wieder fragte man, was ihnen mehr Vergnügen mache: aus diesem Becher zu trinken oder ihn anzusehen, worauf sie erwiderten: »Beides!« Die einen sagten: »Das sind ja drollige Sachen!« Die andern: »Wirklich spaßige Dinge!« Die einen: »Das sind schöne Bilder!« Die andern: »Das sind reizende Spiegel!« Die einen: »Der Goldschmied muß guter Laune gewesen sein, um solche Narrheiten zu machen!« Die andern: »Und Sie, mein Herr, noch mehr, um diesen schönen Kelch zu kaufen.« Die einen fragte man, ob sie beim Anblick dieses Bechers nicht etwas Gewisses empfänden; sie antworteten: Diese Scherze ließen sie kalt. Die andern fragte man, ob sie den Wein nicht recht heiß gefunden hätten und ob er sie nicht erhitzt hätte, obgleich es Winter sei; worauf sie erwiderten: Das hätten sie nicht bemerkt; er wäre ihnen schön kalt erschienen und hätte sie recht erfrischt Endlich fragte man auch, welches dieser Bilder sie in ihrem Bett haben möchten; darauf entgegneten sie: Man könne die Bilder ja leider nicht losmachen und mitnehmen.

Kurz, tausend Witze und Stichelworte tauschten die Herren und Damen hierüber bei Tische aus; es war eine sehr amüsante Sache und wert, gehört und gesehen zu werden, wie ich es sah. Am hallerlustigsten aber war es nach meiner Meinung, die unschuldigen Mädchen zu beobachten, oder die so taten, als ob sie es wären; sowie auch die neu angekommenen Damen, wie sie würdevoll auszusehen suchten, während das Lächeln um ihre Nasenspitze und Mundwinkel zuckte. Und wenn sie auch vor Durst verschmachtet wären, der Kellermeister hätte ihnen nicht anders als aus diesem Becher zu trinken gegeben. Ja, noch mehr, einige schworen mit ernster Miene, niemals wieder an diesen Festen teilzunehmen, kamen aber doch [31] immer wieder, denn bei diesem Prinzen ging es sehr lecker her. Andre sagten, wenn man sie einlud: »Ich komme, aber unter der Bedingung, daß man uns nicht aus diesem Becher trinken läßt.« Und wenn sie da waren, tranken sie mehr daraus als jemals. Endlich gewöhnten sie sich so daran, daß sie gar nichts mehr dagegen einzuwenden hatten. Andre machten es noch besser, indem sie bei passender Gelegenheit selbst einen Versuch nach diesen Bildern ausführten. Denn ein geistreicher Mensch will alles einmal versuchen. Das waren die Wirkungen dieses schönen, bildergezierten Bechers. Danach kann man sich die Worte und Mienen dieser Damen vorstellen, wenn sie unter sich, allein oder in Gesellschaft, von diesem Becher sprachen oder träumten.

Ich denke, daß dieser Becher sehr verschieden von dem war, wovon Ronsard in einer seiner ersten, dem seligen König gewidmeten Oden spricht und die so beginnt:


Comme un qui prend une couppe,

Seul honneur de son trésor,

Et de rang verse à la troupe

Du vin qui rit dedans l'or.


Aber in jenem Becher lachte nicht der Wein die Leute an, sondern die Leute den Wein; die einen tranken ihn mit Lachen, die andern mit Entzücken.

Kurz, dieser Becher tat mit seinem Bilderschmuck wunderbare Wirkungen. Ich entsinne mich, daß einst in der Galerie des Grafen de Château-Vilain, genannt Seigneur Adjacet, eine Schar von Damen, die mit ihren Anbetern dieses schöne Haus besuchten, ihre Blicke auf die prächtigen und seltenen Gemälde richteten, die in der genannten Galerie hingen. Da sahen sie ein sehr hübsches Gemälde, auf dem schöne, nackte Frauen im Bade dargestellt waren, die sich untereinander [32] liebkosten und in so reizender Weise alle möglichen Dienste leisteten, daß die kälteste Nonne oder Eremitin warm geworden wäre. Eine der Damen, die ich kannte, und die ganz versunken in das Gemälde war, sagte zu ihrem Liebhaber, indem sie sich aufgeregt zu ihm wandte, als sei sie von dieser Liebeswut angesteckt: »Hier halte ich es nicht mehr aus. Schnell in den Wagen, und nach Hause! Ich glühe. Fort! wir wollen das Feuer löschen!« So ging sie denn mit ihrem Anbeter fort und löschte die Glut mit jenem Wasser, das auch ohne Zucker süß ist.

Solche Bilder und Gemälde bringen einem schwachen Gemüte mehr Schaden, als man denkt. In jener Galerie befand sich unter anderm das Bild einer nackten Venus, die, ausgestreckt liegend, von ihrem Sohne Cupido beobachtet wird; ferner ein Mars bei seiner Venus liegend; eine Leda mit dem Schwan. Außerdem noch andre, weniger bescheiden gemalt und noch stärker als die Figuren Aretinos. Aber fast alles kam auf dasselbe heraus und näherte sich unserm Becher, von dem ich sprach, und der gewissermaßen einen Gegensatz zu jenem Becher bildete, den Renault de Montauban in diesem Schlosse fand, von dem Ariosto berichtet. Dieser Becher stellte nur die armen Hahnreie dar, jener aber machte die Männer dazu. Dieser war ein großer Schimpf für die betrogenen Männer und die ungetreuen Frauen, jener aber nicht.

Heutzutage bedarf es nicht mehr solcher Bilder oder Bücher, denn die Gatten sind selbst gute Lehrmeister. Man sehe, was aus einer solchen Schule der Ehemänner hervorgeht!

Ich kannte einen venetianischen Buchdrucker zu Paris, Namens Messer Bernardo, ein Verwandter des großen Aldus Manutius von Venedig, der sein Geschäft in der Rue de Saint-Jacques hatte. Dieser schwor mir zu, daß er [33] im Lauf eines Jahres mehr als 50 Paar Bücher des Aretino an viele verheiratete und ledige Leute verkauft habe, auch an Frauen, von denen er mir drei vornehme nannte, deren Namen ich jedoch verschweige. Er lieferte sie ihnen schön gebunden, unter der Versicherung, kein Wort davon zu verraten; aber er hat es mir doch gesagt und außerdem auch, daß ihn nach einiger Zeit eine andre Dame gefragt, ob er nicht ein ähnliches Buch habe wie das, was sie in den Händen einer jener drei Damen gesehen hätte. Er antwortete: »Signora, si, e peggio«. (»Ja, gnädige Frau, und ein noch schlimmeres.«) So fortrückte sie mit dem Geld heraus und kaufte alle zu Goldeswert. Die Dame hatte es offenbar sehr eilig, ihren Gatten nach Cornetta bei Civita-Vecchia auf die Reise zu schicken.

Alle diese aretinischen Stellungen und Figuren sind Gott verhaßt, weshalb der heilige Hieronymus sagt: »Wer sich seiner Frau mehr als lüsterner Liebhaber denn als Gatte zeigt, ist ein Ehebrecher und Sünder.« Da einige gelehrte Kirchenväter davon gesprochen haben, gebe ich diesen Ausspruch in Latein, denn sie selbst wollten ihn nicht auf Französisch ausdrücken: »Excessus«, sagen sie, »conjugum fit, quando uxor cognoscitur ante retro stando, sedendo in latere, et mulier super virum.« Ähnliches ist in einem Verse gesagt, den ich einst gelesen:


In prato viridi monialem ludere vidi

Cum monacho leviter, ille sub, illa super.


Manche behaupten, daß die Frau in einer andern Stellung als dieser nicht konzipieren könne. Jedoch sagen manche Frauen, daß sie besser in den monströsen, unnatürlichen und seltsamen als in den natürlichen und gewöhnlichen Stellungen konzipieren; weil sie nämlich dabei mehr Vergnügen empfinden; und, wie der Dichter sagt, wenn sie sich more canino verhalten. Das ist zwar abscheulich, aber die schwangeren Frauen, wenigstens einige, verfahren so, aus Furcht, sich von vorne zu beschädigen.

[34] Einige Gelehrte behaupten, daß alle Stellungen gut sind, aber daß semen ejaculetur in matricem mulieris et quomodunque uxor cognoscatur, si vir ejaculetar semen in matricem, non est peccatam mortale.

Diesen Disput findet man in der Summa Benedicti. Benedikt ist ein gelehrter Franziskaner, der sehr gut über alle Sünden geschrieben und in seinem Buch bewiesen hat, daß er viel gesehen und gelesen. Wer diese Abhandlung liest, erfährt, welchen Mißbrauch die Ehemänner mit ihren Frauen treiben. Der Verfasser sagt ferner: »Quando mulier est ita pinguis ut non possit aliter coïre (als in jenen Stellungen) non est peccatum mortale, modo vir ejaculetur semen in vas naturale.« Einige meinen, es sei besser, daß die Männer sich enthalten, wenn die Frau guter Hoffnung ist, wie es die Tiere tun, statt die Ehe durch solche Häßlichkeiten zu entwürdigen.

Ich kannte in Rom eine berüchtigte Buhlerin, genannt die Griechin, die von einem großen Herrn Frankreichs dort ausgehalten wurde. Nach einiger Zeit empfand sie das Verlangen, Frankreich wiederzusehen, was ihr durch den Herrn Bonvisi, einen reichen Bankier zu Lion, ermöglicht wurde, der in sie verliebt war. Dort angelangt, beschäftigte sie sich sehr mit diesem Herrn und seiner Frau. Wenn sie ihn auch nicht zum Hahnrei machte, so sagte sie doch unter anderm: »Da ich dem Gatten so viele schöne Dinge beigebracht habe, die er dann mit seiner Frau ausgeübt hat, so ist es nicht möglich, daß sie diese Künste nicht andern zeigen möchte. Denn unser Handwerk, wenn es gut gelernt ist, ist so heiß, daß es hundertmal mehr Vergnügen macht, es mit mehreren auszuüben als mit einem.« Sie sagte ferner, daß die betreffende Dame ihr ein schönes Geschenk als Lohn für ihre Mühe machen mußte. Denn im Anfang hätte [35] ihr Gatte nichts verstanden und sich als ein dummer Neuling angestellt; sie aber hätte ihn so vortrefflich geschult, daß die Frau sehr zufrieden gewesen sei. Einst besuchte diese Dame sie, aber in Verkleidung. Die Courtisane erkannte sie jedoch und sagte ihr das, was ich eben berichtet; ja, sie sagte ihr noch schlimmere Dinge, denn sie war eine ganz zügellose Buhlerin. Auf diese Weise drehen die Ehemänner sich selbst den Strick, womit man sie aufhängt, nämlich bei ihren Hörnern. Das ist die Strafe Gottes für ihren Mißbrauch des heiligen Ehestandes. Sie aber wollen sich dann an ihren Frauen rächen und sind doch hundertmal strafbarer als jene. Ich verwundere mich auch garnicht darüber, daß jener gelehrte Heilige sagte, die Ehe sei gleichsam eine Art Ehebruch; nämlich wenn man sie so mißbrauche, wie ich eben gesagt.

Auch hat man die Ehe unsern Priestern verboten, weil man sie für unwürdig hielt, vor den Altar zu treten, wenn sie von einer Frau kommen. Nun, meiner Treu, ich habe gehört, daß einige mit ihren Frauen tollere Dinge treiben als die zügellosen Männer mit den Dirnen des Bordells; denn, in der Befürchtung, sich einen Schaden zuzuziehen, erhitzen sich diese mit den Freudenmädchen nicht so sehr wie die Ehemänner mit ihren Frauen, die sauber sind und keinen Schaden stiften können, – wenigstens einige nicht, wenn auch nicht alle. Denn ich habe etliche gekannt, die ihren Ehemännern Krankheiten beibrachten, ebenso wie die Ehemänner ihnen.

Diejenigen Gatten, die ihre Frauen mißbrauchen, sind sehr strafbar. Von großen Gelehrten habe ich gehört, daß manche Männer, statt ihre eheliche Pflicht in bescheidener Weise zu erfüllen, wie sich's gehört, ihre Frauen wie Konkubinen behandeln; während doch die Ehe als eine Notwendigkeit und der Fortpflanzung halber eingeführt ist, und nicht um des zügellosen Vergnügens willen. Hiervon gibt uns Sejanus Commodus, auch Anchus Verus genannt, ein Beispiel. Er sagte zu seiner Frau Domitia Calvilla, als diese [36] sich beklagte, daß er das, worauf sie ein Recht hätte, zu den Buhlerinnen und andern trage: »Liebe Frau, mit den andern stille ich meine Begierden, da der Name Frau und Genossin ein Ehrenname, aber kein Name der Wollust und des Vergnügens ist.« Ich weiß nicht, welche Antwort die Kaiserin ihm darauf gab; aber es ist wohl nicht zweifelhaft, daß sie, nicht zufrieden mit diesem goldenen Ausspruch, ihm antwortete, wie es die Mehrzahl der verheirateten Frauen getan haben würde: »Für diese Ehre danke ich. Es lebe das Vergnügen! Dabei fühlen wir uns wohler als mit jener Ehre.«

Zweifellos wird die Mehrzahl der verheirateten Männer unsrer und aller Zeiten, wenn sie schöne Frauen haben, ebenso sprechen. Denn sie vermählen sich doch, um ihre Zeit angenehm zu verbringen und lehren ihre Frauen alle lasziven Künste des Körpers und des Wortes, um die schafende Venus besser zu erwecken. Nachdem sie aber die Frauen in dieser Weise geschult haben, bestrafen sie sie, wenn diese sich zu andern Männern wenden, und geben ihnen sogar den Tod.

Das ist ebenso ungerecht, wie wenn jemand, der einem armen Mädchen die Ehre genommen hat, sie nachher, wenn er seinen Willen gehabt, schlagen und zur Keuschheit zwingen wollte. Das ist wahrlich nicht angebracht! Und wer würde einen solchen unvernünftigen Mann nicht verdammen und strafwürdig finden? Man könnte dasselbe von manchen Ehemännern sagen, die ihre Frauen mehr ins Laster stürzen und sie besser in der Zuchtlosigkeit unterrichten, als dies ihre Liebhaber tun; denn sie haben mehr Zeit und Gelegenheit dazu als die Liebhaber. Wenn sie dann mit ihren Unterweisungen aufhören, nehmen die Frauen einen andern Lehrer, wie ein Pferd viel lieber von einem guten Reiter bestiegen wird als von einem, der sich nicht darauf versteht. »Leider gibt es kein Gewerbe auf der Welt,« sagte jene Courtisane, »das weniger Unterbrechung verträgt, als das der Venus.« Deshalb sollten diese Ehemänner sich hüten, ihren [37] Frauen solche Unterweisung zu erteilen, denn sie schädigen sich nur dadurch. Oder wenn sie sehen, daß ihre Frauen auf Abwege geraten, so sollen sie sie wenigstens nicht bestrafen, denn sie haben ihnen ja selbst den Weg gezeigt.

Ich muß hier eine Abschweifung machen und von einer schönen und vornehmen verheirateten Frau erzählen, die ich kenne. Sie gab sich einem Edelmann hin sowohl aus Eifersucht auf eine Dame, die von diesem Edelmann geliebt und ausgehalten wurde, wie auch aus Liebe. In einer Schäferstunde sagte sie zu ihm: »In diesem Augenblick triumphiere ich über Sie und über Ihre Liebe zu jener andern.« Darauf erwiderte der Edelmann: »Wenn jemand besiegt ist und unterliegt, kann er nicht triumphieren.« Sie verstand, daß diese Antwort ihre Ehre berührte, und erwiderte sogleich: »Sie haben recht.« Damit warf sie ihn aus dem Sattel, änderte die Stellung und brachte ihn unter sich zu liegen. Niemals war ein römischer Reiter schneller und gewandter im Wechseln eines Pferdes, wie diese Dame. »Jetzt,« sagte sie, »kann ich wohl sagen, daß ich über Sie triumphiere, denn Sie unterliegen jetzt mir.« Das war eine lustige Frau, die den Ehrgeiz der Wollust besaß!

Ich hörte von einer schönen vornehmen Dame, die sehr der Liebe ergeben, zugleich aber so anmaßend, stolz und mutig war, daß sie niemals duldete, beim Manne die Stellung der Unterliegenden einzunehmen. Denn sie hielt es für eine Demütigung und Schwäche, die Unterjochte zu sein, und wollte stets die Oberhand haben. Deshalb gab sie sich auch niemals einem Manne hin, der größer als sie war, damit er keine Macht über sie ausübe und ihr nicht nach seinem Belieben Vorschriften machen könne. Sie suchte stets ihresgleichen oder Geringere, denen sie im Liebeskampf die Befehle gab, wie ein Major seinen Leuten am Tage der Schlacht Sie kommandierte, wie weit man gehen dürfe, bei Strafe des Ausübungsrechts. Sei es stehend, sitzend oder liegend: niemals duldete sie die geringste Demütigung oder Unterwerfung.

[38] Diese Dame konnte in solcher Weise befehlen, ohne von ihrer vorgeblichen Ehre einzubüßen; denn wie ich von verschiedenen Praktikern hörte, gibt es viele Mittel, derartige Befehle zu erteilen.

Das war freilich eine schlimme und eigensinnige Laune bei einer Frau, aber sie hatte doch recht; denn es ist wirklich nicht angenehm, unterjocht zu sein. Man denke nur an sich selbst, wenn man sagen muß: »Der oder jener hat mich überwältigt und getreten.« Ob nun mit Füßen oder anders, kommt auf eins heraus.

Jene Dame wollte auch niemals erlauben, daß Geringere als sie ihre Lippen küßten. »Denn,« sagte sie, »die Berührung von Mund und Mund ist köstlicher als jede andre Berührung, sei es der Hand oder der andern Glieder.« Deshalb wollte sie auf ihrem Munde nicht die Berührung unreiner oder geringerer Lippen als die ihren dulden.

Hierüber gibt es noch eine Frage, die ich von andrer Seite erörtern hörte, nämlich: Wer hat bei den Scharmützeln der Venus den größeren Siegesvorzug, der Mann oder das Weib?

Der Mann führt zu seinen Gunsten an: der Sieg sei der größere, wenn man seine süße Feindin besiegt unter sich habe und sie nach Gefallen unterjoche. Denn es gibt keine so große Dame oder Fürstin, die nicht in diesem Fall selbst von einem Niedrigeren oder Ungleichen ihre Unterwerfung unter das Gesetz der Venus erdulde, und deshalb gebühre der größere Ruhm dem Manne.

Die Frau dagegen sagt: »Ja, mein Herr, ich gebe zu, daß Sie sich siegreich fühlen, wenn Sie mich unter sich haben; aber, wenn es sich darum handelt, die Oberhand zu gewinnen, so kann ich das jederzeit ungezwungen, wenn es mir beliebt. Mehr noch, wenn die Oberhand mir nicht gefällt, kann ich mich Ihrer wieder als Sklave bedienen oder, besser gesagt, Sie am Halfter führen wie ein richtiges Wagenpferd, und Sie arbeiten und schwitzen lassen und die größten Anstrengungen von Ihnen verlangen. Indessen [39] liege ich bequem da und lasse Sie herankommen; manchmal lache ich und mache mir ein Vergnügen daraus, zu sehen, wie Sie sich abmühen. Zuweilen auch bedaure ich Sie, wenn ich gerade mitleidig gestimmt bin. Und wenn ich dann meiner Laune genug getan habe, lasse ich meinen Ritter liegen, matt, schwach und entnervt, so daß er nichts weiter mehr nötig hat, als ordentliche Ruhe und eine tüchtige Mahlzeit. Ich aber empfinde von all den Anstrengungen nichts, sondern fühle mich auf Ihre Kosten, mein Herr Ritter, gut bedient; das Einzige ist, daß ich wünsche, ein andrer käme und bereitete mir gerade so viel Vergnügen, damit ich aus ihm dasselbe mache wie aus Ihnen. Folglich ergebe ich mich niemals, sondern ich lasse meinen süßen Feind sich mir ergeben, und so ist der Sieg und der Ruhm mein! Denn wer sich in einem Duell ergibt, der trägt die Schande, und nicht wer den Kampf bis zum letzten Blutstropfen führt.«

So hörte ich auch von einer schönen Dame, die einst von ihrem Gatten aus tiefem Schlummer geweckt wurde, um mit ihr der Liebe zu pflegen. Nach dem sie ihm zu Willen gewesen, sagte sie zu ihm: »Sie haben es getan und nicht ich.« Und da sie über ihm war, fesselte sie ihn mit Armen und Beinen, und sagte: »Ich werde Sie lehren, mich ein andermal aufzuwecken!« Dabei schüttelte sie ihren Mann und warf ihn umher aus Leibeskräften; er konnte sich nicht losmachen, kam ganz außer Atem und rief um Gnade. Sie aber zwang ihn noch einmal dazu, so daß er ganz matt wurde und ihr schwor, sich schon zu rächen, wenn seine Stunde gekommen wäre. Diese Geschichte kann man sich besser selbst ausmalen, als wie man sie beschreiben kann.

Das sind die Beweisgründe, die die Frau anführt, und sie könnte deren noch mehrere beibringen.

Es gibt auch einige Frauen, denen nichts daran gelegen ist, den Samen zu empfangen, wie ich von einer großen Dame hörte, die zu ihrem Liebhaber sagte: »Tun Sie was Sie wollen und machen Sie mir Vergnügen, aber hüten Sie [40] sich bei Ihrem Leben, mir einen einzigen Tropfen zukommen zu lassen!« Da mußte der andre also im richtigen Moment genau acht geben.

Eine ähnliche Geschichte habe ich von dem Ritter de Sanzay aus der Bretagne gehört, der, wenn ihn der Tod nicht schon in seiner Jugend ereilt hätte, ein großer Seemann geworden wäre, wie seine Anfänge versprachen. Auch trug er Zeichen seiner Tapferkeit, denn er hatte in einer Seeschlacht durch einen Kanonenschuß einen Arm verloren. Zu seinem Unglück wurde er von Seeräubern ergriffen und nach Algier gebracht. Dort wurde er der Sklave des Oberpriesters der dortigen Moschee, der eine sehr schöne Frau hatte, die sich so sehr in den Sanzay verliebte, daß sie ihn verführte und er eine viel bessere Behandlung erfuhr als alle andern Sklaven. Besonders befahl sie ihm aber, bei Strafe seines Lebens oder strenger Gefängnishaft, keinen Tropfen in ihren Körper gelangen zu lassen. Denn sie wolle, wie sie sagte, nicht vom Blute eines Christen besudelt sein, womit sie glaubte, das Gesetz ihres großen Propheten Mohammed zu verletzen. Ferner gebot sie ihm, daß er, wenn sie in ihrer Liebesglut ihm auch hundertmal befehlen würde, das Ganze zu wagen, er es doch nicht tun solle; denn es sei nur ihr entzücktes Gefühl, was sie zu dieser Aufforderung hinreiße, und nicht der Wunsch ihrer Seele.

Jener Sanzay schloß, obgleich er Christ war, doch die Augen über diese Beleidigung seines Glaubens, nur um gute Behandlung und größere Freiheit zu genießen; denn ein armer mißhandelter Sklave kann sich wohl einmal vergessen. Er gehorchte also der Dame, und ließ ihre Mühle gehen ohne Wasser, das er zurückhielt, so daß die Dame ihn wegen seines Gehorsams um so mehr liebte. Und wenn sie auch ausrief: »Nur zu, ich gebe dir die Erlaubnis!« so tat er es doch nicht, denn er fürchtete, türkische Stockprügel zu erhalten, wie er es bei seinen andern Leidensgefährten gesehen hatte.

[41] Das war eine schreckliche Frauenlaune, und es scheint, daß sie für das Heil ihrer Seele, die türkisch, und für das Heil der seinigen, die christlich war, viel getan hat, da er niemals bei ihr seine Lust auslassen durfte. Ja, er schwor mir, daß er nie in seinem Leben größere Qualen ausgestanden habe.

Er erzählte mir noch eine andre, sehr lustige Geschichte von etwas, was er mit dieser Dame vornahm; aber da sie gar zu schmutzig ist, schweige ich davon, aus Furcht, keusche Ohren zu beleidigen.

Später wurde Sanzay von seinen Angehörigen losgekauft; es waren ehrenwerte Leute von gutem Hause aus der Bretagne, die zu den Großen gehören, wie der Herr Connetable, der seinen altern Bruder sehr liebte und ihm bei dessen Befreiung sehr hilfreich war. Nachdem diese stattgefunden, kam er an den Hof und erzählte Herrn d'Estrozze und mir viele lustige Geschichten, unter andern auch jene.

Was sollen wir nun von manchen Ehemännern sagen, die sich nicht damit begnügen, von ihren Frauen Liebe zu genießen, sondern sie ihren Freunden oder andern überlassen? Ich kannte mehrere, die ihre Frauen solchen Freunden gegenüber lobten und ihnen alle Reize ihrer Gattin genau schilderten.

Was verdienen solche Menschen andres, als daß sie zum Hahnrei gemacht werden, wie es Gyges vermittelst seines Ringes mit dem König der Lydier, Kandaules, tat Dieser war so töricht, dem Gyges die seltene Schönheit seiner Frau zu rühmen, als ob das Schweigen ihm das Herz abgedrückt hätte, und sie ihm dann nackend zu zeigen, so daß Gyges sich leidenschaftlich in sie verliebte. Später ließ er den Kandaules ermorden und bemächtigte sich seines Königreichs. Man sagt, die Frau sei so empört darüber [42] gewesen, sich dem Gyges nackt gezeigt zu haben, daß sie ihn zu dieser Untat gezwungen, indem sie ihm sagte: »Wer dir das geraten hat, der soll von deiner Hand sterben, oder du, der du mich nackt gesehen, sterbest von seiner Hand!« Welche Torheit von diesem König, einen andern nach diesem schönen Gute lüstern zu machen, das er so wert hätte halten sollen!

Ludwig, Herzog von Orleans, der an der Porte Barbette zu Paris ermordet wurde, und einer der größten Jäger der Hofdamen war, verfuhr anders. Als er einst mit einer sehr schönen Dame ein Schäferstündchen hatte, kam der Gatte ins Zimmer, um ihm guten Tag zu sagen. Er bedeckte schnell das Gesicht der Dame mit dem Laken und ließ nur den Körper frei, den er dem andern überließ, aber unter der Bedingung, bei seinem Leben nicht das Tuch vom Gesicht der Dame zu nehmen. Das wagte dieser denn auch nicht zu tun, und der Liebhaber fragte den Gatten mehrmals, wie er diesen schönen nackten Körper finde. Der Mann war ganz entzückt davon. Darauf verabschiedete ihn der Herzog, und der Gatte erfuhr niemals, daß es seine Frau gewesen war.

Wenn er aber die Nacktheit seiner Frau besser gekannt hätte, so würde er sie auch an gewissen Merkmalen wiedererkannt haben. Deshalb ist es gut, sich den Körper der Frau öfter anzusehen.

Als der Gemahl fort war, fragte der Herr von Orleans die Frau, ob sie sich geängstigt habe. Man stelle sich selbst die Qual und Aufregung vor, die sie eine Viertelstunde lang ausgestanden; denn durch die geringste Neugierde oder Unfolgsamkeit ihres Gatten wäre sie entdeckt worden. Der Herzog sagte, daß er in diesem Fall den Gatten getötet haben würde, um zu verhindern, daß er ihr ein Leid antue.

Das Beste ist nun, daß der Herr Gemahl, als er in der folgenden Nacht bei seiner Frau war, dieser erzählte, der Herr von Orleans habe ihm die schönste nackte Frau gezeigt, die er jemals gesehen; aber von dem Gesicht könne [43] er nichts sagen, denn es wäre ihm verboten worden, es anzusehen. Man stelle sich vor, was die Frau darüber bei sich dachte. Von dieser großen Dame und dem Herzog von Orleans soll jener tapfere Bastard von Orleans, die Stütze Frankreichs und die Geißel Englands, abstammen, der seinerseits das edle Geschlecht der Dunois erzeugte.

Doch um noch einmal auf die Ehemänner zurückzukommen, die so verschwenderisch mit der Nacktheit ihrer Frauen umgehen, will ich noch von einem Manne berichten, den eines Morgens ein Freund besuchte, als er sich grade ankleidete. Bei dieser Gelegenheit zeigte der Gatte ihm seine Frau ganz nackend auf dem Bett im Schlummer liegend, ohne jegliche Bedeckung, denn es war sehr heiß. Er zog den Vorhang halb zurück, so daß die aufgehende Sonne ihre Schönheit bestrahlte. Der Freund weidete seine Blicke daran, und dann gingen beide Männer zum König.

Am nächsten Tage erzählte der Edelmann, der ein glühender Anbeter dieser Dame war, diesem jene Vision und beschrieb ihm die verborgensten Schönheiten, die er gesehen, und daß der Gatte selbst den Vorhang weggezogen, was dieser bestätigte. Die Dame aber, aus Zorn über ihren Gatten, warf sich ihrem Freunde, und zwar nur aus diesem Grunde, an den Hals, und so erwarb er das, was er durch all seine Verehrung dieser Dame nicht erreicht hatte.

Ich kannte einen sehr großen Herrn, der eines Morgens zur Jagd gehen wollte, und als früh seine Gefährten kamen, fanden sie ihn noch an der Seite seiner Frau. Der Gatte hob schnell die Bettdecke auf, so daß die Frau keine Zeit hatte, die Hand ihres Gatten von einem Orte zu entfernen, wo sie sich in diesem Augenblicke gerade befand. Lachend sagte er zu den Herren: »Nun, meine Herren, habe ich Ihnen nicht hübsche Sachen gezeigt?« Die Frau war so empört, daß sie ihm das Schlimmste wünschte, nur weil er die Hand aufgedeckt hatte. Und wahrscheinlich hat sie es ihm nachher auch heimgezahlt.

[44] Ich weiß noch einen andern Streich von einem großen Herrn. Dieser wußte, daß einer seiner Freunde und Verwandten in seine Frau verliebt war, und sei es nun, daß er dessen Begierde noch mehr reizen wollte oder ärgerlich war, daß er eine so schöne Frau besaß, die der andre nicht auch genossen hatte, kurz, eines Morgens, als der Freund zum Besuch kam, zeigte er ihm seine Frau, mit der er im Bette lag, halb nackend; ja noch schlimmer, er vollzog mit seiner Frau vor den Augen des Freundes den Akt, als ob sie allein gewesen wären, und bat den Freund, recht genau zuzusehen; was dieser auch tat. Man sage selbst, ob diese Frau nicht Ursache hatte, sich ihrem Freunde hinzugeben, und ob der Gatte nicht mit Recht die Hörner trug.

Ich habe von einem andern großen Herrn gehört, der seine Frau vor den Augen seines Herrn, eines Prinzen, liebte, aber es geschah auf dessen Wunsch und Befehl, weil dieser daran Vergnügen fand. Sind diese Männer nicht strafwürdig, die ihre eigenen Kuppler sind, und doch Richter und Henker sein wollen?

Man soll niemals seine Frau nackend zeigen, ebensowenig wie seine Landgüter, Länder und Städte, wie ich von einem großen Kriegsherrn bezüglich des Herrn von Savoyen hörte, der unserm letzten König Heinrich abriet, als er auf seiner Rückkehr aus Polen durch die Lombardei kam, die Stadt Mailand zu betreten, weil der König von Spanien dadurch Verdacht schöpfen könnte. Aber das war nicht der wirkliche Grund: er fürchtete vielmehr, daß der König, wenn er diese Stadt besuche, und ihre Schönheit und Größe und ihren Reichtum sähe, von Neid erfüllt werden und ihn berauben würde, wie es seine Vorgänger getan hatten. Um aber dem Herrn von Savoyen gefällig zu sein und den König von Spanien nicht zu reizen, ging er an der Stadt vorbei, obgleich er die größte Lust hatte, hineinzugehen. Er hat mir das auf seinem Rückwege von Lyon erzählt Deshalb ist nicht zu bezweifeln, daß der Herr von Savoyen mehr Spanier als Franzose war.

[45] Ich erachte auch die Männer für verdammenswert, die, nachdem sie durch die Gunst ihrer Frauen ihr Leben gerettet, so undankbar sind, sie unter dem Verdacht andrer Liebschaften roh zu behandeln, ja ihnen sogar nach dem Leben zu trachten. Ich hörte von einem Herrn, gegen den eine Verschwörung bestand und der durch die Bitten seiner Frau vor dem Tode durch Mörderhand errettet wurde. Nachher aber zeigte er sich wenig erkenntlich und behandelte sie sehr strenge.

Ich habe auch einen Edelmann gesehen, der angeklagt war, weil er in einer Schlacht seine Pflicht sehr schlecht erfüllt und seinen General, statt ihm beizustehen, hatte töten lassen. Er wurde zur Enthauptung verurteilt, trotzdem er sich mit zwanzigtausend Talern loszukaufen suchte. Seine Frau, die sein Leben retten wollte, sprach mit einem einflußreichen Manne und gewährte ihm, mit Erlaubnis, ja auf Bitten ihres Gatten, Liebe. Und was das Geld nicht vermochte, brachte ihre Schönheit zuwege: sie erwarb ihm Leben und Freiheit Später behandelte er sie dafür schlechter als je. Solche grausamen Männer sind ganz erbärmlich.

Andre wieder kannte ich, die besser handelten, denn sie wußten, woher ihnen das Gute kam und hielten das liebe Ding, das sie vom Tode errettet, ihr Leben lang in Ehren.

Es gibt noch eine andre Art von Hahnreien, das sind die, denen es nicht genügt, während ihres Lebens betrogen zu sein, sondern die es sogar noch in ihrer Todesstunde sind. So kannte ich einen, der eine sehr schöne Frau besaß, aber nicht gut allein sein konnte, und als er zu sterben kam, sagte er zu ihr: »Ach, mein Liebling, ich muß sterben. Wolle Gott, daß du mir Gesellschaft leistest und daß wir zusammen ins Jenseits gehen! Dann würde mir der Tod leichter sein.« Die Frau aber, die noch sehr schön und erst 37 Jahre alt war, wollte ihm nicht folgen. Sie war nicht so töricht wie jene Evadne, Tochter des Mars und der Thebe, Frau des Kapaneos, die ihren Gatten so glühend liebte, daß sie, als sein Leichnam verbrannt wurde, [46] sich lebendig in die Flammen stürzte und ihn so in den Tod begleitete.

Noch mehr tat Alceste, die, als sie durch das Orakel erfuhr, daß ihr Gatte Admettos, König von Thessalien, bald sterben werde, wenn er nicht durch den Tod eines seiner Freunde losgekauft würde, sich sofort den Tod gab und so ihren Gemahl rettete.

Heutzutage gibt es nicht mehr solche barmherzigen Frauen, die vor ihrem Gatten in den Tod gehen oder ihm dahin folgen. Nein, man findet sie nicht mehr: ihre Mütter sind gestorben, wie die Roßhändler in Paris sagen, wenn es keine guten Pferde mehr gibt.

Deshalb finde ich es auch ungeschickt von jenem Gatten, den ich oben erwähnte, seiner Frau so etwas zu sagen und sie zum Sterben einzuladen wie zu einem vergnügten Feste. Es war eine dumme Eifersucht, die ihn so sprechen ließ, als ob ihm das Jenseits verleidet würde, wenn er seine so gut geschulte Frau in den Armen eines Geliebten oder eines andern Gatten wüßte.

Anders hielt es der tapfre Tankred, der sich in den Kreuzzügen so sehr auszeichnete. Als ihm der Tod nahte und seine Gattin mit dem Grafen von Tripolis klagend an seinem Lager stand, bat er sie beide, nach seinem Tode einander zu heiraten; ja, er befahl es seiner Frau, und sie taten es auch.

Man bedenke, daß er bei seinen Lebzeiten verschiedene Liebesaffairen seiner Frau gesehen hatte; denn sie war ein ebenso leichtfertiges Weib, wie ihre Mutter, die Herzogin von Anjou, die, nachdem der Graf von Bretagne sie lange Zeit ausgehalten hatte, dem König Philipp von Frankreich angehörte, der von ihr die Bastardtochter Cicile hatte. Dann gab der König sie dem tapferen Tankred zur Frau, der sicherlich wegen seiner Heldentaten nicht verdiente, ein Hahnrei zu sein.

Ein Albanese, der in seinem Lande wegen irgend eines Verbrechens zum Tode durch den Strang verurteilt worden [47] war, befand sich in Diensten des Königs von Frankreich. Als man ihn zur Richtstätte führen wollte, bat er, seine schöne und liebenswürdige Frau sehen und von ihr Abschied nehmen zu dürfen. Als er sie nun zum Abschied küßte, biß er ihr die Nase ab. Vom Richter gefragt, weshalb er diese Schandtat begehe, antwortete er: »Aus Eifersucht. Denn sie ist sehr schön, und ich weiß, daß sie nach meinem Tode sehr begehrt werden und sofort einem meiner Gefährten angehören wird, den ich als sehr wollüstig kenne, und dann wird sie mich gleich vergessen. Ich will aber, daß sie nach meinem Tode sich meiner erinnere, und daß sie weint und klagt, wenn auch nicht wegen meines Todes, so doch, weil ihr schönes Gesicht entstellt ist. Niemand meiner Genossen soll die Freude an ihr haben, die ich hatte.« Das war in der Tat eine fürchterliche Eifersucht!

Ich hörte von andern Männern, die, wenn sie sich alt, hinfällig und dem Tode nahe fühlten, aus reiner Eifersucht ihren Frauen heimlich das Leben gekürzt hatten, selbst wenn diese schön gewesen waren.

Bezüglich dieser sonderbaren Launen so tyrannischer und grausamer Ehegatten, die ihren Frauen den Tod geben, hörte ich die Frage aufwerfen: ob es den Frauen erlaubt sei, ihren Männern zuvorzukommen und ihnen, um sich zu retten, zuerst eine Wohnung im Jenseits zu bereiten, wenn sie bemerken oder ahnen, welche Grausamkeit ihnen von Seiten ihres Gatten droht.

Darauf habe ich antworten hören: Ja, sie dürfen es tun, zwar nicht nach dem Gesetz Gottes, denn jeder Mord ist verboten, aber nach dem der Welt. Man beruft sich hierbei auf die Meinung, daß es besser sei, zuvorzukommen, als überrascht zu werden; denn schließlich ist jeder um sein Leben besorgt, und da Gott es uns gegeben hat, sollen wir es hüten, bis der Tod uns abruft. Andrerseits heißt es sich selbst umbringen, wenn man dem Tode nicht ausweicht, wo man es doch könnte. Und das ist Gott verhaßt. Es ist[48] daher das beste Mittel, den Hieb zu parieren, indem man die mörderischen Ehemänner vorher ins Jenseits schickt, wie es Blanche d'Auverbruckt mit ihrem Gatten, dem Herrn von Flavy, machte, dem Gouverneur und Kriegshelden von Compiègne, der die Jungfrau von Orleans verriet und ihren Untergang veranlaßte. Blanche, die erfahren hatte, daß ihr Gatte sie ertränken lassen wollte, kam ihm zuvor und erwürgte ihn mit Hilfe seines Barbiers, der seinerseits vom König Karl VII. sogleich begnadigt wurde. Der Umstand, daß Flavy ein Verräter gewesen, beförderte den Gnadenakt wahrscheinlich ganz besonders. Diese Geschichte findet sich in den »Annalen von Frankreich«, besonders in denen von Guyenne.

Unter der Regierung Franz I. verfuhr eine Frau de la Borne ebenso, die ihren Mann wegen verschiedener, vielleicht ungeheurer Verbrechen, die er an ihr und andern begangen, dem Gerichte anzeigte, seine Gefangenschaft und endlich seine Enthauptung bewirkte. Diese Geschichte habe ich von meiner Großmutter, die jene Dame eine schöne Frau aus gutem Hause nannte. Diese hatte also einen tüchtigen Vorsprung gewonnen.

Die Königin Johanna I. von Neapel machte es ebenso mit dem Infanten von Majorca, ihrem dritten Gatten. Sie ließ ihn enthaupten, weil sie ihn fürchtete und ihm zuvorkommen wollte; womit sie recht hatte, wie alle ihresgleichen, wenn sie Ursache haben, ihren Männern zu mißtrauen.

Ich hörte von vielen Damen, die sich auf diese Weise tapfer gerettet haben. Eine kannte ich, die von ihrem Gatten bei ihrem Liebhaber gefunden wurde; der Gatte sagte weder dem einen noch dem andern ein Wort, sondern ging wütend hinweg, sie in Angst und Aufregung mit ihrem Freunde zurücklassend. Aber sie faßte sich und sagte: »Er hat mir kein Wort gesagt, und daher fürchte ich, daß er es mir nachtragen wird; aber sollte ich die Gewißheit haben, daß er mich umbringen will, so werde ich ihm zuvorkommen.« Das Glück war ihr insofern günstig, als der Mann nach einiger Zeit von selbst starb.

[49] Es gibt noch eine andre Streitfrage über diese gefährlichen Hahnreie, nämlich an wem sie Rache nehmen sollen, an ihren Frauen oder an deren Liebhabern.

Einige sagen: an der Frau, indem sie sich auf das italienische Sprichwort berufen: Morta la bestia, morta la rabbia o veneno. Sie meinen, daß man sich am besten von einem Übel befreit, wenn man den Übeltäter tötet; wie jemand, der von einem Skorpion gestochen worden ist, am besten tut, ihn zu töten, zu zerquetschen und ihn auf die Bißwunde zu legen. Jene behaupten also, daß die Frauen die Strafbaren sind. Ich habe hierbei nur die großartigen Frauen im Sinne, nicht die kleinen, gewöhnlichen und von niederer Art. Denn jene fordern durch ihre Reize, wie auch durch ihre Worte und Befehle zum Kampfe heraus, und wer den Kampf hervorruft und fordert, ist strafbarer, als wer sich nur verteidigt. Die Männer aber stürzen sich nicht ohne den Aufruf der Frauen in solche Gefahren, so wie es in einer großen und starken Festung sehr verkehrt ist, einen Ausfall zu machen, wenn nicht unter den Leuten darin eine stillschweigende Verständigung herrscht, wodurch sie sich gegenseitig antreiben und einander die Hände reichen.

Da nun die Frauen schwächer sind als die Männer, muß man ihnen verzeihen und glauben, daß, wenn die Liebe einmal ihr Herz ergriffen hat, sie ihr um jeden Preis folgen und sich nicht begnügen, sie im Herzen zu nähren und zu verschmachten und ihre Schönheit einzubüßen, die ihnen doch die Wonnen verschaffen soll; damit sie, wie man sagt, nicht an dem Schmerz des Iltis sterben.

Ich habe mehrere schöne Frauen von dieser Gemütsart gekannt, die bei der Liebeswerbung die Ersten waren, statt daß dies die Männer sind, und zwar geschah es aus den verschiedensten Gründen. Die einen waren von der Schönheit, Tapferkeit und Liebenswürdigkeit der Männer hingerissen; [50] die andern suchten denari zu erlangen; andere wieder Perlen, Edelsteine, goldene und silberne Gewänder. Sie streben gleich dem Kaufmann möglichst viel aus ihrer Ware herauszuschlagen (so sagt man auch, eine Frau, die nimmt, verkauft sich). Andere wieder buhlen um Hofgunst, andere um Gunst bei der Justiz, wie verschiedene Schönen, die ich kannte und die ihrem mangelhaften Recht durch ihre Schönheit und durch jenen verborgenen Reiz aufzuhelfen verstanden.

Ich sah viele Frauen so verliebt in ihre Anbeter, daß sie selbst diesen nachliefen, so daß die Welt sich ihretwegen schämte.

Ich kannte eine sehr schöne Dame, die so verliebt in einen großen Herrn war, daß sie die Farben ihres Liebhabers trug, während doch die Liebhaber gewöhnlich die Farben ihrer Dame tragen. Ich könnte jene Farben nennen, aber das wäre zuviel verraten.

Eine andre kannte ich, deren Gatte in einem Turnier am Hofe ihrem Liebhaber eine Niederlage beigebracht hatte und sich im Ballsaal dessen rühmte. Die Frau verkleidete sich inzwischen als Mann und suchte ihren Geliebten auf, dem sie nun als Maske ihren Schoß darbot; denn Sie war bis zum Sterben in ihn verliebt.

Ich kannte einen Edelmann, der den besten Leumund bei Hofe hatte. Eines Tages bekam er Lust, einer sehr schönen und anständigen Dame zu dienen, wenn auch nur einmal. Denn einerseits war sie ihm sehr entgegengekommen, andrerseits wollte er aus verschiedenen Gründen zurückhalten. Die Dame aber, die ihn nun einmal ins Herz geschlossen hatte, und, wie sie sagte, alles auf einen Wurf setzen wollte, hörte nicht auf, ihn mit den schönsten Liebesworten anzulocken. So sagte sie zu ihm unter anderm: »Erlaubt mir doch wenigstens, daß ich Euch liebe, wenn Ihr mich nicht lieben wollt, und legt weniger Wert auf meine Verdienste als auf meine Neigung und Leidenschaft!« Und dabei war sie dem Edelmann an Vollkommenheiten noch überlegen. Was konnte dieser nun anderes tun, als sie heben, da sie ihn liebte, und[51] ihr dienen und den Lohn seines Dienstes einheimsen, den er auch erhielt. Denn wer einen Dienst leistet, muß bezahlt werden.

Ich könnte eine Unmenge solcher Damen anführen, die den Männern mehr nachstellen, als ihnen von diesen nachgestellt wird. Deshalb tragen sie auch mehr Schuld als ihre Liebhaber; denn wenn sie den Mann einmal aufs Korn genommen haben, ruhen sie nicht eher, als bis sie zum Ziele kommen, und zwar durch verlangende Blicke, wohlstudierte Reize, geschminktes Gesicht, wenn dieses nicht schön ist, hübschen Kopfputz, prächtige Gewänder und besonders durch ihre pikanten und halblasziven Worte, verführerische Gebärden, und endlich durch Gaben und Geschenke. Dadurch werden die Liebhaber umgarnt, und sind sie dies einmal, dann bleibt ihnen nichts weiter übrig, als das Angebot anzunehmen. Deshalb sagen Einige, daß die Ehegatten ein Recht haben, sich an den Frauen zu rächen.

Andere aber behaupten, die Männer seien die Schuldigen und an sie müsse man sich halten, grade wie bei den Belagerern einer Stadt. Denn diese sind es, die zuerst das Trompetensignal geben, zur Übergabe auffordern und spionieren, zuerst die Schanzgräben anlegen, die Batterien aufstellen, zuerst zum Sturm vorgehen oder parlamentieren: So, sagt man, machen es die Liebhaber. Denn da die Kühnsten, Tapfersten und Entschlossensten die Festung der weiblichen Schamhaftigkeit bestürmen, sind die Frauen nach all diesen Belagerungskünsten gezwungen, das Zeichen der Übergabe zu geben und den Feind in ihre Festung aufzunehmen. Mir scheinen sie deshalb weniger schuldig, als man behauptet; denn es ist sehr schwer, sich eines Aufdringlichen entledigen zu müssen, ohne dabei von dem Seinigen einzubüßen. Ich habe viele gesehen, die durch lange Ausdauer ihre Herrinnen besiegten, welche ihnen anfänglich nicht den kleinen Finger gegeben hätten. Sie zwangen die Frauen, wenigstens einige, dazu, so daß diese [52] sich mit Tränen in den Augen ihnen ergaben, grade wie man in Paris oftmals den Bettelmönchen Almosen gibt, mehr wegen ihrer Aufdringlichkeit, als um der Liebe Gottes willen. So auch die Frauen: sie tun es mehr, weil sie so bestürmt werden, als aus eigener Verliebtheit, besonders großen Herren gegenüber, die sie fürchten und wegen ihrer Macht nicht abzuweisen wagen, aus Furcht vor einem folgenden Skandal oder offener Beleidigung und noch größerer Verletzung ihrer Ehre. In dieser Beziehung sah ich große Unannehmlichkeiten entstehen.

Deshalb sollten die bösen Ehemänner, die so viel Gefallen am Blut und Totschlag und an schlechter Behandlung ihrer Frauen finden, nicht so voreilig sein, sondern zuerst alles genau erforschen, so ärgerlich ihnen auch die gewonnene Erkenntnis sein mag.

Ich kannte einen ausländischen Prinzen, der eine schöne und achtbare Dame geheiratet hatte, mit der er aber den Verkehr unterbrach, um ihn einer andern zu widmen, die als Courtisane bekannt war; andere sagten, es sei eine Ehrendame, die er verführt. Das genügte ihm aber noch nicht, denn er quartierte sie in einem, unter dem Schlafgemach seiner Frau gelegenen Zimmer ein, und wenn er zu seiner Herrin hinauf wollte, verschärfte er die Schmach, die er ihr antat, noch dadurch, daß er lachend und spottend zwei oder dreimal an die Decke klopfte und zu seiner Frau hinaufrief: »Wohl bekomm's, mein Weibchen!« Dieser Unfug dauerte mehrere Tage und ärgerte die Frau so sehr, daß sie aus Wut und Rache eines Tages sich einem Edelmann näherte und ihm heimlich sagte: »Hören Sie mal, ich wünsche, daß Sie meine Liebe genießen, andernfalls weiß ich ein Mittel, um Sie zu ruinieren.« Der andere, sehr zufrieden mit einem so schönen Abenteuer, schlug es auch nicht ab. Als nun der Gatte seine Freundin und die Gattin ihren Freund in den Armen hatte und der Erstere rief: »Wohl bekomm's!« antwortete sie: »Danke, gleichfalls!« oder auch: »Ich werde es dir schon heimzahlen.« Diese Reden und [53] Antworten gingen eine lange Zeit hin und her, bis der scharfsinnige Prinz etwas zu merken anfing, und da er einst aufpaßte, fand er, daß seine Frau ihn zum Hahnrei gemacht und ihm das »Wohl bekomm's!« aus Rache zugerufen hatte. Diese Entdeckung verwandelte die Komödie in ein Trauerspiel. Als er ihr das letzte Mal den Trinkspruch zurief und sie ihm ebenso geantwortet hatte, stieg er schnell hinauf zu ihr, öffnete die Tür mit einem Dietrich, trat ein und warf ihr ihr Vergehen vor. Sie aber erwiderte: »Ich weiß wohl, daß dies mein Tod ist; immerhin bringe mich um, ich fürchte den Tod nicht, ja, ich erleide ihn gern, denn ich habe mich wenigstens an dir gerächt und dir die Hörner aufgesetzt. Du aber hast mir dazu die Veranlassung gegeben, sonst hätte ich es nicht getan. Denn ich hatte dir Treue bewahrt und hätte sie um nichts in der Weh verletzt Aber du verdientest keine anständige Frau, wie ich bin. Nun, so töte mich denn augenblicklich! Nur möchte ich dich bitten, wenn etwas Mitleid in dir wohnt, diesen Edelmann zu schonen, denn er handelte nicht aus eigenem Antriebe, sondern ich selbst habe ihn mir zum Werkzeug meiner Rache gewählt.« Aber der Prinz war so grausam, alle beide zu töten. Was hätte diese arme Prinzessin in ihrer Lage auch anderes tun sollen? Einige werden sie entschuldigen, andere sie verurteilen. Und in der Tat läßt sich vieles dafür und dagegen sagen.

In den »Hundert Erzählungen« der Königin von Navarra findet sich eine ähnliche Geschichte von der Königin von Neapel, die sich in derselben Weise an ihrem Gemahl rächte; aber das Ende war nicht so tragisch.

Lassen wir nun diese wütigen Hahnreie und reden wir nicht mehr von ihnen, denn sie sind abscheulich und wenig amüsant. Ich hätte ja auch gar nicht davon gesprochen, wenn ich nicht eben alles beschreiben wollte, ob nun der Gegenstand schön ist oder häßlich. Reden wir jetzt lieber von den lustigen Hahnreien, den guten Kerlen, die die Augen schließen, ein sanftes Gemüt, liebenswürdige Manieren haben und leicht zu behandeln sind.

[54] Unter diesen gibt es manche, die die Sache zum voraus wissen, bevor sie heiraten, denn ihre Frauen, Witwen oder jungen Mädchen, haben den Sprung bereits getan; andere wieder wissen es nicht, aber sie heiraten in gutem Glauben auf den Treueid der Frauen hin, oder au! die Versicherung seitens deren Eltern oder Freunde.

Ich kannte mehrere, die Frauen oder Mädchen heirateten, von denen sie wußten, daß sie in den Händen von Königen, Fürsten, großen Herren und andren gewesen waren; trotzdem waren sie entzückt von deren Liebe, und deren Reichtum, den sie durch ihr Liebeshandwerk erworben hatten, und heirateten sie ohne Skrupel. Ich werde jetzt nur von diesen Mädchen reden.

Von der Tochter eines Souveräns hörte ich, die sich in einen Edelmann verliebt und sich ihm hingegeben hatte, so daß sie von ihm die ersten Früchte der Liebe gepflückt. Sie war so lüstern auf ihn, daß sie ihn einen ganzen Monat lang in ihrem Schlafzimmer behielt und ihn auf das köstlichste pflegte, um dann ihrerseits das Gute davon zu haben. Nachdem sie ihre erste Lehrzeit unter ihm durchgemacht, nahm sie weiteren Unterricht bei ihm, solange er lebte, und später auch bei andern. Darauf vermählte sie sich im Alter von 45 Jahren mit einem Herrn, der nichts dagegen einzuwenden hatte und sich in der Ehe mit ihr sehr wohl befand.

Bei Boccaccio findet sich ein Sprichwort, das in seiner Zeit gang und gäbe war: »Ein geküßter Mund verliert niemals seinen Wert, sondern erneuert ihn stets, gleichwie der Mond.« Dieses Wort bezieht sich auf eine Geschichte, die er von der schönen Tochter des Sultans von Ägypten erzählt, die mit neun verschiedenen Liebhabern wenigstens dreitausendmal nacheinander Buhlschaft getrieben. Endlich [55] wurde sie als Jungfrau, d.h. als vorgebliche, dem König von Garbo zur Gemahlin gegeben, der gleich von vornherein einwilligte und nichts dagegen hatte. Die Geschichte ist sehr hübsch erzählt.

Von einem großen Herrn hörte ich, daß einige Große sich, wenn auch nicht immer gern, darein fügen, daß das Mädchen vor der Ehe schon durch die Hände von drei oder vier Liebhabern gegangen ist. Er meinte unter anderm einen Seigneur, der in eine große Dame von noch etwas höherem Stande als er sterblich verliebt war und Gegenliebe fand. Aber es trat ein Hindernis ein, woran ihre Ehe scheiterte. Da fragte jener Edelmann: »Hat sie denn schon einmal Liebe genossen?« Als man ihm darauf »Nein« antwortete, entgegnete er: »Um so schlimmer, denn dann hätte doch wenigstens der eine oder andre etwas von ihr gehabt« Von den Großen wird also kein solch hoher Wert auf die Jungfrauschaft gelegt; die Hauptsache ist, daß die Verbindung unter den Großen zustande kommt Glücklich sind also die guten Ehemänner, die ihre Hahnreischaft von vornherein kennen.

Als König Karl sein Land bereiste, fand er in einer Stadt, die ich wohl nennen könnte, ein Mädchen, das ein Kind von vornehmer Abkunft zur Welt brachte; dieses wurde einer armen Frau der Stadt in Pflege gegeben, wofür sie 200 Taler im voraus erhielt Die arme Frau pflegte und erzog die Kleine so gut, daß sie mit 15 Jahren sehr schön war, aber verlassen dastand; denn die Mutter, die sich vier Monate darauf mit einem großen Herrn verheiratete, kümmerte sich nicht mehr um sie. Ach, wie viele habe ich gekannt, die dem Leben in dieser Weise achtlos preisgegeben waren!

Einst hörte ich in Spanien erzählen, daß ein Grande von Andalusien, der eine seiner Schwestern mit einem ebenso vornehmen Herrn verheiratet hatte, drei Tage nach der Hochzeit zu diesem sagte: »Mein Herr Bruder, jetzt da Sie mit meiner Schwester vermählt sind und Sie sie [56] allein genießen, können Sie erfahren, daß sie als Mädchen von manchem andern genossen worden ist. Aber kümmern Sie sich nicht um die Vergangenheit, die wenig bedeutet; desto mehr aber um die Zukunft, denn die geht Sie mehr an.«

Es gibt auch manche, die, wie es scheint, nicht vorher, sondern nachher über ihre Hahnreischaft Bescheid wissen.

Ich hörte von einem vornehmen ausländischen Herrn sprechen, der eine sehr schöne Tochter besaß, um deren Hand ein anderer großer Herr anhielt; er war ihrer würdig und der Vater gab sie ihm zur Frau. Bevor er sie jedoch aus seinem Hause entließ, wollte er sie selbst versuchen und sagte, er wolle ein so schönes und sorgfältig erzogenes Mädchen nicht so leicht hingeben, sondern zuerst selbst erproben, was sie in Zukunft leisten werde.

Ich weiß nicht, ob die Geschichte wahr ist, aber ich habe sie erzählen hören; ja, nicht nur der Vater, sondern auch ein andrer schöner und tapferer Edelmann sollte die Probe angestellt haben. Trotzdem fand der Gatte sie nicht im mindesten bitter, sondern im Gegenteil süß wie Zucker. Er war eben kein Kostverächter, denn das Mädchen war von wunderbarer Schönheit.

Ähnliches habe ich von vielen andern Vätern gehört, die sich nicht mehr Gewissen daraus machten, wie der Hahn in der Äsop'schen Fabel. Dieser begegnete einst dem Fuchs und wurde von ihm mit dem Tode bedroht Der Hahn führte nun alle die Wohltaten an, die er der Welt erweise, und erwähnte besonders die vielen schönen Hühner, die er erzeuge. »Ei!« sagte der Fuchs, »das wollte ich grade hören, mein Herr Ritter. Denn Ihr seid so lüstern, daß Ihr Euch kein Gewissen daraus macht, mit Euren Töchtern zu buhlen wie mit den andern Hennen.« Damit fraß er ihn auf. Wahrlich, der Herr Fuchs war ein großer und weltkluger Richter!

Ich stelle es anheim, sich auszudenken, was einige Mädchen mit ihren Liebhabern anfangen können (denn es [57] gab nie ein Mädchen, das nicht einen Freund gehabt oder gewünscht hätte), wenn die Väter, Brüder, Vettern oder andere Verwandte selbst die Liebhaber sind.

Ferdinand, König von Neapel, heiratete seine Tante, Tochter des Königs von Kastilien, im Alter von 13 bis 14 Jahren, aber es geschah mit Erlaubnis des Papstes. Man machte damals Schwierigkeiten, ob sie bereits Gattin sein dürfe oder könne. Dies erinnert an den Kaiser Caligula, der alle seine Schwestern eine nach der andern verführte; ganz besonders liebte er die jüngste, Namens Drusilla, die er schon als Knabe entjungfert hatte. Später wurde sie einem gewissen Lucius Cassius Longinus vermählt, einem Konsul; Caligula aber entführte sie diesem und lebte öffentlich mit ihr, als ob sie seine legitime Frau sei. Als er einst krank wurde, vermachte er ihr alle seine Güter, ja, das Kaiserreich. Sie starb jedoch, und er betrauerte sie dermaßen, daß er Gerichtsferien ausrufen ließ und die Einstellung aller andern Arbeiten befahl, damit das Volk mit ihm trauere. Er selbst trug zum Zeichen der Trauer lange Zeit Bart und Haare lang, und wenn er zum Senat, zum Volk oder Heere sprach, schwor er nie anders als bei dem Namen der Drusilla.

Was seine andern Schwestern betrifft, so überließ er sie, wenn er ihrer überdrüssig war, seinen Hofknaben, mit denen er häßlichen Verkehr gepflogen hatte. Wenn er ihnen keinen weiteren Schaden getan hätte, möchte es gehen, denn sie hatten sich daran gewöhnt, und ich hörte öfter deflorierte Mädchen und mit Gewalt genommene Frauen jenen Schaden einen ganz angenehmen nennen; aber Caligula fügte ihnen größere Schmach zu: er schickte sie in die Verbannung und nahm ihnen alle ihre Ringe und Edelsteine, um sie zu Gelde zu machen; denn er hatte den großen Staatsschatz, den Tiberius ihm hinterlassen, durch schlechte Wirtschaft vergeudet. Dennoch ließen die Ärmsten, als sie nach seinem Tode aus der Verbannung heimkehrten und den Leichnam ihres Bruders armselig [58] eingescharrt fanden, ihn ausgraben, verbrennen und ihn so ehrenvoll beisetzen, wie sie konnten. Das war von den Schwestern gewiß eine große Güte gegen einen so undankbaren und entarteten Bruder.

Um die unstatthafte Liebe unter Geschwistern zu entschuldigen, sagt der Italiener: »Quando messer Bernardo, il buciacchi, sta in colera et in sua rabbia, non riceve legge, e non perdona a nessuna dama.«

Wir haben viele Beispiele von den Alten, die es ebenso machten. Aber um auf unser Thema zurückzukommen: ich hörte von jemandem erzählen, der ein schönes, anständiges Fräulein mit einem seiner Freunde vermählt hatte und sich rühmte, er habe ihm ein schönes Pferdchen gegeben, das gesund, reinlich, ohne Überbeine und ohne Kniegeschwulst sei, wie er sich ausdrückte, und deshalb wäre der Gatte ihm besonders verpflichtet Darauf erhielt er zur Antwort: »Ja, das ist ganz gut und schön; wenn dies Pferdchen nur nicht in seiner Jugend gar zu oft geritten worden wäre. Es hat jetzt ein bißchen zu viel Satteldruck vorne.«

Ich möchte wohl von diesen Herren Ehemännern wissen, ob sie nicht oft gegen solches Gestüt etwas einzuwenden finden und nicht manchen Fehler an ihm entdecken, wenn sie es gar so billig gekauft haben, und ob es ihnen nicht noch teuer zu steifen kommt? Alan könnte das Roß ja auch einem andern geben, der es besser verdiente als sie, wie jene Roßhändler sich ihrer mangelhaften Pferde entledigen. Diejenigen aber, die die »Wenn und Aber« ihrer Rosse kennen, geben sie, wenn sie nicht anders können, solchen Leuten, die nichts davon verstehen. Denn, wie ich von mehreren Vätern hörte: es ist sehr schwer, eine fehlerhafte Tochter, oder eine, die es zu werden scheint, anzubringen.

[59] Ich kenne Mädchen der großen Welt, die ihre Jungfrauschaft nicht mit ins Ehebett bringen, jedoch von ihrer Mutter oder andern Verwandten und Freundinnen, sehr erfahrenen Kupplerinnen, gehörig unterrichtet sind, bei dem ersten Anfall gute Miene zu machen. Sie haben verschiedene Mittel und Erfindungen, um die Gatten über die geschlagene Bresche zu täuschen. Der größte Teil hilft sich damit, dem ersten Ansturm Widerstand entgegenzusetzen und sich bis zum äußersten widerspänstig zu zeigen; womit dann auch manche Gatten ganz zufrieden sind und fest glauben, daß sie die erste Ehre gehabt haben, wie tapfere und entschlossene Soldaten. Am nächsten Morgen sind sie lustig wie junge Hähne, die am Abend viel Hirse gefressen haben und denen der Kamm schwillt, und sie erzählen die Geschichte den Freunden und manchmal, wenn es sich so trifft, sogar denen, die, ohne daß jene es ahnen, die Festung zuerst betreten hatten. Diese lachen sich dann heimlich ins Fäustchen, und mit ihnen die Frauen und deren Lehrmeisterinnen, die sich rühmen, ihre Sache gut gemacht zu haben.

Freilich gibt es auch Ehemänner, die bei diesem Widerstände Verdacht schöpfen und sich nicht damit begnügen, wie jener, der seine Frau fragte, weshalb sie sich denn gar so wild anstelle und so viele Schwierigkeiten mache; ob sie ihn denn so sehr verabscheue. Die Frau entgegnete als Entschuldigung und damit er nicht meine, es geschähe aus Verachtung, sie habe Angst, daß er ihr weh tue. Darauf antwortete er: »Dann mußt du dieses Weh doch schon er fahren haben; denn man kann einen Schmerz nicht kennen, wenn man ihn nicht schon einmal gefühlt hat.« Sie aber war schlau und entgegnete, sie habe es von verheirateten Freundinnen gehört, die hätten ihr das so geschildert. »Das sind ja nette Unterhaltungen gewesen,« sagte er.

Es gibt noch ein anderes Mittel, dessen die Frauen sich bedienen: nämlich am Morgen nach der Hochzeit die blutigen Spuren des Kampfes zu zeigen, wie man es in [60] Spanien macht, wo das befleckte Linnen öffentlich zum Fenster hinausgehalten und laut gerufen wird: »Virgen la tenemos!« (»Wir halten sie für eine Jungfrau!«)

In Viterbo soll dieser Gebrauch noch bestehen. Da nun manche Mädchen diese Spuren nicht von ihrem eigenen Blute aufweisen können, so helfen sie sich, wie ich sagen hörte, und wie mir verschiedene junge Courtisanen zu Rom versicherten, indem sie das Linnen mit einigen Tropfen Taubenblut besprengen, das sich am besten dazu eignet. Am Morgen sieht dies der Gatte zu seiner höchsten Befriedigung und glaubt fest, daß es das jungfräuliche Blut seiner Gattin sei. Leider ist der gute Mann betrogen.

Hier muß ich die hübsche Geschichte von einem Edelmann erzählen, dem in der Brautnacht die Nestel verknüpft waren und dessen Gattin, die nicht zu den reinen Jungfrauen gehörte, und daher fürchtete, ihr Gatte könnte böse werden, auf den Rat guter Freundinnen, Matronen u.a. das Linnen rot gefärbt hatte. Aber zu ihrem Unglück war der Gatte so fest verknüpft, daß er nichts ausführen konnte; sie aber schmückte sich für das Brautbett aufs beste, wo sie dann auch keinen Widerstand leistete, so daß die Zuschauer, die, wie es Brauch ist, sich dabei versteckt halten, den Bericht davon erstatteten, um die bereits geraubte Jungfrauschaft der Braut zu bemänteln; aber der Bräutigam hatte nichts ausgeführt.

Am Abend wurde, wie es Gebrauch ist, das Hochzeitsmahl aufgetragen, und irgend einer der Gäste, der, wie gebräuchlich, den Brautleuten einen Schabernack spielte, hatte das Linnen geraubt, auf dem man die Spuren entdeckte. Es wurde sofort herumgezeigt und laut ausgerufen, daß sie nun nicht mehr Jungfrau sei, da ihr Hymen vom Manne verletzt worden. Der Gatte aber, der ganz genau wußte, daß er nichts getan hatte, war höchst erstaunt und wußte nicht, was das gefärbte Linnen bedeuten sollte; nach einigem Nachdenken kam er aber bald dahinter, daß hier ein Betrug vorliege; trotzdem ließ er jedoch kein Wort verlauten.

[61] Auch die Braut und ihre Vertrauten waren sehr erstaunt und böse, daß der Gatte falsches Spiel getrieben hatte, und daß die Sache nicht richtig war. Es ließ sich jedoch keiner etwas merken, bis nach acht Tagen der Gatte, der nun die Nestel aufgeknüpft hatte, wirklich ins Feuer ging und der ganzen Gesellschaft verkündete, daß er mit gutem Gewissen den Beweis seiner Kraft abgelegt und seine Braut wirklich zur Frau gemacht habe; bisher wäre er dazu völlig unfähig gewesen. Die Hochzeitsgäste ergingen sich nun in verschiedenen Äußerungen über die Braut und glaubten an die Echtheit des gefärbten Linnens; sie aber ärgerte sich über sich selbst, nicht weil sie eigentlich die Ursache gewesen war, aber weil ihr Gatte sich durch seine Schwäche und Weichlichkeit selbst verletzt hatte.

Manche Ehemänner wissen auch schon in der ersten Nacht über die Jungfrauschaft ihrer Frau Bescheid, wie jener, der eine Frau in zweiter Ehe nahm und von ihr die Versicherung erhielt, daß ihr erster Mann sie wegen seines Unvermögens niemals berührt hätte und daß sie deshalb noch grade so Jungfer sei, wie vor ihrer ersten Ehe. Der Mann fand aber das Gegenteil und sagte: »Was? Du bist die Jungfrau des Marolle? Und niemand hätte den Weg beschritten? Ich finde ihn aber breit genug, so daß ich mich nicht verirren werde.« Denn wenn es auch wahr sein mochte, daß ihr erster Gatte sie nicht berührt, so konnten es doch andere getan haben.

Was sollen wir nun von manchen Müttern sagen, die die Unfähigkeit oder sonstige Fehlerhaftigkeit ihres Eidams sehen und zu Kupplerinnen ihrer Töchter werden, und die, um ihr Leibgeding zu erhalten, die Töchter von andern schwängern lassen, um nach dem Tode des Vaters Erben zu bekommen?

Ich kannte eine Mutter, die ihrer Tochter diesen Rat erteilte, und es in dieser Hinsicht an nichts fehlen ließ; aber zu ihrem Unglück konnte die Tochter nicht empfangen. Auch kannte ich einen Mann, der bei seiner Frau keinen Erfolg hatte und deshalb einen hübschen Diener annahm, [62] der seiner Frau, als sie schlief, die Jungfrauschaft nehmen sollte. Aber sie hatte es bemerkt und der Diener kam nicht zum Ziel. Darüber wurde ein langer Prozeß geführt, und endlich schieden sich die Gatten.

Ebenso verfuhr der König Heinrich von Kastilien, der, wie Baptista Fulguosius erzählt, einsah, daß er mit seiner Frau keine Kinder haben werde; deshalb bediente er sich eines jungen und hübschen Edelmannes seines Hofes, und dieser führte es auch aus. Für seine Bemühung erhielt er große Belohnung und wurde zu Ehren und Würden befördert. Es ist kein Zweifel, daß die Gemahlin sich mit dem jungen Manne wohl befand und ihn liebte. Dieser gute König war ein guter Hahnrei.

Wegen dieser verknüpften Nestel fand kürzlich am Parlamentshof zu Paris ein Prozeß statt zwischen dem Schatzmeister Herrn de Bray und dessen Gemahlin. Er konnte wegen irgend eines Fehlers nichts ausrichten, weshalb die Frau ihn verklagte. Der Gerichtshof entschied, daß sie beide von erfahrenen Ärzten untersucht würden. Der Gatte wählte sich seinen Arzt und die Frau den ihrigen. Darüber kursierte am Hofe ein hübsches Sonett, das mir eine große Dame selbst vorlas und es mir schenkte, als ich mit ihr speiste. Man sagt, eine Dame habe es gedichtet, andere behaupten: ein Mann. Das Sonett lautet folgendermaßen:


SONET.


Entre les médecins renommés à Paris

En sçavoir, en espreuve, en science, en doctrine,

Pour juger l'imparfaict de la coupe androgine,

Par de Bray et sa femme ont esté sept choisis.


De Bray a eu pour luy les trois de moindre prix,

Le Court, l'Endormy, Piètre: et sa femme plus fine,

Les quatre plus experts en l'art de médecine,

Le Grand, le Gros, Duret et Vigoureux a pris.


[63]

On peut par là juger qui des deux gaignera,

Et si le Grand du Court victorieux sera,

Vigoureux d'Endormy, le Gros, Duret de Piètre.


Et de Bray n'ayant point ces deux de son costé,

Estant tant imparfait que mary le peut estre.

A faute de bon droict en sera débouté.


Von einem andern Gatten hörte ich erzählen, der in der ersten Nacht von seiner jungen Braut so entzückt war, daß er sich nicht enthalten konnte, eine kleine Bewegung zu machen, die bei Neuvermählten nicht gebräuchlich ist. Er sagte dabei weiter nichts als: »Ah! ich hab's!« und fuhr in seinem Werke fort. Von solchen Hahnreien könnte ich eine Unmenge Geschichten erzählen, aber ich unterlasse es. Das Schlimmste bei diesen ist, daß, wenn sie die Kuh und das Kalb zugleich kaufen, wie man zu sagen pflegt, d.h. wenn die Frau bereits guter Hoffnung ist. So weiß ich von einem, der nach Gunst und Willen seines Fürsten ein schönes junges Mädchen geheiratet hatte, das den Mann auch sehr liebte. Aber acht Tage nach der Hochzeit fühlte sie sich bereits schwanger, und um ihr Spiel besser zu verdecken, teilte sie es dem Prinzen mit. Dieser nun, der immer schon eine Liebschaft zwischen ihr und einem andern vermutet hatte, sagte zu ihr: »Ich habe mir Tag und Stunde Ihrer Hochzeit genau notiert; wenn man diese Daten mit Ihrer Niederkunft vergleicht, werden Sie die Schande davon haben.« Sie aber errötete hierzu nur ein wenig und machte sich nichts weiter daraus, sondern gab sich den Anschein einer dona da ben (anständigen Frau).

Nun gibt es auch einige Mädchen, die ihren Vater und ihre Mutter so sehr fürchten, ja, viel mehr als ihre Gatten, daß sie eher das Leben hingeben würden als das Hymen.

Ich hörte von einem schönen und vornehmen Fräulein, das von ihrem Liebhaber sehr mit Anträgen bestürmt wurde und ihm antwortete: »Warten Sie noch ein wenig, bis ich verheiratet bin, dann können wir uns unter dem Mantel der [64] Ehe, der alles verdeckt, selbst den gesegneten Leib, nach Herzenslust gütlich tun.«

Eine andere, der ein großer Herr sehr lebhaft nachstellte, sagte zu ihm: »Bitten Sie doch unsern Prinzen, daß er mich bald mit dem Manne vermählt, der um mich wirbt, damit er mir schnell das Heiratsgut zahlt, das er mir versprochen. Am Tage nach meiner Hochzeit ist der Handel ungültig, wenn wir nicht zusammenkommen.«

Ich kenne eine Dame, die, nachdem ihr vier Tage vor ihrer Hochzeit ein Edelmann, ein Verwandter ihres Gatten, Liebesanträge gestellt, sechs Tage danach den Liebhaber erhörte; wenigstens rühmte er sich dessen. Man konnte es auch leicht glauben, denn sie zeigten solche Vertraulichkeit, als kennten sie einander schon ihr Leben lang. Auch wies er an seinem Leibe Zeichen seines Sieges auf, und noch lange Zeit danach trieben sie ihr Spiel zusammen. Der Edelmann sagte, die Gelegenheit, um dahin zu gelangen, habe ihnen eine Maskerade gegeben, wo sie ihre Kleider vertauschten: er zog die seiner Geliebten an und sie die ihres Freundes, worüber der Gatte nur lachte, und niemand dachte sich etwas Böses dabei.

Am Hofe gab es ein Lied von einem Ehemann, der am Dienstag Gatte und am Donnerstag Hahnrei wurde. Die Sache ging schnell.

Was sollen wir von einem Mädchen sagen, das lange Zeit von einem reichen Edelmann aus gutem Hause bestürmt wurde, und der doch von ihr nicht würdig befunden ward? Die Eltern drängten sie, ihn zu heiraten, aber sie erwiderte, sie wolle lieber sterben; er möge sich seiner Liebe entschlagen und weder ihr noch ihren Eltern mehr davon sprechen; denn wenn sie sie zwingen würden, ihn zu heiraten, so würde sie ihm Hörner aufsetzen. Dennoch wurde die Ehe unter dem Einflüsse mächtiger Personen sowie ihrer Eltern vollzogen.

Am Vorabend der Hochzeit fragte der Gatte, der seine Braut traurig und nachdenklich sah, was ihr fehle. Sie [65] entgegnete wütend: »Sie haben nicht aufgehört mit Ihren Bewerbungen. Aber wissen Sie denn nicht, daß ich Ihnen immer sagte, wenn ich zum Unglück Ihre Frau werden sollte, würde ich Sie zum Hahnrei machen? Ich schwöre Ihnen, daß ich Wort halten werde!« Und sie tat es.

Man entscheide selbst, ob sie zu tadeln ist; denn sie hatte es ja vorhergesagt, was ihm passieren würde. Warum gab er denn nicht Acht darauf? In der Tat machte er sich daraus wenig Sorgen.

Diese Mädchen, die sich gleich nach der Hochzeit andern hingeben, machen es, wie der Italiener sagt: »Che ha vacca, che è stata molto tempo ligata, corre più che quella che ha havuto sempre piena libertà.« Wie z.B. die erste Gemahlin des Baudouin, Königs von Jerusalem, von dem ich früher sprach; sie wurde von ihrem Gatten zu einem andern Glaubensbekenntnis gezwungen, und nachdem sie aus dem Kloster entflohen und nach Konstantinopel gegangen war, trieb sie derartige Ausschweifungen, daß sie sich jedem Vorübergehenden hingab, gleichviel ob Soldaten oder Pilgern, die nach Jerusalem wanderten, ohne Rücksicht auf ihren königlichen Stand zu nehmen. Der Grund hierzu war ihre lange Enthaltsamkeit im Kloster.

Ich könnte noch andere anführen. Recht gutartige Hahnreie sind auch die, welche es ihren Frauen, wenn sie schön sind und begehrt werden, erlauben und noch Nutzen daraus ziehen. Derartige findet man häufig an den Höfen der Könige und Fürsten, und sie befinden sich sehr wohl dabei. Sei ihr Vermögen nun zerrüttet durch Schulden, Prozesse oder Kriegsfahrten, so kommen sie durch die Gunst ihrer Frauen wieder in die Höhe. Eine Ausnahme macht jene schöne Dame, von der ich hörte, daß sie die Hälfte ihres Vermögens verloren hatte, weil der Gatte sie mit einer Krankheit angesteckt Sicher ist, daß die Gunstbezeigungen [66] und Wohltaten der Großen manches keusche Herz in Versuchung bringen und viele betrogene Ehemänner erzeugen. Ich hörte von einem ausländischen Prinzen erzählen, der auf einer großen Kriegsexpedition, die er kommandierte, von seinem Souverän zum General gemacht worden war, und nachdem er seine Frau, eine der größten Schönheiten der Christenheit am Hofe seines Kriegsherrn zurückgelassen hatte, machte dieser ihr so erfolgreich den Hof, daß er sie schwängerte.

Nach Verlauf von dreizehn oder vierzehn Monaten kehrte der Gatte zurück und fand sie in diesem Zustande, worüber er in großen Zorn geriet Sie aber wußte sich sehr geschickt zu entschuldigen und sagte, wobei sie von ihrem Schwager unterstützt wurde: »Mein Herr, Ihre Abreise ist schuld daran. Sie haben im Kriege Ihre Pflichten so mangelhaft erfüllt, daß Ihr Gebieter es übel vermerkt hat (er hatte seine Angelegenheiten wirklich schlecht betrieben), und während Ihrer Abwesenheit hat man es Ihnen sehr zum Vorwurf gemacht, daß Sie Ihre Aufgaben nicht erfüllten. Wenn nun Ihr Gebieter mich nicht geliebt hätte, wären Sie verloren gewesen, aber um Sie zu retten, verlor ich mich selbst Es handelt sich ebenso, ja noch mehr um meine Ehre als um die Ihrige. Um Ihrer Beförderung willen habe ich die köstlichste Sache, die ich besitze, nicht geschont: mein Vergehen ist also nicht so groß, wie Sie sagen, denn sonst wäre Ihr Leben, Ihre Ehre und Hofgunst gefährdet gewesen. Jetzt ist Ihre Lage besser als je, und die Sache ist noch nicht so ruchbar, daß ein Flecken auf Ihnen sichtbar würde. Deshalb entschuldigen Sie mich und verzeihen Sie mir.«

Der Schwager, der mehr von der Sache wußte und vielleicht an ihrer Schwangerschaft mit beteiligt war, fügte dem noch andere schöne und beschwichtigende Worte hinzu, [67] und alles war gut So wurde der Friede geschlossen, und sie lebten besser zusammen als jemals und hielten gute Freundschaft. Der Prinz aber, der sie verführt hatte, achtete ihn nicht mehr (wie ich sagen hörte) wie früher, weil er so wenig Wert auf seine Frau gelegt hatte, obgleich er innerlich froh war, daß die arme Frau nicht darunter zu leiden hatte, daß sie ihm Liebe geschenkt Manche Leute entschuldigten diese Dame und sagten, sie hätte recht getan, sich hinzugeben, um ihren Mann zu retten und ihn wieder in Gunst zu bringen.

Derartige Beispiele sind zahlreich, wie auch der Fall jener vornehmen Dame, deren Gatte vom Hof zum Tode verurteilt worden war, weil er großer Bedrückungen und Ungerechtigkeiten in seiner Verwaltung und seinem Amte überführt worden. Sie rettete ihn, und er wußte es ihr sein Leben lang Dank.

Ich hörte auch von einem großen Herrn, der zum Tode auf dem Schafott verurteilt worden war und noch auf dem Blutgerüst Gnade fand, die seine sehr schöne Tochter erwirkt hatte. Als er vom Schafott herunterstieg, sagte er weiter nichts als: »Gott segne die gute Vulva meiner Tochter, die mir solchen Segen gebracht hat!«

Der heilige Augustin ist im Zweifel, ob ein christlicher Bürger Antiochiens sündigte, der, um sich von einer großen Geldschuld zu befreien, für die er in strenger Gefangenschaft saß, seiner Frau erlaubte, bei einem sehr reichen Edelmann zu schlafen, der ihm versprach, seine Schuld zu tilgen.

Wenn der heilige Augustin dieser Meinung ist, was kann er dann verschiedenen Frauen, Witwen und Mädchen, erlauben, die, um ihre Väter, Verwandten oder Gatten loszukaufen, ihren Leib hergeben unter dem Druck höherer Gewalten wie Gefängnis, Sklaverei, Lebensgefahr, Belagerung und Eroberung einer Stadt kurz unendlich vieler andrer Unglücksfälle. Manchmal gewinnen sie dadurch Heerführer und Soldaten und treiben sie an, sich tapfer zu schlagen und ihre Partei zum Siege zu führen, oder eine lange [68] Belagerung auszuhalten oder einen verlorenen Posten wieder zu nehmen (wofür ich hundert Beispiele anführen könnte). Und für das alles schlagen sie ihre Keuschheit in die Schanze. Richten sie denn damit Böses an und nicht vielmehr Gutes?

Wer wird also leugnen wollen, daß es nicht manchmal ganz gut wäre, ein Hahnrei zu sein, wenn man dadurch sein Leben retten und zu Gunst, Würden und Besitztümern gelangen kann? Von wie vielen weiß ich, daß sie der Schönheit und dem Leibe ihrer Frauen ihr Fortkommen verdanken!

Ich will niemanden beleidigen, aber ich wage zu sagen, daß die Damen oft solche Dienste geleistet haben, und daß der Wert mancher Männer in dem Wert der Frauen bestand.

Ich kannte eine vornehme Dame von großem Geschicke, die ihrem Mann einen Ritter-Orden einbrachte; er war neben den zwei größten Fürsten der Christenheit der einzige Träger desselben. Sie sagte oft zu ihm und vor aller Welt (denn sie war eine lustige Gesellschafterin und sehr nett im Umgang); »Ja, mein Freund, du hättest lange laufen können, ehe du diesen Teufel erwischtest, der dir jetzt am Halse hängt.«

Ich hörte von einem Großen aus der Zeit des Königs Franz, der auch den Ritter-Orden erhalten hatte und sich eines Tages vor dem Herrn de la Chastigneraye, meinem Onkel, dessen rühmte, indem er sagte: »Ei, Sie möchten wohl auch solch einen Orden am Halse hängen haben wie ich?!« Mein Onkel, der schlagfertig und etwas gallig war, entgegnete: »Ich wollte lieber tot sein, als diesen Orden durch dieselbe Öffnung bekommen, woher Sie ihn haben.« Der andere erwiderte nichts, denn er wußte wohl, mit wem er es zu tun hatte.

Ich hörte von einem großen Herrn erzählen, dem seine Frau das Patent zu einem der ersten Ämter des Landes ins Haus gebracht hatte. Durch die Gunst seiner Frau wurde es ihm von seinem Fürsten angeboten; er wollte es jedoch [69] nicht annehmen, weil er erfahren hatte, daß seine Frau drei Monate lang von dem Prinzen, nicht ohne Verdacht, begünstigt worden war. Hierdurch bewies er eine anständige Gesinnung, die er sein ganzes Leben lang gezeigt hatte. Trotzdem nahm er das Patent schließlich doch noch an, nachdem er etwas vorgenommen hatte, was ich nicht sagen will.

So haben die Damen oft ebensoviel oder mehr geleistet als die Ritter in der Schlacht, und wenn ich sie hier erwähne, da ich sie so gut kenne wie irgend einer, dann will ich sie damit nicht tadeln oder beschimpfen; denn sie haben den Männern nicht nur oft zu Ehren, sondern auch zu Reichtümern verholfen.

Ich kannte einen Mann, der ein armer Teufel war, als er seine sehr schöne Frau an den Hof brachte, und in weniger als zwei Jahren waren sie beide reich geworden.

Solche Damen verdienen Achtung, die den Wohlstand ihrer Gatten befördern, nicht aber die, welche sie zum Bettler und zu Hahnreien zugleich machen, wie es von Margarete von Namur erzählt wird. Diese war so töricht, alles, was sie konnte, dem Herzog Loys von Orleans zu geben, der ein großer und mächtiger Mann war, und ihrem Gatten alles zu entziehen, der dadurch so arm wurde, daß er seine Grafschaft Blois jenem Herrn von Orleans verkaufen mußte. Und dieser bezahlte es mit demselben Gelde, welches die törichte Frau ihm gegeben hatte! Dumm war sie insofern, als sie einem Reicheren etwas gab. Dafür wurden sie und ihr Gatte von dem Herrn von Orleans obendrein noch ausgelacht. Denn dieser war ganz der Mann dazu, da er sehr flatterhaft und unbeständig in Liebessachen war.

Ich kannte eine große Dame, die sich in einen Edelmann vom Hofe verliebt hatte, und da sie ihm nach dem Genüsse kein Geld geben konnte, weil ihr Gatte seinen Schatz sorgsam hütete, so gab sie ihm den größten Teil ihrer Edelsteine, die mehr als 3000 Taler wert waren. Man [70] sagte deshalb bei Hofe: Nun könne er bauen, Steine habe er genug. Später, als der Dame eine große Erbschaft zufiel und sie über einige hunderttausend Taler verfügte, dauerte es nicht lange und der Galan hatte ein gutes Teil davon. Man sagte damals, wenn ihr diese Erbschaft nicht zugefallen wäre, und sie nicht gewußt hätte, was sie ihm geben sollte, so hätte sie ihm noch den Rock und das Hemd gegeben. Solche Gauner sind sehr zu tadeln, die jene in ihre Leidenschaft verbohrten Weiber ausbeuten. Denn eine so oft angegriffene Börse kann nicht in demselben Zustande bleiben, wie jene andere Börse, die immer bleibt, wie sie ist und sich nicht so schnell ausgibt ... Jener Edelmann, der so reich mit Steinen gesegnet war, verstarb nach einiger Zeit, und all seine Habe wurde, wie es in Paris üblich ist, verauktioniert. Bei der Gelegenheit wurden die Steine von einigen Leuten, die sie früher bei jener Dame gesehen hatten, wiedererkannt, zur nicht geringen Beschämung der Dame.

Ein großer Fürst, der eine vornehme Dame liebte, ließ ein Dutzend prächtige und fein gearbeitete Diamantknöpfe kaufen, die in ägyptischen Buchstaben oder Hieroglyphen einen versteckten Sinn enthielten. Hiermit machte er seiner Geliebten ein Geschenk, die, nachdem sie die Brillantknöpfe genau betrachtet, sagte: Hieroglyphen seien von jetzt ab nicht mehr nötig, denn unter ihnen beiden sei die Sache nun klar, gerade so wie zwischen dem obengenannten Edelmann und seiner Dame.

Ich kannte eine Dame, die öfter zu ihrem Gatten sagte, daß sie ihn eher zum Bettler als zum Hahnrei machen würde; aber da diese Worte zweideutig sind, so vereinigten sie in sich ein wenig alle beide dieser schönen Eigenschaften ihres Gatten.

Ich kenne jedoch auch zahlreiche Damen, die anders geartet sind; denn sie halten ihre Geldbörse besser verschlössen [71] als die andere Börse. So große Damen sie auch waren, gaben sie doch nichts weiter her als etwa einen Ring, Schärpen oder Bänder, die die Liebhaber ihnen zu Ehren tragen konnten.

Ich kannte eine vornehme Dame, die in der Beziehung sehr freigebig war, denn was sie ihren Liebhabern an Bändern und Schärpen gab, war mindestens für 500 Taler, und wohl tausend oder dreitausend an Stickereien, Perlen, Schmucksachen, Hieroglyphenbuchstaben und andern hübschen Erfindungen, von dem Schönsten, was man in der Welt sehen konnte. Und sie hatte recht, denn so blieben ihre Geschenke nicht in Koffern und Börsen versteckt, wie die Geschenke anderer Damen, sondern wurden von aller Welt gesehen, und ihr Freund zeigte sie als schöne Andenken. Geldgeschenke dagegen sind mehr Sache jener gemeinen Frauen, die ihre Kuppler damit bezahlen, passen aber nicht für große und feine Damen. Manchmal gab jene Frau auch schöne Ringe mit edlen Steinen; denn Bänder und Schärpen kann man nicht immer tragen, sondern nur bei festlichen Gelegenheiten, während ein Ring am Finger zu jeder Gelegenheit paßt.

Ein edler Kavalier aber sollte einer Dame nur um ihrer Schönheit willen dienen; denn deren Glanz ist herrlicher als all ihr Gold und Silber.

Was mich betrifft, so kann ich mich rühmen, mein Leben lang nur vornehmen Damen gedient zu haben. Wenn ich aber alles hätte annehmen wollen, was sie mir angeboten, dann wäre ich heute reich an Gut oder an Geld oder an Möbeln im Werte von mehr als dreißigtausend Talern; aber ich bin es nicht, denn ich habe mich stets damit begnügt, meiner Neigung durch Edelmut, statt durch Geiz Ausdruck zu geben.

Gewiß ist es ganz in der Ordnung, wenn die Frauen etwas in die Börse des Mannes tun, da doch der Mann auch von dem Seinigen in die kleine Börse der Weiber gibt. Aber man muß hierbei alles recht erwägen; denn da der [72] Mann nicht so viel in die kleine Börse der Frau tun kann wie diese möchte, so soll er auch nicht so viel aus ihren Geldbeutel herausziehen, wie er möchte. Auch hierin sollte gleiches Maß herrschen.

Ich sah manchen Edelmann die Liebe seiner Herrin durch die Unverschämtheit seiner Forderungen verlieren Werden die Männer in dieser Weise lästig, dann läßt man sie einfach laufen, und so gehört sich's auch.

Deshalb sollte jeder anständig gesinnte Verliebte mehr Begierde nach dem Körper der Frau als nach ihrem Gelde haben; denn wenn die Dame gar zu freigebig mit ihren Gütern ist, wird der Mann viel mehr über die Verminderung seines Vermögens als über noch so viele Freigebigkeiten des Körpers seiner Frau in Zorn geraten.

Nun gibt es noch Hahnreie aus Rache; das sind solche, die irgend einen Mann wegen eines Streites oder einer Beleidigung hassen und sich nun an ihm rächen, indem sie seine Frau verführen und ihn zum Hahnrei machen.

Ich kannte einen Prinzen, gegen den einer seiner Untertanen, ein Grandseigneur, sich auflehnte. Er konnte sich jedoch an ihm nicht rächen, da dieser ihm immer wieder entschlüpfte. Eines Tages kam dessen Gattin an den Hof, um in der Angelegenheit ihres Mannes Fürsprache einzulegen. Der Prinz machte eine Bestellung mit ihr, um in einem Gartenhause die Sache mit ihr zu besprechen. Er redete aber von Liebe mit ihr, die er denn auch gleich zur Stunde ohne großen Widerstand genoß, denn die Frau hatte ein sehr gutes Gemüt Aber damit nicht genug, prostituierte er sie auch anderen, bis zu den Kammerdienern herab. Dann sagte er, nun habe er genügend Rache an seinem Untertanen genommen; denn da jener ein kleiner König habe sein wollen, so hätte er ihm eine schöne Krone aus Hörnern aufgesetzt, statt aus Lilien.

[73] Derselbe Prinz vollbrachte etwas Ähnliches auf Zureden seiner Mutter. Er genoß eine junge Prinzessin, von der er wußte, daß sie einen Prinzen heiraten sollte, der ihm mißfällig geworden war und der den Staat seines Bruders sehr beunruhigt hatte. Er nahm ihr die Mädchenehre, und nach zwei Monaten wurde sie jenem Prinzen als vorgebliche Jungfrau zur Ehefrau gegeben. In diesem Falle war die Rache sehr süß, während sie in einem andern Falle, den ich später erzählen werde, härter war.

Ich kannte einen sehr achtbaren Edelmann, der einer schönen Dame diente; als er nun den Lohn für seine Verehrung verlangte, sagte sie ihm ganz offen: sie würde ihm keine Doublone geben, denn sie wäre überzeugt, daß seine Liebe zu ihr nicht soviel austrüge, und seine Neigung nicht ihrer Schönheit gelte, wie er behaupte, sondern daß er sich durch diese Liebschaft nur an ihrem Manne rächen wolle, gegen den er einen Groll hege. Deshalb wolle er nur diese Genugtuung haben und sich nachher dessen rühmen. Aber der Edelmann versicherte ihr das Gegenteil, und fuhr fort, ihr länger als zwei Jahre in so treuer und glühender Liebe zu dienen, daß sie die volle Überzeugung seiner Aufrichtigkeit gewann und ihm nun das von selbst anbot, was sie ihm so lange verweigert hatte. Sie versicherte ihm, daß, wenn sie nicht vom Anfang ihres Liebesverhältnisses an geglaubt hätte, daß er sich hierdurch nur habe rächen wollen, sie ihm schon früher ihre Gunst gewährt hätte. Denn ihr Gemüt war sehr zur Liebe geneigt. Diese Dame verstand es also sehr gut, sich zu beherrschen, so daß die Leidenschaft sie nicht zu dem hinriß, was sie am meisten wünschte. Sie wollte eben um ihrer selbst willen geliebt sein und nicht nur aus Rache.

Der verstorbene Herr von Gua, einer der galantesten, und in jeder Weise vollendetsten Edelleute, lud mich eines [74] Tages bei Hofe ein, mit ihm zu dinieren. Er hatte etwa ein Dutzend der gelehrtesten Männer des Hofes eingeladen, unter andern den Herrn Bischof von Dol, aus dem Hause Espinay in der Bretagne, die Herren de Ronsard, de Baïf, Des Portes, d'Aubigny (diese beiden sind noch am Leben und könnten mich Lügen strafen), sowie noch andere, deren ich mich nicht mehr entsinne; von Männern der Waffe waren nur Herr de Gua und ich anwesend. Während des Diners plauderten wir über die Liebe, ihre Reize und ihre Schattenseiten, ihre Wonnen und Leiden, über das Gute und das Böse, was in ihrem Gefolge ist Herr de Gua kam zu dem Schluß, daß das höchste der Gefühle in jener Rache liege, und bat jeden der vornehmen Anwesenden, ein Quatrain darüber zu improvisieren, was auch geschah. Ich hätte diese kleinen Gedichte gern hier eingefügt, unter denen dasjenige des Herrn de Dol, der ganz vorzüglich sprach und schrieb, den Preis erhielt.

In der Tat hatte Herr de Gua Ursache, dieser Meinung zu sein, zumal in Bezug auf zwei Grandseigneurs, die ich kenne; denn er setzte ihnen aus Haß gegen sie die Hörner auf. Die Frauen waren sehr schön, und so hatte er einen doppelten Genuß: die Rache und die Wollust Ich kannte viele Leute, die derselben Ansicht waren und zu gleicher Zeit ihr Entzücken und die Befriedigung ihrer Rache fanden.

Ich habe auch schöne und anständige Damen gekannt, die versicherten, es würde ihnen die größte Lust sein, ihren Männern Hörner aufzusetzen, wenn sie von ihnen schlecht und roh behandelt, gescholten oder geschlagen werden würden. Im Gedanken an ihren rauhen Gatten würden sie mit ihren Freunden lachen und sich über jenen lustig machen, so daß ihre Wonne dadurch nur noch gesteigert würde.

Ich hörte von einer schönen und vornehmen Dame sprechen, die einst gefragt wurde, ob sie ihren Mann jemals betrogen habe; darauf antwortete sie: »Warum hätte ich es tun sollen? Er hat mich ja niemals bedroht oder [75] geschlagen.« Würde er eines von beidem getan haben, so hätte sie also mit ihrer Vulva Rache genommen.

Und was den Spott betrifft, so kannte ich eine sehr achtbare schöne Dame, die sich einst im süßen Liebesgenuß mit ihrem Freunde befand, als dieser bemerkte, daß sie Ohrringe in Form eines Füllhorns trug. Sie waren aber nur aus schwarzem Glas, wie sie damals getragen wurden. Während ihres etwas sehr lebhaften Liebesspiels brach einer der Ohrringe entzwei. Da sagte die Frau zu ihrem Freund: »Sehen Sie, wie vorsorglich die Natur ist; denn für dieses Hörn, das ich zerbrochen habe, mache ich hier ein Dutzend andre für meinen armen Herrn Gemahl. Damit kann er sich an einem Festtage schmücken, wenn er will.«

Eine andere, deren Mann bereits schlafend im Bett lag, ging, bevor sie sich niederlegte, zu ihrem Freunde, und als dieser sie fragte, wo ihr Gatte sei, gab sie zur Antwort: »Er hütet das Bett und das Nest des Kuckucks, damit kein anderer darin brütet Aber dir, mein Freund, ist es ja nicht um sein Bett oder sein Nest zu tun, sondern um mich, die ich jetzt zu dir komme. Ich habe ihn als Wachtposten dort gelassen, aber die Wache ist eingeschlafen.«

Bezüglich solch eines Wachtpostens hörte ich eine Geschichte von einem verdienstvollen Edelmann, den ich kannte. Dieser geriet eines Tages mit einer sehr achtbaren Dame, die ich gleichfalls kenne, in Streit und fragte sie in beleidigendem Tone, ob sie jemals eine Reise nach Saint-Maturin gemacht habe. »Ja,« erwiderte sie, »aber in die Kirche konnte ich nie hineinkommen, denn sie war so voll von Hahnreien und von diesen so gut bewacht, daß sie mich nicht hinein ließen. Sie, einer der hervorragendsten unter ihnen, standen auf dem Turm als Wache und warnten die andern.«

[76] Ich konnte noch eine Menge andrer Scherze erzählen, doch ich unterlasse es; werde jedoch hie und da in diesem Buche einige einflechten.

Es gibt auch recht sanftmütige Hahnreie, die sich selbst zu dem Fest der Hahnreischaft einladen, wie ich einige kannte, die zu ihrer Frau sagten: »Ein Gewisser ist in dich verliebt; ich kenne ihn wohl; er besucht uns oft, aber aus Liebe zu dir, mein Schatz, nimm ihn freundlich auf; er kann uns viel Vergnügen bereiten und seine Bekanntschaft uns nützlich sein.«

Andere sagen zu den betreffenden Liebhabern: »Meine Frau hat Sie gern, ja sie liebt Sie. Besuchen Sie sie doch, es wird ihr Freude machen. Ihr könnt zusammen plaudern und euch die Zeit vertreiben.« So laden sie die Leute auf ihre Kosten ein, wie z.B. der Kaiser Hadrian, der einst in England Krieg führte und Kunde davon erhielt, daß seine Frau, die Kaiserin Sabina, zu Rom mit einer Menge römischer Edelleute der Liebe pflegte. Sie hatte von Rom aus einen Brief an einen jungen römischen Ritter geschrieben, der sich mit dem Kaiser in England befand, worin sie sich beklagte, daß er sie vergessen habe und gar nicht mehr nach ihr frage; er habe gewiß da drüben verschiedene Liebschaften und irgend eine junge Schöne habe ihn in ihr Netz eingefangen. Dieser Brief kam durch Zufall in die Hände Hadrians, und als jener Ritter einige Tage darauf vom Kaiser Urlaub erbat unter dem Vorwand, wegen häuslicher Angelegenheiten schnell nach Rom zu müssen, sagte der Kaiser gut gelaunt: »Wohlan, junger Mann, geh nur schleunigst hin; denn meine Frau, die Kaiserin, erwartet dich mit Sehnsucht.« Da nun der junge Römer sah, daß der Kaiser sein Geheimnis entdeckt, fürchtete er, Hadrian könne ihm ein Leid antun; so machte er sich des Nachts ohne Abschied auf und floh nach Irland.

Seine Befürchtung war jedoch unbegründet; denn der Kaiser, genügend über die Ausschweifungen seiner Gemahlin unterrichtet, sagte oft: »Wahrlich, wenn ich nicht Kaiser [77] wäre, hätte ich mich längst von meiner Frau befreit; ich will aber kein schlechtes Beispiel geben.« Den Großen kommt es also hauptsächlich darauf an, daß die Sache nicht ruchbar wird. Das ist jedoch eine Lehre für die Großen, von denen manche sie wohl auch befolgt haben, aber nicht aus diesem Grunde. Jenem guten Kaiser stand es wohl an, sich zum Hahnrei zu machen.

Die Frau des ebenfalls guten Kaisers Mark Aurel, Faustina, war ein sehr brünstiges Weib, und als man ihm riet, sie fortzujagen, entgegnete er: »Wenn ich sie aufgebe, muß ich auch ihren Brautschatz aufgeben, nämlich das Kaiserreich.« Wer möchte auch nicht Hahnrei sein um eines solchen Schatzes, ja selbst um eines geringeren willen?

Sein Sohn Antonius Verus, genannt Comodus, sagte, obwohl er später sehr grausam wurde, dasselbe zu denen, die ihm rieten, seine Mutter, eben jene Faustina, umbringen zu lassen. Diese war so toll auf einen Gladiator, daß man sie niemals von dieser Tollheit heilen konnte, bis man endlich jenen armseligen Gladiator umbrachte und ihr sein Blut zu trinken gab.

Viele Männer machen es wie jener gute Mark Aurel, indem sie fürchten, ihre liederlichen Frauen umzubringen, weil sie dadurch die großen Besitztümer verlieren würden, die jene ihnen zugebracht Sie wollen lieber reiche Hahnreie als arme Teufel sein.

Ach, du lieber Gott! wieviele Hahnreie habe ich gekannt, die nicht aufhörten, ihre Verwandten, Freunde und Genossen dazu einzuladen, ihre Frauen zu besuchen, ja, die ihnen sogar Gastmähler gaben, um sie noch mehr anzuziehen; dann ließen sie sie mit der Frau im Zimmer oder Schlafgemach allein, gingen davon und sagten: »Bitte, nehmen Sie sich meiner Frau an!«

Einen Herrn der großen Welt kannte ich, von dem man hätte sagen können, daß alles Glück des Lebens darin liegt, ein Hahnrei zu sein. Er versäumte keine Gelegenheit dazu, und sein erstes Wort war: »Meine Frau ist in Sie verliebt [78] Bitte, erwidern Sie doch ihre Liebe!« Und wenn er seine Frau mit ihrem Anbeter sah, führte er oft die Gesellschaft zum Spaziergang aus dem Zimmer und ließ die beiden allein, damit sie sich in Muße lieb haben konnten. Und wenn er zufällig schnell zurückkehren mußte, so sprach er schon unten auf der Treppe möglichst laut, fragte nach jemandem, räusperte sich, hustete, damit die Liebenden sich nicht überraschen ließen. Denn derartige Überraschungen, selbst wenn man darauf vorbereitet ist, sind beiden Teilen stets wenig angenehm.

Eines Tages ließ dieser Herr ein schönes Haus bauen, und der Maurermeister fragte ihn, ob er nicht die Gesimse ausschmücken wolle. Er erwiderte: »Ich weiß nicht, was das ist: Gesimse; fragen Sie meine Frau, die kennt die Kunst der Geometrie, und was sie sagt, das tun Sie.«

Schlimmer machte es ein anderer, der eines Tages eines seiner Landgüter an jemanden für fünfzigtausend Taler verkaufte; er nahm dafür fünfundvierzigtausend in Gold und Silber und für den Rest von fünf nahm er ein Hörn vom Einhorn. Darüber entstand ein großes Gelächter bei den Eingeweihten: »Was? Hat er denn noch nicht genug Hörner zu Hause, daß er auch dies noch haben will?«

Ich habe einen sehr großen Herrn gekannt, brav und tapfer, dem ein achtbarer Edelmann seine Aufwartung machte und zu dem er lachend sagte: »Mein Herr, ich weiß nicht, was Sie mit meiner Frau gemacht haben, aber sie ist so verliebt in Sie, daß sie Tag und Nacht nur von Ihnen spricht und immerfort Ihr Lob singt. Statt aller Antwort sagte ich ihr, daß ich Sie besser kenne als sie, und wisse, wie groß Ihr Wert und Ihre Verdienste sind.« Wer war nun der Erstaunte? Der Edelmann. Denn er wollte diese Dame nur am Arm zur Vesper führen, wohin auch die Königin ging. Der Edelmann faßte sich jedoch schnell und sagte: »Mein Herr, ich bin der ergebenste Diener Ihrer Frau [79] Gemahlin; ich bin sehr dankbar für ihre gute Meinung von mir und verehre sie sehr. Aber ein Liebesverhältnis habe ich nicht mit ihr. Ich werde jedoch,« fügte er schalkhaft hinzu, »auf Ihren geschätzten Rat hin ihr den Hof machen; denn sie hat viel Einfluß bei meiner Geliebten, die ich durch ihre Vermittlung heiraten kann. Und so hoffe ich, daß sie mir noch recht hilfreich werden wird.«

Der Prinz lachte nur dazu und ermahnte den Edelmann, seiner Frau ja recht eifrig den Hof zu machen. Das tat er denn auch und war sehr erfreut, einer so schönen Prinzessin dienen zu dürfen. Diese machte ihn bald die andre Dame, die er heiraten wollte, vergessen, und er brauchte sich auch keine Sorgen zu machen, da diese Maske alles verdeckte. Er konnte es jedoch nicht verhindern, daß der Mann eines Tages eifersüchtig wurde, denn er sah diesen Edelmann im Zimmer der Königin ein rotes spanisches Band am Arm tragen, das damals das Neueste bei Hofe war. Nachdem er im Geplauder mit ihm das Band betrachtet und befühlt hatte, fand er neben dem Bett der Königin seine Frau, die ein ebensolches Band trug. Er faßte es an und fand, daß es von demselben Stück war. Er ließ jedoch kein Wort verlauten und die Sache auf sich beruhen. Man soll eben das Feuer solcher Liebschaften gut unter der Asche der Verschwiegenheit verbergen, damit es nicht entdeckt wird. Denn ein öffentlicher Skandal erzeugt bei den Männern mehr Ärgernis gegen ihre Frauen, als wenn alles hübsch im Verborgenen vor sich geht, nach dem Sprichwort: Si non caste, tamen caute.

Was für Skandale habe ich zu meiner Zeit aus den Indiskretionen sowohl der Damen wie ihrer Liebhaber entstehen sehen! Aber die Gatten machten sich deshalb nicht die geringsten Sorgen, denn die Sache blieb stets sotto scoperto und ward nicht ruchbar.

[80] Ich kannte eine Dame, die ihre Liebesverhältnisse ganz offen zur Schau trug, als ob sie überhaupt keinen Gatten hätte und ganz unabhängig sei. Auf die Warnungen ihrer Freunde hörte sie auch nicht, so daß sie dann auch wirklich Schaden genug davon hatte.

Diese Dame handelte nicht wie andre Frauen, die sich an der Liebe gütlich taten, ohne der Welt davon Kenntnis, ja nicht einmal den leisesten Verdacht zu geben; nicht die Scharfsichtigsten hätten jemals die Wahrheit entdeckt. Vor der Welt unterhielten sie den Verkehr mit ihren Anbetern so geschickt und schlau, daß weder die Gatten, noch die Aufpasser jemals auch nur eine Ahnung hatten. Und wenn der Liebhaber auf Reisen ging oder starb, wußten sie ihren Schmerz so klug zu verbergen, daß niemand etwas davon erfuhr.

Ich kannte eine schöne und achtbare Dame, die an dem Tage, wo ihr Liebhaber, ein Grandseigneur, starb, in dem Gemach der Königin mit ebenso heiterem Gesicht erschien, wie am Tage zuvor. Manche Leute schätzten sie wegen dieser Diskretion. Sie beobachtete sie aber, um dem Könige nicht zu mißfallen, der keine Traurigkeit liebte. Von andern wurde sie getadelt, indem man es als Lieblosigkeit auslegte und sagte, daß sie nur wenig wahre Liebe empfinden könne, wie alle, die sich einem solchen Leben hingeben.

Ich kannte zwei schöne vornehme Damen, die ihre Liebhaber im Kriege verloren hatten und sie laut und offen beweinten; sie gaben ihre Trauer kund durch dunkle Kleider, Weihwassersprengen, goldene Weihwedel mit eingravierten Totenköpfen und allen Arten von Todessymbolen auf dem Schmuck und Geschmeide, das sie trugen. Hierüber wurden sie sehr verhöhnt, und es brachte ihnen großen Nachteil; ihre Gatten aber kümmerten sich wenig darum.

Solche Damen, die ihre Liebschaft so offen zur Schau tragen, verdienen zwar Lob wegen ihrer Beständigkeit, nicht aber wegen ihrer Verschwiegenheit, und deshalb haben sie auch Schaden davon. Wenn nun solche Damen aus diesem [81] Grunde tadelnswert sind, so sind es ihre Liebhaber noch viel mehr; denn sie gebärden sich wie eine Ziege im Wochenbett; sie seufzen, schmachten und jammern vor aller Welt, verfolgen die Frauen auffällig mit den Augen, tragen ganz offen die Farben ihrer Dame, kurz, sie geben sich den törichtesten Indiskretionen hin, so daß selbst ein Blinder es merken muß. Manche benehmen sich so, gleichviel ob es wahr ist oder nicht, um der ganzen Hofgesellschaft zu verstehen zu geben, daß sie verliebt sind und zwar mit gutem Erfolg. Und dabei würde man ihnen doch, weiß Gott, keinen Pfifferling als Almosen geben, und sollte man darum den Lohn der Barmherzigkeit verlieren.

Ich kannte einen Herrn, der es der Welt kund tun wollte, daß er in eine schöne Dame, die ich kenne, verliebt sei; deshalb ließ er eines Tages sein Maultier mit zweien seiner Diener und Pagen vor dem Hause der Dame halten. Zufällig kamen Herr d'Estrozze und ich vorbei und wurden Zeugen dieses Vorgangs. Herr d'Estrozze fragte die Diener und Pagen, wo ihr Herr wäre; sie antworteten, er sei in der Wohnung der Dame. Darüber lachte er und sagte mir, er wette bei seinem Leben, daß an der Sache nichts sei. Er stellte seinen Pagen als Wache auf, damit dieser sehe! ob der unechte Liebhaber wieder herauskomme. Darauf gingen wir zusammen zur Königin, wo wir zu unsrer größten Heiterkeit jenen Herrn vorfanden. Am Abend näherten wir uns ihm und fragten ihn, um ihn zu necken, wo er um jene Stunde nachmittags gewesen sei; er könne sich nicht herausreden, denn wir hätten das Maultier und seine Pagen vor der Haustür jener Dame gesehen. Er stellte sich, als sei er ärgerlich, daß wir das gesehen, und als wir ihm vorwarfen, daß er dort eine Liebschaft habe, bekannte er, es verhielte sich in der Tat so; aber er bat uns, nichts verlauten zu lassen, wir würden sonst ihn und jene Dame, die von Seiten ihres Gatten Unannehmlichkeiten haben könnte, in Verlegenheit bringen. Wir versprachen ihm auch (aus vollem Halse lachend, obgleich er ein großer und bedeutender [82] Herr war), daß kein Wort über unsre Lippen kommen werde. Als er aber diese Spiegelfechterei gar zu oft wiederholte, gingen wir nun im Ernst vor und überführten ihn seines Betruges. Die Dame war von uns bereits benachrichtigt worden, und sie hatte eines Tages das Maultier und die Pagen wie Bettelmönche von ihrer Tür jagen lassen. Ja, wir machten es noch besser, denn wir sagten es auch ihrem Gatten und erzählten ihm die Geschichte auf so launige Weise, daß er selbst darüber herzlich lachte und sagte, er fürchtete nicht, daß der Herr ihn jemals zum Hahnrei mache. Und sollten sich das Maultier und die Pagen draußen vor der Tür nicht behaglich genug fühlen, so wolle er ihnen die Tür öffnen und sie hereinlassen, damit sie es sich gemütlich machen könnten und vor Hitze, Kälte und Regen geschützt seien. – Von andern wurde aber er zum Hahnrei gemacht. Und auf diese Weise wollte dieser gute Herr sich auf Kosten einer anständigen Dame brüsten ohne Rücksicht auf ihre Ehre.

Ich kannte einen Edelmann, der durch sein Gebahren eine schöne und achtbare Dame, in die er seit einiger Zeit verliebt war, in Verruf brachte. Aber all sein Drängen, ihm das zu geben, was ihrem Gemahl gehörte, fand nur Zurückweisung, so daß er ihr endlich verzweifelt sagte: »Nun wohl! Sie wollen es nicht, gut! Ich schwöre Ihnen, daß ich Ihre Ehre zugrunde richten werde!« Und in dieser Absicht begann er, in dem Hause, wo sie wohnte, häufige heimliche Besuche zu machen, sowohl bei Tage, wie bei Nacht Dies blieb aber doch nicht ganz geheim, denn er ließ sich hin und wieder absichtlich sehen, rühmte sich seiner Erfolge, behandelte die Dame vor der Welt mit mehr Vertraulichkeit, als Grund dazu vorhanden war, und spielte sich vor seinen Freunden als glücklicher Galan auf. Ja, er trieb es so weit, eines Abends spät, tief in einen Mantel verhüllt, in das Zimmer der Dame zu dringen und sich vor den Hausbewohnern zu verbergen. Der Hausmeister aber hatte aufgepaßt und schöpfte Verdacht. Man suchte den Eindringling, [83] und da man ihn nicht finden konnte, schlug der Mann seine Frau und gab ihr Ohrfeigen. Von dem Hausmeister noch mehr aufgestachelt, welcher sagte, das sei noch nicht genug, tötete er sie durch einen Dolchstoß, wofür er beim König jedoch leicht Begnadigung fand. Es war sehr schade um diese Dame, denn sie war eine Schönheit Jenen Mann aber, der die Ursache dieses Unheils war, ereilte bald darauf die gerechte Strafe Gottes für sein Verbrechen an der Ehre und dem Leben jener Dame; denn er wurde im Kriege in einem Gefecht getötet.

Freilich sind auch in zahlreichen Fällen die Damen selbst an dem Skandal und der Verletzung ihrer Ehre schuld; denn sie selbst ziehen die Galane an sich, benehmen sich herausfordernd, erlauben sich Vertraulichkeiten und machen ihnen durch Koketterie und schöne Worte Hoffnung. Wenn es aber zum Treffen kommt, dann schlagen sie es rundweg ab, so daß die Männer dann, die sich doch manchen Genuß versprechen durften, wütend werden, ihnen den Abschied geben und sie öffentlich als gemeine Dirnen blamieren, wobei sie dann die Sache hundertmal schlimmer machen, als sie ist.

Deshalb sollte eine anständige Dame niemals einen Galan anlocken, wenn sie ihn für seinen Dienst nicht am Ende belohnen will. Das möge sie bedenken, wenn sie nicht verloren sein will, selbst im Fall sie es mit einem Ehrenmanne zu tun hat Sollte sie nicht gesonnen sein, ihn zu erhören, dann gebe sie ihm gleich von vornherein, wenn er sich ihr nähert und wenn sie merkt, worauf seine Werbung gerichtet ist, den Abschied. Denn, um es gerade heraus zu sagen: jede Dame, die die Werbung eines Mannes annimmt, verpflichtet sich ihm auch, so daß sie den Kampf nicht mehr abschlagen kann; früher oder später, wenn es auch lange dauert, muß sie sich dann doch ergeben.

Aber es gibt Damen, denen es Vergnügen macht, um sich werben zu lassen für nichts weiter als um ihrer schönen Augen willen; und sie sagen, es mache ihnen großes [84] Vergnügen, hofiert zu werden, aber weiter gingen sie nicht; sie hegten wohl Wünsche, wollten aber nicht deren Erfüllung. Das haben mir Verschiedene gesagt; aber das ist doch unrecht, denn wenn sie einmal Begierden erwecken, dann müssen sie auch zweifellos deren Befriedigung gewähren. Das ist das Gesetz der Liebe, und jede Dame, welche Wünsche nach einem Manne hegt, müßte so handeln. Wenn der Mann das erkennt und diejenige, die ihn anlockt, energisch verfolgt, so wird er, wie man zu sagen pflegt, den Fuß oder Flügel, die Federn oder die Haare davon haben.

So werden also die armen Ehemänner Hahnreie durch jene Frauen, die wohl begehren, aber nichts gewähren wollen; aber ohne daran zu denken, verbrennen sich die Frauen selbst an dem Licht, oder an dem Feuer, das sie in sich anzünden, gleich jenen armen Hirtinnen, die auf dem Felde, wo sie ihre Herde hüten, ein kleines Feuer gegen die Kälte anmachen, ohne an etwas Schlimmes zu denken. Aber dieses kleine Feuer kann um sich greifen und Felder und Wälder in Brand setzen.

Solche Frauen sollten sich ein Beispiel nehmen an der Herzogin von Escaldasor zu Pavia. Diese wurde von dem Herrn de Lescu geliebt, der später Marschall von Foix hieß, und der zu Pavia studierte (später wurde er auch Protonotar von Foix genannt, weil er sich dem Dienst der Kirche widmete; er legte aber dann die lange Robe ab, um die Waffen zu ergreifen). Jener Dame gebührte damals unter allen Schönen der Lombardei der Preis der Schönheit. Als jener Herr nun um sie warb, wollte sie ihn nicht in verletzender Form abweisen, denn er war ein naher Verwandter jenes großen Gaston de Foix, Herrn von Nemours, vor dessen Namen damals das ganze Italien zitterte. Einst am Tage eines großen Festes, das zu Pavia gegeben wurde, wo sich alle vornehmen Damen, sowie die Schönsten der Stadt und der Umgegend nebst den Edelleuten einfanden, [85] erschien jene Gräfin in einem prachtvollen Gewand aus himmelblauer Seide, ganz übersät mit Lichtern, um die herum Schmetterlinge flatterten und sich verbrannten; alles war in Stickerei aus Gold und Silber, wie derartige Stickereien niemand schöner ausführen konnte als die berühmten Weber von Mailand. Die Gräfin ragte also auch durch ihr Kostüm unter allen andern hervor.

Der Herr Protonotar von Foix, der sie zum Tanz führte, fragte sie nach der Bedeutung dieser Stickereien, in der Vermutung, daß sie einen verborgenen Sinn hätten, der ihm nicht gefiel. Darauf antwortete sie: »Mein Herr, ich habe es mit meiner Robe so gemacht, wie die Soldaten und Ritter es mit ihren fehlerhaften Pferden machen, welche ausschlagen oder hinken. Sie hängen ihnen eine große silberne Glocke an die Croupe, damit ihre Gefährten, wenn sie beisammen sind, durch dieses Signal vor dem bösen Pferde, das ausschlägt, gewarnt werden. Ähnlich warne ich durch diese Schmetterlinge, die ins Licht fliegen, die werten Herren, die so freundlich sind, mich zu lieben und meine Schönheit zu bewundern, mir nicht allzu nahe zu kommen und sich mit dem Anschauen zu begnügen; denn sie werden es nicht weiter bringen als diese Schmetterlinge und sich höchstens die Flügel verbrennen.« Diese Geschichte findet sich in den »Sinnbildern« von Paolo Jovio. Die Dame gab ihrem Anbeter also zu verstehen, sich bei Zeiten vorzusehen. Ich weiß nun nicht, ob er noch weitere Annäherung suchte oder wie er es machte, kurz, als er in der Schlacht von Pavia tödlich verwundet und gefangen genommen war, bat er, zu der Wohnung jener Gräfin in Pavia gebracht zu werden, wo er von ihr auch sehr gut aufgenommen und gepflegt wurde. Nach drei Tagen starb er dort zum großen Schmerz der Dame, wie mir Herr de Montluc erzählte, als wir einst zusammen nachts in den Schanzgräben von La Rochelle lagen und plauderten. Ich erzählte ihm die Geschichte von jenen Schmetterlingen, und er versicherte mir, er habe jene sehr schöne Gräfin [86] gesehen, die den Marschall sehr geliebt habe und von ihr höchst ehrenvoll behandelt worden sei. Ob er noch weiter bei ihr gekommen war, wußte er nicht. Dieses Beispiel dürfte, für viele der angeführten Damen genügen.

Nun gibt es noch Hahnreie, die so gutmütig sind, daß sie ihre Frauen von geistlichen Männern zur Besserung ermahnen lassen. Diese legen dann mit verstellten Tränen und falschen Worten das Gelübde der Besserung ab und verschwören sich hoch und teuer, sie bereuten und wollten niemals wieder einen Fehltritt tun. Aber dieser Schwur hält nicht lange vor, denn die Gelübde und Tränen solcher Frauen sind nicht mehr wert als die Schwüre der Verliebten. So kannte ich eine Dame, der ein großer Fürst den Streich spielte, einen Franziskaner zu ihrem Gatten zu senden, der sich in dienstlicher Angelegenheit in der Provinz befand, und ihm von den tollen Liebeshändeln seiner Frau, sowie von dem Skandal, der für ihn daraus entstände, zu berichten. Der Mönch hielt es für die Pflicht seines Standes und Berufs, den Mann bei Zeiten zu warnen, damit jene sündige Seele zum Rechten zurückgeführt werde. Der Gatte war ganz erstaunt über diese Sendung und das Liebeswerk des Mönches; er dankte ihm jedoch und versprach, die Sache im Auge zu behalten. Als er zurückkehrte, ließ er es seine Frau jedoch nicht entgelten, denn was hätte er dabei gewonnen? Wenn sich eine Frau einmal auf diese Bahn begeben hat, ist sie nicht mehr zu halten, gleichwie ein Postpferd, das den Galopp so sehr gewöhnt ist, gar nicht mehr anders laufen kann.

Wie viele Damen, die auf der Tat ertappt wurden, und dann Schläge oder Ermahnungen erhalten hatten und durch Strenge oder Milde auf den rechten Weg gelenkt werden sollten, haben versprochen und geschworen, keusch sein zu wollen; nachher aber haben sie das Sprichwort befolgt: passato il pericolo, gabbato il santo und sich mehr als [87] jemals in Liebesabenteuer gestürzt Manche fühlten auch den Gewissenswurm in ihrer Seele nagen und legten von selbst feierliche Gelübde ab, aber sie hielten sie nicht, und bereuten es, bereut zu haben, wie du Bellay von den bußfertigen Courtisanen sagt.

Ich will nicht unerwähnt lassen, daß auch einige schöne Mädchen aus Reue den Schleier genommen haben; wenn man sie aber auf Treu und Gewissen gefragt hätte, so würden sie am liebsten gesehen haben, daß die hohen Klostermauern eingestürzt wären, damit sie hätten entfliehen können.

Deshalb brauchen die Ehemänner gar nicht zu versuchen, ihre Frauen auf den rechten Weg zurückzubringen, wenn sie erst einmal davon abgewichen sind, sondern sie sollen ihnen die Zügel schießen lassen und sie nur zur Verschwiegenheit und Vermeidung jedes Aufsehens ermahnen. Denn alle Liebesmittel, die Ovid jemals gelehrt hat, sowie eine Menge andre später erfundene, selbst die vortrefflichen des Meisters Francois Rabelais, die er dem ehrwürdigen Panurga empfiehlt, dienen zu nichts. Am besten wäre es, nach dem Refrain eines alten Liedes zu handeln, das zur Zeit des Königs Franz I. entstand, und lautet:


Qui voudroit garder qu'une femme

N'aille du tout à l'abandon,

Il faudroit la fermer dans une pipe

Et en jouir par le bondon.


Zur Zeit Königs Heinrich brachte ein Kurzwarenhändler ein Dutzend Werkzeuge auf den Markt zu Saint-Germain, die dazu dienten, die Geschlechtsteile der Frauen zu verschließen [88] es waren eiserne Gürtel, die von unten angelegt und mit einem Schlüssel abgeschlossen wurden. Sie waren so geschickt gearbeitet, daß es einer damit umgürteten Frau unmöglich war, sich jenes holde Vergnügen zu verschaffen, da sich nur einige ganz kleine Löcher zum Urinieren darin befanden.

Man sagt, daß etwa fünf oder sechs eifersüchtige Ehemänner solche Gürtel kauften und sie ihren Frauen anlegten, wobei sie sagten: »Adieu, gute Zeit!« Eine von diesen Frauen kam auf den Gedanken, sich einem in seiner Kunst sehr geschickten Schlosser anzuvertrauen und ihm den Gürtel zu zeigen; als nun der Gatte einst aufs Land gereist war, untersuchte der Schlosser die Vorrichtung genau und fertigte einen Nachschlüssel an, womit die Frau den Gürtel jederzeit öffnen konnte, wenn sie wollte. Der Mann erfuhr das niemals, sie aber gab sich dem Vergnügen nach Herzenslust hin, ihrem eifersüchtigen Tölpel von Mann zum Trotz, der keine Ahnung hatte, welch ein Hahnrei er war. Aber der böse Schlosser, der den Nachschlüssel gemacht hatte, benutzte das. Man sagt, er habe den ersten Versuch gemacht und dem Manne Hörner aufgesetzt. Wie denn ja schon Venus, die schönste Frau und die größte Hure der Welt, den Schmied und Schlosser Vulkan zum Mann hatte, der ein sehr häßlicher, hinkender Bösewicht war.

Es wird ferner berichtet, daß viele galante Herren des Hofes jenen Händler mit dem Tode bedrohten, wenn er jemals wieder solche Dinge verkaufe und nicht den Vorrat, den er noch auf Lager habe, nicht vernichte. Er tat es auch, und von der Sache wurde nicht mehr gesprochen. Es war auch gut so, denn durch solche Verschlüsse, die der Vermehrung des Menschengeschlechts hinderlich sind, hätte ja die Welt zur Hälfte entvölkert werden können.

Es gibt Männer, die ihre Frauen von Eunuchen bewachen lassen, was der Kaiser Alexander Severus bei den [89] römischen Frauen strenge verbot. Denn die Eunuchen wurden öfter dabei betroffen, wie sie mit den Frauen, wenn sie sie auch nicht schwängern konnten, doch annähernd den vollkommenen Coïtus ausführten. Daraus machten sich nun einige Männer freilich nichts und sagten, es kümmere sie weniger, ob ihre Frauen sich überhaupt hingäben, aber es ärgere sie, Kinder erziehen zu müssen, die sie nicht selbst erzeugt. So kannte ich mehrere, die sich keine Sorge daraus machten, wenn nur derjenige, der das Kind erzeugt hatte, sich bereit fand, eine gute Rente für die Erziehung auszusetzen, und sie rieten ihren Frauen, den Betreffenden dazu zu veranlassen. So hörte ich von einer vornehmen Dame erzählen, die vom König Franz I. ein Kind, Namens Villeconnin, hatte. Sie bat den König, ihr vor seinem Tode ein kleines Vermögen für sein Kind zu verschreiben, was er auch tat. Er überwies ihr auf einer Bank zweihunderttausend Taler, wovon das Kind auch den Zinsengenuß hatte. Infolgedessen lebte der Knabe, als er erwachsen war, bei Hofe auf großem Fuße und so verschwenderisch, daß jeder erstaunt war. Man dachte, er bezöge dies Geld von einer großen Dame, und man wollte nicht glauben, daß seine Mutter es hergäbe. Da man ihn stets mit jener Dame sah, meinte jeder, er bestritte seine großen Ausgaben aus dem Liebesgenuß mit ihr. Aber das Gegenteil war der Fall, denn das Geld kam von seiner Mutter. Das wußten aber nur wenige Leute, da man seine Abkunft nicht kannte. Erst als er zu Konstantinopel starb, erfuhr man es; denn nun wurde seine Erbschaft, da er ein Bastard war, dem Marschall de Retz zugesprochen. Dieser war schlau genug, die schöne Beute zu wittern, und er machte die Bastardschaft, die so lange geheim geblieben war, offenkundig. Sein Anspruch auf das Legat trug über Herrn de Teligny den Sieg davon, der als Erbe des genannten Villeconnin angesehen worden war.

Andre freilich sagen, die Dame hätte das Kind nicht vom König gehabt, und aus eigenen Mitteln seinen Reichtum begründet; aber der Herr de Retz forschte so lange [90] auf den Banken nach, bis er das Geld und die Verschreibung des Königs Franz gefunden hatte. Einige sprachen auch von einem andern, nicht so großen Fürsten wie der König, oder von einem noch Geringeren; aber um die Sache zu verdecken und das Kind sicher zu stellen, war es nicht übel, alles Seiner Majestät zuzuschieben, was verschiedene andre auch getan haben.

Ich glaube, es gibt überall in der Welt, und auch in Frankreich, genug Frauen, die, wenn sie um solchen Preis Kinder haben könnten, gerne den Königen und den Großen Zutritt zu ihrem Schoß gewähren würden; aber oftmals kommen sie nicht zum Ziel, und dann ist die Enttäuschung bitter; denn sie hatten sich ja nur hingegeben, um den »Galardon« zu haben, wie der Spanier sagt.

Über diese vermeintlichen, zweifelhaften Kinder besteht die Streitfrage, ob sie die Erben des väterlichen oder mütterlichen Gutes werden können. Es sei, sagt man, eine große Sünde von den Frauen, solche Kinder in die Erbschaft eintreten zu lassen. Einige Gelehrte sagen, die Frau müsse das Geheimnis enthüllen und dem Manne die Wahrheit sagen. So entscheidet der Doktor Subtil. Aber diese Auffassung ist, wie andre sagen, nicht richtig, weil die Frau in dem Fall sich selbst beschimpfen würde, und dazu ist sie nicht verpflichtet. Denn der gute Ruf ist ein größeres Gut als die zeitlichen Güter, sagt Salomo.

Es ist also besser, wenn die Kinder das Vermögen erben, als wenn der gute Ruf verloren geht; denn, wie das Sprichwort sagt: Mieux vaut bonne renommée que ceinture dorée. Daraus leiten die Theologen den Satz ab: wenn uns zwei Gebote auferlegt werden, so muß das schwächere dem stärkeren weichen. Da nun das Gebot, seinen guten Ruf zu wahren, größer ist als das, welches andern den Gütergenuß bewilligt, so verdient das erstere den Vorzug.

[91] Ferner, wenn die Frau ihrem Gatten die Wahrheit enthüllt, läuft sie Gefahr, von diesem getötet zu werden, und es ist verboten, den Tod zu suchen; ebenso wenig ist es einer Frau erlaubt, sich selbst zu töten aus Furcht, geschändet zu werden oder nachdem sie es geworden ist; das wäre eine Todsünde. So ist es besser, die Schändung zu dulden oder sich durch Flucht oder Geschrei zu helfen, statt sich selbst zu töten; denn die Schändung des Körpers ist nur dann eine Sünde, wenn man sie im Geiste gestattet. Die heilige Lucie antwortete dem Tyrannen, der sie in ein Bordell schleppen lassen wollte: »Wenn du mich gewaltsam dazu zwingst, so wird meine Keuschheit doppelt gekrönt werden.«

Aus diesem Grunde ist Lucrezia von Einigen hochgeschätzt worden. Freilich wurden die heilige Sabina und die heilige Sophoniena, die gleich andern christlichen Jungfrauen sich selbst das Leben nahmen, um nicht in die Hände der Barbaren zu fallen, von unsern Gelehrten schuldlos gesprochen, indem sie sagen, die Jungfrauen seien vom Heiligen Geist getrieben worden. Nach der Einnahme von Cypern wurde ein cypriotisches Mädchen, das erst vor kurzem Christin geworden war, mit mehreren andern Frauen, zur Beute der Türken, als Sklavin weggeführt. Vom Heiligen Geist getrieben, legte sie heimlich Feuer an die Balken der Galeere, so daß alles im Augenblick in Flammen stand und sie mit. Dabei sagte sie: »Gott wolle nicht, daß unsre Leiber von den scheußlichen Türken und Sarazenen entweiht werden!« Aber, wer weiß, vielleicht war ihr Leib schon entweiht und sie wollte hierdurch dafür büßen. Oder ihr Herr wollte ihren Leib nicht berühren, damit er eine größere Summe herausschlagen könne, wenn er sie als Jungfrau verkaufte. Denn in jenen Ländern ist, ebenso wie in andern, ein unberührtes Stück schmackhafter.

Aber um noch einmal auf die Leibwache jener armen Frauen zurückzukommen, die von Eunuchen beschützt werden. Wie ich schon sagte, kommt es vor, daß die [92] Eunuchen mit ihnen Ehebruch treiben und die Gatten zum Hahnrei machen, die Kinderzeugung freilich ausgeschlossen.

Ich kannte zwei Damen in Frankreich, die zwei vornehme Kastraten liebten, um nicht schwanger zu werden; sie hatten das volle Vergnügen mit ihnen und kamen nicht in Verruf. In der Türkei und der Berberei gibt es aber so eifersüchtige Ehemänner, daß sie, den Betrug bemerkend, ihre armen Sklaven ohne weiteres kastrieren, ja sogar völlig entmannen. Leute, die die Türkei bereisten, haben erzählt und geschrieben, daß von Zwölfen, die diese Grausamkeit erlitten, kaum zwei dem Tode entgehen. Diese Zwei, die es überstehen, werden dann als die wahren und sicheren Wächter der Frauenkeuschheit und der Mannesehre hoch geschätzt.

Wir Christen üben solche häßlichen, ja fürchterlichen Grausamkeiten nicht aus; aber an Stelle von Kastraten geben wir den Frauen sechzigjährige Greise zur Wache, wie man es in Spanien tut, und selbst am Hof der dortigen Königinnen, wo ich solche Greise als Wächter der Damen ihres Hofes und Gefolges sah. Aber weiß Gott, es gibt Greise, die den Frauen und Mädchen viel gefährlicher werden als junge Männer, ja, die viel hitziger und in Verführungskünsten viel erfindungsreicher sind.

Ich glaube, daß solche bereits an Kopf und Kinn ergrauten Wächter nicht sicherer sind als die jungen; aber alte Frauen sind es ebensowenig. So führte einmal eine alte Hofmeisterin ihre Mädchen durch einen großen Saal, an dessen Wände sehr große männliche Glieder gemalt waren, und sagte: »Mira que tan bravos no los pintan estos hombres, como quien no los conociese.« Die Mädchen wendeten sich zu ihr und tauschten ihre Meinungen darüber aus, außer einer, die ich kenne und die die Einfalt spielte; diese fragte nämlich eine ihrer Genossinnen, was das [93] da für Vögel seien, denn einige waren mit Flügeln versehen. Sie empfing zur Antwort, das seien Vögel aus der Berberei, und die natürlichen seien noch schöner als die gemalten. Gott weiß, ob sie noch niemals diese Vögel gesehen hatte, aber sie tat wenigstens so.

Viele Männer täuschen sich oftmals über diese Wächter; denn sie glauben, der Schoß ihrer Frauen sei unter den Händen der Alten, denen sie beide den Ehrentitel »Mutter« beilegen, gut bewacht. Aber gerade sie verstehen am besten die Verführung; denn da sie von Natur habgierig sind, nehmen sie aus allen Händen, um ihre Schutzbefohlenen zu verkaufen.

Andre wieder können nicht immer über diese jungen Frauen wachen, die stets zu Streichen aufgelegt sind, besonders in verliebtem Zustande; denn die meiste Zeit schlafen die alten Frauen in einer Ecke des Kamins, so daß in ihrer Gegenwart Hahnreie gemacht werden, ohne daß sie etwas davon merken.

Ich kannte eine Dame, die es einmal in Gegenwart ihrer Gouvernante tat und zwar so vorsichtig und schlau, daß diese es niemals erfahren hat. Eine andre machte es sogar fast sichtbar vor den Augen ihres Gatten, während er Karten spielte.

Bei andern Alten sind die Beine zu schwach, so daß sie den Damen nicht schnell genug folgen können; bevor sie an das Ende einer Allee, eines Gehölzes oder auch eines Zimmers gelangt sind, haben die Damen die Sache schon erledigt, ohne daß jene es sahen oder bemerkten, denn ihre Beine sind schwach und ihre Augen kurzsichtig. Es gibt noch andre alte Hofmeisterinnen, die selbst das Handwerk ausgeübt haben und nun mit der Enthaltsamkeit der Jungen Mitleid empfinden; sie sind so gutmütig, den Frauen selbst den Weg zu bahnen, ihnen zureden und nach Kräften beistehen. Auch Aretino sagt, die größte Freude und Genugtuung einer Frau, die die Sache selbst durchgemacht hat, sei, sie auch andre Frauen durchmachen zu lassen.

[94] Wenn man also einen guten Liebeswächter haben will, täte man besser, sich statt an eine alte Kupplerin, an eine junge Frau zu wenden. Ein sehr galanter Herr sagte mir, er habe es seiner Frau ausdrücklich verboten, mit alten Frauen Umgang zu pflegen, aber mit den jungen könne sie verkehren, wie sie wolle. Er führte dafür viele gute Gründe an, die ich besseren Rednern zu besprechen überlasse.

Deshalb vertraute auch ein vornehmer Herr, den ich kenne, seine Frau, auf die er eifersüchtig war, einer Cousine an, die sie bewachen sollte, was diese auch sehr gut tat. Sie hatte freilich zur Hälfte die Natur des Ortolanhundes, der niemals von dem Kohl aus seines Herrn Garten frißt, und auch andre nicht davon fressen läßt; nämlich diese Dame aß davon und ließ ihre Cousine nicht essen, das heißt, daß der Mann ihr manchen heimlichen Liebesdienst erwies, was die Frau, so schlau sie war, nicht bemerkte, oder nicht bemerken wollte.

Ich könnte eine Menge Mittel anführen, die die armen eifersüchtigen Ehemänner gebrauchen, um ihre üppigen Frauen im Zügel zu halten; aber es nützt alles nichts und ist verlorene Mühe. Denn wenn die Frauen einmal den Stachel der Liebe empfinden, schicken sie ihre Gatten doch zu Guillot dem Träumer. Ich werde in einem besonderen Kapitel, das ich halb fertig habe, von den Listen und Kniffen der Frauen in dieser Beziehung sprechen, die ich mit den Kriegslisten der Soldaten vergleiche. Das schönste und sicherste Mittel, welches ein eifersüchtiger Gatte bei seiner Frau anwenden kann, ist, ihr ruhig freie Hand zu lassen. Von einem galanten Eheherrn hörte ich, die Natur der Frau sei so geartet, daß sie ein Ding um so mehr begehrt, je mehr man es ihr verbietet, besonders in Liebessachen, wo die Lust durch das Verbot nur gesteigert wird.

[95] Noch eine andere Art Hahnreie gibt es, über die folgende Streitfrage besteht: Soll nämlich jemand, wenn er bei Lebzeiten des Gatten dessen Frau genossen hat und nach des Gatten Tode dessen Witwe in zweiter Ehe heiratet – was öfter und auch bei Großen vorkommt – den Namen Hahnrei tragen?

Einige sagen, er könne in diesem Falle nicht Hahnrei genannt werden, denn er selbst habe ja dem verstorbenen Manne die Hörner aufgesetzt Jedoch es gibt Waffenschmiede, die mit dem Degen, den sie selbst angefertigt haben, umgebracht werden.

Andre sagen, er sei in der Tat ein Hahnrei, und zwar in spe. Dafür führen sie viele Gründe an; aber da der Prozeß darüber noch nicht entschieden ist, überlasse ich das dem Urteil der nächsten Beratung.

Ich will hier noch eine vornehme verheiratete Dame erwähnen, die einem Herrn, mit dem sie ein Verhältnis hatte, vor vierzehn Jahren die Ehe versprochen hatte und seit jener Zeit immer darauf wartete, daß ihr Gemahl sterben möge. Aber er wollte absolut nicht sterben, so daß sie wohl sagen konnte: »Verdammt sei der Gatte und Eheherr, der länger gelebt, als ich wollte!« Krankheiten und körperliche Gebrechen hatte er genug, aber Lust zum Sterben nicht. Der letzte König Heinrich, der die Verwaltung des schönen und großen Vermögens, das der genannte Hahnreigatte besessen, einem tapfern und ehrenwerten Edelmann übertragen hatte, sagte oft: »An meinem Hofe gibt es zwei Personen, denen es sehr lange dauert, bis ein Gewisser stirbt: dem einen wegen des Vermögens, dem andern wegen des Liebhabers; aber beide sind bis jetzt noch enttäuscht.«

Das ist die Weisheit und Vorsehung Gottes, der nicht jedem gewährt, was er sich Böses wünscht Übrigens hörte ich, daß die beiden nicht mehr im besten Einvernehmen stehen und den Kontrakt ihrer künftigen Ehe verbrannt haben, zum großen Ärger der Frau und zur Freude des zukünftigen Gatten, da dieser sich anders besonnen hat [96] und den Tod des Eheherrn nicht abwarten will. Dieser seinerseits machte, als ob er sich über die Leute belustige, mehrmals Miene, sterben zu wollen; aber schließlich hat er den zukünftigen Herrn Gemahl noch überlebt. Das war sicher die Strafe Gottes; denn es ist unerhört, eine zweite Ehe zu planen, während die erste noch besteht.

Auch noch von einer andern Dame weiß ich, die nicht ganz so vornehm war, wie die eben erwähnte, und die, von einem Edelmann um das Ehebündnis gebeten, diesen heiratete. Es geschah nicht etwa aus Liebe, sondern weil er schwach und kränklich war und die Ärzte ihm kaum noch ein Jahr Leben versprachen, wenn er auch nur einige Male diese schöne Frau im Ehebette erkannt haben würde. Deshalb hoffte sie auf seinen baldigen Tod und auf die Besitzergreifung seiner schönen Hinterlassenschaft; denn er war sehr reich. Aber ihre Enttäuschung war groß; denn er lebte nach seiner Verheiratung erst richtig auf; sie aber starb. Man sagt, dieser Edelmann habe nur den Kranken gespielt, damit die Frau, die er als sehr geizig kannte, bewogen würde, ihn in der Hoffnung auf seine großen Güter zu heiraten. Aber Gott bestimmte es anders und ließ zu ihrem größten Ärger die Ziege da fressen, wo sie angebunden war.

Was sollen wir von manchen Männern sagen, die ganz berüchtigte Courtisanen heiraten, wie man es gewöhnlich in Frankreich tut, aber besonders in Spanien und Italien. Solche Männer bilden sich ein, den Lohn der Barmherzigkeit zu verdienen por librar una anima cristiana del infierno, wie sie sagen, und um sie auf den rechten Weg zu bringen.

Ich habe manche Leute getroffen, die der Meinung waren, daß sie keine Hahnreie werden könnten, wenn sie aus solchem heiligen Anlaß heirateten; denn was man zur Ehre Gottes tut, könne nicht in Schimpf verwandelt werden. Sie meinen auch, daß ihre Frauen nicht mehr auf Abwege [97] geraten, wenn sie auf den rechten Weg zurückgeführt worden sind. Ich habe auch in jenen beiden Ländern manche gesehen, die, nachdem sie geheiratet, nicht mehr der Sünde anheimfielen; andre freilich konnten sich nicht bessern und stolperten aufs neue in den alten Graben.

Als ich zum erstenmal in Italien war, verliebte ich mich zu Rom in eine sehr schöne Courtisane Namens Faustina. Da ich nun damals nicht sehr viel Geld hesaß und sie sehr hoch im Preise stand (zehn bis zwölf Taler für die Nacht), mußte ich mich mit Worten und Blicken begnügen. Nach einiger Zeit komme ich wieder hin. Diesmal besser gestellt, suche ich sie in ihrer Wohnung durch Vermittlung eines Zweiten auf und finde sie in derselben Wohnung mit einem Gerichtsherrn verheiratet. Ich wurde freundlich aufgenommen, und sie erzählte mir von ihrer günstigen Verheiratung und sagte, sie habe den Torheiten ihrer Jugend für immer Valet gesagt. Ich, mehr als jemals in sie verliebt, zeigte ihr schöne französische Taler. Sie widerstand der Versuchung nicht und gewährte meinen Wunsch, wobei sie sagte, sie habe sich bei ihrer Verheiratung von ihrem Gatten völlige Freiheit ausbedungen und auch erhalten, jedoch unter der Voraussetzung, daß es ohne Skandal abgehe und eine große Summe gefordert werde, damit sie beide auf großem Fuße leben könnten. Für große Summen wäre sie zu haben, aber nicht für kleine. Dieser Gatte war ein Hahnrei vor- und nachher.

Ich hörte von einer vornehmen Dame, die beim Abschluß ihrer Ehe ausmachte, daß ihr Gatte ihr die Freiheit lasse, am Hofe der Liebe nachzugehen, und sich das Recht auf das Fällholz im Walde vorbehielt. Zur Entschädigung gab sie ihm monatlich tausend Franken Taschengeld und kümmerte sich um weiter nichts als um ihr Vergnügen.

Solche Frauen, die frei gewesen sind, können sich nicht enthalten, die festen Schlösser ihrer Türen zu sprengen, besonders wenn das Gold klingt. Ein Beispiel bietet die schöne Tochter des Königs Akris, die in einem festen Turm [98] eingeschlossen war und sich dem Jupiter hingab, der ihr in Gestalt eines goldenen Regens erschien.

Ein galanter Mann sagte: »O, wie schwer ist es doch, eine Frau zu bewachen, die schön, ehrgeizig, habsüchtig und nach Schmuck und schönen Gewändern lüstern ist, und sollte auch ihre Scham bewaffnet sein, wie man zu sagen pflegt, und ihr Gatte noch so tapfer sein und eine noch so gute Klinge führen, um sie zu beschützen.«

Ich kannte viele solche tapfern Ehemänner, die davon mitreden können; und es war recht schade um sie, sie dahin kommen zu sehen, daß sie nach so manchem schönen und denkwürdigen Sieg über ihre Feinde zwischen den Blumen und Lorbeeren, die ihr Haupt krönten, jene entwürdigenden Hörner trugen. Nichtsdestoweniger denken sie mehr an die Triumphe ihres Ehrgeizes und ihrer Helden-Taten als an die Bewachung ihrer Frauen und die Aufhellung jener dunklen Grotte. So gelangen sie zur Einnahme der Stadt Cornaille, was sehr zu bedauern ist. Ich kannte einen sehr tapfern Mann mit dem Titel eines Großen, der sich eines Tages seiner Eroberungen rühmte; sein Bundesgenosse und Verwandter sagte bei dieser Gelegenheit zu einem andern: »Er erzählt uns von seinen Eroberungen, was mich nicht verwundert; denn die Scham seiner Frau ist die größte, die er jemals gemacht hat und machen wird.«

Ich kannte verschiedene andre, die trotz all ihres Ansehens und ihrer Majestät doch den Titel des Hahnreis trugen, der alles andre in den Schatten stellte; denn dieses Schaustück kann man nicht verbergen, man mag sich stellen, wie man will, es tritt gar zu deutlich hervor. Und was mich betrifft, so habe ich nie in meinem Leben solche Leute ohne die sichtlichen Merkmale gesehen, ausser einem Einzigen, dei dem der Scharfsichtigste nichts bemerkt haben würde, wenn er die Frau nicht kannte; so anmutig und würdevoll benahm er sich.

Ich möchte gern die Damen, die so vollendete Ehegatten besitzen, einmal fragen, ob sie ihnen auch derartige Streiche [99] gespielt haben. Aber sie könnten mich dagegen fragen: »Wo gibt es denn solche vollkommenen Gatten, die so sind wie der, den Sie soeben erwähnten?«

Gewiß, meine Damen, Sie haben recht, denn nicht alle können Scipionen oder Cäsaren sein, und solche gibt es nicht mehr. Ich bin also der Meinung, daß Sie darin ihrer Laune folgen; denn – da wir von den Cäsaren sprechen – die galantesten, tugendhaftesten und vollendetsten unter ihnen haben jene Sache durchgemacht, wie wir von jenem vortrefflichen Kaiser Trajan lesen, dessen Vollkommenheiten seine Gattin Plotina nicht abhalten konnten, sich dem Hadrian hinzugeben, der nach ihm Kaiser wurde. Dieser zog von ihr große Vorteile, so daß er seine Beförderung ihr verdankt. Als er zu seiner Größe gelangt war, zeigte er denn auch keinen Undank, denn er liebte und ehrte sie sehr, und als sie starb, trug er so große Trauer um sie, daß er eine Zeit lang weder aß noch trank. Er war gezwungen, sich drei oder vier Monate im Narbonnaisischen Gallien aufzuhalten, wo er die Trauerbotschaft erfuhr. Während dieser Zeit schrieb er an den Senat, die Plotina als Göttin zu erklären, und befahl, daß ihre Beisetzung mit dem größten Pomp erfolgen solle. Indessen füllte er die Zeit damit aus, nahe bei Nemusa, dem heutigen Nîmes, einen prächtigen Tempel aus köstlichem Marmor und Porphyr und geschmückt mit Edelsteinen, zu ihrem Andenken zu erbauen.

In Liebessachen soll man also auf alles gefaßt sein. Ist doch auch der Gott der Liebe, Cupido, blind, was sich bei manchen Frauen bewahrheitet, welche die schönsten, ehrenvollsten und vortrefflichsten Männer besitzen, die man sich denken kann, und die dennoch die häßlichsten und widerlichsten Männer lieben.

Ich sah viele, bei denen man die Frage aufstellte: Welche Frau ist eine größere Dirne, die, welche einen schönen, ehrenhaften Gatten und einen häßlichen Liebhaber hat, der wenig ihrem Manne gleicht; oder die, welche einen [100] häßlichen Gatten, aber einen hübschen Anbeter hat und trotzdem nicht unterläßt, ihren Gemahl zu liebkosen, als sei er der schönste Mann, was nur gar zu viele Frauen tun?

Das allgemeine Urteil ist gewiß, daß eine Frau, die ihren schönen Gatten um eines häßlichen Liebhabers willen aufgibt, eine große Metze ist, so wie Jemand schlechten Geschmack bekundet, der eine gute Speise für eine schlechte stehen läßt. Wenn also eine Frau Häßlichkeit für Schönheit eintauscht, so scheint es, daß sie es aus purer Geilheit tut, denn ein häßlicher Mann, der mehr als ihr Gatte den lasciven Bocksgeruch hat, reizt eben auch mehr zur Unzucht. Und meistens sind die schönen und feinen Männer auch etwas zarter und weniger geschickt zur Befriedigung einer unmäßigen, zügellosen Üppigkeit als ein großer, starker, bärtiger, roher Satyr.

Andre sagen, daß die Frau, die einen schönen Liebhaber und einen häßlichen Mann besitzt und alle beide liebkost, ebenso dirnenhaft sei, weil sie nichts von ihren materiellen Vorteilen einbüßen will.

Solche Frauen gleichen den Landreisenden, die, wie es auch in Frankreich geschieht, abends in der Herberge ankommen und niemals vergessen, beim Abendessen vom Wirt das Maß ihres Postpferdes zu verlangen, damit sie sich bis zum Übermaß sättigen können.

Ebenso können solche Frauen nicht genug bekommen. Eine kannte ich, deren Gatte ein tüchtiger Ehemann war; aber das genügte ihr noch nicht, sie wollte das Maß verdoppeln, auf welche Weise es auch sei. Der hübsche Liebhaber diente ihr für den Tag, und es vermehrte ihre Lust, seine Schönheit im hellen Licht des Tages zu genießen. Der häßliche Herr Gemahl aber war für die Nacht gut genug. Denn wie man sagt, daß die Katzen bei Nacht alle grau sind, so kümmert es die Dame wenig, ob der Gatte schön oder häßlich ist, wenn sie nur ihre Begierde stillt. Denn, wie ich von Mehreren hörte, denken weder Frauen noch Männer im Zustand der Ekstase an irgend [101] etwas anderes als an die Befriedigung des gegenwärtigen Augenblicks. Aus guter Quelle weiß ich, daß manche Damen, wenn sie mit ihrem Gatten verkehren, an ihren Freund denken und nicht an ihren Gemahl, um ihr Vergnügen zu steigern. Ebenso sollen es Männer machen, die bei der Umarmung ihrer Frau an ihre Maitresse denken, und zwar aus demselben Grunde. Aber das sind Mißbräuche.

Die Naturphilosophen behaupten, und führen viele Gründe dafür an, daß bei jenem Akt der gegenwärtige Gegenstand der beherrschende sei und nicht der abwesende; aber ich bin nicht Philosoph und Gelehrter genug, um ihre Gründe ausführlich zu erörtern, von denen manche etwas schmutzig sind. Ich will den Anstand beobachten, wie man sagt; was aber jene Bevorzugung häßlicher Liebschaften betrifft, so habe ich in meinem Leben erstaunliche Beispiele davon gesehen.

Als ich einst von einer Reise nach einer ausländischen Provinz zurückkehrte (ich will sie nicht nennen, weil man sonst erraten könnte, von wem ich spreche), plauderte ich mit einer vornehmen Weltdame über eine andere Dame, eine Prinzessin, die ich dort gesehen hatte, und die Dame fragte mich, was für Liebschaften diese habe. Ich nannte ihr die Persönlichkeit, die die Gunst jener Prinzessin genoß; es war ein Mann niederer Art, nicht schön und ohne Bildung. Die Dame rief aus: »Wahrhaftig, sie tut sich sehr unrecht, ihre Liebe so zu entwürdigen. Und sie ist doch so schön, und man hält sie für so anständig.«

Die Dame hatte vollkommen recht, so zu sprechen, denn ihr Verhalten widersprach dem nicht: sie hatte einen hübschen und ansehnlichen Liebhaber. Eine Dame wird sich auch niemals einen Vorwurf zu machen haben, wenn der Gegenstand ihrer Liebe schön ist, und auch dem Gatten kein Unrecht zufügen, wenn es um ihrer Nachkommen willen geschieht. Denn manche Ehemänner sind so häßlich, dumm, tölpelhaft, unliebenswürdig, plump, träge, kraft- und mutlos, daß ihre Frauen lieber gar keine Kinder hätten als solche, [102] die diesen Männern gleichen würden. Ich kannte mehrere Damen, die von solchen Männern Kinder hatten, und diese glichen ganz ihren Vätern. Wenn die Damen aber bei ihrem Freund eine Anleihe machten, dann übertrafen solche Kinder ihre Väter, Brüder und Schwestern in jeder Beziehung.

Einige Philosophen, die dieses Thema behandelt haben, behaupten stets, daß solche im geheimen oder unversehens erzeugten Kinder viel begabter, munterer und wohlgeratener sind, als die mit träger Muße, halb verschlafen und nur mit Absicht auf den brutalen Genuß im Ehebett erzeugten.

Auch hörte ich von den Gestüthältern der Könige und großen Herren, daß sie oft bessere Pferde aus verstohlenen Verbindungen ihrer Mütter entstehen sahen, als die unter Leitung des Stallmeisters mit bestimmten Hengsten erzeugt wurden. Und mit den Menschen ist es gerade so.

Wie viele Damen kenne ich, die schöne und prächtige Kinder zur Welt brachten; wenn sie aber von ihrem vermeintlichen Vater erzeugt worden wären, so wären es die reinen Tiere geworden.

Deshalb sollen die Frauen vorsichtig sein und für schöne Hengste sorgen, um eine gute Rasse zu erzeugen. Manche freilich haben schöne Männer und nehmen dann noch häßliche Liebhaber, woraus eine scheußliche Nachkommenschaft entsteht.

Das ist einer der wichtigsten Vor- und Nachteile der Hahnreischaft.

Ich kannte eine Dame der großen Welt, die einen sehr häßlichen und unangenehmen Mann hatte; aber von vier Töchtern und zwei Söhnen, die sie besaß, taugten nur zwei etwas, und die waren von ihrem Freund erzeugt; die andern von ihrem hausbackenen Gatten abstammend, waren garstige Geschöpfe.

Die Damen müssen in dieser Beziehung also klug und geschickt sein, denn gewöhnlich gleichen die Kinder den Vätern; wenn sie ihnen aber nicht ähneln, so geht das ihrer Ehre sehr nahe. Aus diesem Grunde wollten viele [103] Damen, denen ich begegnete, aller Welt einreden, ihre Kinder sähen dem Vater ähnlich, und nicht der Mutter, obgleich das gar nicht der Fall war. Man kann aber eben den Vätern keine größere Freude machen, damit es nicht scheint, als stammten die Kinder von anderen, obgleich gerade das oftmals der Fall ist.

Ich befand mich einst in einer großen Hofgesellschaft, wo man das Bildnis zweier Töchter einer Königin betrachtete. Jeder äußerte seine Meinung darüber, wem die Kinder ähnlich sähen, und alle fanden, daß sie der Mutter glichen; aber ich, der ich der sehr ergebene Diener der Mutter war, behauptete, sie sähen ganz dem Vater ähnlich, und wenn man diesen Mann so gut gekannt hätte wie ich, würde man mir recht geben. Dafür sagte mir die Schwester dieser Mutter ihren Dank und war mir sehr erkenntlich, denn einige Personen hatten das mit Absicht gesagt, um die Dame der Liebschaft zu verdächtigen, und daß sie »etwas Staub in ihrer Flöte« hätte, wie man sagt Meine Ansicht über die Ähnlichkeit mit dem Vater brachte also alles wieder in Ordnung. Wenn man eine Dame hochschätzt und Kinder von ihrem Fleisch und Blute sieht, sage man also immer, daß diese dem Vater glichen, wenn es auch nicht wahr ist.

Übrigens ist es nicht schlimm, wenn man sagt, sie hätten auch etwas von der Mutter, wie es ein Herr vom Hofe, ein guter Freund von mir, tat. In Gesellschaft zweier Brüder, die vom König sehr begünstigte Edelleute waren, wurde er gefragt wem diese Herren ähnlich sähen, dem Vater oder der Mutter. Er antwortete, der, welcher kalt sei, gliche dem Vater, und der andre, welcher warm sei, der Mutter. Durch dieses Wortspiel redete er zu Gunsten der Mutter, die ein heißes Temperament hatte; und in der Tat hatten die Brüder von diesen beiden Gemütsarten, Kälte und Wärme, von der Natur ihr Teil empfangen.

Eine andre Art von Hahnreien sind nun noch die, welche aus Verachtung ihrer Frauen dazu werden. So[104] kannte ich manche, die schöne und anständige Frauen besaßen, aber keinen Wert darauf legten und sie verachteten. Diejenigen Frauen, die klug und mutig und aus gutem Hause waren, zahlten ihnen diese Verachtung mit gleicher Münze heim; und siehe da, nun wurden die Männer verliebt. Denn, wie das italienische oder neapolitanische Sprichwort sagt: »amor non si vince con altro che non sdegno«.

Erfährt also eine schöne und anständige Frau, die sich ihres Wertes bewußt ist, von seiten ihres Gatten Mißachtung, wo sie ihm doch die volle eheliche Liebe entgegenbringt, so tut sie am besten, – wenn sie nur ein bißchen Herz besitzt – den Gatten aufzugeben und sich einen Freund anzuschaffen, der für ihre kleinen Bedürfnisse sorgt, und wenn man ihr auch noch so oft das Gesetz predigte, ihren Gatten lieben zu müssen.

Ich kannte zwei Damen vom Hofe, zwei Schwägerinnen; die eine hatte einen Günstling des Hofes geheiratet, der jedoch nicht so viel Wert auf seine Frau legte, wie er mit Rücksicht auf den Ort, wo sie sich befand, eigentlich sollte. Er redete vor aller Welt mit ihr wie mit einer Wilden und benahm sich sehr roh gegen sie. Sie ertrug das einige Zeit mit Geduld, bis ihr Gatte einst in Ungnade fiel. Nun ergriff sie die Gelegenheit beim Schöpfe, ihren lang verhaltenen Groll auszulassen und ihm seine Verachtung heimzuzahlen: sie machte ihn schlankweg zum Hahnrei. Ihre Schwägerin folgte ihrem Beispiel. Diese war schon im zarten Alter verheiratet worden, und ihr Gatte behandelte sie wie eine junge Gans. Als sie aber älter wurde und sie ihr Herz und ihre Schönheit entdeckte, bezahlte sie ihn mit gleicher Münze und machte ihm aus den Zinsen der Vergangenheit ein schönes Geschenk von Hörnern.

Ich kannte einst einen Grandseigneur, der zwei Beischläferinnen besaß, wovon die eine eine Mohrin war; das waren seine liebsten Freundinnen, aber seine Frau beachtete [105] er nicht, obgleich sie ihm alle eheliche Zärtlichkeit entgegenbrachte. Er aber ließ ihr keinen freundlichen Blick und keine herzliche Umarmung zuteil werden, und von hundert Nächten hatte er kaum zwei für sie übrig. Warum sollte nun die Ärmste nach so viel Entwürdigungen nicht ein vakantes Bett wählen und ihre andre Hälfte wo anders suchen?

Wenn dieser Gatte es wenigstens gemacht hätte, wie Jener, der zu seiner sehr schönen Frau, die ihr Vergnügen anderswo suchte, geradeheraus sagte: »Gut, tue es, ich erlaube es dir. Mache deinerseits mit einem andern, was du willst; ich lasse dir deine Freiheit. Kümmere dich auch nicht um meine Liebschaften und laß mich machen, was mir gefällt. Ich hindere dich nicht, also hindere du mich auch nicht!« So warfen sie die Feder in den Wind: der eine ging rechts-, der andere linkswärts, sie kümmerten sich nicht umeinander und lebten in Frieden.

Ein impotenter, kränklicher, gichtbrüchiger Greis, den ich kannte, sagte eines Tages zu seiner Frau (die sehr schön war und von ihm nicht so zufriedengestellt werden konnte, wie sie es wünschte): »Ich weiß wohl, mein Schatz, daß meine Kraftlosigkeit deinem lustigen Alter nicht genügt. Deshalb muß ich dir verhaßt sein, und es ist unmöglich, daß du mich so liebst, als wenn ich meine Pflicht wie ein starker und kräftiger Gatte täte. Aber ich habe beschlossen, dir völlige Liebesfreiheit zu geben, damit du dir jemanden anschaffst, der dich besser bedient als ich; aber ich bitte, suche dir einen, der verschwiegen ist und der dich und mich nicht in Verruf bringt. Möge er dir ein paar hübsche Kinder erzeugen, und ich will sie lieben und halten wie die meinigen, so daß alle Welt glauben soll, es seien unsre wahren und legitimen Kinder, zumal ich körperlich ja noch so aussehe, daß man sie für die meinigen halten kann.«

Man kann sich denken, wie vergnügt diese hübsche junge Frau über die Gewährung einer solchen angenehmen Freiheit war, die sie denn auch so gut ausnutzte, daß sie [106] im Nu das Haus mit zwei oder drei hübschen Kinderchen bevölkerte. Und weil der Gatte hin und wieder mit ihr schlief, so glaubte er, er habe auch seinen Teil daran, und alle Welt glaubte es. Auf diese Weise waren Mann und Frau sehr zufrieden und hatten eine hübsche Familie.

Noch eine andre Sorte Hahnreie gibt es; das sind die, die durch eine eigene Auffassung mancher Frauen zustande kommen; nämlich, daß es nichts Schöneres, Erlaubteres und Empfehlenswerteres gäbe als die Barmherzigkeit Und diese, sagen sie, solle sich nicht nur damit begnügen, den Armen zu geben, die der Unterstützung der Reichen bedürftig sind, sondern sich auch auf die armen schmachtenden Liebhaber erstrecken, deren Herz in Flammen steht. »Denn,« sagen sie, »kann es eine größere Barmherzigkeit geben, als jemandem, den man sterben sieht, das Leben zu retten und den Verschmachtenden zu tränken?« Wie jener tapfere Paladin, der Herr von Montauban, sagte, der die schöne Ginevra bei Ariosto liebt, nämlich: daß diejenige sterben solle, die ihrem Liebhaber das Leben raubt, aber nicht die, welche es ihm gibt.

Wenn er dies von einem Mädchen sagt, so gilt das noch viel mehr von der Mildtätigkeit der Frauen; denn bei jenen ist die Börse noch nicht so offen wie bei den Frauen, deren Börse – wenigstens bei einigen – sehr weit ist, so daß sie ihre Barmherzigkeit in großem Maßstabe ausüben können.

Hier erinnere ich mich einer Geschichte von einer sehr hübschen Hofdame, die sich am Feste von Maria Lichtmeß in ein Gewand aus weißem Damast gekleidet hatte. Auch das ganze Gefolge trug Weiß, so daß an diesem Tage alles hell und weiß erschien. Der Liebhaber der Dame hatte eine ihrer Freundinnen, auch eine schöne Dame, aber etwas älter, als jene, für sich gewonnen, um für ihn ein gutes Wort einzulegen. Diese drei betrachteten ein hübsches Bild, worauf eine Charitas in weißem Schleier gemalt war; da sagte die Dame zu ihrer Freundin: »Sie tragen heute [107] dasselbe Gewand wie diese Charitas; aber Sie müssen Ihrem Kleide auch Ehre machen und die Barmherzigkeit an Ihrem Anbeter üben. Denn nichts ist so schön wie Mitleid und Barmherzigkeit, gleichviel in welcher Form man sie übe, wenn man nur die gute Absicht hat, seinem Nächsten zu helfen. Tun Sie es also. Und wenn Sie Ihren Gatten fürchten und die Ehe vor Augen haben, so ist das ein leerer Aberglaube, den wir Frauen nicht hegen sollen, weil die Natur uns Güter verschiedener Art verliehen hat nicht damit wir uns sparsam ihrer bedienen, wie ein schäbiger Geizhals seinen Schatz hütet; sondern wir sollen den unsrigen den armen Leidenden und Bedürftigen reichlich zukommen lassen. Freilich ist unsre Keuschheit auch ein Schatz, den man um niedriger Dinge willen nicht ausgeben soll; aber für hohe und große Dinge sollen wir ihn verschwenderisch austeilen. Allerdings sollen wir unsre Keuschheit achten und sie nur Männern von Verdienst und Tugend opfern, den niedrigen, gemeinen und wertlosen aber verweigern. Was unsre Gatten betrifft, so frage ich, ob sie denn solche Abgötter sind, daß wir nur ihnen unsre Kerze weihen sollen und nicht auch andern schönen Götterbildern. Denn ein einziges Gelübde ist man nur Gott allein zu halten schuldig.«

Diese Rede gefiel der Dame nicht übel und war auch ihrem Liebhaber von Nutzen, der durch ein wenig Ausdauer zum Ziel gelangte. Solche Barmherzigkeitspredigten sind aber gefährlich für die armen Ehemänner. Ich habe erzählen hören (weiß aber nicht, ob es wahr ist, und will es nicht verbürgen), daß die Hugenotten im Anfang ihrer Religionsgründung ihre Predigten nachts und im verborgenen abhielten, aus Furcht, entdeckt und angeklagt zu werden. Dies geschah einst in der Straße Saint-Jacques zu Paris zur Zeit Heinrichs des Zweiten, wobei vornehme Damen, die sich dort um dieser Barmherzigkeit willen eingefunden hatten, überrascht wurden. Am Schluß seiner Predigt mahnte der Priester zur Barmherzigkeit, und gleich darauf wurden die Lichter verlöscht, und jeder übte sie mit seinem [108] Bruder und seiner Schwester in Christo, indem man die Gaben gegenseitig je nach Wollen und Können austeilte. – Ich würde nicht wagen, dies zu erzählen, wenn man mir nicht die Wahrheit dessen versichert hätte; aber vielleicht ist es doch nur Lüge und Verleumdung.

Ich weiß jedoch, daß damals zu Poitiers die Frau eines Advokaten lebte, genannt die schöne Gotterelle, die ich selbst gesehen habe. Sie war eine der schönsten, anmutigsten und begehrenswertesten Frauen der Stadt, und alle Augen und Herzen flogen ihr zu. Sie ging nach beendigtem Gottesdienst nacheinander durch die Hände von zwölf Schülern, sowohl im Konsistorium wie unter dem Wetterdach, ja, wie ich hörte, sogar unter einem Meßstock des Altmarkts, ohne Lärm zu schlagen oder Widerstand zu leisten; sie befolgte nur die Worte der Predigt und empfing alle mit Freundlichkeit wie wahre Brüder Christi. Dieses Almosen spendete sie den Hugenotten lange Zeit, aber für die Papisten hatte sie nicht für eine Dublone übrig. Trotzdem gelang es einigen Papisten, die von den Hugenotten die Redeweise ihrer Versammlungen angenommen hatten, sie zu genießen. Andre gingen zur Predigt unter dem Vorwand, die reformierte Lehre kennen zu lernen, in Wirklichkeit aber, um dieses schöne Weib genießen zu können. Ich war damals als junger Student zu Poitiers, wo verschiedene meiner Kollegen, die auch ihr Teil von ihr genossen hatten, mir die Wahrheit verbürgten; übrigens ging das Gerücht davon durch die ganze Stadt. Das war die hübsche Barmherzigkeit einer gewissenhaften Frau gegen ihre Religionsgenossen!

Noch eine andre Art von Barmherzigkeit wird öfter ausgeübt, und zwar an den armen Gefangenen im Kerker, die des Vergnügens mit den Damen beraubt sind. Mit diesen haben die Kerkermeisterinnen und die wachhabenden [109] Frauen Mitleid oder die Kastellaninnen, die in den Schlössern Kriegsgefangene halten, und sie lassen ihnen Barmherzigkeit widerfahren. So sagte einst eine römische Courtisane zu ihrer Tochter, in die ein hübscher Mann verliebt war, ohne daß sie ihn erhören wollte: »E dagli, al manco per misericordia.«

So behandeln die Kerkermeisterinnen, Kastellaninnen und andre ihre Gefangenen, die trotz ihres Elendes und ihrer Haft nicht aufhören, den Stachel des Fleisches zu fühlen, grade so wie zu besseren Zeiten. Ein altes Sprichwort sagt: »Die Armut erzeugt Fleischeslust.« Und auf dem Stroh und bei trocknem Brote erhebt Meister Priapus gerade so gut das Haupt wie in dem weichsten und besten Bette der Welt.

Deshalb sind die Armen und die Gefangenen in ihren Hospitälern und Gefängnissen ebenso brünstig wie die Könige, Prinzen und großen Herren in ihren prächtigen Palästen und feinen Betten.

Zur Bestätigung dessen will ich eine Geschichte anführen, die mir einst der Galeeren-Kapitän Beaulieu erzählte, von dem ich schon mehrmals gesprochen. Er befand sich bei dem verstorbenen Großprior von Frankreich, aus dem Hause Lorraine, und wurde von ihm sehr geliebt. Eines Tages wollte er ihn zu Malta in einer Fregatte besuchen, wurde aber von sizilischen Galeeren aufgegriffen und nach Castellamare bei Palermo gebracht, wo er in ein elendes, enges und dunkles Gefängnis geworfen und während dreier Monate auf das schlechteste behandelt wurde. Der Kastellan, ein Spanier, hatte zwei sehr schöne Töchter, und als diese den Gefangenen jammern hörten, baten sie eines Tages ihren Vater um Erlaubnis, ihn – um der Liebe Gottes willen – besuchen zu dürfen. Es wurde ihnen gewährt Da nun der Kapitän Beaulieu ein sehr wackerer Mann war und vortrefflich zu sprechen verstand, wußte er die Mädchen gleich vom ersten Augenblick an zu gewinnen, so daß sie [110] von ihrem Vater die Entfernung des Gefangenen aus diesem elenden Kerker erwirkten und ihm ein anständiges Zimmer und eine bessere Behandlung verschafften. Das war aber noch nicht alles, denn sie erhielten auch die Erlaubnis, täglich einmal zu ihm zu gehen und mit ihm zu plaudern.

Die Sache machte sich so gut, daß alle beide sich in ihn verliebten, obgleich er nicht hübsch war, sie aber sehr schön. Und ohne Furcht vor härterem Kerker oder gar Todesstrafe, erlag er der Versuchung und genoß die beiden in aller Muße. Es wurde auch nicht ruchbar, trotzdem er acht Monate lang dieses Glück genoß, und es ging ohne irgend einen Unfall, wie Überraschung oder Befruchtung der beiden Schwestern ab. Denn sie verstanden sich gut untereinander, und es waren so sichere Wachen ausgestellt, daß nichts herauskam. Er schwor mir zu (denn er war mir ein lieber Freund), daß er während seiner Freiheit nie bessere Zeit gehabt als damals und nie größere Glut empfunden als in jenem Gefängnis, welches sehr schön gewesen sei, obgleich man denken sollte, daß es ein schönes Gefängnis gar nicht geben kann. Dies dauerte acht Monate lang, bis der Waffenstillstand zwischen dem Kaiser und Heinrich dem Zweiten eintrat und alle Gefangenen in Freiheit gesetzt wurden. Er versicherte mir, es hätte ihm nichts so leid getan, wie dieses gute Gefängnis und die beiden schönen Schwestern verlassen zu müssen, die seinen Abschied ebenfalls tief betrauerten.

Ich fragte ihn, ob er niemals eine Entdeckung vermutet habe. Das wohl, sagte er, aber gefürchtet habe er sie nicht; denn im schlimmsten Falle hätte man ihn getötet, und er wäre lieber gestorben als in den ersten Kerker zurückgekehrt. Übrigens hatte er gefürchtet, daß, wenn er die hübschen Mädchen nicht befriedigt hätte, sie ihm aus Ärger eine noch schlimmere Behandlung verschafft haben würden, und so hätte er sich mit geschlossenen Augen kopfüber in dieses schöne Abenteuer gestürzt.

[111] Sicherlich verdienen diese guten, mitleidigen Spanierinnen das höchste Lob: sie waren nicht die Ersten und sind auch nicht die Letzten.

Man erzählt, daß einst in Frankreich der Herzog d'Ascot, der zu Vincennes gefangen saß, sich mit Hilfe einer ehrenwerten Dame aus dem Kerker befreite, was freilich schlimm für sie ablief, denn er stand im Dienste des Königs. Solche Barmherzigkeiten sind tadelnswert, die das ganze Leben aufs Spiel setzen, aber gut und lobenswert sind sie, wenn es sich nur um einen Teil handelt und sich nur der holde Leib zum Opfer bringt. Das schadet wenig.

Ich könnte für dieses Thema zahlreiche Beispiele anführen, wenn ich darüber eine besondere Abhandlung schreiben wollte, die nicht wenig kurzweilig werden würde. Ich will jedoch nur noch diese eine Geschichte erzählen, und weiter keine, da sie lustig ist und aus dem Altertum stammt.

Bei Titus Livius lesen wir, daß nach der völligen Zerstörung der Stadt Capua durch die Römer mehrere Einwohner nach Rom kamen, um dem Senat ihr Elend zu klagen und um Mitleid zu bitten. Die Sache wurde im Rat besprochen, und unter andern äußerte M. Atilius Regulus seine Meinung dahin, daß den Leuten keine Gnade gewährt werden solle, denn er kenne, sagte er, keinen Capuaner, der seit der Empörung ihrer Stadt auch nur die geringste Freundschaft für den römischen Staat bekundet hätte, außer zwei achtbaren Frauen, nämlich Vesta Opia, aus der Stadt Atella, damals in Capua wohnhaft, und Faucula Cluvia. Diese beiden waren ehemals Freudenmädchen gewesen und hatten ihr Gewerbe öffentlich ausgeübt Die eine hatte keinen Tag vergehen lassen, ohne für das Wohl und den Sieg des römischen Volkes Gebete und Opfer darzubringen. Die andre hatte den armen hungerleidenden Kriegsgefangenen heimlich Lebensmittel zugesteckt.

[112] Das waren gewiß schöne Züge von Barmherzigkeit. Als eines Tages ein Kavalier, eine Dame und ich diese Stelle lasen, sagten wir uns sofort, daß diese beiden Frauen, da sie sich einem so frommen Amte gewidmet, auch wohl noch weiter gegangen seien und den Gefangenen die Barmherzigkeit ihres Schoßes zukommen ließen; denn da sie einst Buhlerinnen gewesen und auch mit andern Mitleid geübt hatten, so würden sie es später nicht anders gehalten haben. Jedoch Titus Livius sagt das nicht und läßt es zweifelhaft; man kann es jedoch vermuten. Aber wenn sie ihren Beruf fortgesetzt und nur für einige Zeit unterbrochen hätten, konnten sie ihn sofort wieder aufnehmen, da nichts leichter ist als das. Vielleicht erkannten sie unter den Gefangenen auch noch manche Liebhaber ihrer früheren Bekanntschaft, die sie noch einmal auf der alten Spur gehen lassen wollten. Endlich auch sahen sie unter ihnen vielleicht Unbekannte, die sie hübsch fanden und die ihre volle Barmherzigkeit verdienten. Deshalb hielten sie denn auch nicht damit zurück. So wird es wohl gewesen sein. Sei dem nun wie ihm wolle, jene Frauen verdienten sicherlich die ihnen von der Römischen Republik dargebrachte Freundlichkeit, die sie im Wiederbesitz all ihrer Güter in Frieden genießen durften. Ja, noch mehr, der Staat gab ihnen zu wissen, daß ihnen jeder Wunsch, den sie äußern würden, gewährt werden solle. Um die Wahrheit zu sagen, wenn Titus Livius nicht mehr als nötig so peinlich auf Wohlanständigkeit bedacht wäre, so hätte er es gerade heraussagen sollen, daß jene Frauen ihren holden Leib nicht geschont hatten. Dann wäre auch diese historische Stelle hübscher und amüsanter zu lesen und das Schönste an der Geschichte wäre ihm nicht in der Feder stecken geblieben. – Das ist es, was wir damals hierüber sprachen.

Der König Johann, der in England Gefangener war, empfing ebenfalls viele Gunstbezeigungen von seiten der Gräfin von Salsberiq (Salisbury), und zwar so gute, daß er sie nicht vergessen konnte und zurückkehrte, um sie wiederzusehen, was er ihr auch hatte versprechen müssen.

[113] Einige Damen sind in ihrer gewissenhaften Barmherzigkeit sehr amüsant. So wollte eine ihrem Geliebten nicht erlauben, wenn er bei ihr schlief, ihren Mund zu küssen, und zwar aus dem Grunde, weil ihr Mund ihrem Gatten Treue gelobt habe und sie ihn deshalb nicht von einem andern entweihen lassen wolle; aber ihr anderer Mund hätte nicht geredet und nichts versprochen, und so trüge sie keine Bedenken, ihn darzureichen. Der Mund oben besäße nicht die Macht, sich für den Mund unten zu verpflichten, und umgekehrt; denn das Gesetz geböte, daß man sich nicht ohne mündliches Einverständnis beider Parteien zu etwas verpflichten könne; das Wort des einen genüge nicht.

Eine andre ebenso gewissenhafte und allzu genaue Dame, die ihrem Freunde den Genuß gewährte, wollte stets die Oberhand und ihren Freund unter sich haben, und davon ging sie um kein Jota ab. Wenn dies strenge durchgeführt würde, sagte sie, könne sie stets ihrem Gatten oder sonst jemand gegenüber mit gutem Gewissen leugnen, daß sie einem Manne unterlegen wäre, denn sie war ja oben gewesen. Dieses Gelübde wußte sie so gut durchzuführen, daß sie ihren Gatten und andre völlig beruhigte, wenn sie gefragt wurde. Man glaubte ihr, was sie sagte. »Wäre es ihnen aber eingefallen,« sagte sie, »mich zu fragen, ob ich vielleicht manchmal die obere Partei gehabt hätte, dann wäre ich freilich in Verlegenheit gekommen.«

Ich glaube, über diesen Punkt schon gesprochen zu haben, aber man kann sich nicht immer auf alles besinnen, und mich dünkt, mit dieser hat es ja auch noch eine besondere Bewandtnis.

Gewöhnlich sind die Damen dieser Art sehr lügnerisch und reden kein wahres Wort; denn sie haben sich so sehr an das Lügen gewöhnt (und wäre es anders, so wären sie sehr dumm und hätten nur Schaden), daß sie sich ihren Gatten und Liebhabern gegenüber stets der Lüge bedienen, und wenn sie von andern Dingen reden sollen, lügen sie ebenfalls, und man darf ihnen kein Wort glauben.

[114] Von andern Frauen weiß und hörte ich, daß sie sich ihren Geliebten nur hingeben, wenn sie gesegneten Leibes sind, damit sie von ihnen nicht befruchtet werden, und es ihren Männern erspart bleibt, Kinder als ihre eigenen zu pflegen und erziehen, die nicht von ihnen abstammen. Auch darüber habe ich bereits gesprochen. Wenn sie erst einmal schwanger sind, glauben sie durch die Hingabe an andre ihren Gatten nicht mehr zu beleidigen und ihn nicht zum Hahnrei zu machen.

Vielleicht wurden sie auch durch dieselben Gründe geleitet wie Julia, die Tochter des Augustus und Frau des Agrippa, die zu ihrer Zeit eine berüchtigte Buhlerin war und ihrem Vater noch mehr Ärgernis bereitete als ihrem Gatten. Als sie einst gefragt wurde, ob sie nicht befürchte, von ihrem Liebhaber geschwängert zu werden, so daß ihr Mann, wenn er es bemerke, in Zorn gerate, erwiderte sie: »Dafür habe ich gesorgt, denn ich nehme nur dann einen Passagier in mein Schiff auf, wenn es bereits beladen ist.«

Nun gibt es noch eine Art von Hahnreien; aber das sind die wahren Märtyrer, denn ihre Frauen sind häßlich wie die Teufel und wellen trotzdem an jener süßen Wonne teilnehmen, gerade wie die schönen, denen allein dieses Vorrecht gebührt. Das Sprichwort sagt: »Die schönen Männer an den Galgen und die schönen Frauen ins Bordell«. Trotzdem sind diese häßlichen Weiber grade so wollüstig wie die andern; aber man muß sie entschuldigen, denn sie sind ja auch Weiber und besitzen dieselbe Natur, nur daß sie nicht so schön sind. Ich sah häßliche Frauen, die sich, wenigstens in ihrer Jugend, grade so hoch einschätzten wie die schönen; denn eine Frau, meinen sie, habe genau den Wert, den sie sich selbst beilegt. So wird ja auch auf dem Markte jede Ware zu höherem oder geringerem [115] Preise verkauft, je nachdem wie man sie gebrauchen kann, und je nach der früheren oder späteren Stunde, zu der man auf den Markt kommt. Denn, wie man sagt, man sucht immer zum besten Preise zu kaufen, wenn auch die Ware nicht die beste ist, und ihr Absatz hängt ganz von der Geschicklichkeit des Kaufmanns ab.

Unter den häßlichen Frauen habe ich sehr brünstige gesehen, die ebenso zur Liebe geschickt waren und sich auf dem Liebesmarkt nicht weniger hervordrängten und geltend machten wie die schönen.

Das Häßlichste aber an ihnen ist, daß sie es sind, die die Kunden auffordern, von ihrer Ware zu einem billigen Preise zu kaufen, während doch sonst umgekehrt die Käufer nach den schönsten Waren fragen. Ja, noch mehr, sie bieten dem Käufer Geld an, um Kundschaft anzulocken, und glauben dadurch, die schäbige Ware blank zu putzen. Das ist dann freilich ein Jammer; denn zu diesem Blankputzen gehört keine geringe Summe und es kostet mehr, als die ganze Sache wert ist Indessen wird der Herr Gemahl trotzdem ein armer Schelm und ein Hahnrei zu gleicher Zeit, und zwar von einer Häßlichen, die schlechter zu verdauen ist als eine Schöne. Dazu kommt noch das Elend, einen Teufel an seiner Seite zu haben, statt einen Engel.

Manche galanten Männer wünschen daher lieber eine schöne Frau, die ein wenig buhlerisch ist, als eine häßliche, die ein Muster von Keuschheit wäre. Denn die Häßlichkeit erregt nur Mißfallen, während die Schönheit Wonnen, und, wie einige behaupten, nur wenig Unheil bietet Ich berufe mich auf die, welche in dieser Richtung Erfahrung besitzen.

Von einigen hörte ich, daß es den Männern manchmal weniger darum zu tun ist, keusche Frauen zu haben. Denn die mit diesem seltenen Geschenk begabten Frauen sind so hochmütig, daß sie nicht nur ihre Gatten, nein, man möchte sagen, Himmel und Erde beherrschen möchten. Sie glauben, daß Gott ihnen für ihre stolze Keuschheit einen [116] besonderen Lohn schuldig sei. Aber sie täuschen sich gewaltig, denn ich hörte von großen Gelehrten sagen, daß Gott mehr eine reuige Sünderin liebt (wie Magdalena), als ein hochmütiges Weib, welches glaubt, das Paradies verdient zu haben, ohne erst Gottes Barmherzigkeit zu erbitten.

Ich hörte von einer Dame, die so stolz auf ihre Keuschheit war, daß sie sogar ihren Gatten deshalb verachtete, und wenn man sie fragte, ob sie mit ihrem Manne geschlafen habe, antwortete: »Nein, er hat mit mir geschlafen.« Großartig! Man kann sich also denken, was für Genüsse diese dummen keuschen Frauen ihren armen Männern bereiten, obgleich sie ihnen gar nichts vorzuwerfen haben. Und nun gar die, welche keusch sind und reich dazu. Wenn schon jene ihrem Gatten gegenüber so die Hochmütige spielte, dann zeigen diese wegen des gar zu großen Dünkels auf ihre Keuschheit beim geringsten Fehler ihres Gatten eine furchtbare Herrschsucht, besonders wenn der Mann schlecht wirtschaftet Spielt er oder macht er große Ausgaben, so schreit und zetert sie, daß ihr Haus mehr einer Hölle gleicht als einem trauten Heim. Muß er etwas Geld für eine Reise in Hof- oder Kriegsahngelegenheiten aufwenden, oder für Prozesse oder besondere Bedürfnisse, oder auch für seine kleinen Liebhabereien, dann ist es gar nicht mehr auszuhalten; denn die Frau, gestützt auf ihre Keuschheit, bringt dann ihre Überlegenheit zur Geltung, so daß der Mann sich ihrem Urteilsspruch fügen muß. Juvenal hat das in einer seiner Satiren sehr gut gesagt:


» ... Animus uxoris si deditus uni

Nil unquam invitâ donabis conjuge; vendes,

Hac obstante. nihil hæc, si nolit, emetur.«


Aus diesen Versen sehen wir, daß die alten Römerinnen in diesem Punkt ähnlich geartet waren, wie manche Frauen [117] unsrer Zeiten; wenn aber eine Frau ein wenig unkeusch ist, dann gibt sie sich viel bequemer, unterwürfiger, gelehriger, lenksamer, schüchterner und liebenswürdiger und ist ihrem Gatten in allen Dingen willfähriger. Solche Frauen habe ich weder zürnen noch schreien, noch sich störrisch benehmen gesehen, aus Furcht, der Gatte könne ihr ihre Fehler vorhalten, oder sie gar mit ihrem Leben büßen lassen. Und will der Mann von ihrem Vermögen etwas verwenden, so geben sie es her, ehe er es noch gesagt hat. Ich sah viele solche Frauen; kurz: sie tun was der Mann will.

Sind solche Männer nicht wohl aufgehoben, wenn sie die Hahnreie so angenehmer Frauen sind? Sie ziehen von ihnen viele Bequemlichkeiten und Vorteile, haben außerdem das Vergnügen, eine Schönheit zu genießen und schwimmen mit ihnen in einem guten klaren Wasser statt in einer sumpfigen Lache. Und da man doch einmal sterben muß, wie ein mir bekannter Feldherr sagte, so ist es besser, durch einen schönen jungen, blanken und schneidigen Degen den Tod zu erleiden, als durch eine alte, rostige und schlecht polierte Klinge, die aller Schmirgel der Stadt Paris nicht blank putzen könnte.

Was ich von den jungen Häßlichen sage, das sage ich auch von manchen alten Frauen, die geputzt sein wollen und die sich für ebenso hübsch und blank halten, wie die schönsten Frauen der Welt (worüber ich eine besondere Abhandlung schreiben werde). Unter diesen armen alten Weibern gibt es stets welche, die sich mit ihren beiden Börsen verausgaben. Durch das Geld der einen wird auch die andre gut und eng gefunden. Und dann sagt man ja auch, [118] daß die Freigebigkeit in allen Dingen achtbarer ist als Oerz und Knickerei. Nur daß die Frauen, je freigebiger sie mit ihrem Schöße sind, desto weniger geachtet werden; noch weniger aber werden die geizigen und knauserigen geachtet.

So äußerte sich einst ein großer Herr über zwei vornehme Damen, zwei Schwestern, die ich kenne; die eine war mit ihrer Ehre knauserig, aber mit ihrem Geldbeutel freigebig, die andre dagegen geizig mit diesem und freigebig mit jener.

Nun gibt es noch eine andre Rasse von Hahnreien, und die sind abscheulich vor Gott und den Menschen; das sind die, welche in einen schönen Adonis verliebt sind und ihn der Frau überlassen, um ihn dann selbst zu genießen.

Bei meinem ersten Aufenthalt in Italien hörte ich davon ein Beispiel zu Ferrara. Ein Mann war in einen schönen Jüngling verliebt und überredete seine Frau, sich diesem, der seinerseits in sie verliebt war, anzutragen. Sie bestimmte denn auch einen Tag und tat, was ihr Gatte befahl. Die Dame hatte ihn sehr gern und wollte gar kein andres Wildpret wie dies. Endlich war die Stunde gekommen, wo der junge Mann und die Frau sich im süßen Liebesspiel zusammenfanden. Da trat der Mann, der sich verborgen gehalten, plötzlich ein, wie er es mit seiner Frau verabredet hatte. Ihn auf der Tat überraschend, setzte er dem jungen Manne den Dolch an die Kehle und sagte ihm, daß er nach den Gesetzen Italiens, die strenger sind als die Frankreichs, für dieses Verbrechen des Todes sei. Er zwang den Jüngling, ihm zu gewähren, was er wollte, und so wechselten sie die Rollen: der junge Mann gab sich dem Gatten hin, und dieser überließ seine Frau dem jungen Manne. So wurde er Hahnrei auf eine sehr häßliche Art.

Ich hörte erzählen, daß irgendwo (ich will den Ort nicht nennen) ein vornehmer Mann lebte, der in einen Jüngling verliebt war. Dieser aber liebte dessen Frau und sie ihn. Sei es nun, daß der Gatte seine Frau gestimmt hatte, oder daß die Überraschung unversehens geschah, kurz, er [119] ertappte beide und zwang den jungen Mann, ihm zu Willen zu sein. Er vereinigte sich mit dem Jüngling, während dieser auf seiner Frau lag. Das war die Lösung des Problems, wie drei Liebende einander zu gleicher Zeit genießen können.

Ich hörte von einer Dame, die in einen Edelmann sterblich verliebt war und ihn zu ihrem Freund und Günstling machte. Da er nun fürchtete, daß der Gatte ihm und ihr etwas zu leide tun könnte, tröstete sie ihn mit den Worten: »Fürchte nichts, denn er wird es nicht wagen, aus Furcht, ich könnte ihn beschuldigen, daß er mich als hintere Venus benutzen wollte, und wenn die Justiz ein Wort davon erführe, wäre es sein Tod. Ich halte ihn stets damit im Schach, so daß er aus Furcht vor meiner Beschuldigung nichts zu sagen wagt.«

Sicher hätte diese Anklage dem armen Ehemanne nichts geringeres als das Leben gekostet; denn das Gesetz sagt, daß schon der Versuch der Sodomie strafbar ist; aber die Dame wollte vielleicht das Wort nicht grade heraussagen und nicht kundgeben, daß ihr Mann nicht beim Versuch stehen geblieben war.

Mir wurde erzählt, daß in einem dieser Jahre ein junger französischer Edelmann, einer der schönsten, die man seit lange am Hofe gesehen, Studien halber nach Rom gegangen war, wie andre seinesgleichen. Dort erregte er durch seine Schönheit solche Bewunderung, daß Männer wie Frauen ihn mit Wohlgefallen ansahen und ihm förmlich nachliefen. Wenn man wußte, daß er zur Messe ging oder sich an irgend einen andern öffentlichen Ort oder zu einer Versammlung begab, so kamen Frauen und Männer dorthin, nur um ihn zu sehen. Ja, einige Ehemänner erlaubten ihren Frauen sogar, ihm ein Stelldichein in ihrem Hause zu geben, damit sie ihn dort überraschen und dann die Rolle mit der Frau tauschen konnten. Ihm wurde daher geraten, nicht zu diesen Schäferstündchen zu gehen, weil alles darauf angelegt sei, ihn abzufassen. So nahm er Vernunft an und [120] zog seine Ehre und sein Gewissen allen verächtlichen Vergnügungen vor, was ihm zu hohem Lobe gereichte. Endlich wurde er leider von seinem Diener umgebracht. Über die Gründe herrscht Meinungsverschiedenheit; aber es war sehr schade um ihn, denn er war ein achtbarer junger Mann aus gutem Hause und versprach eine schöne Zukunft sowohl wegen seines Äußern, seiner edlen Handlungen, als auch schon wegen dieses schönen und noblen Zuges. Denn, wie ich von einem sehr galanten Manne meiner Zeit hörte, und was sicherlich wahr ist: Kein Kynede bewährte sich jemals so tapfer und edelmütig, wie der große Julius Cäsar. Solche abscheulichen Menschen sind auch vor dem Angesichte Gottes verworfen, weshalb es mich verwundert, Leute, die mit diesem häßlichen Laster befleckt sind, noch vom Himmel mit großem Glück und Wohlstand gesegnet zu sehen. Aber Gott erwartet sie, und am Ende wird man ja sehen, was aus ihnen geworden.

Diesen Abscheulichkeiten sind, wie ich hörte, viele Ehemänner ergeben; denn solch Unglückliche haben sich gewöhnt, ihre Frauen mehr als Kynede zu benutzen und den normalen Weg nur zu wählen, falls sie Kinder haben wollen. Sind die armen so behandelten Frauen nicht entschuldbar, wenn sie ihre Männer, die solche unsaubere Neigung haben, zum Hahnrei machen?

Wie viele Frauen gibt es in der Welt, die, wenn sie von Hebammen und erfahrenen Ärzten und Chirurgen untersucht werden, sich nicht mehr als Jungfrauen erweisen, weder a fronte noch a tergo. Sie könnten ihren Gatten sofort den Prozeß machen; aber sie unterlassen es, aus Furcht, sich und ihn dadurch zu beschimpfen. Manchmal auch finden sie selbst ein größeres Vergnügen daran, als man denken sollte; endlich dulden sie es auch in der oben angeführten Absicht, nämlich um ihre Gatten in Schach zu halten, damit diese keinen Einspruch erheben können, wenn sie andre Liebschaften haben. Aber wie dem auch sei, abscheulich ist es jedenfalls.

[121] Die Summa Benedicti sagt: ein Gatte, der gegen die Natur handelt, begeht eine Todsünde; und wenn er behaupten wollte, daß er über seine Frau verfügen könne, wie es ihm beliebt, so verfällt er in die häßliche und abscheuliche Ketzerei mancher Juden und schlechten Rabbiner, von denen man sagt, daß mulieribus apud synagogam conquestis se fuisse a viris suis cognitu sodomico cognitas, responsum est ab illis rabinis: virum esse uxoris dominum, proinde posse uti ejus utcumque libuerit, non aliter quam is qui piscem emit: ille enim, tam anterioribus quam posterioribus partibus, ad arbitrium vesci potest.

Ich gebe dies auf Lateinisch, ohne es zu übersetzen, denn es klingt sehr schlecht für keusche Ohren. Wirklich, es ist abscheulich, für einen so schönen Körperteil, der gestattet ist, einen andern einzutauschen, der unsauber und verboten ist!

Wenn ein Mann seine Frau so behandelt, dann ist es ihr erlaubt, sich von ihm zu trennen, falls sie kein andres Mittel hat ihn zu bessern. Benedictus sagt ferner, die Frauen, welche Gott fürchten, sollten es niemals zulassen, sondern vielmehr schreien, trotz des Skandals, der daraus entstehen würde, und sollten weder die Schande noch den Tod fürchten. Denn das Gesetz sagt, es ist besser zu sterben, als dem Bösen nachzugeben. Jenes selbe Buch sagt noch etwas, das ich sehr sonderbar finde, nämlich: in welcher Weise der Mann auch seine Frau erkenne, wenn sie nur empfangen kann, so ist es keine Todsünde, die nicht vergeben werden könnte. Es gibt sehr häßliche Methoden, wie Aretino sie in seinen Figuren darstellt, die nichts mit der ehelichen Keuschheit zu tun haben, obwohl sie, wie ich sagte, bei Frauen in guter Hoffnung erlaubt sind, sowie bei Frauen, die einen häßlichen Atem haben. So kannte ich einige, bei denen es kein Genuß war sie zu küssen. Von einer sehr vornehmen Dame hörte ich – ich sage ausdrücklich sehr vornehm – daß eine ihrer Damen eines Tages sagte, ihr Atem röche wie ein bronzener Kammertopf[122] – so drückte sie sich nämlich aus. Einer ihrer intimen Freunde, der sich ihr näherte, bestätigte mir das auch; freilich war sie schon ein wenig hoch in Jahren.

Was soll nun in solchem Falle ein Gatte oder Liebhaber andres tun als seine Zuflucht zu einer extravaganten Form nehmen? Freilich braucht er nicht grade bis zur Pädicatio vorzugehen.

Ich könnte mehr darüber sagen, aber es widersteht mir; auch bedaure ich, schon so viel davon gesagt zu haben; allein oft ist es eben nötig, die Laster der Welt aufzudecken, wenn man sie bessern will.

Nun muß ich noch von der ungünstigen Meinung berichten, die manche über die Höfe unsrer Könige hatten und noch haben, nämlich daß die Mädchen und Frauen dort meist, ja gewöhnlich zu Falle kommen. Das ist aber nicht ganz richtig, denn es gibt bei Hofe sehr keusche, achtbare und tugendhafte Frauen, ja mehr als anderswo, und die Tugend wohnt hier ebenso gut, ja besser als an andern Orten, was sich sehr wohl beweisen läßt.

Ich will nur das eine Beispiel von der jetzigen Großherzogin von Florenz aus dem Hause Lorraine anführen. Diese kam an dem Abend, wo der Großherzog sich mit ihr vermählte, nach Florenz, und als er ihr die Jungfrauschaft nehmen wollte, ließ er sie vorher in ein schönes durchsichtiges Krystall-Urinal ihr Wasser lassen und befragte seinen Arzt, einen sehr gelehrten und erfahrenen Mann, ob sie nach dem Befunde des Urins noch Jungfrau sei oder nicht mehr. Der Arzt stellte eine genaue Untersuchung an und fand, daß die Frau so beschaffen sei, wie sie aus dem Mutterleibe gekommen; er möge nur getrost ans Werk gehen, er würde den Weg nicht offen finden. Das tat der Gatte denn auch und fand die Wahrheit bestätigt. Am nächsten Morgen sagte er voll Erstaunen: »Das ist in der Tat ein großes Wunder, daß dieses Weib als Jungfrau vom [123] französischen Hofe kam!« Welch eine Neugierde und welch eine Auffassung von diesem Herrn! Ich weiß nicht, ob die Geschichte wahr ist, aber es wurde mir versichert.

Solche Meinung hat man über unsre Höfe; aber nicht nur erst seit heute, sondern schon seit langer Zeit ist man der Ansicht, daß die Damen des Pariser Hofes nicht so keusch sind, wie die Frauen des platten Landes, die nicht weit von ihrem Hause wegkommen. Es hat Männer gegeben, die so peinlich waren, keine Frauen oder Mädchen zu heiraten, die viel gereist waren und auch nur ein wenig von der Welt gesehen hatten. Ja, in unserm Guyenne sollten, wie ich in meiner Jugend von mehreren galanten Männern versichern hörte, niemals Frauen oder Mädchen geheiratet werden, die den Hafen von Pille passiert haben, um nach Frankreich zu reisen. Es war sehr dumm von den Männern, so geschickt sie in andern Dingen sein mochten, sich einzubilden, daß die Hahnreischaft in ihren Häusern, Zimmern und Schlafstuben nicht ebenso gut wohnen könne wie in den königlichen Palästen und den großen Königsstädten! Denn ihre Frauen wurden ebenso verfolgt und verführt, wenn die Männer zu Hofe oder in den Krieg oder auf die Jagd gingen oder ihren Geschäften oder Vergnügungen oblagen. Sie waren so einfältig, es nicht zu bemerken und zu meinen, man wage den Frauen kein Wort von Liebe zu sagen, sondern sich nur über ihre Gärten, ihre Jagden und Vögel zu unterhalten. Bei dieser Meinung und Leichtgläubigkeit wurden sie aber leichter Hahnreie als sonst; denn eine hübsche gewandte Frau und ein hübscher kluger Mann wissen für ihre Liebe stets die Gelegenheit ausfindig zu machen. O, wie dumm waren doch diese Männer! Wußten sie denn nicht, daß Venus keinen festen Wohnsitz hat, wie einst in Cypern, Paphos und Amatonte, und daß sie überall zu Hause ist, selbst in den Hütten der einfältigsten Hirten?

Seit einiger Zeit haben sie angefangen, diese törichten Ansichten aufzugeben; denn da sie bemerken, daß die Gefahr [124] der traurigen Hahnreischaft überall droht, nehmen sie ihre Frauen, woher sie sie grade bekommen können; ja, noch mehr: sie bringen sie sogar an den Hof, damit ihre Schönheit besser zur Geltung komme und dem oder jenem Verlangen erwecke, freilich nur um sich Hörner anzuschaffen.

Wieder andre Männer benutzten ihre Frauen zur besseren Durchführung ihrer Prozesse. Manche hatten freilich gar keinen Prozeß und gaben es nur vor; wenn sie aber tatsächlich im Prozeß lagen, so zogen sie ihn möglichst lange hinaus, um ihre Liebeshändel zu verlängern. Ja, manchmal ließen die Ehemänner ihre Frauen in der Obhut des Justizpalastes, oder in der Galerie und im Saal zurück und gingen nach Hause in der Meinung, daß ihre Geschäfte von den Frauen besser geführt und ihre Streitsache schneller zur Entscheidung gebracht werden würde. Und in der Tat, ich kenne manche, die einen Prozeß mehr durch die Gewandtheit und Schönheit ihrer Frauen, als durch ihr gutes Recht gewannen. Bei der Gelegenheit wurden die Frauen oft guter Hoffnung, und (wenn die Mittel dagegen unwirksam geblieben waren) begaben sie sich zur Vermeidung eines Skandals schnell nach Hause zu ihrem Gatten unter dem Vorwand, notwendige Schriftstücke besorgen zu müssen oder eine Erkundigung einholen zu wollen oder weil sie den Sankt-Martinstag abwarten müßten und während der Ferien, wo die Sache ruhe, ihr Heim und ihren Gatten besuchen wollten. Freilich kamen sie zum Besuch, aber schwanger.

Ich verweise auf zahlreiche vortragende Räte und Präsidenten, die manchen guten Bissen von den Frauen der Edelleute gekostet haben.

Noch kürzlich führte eine sehr schöne, achtbare und vornehme Frau, die ich kannte, einen Prozeß zu Paris, und jemand sagte: »Was wird sie da ausrichten? Sie wird ihn verlieren; ihr Recht steht auf schwachen Füßen.« Aber trägt sie denn nicht ihr Recht in ihrem reizenden Schöße, wie Cäsar das seinige an der Spitze seines Schwertes trug?

[125] Die Edelleute werden also auch im Justizpalast zum Hahnrei, wofür sie dann zur Entschädigung die Herren Präsidenten und Räte dazu machen. Von den Damen dieser Herren sah ich manche, die ebenso gut wie die Frauen und Töchter der Kavaliere und Edelleute des Hofes auf verbotenen Wegen gingen.

Ich kannte eine vornehme Dame, deren einstige Schönheit durch das Alter verblichen war. Sie führte einen Prozeß zu Paris, und da sie sah, daß sie ihn nicht mehr vermöge ihrer Schönheit gewinnen konnte, nahm sie eine junge schöne Dame, ihre Cousine, mit. Sie gab ihr eine große Summe Geldes, etwa zehntausend Taler, damit diese Dame die Funktion übernehme, die sie selbst gern übernommen hätte, aber nicht mehr konnte. Dabei stand sie sich gut und die junge Dame ebenfalls, und alles verlief in der besten Weise.

Vor nicht langer Zeit sah ich eine Mutter, die sich einer ihrer Töchter zu demselben Zweck bediente, trotzdem die Tochter vermählt war. Sie mußte ihr in der Führung ihres Prozesses helfen, da sie keinen andern Ausweg hatte. Die Tochter war sehr schön und wird daher wirkungsvoll plädiert haben.

Aber es ist Zeit, daß ich mit dieser großen Abhandlung über die Hahnreischaft zum Stillstand komme; denn meine langen Reden könnten in diesem tiefen strudelnden Wasser untergehen. Ich komme sonst am Ende gar nicht wieder aus diesem großen Labyrinth heraus, obwohl ich als Wegweiser den längsten und stärksten Faden habe, den es geben kann.

Um zu schließen, will ich nur noch sagen, daß wir, wenn wir den armen Hahnreien so viele Übel, Qualen und böse Streiche nachsagen, sie doch wohl zu schwer belasten und sie dreifache Zinsen zahlen lassen; denn die Mehrzahl ihrer Verfolger und der Liebhaber und Damenhelden ertragen grade soviel Leiden wie sie; Denn sie sind noch mehr der Eifersucht unterworfen, als die Ehemänner gegen [126] ihre Rivalen hegen. Sie werden von qualvollen Launen gepeinigt, begeben sich in die schlimmsten Gefahren und es drohen ihnen Verstümmelung, Wunden, Beleidigungen, Angriffe, Qualen und Tod; sie erdulden Kälte, Regen, Wind und Hitze. Dazu kommen noch die galanten Krankheiten, die sie erwerben, so daß sie oftmals teuer genug erkaufen müssen, was man ihnen darreicht. Und oft ist die ganze Sache der Mühe nicht wert.

Manche sahen wir eines elenden Todes sterben, die befähigt gewesen wären, ein ganzes Königreich zu erobern; ein Beispiel ist Herr de Bussi, dieser unvergleichliche Mann unsrer Zeit, und viele andre.

Ich könnte noch eine Unmenge andre anführen, die ich aber unerwähnt lasse, um zu Ende zu kommen, und rate nur den Liebenden, das italienische Sprichwort zu befolgen, welches sagt: »Che molto guadagna chi putana perde.«

Der Graf Amé von Savoyen, der Zweite, äußerte öfter:


En jeu d'armes et d'amours

Pour une joye cent doulours,


indem er um des Reimes willen das alte Wort anwendet. Er sagte auch, der Zorn und die Liebe wären einander darin sehr ungleich, daß der Zorn leicht vorübergeht und den davon Ergriffenen schnell verläßt, die Liebe aber nicht.

Deshalb sollte man sich vor der Liebe hüten, denn sie kostet uns mehr, als sie wert ist, und nur gar zu oft hat sie Unheil im Gefolge. Um die Wahrheit zu sagen: die Mehrzahl der passiven Hahnreie hat es hundertmal besser als die aktiven Liebhaber, wenn sie mit ihren Frauen sich gut zu verständigen wissen. Und manche sah ich, die sich ihren Hörnern zum Trotz über uns belustigten und über all die Dinge lachten, die wir anstellen, um mit ihren Frauen der Liebe zu pflegen. Ja, oft haben wir es mit [127] listigen Frauen zu tun, die mit ihren Gatten im Einverständnis sind und uns verraten. So kannte ich einen tapfern und achtbaren Edelmann, der eine schöne und anständige Dame lange Zeit geliebt hatte und endlich den langersehnten Genuß fand. Eines Tages bemerkte er, daß sie und der Gemahl sich über etwas auf seine Kosten lustig machten, und er ward so ärgerlich darüber, daß er sie verließ. Und daran tat er wohl. Er unternahm eine weite Reise, um sich zu zerstreuen, und näherte sich ihr, wie er mir sagte, niemals wieder. Vor solchen schlauen, listigen und wankelmütigen Frauen soll man sich hüten, wie vor einem wilden Tier; denn um ihren Gatten zu beruhigen, geben sie ihren früheren Anbeter auf – nehmen aber dann einen andern; denn ohne einen solchen können sie es nun einmal nicht aushalten.

Ich kannte eine sehr achtbare große Dame, die das Unglück hatte, daß ihre fünf oder sechs Liebhaber, die sie zu meiner Zeit besaß, zu ihrem großen Leidwesen einer nach dem andern starben. Man hätte von ihr sagen können, sie sei das Pferd des Sejan, denn jeder, der es bestieg, mußte sterben. Aber sie hatte das Gute an sich und besaß die Tugend, daß sie niemals irgend einen ihrer lebenden Liebhaber wechselte oder verließ, um einen andern zu nehmen; erst wenn sie gestorben waren, sorgte sie für Ersatz. Die Gesetzgeber sagen ja auch, daß es erlaubt ist, einen Grundbesitz, wenn er von seinem ersten Besitzer verlassen ist, von irgend jemand anderm einnehmen zu lassen. Eine solche Beständigkeit war sehr lobenswert an jener Dame. Aber wenn diese bis dahin fest war, so wurde die Standhaftigkeit vieler sehr leicht erschüttert.

Man soll niemals, um es grade heraus zu sagen, in einer und derselben Liebe zu alt werden, und ein Mann von Herz tut es auch nicht Man muß hier und da sein Glück versuchen, in der Liebe wie im Kriege und in andern Dingen; denn wenn man auf seinem Schiff nur einen einzigen Anker hat, so kann man ihn leicht verlieren, wenn er sich [128] ablöst, besonders auf hoher See und im Sturm, wo man mehr den Winden und Wellen ausgesetzt ist als im stillen Hafen.

Und kann es ein größeres und tieferes Meer geben als die Liebe zu einer einzigen Frau? Wenn sie anfänglich noch nicht von selbst schlau und listig ist, so bringen wir Männer es ihr durch unsre eignen Praktiken, die wir mit ihr ausüben, bei. Das gereicht uns dann oft zum Schaden, und die Frau, die wir erst zum Krieg abgerichtet haben, macht uns nun den Krieg. Ein galanter Mann sagte, es sei besser, sich mit einer schönen und anständigen Dame zu verheiraten, selbst wenn man etwas in Gefahr sei, Hörner zu bekommen und an dem Übel der Hahnreischaft zu leiden, das so viele heimsucht, als all die Widerwärtigkeiten zu erdulden, die damit verbunden sind, wenn man andre zum Hahnrei macht Andrer Meinung war freilich Herr du Gua, dem ich eines Tages im Auftrage einer Dame, die mich darum gebeten hatte, vorstellig machte, sich zu verheiraten. Er gab mir nur zur Antwort, er hielte mich für seinen besten Freund, aber durch solche Rede werde er an mir irre, denn ich riete ihm zu einer Sache, die er grade am meisten hasse: sich zu verheiraten und sich zum Hahnrei zu machen, statt daß er die andern dazu mache. Er heirate im Laufe des Jahres Frauen genug, und die Ehe sei eine geheime, durch ein gutes Gesetz vorgeschriebene Prostitution. Das Schlimmste ist, wie ich gesehen und mir gemerkt habe, daß die Mehrzahl jener, ja alle, denen es Vergnügen bereitet, andre zum Hahnrei zu machen, unfehlbar selbst dazu werden, sobald sie heiraten. Ich habe das Sprichwort: »Wie du mir, so ich dir«, stets bewahrheitet gefunden.

Bevor ich schließe, noch ein Wort: Ich hörte eine Streitfrage aufstellen, die noch nicht entschieden ist: in welchen Provinzen und Gegenden unserer Christenheit und Europas gibt es am meisten Hahnreie und Buhlerinnen? Man sagt, daß in Italien die Frauen sehr heißblütig sind [129] und folglich sehr buhlerisch, wie Herr de Bèze in einem Epigramm sagt: Credibile est ignes multiplicare suos; denn wo die Sonne heiß brennt, erhitzt sie auch die Frauen.

Mit Spanien verhält es sich ebenso, obgleich es im Occident liegt; aber hier erhitzt die Sonne die Frauen ebenso wie im Orient.

Die Niederländerinnen, Schweizerinnen, die Deutschen, Engländerinnen und Schottinnen besitzen diese Glut in nicht geringerem Maße, obwohl sie mehr im Norden, also in kälteren Gegenden wohnen; ich habe sie ebenso feurig gefunden wie die Frauen anderer Völker.

Die Griechinnen haben besondere Ursache, üppig zu sein, denn sie bewohnen die Levante. Auch wünscht man sich in Italien eine Greca in letto; und in der Tat, sie besitzen viele Reize und Vorzüge, so daß sie nicht ohne Grund in früheren Zeiten die Wonne der Welt waren. Sie haben seit den ältesten Zeiten bis heute die italienischen und spanischen Frauen viel gelehrt, so daß diese jetzt ihre Lehrerinnen, die alten wie die modernen, übertreffen. Auch die Königin und Kaiserin der Buhlerinnen, Aphrodite, war eine Griechin.

Was unsre schönen Französinnen betrifft, so waren sie in früheren Zeiten sehr ungeschickt und begnügten sich mit einer plumpen Art der Liebe; aber seit fünfzig Jahren haben sie von den andern Nationen soviel Feinheiten, Zierlichkeiten, soviel lascive Reize und Gewohnheiten gelernt, oder sie sind auch selbst beflissen gewesen, sich darin auszubilden, daß man sagen kann, sie übertreffen heute alle andern in jeder Weise. Ich hörte, auch von Ausländern, sagen, daß sie den Vorzug vor andern hätten; zudem sind die unkeuschen Worte in der französischen Sprache viel lüsterner, wohlklingender und aufregender als in einer andern Sprache.

[130] Dazu kommt, daß die schöne französische Ungezwungenheit, die so hoch anzuschlagen ist, unsre Damen viel begehrenswerter, liebenswürdiger, gemütlicher und umgänglicher macht als alle andern. Auch werden die Ehebrecherinnen bei uns gewöhnlich nicht so bestraft wie wo anders. Denn die Vorsorge unsrer großen Senate und Gesetzgeber, die einsahen, daß die Mißbräuche erst recht aus solchen Strafen entstehen, hat die strengen Strafen eingeschränkt und die harten Gesetze früherer Zeiten etwas gemildert Damals genossen die Männer alle Freiheiten und die Frauen gar keine. So war es, wie Cajetan sagt, durch keine kaiserlichen Gesetze oder Verordnungen einer schuldlosen Frau erlaubt, ihren Gatten des Ehebruchs anzuklagen. Die schlauen Männer aber machten dieses Gesetz aus den Gründen, von denen die folgende italienische Stanze redet:


Perche, di quel che Natura concede

Cel' vieti tu, dura legge d'honore.

Ella a noi liberal largo ne diede

Com' agli altri animai legge d'amore.

Ma l'huomo fraudulento, e senza fede,

Che fu legislator di quest' errore,

Vedendo nostre forze e buona schiena,

Copri la sua debolezza con la pena.


Ja, in Frankreich ist es schön, der Liebe zu pflegen. Ich berufe mich auf unsre glaubwürdigen Gelehrten in Liebessachen und auch auf unsre Courtisanen, die besser als ich darüber reden können. Und um die Wahrheit zu sagen: Es gibt überall Dirnen und überall Hahnreie, was ich wohl beweisen kann, denn ich habe all die Gegenden gesehen, die ich nenne, und andre mehr. Und die Keuschheit [131] ist nicht in einer Gegend mehr zu Hause als in einer andern.

Ich möchte noch eine Frage stellen, die vielleicht noch niemand aufgeworfen, ja woran wahrscheinlich noch keiner gedacht hat: nämlich ob zwei Damen, die ineinander verliebt sind, was heutzutage oft vorkommt, und die, nach dem Muster der gelehrten Lesbierin Sappho, zusammen treiben, was man donna con donna nennt, Ehebruch begehen und ihre Männer zu Hahnreien machen können.

Gewiß, wenn man Martial in seinem ersten Buch, Epigramm CXIX, glauben will, so begehen sie Ehebruch. Er spricht dort von einer Frau Namens Bassa, einer Tribade, und macht es ihr sehr zum Vorwurf, daß sie niemals Männer empfängt, so daß man sie für eine zweite Lukrezia halten könnte. Aber sie wurde überführt, da man sehr viele Frauen und Mädchen bei ihr verkehren sah, und man fand, daß sie bei den Frauen die Rolle eines Mannes und Ehebrechers spielte und sich mit ihnen zusammentat. Martial gebraucht die Worte geminos committere cunnos. Dann gibt er folgendes Rätsel in einem lateinischen Verse auf:


Hic, ubi vir non est, ut sit adulterium.


Das ist ein starkes Stück, sagt er, daß dort, wo kein Mann ist, doch Ehebruch getrieben wird.

Ich kannte in Rom eine spanische Courtisane, alt und schlau wie irgend eine, die sich Isabella de Luna nannte. Sie verliebte sich in eine andre Buhlerin, damals eine der schönsten von ganz Rom, Namens Pandora. Diese heiratete einen Mundschenk des Kardinals Armaignac, ohne jedoch ihr früheres Gewerbe aufzugeben. Aber jene Isabella verkehrte mit ihr und schlief bei ihr. Da sie in Worten sehr zügellos und unmäßig war, hörte ich sie öfter sagen, sie treibe mit Pandora große Unzucht und ließe sie ihrem Gatten Hörner aufsetzen, mehr als alle liederlichen Männer, die sie jemals gehabt Ich weiß nicht, wie sie das meinte, [132] es sei denn, daß sie sich auf jenes Epigramm des Martial bezog.

Man sagt, in diesem Punkte wäre die Sappho von Lesbos eine vortreffliche Lehrerin gewesen, ja, man behauptet, sie habe die Sache erfunden und die lesbischen Damen hätten sie bis auf den heutigen Tag nur nachgeahmt. Lucian sagt: solche Frauen sind Lesbierinnen, die keine Männer wollen, sondern Frauen, gradeso wie die Männer selbst. Man nennt sie Tribaden, ein griechisches Wort, abgeleitet von τριβω, τριβεῖν das heißt fricare, reiben; das lateinische Wort ist fricatrices, französisch fricatrices; also Frauen, die das Geschäft der donna con donna (Weib mit Weib) machen, was auch heutzutage vorkommt.

Juvenal spricht auch von diesen Weibern, wenn er sagt:

... frictum Grissantis adorat, womit er eine Tribade meint, die für das Reiben mit einer gewissen Grissante schwärmt.

Der lustige Geselle Lucian schreibt ein besonderes Kapitel darüber und sagt, daß solche Frauen zusammen koïtieren wie die Männer, unter Anwendung unzüchtiger monströser Instrumente. Immerhin, fügt er hinzu, sei es noch besser, wenn eine Frau in wollüstiger Weise den Mann spielt, als wenn ein Mann sich verweiblicht, weil er dadurch an Mut und Adel verliert. Danach könnte also eine Frau, die so den Mann nachahmt, für mutiger als eine andre gelten; wie ich denn auch deren gekannt habe, die es waren, an Leib und Seele.

An einer andern Stelle führt Lucian zwei Frauen ein, die dieser Liebe ergeben sind; die eine fragt die andre, ob eine gewisse Frau in sie verliebt gewesen sei, ob sie mit ihr geschlafen habe und was dabei vorgegangen sei. Die andre erwidert ganz offen: »Zuerst küßte sie mich grade so, wie es die Männer tun, nicht nur die Lippen vereinigend, sondern auch mit geöffnetem Munde« (d.h. schnäbelnd wie die Tauben, die Zunge im Munde), »und ob zwar sie kein männliches Glied besitzt und ein Weib ganz wie [133] andre ist, so ist doch ihr Herz und ihre Neigung, kurz alles übrige männlich. Dann umarmte ich sie wie ein Mann, und sie küßte mich und entzückte mein Gefühl. Und mir schien, daß sie ein maßloses Vergnügen daran fand. Ihre Art der Liebe war noch viel reizender als die des Mannes.« So weit Lucian.

Nun gibt es, wie ich sagen hörte, in verschiedenen Orten und Gegenden viele solche lesbischen Frauen, in Frankreich, Italien, Spanien, in der Türkei, in Griechenland und anderswo. Besonders wo die Frauen abgeschlossen leben und nicht ihre volle Freiheit genießen, herrscht dieses Laster sehr; solche Frauen sagen, sie hülfen sich mit diesem Mittel, um die Hitze ihres Blutes nur ein wenig zu kühlen.

Die Türkinnen besuchen die Bäder mehr um dieser Wonnen willen als aus andern Gründen, und sie sind den lesbischen Freuden sehr ergeben. Selbst die Buhlerinnen, denen jederzeit Männer zur Verfügung stehen, geben sich viel mit den Fricarellen ab, wie ich das von einigen in Italien und Spanien hörte. Bei uns in Frankreich sind solche Frauen sehr häufig zu finden; und dabei sollen sie sich noch gar nicht so lange damit befassen, und man sagt, daß die Mode erst durch eine vornehme Dame, die ich nicht nenne, aus Italien eingeführt worden sei.

Ich hörte eine Geschichte von Herrn de Clermont-Tallard dem Jüngeren, der zu La Rochelle gestorben ist und der als kleiner Knabe die Ehre hatte, mit dem Herrn von Anjou, unserm späteren König Heinrich III., gemeinsam zu studieren; ihr Lehrer war ein Herr de Gournay. Eines Tages – es war zu Toulouse – als er in seinem Zimmer mit seinem Lehrer den Studien oblag, gewahrte er, für sich in einer Ecke sitzend, durch einen Spalt – (die Zimmer hatten Holzwände, die nur in der Eile provisorisch auf Anordnung des Kardinals d'Armaignac, des dortigen Erzbischofs, hergestellt waren, um den König und seine Begleitung besser unterzubringen) in einem andern Zimmer zwei vornehme Damen, die mit entblößten Beinen aufeinander lagen, [134] sich schnäbelten wie die Tauben, das fricare ausübten, kurz, die Männer nachahmten. Dieses Spiel dauerte eine gute Stunde und brachte sie so in Hitze, daß sie ganz rot wurden und wie gebadet waren, trotzdem große Kälte herrschte. Endlich waren sie so erschöpft, daß sie sich ausruhen mußten. Herr de Clermont sagte, er habe diese Spiele auch noch an mehreren andern Tagen beobachtet, solange der Hof sich zu Toulouse aufhielt. Seitdem hätte er so etwas nicht wieder gesehen, da ihn damals nur die Gelegenheit des Ortes begünstigt hätte.

Er erzählte mir noch mehr, was ich nicht zu schreiben wage, und nannte mir die Damen. Ich weiß nicht, ob es wahr ist, aber er hat es mir mit hundert guten Eiden versichert Und es ist ja auch in der Tat sehr wahrscheinlich, denn jene beiden Damen standen stets in dem Ruf, ihre Zeit mit dieser Leidenschaft zu verbringen.

Ich kannte mehrere andre, die auch dieser Liebe frönten, von denen eine vornehme Dame es ganz besonders toll trieb. Sie liebte und verehrte manche Frauen mehr als die Männer und spielte bei ihnen den Mann. Sie nahm sie zu sich, hielt sie vollständig aus und gab ihnen, was sie haben wollten. Ihrem Gatten gefiel das sehr, wie auch manche andre Ehemänner, die ich kannte, sehr damit zufrieden waren, daß ihre Frauen diese Art Liebe trieben, statt mit den Männern sich abzugeben (sie hielten ihre Frauen deshalb für weniger geil und üppig). Aber ich glaube, sie täuschten sich sehr; denn wie ich sagen hörte, diese kleine Übung ist nur eine Lehre für die größeren Übungen mit den Männern. Haben sie sich hierdurch erhitzt und sich gegenseitig in Brunst versetzt, dann baden sie sich in einem lebenden, fließenden Wasser, das besser erfrischt als ein stilles. Wie ich auch von guten Chirurgen hörte, und selbst gesehen habe, daß es zur Heilung einer Wunde nicht genügt, sie nur in ihrer Umgebung und am Rande zu behandeln, sondern daß man eine Sonde gehörig tief einführen muß.

[135] Wie viele Lesbierinnen habe ich nicht gesehen, die trotz all ihrer Fricarellen doch noch zu den Männern gingen. Besaß denn nicht selbst Sappho, die große Meisterin dieser Kunst, ihren Freund Phaon, in den sie sterblich verliebt war? Denn, wie ich von mehreren Damen sagen horte, am Ende ist doch der Mann die Hauptsache; und alles, was sie mit andern Frauen vornehmen, sind nur Reizmittel, um sich nachher mit den Männern völlig zu stillen. Die Fricarellen dienen ihnen nur in Ermangelung des Mannes. Auch finden sie es bequem und weniger gefährlich für ihren Ruf, Freundinnen anzulocken und mit ihnen schön zu tun.

Zu meiner Zeit gab es zwei hübsche vornehme Fräulein aus gutem Hause, zwei Nichten, die während dreier Jahre in ein und demselben Bett geschlafen hatten, wo sie sich ganz an die lesbische Liebe gewöhnten. Nachher fiel es ihnen ein, daß das Vergnügen ohne Männer doch nur mager und unvollkommen sei; sie versuchten es daher mit diesen und wurden nun große Buhlerinnen. Später bekannten sie ihren Liebhabern, nichts habe sie so unzüchtig gemacht wie der Tribadismus, den sie nun verabscheuten, weil er die Ursache ihrer Liederlichkeit gewesen. Trotzdem, wenn sie einander oder auch andern Frauen begegneten, kosteten sie jedesmal wieder von dieser Frucht, zu der sie immer mehr Appetit bekamen als zu der Männerliebe. Ein Fräulein, das ich kannte, wurde einst von ihrem Anbeter gefragt, ob sie mit ihrer Freundin, mit der sie gewöhnlich schlief, noch immer lesbisch verkehre: »O, nein!« entgegnete sie lachend, »ich liebe die Männer viel zu sehr!« Aber sie machte doch das Eine und das Andere.

Ich kenne einen achtbaren Edelmann, der einst ein vornehmes Fräulein bei Hofe heiraten wollte und eine ihrer Verwandten darüber um Rat fragte. Diese sagte ihm grade [136] heraus, er würde nur seine Zeit verlieren. Denn, wie sie mir sagte, eine gewisse Dame, die sie mir nannte, und von der ich manches wußte, würde niemals erlauben, daß das junge Mädchen sich verheirate. Ich merkte sofort, wo der Haken steckte: sie hielt das Fräulein bei sich zur Wonne ihres eigenen Mundes. Der Edelmann bedankte sich bei der genannten Cousine für den guten Rat, freilich nicht ohne zu lachen und ihr spottend zu sagen: sie spräche in dieser Sache sowohl für sich wie für die andre. Denn zuweilen machte sie Abstecher nach diesem Gebiete hin; was sie mir jedoch bestritt.

Dies erinnert mich an manche Männer, die Konkubinen besitzen, in die sie so verliebt sind, daß sie sie nicht für alle Güter der Welt hergeben würden, weder an einen Prinzen, einen Großen, einen Gefährten oder Freund; sie sind so eifersüchtig auf sie wie ein Geizhals auf seinen Geldkasten. Jene Dame aber wollte das junge Mädchen ganz allein für sich haben, ohne mit andern zu teilen; dennoch wurde sie von ihr mit andern Freundinnen zum weiblichen Hahnrei gemacht.

Man sagt, auch die Wiesel seien dieser Art der Liebe ergeben, und die Weibchen vergnügten sich damit, einander beizuwohnen. Deshalb wurden früher die lesbischen Frauen in Geheimschriften durch Wiesel dargestellt. Ich hörte von einer Dame, die dieser Liebe ergeben war, daß sie stets solche Tierchen pflegte und ihrem Liebesspiel mit Vergnügen zusah.

Noch etwas verdient Erwähnung, nämlich daß diese Weiberliebe auf zwei verschiedene Arten ausgeübt wird: durch Fricarellen und durch geminos committere cunnos, wie der Dichter sagt. Diese letztere Art bringt keinen Schaden, sagen manche; man hilft sich mit Instrumenten in Form des Penis, die Godmichés genannt werden.

Ich hörte erzählen, daß ein großer Fürst zwei Damen seines Hofes im Verdacht dieser Liebe hatte und ihnen aufpassen [137] ließ, bis er sie auch wirklich überraschte. Die eine trug zwischen den Schenkeln ein großes männliches Glied, das mit kleinen Bändern rund um den Leib befestigt war. Sie war so überrascht, daß sie keine Zeit fand, es abzunehmen, und der Prinz zwang sie, ihm zu zeigen, wie sie es machten.

Es heißt, daß manche Frauen an Geschwüren in der Gebärmutter gestorben sind, die sie sich durch die unnatürlichen Bewegungen und Reibungen zugezogen hatten. Ich kenne einige Frauen, die großen Schaden dadurch genommen haben, und es waren schöne und achtbare Frauen und Mädchen, denen es besser angestanden hätte, mit Männern zu verkehren; daran wären sie nicht gestorben, sondern wären vielmehr aufgelebt, wovon ich noch an einem andern Orte zu reden gedenke. Ja, sie hätten sich dadurch von solchen Leiden geheilt, denn, wie manche Chirurgen sagen, nichts ist besser geeignet, die Scheide zu reinigen als das natürliche Glied des Mannes. Das sei besser als die Pessarien mit eigens dazu präparierten Flüssigkeiten, die von Ärzten angewendet werden. Aber trotz der Schäden, die die Frauen dadurch erleiden, können einige es doch nicht unterlassen, sich dieser Werkzeuge zu bedienen.

Als ich mich bei Hofe befand, hörte ich erzählen, daß die Königin-Mutter eines Tages den Befehl gab, die Zimmer und Koffer aller im Louvre wohnhaften Leute zu untersuchen, auch die der Damen und Mädchen, um zu sehen, ob dort vielleicht während der Unruhen Waffen und Pistolen versteckt worden seien. Dabei entdeckte der Kapitän der Wache in einem Koffer zwar keine Pistolen, aber vier große Godmichés, worüber alle Welt herzlich lachte, die betreffende Dame aber sehr verlegen wurde. Ich kannte dieses Fräulein und glaube, sie lebt noch; aber sie machte nie wieder ein gutes Gesicht. – Kurz und gut, solche Instrumente sind sehr gefährlich.

Ich will noch die Geschichte von zwei Hofdamen erzählen, die einander so leidenschaftlich liebten, daß sie, wo [138] es auch sei, sich nicht enthalten konnten, sich wenigstens Liebeszeichen und Küsse zu geben. Das brachte sie sehr in Verruf und gab den Männern viel zu denken. Die eine war Witwe, die andre verheiratet. Eines Tages bei Gelegenheit eines Galafestes hatte sich die Verheiratete schön geschmückt und ein Kleid aus silbernem Gewebe angelegt, und als ihre Herrin zur Vesper gegangen war, gingen sie in ihr Kabinett und trieben ihr Liebesspiel auf dem Sitz mit der Öffnung so wild und stürmisch, daß er unter ihnen zerbrach. Dabei fiel die verheiratete Dame, die die untere Partei hatte, mit ihrem schönen Silberkleid rücklings platt in den Schmutz des Bassins und besudelte sich dermaßen, daß sie nicht wußte, wie sie sich reinigen sollte. Sie raffte sich auf, um in größter Hast auf ihrem Zimmer ihr Kleid zu wechseln, nicht ohne daß man ihre Spur gesehen und gerochen hätte. Das gab nun ein großes Gelächter. Auch die Königin, die ebenfalls lesbische Neigungen hatte, erfuhr es und wollte sich totlachen. Die beiden Damen mußten in der Tat ihre Leidenschaft schwer zu bemeistern gewußt haben, daß sie Ort und Zeit nicht besser abgewartet hatten und sich so blamierten. – Die Mädchen und Witwen werden noch entschuldigt, die sich diesem eitlen und frivolen Vergnügungen hingeben, statt sich von Männern schwängern und entehren zu lassen, oder ihre Frucht abzutreiben, wie manche tun und getan haben. Man meint, sie begingen keine Sünde gegen Gott und wären nicht so unzüchtig, als wenn sie mit Männern verkehrten. Freilich ist es ja auch verschieden, ob man Wasser in ein Gefäß gießt, oder ob man es nur rund herum und am Rande besprengt. Ich will darüber nicht entscheiden; ich bin weder ihr Richter noch ihr Gatte. Diese finden es schlecht, – obwohl ich keinen gesehen habe, der nicht ganz zufrieden damit gewesen wäre, daß die Gattin sich in eine Freundin verliebt, und daß sie den Ehebruch nur in dieser Form treibt. In der Tat ist eine solche Kohabitation ganz verschieden von der mit dem Manne, und was auch Martial sage, zum Hahnrei kann diese [139] Liebe nicht machen. Was dieser launige Dichter sagt, ist ja kein Evangelium. Immerhin ist es, wie Lucian bemerkt, schöner, wenn ein Weib etwas männlich oder eine wahre Amazone und als solche lüstern ist, als wenn ein Mann weibisch ist, wie ein Sardanapal oder Heliogabel und viele andre ihresgleichen. Denn je mehr ein Weib vom Manne an sich hat, desto mutiger ist es. Das alles aber überlasse ich andern zu entscheiden.

Herr de Gua und ich lasen einstmals ein kleines italienisches Buch, betitelt »Von der Schönheit«, welches von dem Herrn Angelo Fiorenzolle (Firenzuola), einem Florentiner, in Gesprächsform verfaßt ist. Da fanden wir eine Stelle, wo er sagt, daß einige Weiber, die im Anfang von Jupiter geschaffen wurden, so geartet waren, daß die einen den Mann liebten, die andern ihr eigenes Geschlecht; die Liebe der einen war rein und heilig wie, nach diesem Autor, zu unsern Zeiten die Liebe der berühmten Margarete von Österreich, welche die schöne Laodomia Fortenguerre liebte; die andern lieben unzüchtig wie die lesbische Sappho und zu unsrer Zeit in Rom die große venetianische Buhlerin Cecilia. Diese letzteren verschmähen die Ehe und fliehen den Verkehr mit Männern, soviel sie können.

Herr de Gua tadelte den Verfasser und sagte, es wäre unrichtig, daß jene schöne Margarete die Laodomia rein und keusch geliebt habe; denn da sie ihre Liebe mehr auf dieses Mädchen als auf andre richtete, die doch ebenso schön und tugendhaft sein konnten, so müßte man annehmen, daß sie sich ihrer zur Wollust bedient habe, grade wie es andre tun. Nur um ihre Lüsternheit zu verstecken, habe sie gesagt, ihre Liebe sei keusch, wie viele ihresgleichen ihre Leidenschaft durch solche Reden bemänteln.

Das war Herrn de Gua's Auffassung, und wer sich weiter darüber äußern will, der tue es, wenn er kann.

Jene Margarete war damals die schönste Fürstin der Christenheit. Und wenn zwei Schönheiten sich lieben, so geschieht es sicher in wollüstiger Weise. Sie war dreimal [140] verheiratet, zuerst mit König Karl dem Achten, dann mit Johann, dem Sohn des Königs von Aragon, und zuletzt mit dem Herzog von Savoyen, genannt der Schöne. Sie galten zu ihrer Zeit für das schönste Paar der Welt; aber die Fürstin genoß ihr Glück nicht lange, denn ihr Gatte starb in jungen Jahren und in der Blüte seiner Schönheit; sie betrauerte ihn tief und vermählte sich niemals wieder.

Sie ließ die Kirche zu Bourg in Bresse erbauen, eines der schönsten Bauwerke der Christenheit. Sie war die Tante des Königs Karl, und unterstützte ihren Neffen gut; denn sie wollte mit allen Frieden haben, was sie und die Frau Regentin im Vertrag zu Cambray bewiesen, wo beide sich einfanden. Und es bot, wie mir alte Leute erzählten, ein schönes Bild, diese beiden großen Fürstinnen zusammen zu sehen.

Cornelius Agrippa hat eine kleine Abhandlung über die Schönheit der Frauen geschrieben und spendet auch der Margarete hohes Lob. Das Buch ist sehr schön, wie es nicht anders sein kann, da es von einem so schönen Gegenstande handelt und der Verfasser ein vornehmer Mann war.

Ich hörte von einer Prinzessin, die unter den Damen ihres Gefolges ganz besonders eine liebte, worüber man sich sehr wunderte, denn sie wurde von vielen andern in jeder Beziehung übertroffen. Endlich aber entdeckte man, daß sie hermaphroditisch war und so ohne Aufsehen und Ärgernis sich vergnügen konnte. Die Sache war also noch anders als bei den Tribaden, denn die Wollust ging hier noch etwas tiefer.

Von einer andern großen Dame heißt es auch, daß sie Hermaphroditin sei und ein männliches Glied besitze, freilich ein sehr kleines. Ihr Wesen ist jedoch mehr weiblich, und ich fand sie sehr schön. Mehrere bedeutende Ärzte, die öfter solche Frauen sahen, bezeichnen sie als sehr wollüstig.

Soviel von diesem Kapitel, das ich noch ganz bedeutend verlängern könnte, denn ich habe so viel Material, daß, [141] wenn alle Hahnreie und deren Frauen, die sie dazu machen, einander bei der Hand nehmen und einen Ring bilden würden, er genügen dürfte, den halben Erdkreis zu umspannen.

Zu den Zeiten des Königs Franz gab es ein altes Lied, das mir eine ehrenwerte ältere Dame mitteilte; es lautet:


Mais quand viendra la saison

Que les cocus s'assembleront,

Le mien ira devant, qui portera la bannière;

Les autres suivront après, le vostre sera au darrière.

La procession en sera grande,

L'on y verra une très-longue bande.


Ich will jedoch viele anständige und kluge Ehefrauen nicht tadeln, die sich tugendhaft und beständig in der ihrem Gatten angelobten Liebe erwiesen haben. Ich gedenke zu ihrem Preise ein besonderes Kapitel zu schreiben und den Meister Jean von Mun Lügen zu strafen, der in seinem »Romant de la Rose« sagt:

»All ihr Frauen ....


Estes ou fustes,

D'effet ou de volonté putes«


wodurch er sich eine derartige Feindschaft bei den damaligen Hofdamen erwarb, daß sie sich mit Hilfe der Königin verschworen und ihn eines Tages nackend auszogen, um ihn durchzuprügeln. Als sie zuschlagen wollten, bat er sie, es möge wenigstens diejenige, die die größte Hure sei, den ersten Schlag tun. Da wagte es keine einzige anzufangen, und so entging er den Schlägen. Diese Geschichte sah ich auf einem alten Tapetenwerk im Louvre dargestellt.

Etwas Ähnliches weiß ich von einem Prediger, der eines Tages in einer Gesellschaft redete und die Sitten einiger Frauen und ihrer Männer tadelte, die sich zum Hahnrei machen ließen. Dabei rief er aus: »Ja, ich kenne [142] sie, ich sehe sie und werde diese zwei Steine an den Kopf des größten Hahnreis dieser Gesellschaft werfen.« Dabei holte er zum Wurfe aus, und es war auch nicht ein Mann anwesend, der nicht den Kopf gesenkt oder den Mantel, die Mütze oder den Arm vorgehalten hätte, um sich vor dem Wurf zu schützen. Der Redner aber legte die Steine weg und sprach: »Habe ich es euch nicht gesagt? Ich dachte, es seien nur zwei oder drei Hahnreie hier. Jetzt sehe ich jedoch, daß nicht einer da ist, der es nicht wäre.«

Nun, was auch diese Witzbolde sagen mögen, es gibt sehr vernünftige und anständige Frauen, die bei einem Kampf mit denen, die ihnen nicht gleichen, den Sieg davontragen würden, wenn auch nicht durch ihre größere Zahl, so doch wegen der Tugend, die ihr Gegenteil leicht besiegt.

Wenn der genannte Meister Jean von Mun die Frauen tadelt, die nur in Gedanken unkeusch sind, so finde ich, daß er sie eigentlich loben und in den Himmel heben sollte. Denn wenn sie mit Leib und Seele so heiß entbrennen und doch nicht zur Tat schreiten, so beweist das doch ihre Tugend, die Standhaftigkeit und den Adel ihres Herzens. Lieber verzehren sie sich an ihrem eignen Feuer, wie ein seltener Phönix, als daß sie ihre Ehre beflecken. Sie gleichen dem weißen Hermelin, welches lieber stirbt, als sich beschmutzen läßt. (Dies war die Devise einer sehr vornehmen Dame, die ich kannte; sie wurde aber von ihr sehr schlecht befolgt.) Es steht in ihrer Macht, die Stillung ihrer Glut zu suchen, und doch beherrschen sie sich tapfer und erringen den schönen Sieg über sich selbst. In den »Hundert Erzählungen« der Königin von Navarra findet sich darüber eine sehr hübsche Geschichte von jener ehrenwerten Dame von Pampeluna. Sie war nur in Gedanken unkeusch und brannte in Liebe für den Herrn d'Avannes, einen schönen Prinzen. Sie wollte aber lieber in ihrem Feuer zugrunde gehen, als Befriedigung ihrer Leidenschaft suchen. Erst mit den letzten Worten in ihrer Todesstunde gestand sie es ihm.

[143] Diese achtenswerte und schöne Dame gab sich sehr ungerechterweise den Tod. Einen achtbaren Herrn und eine achtbare Dame hörte ich hierüber äußern, sie hätte damit Gott beleidigt, denn sie konnte sich vor dem Tode retten. Es heißt wirklich sich selber töten, wenn man derartig entsagt. Manche Frauen ihresgleichen haben sich durch gar zu große Enthaltsamkeit von dieser Wonne den Tod verschafft, sowohl am Leibe wie an der Seele.

Ich erfuhr von einem großen Arzt (und ich glaube, er hat diese Lehre manchen ehrenwerten Damen gegeben), daß der menschliche Körper sich nicht wohl befindet, wenn nicht alle Glieder und Teile, von den größten bis zu den kleinsten, zusammen ihre Aufgaben erfüllen, die von der weisen Natur zu ihrer Gesundheit vorgeschrieben sind. Die Glieder müssen untereinander im Einklang stehen, wie die Musik in einem Konzert. Es ist nicht in der Ordnung, daß einige Glieder arbeiten und die andern feiern; so wie in einer Republik alle Beamten, Handwerker, Arbeiter und andre ihre Aufgaben einmütig erfüllen sollen, ohne daß sich der eine auf den andern verläßt, wenn man will, daß alles gut gehe und daß der Staatskörper heil und gesund sei. Ebenso verhält es sich mit dem menschlichen Körper.

Solche schönen Frauen, deren Seele unkeusch und deren Körper keusch ist, verdienen das höchste Lob; nicht aber jene, die kalt sind wie Marmor und unbeweglich wie ein Stein, deren Fleisch sich nicht rührt und die ohne Gefühle sind (es gibt jedoch wohl nur wenige solcher). Diese sind nicht schön und begehrenswert und, wie der Dichter sagt,


Costa quam nemo rogavit,


»keusch und von niemand begehrt.« Ich kannte eine vornehme Dame, die zu einigen ihrer Freundinnen, die schön waren, sagte: »Gott hat mir eine große Gnade erwiesen, daß er mich nicht so schön geschaffen hat, wie Sie, meine Damen; denn sonst hätte ich auch der Liebe gepflegt und wäre grade so eine Hure geworden wie Sie.« Deshalb muß man die keuschen Schönheiten ganz besonders loben.

[144] Oft genug freilich täuschen wir uns in solchen Frauen; denn einige erscheinen in ihren Worten und ihrer dezenten Kleidung so ernst, gesetzt, kalt, zurückhaltend, zugeknöpft und sittsam, daß man sie für Heilige und sehr keusche Frauen halten könnte; aber sowohl innen wie außen, in Gedanken und Taten sind sie große Dirnen.

Andre wieder könnte man wegen ihres zärtlichen Wesens, ihrer mutwilligen Reden, lebhaften Gesten und ihrer weltlichen und gezierten Kleidung für sehr unzüchtig und für bereit halten, sich sogleich hinzugeben; aber sie sind vor der Welt sehr anständige Frauen; wie sie im Verborgenen sind, darüber liegt die Wahrheit auch im Verborgenen.

Ich könnte viele Beispiele dafür anführen, die ich gehört und gesehen; aber ich begnüge mich mit dem einen, das man bei Titus Livius, und noch besser bei Boccaccio findet Es handelt sich um eine hübsche römische Frau Namens Claudia Quintienna, die in Rom durch ihre prachtvolle und wenig sittsame Kleidung vor allen andern auffiel, und wegen ihrer freien Manieren ihre Ehre sehr in Verruf brachte. Als aber der Tag des Empfangs der Göttin Kybele gekommen war, stach sie alle andern aus; denn sie genoß vor allen die Ehre und den Ruhm, die Göttin aus dem Schiffe in Empfang zu nehmen, sie zu berühren und zur Stadt zu bringen, worüber alle Welt erstaunt war. Denn es war gesagt worden, daß nur der anständigste Mann oder die anständigste Frau dieser Aufgabe würdig seien. So täuscht sich oft die Welt in vielen unserer Damen. Man muß sie sehr genau kennen und studieren, bevor man über sie urteilt.

Ehe ich schließe, muß ich noch einer schönen Tugend und Eigenschaft der Hahnreischaft Erwähnung tun, über die ich von Seiten einer sehr hübschen vornehmen Dame erfahren habe. Eines Tages trat ich in ihr Zimmer und fand sie im Begriff, eine Erzählung zu beenden, die sie mit eigener Hand geschrieben. Sie zeigte sie mir ganz offen, denn ich war ein guter Freund von ihr und sie verbarg mir nichts. Sie war sehr geistreich und konnte gut sprechen; [145] auch war sie der Liebe sehr ergeben. Der Anfang der Erzählung ist folgender:

»Mir scheint,« sagte sie, »daß eine der schönen Eigentümlichkeiten der Hahnreischaft die ist, daß man gut kennen lernt, wie durch sie der Geist für das Vergnügen und die Befriedigung der menschlichen Natur geübt wird; denn er ist es, der die nötigen Kunstgriffe, um dahin zu gelangen, ausdenkt und erfindet, während die Natur nur den Wunsch und den sinnlichen Reiz dazu liefert. Der Geist lehrt, wie man ihn verbergen kann durch Listen und Kniffe, die man im Liebeshandwerk ausübt, und er ist es, der die Hörner aufsetzt. Denn man muß einen eifersüchtigen, mißtrauischen und jähzornigen Gatten täuschen; man muß ihm Sand in die Augen streuen und dem Neugierigen die Wahrheit verschleiern; man muß Treue heucheln, wo doch nur Täuschung, Aufrichtigkeit, wo nur Verstellung ist, und Furcht, wo man keine Erlaubnis mehr nötig hat; kurz: wegen all dieser Schwierigkeiten sind dies keine Handlungen, wozu man von der Natur aus gelangen kann. Man muß eben den Geist walten lassen, der das Vergnügen ermöglicht und mehr Hörner setzt als der Körper.«

Das sind die eigenen Worte jener Dame, ohne eine Änderung, womit sie ihre selbstgeschriebene Erzählung einleitet. Die wahren Namen aber ersetzt sie durch andere; und dann, in der weiteren Schilderung der Liebe des Herrn und der Dame, mit denen sie zu tun hat, bis zur endlichen Erfüllung zeigt sie, daß die Kunst der Liebe nur eine Kunst der Befriedigung ist. Die Liebe ist völlig formlos bis zum vollen Besitz und Genuß, und oft glaubt man, sie sei nun bis zu jenem äußersten Punkte gelangt, und ist doch noch in ihrer Erzählung weit davon entfernt. Es ist nur verlorene Zeit gewesen, die man nicht genug bedauern kann. (Man beachte und erwäge wohl diese letzten Worte, denn sie sind wichtig und erklären vieles.)

[146] Und doch bedauern Mann wie Weib um des Genusses in der Liebe willen nicht die vergangene Zeit. Und deshalb gab die Dame, die diese Geschichte schrieb, ihrem Verehrer ein Stelldichein in einem Walde, wo sie oft in einem schönen Baumwege spazieren ging. An dessen Eingange ließ sie ihre Frauen zurück und suchte ihren Freund unter einer großen schattigen Eiche auf; denn es war im Sommer. »Man kann sich denken,« sagt die Dame in ihrer Erzählung wörtlich, »was sie dort trieben und was für einen schönen Altar sie dem armen Gatten im Tempel des Kreaton errichteten, obgleich sie nicht in Delos waren.« Dieser Tempel war nämlich ganz aus Hörnern erbaut. Ein lustiger Schelm mußte ihn gegründet haben.

Auf diese Weise machte die Dame sich über ihren Gatten lustig, sowohl in ihren Schriften wie auch mit Taten. Man beachte wohl all diese Worte, sie sind sehr nachdrücklich und wurden von einer gewandten Frau gesagt und geschrieben.

Ich bat diese Dame, mir eine Abschrift von dieser Geschichte zu geben, was sie bereitwilligst tat; aber sie wollte die Abschrift selbst anfertigen, damit sie nicht in unrechte Hände komme; ich habe sie sorgfältig aufgehoben.

Diese Dame hatte recht, der Hahnreischaft jenes Gute nachzurühmen; denn bevor sie sich mit der Liebe abgab, war sie weniger geschickt; nachher aber wurde sie eine der fähigsten und geistreichsten Frauen Frankreichs, sowohl in diesem Punkte wie in andern. Und in der Tat, sie ist nicht die Einzige, die ich durch die Liebe sich vervollkommnen sah, denn ich habe viele Frauen gesehen, die im Anfang sehr einfältig und unbefähigt waren; aber sie hatten kaum ein Jahr in der Schule Cupidos und seiner Frau Mutter, der Venus, zugebracht, als ihre Fähigkeiten bedeutend gewachsen waren. Und was mich betrifft, so habe ich nie [147] eine Dienerin der Liebe gesehen, die nicht sehr gewandt und in jeder Weise aufgeweckt gewesen wäre.

Noch eine Frage möchte ich aufstellen: in welcher Jahreszeit werden die meisten Hahnreie gemacht, und welche ist für die Liebe am besten geeignet und für die Frauen, Witwen oder Mädchen am verführerischten? Die allgemeine Stimme ist sicher für den Frühling; er ruft Geist und Körper aus dem melancholischen Winterschlafe wach, und da alle Vögel und andere Tiere zu dieser Zeit ihr Liebeswerben beginnen, werden die Menschen, die höhere Sinne und Gefühle haben, und besonders die Frauen (nach der Meinung vieler Philosophen und Ärzte) noch viel mehr in Liebesglut kommen. Ich habe das auch von manchen schönen Damen gehört, besonders von einer vornehmen, die jedesmal im Frühjahr verliebter war als zu andern Jahreszeiten. Sie sagte, sie fühle das Gras sprießen, es sei ihr wie einer Stute ums Herz und sie müsse unbedingt von der Frucht kosten, sonst würde sie ganz elend. Das tat sie denn auch, darauf kann ich schwören, und wurde danach nur noch üppiger. Drei oder vier neue Liebschaften, die ich sie machen sah, wurden im Frühling geschlossen, und nicht ohne Grund; denn von allen Monaten des Jahres sind April und Mai am meisten der Venus geweiht Da fangen die schönen Damen an, sich mehr als zuvor herauszuputzen, sich lustig zu frisieren und leicht zu kleiden, so daß man sagen möchte, all dieser neue Wechsel der Gewänder und Manieren ziele nur auf die Wollust ab und bezwecke, die Erde mit Hahnreien zu bevölkern, ebenso wie im April und Mai mehr beflügelte Wesen durch die Luft schwärmen.

Und dann, glaubt ihr nicht, daß die schönen Frauen, Mädchen und Witwen, wenn sie überall auf ihren Pfaden durch Haine, Wälder, Gärten und Fluren die Vögel und andere Tiere sich paaren sehen, den Stachel des Fleisches empfinden und an schnelle Abhilfe denken? Und dann, es ist eine beredsame Mahnung für Liebende ohne Glut und Leidenschaft, wenn man sie auf die Tiere und Vögel in [148] Haus und Feld verweist, wie auf die Sperlinge und die Tauben, ja, auch auf die Pflanzen, die alle nichts weiter tun, als sich begatten und befruchten. Deshalb sagte auch eine feine spanische Dame zu einem Kavalier, der gar zu kalt oder respektvoll war: »Ea, gentil cavallero, mira como los amores de todas suertes se tratan y triunfan en este verano y V.S. queda flaco y abatido.« Das heißt: »Sehen Sie, edler Ritter, wie alle Arten Liebe in diesem Frühling gepflegt werden und triumphieren, nur Sie bleiben lau und verzagt.«

Der Frühling räumt den Platz dem Sommer ein, der seine Gluten mitbringt; und wie nun die Hitze zunimmt, so wächst sie auch bei der Frau, und nichts erfrischt sie mehr als ein warmes Bad von semen venerius. Nicht durch das Gegenteil erzielt man Heilung, sondern Gleiches wird durch Gleiches kuriert. Denn sie mag sich alle Tage baden und in dem klarsten Wasserquell irgend eines Landes untertauchen, so hilft es doch nichts. Sie mag sich noch so leicht kleiden, um sich Kühlung zu verschaffen; sie mag die Kleider noch so hoch aufnehmen, daß man ihre Höschen sieht, oder sie mag den »Vertugadin« darüber legen, ohne sie über den Unterrock anzulegen, wie viele tun: es nützt nichts. Ja, noch mehr: in diesem Zustande betrachten sie sich hingerissen im hellen Licht der warmen Sonne und, da sie sich so schön, so weiß, rund, aufgeputzt und wohlbeleibt sehen, geraten sie um so mehr in Brunst und Versuchung. Und dann müssen sie unbedingt zum Manne oder sie verbrennen bei lebendigem Leibe, was indes nur sehr wenigen geschieht. Sie wären sonst auch sehr dumm. Und wenn sie in ihren hübschen Betten liegen und die Decken ihnen lästig sind, entblößen sie sich und streifen auch das Hemd zur Hälfte ab. Und früh, wenn die Morgensonne sie bescheint, können sie sich noch besser überall und von allen Seiten betrachten, und nun sehnen sie ihre Freunde herbei und [149] erwarten sie. Kommt dann der Freund zufällig in diesem Augenblick, so ist er hoch willkommen und wird mit Lust umarmt. Denn dann, sagen sie, gibt es die schönste Umarmung und den höchsten Genuß, wie zu keiner andern Tagesstunde. Denn, wie eine große Dame eines Tages sagte, »die Vulva ist durch die süße Wärme der Nacht viel saftreicher und schöner geworden«.

Ein altes Sprichwort behauptet freilich: Im Juni und Juli ist der Mund feucht und der Cunnus trocken. Auch den August führt man an, in Bezug auf die Männer, die sich durch zu große Erhitzung in dieser Zeit schädigen, besonders wenn der Hundsstern regiert; da müssen sie sich in Acht nehmen. Wollen sie sich aber an ihrer Kerze verbrennen, so ist es ihr Schade. Die Frauen laufen niemals diese Gefahr, denn in allen Monaten und Jahreszeiten sind ihnen die Zeichen günstig.

Nun kommen die guten Früchte des Sommers, woran die feurigen Damen sich zu erfrischen scheinen. Manche sah ich wenig davon essen, manche aber viel. Immerhin hat man kaum je gesehen, daß ihre Glut sich änderte, weder bei den einen noch den andern, ob sie nun essen oder nicht Denn wenn auch manche Früchte erfrischen, so erhitzen viele andere desto mehr. Und zu diesen greifen die Damen am häufigsten, wie zu verschiedenen Kräutern, die in Blüte stehen und gut in Suppen und Salaten zu essen sind als: Spargel, Artischocken, Morcheln, Trüffeln, Moospilze und Pfifferlinge, ferner auch die neuen Fleischspeisen, die ihre Köche auf ihren Befehl sehr gut zuzubereiten verstehen, um der Lüsternheit zu dienen, und die ihnen auch von den Ärzten verordnet werden. – Aber ein Erfahrener in diesen Dingen mag dies Kapitel weiter ausführen, er wird es besser können als ich.

Bei diesen guten Speisen nehmt euch in Acht, ihr armen Liebhaber und Ehemänner! Wenn ihr euch nicht gut vorseht, werdet ihr bald um eines Andern willen betrogen und verloren sein.

[150] Das ist noch nicht alles: denn zu diesen neuen Früchten aus Feld und Garten kommen noch die Pasteten hinzu, die man seit einiger Zeit erfunden hat. Sie sind reichlich mit Pistazien, Piniennüssen und andern erhitzenden Apotheker-Drogen versetzt, ganz besonders aber mit dem Kamm und den Hoden des Hahnes, die im Sommer besonders gut entwickelt sind. Jetzt werden auch im allgemeinen mehr junge Hähnchen abgeschlachtet, als im Winter große Hähne, die nicht so gut und geeignet sind wie die Meinen; diese sind feuriger und verliebter als die anderen. Das ist unter andern einer der Vorzüge, die der Sommer für die Liebe mit sich bringt.

Von diesen so zubereiteten Pasteten, von den jungen Hähnen, den Artischocken und Trüffeln, oder andern erhitzenden Leckereien verwenden, wie ich hörte, manche Damen viel. Wenn sie davon essen und mit der Hand oder der Gabel die Artischocke oder Trüffel oder Pistazie oder den Hahnenkamm oder sonst einen Bissen zum Munde führen, sagen sie mit trauriger Miene: »blanque«; wenn sie aber die hübschen Hoden des Hahnes erwischen, dann stecken sie sie in den Mund und sagen vergnügt: »bénéfice«, so wie man in Italien das Glückstopfspiel betreibt, als ob sie einen besonders köstlichen Gewinn gemacht hätten.

Sie sind eben besondern Dank den Herren Hähnchen schuldig, die der Sommer und auch die Hälfte des Herbstes hervorbringt, den ich mit in den Sommer hineinziehe. Beide zusammen geben uns zahlreiche andre Früchte und kleines Geflügel, die zehnmal hitziger sind als die des Winters und der andern Hälfte des Herbstes, die dem Winter näher steht. Die letzte Hälfte des Herbstes und den Winter darf man wohl zusammenziehen, denn dann stehen die [151] Kräuter nicht mehr so in Saft und Kraft wie auch andre Dinge nicht, so wie in der heißen Jahreszeit; wenn der Winter sich auch bemüht hervorzubringen, was er kann, wie die guten Blattstengel der Artischocken, die, roh oder gekocht, sehr die Begierde steigern, bis zu den kleinen erhitzenden Disteln, wovon die Esel fressen und brünstiger werden; denn im Sommer sind die Disteln hart und erst der Winter macht sie weich und schmackhaft, so daß man davon in neuerer Zeit sehr gute Salate macht. Außer diesem allen nimmt man noch seine Zuflucht zu guten Spezereien bei den Apothekern, Drogisten und Parfümhändlern, die für Pasteten und Bouillons sorgen. So mangelt es dank dieser Hilfsmittel nicht an Erhitzung im Winter. »Denn,« sagen die Frauen, »da wir unsern Körper durch dicke Kleider und gute Pelze äußerlich warm halten, warum sollen wir es nicht auch innerlich tun?« Die Männer sagen auch: »Wozu hilft es ihnen, Hitze zur Hitze zu fügen, wie man Seide auf Seide legt, sind sie doch schon von Natur so heiß und zu jeder Stunde ohne künstliche Mittel zur Liebe bereit? Wozu das? Vielleicht fürchten sie, daß sich ihr heißes, kochendes Blut, wenn es nicht unterhalten wird, in ihren Adern verstopft und gefriert, wie bei einem Eremiten, der nur von Wurzeln lebt«

Nun, lassen wir sie doch gewähren; das ist gut für die lustigen Kumpane; denn da sie sich so häufig in Hitze befinden, genügt ja der geringste Ansturm, sie zu besiegen und die armen Herren Gatten gehörnt zu machen wie die Faune. Ja, die lieben Frauen treiben es noch schlimmer. Sie geben zuweilen von ihren guten Pasteten, Bouillons und Tränken aus Mitleid ihren Liebhabern etwas ab, damit sie sich tapfer halten und wohl gerüstet sind, wenn man sie braucht. Sie geben ihnen auch Rezepte, wonach sie sich in ihren Küchen solche Mittel zubereiten lassen können. Manche Liebhaber täuschen sich dabei jedoch oftmals, wie ich von einem hübschen Edelmann hörte, der seine Bouillon getrunken hatte, ganz verliebt zu seiner Herrin kam und ihr sagte, er würde sie schön vornehmen, denn [152] er habe die Bouillon getrunken und die Pastete gegessen. Da erwiderte sie ihm: »Das müssen Sie mir beweisen, sonst glaube ich es nicht« Im entscheidenden Augenblick half ihm jedoch das Naschwerk nur zu zwei Verrichtungen. Darauf sagte sie, entweder hätte ihn sein Koch schlecht bedient, oder er hätte nicht genügend Spezereien hinzugesetzt, oder die große Medizin nicht richtig zubereitet, oder sein Körper wäre nicht gut disponiert gewesen, sie in sich aufzunehmen und wiederzugeben. Und so lachte sie ihn aus.

Indessen helfen alle diese Kräuter, Drogen, Speisen und Medizinen nicht allen; bei einigen sind sie wirksam, bei andern gar nicht Auch sah ich Frauen, die jene erhitzenden Speisen genossen und denen man sagte, sie hätten bei dem Gatten oder dem Liebhaber gewiß Ergüsse oder auch nächtliche Pollutionen davon; aber sie beschworen, daß sie durch den Genuß solcher Mittel in keiner Weise größeren Reiz bekämen. Aber sie haben doch wohl geheuchelt.

Die Damen nun, die es mit dem Winter halten, sagen, sie wüßten soviel Rezepte für die erhitzenden Bouillons und Speisen, daß der Winter grade so gut sei wie die andern Jahreszeiten. Sie geben genug Beweise davon und halten den Winter sehr zur Liebe geschickt; denn da der Winter düster, nebelig, still und ruhig ist, und man weniger in Geselligkeiten als verborgen lebt, so muß auch die Liebe im Verborgenen genossen werden, nämlich an einem zurückgezogenen und dunkeln Ort, sei es im Schlafzimmer oder in einem Winkel am Kamin bei einem guten Feuer, das, wenn man sich dicht und lange daranhält, ebensolche Liebeswärme erzeugt wie die Sommersonne.

Es ist auch gemütlich im düstern Alkoven eines Bettes, wohin die Augen anderer, die am Feuer sitzen und sich wärmen, nicht dringen, oder auch auf dem Sofa, wo man die Liebenden fest umschlungen sieht und glaubt, es geschähe nur wegen der Kälte und um sich zu erwärmen; indessen treiben sie hübsche Dinge, während die Lampen weggerückt sind und auf dem Tische oder dem Büffet stehen.

[153] Und dann, kann man sich irgendwo wohler befinden als im Bett? Es ist die größte Wonne für die Liebenden, sich zu umschlingen und zu küssen und sich dicht an einander zu halten, um nicht zu frieren, und zwar nicht nur für ein Weilchen, nein, lange; es ist ein sanftes gegenseitiges Erwärmen, ohne die übermäßige Hitze, die der Sommer bringt, und was das Beste ist, sagen die Damen, nach dem Rat der Ärzte: die Männer sind im Winter viel geneigter zur Liebe als im Sommer.

Ich kannte einst eine große Fürstin, die sehr geistreich war und vorzüglich schrieb. Eines Tages verfaßte sie einige Stanzen zum Lobe des Winters und rühmte darin seine Geschicklichkeit zur Liebe. Sie hatte ihn wohl besonders günstig dazu befunden. Die Stanzen waren sehr gut gebaut, und ich hatte sie lange Zeit bei mir zuhause. Ich würde was darum geben, wenn ich sie hier einfügen könnte; man würde sehen, was für große Vorzüge der Winter für die Liebe bietet.

Ich kannte eine sehr vornehme Dame von großer Schönheit, die erst vor kurzem Witwe geworden. Wegen ihres neuen Standes und Gewandes wollte sie weder zum Souper bei Hofe gehen, noch zum Ball, noch zur Abendgesellschaft der Königin, damit sie nicht für zu weltlich gehalten würde. Sie verließ daher ihr Zimmer nicht, ließ jeden zum Tanze gehen oder schickte ihn dahin, ihren Sohn und alle, und zog sich in ihren Alkoven zurück. Dahin kam nun ihr Anbeter, den sie schon früher geliebt, als sie verheiratet war. Oder auch, wenn er bei ihr soupiert hatte, blieb er da und begrüßte einen ihrer Schwäger, und so wurde die alte Liebschaft erneuert und eine zweite Heirat geplant, die im folgenden Sommer zustande kam. Nach dem, was ich aus all diesen Umständen schließe, glaube ich, daß die andern Jahreszeiten nicht so zur Liebe geeignet sind, wie dei Winter, was mir auch eins ihrer Kammermädchen sagte.

Aber um zu Ende zu kommen: ich sage und behaupte, daß alle Jahreszeiten sich für die Liebe eignen, wenn sie [154] richtig angewandt werden und Männer vie Frauen die rechte Laune haben. Denn ebenso wie Mars seine Kriege zu jeder Zeit und Jahreszeit führt und seine Siege austeilt, wie es ihm gefällt, je nachdem seine Soldaten sich im Kampf bewähren, so auch Venus, je nachdem sie ihre Truppen von liebenden Frauen und Männern zum Kampf gerüstet findet. Die Jahreszeiten selbst machen nichts dabei aus, ebensowenig wie ihre Kräuter, Früchte und Spezereien, noch irgendwelche Kunstmittel, die manche anwenden, um sich zu erhitzen oder zu erfrischen. Denn – und das sei das letzte Beispiel – ich kenne eine vornehme Dame, die seit ihrer Kindheit ein sehr heißes Blut verriet, das sie eines Tages geradenwegs ins Bordell führen mußte. Ihre Mutter ließ sie deshalb dreißig Jahre lang täglich in allen Mahlzeiten den Saft des Sauerampfers genießen, den man in Frankreich »ozeille« nennt, sowohl zum Fleisch, wie in Suppen und Kraftbrühen, oder als Getränk aus großen Henkelschüsseln, ohne sonstige andre Mischung; kurz, alle Saucen waren mit Sauerampfer angemacht. Alle diese geheimnisvollen Kühlmittel (Antaphrodisiaca) nützten nichts, denn sie ist eine große, weit berühmte Buhldirne geworden, die niemals jene vorgenannten Pasteten nötig hatte, um in Hitze zu kommen, denn sie besaß selbst genug davon; und doch war sie ebenso gierig danach, sie zu genießen, wie jede andre.

Nun schließe ich aber wirklich, obwohl ich noch mehr sagen und noch mehr Beispiele und Beweise beibringen könnte; aber man muß nicht immer an ein und demselben Knochen nagen; auch möchte ich meine Feder einem bessern Redner, als ich bin, überlassen, der die Partei der einen oder andern Jahreszeit führen wird. Ich beziehe mich auf den Wunsch, den eine achtbare spanische Dame äußerte: sie möchte gern der Winter sein, und ihr Freund müßte ein Feuer sein, damit, wenn sie sich bei der großen Kälte an ihm erwärme, er das Vergnügen habe, sie zu erhitzen und sie dasjenige, seine Wärme in sich aufzunehmen. Dann [155] wollte sie sich ihm oft ganz nach Bequemlichkeit zeigen, aufgerafft und mit weiten Schenkeln, daß er ihre schönen Glieder unter dem Linnen sehen könne und sein Feuer in ihren Leib ströme.

Dann wollte sie wieder, sie wäre der Frühling und ihr Freund ein blühender Garten, mit dessen Blumen sie ihr Haupt und ihren schönen Busen schmücken wollte; ja, sie möchte dann ihren schönen nackten Leib ganz in diesen Blumen wälzen.

Dann wünschte sie, der Sommer zu sein und ihr Freund ein klarer Quell oder glitzernder Bach, um sie in seine klaren, frischen Fluten aufzunehmen, und darin unterzutauchen und sich ihm nackend zu zeigen, daß er ihre schönen üppigen Glieder liebkose.

Und endlich im Herbst wollte sie wieder in ihre erste Form zurückkehren und ein Weib werden und ihr Freund ein Mann, um dann all diese schönen Phantasien und Freuden der Vergangenheit in der Erinnerung mit ihm durchzugehen und sich zu fragen, welche Jahreszeit am köstlichsten gewesen sei.

So legte diese Dame sich die Jahreszeiten zurecht, worüber ich das Urteil bessern Rednern überlasse, die entscheiden mögen, welche von den vier in dieser Form den beiden am süßesten und angenehmsten gewesen sind.

Und nun schließe ich wirklich diese Betrachtung. Wer mehr davon und von den verschiedenen Arten von Hahnreien wissen möchte, der sehe nach in einem alten Liede über die Hahnreie, das vor fünfzehn oder sechzehn Jahren am Hofe verfaßt wurde. Der Refrain des Liedes ist:


Un cocu meine l'autre, et toujours sont en peine;

Un cocu l'autre meine.


Ich bitte alle ehrenwerten Damen, die, wenn sie zufällig dazu kommen, in diesem Kapitel einige Geschichten zu lesen, mir zu verzeihen, wenn sie ein bißchen stark gewürzt sind; denn ich konnte sie nicht besser verkleiden, der Gegenstand verlangt es nun einmal so. Ja, ich hätte noch bessere und [156] noch gesalztere Geschichten erzählen können, aber es wäre nicht möglich gewesen, sie züchtig zu verhüllen und ich hätte fürchten müssen, die ehrenwerten Damen zu verletzen, die sich die Mühe nehmen und mir die Ehre erweisen, meine Bücher zu lesen. Außerdem muß ich noch bemerken, daß die Geschichten, die ich hier erzähle, sich nicht in kleinen Städten und Dörfern abgespielt haben, sondern an vornehmen Orten, und die Personen sind keine niedrigen, geringen Leute, denn ich habe mich nur mit großen und hohen Gegenständen abgegeben, obgleich meine Sprache niedrig ist. Und da ich niemanden nenne, glaube ich auch niemandem ein Ärgernis gegeben zu haben.


Femmes, qui transformez vos marys en oyseaux,

Ne vous en lassez point, la forme en est très-belle;

Car, si vous les laissez en leurs premières peaux,

Ils voudront vous tenir toujours en curatelle,

Et comme hommes voudront user de leur puissance;

Au lieu qu'estans oyseaux, ne vous feront d'offense.


Ein andres Lied ist:

Ceux qui vouldront blasmer les femmes amiables

Qui font secrètement leurs bons marys cornards,

Les blasment à grand tort, et ne sont que bavards;

Car elles font l'aumosne et sont fort charitables.

En gardant bien la loy à l'aumosne donner,

Ne faut en hypocrit la trompette sonner.


Unter alten Papieren fand ich folgendes alte Lied über das Liebesspiel:

Le jeu d'amours, où jeunesse s'esbat,

A un tablier se peut accomparer.

Sur un tablier les dames on abat;

Puis il convient le trictrac preparer,

Et en celuy ne faut que se parer.

Plusieurs font Jean. N'est-ce pas jeu honneste,

Qui par nature un joueur admoneste

Passer le temps de cœur joyeusement?

Mais en défaut de trouver la raye nette,

Il s'en ensuit un grand jeu de tourment.


[157] Das Wort raye nette hat zwei Bedeutungen: die eine bezieht sich auf das Rayenette des Trictracspiels; die andre darauf, daß man, wenn man die Furche(raye) der Dame, die man liebt, nicht rein (nette) findet, man sich etwas zuziehen kann, das viele Qualen verursacht.

2. Abhandlung. Was gewährt in der Liebe den meisten Reiz

Einleitung
Einleitung.

Eine Frage in Liebessachen erfordert einen besseren und gründlicheren Redner, als ich bin, nämlich: was befriedigt am meisten beim Liebesgenuß: das Gefühl d.h. die Berührung, oder das Wort oder das Gesicht? Herr Pasquier, ein in der Jurisprudenz, die sein Beruf ist, sowie in andern schönen und humanistischen Wissenschaften hervorragender Mann, spricht über dieses Thema in seinen Briefen, die er uns handschriftlich hinterlassen hat. Aber er faßt sich zu kurz und hätte als der große Mann, der er war, darüber mehr in seiner schönen Sprache reden können; denn wenn er sich ein wenig mehr über den Gegenstand verbreitet und wahr und natürlich ausgesprochen hätte, was er darüber wußte, so wäre sein Brief hundertmal ergötzlicher geworden.

Er gründet seine Abhandlung hauptsächlich auf einige alte Reime des Grafen Thibaud de Champagne, die mir nie zu Gesicht gekommen sind, außer dem kleinen Bruchstück, das Herr Pasquier dort anführt. Er findet, daß jener gute alte Ritter es sehr gut gesagt habe, nicht in so feinen Ausdrücken wie unsre galanten Dichter von heute, aber sinnvoll und verständig. Es war ja auch ein schöner Gegenstand und wert, gut darüber zu sprechen. Er redet nämlich [159] von der Königin Bianca von Kastilien, der Mutter Ludwigs des Heiligen, in die er nicht wenig, sondern sehr verliebt war und die er sich zur Herrin erkor. Aber soll das dieser Königin zum Vorwurf gereichen? Konnte sie, wenn sie auch sehr vernünftig und tugendhaft war, es der Welt verbieten, sie zu lieben und für ihre Schönheit und Tugend zu entbrennen, da es grade diese Eigenschaften sind, welche Liebe erwecken müssen? Die Hauptsache ist, daß man sich nicht dem Willen desjenigen, der liebt, hingibt.

Deshalb liegt nichts Verwunderliches oder Tadelnswertes darin, wenn sie so sehr geliebt wurde, noch auch, daß während ihrer Regierung in Frankreich Aufstände und Bürgerkriege stattfanden; denn wie ich von einer sehr vornehmen Persönlichkeit hörte, waren diese Kriege sowohl durch die Liebe wie durch Parteihader veranlaßt, und zur Zeit unsrer Väter sagte ein altes Sprichwort, daß alle Welt nach dem Cunnus der lustigen Königin trachtete.

Ich weiß nicht, auf welche Königin sich dieses Sprichwort bezog, das vielleicht jener Graf Thibaud verfaßt hatte. Vielleicht weil er von ihr nicht so gut behandelt wurde, wie er es wünschte, oder verachtet wurde, oder ein andrer mehr Liebe fand als er, stürzte er sich aus Verzweiflung in jene Kriege und Unruhen, worin er seinen Untergang fand. So geschieht es ja häufig: Wenn eine schöne Königin oder große Dame oder Prinzessin die Leitung des Staates in die Hand nimmt, dann will ein jeder ihr dienen und sie verehren, sowohl um bei ihr in Gunst zu stehen, wie auch um sich rühmen zu können, daß er den Staat mit ihr regiert, und seinen Vorteil daraus zu ziehen. Ich könnte einige Beispiele anführen, aber ich unterlasse es.

Soviel ist sicher, daß der Graf Thibaud sich damit befaßte, über jenen schönen Gegenstand zu schreiben und vielleicht hat er auch jene Frage aufgestellt, die Herr [160] Pasquier uns mitteilt. Den neugierigen Leser verweise ich auf ihn, ohne die betreffenden Verse hier anzuführen; denn das wäre überflüssig. Hier wird es jetzt genügen, darüber zu sagen, was mir einfällt und was ich aus Eigenem weiß oder von andern, die besser beschlagen sind als ich, gehört habe.

1. Artikel
Erster Artikel.

Von der Berührung in der Liebe.


Was die Berührung betrifft, so muß man allerdings gestehen, daß sie sehr ergötzlich ist; denn die Vollendung der Liebe ist der Genuß, und dieser ist nicht möglich ohne die Berührung. Ebenso wie man den Hunger oder Durst nicht stillen kann ohne Essen und Trinken, so auch die Liebe nicht durch das bloße Hören oder Sehen, sondern durch das Gefühl, die Umarmung, den Dienst der Venus. Der lustige Narr Diogenes Cynicus (der Cyniker) sagt in seiner scherzhaften, aber etwas unflätigen Weise, er wünsche, er könnte seinen Hunger stillen, indem er seinen Bauch reibe, ebenso wie man die Liebe stille, wenn man die Rute reibt. Ich hätte das gern in feineren Worten ausgedrückt, aber man lese schnell darüber hin. Oder auch wie jener Liebhaber der Lamia, der sich in der Liebe zu ihr gar zu sehr übernommen hatte und nichts mehr davon wissen wollte; er behalf sich deshalb damit, beim Gedanken an sie, nur in der Einbildung zu lieben und sich selbst zu befriedigen. Als sie dies erfuhr, ließ sie es von dem Richter entscheiden, daß er sie zu befriedigen und zu bezahlen habe. Der Richter befahl, daß sie schon durch den Klang des Geldes, daß er ihr zeigen werde, bezahlt sei und sie ebenso wie er durch die Phantasie befriedigt sein müsse.

Freilich wird man mir viele Arten der Venus anführen, welche die alten Philosophen kennen; aber darüber möchte [161] ich bessere Redner als ich sprechen lassen. Soviel ist sicher: da die Frucht der weltlichen Liebe nichts andres als der Genuß ist, so darf man nicht glauben, sie zu besitzen, wenn man sie nicht mit Händen faßt. Manche sind der Meinung, das Vergnügen wäre nur mager ohne das Sehen und das Sprechen. Davon finden wir ein gutes Beispiel in den »Hundert Erzählungen« der Königin von Navarra. Ein Edelmann hatte mehrmals des Nachts in einer dunkeln Galerie die Gunst dieser ehrenwerten Dame genossen, die sich mit ihrem Kopftuch vermummt hatte (denn die Masken waren damals noch nicht Mode). Er merkte wohl am Betasten, daß er es mit etwas Schönem und Auserlesenem zu tun hatte, aber damit wollte er sich nicht begnügen, sondern wissen, wer es sei. Deshalb kennzeichnete er sie einstmals mit einem Kreidestrich hinten auf ihrem schwarzen Sammetkleide. Als nun am Abend nach dem Souper (denn ihre Stelldicheine waren zu genauer Stunde bestimmt) die Frauen in den Ballsaal traten, stellte er sich hinter die Tür und ließ sie alle aufmerksam vorbeipassieren. Da sah er denn seine Dame eintreten mit dem Kreidestrich auf der Schulter! Das hätte er sich nicht träumen lassen; denn nach ihrem Benehmen und ihren Worten hätte er sie für die Weisheit Salomonis gehalten, wie auch die Königin sie bezeichnete.

Wer war nun erstaunt? Der Edelmann, denn von allen Damen des Hofes hätte er am allerwenigsten an sie gedacht. Nun aber begnügte er sich damit nicht und ging weiter: er wollte alles entdecken und von ihr erfahren, warum sie sich so vor ihm versteckte und sich so im geheimen und verborgenen bedienen ließ. Sie aber war sehr schlau, leugnete alles und verschwor sich bei der ewigen Seligkeit und der Verdammnis ihrer Seele, wie es die Damen zu tun pflegen, wenn man ihnen etwas vorhält, das niemand wissen soll, obwohl man völlig in seinem Rechte ist.

Sie ward also ärgerlich, und er verlor die Liebesgunst der Dame. Und das bedeutet viel, denn sie war vornehm [162] und verdiente geliebt zu werden. Ja, noch mehr; gerade weil sie die Keusche und Prüde spielte, konnte er einen doppelten Genuß haben: einmal die Wonne, dieses süße, köstliche Weib zu besitzen, und dann vor der Welt sie jene kalte, sittsame Miene tragen zu sehen und ihre keuschen, sittenstrengen Worte zu hören, wobei er sich dann ihre Mutwilligkeit und Üppigkeit bei ihrem Alleinsein in Gedanken vorstellen konnte.

Der Edelmann hatte also unrecht getan, ihr davon zu sprechen; er hätte ruhig fortfahren sollen, die süße Frucht zu genießen, ebenso gut ohne Licht, als wenn die Lampen des Zimmers gestrahlt hätten. Wohl hätte er wissen dürfen, wer sie sei, und seine Neugierde wäre zu loben gewesen; denn, wie es in der Erzählung heißt, er fürchtete, es mit einer Art Teufel zu tun zu haben. Die Teufel verwandeln sich gern und nehmen die Gestalt von Weibern an, um mit den Männern zu verkehren und sie so zu täuschen. Es soll ihnen, wie ich von einigen klugen Magieren hörte, leichter sein, Gestalt und Gesicht eines Weibes anzunehmen als dessen Stimme.

Deshalb hatte der Edelmann recht, wenn er sie sehen und kennen wollte. Er sagte selbst, die Schweigsamkeit hätte ihm mehr Besorgnis verursacht als das Nichtsehen; und deshalb hätte er den Teufel vermutet. Womit er bewies, daß er Gott fürchtete.

Aber nachdem er alles entdeckt hatte, durfte er nichts sagen. Aber wie? wird mancher einwenden, Freundschaft und Liebe sind nicht vollkommen, wenn man sie nicht mit Herz und Mund erklären kann. Und jener Edelmann wollte sie dadurch zum Ausdruck bringen; aber er gewann damit nichts, sondern verlor vielmehr alles. Der Edelmann wäre ja zu entschuldigen; denn er war nicht so kalt und zurückhaltend, um solch ein Spiel zu treiben und sich der Maske der Diskretion zu bedienen. Wie ich von meiner Mutter hörte, die am Hofe der Königin von Navarra war und die manche Geheimnisse ihrer Novellen kannte und mit der sie [163] viele Gespräche führte, war dieser Edelmann mein seliger Onkel De la Chastaigneraye, der rasch, hitzig und etwas flatterhaft war.

Die Geschichte ist jedoch etwas bemäntelt, um sie geheimnisvoller zu machen; denn mein Onkel war niemals im Dienst der Großprinzessin, der Herrin jener Dame, sondern in dem ihres Bruders, des Königs. Von diesem und der Prinzessin wurde er sehr geliebt. Die Dame nenne ich nicht, aber sie war eine Witwe und Ehrendame einer großen Fürstin, die ihrerseits noch besser die Prüde zu spielen verstand als die Hofdame.

Ich hörte von einer mir bekannten Hofdame unserer letzten Könige erzählen, die in einen sehr achtbaren Edelmann des Hofes verliebt war und die das Liebesmanöver der vorgenannten Dame nachahmen wollte. Aber jedesmal, wenn sie von ihrem Rendezvous kam, ging sie in ihr Zimmer und ließ sich von einer ihrer Kammerzofen oder Frauen von allen Seiten betrachten, ob sie nicht irgendwo ein Zeichen hätte; auf diese Weise schützte sie sich davor, wiedererkannt zu werden. Sie wurde auch erst bei dem neunten Stelldichein markiert und das Zeichen wurde gleich von ihren Kammerfrauen entdeckt. Deshalb und aus Furcht, blamiert zu werden, gab sie ihm nie wieder ein Rendezvous.

Mancher wird sagen, es wäre besser gewesen, sie hätte die Zeichen an sich machen lassen und sie nachher nur abgewischt. Das würde ihr doppeltes Vergnügen bereitet haben: erstens die Befriedigung ihrer Liebe und zweitens ihren Liebhaber auslachen zu können, der immer an diesem Stein der Weisen gearbeitet hätte, um sie zu entdecken und kennen zu lernen, und doch niemals dazu gelangt wäre.

Eine andre Geschichte hörte ich aus der Zeit des Königs Franz, von jenem schönen Edelmann Gruffy, Stallmeister des königlichen Marstalls, der zu Neapel auf der Reise des Herrn de Lautrec verstarb, und von einer vornehmen Dame [164] des Hofes, in die jener sich verliebte. Er wurde allgemein der schöne Gruffy genannt, und sein Porträt, das ich sah, zeigt ihn auch als solchen.

Eines Tages sandte sie einen ihrer Kammerdiener, auf den sie sich verlassen konnte, unbekannterweise und als feinen Edelmann verkleidet, zu ihm und ließ ihm sagen, daß eine feine und schöne Dame sich ihm empföhle und so verliebt in ihn sei, daß sie gern seine Bekanntschaft machen möchte, lieber als die irgend eines Hofmannes, aber um alles in der Welt dürfe er sie nicht sehen und erkennen. Zur Stunde des Schlafengehens, wenn der ganze Hof sich zurückgezogen, würde er ihn an einen gewissen Ort, den er ihm bezeichnete, und von da zum Bett der Dame führen, aber unter der Bedingung, daß er ihm mit einem weißen Taschentuch die Augen verbinde, wie einem Überläufer, den man in eine feindliche Stadt bringt, damit er weder den Ort noch das Zimmer sehen könne, wohin er geführt wurde. Er solle ihn fortwährend bei den Händen halten, damit er das Taschentuch nicht losmachen könne. Denn diese Bedingungen hatte seine Herrin gestellt, damit sie von ihm nicht eher erkannt würde als bis zur festgesetzten Zeit, die sie ihm versprochen. Und deshalb müsse er es genau befolgen. Er solle sich die Sache überlegen, ob er unter diesen Bedingungen kommen wolle, aber er müsse allein kommen, und am nächsten Tage wolle er die Antwort holen. Dann würde er ihn an den genannten Ort führen, wo es ihm so gut gefallen würde, daß er es nicht bereuen würde, hingegangen zu sein.

Das war ein lustiges Stelldichein unter besonderen Bedingungen. Ich weiß noch etwas von einer spanischen Dame, die jemanden zum Rendezvous schickte, aber er mußte drei S.S.S. mitnehmen, die bedeuteten:sabio, solo, segreto (vorsichtig, allein, geheim). Der andere ließ ihr sagen, er würde kommen, aber sie müsse drei F.F.F. mitbringen, die bedeuteten: sie wäre weder fea, flaca noch fria, das heißt: weder häßlich, welk, noch kalt.

[165] Als nun der Bote Herrn Gruffy verlassen hatte, ward dieser nachdenklich. Er hatte genügend Ursache zu glauben, daß ihm von irgend einem feindlich Gesinnten am Hofe ein Streich gespielt worden, und er dachte auch darüber nach, wer die Dame sein könne, ob sie groß, von Mittelfigur oder klein sei, ob schön oder häßlich, was ihn am meisten geärgert haben würde. Freilich, wie man sagt, daß bei Nacht alle Katzen grau sind, so ist im Dunkeln ein Cunnus eben ein Cunnus. Nachdem er nun mit einem intimen Freunde sich besprochen, entschloß er sich, den entscheidenden Schritt zu wagen, und um der Liebe willen zu einer großen Dame, für die er sie hielt, durfte man ja auch nichts scheuen oder fürchten. Als am nächsten Abend der König und die Königinnen, sowie der ganze Hofstaat sich zur Nachtruhe zurückgezogen hatten, verfehlte er nicht, sich an dem Ort einzufinden, den der Bote ihm bezeichnet hatte. Dieser kam denn auch alsbald herbei, mit einem Zweiten, der ihm beim Aufpassen helfen sollte, wenn der andre von keinem Pagen oder Diener oder Höfling begleitet wäre. Sobald er ihn sah, sagte er zu ihm nur: »Mein Herr, Madame erwartet Sie.« Sofort verband er ihm die Augen und führte Gruffy durch dunkle, enge Orte und unbekannte Querstraßen, so daß der andre sagte, er wisse nicht, wohin man ihn führe. Dann brachte er ihn in das Zimmer der Dame, welches so dunkel wie ein Ofen war, so daß er nichts sehen und erkennen konnte.

Aber er entdeckte sie an einem feinen Wohlgeruch, der ihn etwas Gutes erwarten ließ. Er mußte sich ausziehen und der andre half ihm dabei. Dann nahm er ihm das Tuch von den Augen und führte ihn bei der Hand zum Bett der Dame, die ihn bereits mit Ergebung erwartete. Er legte sich neben sie, befühlte ihren Körper, umarmte und liebkoste sie und fand dabei nur auserlesen Schönes: sowohl ihre Haut, wie ihr Nachtgewand und das Bett fanden seine tastenden Hände köstlich. So verbrachte er die Nacht genußreich mit dieser schönen Dame, deren Namen ich wohl [166] kenne. Kurz, er war in jeder Beziehung sehr zufrieden und erkannte, daß er diese Nacht vortrefflich beherbergt sei. Was ihm aber ärgerlich gewesen, sagte er, war, daß er nicht ein einziges Wort aus ihr habe herausbringen können. Sie hütete sich wohl, denn am Tage sprach er oft mit ihr wie mit den andern Damen, und so würde er sie leicht erkannt haben. Dagegen ließ sie es nicht an Liebkosungen und zärtlichem Mutwillen fehlen, so daß er sich sehr wohl befand.

Am nächsten Tage beim Morgengrauen kam der Bote, ihn zu wecken; er kleidete ihn an, verband ihm wieder die Augen, führte ihn dahin, woher er gekommen war, und befahl ihn Gott bis zur baldigen Rückkehr. Er fragte ihn auch, ob er nicht die Wahrheit gesagt hätte und ob es nicht gut gewesen, ihm zu glauben; er hätte ihm doch ein schönes Nachtlager verschafft.

Nachdem der schöne Gruffy ihm tausendmal gedankt, verabschiedete er sich von ihm und sagte, er sei stets bereit, um so guten Preis wieder dahinzugehen. Das geschah denn auch, und dieses Fest dauerte einen guten Monat, bis Gruffy nach Neapel abreisen mußte. Mit großem Bedauern nahm er Abschied von der Dame, ohne jedoch von ihr ein einziges Wort zu hören; er vernahm nur Seufzer und fühlte ihre Tränen über die Wangen rinnen. So mußte er von ihr scheiden, ohne sie je gesehen und erkannt zu haben.

Seitdem soll sich diese Dame in demselben Spiel mit zwei oder drei andern gütlich getan haben. Man sagt, sie habe diese List nur aus Geiz angewandt und es sich auf diese Weise erspart, ihren Liebhabern Geschenke anzubieten. Denn jede große Dame muß um ihrer Ehre willen etwas geben, wenig oder viel, sei es nun Geld, seien es Ringe oder Kleinodien oder sonstige Geschenke. So verschaffte diese galante Dame ihrem Cunnus Vergnügen und schonte ihre Geldbörse, indem sie nicht kund gab, wer sie sei; und so verausgabte sie sich nicht mit ihren beiden Börsen, da sie sich niemals zu erkennen gab. Das war die schlimme Laune einer großen Dame.

[167] Manche werden ihre Manier gut finden, andre werden sie tadeln, wieder andre werden sie sehr sonderbar finden. Einige mögen sie für eine gute Haushälterin ansehen: aber das werden andre besser beurteilen können als ich. Jedenfalls verdiente diese Dame nicht solchen Tadel wie jene Königin, die sich in dem Hotel von Nesle zu Paris aufhielt, auf die Vorübergehenden lauerte und wer ihr am besten gefiel, gleichviel wer es war, zu sich rufen ließ. Nachdem sie dann von diesen Männern gehabt, was sie wollte, ließ sie sie von der Höhe des Turmes, der noch zu sehen ist, hinunterstürzen und im Flusse ertrinken.

Ich weiß nicht, ob es wahr ist; aber in Paris wird es allgemein versichert. Wenn man jemanden nach diesem Turm fragt, wird einem gewöhnlich diese Geschichte gleich von selbst erzählt.

Aber lassen wir diese Liebschaften, die mehr eine Mißgeburt als Liebe sind. Von unsern heutigen Damen wird so etwas meistens verabscheut und mit Recht; wenn sie mit ihren Liebhabern verkehren, wollen sie nicht aus Stein und Marmor sein, sondern, wenn sie sich einen auserlesen haben, so wollen sie frisch und frei mit ihm zärtlich sein. Sind sie der Treue und Beständigkeit gewiß, dann geben sie sich mit heißer Leidenschaft hin, und zwar nicht in Masken und still und stumm in tiefster Finsternis; nein, am liebsten lassen sie sich kosen und plaudern mit ihnen toll, üppig und ausgelassen im hellen Licht des Tages. Zuweilen allerdings helfen sie sich auch mit Masken; denn manche Damen sind dazu gezwungen, um ihren Teint zu schonen, wenn die Sonne sehr brennt, oder auch damit bei einer Überraschung ihre Röte sie nicht verrate, wenn sie sich zu [168] sehr erhitzt haben, so daß sie ihre Selbstbeherrschung verlieren könnten, wie ich das öfter gesehen habe. Die Maske verbirgt alles, und so täuschen sie die ganze Welt.

2. Artikel
Zweiter Artikel.

Von dem Wort in der Liebe.


Ich hörte von mehreren Damen und Kavalieren, die der Liebe pflegen, daß sie ohne das Sehen und Sprechen nichts weiter wie Tiere sein würden, die ihrer sinnlichen Natur folgend, keine andre Sorge haben als ihre Brunst auszulassen.

Auch hörte ich von mehreren vornehmen Herren, die mit großen Damen Liebschaft hatten, sie hätten diese viel üppiger und ausgelassener in Worten gefunden als gewöhnliche Frauen. Sie können das auch eher, da es dem Manne er sei auch noch so stark, unmöglich ist, immerfort zu lieben; und muß er sich dann ausruhen, so findet er es reizend und anregend, wenn die Dame ihn mit üppigen Reden und mutwilligen Worten unterhält. Das erweckt die Venus, wenn sie noch so tief eingeschlafen ist. Ja, manche Damen reizen ihre Liebhaber vor aller Welt, sei es in den Gemächern der Königinnen und Prinzessinnen oder anderswo, durch schlüpfrige Reden derartig, daß sie und die Männer sich geradeso aufregen wie im Bett. Die andern, die sie beobachten, denken, sie sprechen von andern Dingen.

Aus diesem Grunde liebte Marcus Antonius die Kleopatra so sehr und zog sie seiner Frau Octavia vor, die hundertmal schöner und liebenswürdiger war als Kleopatra. Aber diese Kleopatra hatte so prickelnde, geile Reden und unzüchtige Manieren, daß Antonius über der Liebe zu ihr alles andre vergaß.

[169] Plutarch berichtet uns, daß Marcus Antonius sie in diesen Witzreden nachahmen wollte, aber trotz seiner Bemühungen im Vergleich zu ihr nur ein plumper Soldat blieb.

Plinius erzählt eine Geschichte, die ich sehr hübsch finde und die ich deshalb hier kurz wiedergeben will. Eines Tages, als Kleopatra sich in der üppigsten Laune befand, hatte sie sich sehr verführerisch angezogen und ihr Haupt mit einem Kranz aus verschiedenen Blumen geschmückt. So saß sie mit Marc Anton zu Tisch, und während er trank, unterhielt sie ihn mit ihren reizenden Worten. Während des Sprechens löste sie aus ihrem Kranz einzelne Blumen, die jedoch mit giftigem Staub bestreut waren und warf sie nacheinander in den Becher, den er in der Hand hielt. Als sie geendet und Marc Anton den Becher zum Munde führen wollte, hielt Kleopatra seine Hand an, rief einen Sklaven oder einen, der ein Verbrechen begangen, herbei und ließ ihn trinken, was für Antonius bestimmt war. Der Sklave sank sofort tot nieder. Sie aber wendete sich zu Antonius und sagte: »Wenn ich dich nicht so liebte, wie es der Fall ist, würde ich dich jetzt umgebracht haben; aber ich sehe wohl, daß mein Leben ohne das deine nichts ist.« Dieser Einfall und diese Worte waren wohl geeignet, Antonius in ihrer Freundschaft zu befestigen und seine Begierde nach ihr zu steigern.

Die Geschichtsschreiber berichten uns viel von ihrer Beredsamkeit. Antonius nannte sie auch stets schlechthin die Königin, um sie zu ehren, wie er auch an Octavius Cäsar schrieb, bevor sie erklärte Feinde wurden: »Warum zürnst du mir, daß ich die Königin umarme? Sie ist meine Frau. Habe ich denn erst in dieser Stunde damit begonnen? Du umarmst Drusilla, Tortala, Leontifa, oder auch Rufila, Salura Litisema oder andre. Begnüge dich doch und beneide mich nicht.«

Hierdurch bekundete Marc Anton seine Beständigkeit und tadelte die Flatterhaftigkeit des andern, der so viele zugleich liebte: er aber liebte nur »die Königin«. Es ist [170] eigentlich zu verwundern, daß Octavius sie nach dem Tode des Marc Anton nicht liebte. Vielleicht hatte er sie genossen, als er sie einst allein in sein Zimmer kommen ließ und ihr eine Ansprache hielt. Möglicherweise fand er bei ihr nicht, was er glaubte, oder verschmähte sie aus einem andern Grunde. Jedenfalls wollte er sie im Triumph in Rom einführen; aber sie kam ihm durch ihren freiwilligen Tod zuvor.

Um aber auf unsere erste Rede zurückzukommen: Wenn eine Frau sich der Liebe ergeben hat, so kann kein Redner der Welt sie übertreffen. Man sehe, wie Sophonisbe von Titus Livius, Appian und andern als redegewandt, mit Bezug auf Masinissa, geschildert wird, als er sie den Giftbecher trinken ließ. Kurz, jede Frau, die gut geliebt sein will, muß auch gut zu reden wissen. Und man findet ja in der Tat wenige, die das nicht verständen und die nicht mit ihren Worten Himmel und Erde in Bewegung setzen könnten, und wäre der Erdboden mitten im Winter völlig zu Eis gefroren.

Die Liebe solcher Frauen aber, die nichts sagen können, ist ohne Reiz und Geschmack. Herr du Bellay sagt von seiner Geliebten und ihren Sitten:


De la vertu je sçavois deviser,

Et je sçavois tellement éguiser,

Que rien qu'honneur ne sortait de ma bouche;

Sage au parler et folastre à la couche.


Die letzten Worte bedeuten, daß sie vor der Welt nur anständige Reden führt, wenn sie aber mit ihrem Freunde allein ist, so gibt sie sich, wie jede galante Dame, frei hin und sagt, was ihr beliebt, grade heraus, um die schlafende Venus zu erwecken.

[171] Ich hörte von mehreren, die die Liebe schöner und vornehmer Frauen genossen, und begierig waren, zu hören, was für Reden sie im Bett führen würden: sie seien ebenso ausgelassen wie irgend eine Courtisane. Zu bewundern ist es ja eigentlich, daß solche Frauen, die gewöhnt sind, ihre Gatten oder Liebhaber mit unzüchtigen Worten zu unterhalten und das Geheimste frei herauszusagen, doch in ihren übrigen Reden sich niemals vergessen und kein unsaubres Wort über ihre Lippen kommen lassen. Sie müssen sich eben sehr beherrschen können; denn nichts wirkt aufregender als die Zunge einer Dame oder eines Freudenmädchens.

Ich kannte eine sehr schöne und vornehme Dame der großen Welt, die im Gespräch mit einem achtbaren Edelmann des Hofes über die Ereignisse des Bürgerkrieges zu ihm sagte: »Ich hörte, der König hat sämtliche ›cons‹ jenes Landes abbrechen lassen«. Sie wollte sagen »ponts« (Brücken). Sie hatte wahrscheinlich eben mit ihrem Gatten geschlafen oder dachte an ihren Geliebten, und da hatte sie jenes Wort noch frisch auf den Lippen. Der Edelmann aber wurde durch dieses Wort ganz aufgeregt.

Eine andre Dame, die ich kannte, plauderte mit einer andern, noch vornehmeren als sie, und wollte deren Schönheit so recht herausstreichen. Dabei sagte sie zu ihr: »Nein, Madame, ich sage das nicht, um Sie zu adultérer«. Sie wollte aber sagen »adulater« (schmeicheln), wie sie sich auch sofort verbesserte. Sie dachte eben an den Ehebruch (»adultère«).

Kurz, das Wort ist beim Liebesspiel von großer Wirkung, und wo es fehlt, ist das Vergnügen unvollkommen. Und in der Tat; ein schöner Leib ohne eine schöne Seele gleicht [172] mehr einem Götzenbild als einem menschlichen Körper. Und wenn er Liebe erwecken will, so muß er, wenn er auch noch so schön wäre, von einer schönen Seele begleitet sein. Und was die Natur nicht verliehen hat, läßt sich oft durch die Kunst ersetzen.

Die Courtisanen Roms verspotten die feinen Damen der Stadt, die nicht so geschickt in Reden sind wie sie, sie sagen: »Chiavano come cani, ma sono quiete della bocca come sassi«.

Deshalb ziehen sich auch oftmals die Herren von den schönsten Damen zurück, weil diese zu stumpfsinnig sind, weder Geist noch Seele haben und keine pikanten Worte sagen können. Lieber wollen sie es mit einer schönen weißen Marmorstatue zu tun haben, wie jener Jüngling zu Athen, der sich so in eine Statue verliebte, daß er sie genoß. Deshalb pflegen auch Reisende in einem fremden Lande sich nicht gern mit den fremden Frauen abzugeben, weil sie sie nicht verstehen und ihre Worte ihnen nicht zu Herzen gehen. Ich meine natürlich die, welche ihre Sprache nicht kennen. Wenn sie sich aber mit ihnen einlassen, dann geschieht es nur, um ihrem natürlichen Trieb zu genügen, und dann wieder andar in barca, wie ein Italiener sagte, der auf der Reise nach Spanien in Marseille gelandet war und sich erkundigte, wo es hier Frauen gäbe. Man zeigte ihm einen Ort, wo ein Hochzeitstanz stattfand, und als eine der Frauen ihn anredete, sagte er: »V.S. mi perdona, non voglio parlare, voglio solamente chiavare, e poi me n'andar in barca.«

Ein Franzose hat mit einer Deutschen, Schweizerin, Engländerin, Schottin oder Slawonierin oder einer andern [173] Fremden nicht viel Genuß, wenn sie auch noch so schön liebt, falls er sie nicht versteht. Aber er hat ein großes Vergnügen mit seiner französischen Dame, oder auch mit einer Italienerin oder Spanierin; denn heutzutage spricht und versteht die Mehrzahl der Franzosen, oder wenigstens wer ein wenig herumgekommen ist, deren Sprache. Und wahrlich! diese Sprachen sind wie zur Liebe geschaffen, denn wer je mit einer Französin, Italienerin, Spanierin oder auch Griechin zu tun hatte, bekennt offen, daß er von ihnen bezaubert ist, wenn sie gut sprechen.

Ehemals war unsre französische Sprache nicht so schön und reich wie heute, aber Italienisch, Spanisch und Griechisch waren es längst; und ich sah nie eine Dame dieser Nationen, die, wenn sie auch noch so kurze Zeit das Handwerk der Liebe geübt, nicht sehr gut zu reden verstände. Ich berufe mich auf die, welche mit ihnen zu tun hatten. So viel ist gewiß: eine schöne Frau, die hübsch zu sprechen versteht, gewährt doppelten Genuß.

3. Artikel
Dritter Artikel.

Von dem Sehen in der Liebe.


Reden wir jetzt von dem Sehen. Da es die Augen sind, die zuerst den Liebeskampf beginnen, so gewähren sie uns sicherlich große Genüsse, wenn sie uns etwas von seltener Schönheit erblicken lassen. Und kann man denn in der Welt Köstlicheres sehen als eine schöne Frau, gleichviel ob sie schön gekleidet und geschmückt oder nackend ist? Die Kleidung läßt freilich nur das Antlitz frei; aber gibt es in der Welt einen schöneren Anblick und ein angenehmeres Schauspiel als einen schönen Körper, der reich und mit Anmut geschmückt ist und eine majestätische Haltung zeigt? Ja, wenn man ein so prächtig gekleidetes Weib genießt, so [174] wird das Verlangen und der Genuß noch verdoppelt, obwohl man von allen übrigen Körperteilen nur das Antlitz sieht. Denn man kann eine große Dame nicht anders mit der gewünschten Bequemlichkeit genießen, als in einem behaglichen Zimmer und an einem heimlichen Orte oder in einem hübschen Bett.

Wenn eine vornehme Dame, von der ich hörte, ihrem Liebhaber an passendem Orte, ohne gesehen und entdeckt zu werden, begegnete, so ergriff sie so fort die Gelegenheit, sich so schnell wie möglich und kurzer Hand zu befriedigen, indem sie ihm sagte: »Die Frauen von einst waren sehr dumm, die sich, um ihre Liebesgunst geschätzter zu machen, in ihrem Kabinett oder andern versteckten Orten einschlössen und dort ihr Liebesspiel so lange trieben, bis sie entdeckt wurden. Heutzutage muß man die Zeit benutzen und so schnell wie möglich zugreifen. Sofort wie der Angriff stattfindet, muß die Sache zu Ende geführt werden. Auf die Weise kann man uns nicht so leicht überraschen und bloßstellen.«

Ich finde, diese Dame hatte recht; denn bei allen, die etwas von der Liebe verstehen, gilt es als Grundsatz, daß ein schneller, verstohlener Genuß das Beste ist. Wenn man stürmisch vorgeht und die goldenen Gewänder, silbernen Schleier, seidenen Stoffe mit Perlen und Edelsteinen abreißt und zu Boden wirft, so steigert das die Begierde bedeutend, sicher mehr als bei einem Landmädchen oder einem andern Weibe niederen Standes, sie mag so schön sein, wie sie wolle.

Und warum wurde einst Venus so schön und begehrenswert gefunden, wenn nicht, weil ihre Schönheit stets ihr bestes Kleid war und ihren Leib ein holder Duft umfloß, den man schon von weitem wahrnahm? Man ist auch der Ansicht, daß die Wohlgerüche sehr zur Liebe reizen.

Deshalb bedienten sich die Kaiserinnen und vornehmen Damen Roms in ausgedehntem Maße der Wohlgerüche, wie es auch unsre großen Damen in Frankreich tun, besonders [175] aber die Spanierinnen und Italienerinnen. Diese haben zu allen Zeiten mehr in Wohlgerüchen und Kleiderschmuck als unsre Damen geleistet, die sich jene in all diesen schönen Erfindungen zum Muster nahmen. Jene wieder hatten es den antiken Medaillen und Statuen der römischen Frauen abgelernt, die man noch jetzt in Spanien und Italien unter den Altertümern findet. Wer diese Medaillen genau betrachtet, wird finden, daß der Kopfputz und die Gewänder tadellos waren und sehr zur Liebe reizen mußten. Aber heutzutage übertreffen unsre französischen Damen alle andern. Sie sind dafür der Königin von Navarra zu besonderm Dank verpflichtet.

Ja, es ist ein Genuß, mit diesen schönen Damen zu tun zu haben, die so reich und prächtig geschmückt sind. Einige Höflinge, meine Freunde, sagten im Gespräch mit mir, sie hätten die Frauen lieber so gekleidet als ohne Gewand im Bett, und wäre dies auch noch so reizend geziert Andre wieder geben der ungeschmückten und kunstlosen Natur den Vorzug, wie ein großer Fürst, den ich kenne; er ließ jedoch seine Courtisanen oder Damen in Betten aus schwarzen Stoff liegen, damit die Weiße ihres nackten Leibes durch das Schwarz noch mehr hervorgehoben würde und ihm größeren Reiz gewähre.

In der Tat ist es zweifellos, daß der Anblick einer vollendet schönen Frau zu dem Köstlichsten auf der Welt gehört; aber das findet sich leider nur selten. Von Zeuxis, dem ausgezeichneten Maler, wird berichtet, daß er von mehreren Frauen und Mädchen seiner Bekanntschaft gebeten wurde, ihnen ein Bildnis der schönen Helena zu malen, und sie so schön darzustellen, wie sie gewesen sein sollte. Er schlug es ihnen auch nicht ab, doch bevor er zu malen begann, betrachtete er sie alle aufmerksam, und indem er [176] von jeder einzelnen das Schönste nahm, setzte er daraus sein Gemälde zusammen. Dieses galt für eins der höchsten Kunstwerke, und es stellte Helena in voller Schönheit dar. Es wurde von allen Frauen bewundert, und es verdankte den einzelnen Schönheiten derselben ebenso wie dem Pinsel des Zeuxis seine Vollendung. Es bewies, daß es nicht möglich war, bei der Helena allein die ganze Vollendung zu finden, obgleich sie außerordentlich schön gewesen war.

Die Wahrheit dessen bestätigt es, wenn der Spanier sagt, daß zur vollkommenen Schönheit einer Frau dreißigerlei gehöre. Mir teilte das einst eine spanische Dame in Toledo mit, wo es sehr schöne und liebreizende Frauen gibt Diese dreißig Dinge sind folgende:


Tres cosas blancas: el cuero, los dientes, y las manos.

Tres negras: los ojos, las cejas, y las pestañas.

Tres colorados: los labios, las mexillas, y las uñas.

Tres lungas: el cuerpo, los capellos, y las manos.

Tres cortas: los dientes, las orejas, y los pies.

Tres anchas: los pechos, la frente, y el entrecejo.

Tres estrechas: la boca, l'una y otra, la cinta, y l'entrada del pie.

Tres gruesas: el brazo, el musto, y la pantorilla.

Tres delgadas: los dedos, los cabellos, y los labios.

Tres pequeñas: las tetas, la naris, y la cabeza.


Das heißt:

Drei Dinge seien weiß: Haut, Zähne und Hände.
Drei schwarz: Augen, Augenbrauen und Lider.
Drei rot: Lippen, Wangen und Nägel.
Drei lang: Körper, Haare und Hände.
Drei kurz: Zähne, Ohren und Füße.
Drei breit: Busen, Stirn und der Raum zwischen den Augenbrauen.
Drei eng: Der Mund (der eine und der andre), die Taille und der Fußknöchel.
Drei dick: Der Arm, die Hüfte und die Wade.
Drei dünn: Die Finger, Haare und Lippen.
Drei klein: Die Brüste, die Nase und der Kopf.

[177] Das sind im ganzen dreißig.

Es könnte vorkommen, daß alles dies sich bei einer Frau vereinigt findet, aber dann wäre sie eben aus vollendeter Form gegossen. Denn es ist unmöglich, alles vereinigt zu sehen, ohne daß auch nur irgend etwas fehle. Ich berufe mich auf die, welche schöne Frauen gesehen haben oder sehen werden, und was sie nach genauer Betrachtung darüber sagen können. Aber wenn sie auch nicht in jedem Punkte vollendet ist, so wird eine schöne Frau doch immer schön sein, wenn sie nur die Hälfte und die wesentlichsten Merkmale, die ich anführte, besitzt. Denn ich sah viele, die mehr als die Hälfte besaßen und sehr schön und liebenswürdig waren, so wie ein Hain im Frühling immer schön gefunden wird, wenn er auch nicht all die kleinen Bäume enthält, die man wünschen möchte; sind nur die großen, schönen und laubreichen Bäume vorhanden, so entschädigen sie für das Fehlen der kleinen.

Herr von Ronsard möge mir gefälligst verzeihen: niemals erreicht seine Geliebte, die er als so schön darstellt, jene Vollendung, noch auch irgend eine andre Frau, die er zu seiner Zeit sah oder über die er schrieb, und wäre es seine schöne Kassandra. Ich kenne diese wohl als schön, aber er führt sie unter falschem Namen auf. Auch seine Marie, die nie einen andern Namen trug als diesen, erreichte die Vollendung nicht. Aber es ist den Dichtern und den Malern ja erlaubt, zu sagen und zu machen, was ihnen beliebt, wie sich auch in dem »Rasenden Roland« von Ariosto die Beschreibungen großer Schönheiten finden, wie Alcina u.a.

Nun, das ist ja alles ganz gut; aber wie eine sehr vornehme Persönlichkeit äußerte: die Natur kann niemals eine Frau so vollendet gestalten, wie ein feiner und lebhafter Geist mit Rednergabe oder der Meißel oder Pinsel eines göttlichen Malers sie uns darstellt Genug! die Augen des Menschen erfreut es stets, eine schöne Frau mit weißem, wohlgeformtem Antlitz zu sehen; es schadet auch nichts, [178] wenn es gebräunt ist. Das Weiß wird oftmals geschätzt, wie der Spanier sagt: Aunque yo sia morisca, no soy de menos preciar. »Wenn ich auch ein bißchen braun bin, so bin ich doch nicht zu verachten.« Auch die schöne Marfisa war brunetta alquanto (ein wenig braun). Aber das Braun übertrifft doch das Weiße bei weitem nicht! Zu einem schönen Gesicht gehört auch ein wohlgestalteter Körper: das gilt von den Großen wie von den Kleinen, aber die großen Gestalten übertreffen alles.

Nun, wir sparen es uns wohl, solche erlesenen Merkmale der Schönheit aufzusuchen, wie ich sie anführte oder wie sie geschildert werden, und erfreuen uns unsrer gewöhnlichen Schönheiten; gewöhnlich nenne ich sie nicht in anderm Sinne, denn wir haben wahrlich seltene Schönheiten, die mehr wert sind als alle, die unsre phantastischen Dichter, unsre wunderlichen Maler und Schönheitsschwärmer uns schildern können.

Aber ach! von solchen Schönheiten, die wir bewundern, deren reizenden Körper wir um ihres hübschen Gesichtes willen begehren, gibt es leider manche, die nackend gesehen, uns alle Lust verlieren lassen; denn sie sind nun so häßlich und mangelhaft, daß sie ihr Gesicht Lügen strafen. Da sind wir dann natürlich sehr enttäuscht.

Ein gutes Beispiel bietet jener Edelmann von der Insel Majorca, Namens Raymond Lulle, aus einem sehr guten, reichen und alten Hause, der wegen seines Adels, seiner Tugend und Tapferkeit in seinen besten Jahren zur Verwaltung dieser Insel berufen wurde. Wie das nun öfters bei Gouverneuren von Provinzen und Städten vorkommt verliebte er sich in eine schöne Frau der Insel, die eine der klügsten und redegewandtesten der dortigen Frauen war. Er huldigte ihr lange Zeit. Nachdem sie seine Werbung um die letzte Gunst lange zurückgewiesen hatte, gab sie ihm endlich eines Tages ein Stelldichein, wo sie schöner als jemals erschien. Als er nun das Paradies zu betreten gedachte, fand er ihre Brust mit einer Anzahl Pflaster bedeckt. Sie riß sie [179] ab, warf sie zu Boden und zeigte ihm ein fürchterliches Krebsgeschwür. Mit Tränen in den Augen klagte sie ihm ihr Leid und fragte, was er denn an ihr finde, daß er so verliebt in sie sei. Ihre Worte waren so herzbewegend, daß er voll Mitleid für diese schöne Frau sie verließ. Nachdem er ihre Gesundheit Gott befohlen, legte er sein Amt nieder und ward ein Einsiedler. Nachdem er später aus dem heiligen Kriege zurückgekehrt, wozu er ein Gelübde abgelegt, ging er nach Paris und studierte unter dem gelehrten Philosophen Arnaldus von Villanova. Nach beendetem Studium wandte er sich nach England, wo ihn der damalige König sehr wohlwollend empfing. Er schätzte ihn wegen seiner Gelehrsamkeit, sowie auch, weil er Stücke von Eisen, Kupfer und Zinn verwandeln konnte, indem er die gewöhnliche und triviale Art, Blei und Eisen in Gold zu verwandeln verschmähte. Er wußte, daß andre seiner Zeitgenossen dies ebenso gut verstanden wie er; aber er wollte die andern noch überbieten.

Ich habe diese Geschichte von einem vornehmen Herrn, der sie seinerseits von dem Rechtsgelehrten Oldrade hat; dieser spricht von Raymond Lulle in seinem Kommentar zu dem Werk »De falsa moneta«. Auch Carolus Bovillus, ein Pikarde von Geburt, spricht davon, in seinem Buch in lateinischer Sprache über das Leben des Raymond Lulle.

So überwand er (Raymond) seine Leidenschaft für diese schöne Dame. Andre hätten es vielleicht nicht getan, sondern hätten die Augen geschlossen und sie weiter geliebt; denn der Teil ihres Körpers, nach dem er trachtete, war ja von keiner Krankheit befallen.

Ich habe einen Edelmann und eine Witwe der vornehmen Welt gekannt, die sich nicht solche Bedenken [180] machten; denn die Dame litt an einem großen Krebsgeschwür der Brust, was den Mann nicht hinderte, sie zu heiraten, und die Witwe nicht, ihn gegen den Rat ihrer Mutter zu nehmen. Trotz ihres Leidens schlief sie mit ihrem Gatten und sie liebkosten sich in so aufgeregter Weise, daß der Boden des Bettes durchbrach.

Ich hatte einen Freund, einen achtbaren Edelmann, der mir erzählte, daß er einst in Rom eine Spanierin geliebt habe, die zu den schönsten Frauen der Stadt gehörte. Wenn er mit ihr verkehrte, ließ sie sich weder von ihm ansehen, noch auch ihre Hüften anders als mit der Hose bekleidet, berühren. Wollte er sie anfassen, so sagte sie auf Spanisch: »Ah! no me tocays, hareis me quosquillas« (»Ach, fassen Sie mich nicht an, ich bin kitzlig!«) Eines Morgens, als er bei ihrem Hause vorüberkam und die Tür offen fand, ging er ohne weiteres hinauf. Da er weder einen Diener noch sonst jemanden antraf, trat er in ihr Zimmer und fand sie in so tiefem Schlafe, daß er sie mit Muße betrachten konnte, denn es war sehr heiß. Da sah er denn einen wunderschönen Körper, eine wohlgeformte, weiße, glatte Lende, aber – die andre war ganz verwelkt und dünn, nicht stärker als der Arm eines kleinen Kindes. Wer war der Erstaunte? Der Edelmann, der sie nun sehr bedauerte und niemals wieder zu ihr zurückkehrte.

Man sieht viele Frauen, die zwar nicht durch Krankheiten heruntergekommen, aber trotzdem so mager, vertrocknet und fleischlos sind, daß man den Knochenbau sieht. Ich kannte eine sehr vornehme Dame, von welcher der Herr Bischof von Cisteron, der bei Hofe am redegewandtesten war, im Scherz sagte: man könne ebenso gut mit einer Drahtbürste schlafen als mit ihr. – Ein Edelmann, den wir wegen einer Liebschaft mit einer großen Dame hänselten, sagte: »Sie täuschen sich, meine Herren, denn ich liebe das Fleisch viel zu sehr; sie aber hat nur Knochen.« Und doch hätte man diese beiden Damen, ihrem schönen Gesicht nach zu schließen, für ein paar leckre Bissen halten können.

[181] Ein großer Fürst verliebte sich einst in zwei schöne Damen zu gleicher Zeit, wie das bei den Großen, die Veränderung lieben, öfter vorkommt. Die eine war weiß, die andre bräunlich, aber alle beide sehr schön und liebenswürdig. Als er eines Abends die Brünette besuchte, sagte die Weiße eifersüchtig: »Sie haben ja mit einer Krähe zu tun!« Darauf antwortete der Prinz etwas gereizt und ärgerlich über dieses Wort: »Und wenn ich bei Ihnen bin, mit wem habe ich es dann zu tun?« Die Dame entgegnete: »Mit einem Phönix.« Der wortgewandte Prinz erwiderte: »Aber sagen Sie doch lieber mit dem Paradiesvogel, der mehr Federn als Fleisch hat.« Damit bezeichnete er sie als mager: sie war auch noch zu jugendlich, um dick zu sein, denn die Leibesfülle stellt sich gewöhnlich erst mit den Jahren ein, wo die Frauen stärker an Gliedern und voller werden.

Ein Edelmann gab einem mir bekannten Grandseigneur eine gute Antwort. Alle beide hatten schöne Frauen. Der Grandseigneur fand die des Edelmanns sehr reizend und sagte eines Tages zu ihm: »Wissen Sie was, ich muß einmal mit Ihrer Frau schlafen.« Der Edelmann, dem das Wort schnell zu Gebote stand, erwiderte ohne sich zu besinnen: »Einverstanden, aber dann muß ich mit der Ihrigen schlafen.« Der Seigneur entgegnete: »Was wollen Sie mit ihr? Die meinige ist sehr mager, Sie werden keinen Geschmack an ihr finden.« Darauf sagte der Edelmann: »Nun, dann werde ich sie recht schön einfetten; da wird sie mir schon gefallen.«

Viele Frauen erwecken durch ihr hübsches Gesicht Begierde nach ihrem Körper; wenn man aber dazukommt, findet man sie so abgemagert, daß einem sofort die Lust vergeht. Unter anderm findet man das Schambein so dürr und fleischlos, daß es mehr reibt als der Sattel eines Maultiers. Um dem abzuhelfen, bedienen sich manche Damen kleiner recht weicher Kissen; andre wieder sah ich, die weich gepolsterte Samthosen trugen, so daß Unerfahrene [182] bei der Berührung etwas sehr Schönes zu fühlen glaubten und ganz sicher meinten, es sei das natürliche Embonpoint. Denn über dem Samt befinden sich die weißen Höschen aus feiner Leinwand, und der Liebhaber verläßt dann seine Dame hoch befriedigt.

Andre Frauen gibt es, deren Haut fleckig ist wie Marmor oder wie ein Mosaikwerk, gesprenkelt wie ein Hirschkalb, aussätzig und schuppig und beulig, kurz, derartig entstellt, daß der Anblick nichts weniger als angenehm ist.

Ich hörte von einer großen Dame erzählen, die ich kannte und noch kenne. Sie ist auf der Brust, am Leib, auf den Schultern, längs des Rückens und an den untern Partien behaart wie ein Wilder. Man stelle sich das einmal vor. Wenn das Sprichwort wahr ist, welches sagt: ein so behaarter Mensch ist reich und lüstern, dann ist sie beides, das kann ich versichern; sie läßt sich gerne sehen und begehren.

Bei andern wieder ist die Haut mit einem Flaum bedeckt wie bei einem Vogel, und sie sind schwarz wie ein schöner Teufel. Bei andern sind die Brüste so stark entwickelt, daß sie wie bei einer milchenden Kuh herabhängen. Das ist freilich nicht der schöne Busen einer Helena, die eines Tages im Tempel der Diana ein Opfer in einer feinen Schale bringen wollte und den Goldschmied an einer ihrer schönen Brüste das Modell dazu nehmen ließ. Er machte danach eine Schale aus weißem Gold, wobei man nicht wußte, was man am meisten bewundern sollte: die Schale selbst oder die Ähnlichkeit mit dem Busen, der als Muster gedient; so daß das Kunstwerk den Wunsch nach dem Werke der Natur rege machte. Plinius erzählt dies, wo er davon berichtet, daß es weißes Gold gäbe, als eine besondere Eigenartigkeit. Es ist ja allerdings sonderbar, daß jene Opferschale aus weißem Gold gemacht sein sollte.

Wer nach den großen Brüsten, die ich nannte und gesehen habe, einen Becher machen wollte, müßte dem Herrn Goldschmied wohl das Gold dazu liefern, was kostspielig [183] würde. Und es gäbe wohl ein großes Gelächter, wenn man sagte: »Das ist ein Becher, der nach dem Modell der Brüste dieser oder jener Dame gemacht ist.« Solch ein Becher würde vielmehr einem wahren Trog ähnlich sehen, wie die aus Holz, worin man den Schweinen zu fressen gibt.

Bei manchen Frauen sieht die Spitze der Brust wie eine welke Beere aus. Bei andern ist, um etwas weiter nach unten zu gehen, der Bauch so rauh und runzelig, daß man ihn für den alten Sack eines Büttels oder Klosterwirtes halten könnte. Dies kommt bei Frauen vor, die geboren haben und von der Hebamme nicht gehörig mit Lebertran eingefettet worden sind. Bei andern freilich ist der Bauch so schön glatt und auch der Busen fest wie bei einer Jungfrau.

Noch weiter hinabgehend finden wir Frauen, deren Natur häßlich und wenig anmutig ist Bei einigen ist das Haar nicht gekräuselt, sondern lang und herabhängend, wie der Schnurrbart eines Sarazenen. Dennoch schneiden sie es nicht ab, ja sie tragen es gern so, da man sagt: »Chemin jonchu etc. velu sont fort propres pour chevaucher«. Von einer sehr vornehmen Dame hörte ich, daß sie solches Haar besaß.

Von einer andern schönen und achtbaren Dame wurde gesagt, sie trüge die Haare dort so lang, daß sie sie mit roten oder andersfarbigen Seidenbändern einflocht, sie wie das Haar einer Perrücke frisierte, und sie dann an den Schenkeln festband. In solchem Zustande zeigte sie sich manchmal ihrem Gatten oder ihrem Freunde. Oder sie nahm auch die Bänder ab, und dann waren die Haare so schön gekräuselt wie nie.

Dabei gab es nun allerlei Scherze und Pikanterien; denn da sie diese Frisur nicht immer selbst vornehmen konnte, mußte eine ihrer Lieblingsfrauen ihr dabei helfen. Es wird, wie man sich denken kann, dabei nicht ohne Üppigkeiten aller Art abgegangen sein.

[184] Im Gegensatz hierzu tragen manche Frauen diese Partie völlig abrasiert, wie der Bart eines Priesters.

Andre Frauen gibt es, die überhaupt kein Haar besitzen, oder wenig, wie ich das von einer sehr vornehmen und schönen Dame meiner Bekanntschaft hörte. Das ist nun freilich gar nicht hübsch und gibt Anlaß zu schlechtem Verdacht Sowie auch manche Männer nur wenig Flaum am Kinn haben und deshalb nicht mehr Achtung erwerben als Aussätzige.

Bei einigen ist der Eingang so groß und weit, daß man an die Höhle der Sibylle denken könnte. Ich hörte von einigen, und zwar sehr vornehmen Damen, daß sie in der Beziehung mit den Stuten wetteifern können. Sie mögen sich noch soviel Mühe geben, die Pforte künstlich zu verengern: nach zwei- oder dreimaligem Durchgang ist die Öffnung wieder dieselbe. Ja, noch mehr, ich hörte, daß bei genauer Betrachtung einige so weit klaffen wie bei einer brünstigen Stute. Von drei Damen wurde mir das sicher berichtet.

Von einer schönen, distinguierten Dame hörte ich, daß einer unsrer Könige ihr den Namen pari de con gegeben hatte, so weit und groß war es; und die Bezeichnung war nicht unbegründet, denn sie hatte sich öfters in ihrem Leben von Feldmessern ausmessen lassen. Und wenn sie auch am Tage noch so sehr bemüht war, es zu verengern, so wurde des Nachts in zwei Stunden das wieder erweitert, zu dessen Verengerung sie eine Stunde gebraucht hatte, – ähnlich dem Gewebe der Penelope. Endlich gab sie alle Kunstmittel auf und behalf sich, indem sie die größten Modelle auswählte, die sie finden konnte.

Dies Mittel war gut. Dagegen hörte ich auch von einer sehr schönen und anständigen Hofdame, bei der der Eingang so eng war, daß man ganz an ihrer Defloration verzweifelte. Aber auf den Rat einiger Ärzte und Hebammen, [185] oder ihrer Freunde und Freundinnen, versuchte sie jenes Ziel durch die kleinsten Glieder zu erreichen; später schritt sie zu mittleren und dann zu großen vor: eine Art Abstufung, wie Rabelais sie für die Befestigung der Mauern von Paris vorschlug. Durch solche Versuche gewöhnte sie sich allmählich an die größten Formate und fürchtete sich weniger vor ihnen, als sie sich früher vor den kleinsten gefürchtet hatte.

Eine große ausländische Prinzessin, die ich kannte, besaß einen so kleinen und engen Eingang, daß sie lieber auf den Genuß verzichten, als einen Einschnitt machen lassen wollte, wozu die Ärzte ihr rieten. Gewiß eine große Tugend und Festigkeit, die selten ist!

Bei andern wieder sind die Labien so lang und herabhängend wie der Kamm eines indischen Hahns, wenn er in Wut ist; das hörte ich von mehreren Damen. Aber nicht nur bei Frauen, auch bei Mädchen kommt es vor. Herr de Randan erzählte folgende Geschichte: Eines Tages waren einige lustige Schelme am Hofe beisammen, wie Herr von Nemours, der Stiftshauptmann von Chartres, der Graf De la Roche, die Herren Montpezac, Givry, Genlis und andre. Da sie nun nicht wußten, was sie anfangen sollten, kamen sie auf den Einfall, einmal die Damen bei der mictio zu beobachten, d.h. die Herren unten in einem Versteck und die Damen oben. Unter diesen war eine (ich will sie nicht nennen), deren Labien so lang waren, daß sie etwa fingerlang durch den Spalt zwischen den Brettern reichten. Herr von Randan hatte zufällig einen Stock bei sich, der mit einer Spitze versehen war, und er durchstach damit die Lefzen so geschickt, daß er sie an das Brett heftete. Das Mädchen, den Stich fühlend, erhob sich so rasch und heftig, daß sie die Lefzen durchriß und aus zwei Teilen vier machte. So bekamen ihre Labien die Form eines Krebsbartes. Das junge Mädchen befand sich sehr unwohl danach, und die Königin geriet in großen Zorn. Herr von Randan und die Genossen erzählten die Geschichte dem [186] König Heinrich; dieser, selbst ein lustiger Kauz, schüttete sich aus vor Lachen und besänftigte endlich die Königin wieder.

Wegen der Ursache solcher großen Labien befragte ich einst einen Arzt und erhielt zur Antwort, daß die Mädchen und Frauen, wenn sie aufgeregt sind, daran spielen, drehen, ziehen und zerren, damit sie größeres Vergnügen haben, wenn sie beisammen sind.

Solche Mädchen und Frauen würden gut nach Persien passen, nicht aber nach der Türkei. Denn in Persien werden die Frauen beschnitten, weil ihre Natur dem männlichen Gliede ähnlich sein soll. Das ist dagegen bei den Frauen der Türkei nicht der Fall. Deshalb werden sie von den Persern Ungläubige genannt, weil sie nicht beschnitten sind. Sie sagen, deren Scham habe kein Ansehen, und sie sähen sie nicht so gern, wie die Christen es tun. Solches berichten Leute, die die Levante bereist haben. Derartige Frauen und Mädchen sind, wie jener Arzt sagte, sehr der Liebe »donna con donna« ergeben.

Von einer der schönsten Damen des Hofes hörte ich, daß sie nicht so lange Labien besitze, sie seien ihr durch eine Krankheit, womit ihr Gatte sie angesteckt, verkürzt worden. Sie hatte nur auf einer Seite Schamlefzen, die andre Seite war durch das Geschwür zerstört. Trotzdem wurde diese Dame sehr von andern begehrt, und teilte sogar eine Zeitlang das Lager eines großen Herrn. Ein andrer Große am Hofe sagte einst, er wollte, daß seine Frau dieser gliche und auch nur die Hälfte habe, denn sie hatte zu viel.

Von einer noch weit vornehmeren Dame hörte ich, sie habe einen Vorfall, der reichlich in Fingerlänge hervorragte. Man sagte, es wäre die Folge der Ungeschicklichkeit ihrer Hebamme bei ihrer Niederkunft. Dies passiert oftmals Frauen oder Mädchen, die heimlich gebären oder die sich durch einen Unfall verletzt haben. So wollte eine schöne Frau der vornehmen Welt, die ich kannte, eine Witwe, niemals [187] wieder heiraten, damit ein zweiter Gatte nicht etwas Ähnliches bei ihr entdecke, und sie vielleicht deshalb schelte oder gar mißhandle.

Jene vornehme Dame, die ich eben nannte, gebar trotzdem so leicht, als wäre es weiter nichts; denn sie hatte, wie man sagte, eine sehr umfangreiche Natur. Sie fand auch verschiedene Anbeter, aber ihre Scham ließ sie nur ungern sehen.

Wenn eine schöne Dame Liebschaft mit euch treibt und nicht erlaubt, hinzusehen oder hinzufassen, dann könnt ihr grade heraus sagen, daß dort etwas nicht in Ordnung sei, so sagte mir eine ehrenwerte Frau. Denn wenn dort kein Mangel vorhanden und es hübsch anzusehen ist, (und sicher gibt es solche, die sehr hübsch zu sehen und zu befühlen sind), dann zeigt die Frau es auch gern und gestattet die Berührung, wie auch die ihrer andern Schönheiten. Sie tut es sowohl um ihrer Ehre willen, um nicht eines Fehlers oder einer Häßlichkeit an diesem Orte verdächtigt zu werden, wie auch wegen des Vergnügens, das sie selbst dabei empfindet, wenn man es betrachtet, besonders aber um die Leidenschaft ihres Geliebten zu steigern. Und dann, die Hände und die Augen sind ja keine männlichen Glieder, die das Weib zur Dirne und den Mann zum Hahnrei machen können, obgleich sie nebst dem Munde bedeutend zur Erorberung der Festung beitragen.

Bei andern Frauen wieder sind die Lippen dort so bleich, als ob sie das Fieber hätten. Diese gleichen den Trinkern, die, obwohl sie mehr Wein trinken als ein Mutterschwein Milch, doch so bleich sind wie der Tod. Man nennt sie auch Verräter am Wein. So könnte man auch solche Frauen Verräterinnen an der Venus nennen; wenn nicht das Sprichwort wäre:Pasle putain et rouge paillard. Soviel ist sicher, daß jene Körpergegend keinen hübschen Anblick bietet, wenn sie bleich ist. Sie gleicht nicht der einer gewissen schönen Dame von hohem Rang, die da sagte: sie trüge dort drei schöne Farben zu gleicher Zeit:

[188] Schwarz, Weiß und Rot; denn jener Mund dort war rot wie Korallen, das krause Haar ringsherum schwarz wie Ebenholz und die Haut weiß wie Alabaster. Das ist ein schöner Anblick, aber der, von dem ich vorhin sprach, ist es nicht.

Bei einigen, selbst bei kleinen Frauen, reicht die Spalte so weit nach hinten, daß man zögert, sie zu berühren, aus gewissen Gründen, die ich nicht anzugeben wage. Es ist gleichsam, als könnte man sich bei zwei so nah benachbarten Flüssen aus dem einen in den andern verirren; was dann sehr häßlich wäre.

Ich hörte von Madame von Fontaine-Chalandray erzählen, genannt die schöne Torcy, daß ihre Gebieterin, die Königin Eleonore, angekleidet eine sehr schöne Frau war, wie sie auch noch manche an unserm Hofe gesehen haben. Ausgezogen aber erschien ihr Oberkörper wegen seiner Länge riesenhaft, während der untere Teil infolge der zu kurzen Beine zwerghaft war.

Bei einer andern großen Dame, von der ich hörte, war es gerade umgekehrt: ihr Oberkörper war zwerghaft klein und ihr Unterkörper kolossal wegen ihrer langen, obgleich wohlproportionierten und fleischigen Beine; sie konnte damit einen kleinen Mann ganz zudecken, wie man einen schlafenden Hund mit dem Streichgarn bedeckt.

Unter uns Christen möchten viele Ehemänner und Liebhaber nicht den Türken gleichen, die es nämlich verschmähen, den Schoß der Frauen anzublicken, weil er nach ihrer Meinung, wie ich oben sagte, kein Ansehen verdient; dagegen sollen wir Christen, wie sie sagen, großes Vergnügen an diesem Anblick finden; ja, sogar Küsse sollen ihm erteilt werden, was manche Damen von ihren Geliebten erfahren haben. So sagte einst der Anbeter einer spanischen Dame zu ihr, indem er sie begrüßte: »Bezo las manos y los pies, senora«, worauf sie erwiderte: »Señor, en el [189] medio está la mejora stacion«. Damit wollte sie sagen, daß er ebenso gut ihren Schoß wie ihre Hände und Füße küssen könne. Manche Damen sagen, ihre Gatten oder Liebhaber fänden großen Geschmack daran und würden dadurch noch feuriger. Dasselbe hörte ich von einem hervorragenden Fürsten, dem Sohn eines Königs, dessen Geliebte eine große Prinzessin war. Er unterließ es nie, in einer Liebesstunde sie mehrmals dort zu küssen. Als er es zum ersten Male tat, geschah es auf Zureden einer sehr vornehmen Dame, einer Favoritin des Königs. Als diese drei eines Tages beisammen waren und der Prinz seiner Dame den Hof machte, fragte sie ihn, ob er denn noch niemals jene schöne Gegend gesehen habe, die er genösse. Er antwortete nein. »Dann wissen Sie ja garnicht, was Sie lieben,« sagte sie; »Ihr Genuß ist unvollkommen; Sie müssen es sehen!« Daraufhin machte der Prinz einen Versuch, fand aber bei der Dame Widerstand. Nun kam die andre ihm zu Hilfe, ergriff die Dame von hinten, warf sie auf ein Bett und hielt sie so lange fest, bis der Prinz sich satt gesehen und satt geküßt. Er fand es so hübsch und reizend, daß er auch später damit fortfuhr.

Andre besitzen so schlecht gebaute Hüften, daß sie nicht des Ansehens wert sind; die Waden sind ebenso mangelhaft: bei einigen dick wie der Bauch eines schwangeren Kaninchens; bei andern so dünn und storchbeinig, daß sie eher wie ein Flötenrohr aussehen. Den Rest kann man sich denken.

Sie gleichen nicht einer gewissen schönen und achtbaren Dame, von der ich hörte, deren Körper wohlgerundet war, ohne ins Übermaß zu fallen (denn in allen Dingen ist das Mittelmaß das beste). Nach einer Liebesnacht fragte sie ihren Freund am nächsten Morgen, wie er sich befinde. Er antwortete: Sehr gut, und ihr schönes fettes Fleisch hätte ihm sehr wohl getan. »Wenigstens bist du,« sagte [190] sie, »in der Post gefahren, ohne ein Kissen unterzulegen.«

Es kommen bei den Frauen noch andre verborgene Gebrechen vor. So hörte ich von einer Dame von gutem Ruf, daß sie per vaginam defäziere. Ich fragte einen tüchtigen Arzt nach der Ursache und er sagte mir, sie sei in zu jungem Alter von einem zu stark gebauten Manne förmlich durchbohrt worden. Das war sehr schade um sie, denn sie war eine sehr schöne Frau und Witwe, und ein mir bekannter Edelmann wollte sie heiraten. Als er aber von diesem Gebrechen erfuhr, gab er sie sofort auf und nahm eine andre.

Von einem Edelmanne hörte ich, daß er eine schöne Frau vom Hofe besitze, aber nicht mit ihr verkehre. Ein andrer, weniger bedenklich, wohnte ihr bei und fand, daß ihre Vulva einen unerträglichen Geruch hatte; dadurch erklärte sich die Abneigung des Mannes.

Von einer andern, zum Hofstaat einer großen Fürstin gehörend, wurde gesagt, daß sie petoit de son devant. Von Ärzten wurde mir erklärt, daß sich in der Scheide ebenfalls Winde bilden und daraus entweichen können, besonders bei den Praktiken der Tribaden. Dieses Fräulein befand sich mit der Fürstin zu Moulins, als der Hof sich dort aufhielt, zur Zeit Königs Karl IX., der zur großen Heiterkeit aller damit begrüßt wurde.

Wieder andre gibt es, die den Urin nicht halten können, weshalb sie stets einen kleinen Schwamm tragen müssen. Ich kannte zwei solche Frauen, große Damen, von denen es der einen, einem Fräulein, mitten im Ballsaal passierte, zur Zeit Königs Karl IX., was sie sehr in Verlegenheit brachte.

Von einer andern großen Dame hörte ich sprechen, bei der sich dasselbe während oder nach dem Coïtus ereignete.

[191] Noch andre sind täglich in den Katamenien, oder sie sind durch die Spuren einer venerischen Krankheit gezeichnet, die sie von ihrem Gatten oder ihrem Liebhaber acquirierten, oder auch durch ihre schlechten Gewohnheiten sich zugezogen. Oder sie tragen sonstige Male an den Beinen, weil ihre Mütter sich in der Schwangerschaft »versehen« haben; so hörte ich von einer, deren eine ganze Körperhälfte rot war, wie ein Schöppe beim Stadtgericht.

Bei andern fließt die Menstruation beinahe fortwährend, gleichwie das Blut bei einem frisch geschlachteten Hammel. Ihren Gatten und Liebhabern gefällt das nicht, da doch die Venus eine fleißige Beiwohnung verlangt. Denn wenn sie nur einmal eine Woche lang frei davon sind, so ist das schon viel, und der ganze Rest des Jahres geht ihnen verloren. Unter zwölf Monaten sind nur fünf oder sechs, ja noch weniger, frei; das ist viel. Es ist ähnlich wie bei unsern Soldaten, denen die Kommissäre und Schatzmeister von den zwölf Monaten des Jahres mehr als vier am Solde kürzen, indem sie ihnen die Monate bis zu vierzig und fünfzig Tagen anrechnen, so daß aus den zwölf Monaten des Jahres nur acht herauskommen. Ebenso ergeht es den Gatten und Liebhabern mit solchen Frauen, wenn sie nicht, ohne Rücksicht auf Schamhaftigkeit, trotzdem ihrer Wollust freien Lauf lassen und sich besudeln. Die dabei erzeugten Kinder müssen es dann büßen.

Ich könnte noch mehr erzählen, aber ich unterlasse es, denn das Thema ist zu unsauber und mißfällig. Alles, was ich sage und sagen könnte, bezieht sich nicht auf gewöhnliche Frauen niederen Standes, sondern auf große und mindestens vornehme Damen, die durch ihr hübsches Gesicht alle Welt entzücken, im übrigen aber enttäuschen.

Nur eine kleine drollige Geschichte will ich noch erzählen, die mir ein Edelmann mitteilte. Als er einst mit einer schönen Frau aus feinem Stande schlief, fand er an jener [192] Gegend so spitze und scharfe Haare, daß er nur mit Unbehagen sein Werk zu Ende führen konnte, so sehr stach es ihn. Endlich, als es erledigt war, fühlte er mit der Hand hin und fand rings um den Venushügel eine Anzahl Fäden aus spitzem Haar, lang, steif und borstenartig wie Schuhmacherzwirn. Er wollte es sehen, was die Dame nur sehr unwillig gestattete; da fand er denn, daß ihre Vulva von diesen kleinen Stacheln rings umgeben war, wie etwa eine mit Diamanten und Rubinen umsteckte Medaille, die man am Hute oder an der Mütze trägt.

Vor nicht langer Zeit lebte in einer Gegend Guyennes eine verheiratete Frau aus sehr guter Familie, die ihre Kinder durch einen Lehrer unterrichten ließ. Dieser, in einem Anfall von Wahnsinn oder vielleicht auch in plötzlicher Liebeswut, ergriff den auf dem Bette liegenden Degen ihres Mannes und stach ihr beide Hüften und die beiden Schamlippen durch und durch. Ohne die Hilfe eines guten Chirurgen wäre sie daran gestorben. Ihre Vulva konnte wohl sagen, sie hätte zwei Kriege durchgemacht und wäre von beiden Seiten angegriffen worden. Ich glaube, daß der Anblick hiernach wenig anmutig war, da die beiden Flügel so durchschnitten waren. Ich sage »Flügel«, weil die Griechen jene Lippen himenaea und die Lateiner sie alae nennen. Ich finde diese Bezeichnung recht passend; denn kein Vogel fliegt besser und mit schnellerem Flügel, sei es ein Falke, der aus dem Nest genommen ist, wie unsre jungen Mädchen, oder sei es ein Zugvogel, wild oder abgerichtet, wie unsre verheirateten Frauen oder Witwen.

Ich könnte jenes Organ auch mit Rabelais, ein Tier nennen, denn es bewegt sich von selbst; wenn man es anfaßt oder ansieht, dann fängt es von selbst an, sich zu bewegen.

Andre Frauen umwickeln sich des Nachts im Bette den Kopf mit Tüchern aus Furcht vor Erkältung, so daß sie, weiß Gott, wie Hexen aussehen. Haben sie sich angekleidet [193] dann sehen sie wieder reizend aus. Einige sind auch geschminkt und angemalt wie ein Bild. Am Tage sind sie schön, aber des Nachts farblos und sehr häßlich.

Man müßte solche Damen, bevor man sie liebt, heiratet und genießt, eigentlich erst untersuchen, wie es Octavius Cäsar tat. Mit seinen Freunden entkleidete er öfter vornehme römische Damen und Matronen, das heißt Jungfrauen reifen Alters, und untersuchte sie von einem Ende zum andern, als wären es Sklavinnen, die er von dem Händler Namens Toranus gekauft. Wenn er sie dann nach seinem Geschmack und makellos fand, genoß er sie.

Ebenso verfahren die Türken in ihren Bazaren zu Konstantinopel und in andern großen Städten, wenn sie Sklaven beiderlei Geschlechts kaufen.

Doch es sei genug; ich glaube schon zuviel gesagt zu haben; man sieht, daß wir uns oft irren, wenn wir etwas für schön halten. Aber wenn uns auch manche Damen enttäuschen, so erfreuen uns dafür wieder andre, die so schön, sauber, frisch, liebenswürdig und wohlgebaut, kurz, in allen Teilen körperlich so vollendet sind, daß neben ihnen alles, was man sonst in der Welt sehen kann, armselig und nichtig erscheint. Manche Männer verlieren sich auch so in deren Betrachtung, daß sie gar nicht an die Betätigung der Liebe denken. Oft genug macht es solchen Damen auch Vergnügen, sich ohne Hindernisse sehen zu lassen, da sie sich makellos fühlen, und gewiß sind, unsre Begierde zu entflammen.

Eines Tags bei der Belagerung von La Rochelle zog der arme verstorbene Herr de Guise, der mir die Ehre seiner Zuneigung erwies, eine Schreibtafel, die er von unserm Herrn General, dem Bruder des Königs, bekommen hatte, aus der Hosentasche und sagte zu mir: »Der Herr wirft mir meine Liebschaft mit einer Dame vor; aber ich werde mich rächen. Lesen Sie, was ich darauf geschrieben habe.« Er reichte mir die Schreibtafel hin, und ich sah von seiner eignen Hand folgende vier Verse, die er verfaßt hatte, [194] darauf geschrieben; aber das Wort »f .....« stand ausgeschrieben da.


Si vous ne m'avez cogneue,

Il n'a pas tenu à moy;

Car vous m'avez bien vue nue,

Et vous ay montré de quoy.


Als er mir darauf die Dame nannte, oder vielmehr das Mädchen, die ich übrigens vermutete, sagte ich ihm, es verwundere mich sehr, daß er sie nicht berührt habe, da doch das Gerücht allgemein davon sprach. Aber er versicherte mir das Gegenteil, und es wäre nur seine Schuld gewesen. Ich entgegnete ihm: »Entweder, mein Herr, war er (der General) damals müder und abgematteter als sonst, so daß er nichts mehr leisten konnte, oder er war so versunken in die Betrachtung jener nackten Schönheit, daß er gar nicht daran dachte, zu handeln.« – »Es ist möglich,« antwortete der Prinz; »aber sicher ist, daß er in dem Falle nicht dazu kam. Ich werde ihn hänseln und ihm die Schreibtafel in die Tasche stecken; er wird, wie es seine Gewohnheit ist, die Taschen durchsuchen und dann finden, was er finden soll. Dann bin ich gerächt.« Er tat es auch, und alle beide lachten darüber und neckten sich gegenseitig in guter Laune. Denn damals herrschte zwischen ihnen noch die beste Freundschaft und Vertraulichkeit, was sich später freilich sehr änderte.

Eine Dame der großen Welt, oder vielmehr ein junges Mädchen, die von einer großen Prinzessin sehr geliebt wurde, lag einst im Bette und erholte sich wie gewöhnlich. Da kam ein Edelmann zum Besuch, der in Liebe zu ihr entbrannt war; aber es ging weiter nichts vor. Dieses Fräulein, die von ihrer Herrin so sehr geschätzt wurde, [195] näherte sich ihr harmlos und zog ihr plötzlich die Bettdecke weg, so daß der Edelmann sofort seine Blicke auf sie richtete und, wie er mir später erzählte, das Schönste sah, was er je gesehen: einen herrlichen weißen Körper, so daß er die Wonnen des Paradieses zu schauen meinte. Aber das währte nicht lange. Denn sobald die Dame die Decke hinweggerissen hatte, zog das Mädchen sie wieder über sich, und je mehr sie sich umherwarf, um die Decke wieder zu ergreifen, desto mehr kam ihr schöner Leib zum Vorschein. Das beeinträchtigte nun durchaus nicht das Vergnügen des Edelmanns, der sich keine Mühe gab, sie zuzudecken. Er wäre auch sehr töricht gewesen. Endlich jedoch gelang es ihr, sie lag wieder zugedeckt, und schalt nun das junge Mädchen aus und sagte, sie werde es ihr heimzahlen. Das Fräulein, das nun etwas beiseite stand, sagte: »Madame, Sie hatten mir auch einen Streich gespielt. Verzeihen Sie, wenn ich mich gerächt habe.« Damit ging sie zur Tür hinaus. Aber der Friede wurde bald wieder hergestellt.

Dem Edelmann indessen hatte das Schauspiel so gut gefallen und ihn in eine solche Ekstase des Entzückens versetzt, daß er mir hundertmal versicherte, er begehre nichts weiter im Leben als täglich diesen Anblick. Und sicher hatte er recht. Denn nach ihrem unvergleichlich schönen Antlitz und ihrem schönen Busen, der die Welt entzückte, durfte sie wohl zeigen, daß sie noch mehr Auserlesenes verbarg. Unter andern Reizen, sagte mir der Edelmann, habe sie die schönsten hohen Lenden besessen, die er je gesehen. Man konnte es glauben, denn sie war von sehr stattlicher Figur. Sie war unter den Schönheiten gleichsam eine wahre Grenzfestung.

Nachdem der Edelmann mir dies alles erzählt, konnte ich ihm nur sagen: »Mein lieber Freund, leben Sie weiter in diesem göttlichen Anschauen, und möchten Sie ewig diese Wonne genießen! Wenn mir doch auch noch vor meinem Tode ein solcher Anblick zuteil würde!«

[196] Der Edelmann blieb sein Leben lang dem Fräulein für dieses Schauspiel dankbar, und er liebte und ehrte sie von ganzem Herzen. Er war ein starker Verehrer von ihr, aber er konnte sie nicht heiraten; denn ein andrer, reicher als er, nahm sie ihm weg. Wie es ja nun einmal bei allen Frauen Brauch ist, daß sie dem Reichtum nachlaufen.

Solche Schauspiele sind schön und erfreuend; aber man muß sich hüten, daß sie nicht verderblich werden, wie der Anblick der nackten Diana dem armen Aktäon, oder wie in dem folgenden Fall, den ich erzählen will.

Ein König liebte einst eine schöne, achtbare und vornehme Witwe so sehr, daß er ganz bezaubert von ihr war. Er kümmerte sich wenig um andre, nicht einmal um seine Frau, an die er nur zeitweilig dachte: jene andre Dame trug stets die schönsten Blumen seines Gartens davon. Das ärgerte die Königin sehr, denn sie fühlte sich ebenso schön und liebenswert und würdig, die köstlichen Früchte der Liebe zu genießen. Nachdem sie einer Vertrauten ihr Leid geklagt, verschwor sie sich mit ihr, um zu sehen, ob etwas daran wäre, und durch ein Loch in der Wand zu beobachten, welches Spiel ihr Gatte mit der Dame treiben würde. So machte sie denn in der Decke des Zimmers jener Dame mehrere Löcher, um sie zusammen zu beobachten, und beide spähten hindurch. Da sahen sie denn ein schönes Schauspiel: eine sehr hübsche, weiße, zarte, frische Frau, halb nackend, halb im Hemde, die mit ihrem Geliebten übermütig schäkerte, und er mit ihr. Sie stiegen aus dem Bett und wälzten sich auf dem weichen Teppich davor, weil es dort kühler war als in dem warmen Bett; denn es war ein sehr heißer Tag. Ein großer Fürst, den ich kannte, machte es ebenso mit seiner Frau, die eine große Schönheit war, weil es ihm, wie er selbst sagte, bei der Sommerhitze im Bette zu warm war.

Als jene Fürstin dies alles gesehen, begann sie vor Empörung zu weinen und zu schluchzen, denn sie sah, daß ihr Gatte es mit ihr nicht ebenso machte und mit ihr nicht dieselben Tollheiten trieb wie mit jener.

[197] Die Dame, die sie begleitete, versuchte sie zu trösten und hielt ihr vor, daß sie, da sie so neugierig nach diesen Dingen gewesen, nichts andres erwarten konnte. Die Fürstin entgegnete nur: »Ach, ja! Ich habe gesehen, was ich zu sehen nicht begehren durfte, denn der Anblick hat mir Schmerz bereitet.« Nachdem sie sich jedoch getröstet, grämte sie sich nicht mehr darüber, sondern fuhr sogar fort, das Schauspiel so oft wie möglich zu beobachten. Ja, es diente ihr sogar zur Heiterkeit, – vielleicht auch noch zu anderem.

Ich hörte von einer Dame der feinen Welt, aber einer sehr großen, der die natürliche Lüsternheit nicht genügte, denn sie hatte ein sehr üppiges Temperament. Sie war Witwe und sehr schön. Um sich noch mehr aufzuregen, ließ sie die schönsten Frauen und Mädchen ausziehen und entzückte sich an ihrem Anblick. Dann schlug sie ihnen mit der flachen Hand klatschend auf die Hinterbacken. Die Mädchen, die sich irgend etwas hatten zuschulden kommen lassen, schlug sie mit Ruten und ergötzte sich an den Windungen des Leibes und an dem Gesäß, das nach den empfangenen Schlägen lustig aussah.

Manchmal ließ sie sie, ohne sie auszuziehen, die Kleider aufheben (damals trug man noch keine Hosen) und schlug und peitschte sie auf den Hintern, je nachdem ob sie sie zum Lachen oder zum Weinen bringen wollte. Bei diesem Schauspiel erregte sich ihre Begierde derartig, daß sie diese nachher von irgend einem starken und robusten Manne stillen ließ.

Was für eine Frauenlaune! Man sagt, daß sie einst vom Fenster ihres Schlosses, das auf die Straße ging, einen Schuster, der außerordentlich groß proportioniert war, an die Schloßmauer sein Wasser abschlagen sah und von Verlangen nach dieser Dimension erfaßt wurde. Sie bestellte ihn durch einen Pagen in eine geheime Allee des Parks und gab sich ihm dort hin unter der Bedingung, daß er sie schwängere. Dazu wurde diese Dame nur durch das Sehen gebracht.

[198] Ich hörte auch von einem großen Herrn erzählen, dem es Vergnügen machte, seine Frau nackt oder angekleidet zu schlagen und dabei die Bewegungen ihres Körpers zu beobachten.

Von einer achtbaren Dame hörte ich, daß sie als Kind alle Tage zweimal von ihrer Mutter geschlagen wurde, nicht weil sie etwas verbrochen hatte, sondern weil die Mutter an den Zuckungen ihres Körpers Vergnügen fand, und sich dadurch sinnlich erregte. Als sie in ihr vierzehntes Jahr ging, wurde ihre Mutter immer begieriger darauf und weidete sich immer mehr an ihrem Anblick.

Von einem Grandseigneur und Prinzen hörte ich vor mehr als vierzig Jahren noch Schlimmeres. Er ließ sich, bevor er seiner Frau beiwohnte, jedesmal erst geißeln, denn ohne dieses alberne Hilfsmittel konnte er seine Natur nicht erregen. Ich möchte gern, daß ein ausgezeichneter Arzt mir den Grund dieser Erscheinung erklärte.

Picus Mirandula, dieser hervorragende Mann, erzählte, er habe zu seiner Zeit einen Mann gesehen, dessen Leidenschaft für die Frauen sich durch das Peitschen mit großen Striemen um so mehr steigerte; nur wenn er so gegeißelt wurde, geriet er in Brunst, Solch eine Gemütsart ist schrecklich. Da ist das Sehen andrer immer noch erträglicher als dies letztere.

Als ich in Mailand war, hörte ich aus guter Quelle folgende Geschichte: Der kürzlich verstorbene Herr Marquis de Pescayre, Vizekönig von Sizilien, verliebte sich in eine sehr schöne Dame. Eines Morgens, als er glaubte, ihr Gatte sei abwesend, besuchte er sie und fand sie noch im Bett. Während er mit ihr sprach, erreichte er nichts weiter, als sie in Muße zu betrachten und sie mit der Hand zu berühren. Während dessen kam der Gemahl dazu, der sich in keiner Weise mit dem Marquis vergleichen konnte, und [199] überraschte sie so schnell, daß der Marquis nicht Zeit fand, seinen Handschuh mitzunehmen, den er, ich weiß nicht wie, zwischen den Bettüchern verloren hatte, – was ja öfter vorkommen soll. Nachdem der Marquis dem Gatten einige Worte gesagt, verließ er, von dem Edelmann hinausbegleitet, das Zimmer. Als dieser zurückkehrte, fand er den verlorenen Handschuh des Marquis zwischen dem Bettuch, was die Dame nicht bemerkt hatte. Er nahm ihn, schloß in ein und zeigte lange Zeit seiner Frau eine kalte Miene; er schlief nicht mehr mit ihr und berührte sie überhaupt nicht mehr. Als die Frau nun eines Tages allein in ihrem Zimmer war, ergriff sie die Feder und schrieb folgenden Vierzeiler:


Vigna era, vigna son.

Era podata, or più non son;

E non so per qual cagion

Non mi poda il mio patron.


Sie ließ das Gedicht auf dem Tische liegen, wo ihr Mann es sah und folgende Antwort schrieb:

Vigna eri, vigna sei,

Eri podata, e più non sei.

Per la granfa del leon,

Non ti poda il tuo patron.


Auch er ließ die Verse auf dem Tische liegen. Der Marquis erfuhr das, und antwortete folgendermaßen:

A la vigna che voi dite

Io fui, e qui restai;

Alzai il pampano; guardai la vite;

Ma, se Dio m'ajuti, non toccai.


[200] Dies wurde dem Gauen hinterbracht, der von dieser ehrenvollen Antwort und Rechtfertigung sehr befriedigt war, sich seinem Weinberg wieder widmete und ihn besser bebaute als zuvor. Niemals war das Verhältnis zwischen den Gatten besser.

Mit jener Löwenklaue war der Handschuh gemeint, der sich zwischen die Bettücher verirrt hatte.

Das war noch mal ein guter, wenig mißtrauischer Ehemann, der den Verdacht von sich wies und seiner Frau verzieh. Und sicher gibt es Damen, denen es Vergnügen macht, sich selbst nackend zu sehen, so daß sie sich in sich selbst verlieben wie Narziß. Was sollen nun gar wir erst tun, wenn wir sie ansehen?

Marianne, die Gemahlin des Herodes, eine schöne und ehrenwerte Frau, schlug es ihrem Gatten rundweg ab, als er ihr eines Tages am hellen Mittag beiwohnen und ihre Reize im vollen Licht des Tages sehen wollte. So berichtet Josephus. Er übte nicht seine Gattengewalt aus wie ein gewisser Grandseigneur, den ich kannte. Dieser bestürmte seine Frau, eine Schönheit, am hellen Tage und zog sie trotz ihres heftigen Widerstandes nackt aus, Dann sandte er ihr, um sie wieder anzukleiden, die Kammerfrauen, die sie ganz beschämt und in Tränen fanden. Andre Damen gibt es, die weniger Bedenken tragen, ihre Schönheit nackt zu zeigen, um ihre Anbeter noch mehr zu reizen und anzulocken. Aber die Berührung wollen einige oft nicht erlauben oder nur für kurze Zeit. Denn sie (die Männer) bleiben nicht gern auf diesem schönen Wege stehen und wollen weiter gehen. Ich hörte von mehreren, daß sie ihre Liebhaber lange mit diesem schönen Anblick hinhielten.

Glücklich sind diejenigen, die sich in Geduld fassen, ohne zu sehr in Versuchung zu fallen. Derjenige muß ja auch wahrlich ein Tugendheld sein, dem beim Anschauen einer schönen Frau nicht die Augen übergehen. So sagte Alexander manchmal zu seinen Freunden, daß die persischen Mädchen den Augen ihrer Betrachter viel Schaden brächten, [201] Deshalb grüßte er die Töchter des Königs Darius, die seine Gefangenen waren, nicht anders als mit niedergeschlagenen Augen und vermied ihren Anblick soviel wie möglich, aus Furcht, von ihrer außerordentlichen Schönheit gefesselt zu werden.

Nicht nur damals, sondern auch heute noch wird unter allen Frauen des Orients den Perserinnen wegen ihres Ebenmaßes und ihrer sauberen und reizenden Kleidung der Preis der Schönheit zuerkannt; ganz besonders denen der alten Königsstadt Schiras, deren weiße Schönheit, Anmut und Liebenswürdigkeit so hoch gerühmt wird, daß die Mauren nach einem alten Sprichwort sagen: ihr Prophet Mohammed habe nie nach Schiras kommen wollen, aus Furcht, nur einmal diese schönen Frauen zu sehen, weil dann seine Seele nie ins Paradies gelangen würde. Leute, die dort gewesen sind und darüber geschrieben haben, berichten dies, woran man die Heuchelei dieses guten liederlichen Propheten erkennen kann. Denn es steht, wie Belon sagt, in einem arabischen Buche »Von den guten Sitten Mohammeds«, worin seine körperlichen Kräfte gerühmt werden, geschrieben, daß er seine elf Frauen nacheinander innerhalb einer Stunde benutzte. Hole der Teufel diesen Lumpen! Sprechen wir nicht mehr von ihm; ich habe noch mehr zu sagen.

Ich hörte bezüglich Alexanders, von dem ich oben sprach, und des Scipio Africanus die Frage stellen: Welcher von beiden verdient am meisten das Lob der Standhaftigkeit?

Alexander, der Kraft seiner Keuschheit mißtrauend, wollte jene schönen persischen Frauen nicht sehen; Scipio sah nach der Eroberung von Neu-Karthago jenes schöne spanische Mädchen, welches seine Soldaten ihm zuführten und ihm als seinen Beuteanteil darboten. Sie war so schön und jugendlich, daß sie überall, wo sie ging, die Augen aller mit Bewunderung entzückte, sogar den Scipio. Dieser erkundigte sich, nachdem er sie höflich begrüßt, aus welcher[202] Stadt Spaniens sie und ihre Eltern stammten. Unter anderm erfuhr er, daß sie einem jungen Manne Namens Alucius, einem Fürsten der Keltiberier, verlobt sei. Er gab sie diesem und ihren Eltern zurück, ohne sie zu berühren. Dafür waren ihm das Mädchen, der Bräutigam und die Eltern so dankbar, daß sie seitdem für die Stadt Rom und die Republik die wärmste Zuneigung empfanden. Aber wer weiß, ob diese schöne Dame nicht im stillen gewünscht hat, zuerst von Scipio ein wenig geliebt zu werden, von ihm, der schön, jung, tapfer und siegreich war? Wenn vielleicht vertraute Freunde oder Freundinnen sie aufs Gewissen gefragt hätten, ob das nicht ihr Wunsch gewesen, so möge man sich selbst vorstellen, was sie geantwortet hätte, und ob sie nicht hätte durchblicken lassen, daß sie es wohl gewünscht; oder auch, ob das Klima Spaniens und seine heiße Abendsonne sie, ebenso wie viele andre Frauen dieses Landes von heute, schön und liebesbedürftig wie sie, wie ich viele sah, nicht verführt hätte. Man braucht nicht daran zu zweifeln, daß dieses schöne, ehrenwerte Mädchen von dem schönen Scipio begehrt wurde, auf dem Altar seiner profanen Götter geopfert zu werden.

Hiernach wird Scipio gewiß von manchen wegen seiner großen Standhaftigkeit gelobt werden; von andern wurde er getadelt. Denn worin kann ein tapferer Ritter die Großmut seines Herzens besser einer schönen und ehrenwerten Dame gegenüber zeigen, als indem er sie merken läßt, daß er ihre Schönheit schätzt und sie liebt, statt ihr mit jener Kälte, Achtung, Bescheidenheit und Enthaltung zu begegnen, die ich öfter von Herren und Damen mehr als Torheit und Schwachherzigkeit, denn als Tugend bezeichnen hörte. Nein, das ist es nicht, was die Frauen im innersten Herzen lieben, sondern ein frisches Genießen, aber klug, verschwiegen und geheim. Eine Dame, die eines Tages diese Geschichte las, sagte: Scipio sei ein Narr gewesen, mochte er auch ein noch so tapferer und edler Feldherr sein, daß er sich und dem römischen Staate die Zuneigung der Leute durch ein [203] solches Mittel gewann, während er ja noch passendere anwenden konnte, besonders da jenes Mädchen eine Kriegsbeute war, über die man doch triumphieren könne.

Bei dem Raube der schönen Sabinerinnen verfuhr der große Gründer seiner Stadt jedoch anders mit der Beute, die ihm zufiel. Ohne Rücksicht auf anderes mußte sie ihm zur Sinnenlust dienen, und sie befand sich wohl dabei. Weder sie noch ihre Gefährtinnen machten sich Sorge daraus, sondern schlössen bald mit ihren Entführern Frieden, und empörten sich nicht so wie ihre Väter und Mütter, die einen großen Feldzug ins Werk setzten.

Freilich gibt es Frauen, die nicht mit aller Welt in dieser Art zu tun haben wollen, und nicht alle gleichen der Frau des Königs Ortiagon, eines der gallischen Könige Asiens, die von vollendeter Schönheit war. Als sie bei der Niederlage des Königs ein römischer Söldner ergriff und ihr entehrende Anträge stellte, blieb sie fest, denn sie verabscheute es, sich einem so niedrigen und gemeinen Menschen – hinzugeben; da vergewaltigte er sie, denn das Kriegsglück hatte ihm das Recht der Sklaverei gegeben. Bald aber sollte er es bereuen und die Rache fühlen. Sie hatte ihm nämlich ein großes Lösegeld für ihre Befreiung versprochen, und als sie an den bezeichneten Ort gingen, wo er das Geld empfangen sollte, ließ sie ihn umbringen und sandte seinen Kopf ihrem Gatten. Diesem bekannte sie offen, daß jener Mann in der Tat ihre Keuschheit vergewaltigt habe; aber auf diese Weise habe sie Rache genommen. Ihr Gatte billigte ihre Handlungsweise und erwies ihr hohe Ehre dafür. Seit jener Zeit, berichtet die Geschichte, bewahrte sie ihre Frauenehre bis zum letzten Tage ihres Lebens. Immerhin hatte sie die Frucht gekostet, wenn auch von einem geringen Manne.

Anders handelte Lucrezia, denn sie kostete nicht davon, obwohl es diesmal ein tapferer König war, der nach ihrer Ehre trachtete. Sie beging die doppelte Torheit, nicht der Verführung nachzugeben und sich selbst zu töten.

[204] Um noch einmal auf Scipio zurückzukommen: er kannte nicht den Reiz der Beute und Plünderung. Denn, nach der Behauptung eines unsrer großen Feldherren gibt es kein schmackhafteres Wild als ein im Kriege ergriffenes Weib. Dieser verspottete andere Krieger, die bei der Belagerung und Überrumpelung von Städten vor allen Dingen die Ehre der Frauen zu schonen empfahlen; denn die Frauen lieben die Kriegsleute stets mehr als andre, und die Gewalt reizt ihre Begierde. Und, was mehr bedeutet, sie retten ihren Gatten Güter und Leben, wie die schöne Eunoe, die Frau des Bogud oder Bocchus, Königs von Mauritanien, denen Cäsar große Güter schenkte, nicht etwa, wie man glauben darf, weil sie seiner Partei folgten wie Juba, König von Bithynien, der Sache des Pompejus anhing, sondern weil sie eine schöne Frau war, und sich dem Cäsar zum holden Genüsse hingab.

Es gibt noch andre Vorteile solcher Liebschaften, die ich übergehe; immerhin, sagte jener großer Feldherr, seine andern Gefährten, die ihm glichen, wollen, zufolge alten Kriegsgebrauchs, daß die Ehre der Frauen geschont werde; zuerst müsse man deren Gesinnung erforschen, und sich dann entscheiden. Oder sie haben das Naturell des Scipio, der gleich dem schon erwähnten Ortolanhunde nicht von dem Kohl im Garten genießt und daher auch andre verhindert, davon zu essen. So verfuhr er mit dem armen Masinissa, der für ihn und für das römische Volk so oft sein Leben gewagt, so viel im Dienste seines Ruhms und seiner Siege gearbeitet hatte, und dem er dennoch seine schöne Gattin Sophonisbe raubte, die er sich als die wichtigste und köstlichste Beute auserlesen. Er entführte sie ihm, um sie nach Rom zu bringen, damit sie dort den Rest ihrer Tage in elender Sklaverei verlebe; aber Masinissa wendete dieses Schicksal ab. Sein Triumph wäre schöner [205] und voller gewesen, wenn die ruhmreiche und herrliche Gattin des Masinissa dabei erschienen wäre und man hätte sagen können: »Seht dort die schönste Trophäe der Eroberungen Scipios!« Denn der Ruhm liegt eben mehr in großen und hohen Dingen als in niederen.

Kurz, Scipio beging in all diesem große Fehler, öderer war überhaupt ein Feind des weiblichen Geschlechts, oder auch unfähig zur Ausübung der Liebe, obgleich gesagt wird, daß er in seinen alten Tagen mit einer Dienerin seiner Frau Liebschaft hatte, was die Frau geduldig ertrug.

Doch um von dieser Abschweifung wieder auf den geraden Weg zurückzukommen, den ich verlassen habe, und um meine Abhandlung zu Ende zu bringen, sage ich so viel: Es gibt keinen schöneren Anblick in der Welt als eine schöne Frau in prächtigen Kleidern oder ausgezogen auf dem Lager; aber sie muß gesund, sauber und makellos sein, wie ich schon sagte.

König Franz behauptete, daß ein Edelmann, wie vornehm er auch sei, einem noch so großen Herrn in seinem Hause oder Schlosse keinen besseren Empfang bereiten könne, als indem er ihm zuerst eine schöne Frau, ein schönes Pferd und ein schönes Windspiel entgegenführe. Denn wenn der Besucher seinen Blick bald auf das eine, bald auf das andre und das Dritte richte, könnte ihm in diesem Hause nichts ein Ärgernis bereiten. Diese drei Dinge böten einen erfreuenden Anblick, und es wäre sehr angenehm, sich mit ihnen zu beschäftigen.

Die Königin Isabella von Kastilien sagte, es mache ihr das größte Vergnügen, folgende vier Dinge zu sehen: »Hombre d'armas en campo, obisbo puesto en pontifical, linda dama en la cama, y ladron en la horca.« »Einen Mann der Waffen auf dem Schlachtfeld, einen Bischof im Amtskleid, eine schöne Dame im Bett und einen Dieb am Galgen.«

Von dem kürzlich verstorbenen Herrn Kardinal von Lothringen, dem Großen, hörte ich erzählen, daß er nach Rom [206] zum Papst Paul IV. reiste, um den Waffenstillstand mit dem Kaiser aufzuheben, und nach Venedig kommend, dort sehr ehrenvoll empfangen wurde. Dies ist auch nicht zu bezweifeln, denn er war der große Günstling eines großen Königs. Der ganze prächtige Senat zog ihm entgegen, und als er durch den Canale grande fuhr, zeigten sich an allen Fenstern der Häuser die schönsten Frauen, um seinen Einzug mit anzusehen. Indessen unterhielt ihn einer der Großen über die Staatsgeschäfte und sprach lebhaft auf ihn ein. Da er aber seine Blicke aufmerksam auf die schönen Frauen gerichtet hielt, sagte jener zu ihm in seinem Patois: »Mein Herr, ich glaube, Sie hören mir nicht zu, und Sie haben auch recht; denn es macht mehr Vergnügen, die schönen Frauen an den Fenstern zu beobachten und sich an ihnen zu entzücken, als einem langweiligen Greise wie mir zuzuhören, selbst wenn er Ihnen von Dingen spricht, die für Sie von der größten Bedeutung sind.« Der Herr Kardinal, dem es nicht an Geist mangelte und der auch ein gutes Gedächtnis besaß, erwiderte ihm Wort für Wort, was jener ihm gesagt hatte, wodurch er den guten alten Herrn sehr erfreute und dessen Achtung gewann; denn er hatte nichts von allem, was jener ihm sagte, überhört und sich doch an dem Anblick der schönen Frauen ergötzt.

Wer auch immer den Hof unsrer Könige Franz, Heinrich II. und andrer seiner Kinder gekannt hat, wird, und wenn er die ganze Welt sah, zugestehen müssen, daß er nie etwas Schöneres sah als unsre Damen an diesen Höfen, unsre Königinnen, deren Mütter, Schwestern und Frauen. Aber etwas noch Schöneres, sagte jemand, konnte man zu Lebzeiten des Großvaters des Meisters Gonnin sehen, der durch seine Zauberkünste die Frau nackt zeigen konnte. Einmal soll er dies auf Befehl des Königs Franz in einer Privatgesellschaft getan haben; denn er war sehr fein und geschickt in seiner Kunst. Sein Enkel, den wir noch gesehen haben, verstand es lange nicht so gut wie er.

[207] Ich glaube, dieser Anblick war ebenso ergötzlich wie der jener ägyptischen Frauen zu Alexandrien beim Empfang ihres Hauptgottes Apis. In feierlicher Zeremonie schritten sie ihm vorauf mit hochgehobenen Gewändern und gespreizten Schenkeln, so daß ihre Scham völlig zu sehen war. Man lese diese Geschichte bei Alex(ander) von Alex(andrien), im sechsten Buch seiner »Lustigen Tage« nach. Ich denke, daß das ein sehr hübscher Anblick gewesen ist; denn damals waren die Frauen Alexandriens schön, wie sie es heute noch sind.

Wenn die Alten und Häßlichen es ebenso machen, dann danke ich, denn der Anblick darf sich nur auf das Schöne erstrecken, aber das Häßliche soll man fliehen soviel wie möglich.

In der Schweiz baden Männer und Frauen zusammen in den Badestuben, ohne irgend etwas Unanständiges zu begehen; sie binden nur ein Laken vor. Wenn es ein wenig locker sitzt, kann man immer noch etwas sehen, was gefällt oder mißfällt, je nach der Schönheit oder Häßlichkeit.

Bevor ich diese Abhandlung schließe, möchte ich noch eins sagen. Die jungen römischen Herren, Ritter, Edelleute, Plebejer und andere mußten ehemals am Fest der Flora zu Rom in große Versuchung geraten und konnten ihre Augen herrlich weiden. Man sagt, Flora sei die hübscheste und siegreichste Courtisane gewesen, die jemals und irgendwo den Freudendienst zu Rom ausgeübt. Zu ihrer besonderen Empfehlung diente ihr, daß sie aus gutem Hause und von vornehmer Abkunft war. Denn solche Frauen aus vornehmem Geblüt gefallen stets mehr, und man gibt sich lieber mit ihnen als mit andern ab.

Außerdem besaß Flora noch den Vorzug, daß sie sich nicht wie Laïs aller Welt hingab, sondern nur den Vornehmen. Ja, sie hatte über ihre Tür folgende Inschrift gesetzt: »Ihr Könige, Fürsten, Diktatoren, Konsuln, Censoren, Oberpriester, Quästoren, Gesandte und andre große Herren, tretet ein. Ihr übrigen bleibet draußen.«

[208] Laïs ließ sich stets vorausbezahlen, aber Flora nicht. Sie sagte, sie halte es mit den Großen deshalb so, damit diese sich ihr gegenüber auch als Vornehme und Große benähmen. Es wird ja auch eine Frau von hoher Schönheit und edler Geburt stets so geschätzt werden, wie sie sich selbst schätzt. Sie nahm auch nur, was man ihr gab, indem sie sagte, jede hübsche Frau müsse ihrem Liebhaber aus Liebe Vergnügen bereiten, und nicht aus Habsucht; denn alle Dinge hätten ihren Preis, nur die Liebe nicht.

Kurz, zu ihrer Zeit pflegte sie die Wollust in der artigsten, angenehmsten Weise und ließ sich wacker huldigen. Wenn sie zuweilen ihr Haus verließ, um sich in der Stadt zu ergehen, so hatte man für einen Monat Gesprächsstoff, sowohl über ihre Schönheit, ihren reichen und geschmackvollen Schmuck, ihr stolzes Wesen und ihre Liebenswürdigkeit, wie auch über das große Gefolge von Anbetern und vornehmen Herren, die sie wie Sklaven begleiteten, was sie ruhig hinnahm. Und die fremden Gesandten berichteten, wenn sie in ihre Provinzen zurückkehrten, lieber von der Schönheit und Eigenart dieser Flora, als von der Größe der römischen Republik. Besonders wußten sie ihre große Freigebigkeit, im Gegensatz zu andern solchen Damen, zu rühmen. Sie stand ja auch wirklich über dem Gewöhnlichen, da sie von edler Abkunft war.

Als der Tod sie abrief, war sie so begütert, daß der Wert ihres Geldes, ihres Hausrats und ihrer Kleinodien hinreichte, die Mauern Roms wieder aufzubauen und die Republik von der Ausgabe zu entlasten. Sie setzte das römische Volk zu ihrem Haupterben ein, und deshalb wurde ihr zu Ehren in Rom ein prachtvoller Tempel erbaut, der nach ihrem Namen der Florianische Tempel hieß.

Das erste Fest, welches der Kaiser Galba feierte, war das der verliebten Flora, wobei es den römischen Männern und Frauen erlaubt war, jede nur erdenkliche Ausschweifung zu begehen. Diejenige, die an diesem Tage die Schamloseste und Ausschweifendste war, trug den meisten Ruhm davon.

[209] Man stelle sich vor, daß weder der Fiscagnatanz (den die maurischen Kammermädchen und Sklaven zu Malta Sonntags vor aller Welt tanzen), noch eine Sarabande den üppigen Bewegungen und Windungen und den unzüchtigen Stellungen ihres Körpers nahekommen. Je Zügelloseres eine Dame erdenken konnte, desto höher wurde sie geschätzt, so daß die Römer der Meinung waren, wer zum Tempel dieser Göttin mit den zuchtlosesten Gebärden ginge, würde gerade soviel Glück und Reichtum ernten wie einst Flora selbst.

Das war in der Tat eine schöne Meinung und eine prächtige Festfeier! Aber es waren ja Heiden. Und man darf nicht zweifeln, daß sie keine Art von Üppigkeit dabei vergaßen. Diese guten Damen werden auch lange vorher ihre Lektion einstudiert haben, gerade so wie unsere Frauen ein Ballet, und sich der Sache mit Eifer hingegeben haben. Die jungen Leute, ja selbst die alten, waren denn auch fleißig dahinter her, dieses unzüchtige Schauspiel zu sehen. Wenn man heute bei uns Ähnliches aufführen könnte, so würde jeder seinen Genuß davon haben, und es würde bei dem Schauspiel ein lebensgefährliches Gedränge abgeben.

Darüber könnte man noch alles Mögliche sagen; ich überlasse es jedoch den Liebhabern. Man lese Suetonius, den Griechen Pausanias und den Lateiner Manilius; in ihren Schriften über die berühmten, galanten und berüchtigten Frauen wird man alles finden.

Nun noch eine Geschichte und dann Schluß.

Man liest, daß die Lazedämonier einst Messena belagern wollten, die Messenier ihnen aber zuvorkamen; diese brachen zuerst auf und zogen nach Lazedämon in der Absicht, es zu überrumpeln und zu plündern, während die Einwohner sich vor der Stadt belustigten. Sie wurden jedoch von den Frauen, die zurückgeblieben waren, tapfer zurückgeschlagen und verjagt Als die Lazedämonier dies erfuhren, kehrten sie schleunigst nach ihrer Stadt zurück. Aus der Ferne sahen sie ihre Frauen, die den Feind verfolgt hatten, in [210] Waffen starrend und wurden ganz bestürzt. Aber die Frauen gaben sich alsbald zu erkennen und erzählten ihr Abenteuer. Darüber gerieten die Männer so in Freude, daß sie die Frauen küßten, umarmten und liebkosten, derartig, daß sie alle Scham beiseite setzten und sich garnicht erst die Zeit nahmen, die Frauen zu entwaffnen und selbst die Waffen abzulegen. Gleich auf der Stelle machten sie sich wacker über die Frauen her, wobei man denn Verschiedenes zu sehen und, zwischen dem Waffenklirren, auch zu hören bekam. Zur Erinnerung an dieses Ereignis erbauten sie der Göttin Venus einen Tempel mit ihrem Bildnis, genannt die Venus in Waffen, im Gegensatz zu den andern Aphroditen, die nackt dargestellt werden. – Das war ein ergötzlicher Beischlaf und eine hübsche Idee, die Venus in Waffen zu malen und sie so zu benennen.

Unter Kriegern kommt es zwar oft vor, besonders bei der Einnahme von Städten, daß Soldaten in Waffen die Frauen gebrauchen, da sie sich keine Zeit nehmen, erst die Waffen abzulegen; denn sie sind viel zu begierig, ihre Lust zu stillen. Aber selten dürfte man sehen, daß ein bewaffneter Soldat einer bewaffneten Frau beiwohnt. Man kann sich den Genuß denken, den dieser eigenartige geheimnisvolle Anblick und der Klang der Waffen bietet, sowohl den Beteiligten, wie den Zuschauern.

Doch genug; kommen wir zum Schluß. Ich hätte diese Abhandlung noch durch mehr Beispiele bereichern können; aber ich fürchte, wenn ich zu üppig werde, könnte ich meinen guten Ruf einbüßen.

Nur muß ich, nachdem ich die schönen Frauen so hoch gelobt habe, von einem Spanier berichten, der mir eines Tages eine Frau schilderte, die er nicht leiden konnte. Er sagte mir: Señor, vieja es como la lampada azeytunada d'iglesia, y de hechura del armario, larga y desvayada, el color y gesto como mascara mal pintada, el talle como una campana o mola de molino, la vista como idolo del tiempo antiguo, el andar y vislon d' una antigua fantasma [211] de la noche, que tanto tuviese encontrar la de noche, como ver una mandragora. Iesus! Iesus! Dios me libre de su mal encuentro! No se contenta de tener en su casa por huesped al provisor del obisbo, ni se contenta con la demasiada conversacion del vicario ni del guardian, ni de la amistad antigua del dean, sino que agora de nuevo ha tomado al que pide para las animas del purgatorio, para acabar su negra vida: Das heißt: »Sehen Sie, mein Herr, sie ist wie eine alte tranige Kirchenlampe, und ihr Körper gleicht einem großen, schlecht gebauten Schrank, ihre Gesichtsfarbe einer schlecht gemalten Maske, ihre Taille einer Klosterglocke oder einem Mühlstein, das Gesicht einem Götzenbild der alten Zeit, ihr Blick und Gang einem alten Nachtgespenst, so daß ich, wenn ich ihr des Nachts begegnen würde, sie für eine Alraunwurzel halten könnte. Jesus! Jesus! Gott schütze mich vor ihrer Begegnung! Sie begnügt sich weder damit, den Verwalter des Bischofs als Gast im Hause zu haben, noch mit dem übermäßigen Umgang mit dem Vikar und dem Pater Guardian, noch mit der alten Freundschaft des Dekans, sondern sie hat jetzt auch noch von neuem jemanden angenommen, der für die Seelen im Fegefeuer betet, um ihr schwarzes Leben zu beenden.«

Jener Spanier, der die dreißig Schönheiten des Weibes so gut geschildert hat, wie ich oben in dieser Abhandlung zeigte, versteht also auch, wenn er will, die Häßlichkeit zu malen.

3. Abhandlung. Von dem schönen Bein und seinen Reizen

[212] Dritte Abhandlung.
Von dem schönen Bein und seinen Reizen.

Unter andern Schönheiten, die ich öfter unter uns Hofherren als besonders zur Liebe reizend, rühmen hörte, wird ein schönes Bein bei einer schönen Dame sehr hoch geschätzt Viele Damen, die ich sah, waren stolz auf ihr schönes Bein und bemüht, es in seiner Schönheit zu erhalten. Unter andern hörte ich von einer mir bekannten großen Fürstin, daß sie eine ihrer Damen vor allen andern liebte und auszeichnete, nur weil diese ihr die Strümpfe so straff anzog, sie dem Schienbein so gut anpaßte und das Strumpfband so hübsch zu binden verstand wie keine andre. Deshalb stand sie sehr bei ihr in Gunst und empfing dafür sogar Geschenke von ihr. Da die Dame nun so viel Pflege auf ihr schönes Bein verwendete, ist anzunehmen, daß sie es nicht tat, um es unter ihren Röcken zu verbergen, sondern es öfter zur Schau zu stellen mit hübschen Strümpfen aus Gold- oder Silberstoff, die sie gewöhnlich trug; denn man hat ja viel mehr Vergnügen davon, wenn man so etwas auch andere sehen läßt.

Diese Dame konnte sich auch nicht damit entschuldigen, daß sie es nur, um ihrem Gatten zu gefallen, täte, was die meisten sagen, und sogar die Alten, wenn sie sich trotz ihres Alters prächtig herausputzen; denn die Dame war Witwe. Allerdings tat sie es schon bei Lebzeiten ihres Gatten und wollte, nachdem sie ihn verloren, nicht damit aufhören.

[213] Ich habe viele schöne, achtbare Damen und Mädchen gekannt, die ebenso beflissen waren, ein schmuckes, reizendes Bein zu besitzen; und sie hatten recht, denn es liegt darin ein größerer sinnlicher Reiz, als man denkt.

Ich hörte von einer sehr großen Dame aus der Zeit Königs Franz, die sehr schön war. Sie hatte ein Bein gebrochen und ließ es sich wieder einrichten; aber es fiel nicht zu ihrer Zufriedenheit aus, da es schief stand. Kurz entschlossen ließ sie es sich von dem Chirurgen noch einmal brechen und es sich so einrenken, wie es gewesen war. Irgend eine Dame verwunderte sich darüber und erhielt von einer andern schönen Dame, die etwas von der Sache verstand, zur Antwort: »Ich sehe, daß Sie gar keine Ahnung haben, was für ein Liebreiz in einem schönen Bein liegt«

Ich kannte einst eine sehr hübsche und anständige junge Frau der großen Welt, die in einen Grandseigneur verliebt war. Eines Tages, als sie sich in der Allee eines Parkes befand, sah sie ihn kommen, und um ihn zu reizen, tat sie, als ob ihr Strumpfband sich gelöst hätte. Sie stellte sich ein wenig beiseite, hob das Bein, zog den Strumpf in die Höhe und befestigte das Strumpfband. Der Herr beobachtete sie und fand das Bein sehr schön. Er verlor sich so in den Anblick, daß dieser einen größeren Eindruck auf ihn machte als ihr hübsches Gesicht. Denn er schloß, daß die beiden schönen Säulen auch ein schönes Gebäude tragen müßten. Später gestand er dies seiner Herrin, und diese gewährte ihm nun seinen Willen. Man beachte diesen hübschen Kunstgriff!

Ich hörte auch von einer schönen und achtbaren Dame erzählen, die sehr geistvoll und von heiterer Laune war. Als sie sich eines Tages von ihrem Kammerdiener die Strümpfe anziehen ließ, fragte sie ihn, ob ihn das nicht in Aufregung und Versuchung bringe. Der Diener glaubte [214] es gut zu machen und sagte aus Respekt vor seiner Herrin: Nein. Da erhob sie die Hand und gab ihm eine gehörige Ohrfeige: »Fort,« rief sie, »nicht länger bist du mehr in meinem Dienst. Du bist ein Einfaltspinsel und kannst gehen!«

Viele Kammerdiener von heute sind nicht so zurückhaltend, wenn sie ihre Herrin ankleiden und ihr die Strümpfe anziehen helfen. Aber auch Edelleute werden sich nicht so benehmen, wenn sie solche Reize sehen.

Nicht erst seit heute schätzt man die Schönheit des Beins und des Fußes; sondern aus den Zeiten der alten Römer lesen wir, daß Lucius Vitellius, Vater des Kaisers Vitellius, der sich in Messalina verliebt hatte und der durch ihre Vermittlung bei ihrem Gatten in Gunst stehen wollte, sie eines Tages bat, ihm die Ehre einer Gunst zu erweisen. Die Kaiserin fragte ihn: »Und welche?« »Möchtet Ihr gestatten,« sagte er, »daß ich Euch die Sandalen ausziehe.« Messalina, die gegen ihre Untertanen sehr höflich war, verweigerte ihm diese Gunst auch nicht. Nachdem er ihr die Schuhe ausgezogen, behielt er einen davon und trug ihn stets bei sich unter dem Hemde auf dem Leibe; er küßte ihn, so oft er konnte und betete den schönen Fuß seiner Dame in diesem Schuh an, da er den Fuß und das Bein selbst nicht zur Verfügung hatte.

Jener Mylord aus England in den »Hundert Novellen« der Königin von Navarra trug ebenso den Handschuh seiner Geliebten bei sich. Ich kannte viele Edelleute, die, bevor sie ihre Seidenstrümpfe selbst anzogen, ihre Geliebte baten, sie vorher acht oder zehn Tage lang zu tragen; dann zogen sie sie zum großen Genuß für Leib und Seele selber an.

Ich kannte einen Herrn der feinen Welt, der sich auf der Heimreise mit einer vornehmen Dame von großer Schönheit auf der See befand. Während nun ihre Dienerinnen seekrank waren, und sie deshalb nicht gut bedienen konnten, [215] wurde das ein Glück für ihn, indem er ihr beim Aufstehen und Zubettgehen aufwarten konnte. Bei diesen Dienstleistungen verliebte er sich dermaßen in sie, daß er ganz den Kopf verlor. Und wer sollte auch bei einer solchen Verführung kalt bleiben?

Wir lesen von der Gemahlin Neros, Poppäa Sabina, seiner Lieblingsfrau, daß sie, außer einer Unmenge von Schmuck und Zierat, Schuhe trug, die ganz aus Gold waren. Aber diese Bekleidung verbarg weder ihren Fuß noch ihr Bein vor den Blicken Neros, der auch ein Hahnrei war; er hatte nicht allein den Genuß von diesem Anblick, sondern andre hatten ihn auch. Sie konnte sich diese Seltenheit ja gestatten, ließ sie doch die Hufe der Stuten, die ihren Wagen zogen, mit silbernen Eisen beschlagen.

Der heilige Hieronymus tadelt heftig eine Dame seiner Zeit, die auf die Schönheit ihres Beines gar zu stolz war; er sagt: »Mit ihren kleinen braunen Stiefeln, die so knapp sitzen und blank sind, dient sie den jungen Leuten als Köder, und durch den Klang der Schnallen lockt sie sie an.« Es war dies eine damals gebräuchliche sehr kokette Fußbekleidung, die sich für sittenstrenge Frauen nicht schickte. Derartige Schuhe sind heute noch bei den türkischen Frauen in Gebrauch, und werden von den vornehmsten und keuschesten getragen.

Ich habe die Frage aufstellen hören: welches Bein ist verführerischer, das nackte oder das bekleidete? Manche meinen, die reine Natur wäre das Schönste, wenn das Bein, im Sinne des früher zitierten Spaniers, vollendet geformt ist, wenn es weiß und glatt ist und in einem hübschen Bett zur Erscheinung kommt. Denn wenn anders eine Dame das Bein ganz nackt zeigen wollte, indem sie umhergeht mit Pantoffeln an den Füßen, so würde sie, sei sie sonst auch noch so prächtig gekleidet, doch nicht hübsch und anständig gefunden werden. Dann schon eher eine Frau mit schönen bunten Strümpfen aus Seide oder weißem Gewebe, wie man es in Florenz für die Sommertracht herstellt [216] Solche Strümpfe sah ich früher unsre Damen tragen, bevor die Seidenstrümpfe so sehr in Aufnahme kamen. Der Strumpf muß auch so straff gespannt sein wie ein Trommelfell und mit einer Spange befestigt werden, oder wie es sonst den Damen beliebt. Ferner gehört dazu ein feiner weißer Schuh oder Pantoffel aus schwarzem oder farbigem Sammet, oder ein hübscher kleiner Absatzschuh, wie ich ihn bei einer sehr vornehmen Dame sehr zierlich und fein gesehen habe.

Aber auch die Schönheit des Fußes verdient Beachtung. Wenn er zu groß ist, ist er nicht schön. Wenn er gar zu klein ist, so erweckt er keine allzu gute Meinung von der Dame, da es heißt; »petit pied, grand con.« Und das ist nicht angenehm. Am besten ist die Mittelgröße, wie ich solche Füße sehr verführerisch wirken sah, wenn die Damen sie halb unter dem Unterrock sehen ließen, in unruhiger, lasziver Bewegung, und bedeckt mit einem hübschen kleinen Hackenschuh, weiß, spitz und ja nicht breit vorne. Weiß ist er am schönsten. Aber diese kleinen Schuhe sind nur für die großen und hohen Frauen, nicht für die kurzen und kleinen, deren große Schuhe für zwei Füße passen. Das gleicht dann schon eher der Keule eines Riesen oder dem Schellenstab eines Narren.

Vor einer andern Sache soll sich ein Weib hüten, nämlich: ihr Geschlecht nicht entstellen und sich nicht als Knabe verkleiden. Denn mag sie auch das schönste Bein der Welt haben, so sieht es doch ungestaltet aus, da jedem Ding seine besondere Eigenheit zukommt. Verleugnet also eine Frau ihr Geschlecht, so entstellt sie ihre natürliche Schönheit und Anmut.

Deshalb steht es einer Frau nicht wohl an, wenn sie sich als Mann verkleidet, in der Meinung, sich dadurch schöner zu zeigen; höchstens könnte sie sich durch einen hübschen Hut mit Feder ä la Guelfe oder Ghibelline »adonisieren«, [217] oder auch die Feder vorn auf der Stirn tragen, wie es seit einiger Zeit unsre Damen aufgebracht haben. Es kleidet aber nicht allen; man muß dazu ein besonderes knabenhaftes Gesicht haben, wie unsre Königin von Navarra. Diese brauchte sich nur ein wenig männlich zu kleiden und man konnte schwer sagen, zu welchem Geschlecht sie gehörte, ob sie ein hübscher Knabe oder eine sehr schöne Dame sei.

Ich erinnere mich einer Frau der vornehmen Welt, die ich kannte und die ihr im Alter von 25 Jahren nachahmen wollte. Sie war aber zu groß gebaut und hatte männliche Formen. Erst kürzlich an den Hof gekommen, wollte sie den Galan spielen und erschien eines Tages als solcher im Ballsaal. Es wurden viele spitze Bemerkungen über sie gemacht, auch vonseiten des Königs, der sofort sein Urteil über sie fällte, denn er war der wortgewandteste Mann seines Reichs. Er sagte, sie gliche einer Gauklerin oder Seiltänzerin vom Markt oder besser gesagt, einem jener Frauenbilder, die man aus Flandern herüberbringt und vor den Kaminen der Gasthäuser aufhängt, mit einer deutschen Flöte im Munde. Wenn sie noch öfter in dieser Gewandung und Haltung erscheinen würde, sagte er, so wollte er ihr raten, mit ihrer Flöte der edlen Gesellschaft ein Ständchen zu geben. So machte er sich über sie lustig, sowohl weil ihr Aufputz sie schlecht kleidete, wie auch wegen eines Hasses, den er gegen ihren Mann hegte.

Derartige Verkleidungen stehen also nicht allen Damen gut. Denn wenn die Königin von Navarra, die die schönste Frau der Welt ist, sich anders mit ihrer Mütze hätte verkleiden wollen, würde sie niemals so schön erschienen sein, wie sie ist. Was für eine schönere Gestalt hätte sie auch annehmen können, als die ihrige war? Und wenn sie ihr Bein, das ich von ihren Frauen als das schönst geformte [218] der Welt schildern hörte, anders als nach der Natur, oder auch hübsch bekleidet unter ihren schönen Gewändern hätte zeigen wollen, so würde man sie niemals so schön gefunden haben. So müssen die schönen Frauen ihre Reize zur Schau tragen.

Ich las in einem spanischen Buche, betitelt »El viaje del Principe« – es war die Reise, die der König von Spanien in seinen Niederlanden unternahm, zur Zeit des Kaisers Karl, seines Vaters – daß eins der schönsten Erlebnisse in den reichen und prächtigen Städten dasjenige war, welches die Königin von Ungarn ihm in ihrer schönen Stadt Bains verschaffte, wovon das Sprichwort sagt: »Mas brava que las fiestas de Bains«.

Unter andern Herrlichkeiten gab es die, daß sie während der Schein-Belagerung eines Schlosses (ich werde es an anderer Stelle beschreiben) eines Tages ihrem guten Bruder dem Kaiser, der Königin Eleonore, ihrer Schwester, dem König ihrem Neffen und allen Herren, Kavalieren und Damen des Hofes ein Fest gab. Gegen Ende des Festmahls erschien eine Dame, begleitet von sechs Bergnymphen, in antiker Kleidung nach Art der Jägerinnen, alle in grünem Silberschleier mit einem Halbmond auf der Stirn, der ganz mit Diamanten besetzt war, um den Schimmer des Mondes nachzuahmen. Jede trug Bogen und Pfeile in der Hand, einen prächtigen Köcher an der Seite und an den Füßen reizende Schuhe aus Silbertuch. So traten sie in den Saal, hinter sich ihre Hunde, und legten vor dem Kaiser alle Arten Wildbret als ihre Jagdbeute auf die Tafel.

Darauf erschien Pales, die Göttin der Hirten, mit sechs weißgekleideten Nymphen, in Silberschleier, mit demselben Kopfschmuck, ganz mit Perlen besät, und mit silbernen Strümpfen und weißen Schuhen. Sie brachten alle Arten Milchspeisen mit und setzten sie dem Kaiser vor.

[219] Als dritte Gruppe kam die Göttin Pommona mit ihren Najaden, und brachte Früchte dar. Diese Göttin wurde von der Tochter der Doña Beatrix Pacebo, Komtesse von Antremont, Ehrendame der Königin Eleonore, dargestellt, die damals erst neun Jahre alt sein konnte. Heute ist sie die zweite Gemahlin des Herrn Admirals von Chastillon. Sie überreichte die schönsten Früchte des Sommers dem Kaiser mit einer so beredten und anmutsvoll vorgebrachten Ansprache, daß sie den Kaiser und die ganze Gesellschaft entzückte, und man ihr schon damals in ihrem zarten Alter weissagte, das zu werden, was sie heute ist: eine schöne kluge, anständige, tugendhafte, geschickte und geistvolle Frau.

Sie war ebenso wie die andern Nymphen in weißen Silberschleier gekleidet, ihr Haar war mit Edelsteinen geschmückt, lauter Smaragden, die zum Teil die Farbe der dargebrachten Früchte darstellen sollten. Außer diesen Gaben überreichte sie dem Kaiser und dem König von Spanien einen Siegeszweig aus grünem Email, der mit Perlen und Edelsteinen besetzt war, was einen köstlichen Anblick bot. Der Königin Eleonore reichte sie einen Fächer mit einem Spiegel darin, geschmückt mit Steinen von großem Wert.

Sicherlich, diese Königin von Ungarn bewies, daß sie in allen Dingen eine vornehme Frau war und die Belustigung ebensowohl verstand wie das Kriegshandwerk. Und ich hörte, ihr Bruder, der Kaiser, hätte sich sehr gefreut, eine Schwester zu besitzen, die seiner so würdig war.

Nun könnte man mir vorhalten, weshalb ich denn diese Abschweifung gemacht hätte. Es geschah, um zu sagen, daß alle diese Mädchen, die die Nymphen darstellten, aus den schönsten ausgewählt waren, die die Königinnen von Frankreich und von Ungarn und Madame von Lothringen besaßen. Es waren Mädchen aus Frankreich, Italien, Holland Deutschland und Lothringen, und auch die Königin von Ungarn hatte ihr Möglichtes getan, die anmutigsten auszulesen.

[220] Madame von Fontaine-Chalandry, die noch am Leben ist, weiß davon zu berichten; sie gehörte damals zum Gefolge der Königin Eleonore und war eines der schönsten Mädchen; man nannte sie auch die schöne Torcy. Sie hat mir viel davon erzählt, und von ihr und andern weiß ich, daß die Edelleute und Kavaliere an diesem Hofe mit Vergnügen die schönen Beine und hübschen kleinen Füße dieser Damen betrachteten. Denn in ihrer Nymphentracht waren sie sehr hoch geschürzt und boten so ein prächtiges Schauspiel, noch mehr als durch ihre hübschen Gesichter, die man alle Tage sehen konnte, was bei ihren schönen Beinen nicht der Fall war. In diesen Anblick verliebten sich nun manche viel mehr als in das hübsche Antlitz. Denn schöne Säulen pflegen gewöhnlich auch ein schönes Kapital und ein prächtiges Gesims zu tragen.

Ja, ich muß noch eine Abschweifung machen und meiner Laune folgen, da wir nun einmal von solchen Schauspielen und Darstellungen reden. Fast zur selben Zeit, als diese schönen Feste in den Niederlanden und zumal in Bains zu Ehren des Königs von Spanien stattfanden, erfolgte der Einzug des Königs Heinrich in Lyon, auf seinem Besuch Piemonts und seiner Garnisonen. Es soll, wie ich von dabei anwesenden Damen und Herren hörte, ein herrlicher Triumphzug gewesen sein.

Wurde nun schon die Darstellung der Diana und ihrer Jagd auf dem Feste der Königin von Ungarn prächtig gefunden, so erfolgte zu Lyon eine noch viel schönere. Denn auf dem Wege, den der König nahm, empfing ihn ein großer antiker Obelisk, und zur Seite des Weges rechter Hand befand sich eine Wiese, etwa sechs Fuß durch Mauerwerk erhöht; sie war bepflanzt mit Bäumen mittlerer Größe, dazwischen dichte Gebüsche, abwechselnd mit Obstbäumen. In diesem kleinen Walde tummelten sich eine Menge kleiner zahmer Hirsche und Rehe. Dann vernahm Seine Majestät den Klang von Hörnern und Trompeten, und alsbald sah er durch den Wald Diana mit ihren Jagerinnen [221] daherschreiten. In der Hand hielt sie einen reich mit Türkisen verzierten Bogen, zur Seite hing der Köcher. Sie war nach antiker Mode als Nymphe gekleidet: um den Leib trug sie einen halblangen Mantel aus sechs großen runden Stücken von dunkelm Goldstoff, besät mit silbernen Sternen, die Ärmel und das Übrige aus karmoisinrotem Atlas mit Goldborte. Das Gewand war bis zur Hälfte des Beines hochgeschürzt und ließ ihre schöne Wade und ihre antiken Schuhe aus rotem Atlas mit Perlenstickerei sehen. Ihre Haare waren mit dicken Perlenschnüren durchflochten und mit wertvollen Edelsteinen besteckt. Auf der Stirn flimmerte ein kleiner silberner Halbmond mit lauter kleinen Diamanten; denn von Gold würde es nicht so schön und natürlich gewesen sein, da der Schein des Mondes silbern ist.

Ihre Gefährtinnen trugen Gewänder von verschiedenem Schnitt aus golddurchwirktem Stoff, alles im antiken Geschmack; Strümpfe und Schuhe aus Atlas, das Haupt mit Perlen und Steinen geschmückt.

Einige führten kleine Windspiele und andre Hunde an der Koppel mit Schnüren von weißer Seide; das waren die Farben des Königs zu Ehren einer Dame mit Namen Diana, die er liebte, Andre begleiteten den Zug und trieben die Hunde an, die lustig bellten. Einige trugen kleine Pfeile aus Brasilienholz mit vergoldeter Eisenspitze und hübschen kleinen Quasten aus weißer und schwarzer Seide. Die gebogenen Trompeten und Hörner aus Gold und Silber hingen an Schärpen aus silbernen und schwarzen Seidenschnüren.

Sobald sie den König erblickten, erschien aus dem Walde ein lange vorher gezähmter Löwe, der sich der Göttin schmeichelnd zu Füßen legte. Diese nahm das sanfte Tier mit einer starken Schnur aus schwarzer Seide und führte es zum König. Bis zum Rand der Mauer an der Seite des Weges vortretend, hielt sie einen Schritt vor dem König an und bot ihm den Löwen mit einer Ansprache [222] in Versen dar, einem Zehnzeiler, wie man sie in damaliger Zeit verfaßte. Mit diesen wohlklingenden, und anmutig gesprochenen Reimen empfahl sie ihm in dem Bilde des sanften Löwen die Stadt Lyon, die ebenso sanft und gehorsam seinen Gesetzen und Befehlen folge.

Hierauf verneigten sich Diana und ihre Gefährtinnen ehrfurchtsvoll vor dem König, der sie wohlwollend ansah und ihnen aus vollem Herzen dankte; dann setzte er seinen Einzug fort. Diese Diana und ihre Gefährtinnen waren die schönsten verheirateten Frauen, Witwen und Mädchen von Lyon, wo kein Mangel an Schönheiten ist. Und sie führten ihr Schauspiel so reizend auf, daß die Mehrzahl der Prinzen, Edelleute und Höflinge hingerissen waren. Ich überlasse es Ihnen zu beurteilen, ob sie recht hatten.

Madame von Valentinois, genannt Diana von Poitiers, die der König verehrte und unter deren Namen diese Jagd stattfand, war nicht weniger erfreut darüber und hegte ihr Lebelang eine große Vorliebe für die Stadt Lyon. Übrigens war sie auch deren Nachbarin, denn das Herzogtum Valentinois liegt ganz in der Nähe.

Da wir nun einmal dabei sind, von dem Entzücken zu sprechen, das der Anblick eines schönen Beins gewährt, darf man es glauben, daß nicht nur der König, sondern alle Herren des Hofes sich daran ergötzten, diese schönen, kurzgeschürzten Nymphen zu betrachten und Lust empfanden, in das zweite Stockwerk zu steigen, um ihrer Bewunderung für diesen reizenden Einfall Ausdruck zu geben.

Um aber von dieser Abschweifung zurückzukommen, sage ich, daß an unsern Höfen wunderhübsche Ballete aufgeführt wurden und zwar von unsern Königinnen, hauptsächlich von der Königinmutter. Gewöhnlich richteten wir Hofleute unsre Blicke auf die Füße und Beine der tanzenden Damen und entzückten uns an den verführerischen Bewegungen. Denn ihre Röcke waren kürzer als sonst, aber nicht, wie bei Nymphen, so hochgeschürzt, wie man hätte wünschen können. Trotzdem schlugen wir unsre Augen [223] ein wenig nieder, besonders wenn man die Volte tanzte, wobei die Röcke flogen und man stets etwas Hübsches zu sehen bekam, vorüber Einige ganz und gar in Entzücken gerieten.

Die schönen Damen von Siena bildeten im Anfang der Empörung ihrer Stadt und Republik, drei Rotten aus den schönsten und vornehmsten Frauen der Stadt. Jede Rotte bestand aus tausend, was also im ganzen eine Anzahl von dreitausend ausmachte. Der eine Trupp war violett gekleidet, der andre weiß, der dritte rosenrot Alle trugen sich nach Art der Nymphen sehr hoch geschürzt, so daß die schönen Beine und Waden zu sehen waren. So erschienen sie in der Stadt vor der Welt und sogar vor dem Herrn Kardinal von Ferrara und Herrn von Termes, Generalleutnants unsers Königs Heinrich. Alle versprachen, daß sie bereit wären, für die Republik und für Frankreich ihr Leben zu opfern und die Befestigung der Stadt in die Hand zu nehmen: sie trugen schon die Faschinen auf der Schulter. Dies setzte alle Welt in Erstaunen. Ich werde auf diese Geschichte noch zurückkommen, wo ich von den heldenmütigen Frauen spreche. Denn dies gehört mit zu dem Schönsten, was man von den galanten Damen berichten kann.

Jetzt will ich mich damit begnügen zu sagen, daß ich von mehreren Edelleuten und Soldaten, sowohl Franzosen wie Ausländern und auch von Einwohnern der Stadt gehört habe, daß man nie etwas Schöneres gesehen hätte; denn alles waren große Damen und hervorragende Bürgerinnen der genannten Stadt, eine immer schöner als die andre, wie Siena ja wegen seiner Schönheiten bekannt ist. Aber wenn es reizend war, ihre hübschen Gesichter zu sehen, so war es sicher auch ein Genuß, ihre schönen Beine und Waden zu betrachten, sowie die hübschen Strümpfe, da sie die Röcke ganz kurz wie Nymphen trugen, um besser ausschreiten zu können. Das mußte die kältesten entflammen. Dazu waren die kurzen Röcke noch nach antiker Mode an [224] der Seite geschlitzt, was den wollustvollen Reiz noch mehr erhöhte.

Aber was macht heutzutage die schönen Frauen und Mädchen der Insel Kios so liebreizend? Gewiß schon ihre natürliche Anmut, aber ebensowohl ihre prächtige Kleidertracht und besonders die sehr kurzen Röcke, die ihre schönen Beine, Waden und reizend beschuhten Füße sehen lassen.

Hier erinnere ich mich, daß einst am Hofe eine schöne, hochgewachsene Dame ein prachtvolles Tapetenwerk betrachtete, worauf Diana und die ganze Schar der Jagdjungfrauen dargestellt war, deren Gewänder die schönen Füße und Waden zur Schau stellten. Neben ihr stand eine Dame von sehr niedrigem Körperbau und während sie das Gewebe beschauten, sagte sie zu dieser: »Nun, Kleine, wenn wir uns auch so anzögen, würden Sie sehr dabei verlieren, denn Ihre Schuhe sind viel zu plump. Ihre Beine und Ihr Gang würde nicht so anmutig sein wie bei uns hochgewachsenen Frauen. Deshalb müßten Sie sich verstecken und lieber gar nicht zum Vorschein kommen. Danken Sie also der Jahreszeit und den langen Röcken, die wir tragen; sie kommen Ihnen zu statten. Denn Ihre Beine mit den Absatzschuhen von einem Fuß Höhe gleichen mehr einer Keule. Wenn jemand sich schlagen wollte und hätte keine Waffe zur Hand, so brauchte er nur Ihr Bein zu nehmen, damit könnte er tüchtig losschlagen.«

Diese Dame durfte wohl mit Recht so sprechen; denn der schönste Fuß der Welt verliert seinen Reiz, wenn er so plumpe Schuhe trägt. Entspricht dem Bein nicht ein Fuß in hübscher Bekleidung, so taugt die ganze Sache nichts. Manche Damen glauben durch diese großen und schweren Hackenschuhe ihre Figur zu erhöhen und dadurch liebreizender zu erscheinen; auf der andern Seite aber schädigen sie dadurch die Schönheit des Beins, welches dann immer noch im natürlichen Zustande besser ist als eine nachgemachte hohe Figur.

[225] Auch in früheren Zeiten besaß ein schöner Fuß einen so großen Wollustreiz, daß manche keusche und prüde Römerin, oder die es wenigstens sein wollte, den Fuß sorgfältig unter ihren langen Kleidern verborgen trug, damit man ihn ja nicht sehe. Noch heute ahmen manche Frauen in Italien dies nach und gehen so gemessen und vorsichtig, daß der Fuß niemals unter dem Kleide zum Vorschein kommt.

Das mag gut sein für die Sittenstrengen oder Scheinheiligen, die nicht verführerisch wirken wollen, meinetwegen; aber ich glaube, wenn sie die Freiheit hätten, würden sie gerne den Fuß, das Bein und noch anderes sehen lassen.

Ich kenne einen sehr galanten Edelmann, der einst zu Rheims bei der Salbung des letzten Königs das schöne mit weißem Seidenstrumpf bekleidete Bein einer verwitweten Dame von hoher Figur gesehen hatte, und zwar von unten auf der Tribüne, wo die der Feierlichkeit zuschauenden Damen standen. Er war davon so entzückt, daß er ganz toll vor Liebe wurde. Was das hübsche Gesicht nicht erreicht hatte, bewirkten die schönen Waden. Und diese Dame verdiente auch in allen Teilen die heiße Liebe eines achtbaren Edelmannes. Ich kannte mehr Männer von gleicher Empfindung.

So viel steht fest, der Anblick schöner Beine und Füße ist sehr gefährlich und bestrickend, und mich wundert, daß manche guten Schriftsteller, unsre Dichter wie auch andre, nicht soviel zu ihrem Lobe geschrieben haben, wie über andre Körperteile. Ich meinerseits hätte gern noch mehr geschrieben, aber ich befürchte, daß ich durch zu großes Lob den Vorwurf verdienen könnte, mich um die andern Körperteile nicht zu kümmern. Auch habe ich ja noch über andre Gegenstände zu schreiben und darf nicht zu lange bei ein und demselben verweilen.

Deshalb sage ich nur noch dies Eine: »Meine Damen, seien Sie um Gotteswillen nicht bestrebt, von größerer Figur erscheinen zu wollen, als ihre Beine es zulassen, die bei [226] einigen von Ihnen sehr schön sind; durch die hohen Absatzstiefel verderben Sie sich nur. Freilich müssen Sie Absätze tragen, aber nicht übertrieben hoch; das entstellt Sie mehr als Sie denken.«

Nun möge ein andrer, wer will, die übrigen Schönheiten der Frau rühmen, wie es manche Dichter tun; aber ein schönes Bein, eine fein geformte Wade und ein hübscher Fuß besitzen eine große Macht im Reich der Liebe.

4. Abhandlung. Von den älteren Damen

[227] Vierte Abhandlung.
Von den älteren Damen, die ebenso der Liebe pflegen wie die jungen.

Da ich schon früher von den älteren verliebten Damen gesprochen habe, so möchte ich ihnen diese Abhandlung widmen. Ich beginne sogleich: Eines Tages, als ich mich am spanischen Hofe befand und mit einer sehr achtbaren und schönen, freilich schon etwas gealterten Dame plauderte, sagte sie zu mir: »Ningunas damas lindas, ó á lo menos pocas, se hazen viejas de la cinta hasta abajo.« »Die schönen Damen, wenigstens einige, altern nicht vom Gürtel abwärts.« Ich fragte sie, wie sie das meine: ob sie sagen wollte, daß die Schönheit des Leibes vom Gürtel abwärts sich durch das Altern nicht vermindert, oder daß die Sinnlichkeit mit dem Alter nicht erkalte und erlösche. Sie antwortete: sie meine beides; »denn,« sagte sie, »von dem Stachel des Fleisches geneset man nicht anders als durch den Tod, obgleich es scheint, daß er im Alter weniger fühlbar wird. Denn jede schöne Frau liebt sich selbst in hohem Maße, aber nicht um ihretwillen, sondern wegen anderer; und sie gleicht durchaus nicht dem Narzissus, der so einfältig war, über seiner Liebe zu sich selbst jede andre Liebe zu verschmähen.«

Nein, eine schöne Frau denkt anders. So hörte ich von einer sehr schönen Dame erzählen, daß sie ganz verliebt in ihren eigenen Körper war und oft daran Vergnügen [228] fand, sich allein nackend im Bett in allen möglichen wolllüstigen Stellungen zu sehen. Sie verdammte ihr Schicksal, an einen Mann gefesselt zu sein, der eines so schönen Leibes nicht würdig war. Endlich entflammte sie durch dieses Selbstanschauen ihre Phantasie derartig, daß sie ihrer Keuschheit und ihrem Ehegelübde Valet sagte und sich einen neuen Liebhaber anschaffte.

So vermag die Schönheit das Feuer in einer Frau anzufachen; sie überträgt es dann auf andre, auf den Gatten oder den Geliebten, um es in Gebrauch zu setzen, wie denn ja eine Liebe die andre erweckt. Und sieht sie sich von jemandem umworben, so wird sie nicht lange zögern und sich hingeben. So sagte Laïs: Bei jeder Frau, die den Mund öffnet, um ihrem Freund ein süßes Wort zu sagen, öffnet sich auch das Herz.

Mehr noch, keine schöne Frau weist die Huldigung ab, die man ihr darbietet; und wenn sie erst einmal erlaubt, daß man ihre Schönheit, Liebenswürdigkeit und Anmut lobt, wie wir Höflinge es beim ersten Liebesangriff zu tun pflegen, dann tragen wir durch Ausdauer stets den Sieg davon.

Hat nun eine schöne Frau das Spiel der Liebe erst einmal versucht, so verlernt sie es nicht wieder, und die Fortsetzung ist ihr angenehm und süß; so wie man sich an eine gute Speise gewöhnt hat und nicht davon lassen will; ja, sie bekommt einem, sagen die Ärzte, je älter man wird, desto besser. So wird auch die Frau immer lüsterner nach der gewohnten guten Speise, je höher sie in die Jahre kommt.

Man sagt, daß mit dem Alter die Kräfte abnehmen, nur die der Liebe nicht, denn der Dienst der Venus in einem schönen, gemütlichen Bett ist sanft und ohne Anstrengung, das heißt: für die Frau; für den Mann ist es eine große Arbeit Er muß sich dieser Lust bald enthalten, so leid es ihm auch tut; die Frau aber, gleichviel welchen Alters, ist wie ein Ofen, der stets geheizt werden kann. Und sollte es ihr in späteren Jahren an Bewerbern fehlen, dann besitzt sie oft die Geldmittel, um ihren Bedarf zu decken. Jede [229] Ware, die etwas kostet, tut dem Käufer zwar leid, (worin Heliogabel freilich andrer Meinung war, der ein Gericht um so schmackhafter fand, je teurer es war), aber die Ware der Venus gefällt einem desto mehr, je mehr sie kostet, weil das Vergnügen ihrer Benutzung ein großes ist, und man kann mit dem Pfunde, das man in der Hand hat, dreifach, ja zehnfach wuchern.

Eine spanische Courtisane rief zwei tapfern Kavalieren, die ihr Haus verließen, um sich ihretwegen zu duellieren, aus dem Fenster zu: »Señores, mis amores se ganan con oro y plata, non con hierro.« »Meine Liebe gewinnt man mit Gold und Silber, aber nicht mit Eisen.«

So ist also jede gut bezahlte Liebe eine gute Sache. Viele Damen und Kavaliere, die solche Händel getrieben haben, wissen davon zu reden. Beispiele von Damen anzuführen, die in ihrem Alter ebenso wie in der Jugend in Liebe erglühten, wäre eigentlich überflüssig, da ich bereits an andrer Stelle öfter davon gesprochen; dennoch muß ich hier einige erwähnen, da der Gegenstand es verlangt.

Ich hörte von einer großen Dame, die eines Tages einen jungen Edelmann sah, der sehr weiße Hände besaß, und ihn fragte, woher das käme. Er antwortete, lachend und im Scherz, das käme daher, weil er sie so oft mit Sperma wüsche. »Da bin ich schlimmer daran,« versetzte die Dame, »denn ich wasche nun bereits seit sechzig Jahren meine Vulva damit,« (sie sagte das Wort geradeheraus), »und sie ist noch genau so schwarz wie früher. Und dabei wasche ich sie doch alle Tage damit«.

Ich hörte von einer ziemlich betagten Frau, die sich wieder verheiraten wollte und eines Tages einen Arzt befragte, indem sie ihre Absicht damit begründete, daß seit ihrer Witwenschaft ihre Natur übermäßig feucht sei, was zu Lebzeiten ihres Gatten, infolge fleißiger Übungen, nicht der Fall gewesen war. Der Arzt ein lustiger Schelm, riet ihr, um ihr einen Gefallen zu tun, zu einer neuen Heirat, die das Übel schon beseitigen würde; denn die Trockenheit [230] wäre in der Tat besser als die Feuchtigkeit Die Dame, so betagt sie auch war, befolgte den Rat sehr gründlich, das heißt, sie nahm einen Gatten und dazu einen neuen Liebhaber, der sie sowohl ihres Geldes wie des Vergnügens wegen sehr liebte. Es gibt eben viele ältere Frauen, mit denen die Liebe ebenso viel, ja noch mehr Vergnügen macht als mit jungen, weil jene in der Liebenskunst erfahrener sind.

Die Courtisanen Roms und Italiens überhaupt haben für ihre alten Tage den Grundsatz: »Una gallina vecchia fa miglior brodo che un' altra«

Horaz erwähnt eine Alte, die bei der Beiwohnung so stürmische Bewegungen machte, daß nicht nur das Bett, nein, das ganze Haus zitterte. Die Alte war gut! Die Lateiner nennen ein derartiges Bewegen; sabare a sue, d.h. nach Art eines Mutterschweins.

Vom Kaiser Caligula lesen wir, daß er von all seinen Frauen besonders Cezonnia liebte, nicht wegen ihrer Schönheit, die sie besaß, noch wegen ihres blühenden Alters, das schon vorüber war, sondern wegen ihrer großen Unzüchtigkeit und ihrer vortrefflichen Künste, worin sie alle jungen übertraf. Sie mußte ihm als Mann gekleidet und bewaffnet mit zum Heere folgen und neben ihm zu Pferde sitzen. Ja, er zeigte sie öfter seinen Freunden ganz nackend und ließ sie ihre gewandten Künste vorführen.

Das Alter mußte also in keiner Weise ihre Begehrlichkeit vermindert haben, weil sie ihm solche Liebe einflößte. Aber trotz seiner Leidenschaft für sie konnte er sich doch oft, wenn er ihren schönen Busen berührte, nicht enthalten, in seiner blutdürstigen Weise zu sagen: »Das ist eine schöne Brust, aber es steht in meiner Macht, sie abzuschneiden.« Die arme Frau wurde später gleichzeitig mit ihm von einem Soldaten mit dem Schwert durchbohrt, und ihr Töchterchen, das doch schuldlos war an der Schlechtigkeit seines Vaters, wurde an einer Wand zerschmettert.

[231] Von Julia, der Stiefmutter des Kaisers Caracalla, liest man, daß sie eines Tages fast unabsichtlich bis zur Hälfte des Körpers nackt war; als Caracalla sie sah, sagte er weiter nichts als: »Ah! ich möchte wohl, wenn ich dürfte!« Sie entgegnete sofort: »Bitte! Du bist ja Kaiser und gibst die Gesetze, statt dir Vorschriften machen zu lassen!« Auf dieses bereitwillige Wort hin heiratete er sie.

Fast dieselbe Antwort empfing einer unsrer drei letzten Könige, den ich nicht nennen will. Er war in eine sehr schöne und ehrenwerte Dame verliebt, und nachdem er ihr die ersten Liebesworte gesagt, gab er ihr eines Tages seinen Wunsch in längerer Rede zu verstehen, die ein sehr gewandter Edelmann, den ich kenne, ihr überbrachte und sein Möglichstes tat, sie zu überreden. Sie, die durchaus nicht dumm war, verteidigte sich so gut sie konnte mit vielen Gründen, ohne besonders den großen, oder besser gesagt, den kleinen Ehrenpunkt zu vergessen. Kurz, endlich fragte der Edelmann, was er denn nun dem König antworten solle. Nach einigem Nachdenken rief sie plötzlich wie verzweifelt: »Was Sie ihm sagen sollen? Nun, nichts anderes, als daß man seinem König und Gebieter nichts abschlagen darf; denn er besitzt die Macht, zu befehlen und braucht nicht erst zu bitten.« Der Edelmann begnügte sich mit dieser Antwort und überbrachte sie dem König, der die Gelegenheit beim Schöpfe faßte und die Dame in ihrem Zimmer aufsuchte. Sie wurde dann ohne großen Kampf besiegt. Die Antwort war gut, und obwohl man sagt, daß es nicht wohlgetan sei, sich mit einem König einzulassen, so hat eine Frau doch keinen Schaden davon, wenn sie sich in solchem Falle nur klug benimmt.

Um noch einmal auf jene Julia zurückzukommen, so war sie doch eigentlich eine Dirne, weil sie denjenigen zum Gatten nahm, der einige Zeit vorher ihren eigenen Sohn an ihrer Brust getötet hatte. Ja, sie war von sehr niedriger Gesinnung. Immerhin ist es aber verführerisch, eine Kaiserin zu sein, und um solcher Ehre willen kann man sich leicht [232] vergessen. Diese Julia wurde übrigens von ihrem Gemahl sehr geliebt, trotzdem sie schon hoch bei Jahren war; ihre Schönheit hatte sie aber noch nicht eingebüßt.

Filippo-Maria, der dritte Herzog von Mailand, vermählte sich in zweiter Ehe mit Beatricina, der bereits sehr betagten Witwe des Facin Cane. Sie brachte ihm aber vierhunderttausend Taler mit in die Ehe, außer allen andern Kostbarkeiten, deren hoher Wert für ihr Alter entschädigte. Sie wurde jedoch später von ihrem Gatten verdächtigt, noch anderswo Liebe zu suchen, und mußte deshalb den Tod erleiden. Man sieht aber, daß sie im Alter nicht den Geschmack an der Liebe verloren hatte, dank der langen Übung, die sie darin besaß.

Konstanze, Königin von Sizilien, die seit ihrer Jugend im Kloster ihr Leben in Keuschheit hingebracht hatte, trat im Alter von fünfzig Jahren in die Welt ein, und wollte, trotzdem sie nicht schön und sehr gealtert war, die Freuden der Liebe genießen und heiraten. Im Alter von zweiundfünfzig Jahren ward sie gesegneten Leibes und wollte öffentlich auf den Gefilden Palermos das Kind gebären. Sie ließ ausdrücklich zu diesem Zweck ein Zelt und einen Pavillon erbauen, damit die Welt nicht an der Echtheit ihrer Leibesfrucht zweifeln solle. Das war eins der größten Wunder, die man seit den Zeiten der heiligen Elisabeth gesehen. Die »Geschichte Neapels« sagt jedoch, das Kind sei untergeschoben worden; immerhin wurde es eine große Persönlichkeit. Aber die Mehrzahl der tapfern Ritter sind ja Bastarde, wie mir eines Tages ein Großer sagte.

Ich kannte eine Äbtissin zu Tarrascon, die Schwester der Madame von Usez, aus dem Hause Tallard, die im Alter von mehr als fünfzig Jahren das Kloster verließ und sich mit dem Herrn Chanay vermählte, der als ein großer Spieler am Hofe bekannt war.

Viele andre fromme Schwestern haben noch in sehr reifem Lebensalter, sei es in der Ehe oder anderswie, die Freuden des Fleisches gekostet. Wenn das nun solche [233] Frauen tun, was sollen dann unsre Damen anfangen, die doch schon seit ihrem zarten Alter daran gewöhnt sind? Soll das Alter sie hindern, von der guten Speise zu kosten, die sie seit so langer Zeit genossen haben? Und was soll aus all den stärkenden und erhitzenden Säften und Drogen werden? Es ist nicht zu bezweifeln, daß solche Mischungen nicht nur den schwachen Magen der älteren Damen stärken, sondern ihnen auch Sinnenglut erzeugen. Diese müssen sie dann durch den Beischlaf auslassen, der nach dem Urteil der Ärzte das beste Mittel dagegen ist Einen besonderen Vorteil haben die Frauen von fünfzig Jahren noch dadurch, daß sie keine Schwangerschaft zu befürchten brauchen und infolgedessen sich in voller Freiheit dem Vergnügen hingeben können, so daß viele von fünfzig Jahren aufwärts sich besser in der Liebe vergnügen als andre von fünfzig Jahren abwärts. Ja, ich habe von manchen erfahren, daß sie ihr fünfzigstes Jahr herbeiwünschten, um ohne Besorgnis der Schwängerung oder sonstigen Skandals der Liebe pflegen zu können. – Man sagt von den verliebten alten Damen, daß sie sich noch nach dem Tode bewegen. Ich will davon eine Geschichte erzählen.

Ich hatte einen älteren Bruder, genannt der Kapitän Bourdeille, der einer der tapfersten Krieger seiner Zeit war. Ich muß das von ihm sagen, obwohl er mein Bruder war, denn seine kriegerischen Leistungen beweisen es. Er gehörte zu den Edelleuten Frankreichs, die die Waffen vortrefflich zu führen verstanden; man nannte ihn in Piemont einen der dortigen Rodomonts. Er wurde bei dem Sturm auf Hedin, bei der letzten Wiedereroberung getötet.

Von seinen Eltern wurde er für die Gelehrtenlaufbahn bestimmt und deshalb im Alter von achtzehn Jahren Studien halber nach Italien geschickt Dort nahm er zu Ferrara seinen Aufenthalt, weil die Herzogin von Ferrara, Madame Renée von Frankreich, meiner Mutter sehr gewogen war. [234] Auf der dortigen Universität sollte er seine Studien betreiben. Leider aber widmete er sich ihnen nur wenig, desto mehr aber den Frauen. Bald verliebte er sich denn auch im Hause der Herzogin von Ferrara in eine französische Witwe mit Namen Mademoiselle de la Roche, bei der er Gegenliebe fand. Als mein Vater erfuhr, wie schlecht er den Wissenschaften oblag, rief er ihn zurück.

Sie aber, die ihn liebte und die befürchtete, daß ihm Unheil widerfahren könne, da sie sehr der damals aufgekommenen Lehre Luthers anhing, bat meinen Bruder, sie mit nach Frankreich zu nehmen, an den Hof der Königin Margarethe von Navarra, bei der sie gewesen war und die sie, als sie sich vermählte und nach Italien ging, der Madame Renée übergeben hatte. Mein Bruder, jung und unbedacht, war mit dieser hübschen Begleitung sehr zufrieden und brachte sie nach Paris, wo die Königin sich damals aufhielt. Diese freute sich sehr, sie wiederzusehen, denn das Fräulein war eine geistvolle, redegewandte Dame und eine schöne, in jeder Weise vollendete Frau.

Nachdem mein Bruder sich einige Tage bei meiner Mutter und Großmutter aufgehalten, die damals am Hofe waren, besuchte er seinen Vater. Nach einiger Zeit aber, seine geringe Neigung für die Wissenschaften einsehend, verließ er seine Verwandten kurz entschlossen und widmete sich den Kriegen von Piemont und Parma, wo er sich viele Ehren erwarb. Er nahm fünf oder sechs Monate lang an dem Feldzug teil, ohne nach Hause zurückzukehren. Nach Ablauf dieser Zeit aber besuchte er seine Mutter, die sich immer noch am Hofe der Königin von Navarra, damals zu Pau, aufhielt. Dort machte er ihr nach beendigter Vesper seine Aufwartung. Sie, die liebenwürdigste Fürstin der Welt, empfing ihn auf das freundlichste, und, ihn bei der Hand nehmend, ging sie mit ihm etwa eine oder zwei Stunden lang in der Kirche hin und her, wobei sie ihn [235] nach den Kriegsneuigkeiten aus Piemont und Italien fragte und sonstiges mit ihm plauderte. Mein Bruder gab ihr so gute Antworten (denn er wußte gut zu reden), daß sie sowohl mit seinem Geist, wie mit seiner äußern Erscheinung sehr zufrieden war, denn er war ein sehr schöner Mann im Alter von 24 Jahren. Endlich, in der schönsten Unterhaltung mit dieser ehrenvollen Fürstin und immer umhergehend, wurde er plötzlich von ihr genau über dem Grabmal der Mademoiselle de la Roche angehalten, die vor drei Monaten gestorben war. Sie nahm ihn bei der Hand und sagte: »Lieber Vetter« (so nannte sie ihn, weil eine Tochter d'Albrets in unsre Familie de Bourdeille geheiratet hatte; aber deswegen will ich mich nicht weiter besonders rühmen), »merken Sie nicht, daß sich unter Ihren Füßen etwas bewegt?« – »Nein, Madame,« entgegnete er. – »Aber so geben Sie doch Acht, lieber Vetter,« sagte sie. Mein Bruder antwortete: »Madame, ich habe aufgepaßt, aber ich merke nicht, daß sich etwas bewegt Ich stehe ja auf einem ganz festen Grabstein.« – »Nun, dann will ich es Ihnen sagen,« versetzte die Königin, um ihn nicht länger hinzuhalten, »Sie stehen auf dem Grabstein des armen Fräuleins de la Roche, die darunter beigesetzt ist und die Sie so sehr geliebt haben. Da die Seelen nach dem Tode leben und Empfindung besitzen, so ist kein Zweifel, daß dieses liebe Geschöpf, das erst vor kurzem gestorben, sich bewegt hat, als Sie den Grabstein betraten. Wenn Sie es auch wegen der Dicke des Steins nicht gefühlt haben, so kann doch kein Zweifel bestehen, daß sie sich gerührt hat. Und da es eine fromme Pflicht ist, der Abgeschiedenen zu gedenken, zumal derer, die man geliebt hat, so bitte ich, ihr ein Paternoster und ein Avemaria und ein De Profundis zu widmen und ihr Weihwasser zu sprengen. Damit werden Sie sich den Namen eines treuen Liebhabers und guten Christen verdienen. Ich lasse Sie deshalb hier zurück.« Und damit ging sie hinweg. Mein seliger Bruder verfehlte nicht zu tun, was sie ihm gesagt. Dann suchte er die Königin wieder [236] auf, die ihn nun noch ein wenig verspottete: denn es war ihre Gewohnheit, liebenswürdig zu scherzen.

Das war also die Meinung dieser guten Fürstin; ich glaube jedoch, daß es nur ein launiger Einfall von ihr und nicht ihre Überzeugung war.

Hierbei erinnere ich mich der Grabschrift einer Courtisane, die in der Kirche Madonna del Populo begraben liegt: »Quaeso, viator, ne me diutius calcatam amplius calces«. (»Ich bitte dich, Wanderer, mich, die so oft Getretene, nicht mehr zu treten.«) Der lateinische Ausdruck ist anmutiger (als die Übersetzung). Ich setze es nur des Scherzes halber hierher.

Übrigens braucht man sich nicht zu wundern über jene Meinung der spanischen Fürstin von den Damen, die geliebt worden sind und liebten und die sich gerne loben hören, obgleich die Zeit ihrer Blüte vorüber ist. Man kann ihnen eben kein größeres Vergnügen bereiten, als ihnen zu sagen, daß sie immer noch hübsch und besonders nicht gealtert sind vom Gürtel abwärts.

Ich hörte von einer schönen Dame, die eines Tags zu ihrem Anbeter sagte: »Ich weiß nicht, ob mir das Alter noch manches Unangenehme bringen wird (sie war bereits fünfundfünfzig Jahre alt), aber Gott sei Dank! die Liebe hat mir niemals mehr Vergnügen bereitet als jetzt. Wenn das so bis in mein höchstes Alter fortgeht, dann wünsche ich weiter nichts und bedaure nicht die vergangene Jugend.«

Was nun die Liebe und Sinnlichkeit anbetrifft, so habe ich hier und anderswo genügend Beispiele dafür beigebracht. Sprechen wir jetzt von dem andern Punkte betreffs der Schönheit jener Frauen, die vom Gürtel abwärts nicht altern.

Über diesen Gegenstand hat jene spanische Dame mehrere hübsche Vergleiche angestellt, indem sie sagt, solche Frauen glichen den schönen Ruinen prachtvoller Gebäude, wie man sie in Rom sieht als Zeugen der antiken Herrlichkeit: die Kolosseen und Thermen, die noch immer [237] zeigen, was sie einst waren, und die Welt noch immer mit Bewunderung oder Schrecken erfüllen. Auf diesen Ruinen hat man wieder sehr schöne neue Gebäude errichtet, was beweist, daß deren Grundsteine besser und fester sind als die der neueren Bauten. So bauen unsre Architekten auch lieber auf der Grundlage alter Ruinen als auf der von neueren Gebäuden.

Ich sah auch öfter schöne Schiffe und Galeeren, neu aufgetakelt auf dem Rumpf alter Wracks, die lange unbenutzt im Hafen gelegen hatten und deren Holz noch gerade so tauglich war, wie das für die neuen Schiffe frisch aus dem Wald geholte.

Ferner, sagte jene spanische Dame: Sieht man nicht oft die Spitzen hoher Türme von Sturm und Gewitter beschädigt, während der untere Teil unversehrt bleibt? Auch die Wellen höhlen am Ufer die oberen Steine eher aus als die in der Tiefe liegenden.

Ebenso verlieren viele schöne Damen den Glanz der Schönheit ihres Antlitzes eher durch die Einflüsse von Kälte und Hitze, von Sonne oder Mond, und, was noch schlimmer ist, durch die Salben und Schminken, die sie auftragen, indem sie glauben, sich zu verschönern, während sie doch damit alles verderben. Bei den unteren Partien aber wenden sie keine andre Salbe an als das natürliche Sperma, und weder Kälte, Regen noch Wind, weder Sonne und Mond dringen dahin.

Wenn die Hitze ihnen zusetzt, so wissen sie sich dort gut zu erfrischen, und auch gegen die Kälte gibt es Ja Mittel. Soviel Unzuträglichkeiten die Schönheit oben bedrohen, so wenigen ist die untere ausgesetzt Und hat eine schöne Frau auch an den Reizen ihres Antlitzes eingebüßt, so darf man daraus nicht schließen, es verhielte sich unten ebenso.

Ich hörte von einer großen Dame erzählen, die sehr schön und der Liebe sehr ergeben gewesen war. Einer ihrer früheren Liebhaber hatte sie wegen einer Reise, die [238] er unternommen, für den Zeitraum von vier Jahren aus den Augen verloren und fand bei seiner Rückkehr ihr schönes Gesicht sehr verändert Er erkaltete deshalb und wollte die Liebschaft von einst nicht erneuern. Dies bemerkend sann sie auf ein Mittel, daß er sie einst im Bett liegend sehen mußte. Sie stellte sich krank, und als er sie deshalb eines Tages besuchte, sagte sie zu ihm: »Mein Herr, ich weiß wohl, daß Sie mich meines gealterten Gesichtes wegen verschmähen; aber sehen sie hier –« (und damit enthüllte sie die untere Hälfte ihres nackten Körpers) – »Finden Sie hier etwas verändert? Wenn mein Gesicht Sie enttäuscht hat, – dies wird Sie nicht enttäuschen.« Der Edelmann betrachtete sie und fand sie dort so schön wie jemals. Er bekam sofort Appetit und genoß von dem Fleisch, das er für verdorben gehalten hatte. »Sehen Sie wohl, mein Herr,« sagte die Dame, »wie Sie sich geirrt haben! Ein andermal vertrauen Sie nicht bloß auf unser Gesicht, denn unser übriger Körper gleicht ihm nicht immer. Das hab' ich Ihnen bewiesen.«

Eine Dame wie diese, deren hübsches Gesicht sich auch verändert hatte, war so ärgerlich darüber, daß sie es nicht mehr im Spiegel sehen wollte. Sie ließ sich von ihren Frauen frisieren und bespiegelte sich zur Entschädigung dafür unten, was ihr gerade soviel Freude machte, wie ihr früheres hübsches Gesicht.

Von einer andern Dame hörte ich, daß sie, wenn sie mit ihrem Freunde am Tage schlief, ihr Gesicht mit einem schönen weißen Taschentuch aus holländischer Leinwand bedeckte, damit er durch den Anblick nicht erkalte; der untere Teil hatte dagegen seine Schönheit bewahrt.

Übrigens gibt es Männer genug, die lieber mit einer altern Dame zu tun haben wollen als mit einer jungen; so wie manche lieber ältere Pferde besteigen, weil sie besser dressiert sind.

Im Marstall unsrer Könige sah ich ein Pferd mit Namen der »Quadragant«, das zur Zeit des Königs Heinrich [239] dressiert war. Es war über 22 Jahre alt, aber trotz seines Alters versah es sehr gut seine Dienste und hatte nichts vergessen, so daß selbst der König noch seine Freude daran hatte. Ein ebensolches tüchtiges Pferd sah ich, das den Namen Gonzaga führte; es war aus der Stuterei zu Mantua und ein Zeitgenosse des Quadragant.

Ich habe auch den Rappen gesehen, der es beschälte. Der Herr Antonio, der die Stuterei des Königs verwaltete, zeigte ihn mir zu Mun, als ich einst durch jene Stadt kam. Er konnte im Zweischritt gehen und im Sprung, sowie die Volte treten. Herr von Carnavallet, dem er gehörte, hatte ihn zugeritten und Herr von Longueville wollte ihm dreitausend Livres Rente dafür geben; aber der König Karl ließ es nicht zu und behielt ihn für sich, wofür er den Herrn jedoch entschädigte. Ich könnte noch zahllose andre nennen, aber ich unterlasse es und verweise auf die Stallmeister, die sehr viele solche Pferde gesehen haben.

Der selige König Heinrich hatte im Feldlager zu Amiens für den Tag der Schlacht ein sehr schönes und starkes, bereits betagtes Streitroß gewählt, das den Namen »le Bay de la paix« trug. Es starb, nach der Aussage erfahrene! Stallmeister, auf dem Schlachtfeld von Amiens am Fieber.

Der verstorbene Herr von Guise ließ aus seiner Stuterei von Esclairon den Fuchs »Sanson« holen, der als Zuchthengst diente, um ihn in der Schlacht bei Dreux zu reiten, wo er sich sehr gut bewährte.

In den ersten Kriegen verwendete der verstorbene Fürst in Mun zweiundzwanzig Pferde, die dort als Zuchthengste standen, auf dem Schlachtfeld. Er verteilte sie an die Herren seines Gefolges und behielt seinen Teil für sich Von diesen hatte der tapfere Avaret einen Renner, den der [240] Herr Connetable dem König Heinrich gegeben hatte; er führte den Namen »Compère« (Gevatter). So alt er auch war, hatte man nie einen besseren gesehen, und er diente seinem Herrn tapfer in mancher guten Schlacht. Der Kapitän Bourdet hatte den »Türken«, auf dem der König Heinrich verwundet und getötet wurde; der Herr von Savoyen hatte ihm das Pferd gegeben. Es trug den Namen »le Malheureux« (der Unglückliche). Diesen Namen empfing es, als der König es erhielt, was eine schlimme Vorbedeutung für den König wurde. Es war in seiner Jugend kein so gutes Pferd gewesen, wie in seinem Alter, und wurde auch von seinem Herrn, der einer der tapfersten Edelleute Frankreichs war, hoch geschätzt, Kurz, bei all diesen Rossen war das Alter kein Hindernis für ihre vortrefflichen Dienste. Es heißt ja auch, daß ein gutes Pferd niemals rossig wird.

Ebenso verhält es sich mit manchen Damen, deren Alter im Punkte der Liebe schätzbarer ist als deren Jugend, weil sie eben erfahrener sind. Das Beste ist auch noch ihre Freigebigkeit gegen ihre Ritter, die sich für ihre Dienste bei einer Alten besser bezahlen lassen als bei einer Jungen; im Gegensatz zu den Stallmeistern, die lieber ein junges Pferd zureiten.

Ich habe über die betagten Damen die Frage aufstellen hören: welcher Ruhm ist größer, eine ältere Dame oder eine junge zu genießen? Manche entscheiden sich für die älteren, indem sie sagen, daß es viel leichter sei, die Jugend wegen ihrer Torheit und ihrer Sinnenglut zu verführen, wogegen die Besonnenheit und Kälte, die dem Alter eigentümlich sind, viel schwerer zu besiegen seien. Und wem das gelänge, dessen Triumph sei größer.

Auch jene berüchtigte Courtisane Laïs rühmte sich sehr, daß die Philosophen so oft zu ihr kamen, um in ihrer Schule zu lernen, viel mehr als all die jungen Leute und Gecken. Ebenfalls rühmte sich Flora, daß zu ihr viel mehr die großen römischen Senatoren kämen als die jungen [241] albernen Ritter. Mir scheint es auch, daß es ein größerer Triumph ist, die Weisheit des Alters zur Liebe zu verführen.

Ich berufe mich auf die hierin Erfahrenen, von denen einige behaupten, ein zugerittenes Roß sei besser als eins, das erst kaum zu traben versteht. Und dann, kann es einen größeren Genuß geben, als zu sehen, wie in einen Ballsaal, in eine Kirche oder in eine sonstige große Versammlung eine vornehme Dame de alta guisa tritt, wie der Italiener sagt, ja eine Ehrendame der Königin oder einer Fürstin, oder die Hofmeisterin einer Königs- oder Fürstentochter, der man die hohe Aufgabe erteilt, das Mädchen zur Tugend anzuhalten. Und dann zu sehen, wie sie die Miene der Keuschen und Tugendhaften aufsetzt, wofür sie auch wegen ihres Alters von aller Welt gehalten wird, und bei sich zu denken oder einem ganz vertrauten Freunde zu sagen: »Sehen Sie, wie sie ehrwürdig, kalt und verächtlich tut, als könnte sie kein Wässerchen trüben? Aber, o weh! wenn ich sie im Bett habe, dann kann sich keine Wetterfahne lustiger drehen und winden, wie ihre Hüften.«

Was mich betrifft, so glaube ich, daß das jedem Vergnügen macht, der es erfahren hat. Wie viele Frauen gibt es in der Welt, die sich gesetzt, keusch und sittenstreng stellen, und dabei ausgelassener und zudem noch viel listenreicher sind als die Jungen. Man sagt auch, daß niemand ein besserer Jäger ist als eine alte Füchsin, die Futter für ihre Jungen sucht.

Wir lesen, daß einst manche römischen Kaiser eine besondere Wollust darin fanden, vornehme Damen von Ehre und Ruf zu verführen, sowohl wegen der Genugtuung, die gewiß größer ist als bei niedrig stehenden Frauen, wie auch wegen des Triumphs, solche reifen Frauen zu unterjochen. Zu meiner Zeit sah ich ebenfalls viele große Herren, Fürsten und Edelleute, die denselben Geschmack hatten.

Julius Cäsar und sein Nachfolger Octavius waren sehr eifrig auf solche Eroberungen aus, wie ich bereits früher sagte. Nach ihnen kam Caligula, der zu seinen Festmählern [242] die berühmtesten römischen Frauen mit ihren Gatten einlud, sie aufmerksam beobachtete, sogar mit der Hand ihr Kinn hochhob, wenn einige den Kopf vor Beschämung gesenkt hielten, weil sie sich als angesehene, ehrenvolle Damen fühlten, oder sich wenigstens so stellten. Denn wirklich anständige Frauen wird es in den Zeiten jener verkommenen Kaiser wohl kaum gegeben haben. Diejenigen, die diesem Kaiser gefielen, nahm er öffentlich von der Seite ihrer Gatten weg und führte sie, den Saal verlassend, in ein Gemach, wo er sich mit ihnen ganz nach Laune vergnügte. Dann schickte er sie an ihren Platz zurück und lobte vor der ganzen Gesellschaft ihre verborgenen Reize, die er einzeln aufzählte. Wenn eine nur irgend welche Mängel oder Gebrechen hatte, so verhehlte er das auch nicht, sondern erklärte es ganz offen.

Nero trieb es sogar so weit, den Leichnam seiner Mutter zu betrachten, alle Glieder zu befühlen und über die einen sein Lob, über die andern seinen Tadel auszusprechen.

Ich habe dasselbe von einigen großen Herren der Christenheit gehört, die ebenfalls neugierig waren, den Leib ihrer verstorbenen Mutter zu sehen.

Aber Caligula tat noch mehr: er erzählte, was für Bewegungen und Mienen die Frauen gemacht, besonders von denen, die schüchtern und verschämt gewesen waren oder bei der Tafel sich so anstellten. Denn wenn sie nicht alles getan haben würden, was er wollte, dann hätte dieser Wüterich sie mit dem Tode bedroht. So schilderte er die armen Frauen zum allgemeinen Gelächter als unzüchtige Dirnen; was ja bei denen, die es waren und nicht dafür gelten wollten, ganz angebracht sein mochte. Dabei waren es, wie gesagt, alles Frauen von Konsulen, Diktatoren, Pretorianern, Quästoren, Senatoren, Censoren, Rittern und andern vornehmen Männern, deren Rang heute den Königinnen entspricht, sowie den Fürstinnen, Großherzoginnen und Herzoginnen, den Marquisen, Gräfinnen und Baroninnen usw. denn die Konsulen geboten damals der Welt. [243] Mit diesen könnten die Kaiser und Könige zweifellos ebenso verfahren, wie der Kaiser Caligula, aber sie tun es nicht, denn sie sind Christen, die die Furcht Gottes vor Augen haben, ihr Gewissen, ihre Ehre achten und die Schmähung der Menschen scheuen; denn die Tyrannei wäre unerträglich für edle Herzen. Deshalb sind die christlichen Könige sehr zu achten und zu loben, daß sie die Liebe ihrer schönen Damen mehr durch Sanftmut und Freundlichkeit gewinnen als durch Gewalt und Strenge; und ihre Eroberung ist dann auch viel schöner.

Ich hörte von zwei großen Fürsten erzählen, denen es das größte Vergnügen bereitete, die verborgenen Reize ihrer Damen aufzudecken, ebenso aber auch ihre Mängel und Fehler, sowie ihr Benehmen beim Beischlaf, freilich nicht öffentlich wie Caligula, sondern im geheimen, und nur vertrauten Freunden gegenüber.

Man liest, daß Artaxerxes unter allen Frauen, die er besaß, am meisten Astasia liebte, die schon hochbetagt und trotzdem sehr schön war; sie war von seinem verstorbenen Bruder Darius verführt worden. Sein Sohn verliebte sich so in sie, daß er seinen Vater bat, sie mit ihm zu teilen, ebenso wie er an dem Königreich teil hatte. Der Vater aber machte sie, aus Eifersucht, zur Sonnenpriesterin, da in Persien die Frauen, die sich diesem Stande widmen, in völliger Keuschheit leben müssen.

Wir lesen in der »Geschichte Neapels«, daß Ladislaus, König von Neapel, in Tarent die Herzogin Maria, Gattin des verstorbenen Rammondelo von Balzo, belagerte und sie nach mehreren Gefechten, durch Vergleich mit ihren Kindern, zur Frau nahm. Dann führte er sie nach Neapel, wo sie den Titel Königin Maria erhielt. Sie war hochbetagt, aber schön und wurde von ihm sehr geliebt.

Ich sah die Frau Herzogin von Valentinois im Alter von siebzig Jahren ebenso schön von Angesicht und ebenso frisch und liebenswürdig, wie sie mit dreißig Jahren gewesen. Sie wurde auch von einem der tapfersten Könige [244] sehr verehrt. Ich kann das offen sagen, ohne der Schönheit dieser Dame zu nahe zu treten; denn von einem Könige geliebt zu werden, ist wohl ein Beweis ihrer Vollkommenheit. Auch soll die vom Himmel verliehene Schönheit nicht nur für die Halbgötter aufgespart werden.

Ich sah diese Dame sechs Monate vor ihrem Tode noch so schön, daß sie ein Herz von Stein bewegen konnte, sie hatte einmal auf dem Straßenpflaster zu Orleans ein Bein gebrochen, trotzdem sie so sicher und gewandt zu reiten wußte, als hätte sie stets zu Pferde gesessen. Aber das Pferd glitt aus und fiel mit ihr. Nun hätte man glauben sollen, daß ihr schönes Gesicht durch die Schmerzen dieses Unfalls verändert worden wäre; aber nichts weniger als das: ihre Schönheit, Majestät und Anmut war dieselbe geblieben. Ihr Antlitz war von zartem Weiß, aber nicht durch Schminke, sondern man sagt, sie gebrauche jeden Morgen eine Bouillon von trinkbarem Gold und anderen Drogen, die ich nicht so gut kenne wie die Ärzte und Apotheker. Ich glaube, wenn diese Frau noch hundert Jahr gelebt hätte, so würde sie doch nicht gealtert sein, Es ist schade, daß die Erde diesen schönen Körper deckt.

Ich sah auch die Frau Marquise de Rothelin, die Mutter der verwitweten Frau Prinzessin von Condé und des seligen Herrn de Longueville, an der eben falls die Jahre spurlos vorübergegangen, nur daß am Ende ihre Gesichtsfarbe ein wenig rot wurde. Aber ihre unvergleichlich schönen Augen, die ihre Tochter geerbt hatte, veränderten sich niemals und waren stets bereit, die Herzen zu entzünden.

Ich sah Madame de la Bourdesière, die zweite Gattin des Marschall von Aumont, die in ihren alten Tagen so schön war, daß man sie gradezu für jung hielt; sie wurde sogar von ihren fünf ebenfalls schönen Töchtern nicht überstrahlt. Wenn man die Wahl gehabt hätte, so würde man die Mutter den Töchtern vorgezogen haben. Diese Dame nahm ihre Schönheit auch sehr vor dem Einfluß von Sonne und Mond in Acht. Die von vielen Damen angewandte Schminke war ihr unbekannt.

[245] Ja, was noch mehr sagen will, ich sah auch Madame de Mareuil, die Mutter der Frau Marquise de Mézières und Großmutter der Prinzessin Dauphin, im Alter von 100 Jahren, wo sie starb, noch ebenso aufrecht, frisch, gesund und hübsch wie im Alter von fünfzig Jahren. In ihrer Jugendzeit war sie eine wunderschöne Frau gewesen.

Ihre Tochter, die genannte Frau Marquise, war ebenso schön gewesen und starb auch so, aber zwanzig Jahre früher und ihre Gestalt war etwas kleiner. Sie war die Tante der Madame de Bourdeille, der Frau meines älteren Bruders, und obwohl sie ihr dreiundfünfzigstes Jahr überschritten und vierzehn Kinder geboren hatte, sagte man – und die, welche sie sahen, können das besser beurteilen als ich – daß ihre vier Töchter neben ihr wie ihre Schwestern aussahen. So sieht man oft Früchte des Winters oder Herbstes, die sich mit denen des Sommers vergleichen können und ebenso schön und schmackhaft sind, ja mehr.

Die Frau Admiral von Brion und ihre Tochter, Madame von Barbeziaux, sind auch in ihrem Alter sehr schön gewesen.

Man sagte mir kürzlich, daß die schöne Paula von Toulouse noch so schön sei wie ehemals, obgleich sie 80 Jahre alt ist, und man findet nichts an ihr verändert, weder ihre hohe Figur noch ihr hübsches Gesicht.

Ich sah die Frau Präsidentin Conte, zu Bordeaux, die im gleichen Alter ebenfalls sehr liebenswürdig und begehrenswert war. Ich könnte noch viele anführen, aber ich würde dann kein Ende finden.

Ein junger spanischer Ritter sprach zu einer älteren, aber noch hübschen Dame von Liebe, und sie erwiderte ihm: »A mis completas desta manera me habla V.M.?« »Warum sprechen Sie so zu mir nach meinen Completas?«

[246] Mit diesen »Completas« meinte sie ihr Alter und den Niedergang ihrer Tage. Der Kavalier entgegnete: »Sus completas valen mas, y son mas graciosas que las horas de prima de cualquier otra dama.« (»Ihre Completas sind mehr wert und viel schöner und liebenswürdiger als die ersten Gebete irgend einer andern Dame.«) Das war eine hübsche Anspielung.

Ein andrer sprach ebenfalls einer altern Dame von Liebe, und da sie ihn auf ihre verblühte Schönheit hinwies, womit es indessen noch nicht so schlimm stand, entgegnete er ihr: »A las visperas se conoce la fiesta,« »Bei der Vesper erst erkennt man das Fest.«

Man sieht heute noch Madame de Nemours, die im April ihres Lebens eine der größten Schönheiten gewesen, der alles auslöschenden Zeit trotzen. Ich kann behaupten – und alle, die sie sahen, werden mir beistimmen – daß sie in ihren Blütetagen die schönste Frau der Christenheit gewesen. Ich sah sie eines Tages mit der Königin von Schottland tanzen, sie beide allein ohne die andern Damen der Gesellschaft – es war eine Laune – und alle, die sie tanzen sahen, wußten nicht, wem von beiden die Palme der Schönheit gebühre. Man hätte, wie jemand bemerkte, sagen können, es seien die zwei Sonnen, die – nach der Erzählung des Plinius – eines Tages am Himmel erschienen und die Welt in Erstaunen setzten. Madame von Nemours, damals Madame von Guise, besaß die schönere Figur, und – wenn ich es sagen darf, ohne die Königin von Schottland zu kränken – sie hatte noch mehr Majestätisches in ihrem Wesen, obwohl sie keine Königin war wie jene. Aber sie war die Enkelin jenes großen Königs und Vaters des Volkes, dem sie auch in manchen Gesichtszügen glich. Ich sah sein Bildnis in dem Kabinett der Königin von Navarra, das ihn als wirklich königliche Erscheinung zeigte.

Ich glaube, ich bin der Erste gewesen, der sie die Enkelin des Königs und Vaters des Volks genannt hat. Es war zu Lyon, als der König aus Polen zurückkehrte. Ich [247] nannte sie oft so, und sie erwies mir die Ehre, diesen Beinamen gut zu finden und ihn gern von mir zu hören. Sie war sicher die wahre Enkelin dieses großen Königs, besonders in Bezug auf Herzensgüte und Schönheit. Denn sie war von gutem Gemüt und hat niemals irgend jemandem Böses oder Mißfallen bereitet. Diese beiden großen Vorzüge: Güte und Schönheit, bewahrte sich diese Dame bis heute, und um derenwillen fand sie zwei Gatten, die ihres Gleichen suchten. Und wenn sich noch ein ähnlicher dritter gefunden hätte, der ihrer würdig gewesen, so hätte sie ihn auch heiraten können, so schön war sie noch. Die Ferraresischen Damen galten ja auch in Italien für die köstlichsten, worauf das Sprichwort potta ferraresa e cazzo mantuano hindeutet.

Ein Großer jenes Landes huldigte einst einer schönen Fürstin Frankreichs, und man lobte auch bei Hofe seine Eigenschaften und Vorzüge, vermöge deren er die Liebe jener Dame verdiente. Den Trumpf darauf setzte aber der Herr von Au, Kapitän der schottischen Garde, indem er sagte: »Sie vergessen das Beste:cazzo mantuano.«

Ich hörte einst ein ähnliches Wort über den Herzog von Mantua mit dem Beinamen »II Gobbo«. Er wollte die Schwester des Kaisers Maximilian heiraten, und als man ihr sagte, daß er sehr bucklig sei, antwortete sie: »Non importa purchè la campana habbia qualche diffetto, ma ch'il sonaglio sia buono«. Einige sagen, sie hätte dieses Wort nicht ausgesprochen, denn sie war zu anständig; aber andre sagten es für sie.

Um noch einmal auf die ferraresische Fürstin zurückzukommen: ich sah sie bei der Hochzeit des verstorbenen Herrn de Joyeuse, wo sie in einem Mantel nach italienischer [248] Mode erschien, dessen Ärmel bis zur Hälfte des Arms nach sienesischer Art aufgestreift waren. Keine Dame konnte ihren Reiz übertreffen, und es war auch nicht einer dort, der nicht gesagt hätte: »Die Schönheit dieser Fürstin weicht wahrlich keiner andern, und man darf von diesem schönen Antlitz wohl auf noch andre, verborgene Reize schließen, die wir nicht sehen. Wenn die Front eines schönen Gebäudes so prächtig ist, dann darf man annehmen, daß sich darin viele schöne Zimmer und Kabinette und trauliche Winkel befinden.« Seitdem hat sie ihre Schönheit, und zwar in vorgerückten Jahren noch an mehreren andern Orten leuchten lassen, so besonders in Spanien auf der Hochzeit des Herrn und der Frau von Savoyen, wo die Erinnerung an ihre Schönheit und Tugenden für immer leben wird. Wenn die Flügel meiner Feder stark genug wären, sie bis in den Himmel zu tragen, so würde ich es tun; aber leider sind sie zu schwach. Ich werde übrigens noch anderswo von ihr reden. Soviel ist sicher: sie war eine sehr schöne Frau in ihrem Frühling, Sommer, Herbst und Winter, trotzdem sie viele Sorgen und viele Kinder hatte.

Die Italiener mißachten eine Frau, die viele Kinder gehabt hat, und nennen sie scrofa. Aber Frauen, die so schöne und vortreffliche Kinder hervorbringen wie diese Fürstin, verdienen gepriesen zu werden, und dieses Wort ist ihrer unwürdig, denn sie sind vielmehr Gesegnete Gottes.

Ich könnte ausrufen: Wie wunderbar, daß das Unbeständigste, was es gibt, nämlich die schöne Frau, der Zeit Widerstand leistet! Aber ich will das doch nicht sagen; denn ich achte die Beständigkeit mancher Frauen sehr hoch, und alle sind durchaus nicht flatterhaft. Ich möchte gern noch einige ausländische Damen erwähnen, die ebensogut wie unsre Französinnen, im Winter ihres Lebens noch schön waren. Für diesmal will ich aber nur noch zwei zu diesen rechnen.

[249] Die eine, die jetzt regierende Königin Elisabeth von England soll, wie man mir sagte, heute noch so schön sein wie früher. Wenn das der Fall, dann muß sie in der Tat eine sehr schöne Fürstin sein; denn ich sah sie in ihrem Sommer und Herbst. Jetzt muß sie sich allerdings sehr ihrem Winter nähern; denn ich habe sie lange nicht gesehen. Vom ersten Mal weiß ich noch ihr damaliges Alter. Ich glaube, was sie so lange in ihrer Schönheit erhalten hat, ist der Umstand, daß sie nie vermählt war und das Joch der Ehe nie getragen, das schwer ist, besonders wenn man mehrere Kinder hat. Diese Königin verdient alles Lob, nur daß der Tod jener edlen, schönen und einzigen Königin von Schottland als ein großer Schandfleck an ihrem Namen haftet.

Die andre Fürstin ist die Frau Marquise de Gouast, Donna Maria von Aragon, die ich als eine sehr schöne Frau von hohen Jahren gesehen habe. Ich will von ihr in möglichst kurzer Weise erzählen.

Als König Heinrich gestorben war, verschied einen Monat später der Papst Paul IV., Caraffa, und für die Neuwahl mußte eine Versammlung sämtlicher Kardinäle stattfinden. Unter andern begab sich aus Frankreich der Kardinal von Guise nach Rom, und zwar zur See mit den Galeeren des Königs, deren Oberbefehlshaber der Herr Großprior von Frankreich war, der Bruder des genannten Kardinals, der ihn als guter Bruder mit sechzehn Galeeren begleitete. Der Wind war so günstig, daß sie in zwei Tagen und zwei Nächten in Civita-Vecchia ankamen. Von dort reisten sie nach Rom, wo der Herr Großprior sah, daß man für die Neuwahl noch nicht bereit war (denn sie beanspruchte drei Monate Vorbereitungen). Da nun seine Galeeren nutzlos im Hafen lagen, und sein Bruder nach Frankreich zurückkehrte, ging er nach Neapel, um sich diese Stadt einmal anzusehen.

Bei seiner Ankunft wurde er von dem Vizekönig, dem damaligen Herzog von Alcala, wie ein König empfangen. [250] Bevor er in die Stadt eintrat, begrüßte er sie mit einer langen Kanonade, die von der Stadt und den Kastellen erwidert wurde, so daß der Himmel während dieser Salutschüsse zu erbeben schien. Er brachte, sich in ziemlicher Entfernung haltend, seine Galeeren in Schlachtordnung und sandte in einem Boot Herrn de l'Estrange von Languedoc, einen sehr gewandten und redefertigen Edelmann, an den Vizekönig ab. Dieser sollte ihn beruhigen und um die Erlaubnis bitten (obgleich wir im Frieden lebten, aber freilich erst eben einen Krieg geführt hatten), in den Hafen einzulaufen und die Stadt zu besichtigen. Auch wollte er die Grabmäler seiner Vorgänger besuchen, die dort beerdigt lagen, und ihnen Weihwasser sprengen und für sie beten.

Der Vizekönig ging auf alles sehr freundlich ein. Darauf avancierte der Herr Großprior und begann die Salve von neuem aus den Kanonen von sechzehn Galeeren und den andern Musketen; dann zog er stolz in die Mole ein mit Standarten, Fahnen, karmesinroten Wimpeln aus Taffet und seiner Fahne aus Damast; alle Galeerensklaven waren in karmesinroten Sammet gekleidet, und die Soldaten seiner Garde ebenfalls, ihre Mäntel mit Silber bordiert. Ihr Befehlshaber war der tapfere Kapitän Geoffroy, ein Provençale. So wurden unsre französischen Galeeren sehr schön und behende gefunden, besonders die »Reale«, die ganz vorzüglich war; denn dieser Fürst war sehr prachtliebend.

In diesem prächtigen Aufzuge im Hafen angelangt, betrat er das Land, wir andern alle mit ihm. Der Vizekönig hatte Pferde und Wagen gestellt, um uns in die Stadt zu fahren. Da fanden wir denn etwa hundert Pferde: Renner, spanische Rappen, Schimmel u.a., die einen immer schöner als die andern, mit gold- oder silbergestickten Sammetschabracken. Man konnte nach Belieben die Pferde oder die Wagen benutzen, denn von den letzteren waren einige zwanzig vorhanden, die von schön gezäumten prächtigen Rennern gezogen wurden. Zugegen waren viele große Fürsten und Herren, aus Italien und Spanien, die den Herrn[251] Großprior im Auftrage des Vizekönigs ehrenvoll empfingen. Er bestieg ein spanisches Roß, das schönste, das ich seit langem gesehen, und das der Vizekönig ihm später schenkte. Er verstand es ganz vortrefflich zu reiten, und bot zu Pferde ein so schönes Bild wie zur See. Denn er war einer der schönsten, liebenswürdigsten und gebildetsten Fürsten seiner Zeit, von hoher, stattlicher Figur, was nicht bei allen 4 großen Männern zutrifft. So wurde er von all diesen Herren und Edelleuten zum Vizekönig geleitet, der ihn erwartete und ihm alle möglichen Ehren erwies, ihm Wohnung in seinem Palaste gab und ihn und seine Truppen kostbar bewirtete. Er konnte das wohl tun, denn er gewann zwanzigtausend Taler bei dieser Reise. Wir waren etwa zweihundert Edelleute in seiner Begleitung, sowohl Hauptleute der Galeeren, wie andre. Wir fanden in der Mehrzahl bei den vornehmen Herren der Stadt ein glänzendes Unterkommen.

Wenn wir des Morgens unsre Gemächer verließen, standen schon Lakaien bereit, die nach unsern Wünschen fragten. Verlangten wir Pferde oder Wagen, sofort wurde unser Wunsch erfüllt. Sie holten die prächtigsten Rosse herbei, deren ein König sich nicht geschämt haben würde, und dann verbrachten wir unsern Tag, wie es uns beliebte. Es mangelte uns in dieser Stadt auch nicht an Vergnügungen; denn ich sah nie eine Stadt, die in jeder Art so viel Anziehendes bietet. Nur an der freien, vertraulichen Unterhaltung mit vornehmen Damen mangelte es etwas, von andern Frauen gab es genug. Dafür aber entschädigte diesmal die Marquise Del Gouast, der zu Liebe ich diese Abschweifung mache. Als sie, die liebenswürdigste und höflichste Dame, die Vorzüge des Herrn Großpriors hatte rühmen hören und ihn bei seinem Ritt durch die Stadt erkannt hatte, lud sie ihn durch einen Edelmann ein, wie es unter Großen Brauch ist. Sie ließ ihm sagen, wenn ihr Geschlecht und die Sitte des Landes es gestattet hätten, ihn zu besuchen, so wäre sie gern gekommen. Er möge sie gütigst entschuldigen, [252] und sie stelle ihm ihre Schlösser und Gemächer zur Verfügung.

Der Herr Großprior, ebenso höflich, dankte ihr, wie es sich gebührte, und ließ ihr sagen, er würde ihr gleich nach dem Diner seine Aufwartung machen. Er verfehlte denn auch nicht, zu erscheinen und uns, sein ganzes Gefolge, mitzunehmen. Wir fanden die Marquise im Saal mit ihren beiden Töchtern, Donna Antonina und Donna Hieronima oder Donna Joanna (ich erinnere mich nicht mehr genau des Namens), in Gesellschaft vieler schöner Frauen und Mädchen, so daß ich, außer an unsern Höfen von Frankreich und Spanien, nirgend wo anders einen solchen Flor schöner Damen gesehen habe.

Die Frau Marquise begrüßte uns in französischer Manier und empfing den Herrn Großprior auf das ehrenvollste. Er erwiderte ihren Gruß in noch untertänigerer Form, con mas gran sosiego, wie der Spanier sagt. Ihr Gespräch war diesmal nur konventionell. Einige von uns andern, die Italienisch und Spanisch verstanden, beschäftigten sich mit den übrigen Damen, die wir sehr liebenswürdig und unterhaltend fanden.

Beim Fortgehen sagte die Frau Marquise, die erfahren hatte, daß der Herr Großprior einen vierzehntägigen Aufenthalt nehmen würde: »Mein Herr, wenn es Ihnen an Zerstreuung fehlen sollte, werde ich es mir zur Ehre schätzen, Sie bei mir zu sehen, und Sie dürfen mein Haus wie das Ihrer Frau Mutter betrachten. Verfügen Sie über mein Haus wie über das Ihrige. Ich habe die Ehrenden Besuch schöner und achtbarer Damen des Königreichs und der Stadt zu empfangen, und da Sie bei Ihrer Jugend und Ihrem innern Wert die Unterhaltung mit anständigen Damen lieben werden, werde ich diese bitten, öfter zu mir zu kommen als gewöhnlich, damit sie Ihnen angenehme und vornehme Gesellschaft leisten. Hier sehen Sie meine beiden Töchter, denen ich empfehlen werde, – obgleich sie noch nicht ganz die gewünschte Bildung besitzen – Sie nach [253] französischer Mode zu unterhalten, durch Heiterkeit, Tanz, Spiel und freies, jedoch bescheidenes Geplauder, wie es beim Hofe von Frankreich, dem ich mich gerne widmen möchte, Sitte ist. Dagegen wird es einem jungen und schönen Fürsten, wie Sie sind, wenig gefallen, sich mit einer alten, hochbetagten und wenig liebenswürdigen Frau wie ich zu unterhalten. Denn Jugend und Alter passen nun einmal nicht zusammen.«

Der Herr Großprior widersprach ihr jedoch und sagte, das Alter habe noch keine Macht über sie gewonnen, und ihr Herbst übertreffe den Frühling aller andern Damen im Saal. Und in der Tat, sie zeigte sich als eine sehr schöne und liebenswürdige Frau, mehr noch als ihre beiden schönen und jungen Töchter. Und dabei war sie damals hoch in den Sechzigern. Diese wenigen Worte, die der Herr Großprior zu ihr sprach, gefielen ihr sehr, wie wir an ihrem lächelnden Gesicht und ihren Manieren erkennen konnten.

Wir schieden von dieser Dame mit hoher Befriedigung, besonders der Herr Großprior, der, wie er uns sagte, sofort ganz entzückt von ihr war. Natürlich lud diese reizende Frau täglich den Herrn Großprior und den schönen Damenflor zu sich ein, entweder nachmittags oder des Abends. Der Herr Großprior nahm zur Geliebten die ältere Tochter, obgleich er die Mutter vorgezogen hätte; aber es geschah per adumbrar la cosa.

Es fanden nun Spiele, wie Ringelstechen, statt, wobei der Herr Großprior den Sieg davontrug, sowie Tänze und Ballets. Kurz, diese reizende Geselligkeit verschuldete es, daß wir statt vierzehn Tage sieben Wochen dort blieben, was uns durchaus nicht leid tat; denn wir hatten uns ebenso wie unser General eine Geliebte angeschafft. Ja, wir hätten noch länger verweilt, wenn nicht ein Bote des Königs eingetroffen wäre, der Nachrichten von dem in Schottland ausgebrochenen Kriege brachte. Deshalb mußte er die [254] Galeeren flott machen, die jedoch erst acht Monate später absegelten.

Nun hieß es, von diesen köstlichen Vergnügungen Abschied nehmen und die reizende Stadt Neapel verlassen. Unser Herr General und wir alle bedauerten es tief, einen Ort zu verlassen, wo wir so viel Schönes genossen hatten.

Nach Verlauf von sechs Jahren oder mehr reisten wir wieder nach Italien, um der Stadt Malta zu Hilfe zu kommen. Ich begab mich dann nach Neapel und erkundigte mich, ob die Frau Marquise noch am Leben sei. Man bestätigte mir dies und sagte, sie wohne noch in der Stadt. Sofort ging ich sie zu besuchen. Ich wurde auch gleich von einem alten Hausmeister erkannt, der seiner Herrin mitteilte, daß ich ihr meine Aufwartung machen möchte. Sie, die sich meines Namens Bourdeille erinnerte, ließ mich in ihr Zimmer bitten. Sie hütete grade das Bett wegen einer kleinen Wangengeschwulst. Der Empfang, den sie mir bereitete, war höchst liebenswürdig. Ich fand sie nur sehr wenig verändert und noch so schön, daß man wohl eine Sünde mit ihr hätte begehen können.

Sie erkundigte sich lebhaft nach dem inzwischen verstorbenen Herrn Großprior und nach der Ursache seines Todes Man hätte ihr gesagt, er sei vergiftet worden, und sie verwünschte hundertmal den Elenden, der diese Schandtat vollbracht Ich sagte ihr, das sei nicht der Fall, er wäre an einer Lungenentzündung gestorben, die er sich in der Schlacht bei Dreux zugezogen, wo er täglich wie ein Cäsar gekämpft hatte. Am Abend des letzten Treffens hatte er sich im Kampfe sehr erhitzt und eine furchtbare Erkältung davongetragen. Die Krankheit schleppte sich hin, bis er nach Verlauf von sechs Wochen daran verstarb.

Sie drückte ihr Bedauern mit bewegten Worten aus. Zwei oder drei Jahre vorher hatte er zwei Galeeren abgesandt unter dem Befehl des Kapitäns Beaulieu, einem seiner Galeerenoffiziere. Er hatte unter dem Banner der Königin von Schottland gesegelt, das man noch nie in den Gewässern [255] der Levante gesehen hatte, worüber man sehr erstaunte. Denn das Banner von Frankreich durfte er nicht führen wegen des Bündnisses mit der Türkei. Der Herr Großprior hatte den Kapitän Beaulieu beauftragt, bei Neapel zu landen, und seinerseits die Frau Marquise und deren Töchter zu besuchen. Er sandte den drei Damen eine große Zahl reizender Geschenke, die es am Hofe, im Palais zu Paris und in Frankreich gab; denn der Herr Großprior war die Freigebigkeit selbst. Der Kapitän Beaulieu verfehlte auch nicht, die Geschenke zu überreichen, die sehr wohl aufgenommen und mit einem schönen Gegengeschenk an ihn erwidert wurden.

Die Frau Marquise versicherte mir mehrmals, wie dankbar sie ihm wegen dieser Aufmerksamkeit sei und wie es sie freue, daß er sich ihrer noch erinnerte. Um seinetwillen erwies sie einem Gaskogner Edelmann, der damals bei den Galeeren des Herrn Großpriors war, eine große Freundlichkeit. Als wir abreisten, war er krank in der Stadt zurückgeblieben, und sie sorgte so für ihn, daß er genas. Sie nahm ihn in ihr Haus, und als in einem ihrer Schlösser die Stelle eines Verwalters frei wurde, setzte sie ihn dort ein und verheiratete ihn mit einer reichen Frau.

Manche von uns wußten nicht, was aus dem Edelmann geworden und hielten ihn für tot; als wir aber die Reise nach Malta machten, befand sich unter uns ein jüngerer Bruder von ihm, der mir eines Tages von dem hauptsächlichen Grunde seiner Reise erzählte: Er wolle sich nämlich nach dem Schicksal eines seiner Brüder erkundigen, der früher bei dem Herrn Großprior gewesen und vor reichlich sechs Jahren krank in Neapel zurückgeblieben sei. Seitdem wisse er nichts mehr von ihm. Ich erinnerte mich nun seiner und erkundigte mich nach ihm bei den Leuten der Frau Marquise, wo ich denn von der glücklichen Wendung seines Schicksals erfuhr. Sofort teilte ich es seinem Bruder mit, der mir sehr dankbar dafür war; er ging mit mir zu jener Dame, die ihm Näheres mitteilte und ihn hinschickte, wo sein Bruder zu finden war.

[256] Das war ein schöner Zug freundschaftlichen Gedenkens. Und sie erwies mir noch mehr Aufmerksamkeiten. Sie plauderte viel mit mir von den vergangenen Tagen und in der liebenswürdigsten und redegewandtesten Weise; denn sie sprach vortrefflich.

Sie bat mich dringend, nirgendwo anders Kost und Wohnung zu nehmen als bei ihr; aber ich lehnte dankend ab, denn es ist nicht meine Art, aufdringlich zu sein. Während der sieben oder acht Tage, die wir uns dort aufhielten, besuchte ich sie täglich und fand stets den freundlichsten Empfang.

Als ich ihr Adieu sagte, gab sie mir Empfehlungsschreiben mit an ihren Sohn, den Herrn Marquis von Pescara, damals General in der spanischen Armee. Außerdem nahm sie mir das Versprechen ab, sie bei meiner Rückkehr zu besuchen und nur bei ihr Wohnung zu nehmen.

Leider aber brachten uns die Galeeren auf der Rückfahrt bei Terracina an Land, von wo wir nach Rom gingen, und ich konnte nicht umkehren, auch wollte ich an dem Feldzug in Ungarn teilnehmen. Aber als wir in Venedig waren, erfuhren wir den Tod des Sultans Soliman. Nun verwünschte ich mein Geschick, daß ich nicht nach Neapel zurückgegangen war und dort meine Zeit angenehm verbracht hatte. Möglicherweise hätte ich dort durch die Frau Marquise irgendwie mein Glück gefunden, entweder in einer Heirat oder sonstwie; denn sie war mir sehr zugetan.

Ich glaube, mein ungünstiges Geschick wollte es nicht und führte mich nach Frankreich zurück, damit ich dort für immer unglücklich sein sollte. Fortuna hat mir denn auch niemals gelächelt, nur daß ich stets als Ehrenmann geachtet worden bin. Meine Mittel und meine Stellung waren nicht so günstige wie die meiner Gefährten, selbst niedriger Menschen. Manche hätten sich glücklich geschätzt, wenn ich bei Hofe, in den Gemächern eines Königs oder einer Königin oder in einem Saal auch nur über die Achsel hinweg das Wort an sie gerichtet hätte, und heute sind sie zu[257] Würden gelangt und tun aufgeblasen wie ein Kürbis. Trotzdem gebe ich mich mit ihnen nicht ab, erachtete sie nicht größer als mich und gebe ihnen keinen Finger breit nach.

Ja, ich kann wohl auf mich das Wort anwenden, das unser Erlöser einst gesprochen: »Der Prophet gilt nichts in seinem Vaterlande.« Vielleicht, wenn ich ausländischen Fürsten ebenso gedient hätte wie den meinigen, würde ich heute mehr mit Gütern und Würden beladen sein, als ich es mit Jahren und Leiden bin. Doch Geduld! Wenn meine Parze mir den Faden so gesponnen, sei sie verdammt; liegt es aber an den Fürsten, denen ich gedient, so wünsche ich sie zu allen Teufeln, wenn sie nicht schon dort sind. –

Hiermit ist meine Geschichte von jener ehrenvollen Dame beendet. Sie starb mit dem Ruhm, eine sehr schöne, achtenswerte Frau gewesen zu sein und eine schöne, edle Nachkommenschaft hinterlassen zu haben, wie den Herrn Marquis Don Juan, Don Carlos, Don Cesar d'Avalos, die ich alle gesehen und von denen ich an anderm Orte gesprochen habe. Und ihre Töchter waren ihrer Söhne würdig. – Hiermit schließe ich diese Abhandlung.

5. Abhandlung. Darüber, daß die schönen und achtbaren Damen

[258] Fünfte Abhandlung.
Darüber, daß die schönen und achtbaren Damen die tapfern Männer und diese die mutigen Frauen lieben.

Stets haben die schönen Frauen tapfre und mutige Männer geliebt, obwohl sie selbst von Natur furchtsam und zaghaft sind; aber die Tapferkeit wird eben von ihnen so hoch geschätzt, denn der Gegensatz zu ihrer eignen Natur erzeugt eben die Liebe. Ein Beweis ist, daß Venus, die Göttin der Schönheit, der es am Hofe des Jupiter doch freistand, sich irgend einen hübschen Liebhaber auszusuchen, um ihren plumpen Gatten Vulkan zu hintergehen, doch nicht einen zierlichen, geschniegelten Jüngling wählte, sondern sich in den Mars verliebte, den Gott des Krieges und der Heldentaten. Und dabei war er doch vom Staub und Schweiß der Schlacht bedeckt, und sah eher wie ein geschwärzter Kriegsknecht als wie ein feiner Hofschranze aus. Ja, er wird oft genug bluttriefend vom Schlachtfelde gekommen sein und ohne sich zu säubern und mit Wohlgerüchen zu besprengen, mit ihr der Liebe gepflegt haben. Die edle, schöne Königin Penthesilea hatte von den Heldentaten Hektors vernommen, die er vor Troja über die Griechen errang, und verliebte sich bei der bloßen Kunde davon derartig in ihn, daß sie den Wunsch hegte, von einem so tapfern Ritter Kinder zu haben, d.h. Töchter, die ihr Königreich erben könnten. Deshalb besuchte sie ihn in Troja und bot alles auf, seine Gunst zu gewinnen, sowohl [259] durch ihre eignen kriegerischen Leistungen, wie durch ihre seltene Schönheit. Hektor unternahm nun jeden Angriff auf die Feinde in ihrer Begleitung, und sie stürzte sich an seiner Seite in das heißeste Getümmel. Oftmals soll sie durch ihre Heldentaten das Erstaunen Hektors erweckt haben, so daß er mitten im schlimmsten Gefecht bewundernd stillhielt und möglichst beiseite trat, um die Heldentaten der schönen Königin besser beobachten zu können.

Danach kann man sich denken, wie sie ihre Liebe ins Werk setzten. Aber leider sollten deren Wonnen nicht lange dauern; denn, um ihrem Geliebten noch mehr zu gefallen, setzte sie sich täglich den größten Gefahren aus, bis sie endlich in einem fürchterlichen Handgemenge getötet wurde. Einige sagen freilich, sie habe Hektor überhaupt nicht gesehen, und er sei vor ihrer Ankunft gestorben. Als sie seinen Tod erfahren, sei sie in Verzweiflung geraten, daß sie ihn verloren, den sie, aus einem fernen Lande kommend, mit heißen Wünschen gesucht. Da habe sie sich in den blutigsten Kampf gestürzt und den Tod gefunden.

Gleiches wird von Thalestris berichtet, auch einer Amazonenkönigin, die ein großes Land durchreiste, um Alexander den Großen zu sehen und aus einem so edlen Blute Nachkommenschaft zu haben. Alexander gewährte ihren Wunsch. Es wäre auch töricht gewesen, ihn abzuschlagen, denn diese Königin war ebenso schön wie tapfer. Quintus Curtius, Orosus und Justin versichern, daß sie mit einem Gefolge von dreihundert bewaffneten Frauen zu Alexander kam. So machte sie ihm ihre Aufwartung und er empfing sie höchst ehrenvoll. Sie blieb dreizehn Tage und Nächte bei ihm, unterwarf sich allen seinen Wünschen und Launen, sagte ihm jedoch: wenn sie von ihm eine Tochter haben würde, so wolle sie diese wie einen kostbaren Schatz hüten. Käme aber ein Knabe zur Welt, dann würde sie ihn zurückschicken, weil sie das männliche Geschlecht haßte und kein Mann unter ihnen aufkommen durfte. Dies war bei ihnen zu einem Gesetz erhoben worden, seitdem sie ihre Gatten getötet hatten.

[260] Sicher haben auch die andern Frauen sich den Kriegern Alexanders hingegeben; denn man mußte dem Beispiel der Königin folgen.

Die schöne Jungfrau Camilla, die treue Dienerin ihrer Herrin Diana, hatte in ihren Jagdgründen von der Tapferkeit des Turnus vernommen und gehört, daß er mit einem ebenfalls tapfern Manne, nämlich mit Äneas, im Kampfe lag. Sie suchte ihn auf, nur von drei auserlesenen Freundinnen, die Tribaden waren, begleitet. Deren bediente sie sich überall, wie Vergil in seiner Äneïde sagt; die eine hieß Armia, die andre Tulla, die dritte Tarpea; sie wußten den Spieß oder den Pfeil in zwei verschiedenen Arten vortrefflich zu führen. Alle drei waren Töchter Italiens.

Camilla suchte also mit dieser kleinen Schar den Turnus auf und machte gemeinsam mit ihm manchen Waffengang. Sie mischte sich unter die tapfern Trojaner und wagte sich so weit vor, bis sie getötet wurde, zum großen Schmerz des Turnus, der sie um ihrer Schönheit und ihres tapfern Beistandes willen hoch verehrte. So suchten also die schönen und mutigen Frauen die tapfern Männer auf und standen ihnen in ihren Kämpfen bei.

Und was war es denn, was das Feuer der Liebe im Busen der armen Dido entfachte, wenn nicht die Tapferkeit ihres Äneas, wenn wir Vergil Glauben schenken wollen? Er hatte ihr auf ihre Bitte von der Zerstörung Trojas erzählt, wodurch sein Schmerz aufs neue erweckt wurde, und hatte dabei auch seine eignen tapfern Taten nicht vergessen; Dido hörte ihm aufmerksam zu. Dann vertraute sie ihrer Schwester Anna ihre Leidenschaft mit den Worten: »Ach, Schwester, welch' ein Gast zog bei uns ein! Wie edel zeigt er sich! Wie groß ist sein Mut! Er muß aus göttlichem Geschlechte stammen. Denn feige ist nur ein niedres Herz!« So sprach sie. Ich glaube, daß sie ihn liebte, weil sie in ihm ihres Gleichen fühlte und sich im gegebenen Fall seiner bedienen wollte. Er aber täuschte sie und verließ sie schmachvoll. Das hätte er einem Weibe nicht antun sollen, [261] die ihm, einem Fremden und Verbannten, ihr Herz geschenkt hatte.

Boccaccio erzählt in seinem Buche »Berühmte Unglückliche« eine Geschichte von der Herzogin von Furly (Forli), genannt Romilde, die ihren Gatten und ihren ganzen Besitz verloren hatte. Der König Caucan von Avarese hatte ihr alles genommen und sie so weit gebracht, daß sie sich mit ihren Kindern auf ihr Schloß zu Forli zurückziehen mußte, wo er sie belagerte. Eines Tages, als er sich dem Schlosse näherte, um es zu erkunden, sah Romilde ihn von der Höhe eines Turms und beobachtete ihn lange und aufmerksam. Sie fand ihn schön, denn er war in der Blüte seiner Jahre. Er ritt ein edles Roß und war in einen prächtigen Harnisch gekleidet. Im Gefecht tat er sich glänzend hervor und schönte sich so wenig wie der geringste Soldat. Das alles bewirkte, daß sie sich sofort leidenschaftlich in ihn verliebte. Sie achtete nicht mehr der Trauer um den Gatten, noch der Belagerung, sondern ließ ihm durch einen Boten sagen: wenn er sie zur Gattin nehmen wolle, so wolle sie ihm den Platz an dem Tage überliefern, wo die Hochzeit stattfände. Der König Caucan nahm sie beim Wort. Am bestimmten Tage kleidete sie sich in ihre prächtigsten fürstlichen Gewänder, die ihre große Schönheit noch erhöhten. Als sie im Lager des Königs angelangt war, um die Hochzeit zu vollziehen, bewies der König, daß er nicht wortbrüchig sein wolle und brachte die ganze Nacht damit zu, die erhitzte Herzogin zu befriedigen. Am nächsten Morgen ließ er zwölf seiner avaresischen Soldaten holen, die er für die stärksten und robustesten Männer hielt, und übergab ihnen Romilde zu ihrer Lust, die sie eine ganze Nacht lang an ihr ausübten. Am Morgen ließ Caucan sie rufen, beschimpfte sie wegen ihrer Unzüchtigkeit und ließ sie den Tod durch Pfählung erleiden. Gewiß eine grausame und barbarische Handlung gegen eine schöne und ehrenwerte Frau, die doch viel eher Dank und Freundlichkeit dafür verdient hätte, daß sie ihn wegen seines Mutes und [262] seiner Tapferkeit geliebt. Das dürfte manchen Frauen zur Lehre dienen; denn solche Helden haben sich oft so an das Töten und die schneidige Führung ihrer Klinge gewöhnt, daß sie zuweilen die Laune haben, sie auch die Frauen fühlen zu lassen. Alle freilich sind nicht so geartet, und wenn achtbare Damen ihnen die Ehre erweisen, sie zu lieben und eine gute Meinung von ihrem Werte zu haben, so legen sie ihre kriegerische Rauheit ab und widmen sich den sanften Freuden der Liebe.

Bändel erzählt in seinen »Tragischen Geschichten« eine, die mit zu den schönsten gehört, die ich kenne. Eine Herzogin von Savoyen verließ eines Tages ihre Stadt Turin. Von einer spanischen Pilgerin, die um eines Gelübdes willen nach Loretto ging, hörte sie ihre Schönheit bewundern und laut aussprechen, daß, wenn eine so schöne und vollkommene Dame mit ihrem schönen und tapfern Bruder, dem Herrn von Mendoza, vermählt wäre, dann könnte man wohl sagen, es sei das schönste Paar der Welt zusammengekommen. Die Herzogin, die sehr gut Spanisch verstand, bewahrte diese Worte in ihrem Herzen, zugleich zog aber auch die Liebe darin ein. Dieses Gerücht hatte genügt, ihre Leidenschaft für den Herrn von Mendoza zu erwecken, so daß sie nicht ruhte, bis sie eine Wallfahrt nach Saint-Jacques vorschützte, um den Geliebten ihrer Seele zu sehen. Auf dieser Reise nach Spanien nahm sie ihren Weg durch die Besitzungen des Herrn von Mendoza und konnte dort in Muße ihre Blicke an dem Auserwählten weiden. Denn die Schwester des Herrn von Mendoza, die die Herzogin begleitete, hatte ihren Bruder von dem schönen und vornehmen Besuch unterrichtet. Deshalb zog er ihr auf einem schönen spanischen Roß entgegen, und die Herzogin fand den Ruf seiner Vorzüge voll bestätigt. Sie bewunderte seine Schönheit, seinen edlen Anstand und sein mutiges Wesen, das sie ebenso hoch schätzte, wie seine andern Eigenschaften. Er wollte ihr auch später noch Dienste leisten, als der Graf Pancalier eine falsche Anklage gegen ihre Keuschheit erhob. [263] So tapfer und mutig er sich nun auch in den Waffen erwies, so zaghaft war er jedoch in Sachen der Liebe. Er zeigte sich nur kalt und respektvoll gegen sie und sagte kein Wort von Leidenschaft. Um dies zu hören, hatte sie aber doch die Pilgerfahrt unternommen. Verletzt von dieser kalten Ehrerbietung oder vielmehr von seiner Schwachherzigkeit in der Liebe, reiste sie am nächsten Tage enttäuscht wieder ab.

Die Frauen haben eben bei den Männern sowohl den Mut in der Schlacht wie die Kühnheit in der Liebe gern. Freilich darf die Kühnheit nicht in schamlose Frechheit ausarten, wie es bei manchen vorkommt, sondern man muß den Mittelweg einschlagen.

Ich kannte viele, denen durch solche Ehrerbietung manches Glück entgangen ist, wovon ich verschiedene Geschichten erzählen könnte, wenn ich nicht fürchten müßte, zu weit abzuschweifen. Nur diese eine will ich anführen.

Eine Dame, die zu den schönen Frauen der großen Welt gehörte, hatte ebenfalls von dem Ruf der Tapferkeit eines Fürsten vernommen, der schon in jungen Jahren große Waffentaten vollbrachte. Besonders hatte er zwei große Schlachten über seine Feinde gewonnen. Die Dame hegte den lebhaften Wunsch, ihn zu sehen und unternahm deshalb, unter einem andern Vorwand, den ich verschweige, eine Reise in die Provinz, wo er sich damals aufhielt. Dort angelangt, konnte sie ihn in Muße betrachten, denn er kam ihr schon von weitem entgegen und empfing sie respektvoll und mit den größten Ehren, wie sie einer so schönen und hochherzigen Fürstin gebührten. Es erging ihr aber gerade so wie der Herzogin von Savoyen mit dem Herrn von Mendoza; die große Ehrerbietung erzeugte nur Unzufriedenheit, so daß sie ebenfalls enttäuscht wieder abreiste. Vielleicht hatte auch er seine Zeit verloren, und sie war seinen Wünschen nicht nachgekommen. Der Versuch aber [264] war nicht übel gewesen und hätte einen besseren Erfolg verdient.

Wozu nützt denn auch ein kühner und edler Mut, wenn er sich nicht in allen Dingen zeigt und besonders in der Liebe ebenso wie im Kampf? Denn die Liebe und die Waffen sind Freunde und gehen zusammen, wie der Dichter sagt: »Jeder Liebende ist Kämpfer, und Cupido trägt die Waffen, ebenso wie Mars.« Herr von Ronsard hat darüber ein hübsches Sonett in seinen ersten »Amours« verfaßt.

Um noch einmal von dem Verlangen vieler Frauen, mutige und edle Männer zu sehen, zu sprechen, so hörte ich von der heute regierenden Königin Elisabeth von England erzählen, daß sie eines Tages den Herrn Großprior von Frankreich, aus dem Hause Lothringen und Herrn d'Amville den heutigen Connetable, und Herrn von Montmorency, zur Tafel geladen hatte. In der Unterhaltung kam sie auf den verstorbenen König Heinrich II. zu sprechen und rühmte seine Tapferkeit hoch, wobei sie sagte, er habe sich in all seinen Handlungen »sehr martialisch« erwiesen. Wenn er nicht so früh verstorben wäre, würde sie ihn in seinem Königreich besucht haben, und wäre mit ihrer Flotte nach Frankreich gereist, um mit ihm den Frieden zu besiegeln. »Es war,« sagte sie, »einer meiner größten Wünsche, ihn zu sehen, und ich glaube, er würde mich nicht zurückgewiesen haben. Denn ich liebe nun einmal die mutigen Männer, und beklage es, daß der Tod einen so tapfern König hinweggerafft, bevor ich ihn gesehen.«

Dieselbe Königin hatte einige Zeit darauf die Vorzüge des Herrn von Nemours rühmen hören und erkundigte sich nach ihm bei dem verstorbenen Herrn von Randan, als König Franz der Zweite ihn nach Schottland sandte, um wegen des Friedens vor dem belagerten Petit-Lit zu unterhandeln. Als dieser ihr ausführlich von den kriegerischen Tugenden des Herrn von Nemours erzählt hatte, sah er, der sich auf die Liebe ebenso gut verstand wie auf die Waffen, in den Augen der Königin die Liebe aufleuchten, [265] und ihren Wunsch, ihn zu sehen, drückte sie denn auch mit Worten aus. Um nun nicht auf halbem Wege stehen zu bleiben, fragte er, ob jener, wenn er sie besuchen würde, wohl aufgenommen werden würde, was sie versicherte. Er schloß daraus, daß vielleicht eine Ehe zwischen ihnen zustande kommen könnte.

Von seiner Gesandtschaft an den Hof zurückgekehrt, machte er dem König und dem Herrn von Nemours hiervon Mitteilung, und der König redete jenem zu. Dieser war nun hoch erfreut, durch eine so schöne und tugendhafte Königin in den Besitz eines solchen Königreichs gelangen zu können.

Das Eisen wurde also geschmiedet: Vom Könige mit reichen Mitteln ausgestattet, traf Herr von Nemours große und glänzende Vorbereitungen in Gewändern, Pferden und Waffen, ohne irgend etwas zu vergessen (ich habe das alles selbst gesehen). Besonders verfehlte er nicht, die Blüte der Jugend vom Hofe mitzunehmen, die der boshafte Greffier »die Bohnenblüte« nannte, womit er die windigen jungen Herren vom Hofe verspottete.

Inzwischen wurde Herr de Lignerolles, ein sehr gewandter Edelmann und damals Günstling des Herrn von Nemours, an die Königin abgesandt, und er kam mit der Antwort zurück, die Königin freue sich, ihn zu empfangen und er möge seine Reise beschleunigen. Ich entsinne mich, daß man bei Hofe die Heirat beinahe für abgemacht hielt. Aber plötzlich wurde die Reise unterbrochen, und der ganze große Aufwand war unnütz gewesen.

Dieser plötzliche Bruch entstand vielleicht dadurch, daß dem Herrn von Nemours andere Liebschaften mehr am Herzen lagen und ihn enger gefesselt hielten. Denn er war [266] ein in jeder Beziehung so vollendeter Mann, daß die Damen ihm förmlich nachliefen, und ich weiß, daß manche ihm ihre Keuschheit freudig geopfert hat.

In den »Hundert Novellen« der Königin von Navarra finden wir eine hübsche Geschichte von jener Dame aus Mailand, die dem verstorbenen Herrn de Bonnivet, späterem Admiral von Frankreich, ein Stelldichein gegeben und ihre Kammerfrauen beauftragt hatte, in dem Augenblick, wo er sich mit ihr niederlegen wollte, auf der Treppe mit bloßen Degen ein Schwertergeklirr zu veranstalten. Das taten sie auch ganz nach dem Befehl ihrer Herrin, und diese spielte nun die Erschreckte und Furchtsame, indem sie sagte, es seien ihre Schwäger, die gewiß etwas bemerkt hätten. Sie wäre verloren, und er möge sich unter dem Bett oder hinter der Wand verstecken. Aber Herr de Bonnivet nahm, ohne zu erschrecken, seinen Mantel über den Arm, in die andere Hand seinen Degen und sagte: »Wo sind diese tapfern Brüder, die mir Furcht einjagen wollen? Wenn sie mich erblicken, so werden sie nicht wagen, auch nur die Spitze meines Degens anzusehen!« Er öffnete die Tür und ging hinaus. Wie er auf der Treppe sich zum Kampf anschicken wollte, entdeckte er die Frauen, die sich nun sehr fürchteten und alles bekannten. Da Herr de Bonnivet sah, daß es weiter nichts war, sandte er den Frauen einen kleinen Fluch nach, trat wieder ins Zimmer, schloß die Tür und wurde von seiner Dame mit Lachen empfangen. Sie umarmte ihn und sagte, wenn er sich bei dieser von ihr angestifteten Sache feige benommen hätte, so würde sie sich ihm niemals hingegeben haben. Man kann sich denken, was für eine Liebesnacht sie nun verbrachten. Denn es hatte ihn auch viel Mühe gekostet, sie, eine der schönsten Frauen Mailands, zu erobern.

Ich kannte einen tapfern Edelmann, der eines Tags zu Rom mit einer hübschen Dame schlief, während ihr Gatte abwesend war. Plötzlich ließ sie eine ihrer Frauen mit der Nachricht eintreten, der Gemahl sei zurückgekommen. Sie [267] tat überrascht und bat den Edelmann, sich in einem Kabinett zu verstecken, sonst wäre sie verloren. »Nein, nein,« rief der Edelmann, »das tu' ich um keinen Preis der Welt. Aber wenn er kommt, werd' ich ihn töten!« Mit diesen Worten ergriff er seinen Degen; die Dame aber lachte und bekannte ihm, sie habe ihn nur prüfen wollen, ob er im Ernstfalle sie verteidigt haben würde.

Ich kannte eine sehr schöne Dame, die einem Liebhaber kurzer Hand den Laufpaß gab, weil sie ihn für feigherzig hielt. Dadurch brachte sie eine solche Veränderung seines Wesens hervor, daß er sich nicht mehr ähnlich sah und einer der schneidigsten und gefürchtetsten Degen seinerzeit wurde.

Ich hörte von älteren Leuten bei Hofe eine Geschichte von einer Hofdame erzählen, die die Maitresse des verstorbenen Herrn de Lorge gewesen, eines der mutigsten und berühmtesten Feldherren seiner Zeit. Sie hatte viel von seiner Tapferkeit vernommen, und als eines Tages König Franz der Erste einen Löwenkampf bei Hofe veranstaltete, wollte sie erproben, ob er seinem Ruf Ehre machen würde. Sie ließ deshalb einen Handschuh in den Zwinger fallen, mitten zwischen die wütenden Tiere, und bat den Herrn de Lorge, ihn wiederzuholen, wenn er sie wirklich so liebe, wie er behaupte. Ohne zu zaudern ergreift er den Degen und begibt sich ruhig und gefaßt unter die Löwen, um den Handschuh zu holen. Das Glück war ihm hold, so daß die Löwen ihn nicht anzugreifen wagten, da er ihnen mit heiterer Miene und ruhiger Sicherheit die Spitze seines Degens wies. Er nahm den Handschuh auf und brachte ihn seiner Herrin zurück, wofür er von ihr und allen Anwesenden hoch geehrt wurde. Herr de Lorge aber verließ sie, wie man sagt, empört darüber, daß sie ihn und seinen Mut nur als einen Zeitvertreib benutzt hatte. Ja, man sagt, er habe ihr in edler Entrüstung den Handschuh ins Gesicht geworfen; denn er hätte hundertmal lieber auf ihren Befehl ein Bataillon Soldaten bekämpft als wilde Tiere, welcher [268] Kampf weniger glorreich ist. Gewiß, ein derartiges Spiel mit dem Mannesmut ist wenig ehrenvoll und verdient den strengsten Tadel.

Ich weiß noch einen Streich, den eine Dame ihrem Liebhaber spielte. Als dieser ihr seine Huldigung darbrachte und versicherte, er würde alles für sie wagen, selbst das Gefahrvollste, nahm sie ihn beim Wort und sagte: »Wenn Sie mich so sehr lieben und Sie so mutig sind, wie Sie behaupten, dann stechen Sie sich aus Liebe zu mir den Dolch in den Arm.« Er, der sterblich in sie verliebt war, zog sogleich den Dolch; ich aber hielt seinen Arm fest und nahm ihm die Waffe weg, wobei ich ihm vorwarf, daß es eine große Torheit sei, auf solche Art seine Liebe und seinen Mut zu beweisen. Die Dame will ich nicht nennen, aber der Edelmann war Herr de Clermont-Tallart der Ältere, der in der Schlacht bei Montcontour fiel. Er war einer der tapfersten Edelleute Frankreichs und bewies sich auch im Tode als solcher.

Ich hörte, daß etwas Ähnliches dem Herrn de Genlis passierte, der in Deutschland gestorben ist; er führte die hugenottischen Truppen bei dem dritten Aufstand. Eines Tages, als er mit seiner Geliebten über den Fluß vor dem Louvre fuhr, ließ sie absichtlich ihr schönes und kostbares Taschentuch ins Wasser fallen und mutete ihm zu, sich nachzustürzen und es zu holen. Er, der nicht besser schwimmen konnte wie ein Stein, wollte sich entschuldigen. Sie aber warf ihm Feigheit vor, und so stürzte er sich kopfüber ins Wasser, worin er sicher ertrunken wäre, wenn er nicht von einem andern Schiffe aus gerettet worden wäre.

Ich glaube, solche Weiber haben oft die Absicht, bei dieser Gelegenheit ihre Liebhaber los zu werden, deren sie überdrüssig sind. Besser wäre es, wenn sie die Liebhaber bäten, sich aus Liebe zu ihnen in den Krieg zu begeben, um dort Beweise ihres Mutes abzulegen, statt solche Albernheiten [269] von denen ich noch viele anführen könnte, von ihnen zu verlangen.

Ich erinnere mich, daß bei der Belagerung Rouens, während des ersten Aufstandes, Fräulein von Piennes, eine der achtbarsten Hofdamen, im Zweifel darüber war, ob Herr von Gergeay kühn genug gewesen sei, Mann gegen Mann den Baron d'Ingrande, einen tapfern Edelmann des Hofes, zu töten. Sie gab ihm eine Schärpe, die er an seine Kopfbedeckung steckte. Als man zur Erkundung des Forts Sainte-Catherine schritt, stürzte er sich verwegen in einen Reitertrupp, der aus der Stadt hervorbrach, und empfing einen Pistolenschuß in den Kopf, woran er auf der Stelle verstarb. Das Fräulein war von seinem Mut befriedigt, und wenn er nicht getötet worden wäre, hätte sie ihn geheiratet. Aber sie hatte eben daran gezweifelt, ob er jenen Baron in ehrlichem Kampfe getötet, und des halb wollte sie einen Beweis seines Mutes haben, wie sie sagte. Und sicher, wenn ein Mann schon von Natur mutig ist, so wird er oft durch die Frau noch weiter getrieben. Die Kalten und Feigherzigen aber werden von ihnen entflammt.

Davon bietet ein gutes Beispiel die schöne Agnes, die bemerkte, daß König Karl VII. in sie verliebt war und über seiner Leidenschaft zu ihr ganz die Pflichten der Regierung vergaß. Da sagte sie ihm eines Tages, in ihrer Mädchenzeit habe ihr ein Astrologe geweissagt, sie werde von einem der mutigsten und tapfersten Könige der Christenheit geliebt werden. Da nun der König ihr die Ehre erwiesen, sie zu lieben, habe sie geglaubt, er sei der geweissagte mutvolle König; aber da er so schwächlich und so wenig seiner Herrscherpflichten eingedenk sei, so sehe, sie wohl, daß sie sich getäuscht habe. Der Prophezeite sei vielmehr der König von England, der so wackere Kriegstaten verrichte, und ihm manche schöne Stadt vor der Nase wegnehme. »Und deshalb,« sagte sie zum König, »will ich ihn aufsuchen, denn ihn hat der Astrologe gemeint.« Diese [270] Worte trafen das Herz des Königs so tief, daß er in Tränen ausbrach, und von Stunde an faßte er Mut, verließ seine Gärten und Jagden, und es gelang ihm durch Glück und Tapferkeit, die Engländer aus seinem Reiche zu vertreiben.

Bertrand de Guesclin, der Madame Tiphaine geheiratet hatte, beschäftigte sich seitdem nur mit ihr und vernachlässigte die Warfen, die er bisher so wacker geführt und die ihm Ruhm und Preis eingetragen hatten. Sie aber machte ihm dies so eindringlich zum Vorwurf, daß er seinen früheren Mut wiederfand und, in den Krieg zurückgekehrt, sich nun dort noch mehr auszeichnete als zuvor.

Diese Dame schlug also die Ehre ihres Gatten höher an als die Lust ihrer Nächte. So sind auch unsre Frauen uns weniger zugetan, wenn wir nicht von ihrer Seite weichen, als wenn wir vom Heere zurückkehren und etwas Gutes oder Schönes vollbracht haben. Dann erst lieben sie uns so recht von Herzen.

Die vierte Tochter des Grafen von Provence, des Schwiegervaters von Ludwig dem Frommen, und Gattin Karls, Grafen von Anjou, der ein Bruder des genannten Königs war, besaß so viel Ehrgeiz, daß es sie grämte, nur eine einfache Gräfin von Anjou und Provence zu sein, während zwei andere Schwestern Königinnen und die dritte Kaiserin war. Sie spornte daher unermüdlich ihren Gemahl zur Eroberung eines Königreichs an und brachte es so weit, daß sie und ihr Gatte vom Papst Urban zum König und zur Königin Beider Sizilien erwählt wurden. Mit dreißig Galeeren gingen sie nach Rom, um sich von Seiner Heiligkeit als König und Königin von Jerusalem und Neapel krönen zu lassen. Letzteres eroberte er später, teils durch tapfere Waffentaten, teils durch die Mittel, die seine Gemahlin ihm verschaffte, indem sie alle ihre Kleinodien verkaufte, um die Kriegskosten zu decken. Danach regierten sie noch lange und in Frieden in ihren schönen eroberten Königreichen.

[271] Lange Zeit nachher setzte eine ihrer Enkelinnen, Isabeau von Lothringen, ohne ihren Gatten René, etwas Ähnliches ins Werk. Ihr Gemahl befand sich als Gefangener in den Händen des Herzogs von Burgund, und sie, klug, großherzig und mutvoll, im Besitz des ererbten Königreiches Sizilien und Neapel, sammelte ein Heer von dreißigtausend Mann, führte es selbst an und bemächtigte sich Neapels.

Ich könnte noch zahlreiche Frauen anführen, die ihren Gatten in dieser Weise geholfen haben, und, hochgemut und ehrgeizig, sie zum Erwerb von Würden und Reichtümern antrieben. Es gehört ja auch zu dem Schönsten und Ehrenhaftesten, solche Güter durch die Spitze des Degens zu erringen.

Ich kannte in Frankreich und an unsern Höfen viele, die mehr auf den Antrieb ihrer Frauen hin, als aus eigenem Willen große und schöne Dinge unternahmen.

Dagegen kannte ich viele andre Frauen, die nur an ihr Vergnügen dachten, die Männer nicht von sich ließen und sie an großen Taten verhinderten; denn sie waren viel zu begierig nach den Freuden der Venus. Ich könnte viel davon erzählen, aber ich würde mich zu weit von meinem Gegenstand entfernen, der viel schöner ist, da er von der Tugend handelt, als der andre, der vom Laster handeln würde. Und man hört wohl auch lieber von den Frauen, die die Männer zu schönen Handlungen angetrieben haben. Ich spreche nicht nur von verheirateten Frauen, sondern auch von andern, die durch die Gewährung einer kleinen Gunst ihre Liebhaber zu Taten anspornten, die sie sonst nicht vollbracht hätten.

Scipio warf dem Masinissa, als dieser noch fast bluttriefend, Sophonisbe geheiratet hatte, unter anderm vor: es gezieme sich nicht, mitten im Kriege an die Frauen und an die Liebe zu denken. Was mich betrifft, so möge er mir verzeihen, ich denke: nichts verleiht mehr Mut und Ehrgeiz zum Vollbringen großer Dinge als der Gedanke an die Frauen. Ich stand ehemals auch im Kampfe, und [272] ich glaube, alle Krieger denken so und werden derselben Meinung sein, daß es das Herz erhebt, mitten im heißesten Kampf und Getümmel an die Liebkosungen seiner Dame zu denken, womit sie den siegreich Heimkehrenden empfängt; oder an ihren Kummer, wenn man auf dem Schlachtfeld gestorben ist. Ja, um der Liebe willen sind alle Unternehmungen leicht, alle Kämpfe nur Turniere, und der Tod ein Triumph.

Ich erinnere mich hier aus der Schlacht bei Dreux des Herrn Des Bordes. Er war einer der wackersten Ritter seiner Zeit, damals Offizier unter dem Herrn de Nevers vormals Graf d'Eu genannt, ein ebenfalls vortrefflicher Fürst. Als es nun zum Angriff auf ein Bataillon Fußvolk ging, das direkt auf die Vorhut losmarschierte, wo Herr de Guise der Große den Befehl führte, und das Signal zum Angriff gegeben war, ritt Herr Des Bordes einen türkischen Grauschimmel, der mit einem Liebesband seiner Herrin geschmückt war, und rief aus; »Ha! ich werde mich aus Liebe zu meiner Herrin tapfer schlagen, oder ruhmreich sterben!« Und er hielt Wort: nachdem er die ersten sechs Reihen durchbrochen, traf ihn in der siebenten der Tod und streckte ihn zu Boden. Hatte jene Dame ihr Liebesband nicht gut verwendet und durfte sie es sich zum Vorwurf machen, daß sie es ihm gegeben?

Herr de Bussi war jener junge Mann, der auch die Liebesbänder seiner Geliebten zu Ehren brachte, auch solcher, die noch mehr Kämpfe und Kriegstaten verdienten als die schöne Angelica der Paladine und Ritter von ehemals, gleichviel ob Christen oder Sarazenen. Aber ich hörte ihn auch oft sagen, daß in allen Kriegen und Gefechten (und er hat viele mitgemacht) ihn nicht so sehr der Diensteifer für seinen Fürsten und der Ehrgeiz geleitet hätten, als der Ruhm, seiner Dame zu gefallen. Und sicherlich hat er recht, denn aller Ehrgeiz der Welt wiegt nicht die Liebe einer schönen und achtbaren Frau und Geliebten auf.

Und warum haben denn so viele tapfre fahrende Ritter der Tafelrunde und so viele mutige Paladine Frankreichs in [273] vergangenen Zeiten Kriege und weite Reisen unternommen, wenn nicht aus Liebe zu schönen Frauen? Ich erinnere an unsre Palladine Frankreichs, unsre Rolands, Renauds, Ogiers, Olliviers, Yvons, Richards und noch viele andre. Es war aber auch damals eine schöne Zeit; denn wenn sie aus Liebe zu ihren Damen etwas Großes vollbrachten, so zeigten sich diese nicht undankbar und belohnten sie durch Schäferstündchen in Wäldern und Gärten, oder auf Wiesen und an murmelnden Quellen. Das ist der Preis der Tapferkeit, den man von den Damen begehrt.

Nun eine Frage: Warum lieben denn die Frauen die mutigen Männer? Wie ich zu Anfang sagte, hat der Mut die Eigenschaft, bei seinem Gegensatz Liebe zu erwecken. Ja, es ist eine ganz natürliche Neigung, die die Frauen treibt, den Mut zu lieben, denn er ist eben hundertmal liebenswerter als die Feigheit. Auch erweckt ja die Tugend mehr Zuneigung als das Laster.

Manche Damen sind auch der Meinung, daß Männer, die im Handwerk des Mars geschickt sind, es auch in dem der Venus seien.

Diese Regel trifft zu. Man denke an Cäsar, den tapfersten Mann der Welt, und viele andre, die ich nicht nenne. Kriegsmänner besitzen auch mehr Stärke als Leute andern Standes, so daß ein Stoß von ihnen mehr wert ist als vier von andern. Manchmal erleidet diese Regel auch Ausnahmen; denn die Strapazen des Krieges haben diese Männer oft so sehr mitgenommen, daß sie in der Liebe ihren Damen nicht mehr genügen können. Diese ziehen dann einen frischen, wohl ausgerüsteten Handwerker der Venus zehn solchen Entnervten des Mars vor.

Manche Frauen lieben die tapfern Männer, sei es als Gatten oder Liebhaber, um von ihnen bei Angriffen auf ihre Ehre und Keuschheit oder gegen Verleumdung verteidigt zu werden. So kannte ich einst eine sehr schöne vornehme Dame, die ich nicht nenne, die sehr der Verleumdung ausgesetzt war. Einen sehr begünstigten Liebhaber verabschiedete [274] sie deshalb, weil er nicht genügend für sie eintrat, und nahm einen andern, der die Ehre seiner Dame auf der Spitze seines Degens trug, so daß keiner sie anzutasten wagte.

Viele Damen kannte ich, die immer einen Tapfern zu ihrem Schutze bei sich haben wollten, was ihnen auch oft sehr nützlich war. Aber dann müssen sie sich auch hüten, ihnen untreu zu werden, wenn sie sich erst einmal unter deren Gewalt begeben haben. Denn wenn die Männer nur das Geringste davon merken, dann zahlen sie es ihnen und dem Galan oft schrecklich heim. Davon sah ich in meinem Leben viele Beispiele.

Solche Damen müssen sich also in Acht nehmen, wenn sie es nicht so machen wollen, wie die Buhldirnen Italiens und Roms, die auch zu ihrem Schutze einen »Bravo« haben (so nennen sie ihn). Aber die sind im Einverständnis mit einander, und der Bravo hält den Mund.

Das mag für die Buhlerinnen Roms und deren Zuhälter gut sein, aber es schickt sich nicht für die galanten Edelleute Frankreichs und andrer Länder. Sondern wenn eine achtbare Dame fest und beständig bleibt, muß ihr Ritter für ihre Ehre und für ein böses Wort gegen sie sein Leben einsetzen, so wie der tapfere Renaud für die schöne Ginevra in Schottland, der Herr von Mendoza für die Herzogin, von der ich sprach, und der Herr von Carouge für seine eigne Frau zur Zeit Königs Karl des Sechsten, wie wir in unsern Chroniken lesen.

Andre Damen kannte ich, die kleinmütige Männer verließen, obgleich diese sehr reich waren, und einen Edelmann heirateten, der sozusagen nichts weiter besaß, als Mantel und Degen. Aber sie waren tapfer und edel und boten die Hoffnung, durch ihren Wert zur Größe zu gelangen. Obgleich es ungerechterweise nicht immer die Wertvollen sind, die emporkommen, sondern oft gerade die Feigen und Kleinmütigen. Aber sei es immerhin: diesen steht eine solche Würde doch nicht so gut wie den Tapferen.

[275] Jetzt noch ein Wort im Vorbeigehen: Ebenso wie die Damen die tapfern Männer der Waffe lieben, lieben sie auch die Verwegenen in der Liebe, und ein gar zu zaghafter und ehrerbietiger wird selten Glück bei ihnen haben.

Ich kenne zwei einander befreundete Edelleute, die mit zwei Damen der guten Gesellschaft eines Tages einen Ausflug nach Paris machten. Während sie in einem Garten spazieren gingen, trennten sich die Paare und jedes trat in einen dichtbelaubten Baumgang ein, wo das Licht kaum hineindringen konnte und die frische Kühle entzückend war. Einer der beiden Herren, der verwegen war und wohl wußte, daß diese Partie nicht bloß des Spaziergangs und der frischen Luft halber unternommen war, merkte aus ihren übermütigen Reden, daß seine Dame noch anderes Verlangen trug, als nur Muskatnüsse aus den Gebüschen zu naschen. So wollte er denn diese schöne Gelegenheit nicht versäumen, legte die Dame auf eine Moosbank nieder und genoß sie recht gemächlich, ohne daß sie etwas andres sagte als: »Mein Gott, was machen Sie? Sie sind ja furchtbar unvorsichtig! Wenn nun jemand kommt, was dann? Mein Gott, lassen Sie mich doch!« Aber der Edelmann ließ sich nicht stören und fuhr fort Das gefiel allen beiden so wohl, daß sie, nach drei- oder viermaligem Auf- und Abgehen durch die Allee, einen zweiten Angriff unternahmen. Dann betraten sie einen offenen Baumgang und sahen das andre Paar ruhig lustwandeln wie vorher. Da sagte die befriedigte Dame zu dem befriedigten Edelmann; »Ich glaube, der Herr da hat sich einfältig benommen und hat seine Dame bloß mit Worten und Spazierengehen unterhalten.« Als die Vier wieder beisammen waren, fragten die Damen einander, wie es ihnen gefallen habe. Die Zufriedene antwortete, sie befinde sich sehr wohl, und es habe ihr ausnehmend gefallen. Die Unzufriedene ihrerseits sagte: sie habe es mit dem einfältigsten und zaghaftesten Liebhaber zu tun gehabt, den man sich denken könne. Die beiden Herren hörten, wie die Damen im Umhergehen lachten und ausriefen: »O der Dummköpf! [276] Der Feigling! Welch ein respektvoller Narr!« Worauf der zufriedene Edelmann zu seinem Freunde sagte: »Unsre Damen sprechen von Ihnen und schelten auf Sie. Sie sind zu ehrerbietig gewesen.« Das gab dieser zu; aber nun war es zu spät und die Gelegenheit vorüber. Seinen Fehler einsehend, hat er ihn jedoch nach einiger Zeit wieder gut gemacht.

Ich kannte zwei große Herren, Brüder, alle beide ganz vollendete Männer, die zwei Damen liebten, von denen die eine in jeder Beziehung größer als die andre war. Als sie das Zimmer dieser großen Dame betreten hatten, die damals das Bett hütete, begann jeder für sich seine Dame zu unterhalten. Der eine sprach zu der Großen mit aller Ehrerbietung, mit demütigen Handküssen und respektvollen Worten, ohne eine Annäherung zu wagen. Der andre Bruder nahm ohne weitere Zeremonien seine Dame in einer Fensternische her und ließ sie fühlen, daß er nicht nach spanischer Mode liebte, d.h. nicht bloß mit Blicken und Worten, sondern mit der Tat. Als er sein Werk erledigt, verließ er das Zimmer, indem er so laut zu seinem Bruder sagte, daß seine Dame es hören konnte: »Lieber Bruder, wenn du es nicht machst wie ich, so ist das garnichts. Du magst anderswo noch so mutig und verwegen sein, wenn du deine Kühnheit hier nicht zeigst, so dient sie dir nicht zum Ruhm. Denn du bist hier nicht an einem Respektsort, sondern an einem Ort, wo deine Dame auf dich wartet.« Mit diesen Worten verließ er seinen Bruder, der sich jedoch diesmal den entscheidenden Schlag noch für ein anderes Mal aufsparte. Die Dame jedoch achtete ihn nun nicht mehr, weil sie ihm entweder eine zu große Kälte in der Liebe oder Mangel an Mut oder körperlicher Fähigkeit zuschrieb. Und er hatte alles dies doch, sowohl im Kriege wie in der Liebe, bewiesen.

Die selige Königin-Mutter ließ eines Tages um Fastnacht eine sehr hübsche italienische Komödie zu Paris im Hotel de Reins aufführen, die der Galeerenkapitän Cornelio Fiasco verfaßt hatte. Der ganze Hof war versammelt, sowie [277] Herren und Damen aus der Stadt. Unter anderm wurde ein junger Mann dargestellt, der während einer ganzen Nacht im Zimmer einer schönen Dame versteckt gewesen war und sie nicht im mindesten berührt hatte. Wie er dies Abenteuer seinem Freunde erzählt, fragt dieser ihn: »Ch'avete fatto?« Und er antwortet: »Niente«. Darauf sagt ihm sein Freund: »Ah! poltronazzo, senza cuore! non havete fatto niente! che maldita sia la tua poltroneria!«

Nach der Vorstellung plauderten wir noch im Zimmer der Königin über die Komödie, und ich fragte eine sehr schöne und achtbare Dame, was ihr in dem Stück am besten gefallen habe. Sie erwiderte mir ganz naiv: »Das Hübscheste war, was jener Mann dem Lucio antwortete: ›Che non haveva fatto niente: Ah! poltronazzo, senza cuore! non havete fatto niente! che maldita sia la tua poltroneria!‹«

Die Dame war also mit Jenem einverstanden, der dem andern die Feigheit vorwarf. Wir beide plauderten noch mehr darüber und sagten, wie verkehrt es sei, nicht Wetter und Wind wahrzunehmen, wie es ein guter Seemann tut – Aber ich muß hier noch die folgende drollige Geschichte zwischen die ernsthaften einfügen.

Ich hörte von einem mir befreundeten Edelmann, daß eine Dame seines Standes wiederholt ihrem Kammerdiener Vertraulichkeiten erwiesen hatte, die deutlich genug sprachen. Der Kammerdiener, durchaus kein Dummkopf, fand seine Herrin eines Sommermorgens im Halbschlummer nackt im Bett, mit dem Gesicht nach der Wand. Gereizt von der Schönheit dieses Weibes und ihrer passenden Lage auf dem Bettrand, begann er einen behutsamen Angriff. Die Dame wandte den Kopf um und erkannte den Diener, den sie begehrte. [278] Und in der belagerten Stellung verharrend, ohne den geringsten Widerstand zu leisten, hielt sie still, um ja nichts zu verlieren, wandte nur den Kopf und sagte: »Sie kleiner Unverschämter, wie können Sie sich das erdreisten?« Der Kammerdiener entgegnete höflich: »Befehlen Madame, daß ich mich zurückziehe?« – »Das sage ich nicht. Ich frage nur, was Sie so kühn gemacht hat.« Der Diener aber wiederholte: »Wenn Madame wünschen, ziehe ich mich zurück.« – Sie darauf wieder: »Aber das sage ich ja garnicht.« Diese Fragen und Antworten gingen drei- oder viermal hin und her, ohne daß die Belagerung unterbrochen wurde; und als sie beendet war, befand sich die Dame wohler, als wenn sie dem Diener befohlen hätte, sich zurückzuziehen. Es war für beide gut, immer auf derselben Frage und Antwort zu bestehen. In diesem Tone fuhren sie später noch lange fort. Denn nur der Anfang ist schwer, wie man sagt.

Das war ein hübscher verwegener Kammerdiener! Von solchen beherzten Männern sagt das italienische Sprichwort: A bravo cazzo mai non manca favor.

So sehen wir also, daß manche sowohl in den Waffen wie in der Liebe tapfer sind, andre sind es nur in den Waffen und nicht in der Liebe, wieder andre in der Liebe und nicht in den Waffen, wie jener Räuber Paris, der wohl den Mut hatte, die Helena ihrem Gatten Menelaus zu entführen, aber zu feige war, sich mit ihm vor Troja zu schlagen.

Deshalb lieben die Damen auch die älteren Männer und Greise nicht, da diese in der Liebe zaghaft sind. Nicht, daß es ihnen an Begehrlichkeit fehlte, – sie ist oft größer als bei den Jungen – aber es mangelt ihnen an Leistungsfähigkeit. Das ist es, was eine spanische Dame sagte: Die Greise gleichen den Leuten, die, wenn sie einen König in seiner Macht und Herrlichkeit sehen, ihm gleich zu sein wünschen, aber es nicht wagen, ihn anzugreifen und zu entthronen und seinen Platz einzunehmen. Sie sagte: Y a penas es nascido el deseo, cuando se muere luego. »Kaum [279] ist der Wunsch geboren, so stirbt er schon.« So getrauen sich auch die Greise nicht, wenn sie etwas Schönes sehen, die Hand danach auszustrecken, »porque los viejos naturalmente son temerosos; y amor y temor no se caben en un saco«, »die Greise sind von Natur furchtsam, und Furcht und Liebe stecken nicht in einem Sack«. Und das ist richtig. Denn sie besitzen keine Waffen, weder zum Angriff noch zur Verteidigung, wozu den jungen Leuten die Jugend und die Schönheit dienen. Ferner, wie der Dichter sagt: der Jugend steht alles wohl an, was sie auch beginne, und ein andrer: ein alter Soldat und ein alter Liebhaber sind kein schöner Anblick.

Nun genug hiervon; wenden wir uns jetzt zu dem andern Gegenstand der Betrachtung, nämlich daß ebenso wie die Frauen die mutigen Männer, diese wiederum die tapfern Frauen heben. Gerade wie ein beherzter Mann liebenswürdiger und bewunderungswerter ist als ein andrer, so gilt dasselbe von einer edlen und beherzten Frau. Damit will ich jedoch nicht sagen, daß die Frau dieselben Taten vollbringen soll, wie ein Mann und ein soldatisches Wesen annehme. Von manchen weiß ich, daß sie zu Pferde saßen, mit der Pistole im Sattelgurt, und schießen und fechten konnten wie ein Mann.

Ich könnte eine Frau erwähnen, die sich während der Kämpfe der Liga in dieser Weise hervortat. Diese Verkleidung heißt aber das Geschlecht verleugnen. Abgesehen davon, daß es weder schön noch kleidsam ist, ist es nicht erlaubt und bringt mehr Nachteil als man denkt. Wie das zu ihrem Schaden jene Jungfrau von Orleans erfuhr, die in dem Prozeß deswegen sehr verlästert wurde und was zum Teil an ihrem Schicksal und ihrem Tode mit schuld war. Deshalb gefällt mir auch eine solche Männerverkleidung durchaus nicht Dagegen lobe ich gern eine Dame, die in Not und Gefahr ihren Mut durch schöne weibliche Handlungen bekundet, die sich dem männlichen Mut nähern. Die Beispiele von edlen Frauen aus den alten Zeiten von Rom und [280] Sparta übergehe ich und will nur einige aus unsern neueren Zeiten anführen.

Als erstes und eins der schönsten, die ich kenne, das der mutigen Frauen von Siena bei dem Aufstand der Stadt gegen das unerträgliche Joch der Kaiserlichen. Nachdem der Befehl hierzu für die Garde gegeben worden war, wollten die Frauen, die man als nicht kriegsfähig betrachtete, beweisen, daß sie noch mehr leisten könnten als ihre gewöhnlichen Verrichtungen für den Tag und die Nacht. Deshalb teilten sie sich in drei Scharen, und am Sankt-Antonstag im Monat Januar erschienen drei der vornehmsten und schönsten dieser Frauen öffentlich auf dem großen Platz mit ihren Tambouren und Fahnen.

Die erste war die Signora Forteguerra: sie und ihre Schar violett gekleidet; von derselben Farbe ihre Fahne, die den Wahlspruch: Pur che sia il vero zeigte. Alle diese Frauen trugen kurze Nymphengewänder, die ihre schönen Beine frei ließen. Die zweite war die Signora Piccolomini: sie und ihre Schar rosenrot gekleidet; die Fahne, von ebensolcher Farbe, trug ein weißes Kreuz und die Aufschrift: Pur che no l'habbia tutto. Die dritte war die Signora Livia Fausta; sie und ihre Schar weiß, die Fahne ebenfalls und mit einer Palme und der Devise: Pur che l'habbia geschmückt.

Im Gefolge dieser Damen, die wie Göttinnen erschienen, waren an dreitausend Frauen, Edeldamen, Bürgerinnen und andre, die in ihren bunten Gewändern aus Atlas, Taffet, Damast und Seide einen prächtigen Anblick boten. Alle waren bereit, für die Freiheit zu leben und zu sterben und ließen den Ruf ertönen: »Es lebe Frankreich!« Jede trug eine Faschine über der Schulter, zum Bau der Befestigung. Der Herr Kardinal von Ferrara und Herr de Termes, Offiziere des Königs, waren so hingerissen von diesem entzückenden Schauspiel, daß sie nichts weiter taten, als diese schönen Frauen anzustaunen, zu preisen und zu bewundern.

[281] Die Männer, die ganz für ihre Freiheit begeistert waren, wurden hierdurch nur noch mehr entflammt und wollten den Frauen nicht nachstehen. Alle Edelleute, Herren, Bürger, Kaufleute, Handwerker, Reiche und Arme strömten daher nach den Befestigungswerken, um gemeinsam mit diesen edlen Frauen daran zu arbeiten. Ja, nicht nur die Weltlichen, sogar die Männer der Kirche fehlten nicht Bei der Rückkehr von dem Fort zogen die Männer für sich und die Frauen ebenfalls in Gefechtsordnung nach dem Platz vor dem Palast der Signoria, und einer nach dem andern, Hand in Hand, huldigte dem Bildnis der Jungfrau Maria, der Schutzheiligen der Stadt. Hymnen ertönten zu ihren Ehren in so süßen und herrlichen Klängen, daß das ergriffene Volk in Tränen ausbrach. Nachdem Seine Hochwürden der Herr Kardinal von Ferrara den Segen gesprochen, begaben sich alle nach Hause, mit dem festen Entschluß, in Zukunft noch Besseres zu leisten.

Diese fromme Zeremonie der Frauen erinnert mich (ohne einen Vergleich ziehen zu wollen) an eine profane, wenn auch ebenfalls schöne, die in Rom zur Zeit des Punischen Krieges stattfand, wie Titus Livius berichtet. Es war eine Prozession von drei mal neun, also siebenundzwanzig schönen jungen Römerinnen, alles Jungfrauen, in ziemlich kurzen Kleidern (die Geschichte nennt die Farben nicht). Nach vollendetem Umzug hielten sie auf einem Platze an und führten vor dem Volke einen Tanz auf, wobei sie eine hinter der andern eine Schnur anfaßten und dazu sangen, was einen hübschen Anblick geboten haben mag.

Ich kann mir diese Art Tanz vorstellen, denn ich erinnere mich, in meiner Jugend einen Tanz von jungen Mädchen meiner Heimat gesehen zu haben, der »la jarretière« hieß. Sie reichten einander das Band zu, schwangen es über dem Kopf hin und her, schlangen es um die Beine, [282] lösten es wieder, sprangen darüber und führten alle diese hübschen Bewegungen nach dem Takt des Gesanges und des begleitenden Instrumentes aus. Diese Sprünge, Verschlingungen und Auflösungen, die Handhabung des Strumpfbandes und die ganze Grazie der jungen Mädchen hatten etwas so sinnlich Bestrickendes, daß ich mich wundere, warum dieser Tanz nicht auch heute noch an unsern Höfen geübt wird. Denn die Beinkleider und eine schöne Wade kommen dabei wundervoll zur Geltung. Von diesem Tanz kann man durch die Anschauung einen bessern Begriff bekommen als durch Beschreibung.

Doch kehren wir zu unsern Sienesischen Damen zurück. O! ihr schönen und tapferen Frauen, ihr hättet niemals sterben sollen, sowenig wie euer Ruhm, der unsterblich ist; ebensowenig auch wie jene schöne und edle Tochter eurer Stadt, die bei der Belagerung eines Abends ihren Bruder krank im Bette und unfähig auf die Wache zu ziehen fand. Da ließ sie ihn ruhen, nahm seine Kleidung und seine Waffen und erschien als das wahre Ebenbild ihres Bruders auf dem Posten. Dank der Dunkelheit der Nacht wurde sie nicht erkannt und für ihren Bruder gehalten. Das war gewiß ein schöner Zug, zumal sie sich nicht als Mann verkleidet hatte, um eine Gewohnheit daraus zu machen, sondern um ihrem Bruder einen Dienst zu leisten. Man sagt ja auch, daß nichts der Geschwisterliebe gleicht, und um einer guten Sache willen soll man den Adel seines Herzens zeigen, an welchem Orte es auch sei.

Sicher kann man die Tat dieses Mädchens für ihren Bruder nicht hoch genug loben. Ähnlich handelte jener edle Richardet, aber aus andern Gründen. Eines Abends hörte er seine Schwester Bradamante die Schönheit jener Prinzessin von Spanien preisen und von ihrer hoffnungslosen Liebe sprechen. Als sie eingeschlafen war, nahm er ihre Waffen und ihr Gewand und verkleidete sich in seine Schwester, was er um so mehr konnte, als er ihr nach Antlitz und Schönheit sehr ähnelte. In dieser Gestalt nahm [283] er von der Prinzessin, was seiner Schwester wegen ihres Geschlechtes versagt gewesen. Das wäre jedoch schlimm für ihn abgelaufen, wenn ihn Rogert, der ihn für seine Geliebte Bradamante hielt, nicht vor dem Tode beschützt hätte.

Ich hörte von Herrn La Chapelle des Ursins, der damals in Italien war und der dem seligen König Heinrich die hochherzige Tat jener Frauen von Siena erzählte, daß dieser gerührt und mit Tränen in den Augen gelobt: wenn Gott ihn einst mit dem Kaiser Frieden schließen ließe, so wolle er mit seinen Galeeren nach Toscana und von dort nach Siena gehen, um der Stadt seinen Dank zu sagen, die sich ihm und seiner Partei so anhänglich erwiesen, den schönen heldenmütigen Frauen aber wolle er seinen ganz besondern Dank abstatten.

Ich glaube, er hätte es auch sicher getan, denn er verehrte die schönen und achtenswerten Damen hoch; den drei Anführerinnen schrieb er übrigens Briefe voll der wärmsten Anerkennung.

Aber leider trat bald darauf der Waffenstillstand ein, vorher jedoch wurde die Stadt genommen, wie ich anderwärts schon erwähnte. Das war ein unschätzbarer Verlust für Frankreich, eine so teure, edle Bundesgenossin einzubüßen, die sich, ihres alten Ursprungs eingedenk, mit uns verbinden wollte. Denn man sagt, daß die wackern Sienesen von den Völkern Frankreichs abstammen, die im einstigen Gallien Semnonen hießen. Unser heutiges Sens deutet noch darauf hin. Die Sienesen ähneln auch im Charakter sehr uns Franzosen: sie geraten leicht in Zorn, sind lebhaft, rasch und schlagfertig wie wir. Ebenso besitzen die Frauen ganz die französische Grazie und Leutseligkeit.

Ich habe in einer anderswo zitierten Chronik gelesen, daß König Karl der Achte auf seiner Reise nach Neapel durch Siena kam und dort so prachtvoll empfangen wurde, daß dieser Einzug alle andern übertraf, die er jemals in ganz Italien gemacht hatte. Man hatte sogar zum Zeichen [284] der tiefsten Ehrfurcht alle Tore der Stadt aus ihren Angeln gehoben und auf die Erde gelegt; während seines Aufenthalts blieben sie allen Kommenden und Gehenden geöffnet und wurden erst nach seiner Abreise wieder eingehoben.

Man begreift, daß der König und sein Hof und Heer volle Ursache hatten, diese Stadt zu lieben und zu ehren. Auch war sein Aufenthalt für ihn und alle sehr angenehm, und es war auf das strengste verboten, irgend eine Ungezogenheit zu begehen, was auch nicht im mindesten vorgekommen ist. Ja, ihr braven Sienesen, ihr sollt leben! Wollte Gott, ihr wäret noch die Unsern, wie ihr es wäret, und im Grund eures Herzens wohl auch noch heute seid! Denn die Herrschaft eines Königs von Frankreich ist sanfter als die eines Herzogs von Florenz, – und dann, die Stimme des Blutes kann sich nicht verleugnen. Ja, wenn wir so benachbart wären, wie wir voneinander entfernt sind, dann würden wir sicher ein Herz und eine Seele sein.

Die hervorragendsten Damen Pavias halfen ebenfalls, während der Belagerung durch König Franz, unter der Leitung und dem Beispiel der Frau Gräfin Hippolita de Malespina bei dem Bau der Befestigungswerke.

Eine ähnliche Tat, wie die der Frauen von Siena, sah ich bei der Belagerung von La Rochelle die Frauen dieser Stadt vollbringen. Ich erinnere mich, daß am ersten Fastensonntag, wo die Belagerung stattfand, unser Herr General den Herrn De la Noue auffordern ließ, zu ihm zu kommen und ihm von den Unterhandlungen mit der Stadt Rechenschaft abzulegen. Die Auseinandersetzung darüber, die lang und sehr seltsam war, gedenke ich wo anders zu beschreiben. Herr De la Noue erschien also, und Herr d'Estrozze wurde dafür als Geisel in die Stadt gesandt, und für diesen und den nächsten Tag ruhten die Waffen.

Gleich nach verkündetem Waffenstillstand erschienen außerhalb der Laufgräben zahlreiche Stadtleute auf den Wällen und Mauern, vor allen aber etwa hundert vornehme Damen und reiche und schöne Bürgerinnen, alle von Kopf [285] bis zu Fuß in weiße holländische Leinwand gekleidet In dieser Kleidung hatten sie bei dem Bau der Befestigungen geholfen, hatten Schanzkörbe herzugetragen und Erde weggeschaufelt. Andre Kleider würden bei der Arbeit verdorben worden sein, aber die weißen konnten gewaschen werden. Auch dienten sie als gutes Merkmal zur Unterscheidung von den andern. Wir waren ganz entzückt von dem Anblick dieser schönen Frauen.

Nun waren wir neugierig zu erfahren, wer diese Damen seien. Man sagte uns, es sei eine Schar, die sich durch ein Gelöbnis zusammengetan, der Stadt den erwähnten Dienst zu leisten. Ja, einige besonders starke führten sogar Waffen, und von einer wurde erzählt, daß sie mehrmals den Feind mit einer Pique zurückgeschlagen und diese Waffe noch als eine heilige Reliquie bewahre, die sie um keinen Preis hergeben würde.

Ich hörte von einigen alten Befehlshabern von Rhodos und las auch in einem alten Buche, daß bei der Belagerung von Rhodos durch den Sultan Solimann die schönen Frauen und Mädchen der Stadt nicht ihr hübsches Gesicht und ihren zarten Körper schonten, um einen großen Teil der Mühen und Arbeiten der Belagerung auf sich zu nehmen. Ja, oft genug setzten sie sich dem gefährlichsten Ansturm aus und standen den Rittern und Soldaten mutig bei. O, ihr schönen Frauen von Rhodos, euer ruhmvoller Name hat zu allen Zeiten gegolten, und ihr verdientet es wahrlich nicht, unter der Herrschaft der Barbaren zu stehen!

Zur Zeit Königs Franz I. wurde die Stadt Saint-Riquier in der Pikardie von einem flämischen Edelmann Namens Domrin, dem Fähnrich des Herrn Du Ru, belagert. Er rückte mit hundert Fußsoldaten und zweitausend Reitern, sowie einiger Artillerie an. In der Stadt befand sich nur die kleine Zahl von hundert Mann, und sie wäre genommen worden, wenn nicht die Frauen der Stadt auf den Mauern erschienen wären und mit Waffen und Steinen, kochendem Wasser und heißem Öl den Feind mutig zurückgetrieben[286] hätten. Zwei dieser Frauen entrissen sogar zwei Fahnen den Feindeshänden und zogen sie von der Mauer aus in die Stadt, so daß die Belagerer gezwungen waren, die geschlagene Bresche aufzugeben und abzuziehen. Dies Ereignis wurde berühmt durch ganz Frankreich, Flandern und Burgund. Nach einiger Zeit kam König Franz nach dieser Stadt und sprach den Frauen seine dankbare Anerkennung aus.

Die Frauen von Péronne handelten ebenso, als die Stadt vom Grafen von Nassau belagert wurde, und standen den tapfern Soldaten in derselben Weise bei, wofür sie vom Könige hoch geachtet und belobt wurden.

Die Frauen von Sancerre erwarben ebenfalls Ruhm wegen ihrer Heldentaten während der Belagerung in den Bürgerkriegen.

Auch die Frauen von Vitré zeigten sich im Kriege der Liga bei der Belagerung der Stadt durch Herrn de Mercueur heldenmütig. Zu allen Zeiten waren die Frauen dort sehr schön und trugen feine Gewandung; aber sie schonten nicht ihre Schönheit, und betätigten einen männlichen Mut. Sicher sind edle und männliche Handlungen zu einem guten Zweck ebenso achtenswert bei Frauen wie bei Männern.

Von gleicher Art waren einst die edlen Frauen von Karthago. Bei der Belagerung sahen sie, daß ihre Gatten, Brüder, Väter, Verwandte, kurz die Kämpfenden aus Mangel an Bogensehnen zu schießen aufhörten; denn wegen der langen Dauer der Belagerung waren sie abgenutzt und es war auch weder Hanf, Leinen noch Seide mehr vorhanden, um Sehnen daraus zu fertigen; da schnitten die Frauen ihre schönen blonden Haare ab und drehten daraus mit ihren eignen zarten Händen Bogensehnen. Man kann sich denken, wie mutig und begeistert die Kämpfer nun ihre Bogen spannten.

Wir lesen in der Geschichte Neapels, daß der große Feldherr Sforza, unter dem Befehle der Königin Johanna II., von Johann, dem Gemahl der Königin ergriffen und ins Gefängnis geworfen wurde. Sicher hätte es seinen Kopf [287] gekostet, wenn seine Schwester Margarethe nicht die Waffen ergriffen und sich in die Schlacht begeben hätte. Sie allein nahm vier der ersten neapolitanischen Edelleute gefangen und ließ dem König sagen, sie würde mit diesen seinen Leuten gerade so verfahren, wie er mit ihrem Bruder verfahren würde. So war er gezwungen, nachzugeben und ihn ungefährdet frei zu lassen. Das war ein tapfres, edles Frauenherz!

Wenden wir uns jetzt von den kriegerischen und edlen Frauen im allgemeinen zu einigen besonderen. Das Altertum bietet das schönste Beispiel in jener Zenobia, die nach dem Tode ihres Gatten sich nicht wie manche andre einer untätigen Trauer hingab, sondern sich im Namen ihrer Kinder des Reiches bemächtigte und den damaligen römischen Kaiser Aurelian mit Krieg überzog. Acht Jahre lang beunruhigte sie die Römer, bis sie endlich, zum Kampf gegen ihn auf dem Schlachtfeld erschienen, gefangen genommen und vor den König geführt wurde. Als dieser sie fragte, woher sie den Mut genommen, mit einem Kaiser zu kämpfen, entgegnete sie: »Wahrlich! jetzt erkenne ich, daß du ein Kaiser bist, denn es ist dir gelungen, mich zu besiegen.« Aurelian war so stolz auf diesen Sieg, daß er Zenobia im Triumph aufführen wollte. Mit großem Pomp schritt sie vor seinem Triumphwagen her, prachtvoll gekleidet und mit Perlen und Edelsteinen geschmückt; ihr Leib, sowie Hände und Füße waren zum Zeichen ihrer Gefangenschaft mit goldenen Ketten umwunden. Wegen der Last der Edelsteine und Ketten, die sie trug, mußte sie auf ihrem Wege öfter ausruhend stehen bleiben. Wahrlich, ein eigener Fall, daß sie, die Gefangene, dem triumphierenden Sieger Gesetze gab und ihn warten ließ, bis sie Atem geschöpft. Und wie höflich war der Kaiser, ihr dies zu erlauben, statt sie zum Weitergehen zu zwingen. Man weiß nicht, ob man mehr diese Ritterlichkeit des Kaisers oder den großartigen Anstand der Königin bewundern soll. In der Tat erwarb sie sich Bewunderung bei Männern und Frauen. [288] Von den letzteren hätte wohl manche gern ihrem herrlichen Bilde gleichen mögen; denn die Schriftsteller schildern sie als sehr schön. Sie war von hoher Gestalt, edler Haltung und besaß Anmut und Majestät. Ihre Augen waren schwarz und leuchtend, ihre Zähne weiß. Sie war lebhaften Geistes und konnte je nach Bedürfnis bescheiden, aufrichtig und gnädig sein. Sie sprach mit schöner und klarer Stimme und teilte oft dem Heere ihre Wünsche und Entschlüsse in längeren Reden mit.

Ich wundere mich, daß Aurelian die Zenobia, da sie doch so schön war, nicht zur Geliebten genommen oder daß sie nicht, mit seiner oder des Senats Erlaubnis, ein Haus der Liebe eröffnet hat, wie Flora. Dahin wären gewiß alle vornehmen Männer Roms geströmt, denn einen höheren Genuß kann es wohl nicht geben, als eine schöne und berühmte Königin in den Armen zu haben. Auf diese Weise hätte Zenobia große Reichtümer gesammelt, ebenso wie Flora, die auch nur die Großen bei sich empfing. Sie hätte in Pracht und Herrlichkeit leben können, statt daß sie in das tiefste Elend versank und ein armseliges Leben durch Webarbeiten unter gewöhnlichen Frauen fristen mußte. Dabei hätte sie Hungers sterben können, wenn der Senat nicht, eingedenk ihrer früheren Größe, Mitleid mit ihr empfunden und ihr eine Pension sowie einen kleinen Landsitz zugewiesen hätte. Dieser Besitz hieß noch lange die »zenobianischen Landgüter«. Die Armut ist ja ein großes Übel, und wenn man sie auf irgend eine Weise vermeiden kann, so tut man wohl daran; so sagte mir jemand, den ich kenne.

So konnte Zenobia ihren hohen Mut nicht bis an das Ende ihrer Laufbahn bewahren, wie sie es hätte tun sollen; [289] denn man muß ihn in allen Handlungen behaupten. Es heißt, sie habe den prachtvollsten Triumphwagen bauen lassen, den man jemals zu Rom gesehen, worauf sie, wie sie zur Zeit ihrer Macht und Herrlichkeit oftmals sagte, in Rom einziehen wollte; denn es war ihr größter Stolz, das römische Reich zu unterwerfen. Aber das Blatt sollte sich wenden! Denn der Kaiser stand auf dem Triumphwagen, und sie ging zu Fuß als Gefangene. Freilich ist der Sieg über ein Weib, in welcher Form er auch sei, wenig ruhmreich und erhaben.

Ebenso wünschte Augustus über Kleopatra zu triumphieren, aber er hatte kein Glück damit. Sie beugte dem rechtzeitig vor, und zwar in derselben Weise, wie Paulus Ämilius es dem Perseus riet. Dieser, als sein Gefangener, bat den Ämilius um Mitleid und erhielt zur Antwort: er hätte diesem Schicksal zuvorkommen können, wenn er sich selbst den Tod gegeben hätte.

Ich hörte erzählen, daß König Heinrich II. keinen größeren Wunsch hegte, als die Königin von Ungarn gefangen zu nehmen, nicht um sie unwürdig zu behandeln – obwohl sie ihm durch ihre Brandstiftung Grund genug dazu gegeben hatte – sondern um des Ruhmes willen, diese große Königin gefangen zu halten, ihr Benehmen in der Gefangenschaft zu beobachten und zu sehen, ob sie sich nun ebenso stolz und tapfer gebärden würde wie in der Mitte ihrer Soldaten. Denn es gibt ja auch nichts Herrlicheres als eine schöne, mutige und berühmte Frau zu sehen, wie diese es war. Es gereichte ihr zum Stolz, daß die spanischen Soldaten, • die ihren Bruder den Kaiser el padre de los soldados nannten, ihr den Namen la madre gaben. Ebenso wurde Vittoria oder Vittorina einst zu den Zeiten der Römer bei ihrem Heer »die Mutter des Feldlagers« genannt Sicher, wenn eine große und schöne Frau eine führende Stelle im [290] Kriege übernimmt, so dient sie damit der Sache wesentlich und nährt die Begeisterung der Leute. So sah ich die Königin-Mutter oft bei unsern Heeren erscheinen und den Mut der Truppen beleben, wie es noch heute ihre Enkelin, die Infantin, in Flandern tut, die ihrem Heere vorsteht und, wie alle sagen, durch ihre entzückende Gegenwart das Land erhält. Die Königin von Ungarn, ihre Großtante, hat sie niemals an Schönheit, Mut und Adel übertroffen.

In der Geschichte von Frankreich lesen wir von dem großen Einfluß, den die Gegenwart jener edlen Gräfin von Montfort ausübte, die in Annebon belagert wurde. Denn so tapfer auch ihre Soldaten waren und so manchen Sturm sie zurückgeschlagen, begann ihnen doch das Herz zu sinken und sie wollten sich bereits ergeben; sie aber ermutigte sie durch eine schöne Ansprache, so daß sie die Hilfe abwarteten, die denn auch zur rechten Zeit eintraf und zur Aufhebung der Belagerung führte. Ja, sie tat noch mehr. Während ihre Feinde mit der Erstürmung beschäftigt waren und alle die Zelte verlassen hatten, bestieg sie ein gutes Pferd und machte mit fünfzig Reitern einen Ausfall, schlug Alarm und steckte das Lager in Brand. Das bewirkte, daß Karl von Blois, der sich verraten glaubte, sofort den Sturm aufgab. – Zu diesem Thema möchte ich noch die folgende kleine Geschichte erzählen:

Während der letzten Kämpfe der Liga sandte der kürzlich verstorbene Prinz von Condé, der sich damals zu Saint-Jean befand, an Madame de Bourdeille, eine sehr schöne Witwe von vierzig Jahren, die Aufforderung, ihm sechs oder sieben der reichsten Leute ihres Landbesitzes zu schicken, die sich zu ihr auf ihr Schloß Mathas zurückgezogen hatten. Sie lehnte es rundweg ab mit dem Bemerken, sie werde niemals jene armen Leute ausliefern, die sich ihrem Schutze vertraut hatten. Der Prinz ließ ihr als letztes Wort sagen: wenn sie die Leute nicht schicken würde, so wolle er sie Gehorsam lehren. Sie entgegnete (ich weiß es, denn ich befand mich [291] zu ihrer Hilfe bei ihr): da er nicht zu gehorchen verstände, so finde sie es sonderbar, daß er andre Gehorsam lehren wolle, und nur wenn er seinem Könige gehorche, wolle sie ihm gehorchen. Übrigens fürchte sie seine Drohungen nicht, und weder seine Kanonen noch seine Belagerungstruppen könnten sie einschüchtern. Sie stamme von der Gräfin von Montfort ab, von der sie nicht nur diesen Platz, sondern auch die mutige Seele geerbt habe. Sie sei entschlossen, den Platz zu behaupten, so daß er nicht in seine Hände kommen solle, und sie werde hier ebenso handeln, wie einst ihre Großmutter, jene Gräfin, in Annebon. – Der Prinz dachte lange über diese Antwort nach und zögerte mehrere Tage sie weiter zu bedrohen. Indessen, wenn er nicht gestorben wäre, so würde er sie dennoch belagert haben; sie hatte sich aber durch Mut, Entschlossenheit, sowie durch wackere Leute so gut auf seinen Empfang vorbereitet, daß ich glaube, er wäre mit Schanden abgezogen.

Macchiavelli erzählte in seinem Buche »Vom Kriege«, daß Katharine, Gräfin von Furly, in ihrer Stadt durch Cesare Borgia belagert wurde, der von dem französischen Heere unterstützt wurde; Sie leistete ihm tapferen Widerstand, endlich aber wurde die Stadt doch genommen. Die Ursache war, daß dieser Platz so reich an befestigten Stellen war, daß man sich von einem Ort in den andern zurückziehen konnte. Als nun Cesare anrückte, verließ der Herr Johann von Casala (den die genannte Gräfin zum Beistand genommen hatte), die Bresche, um sich in seine Forts zurückzuziehen. Infolge dieses Fehlers wendete sich Borgia gegen die Stadt und eroberte sie. Diese Fehler, sagt der Autor, schädigten den edlen Mut und den Ruf jener tapfern Gräfin, die eine Armee erwartet hatte, die der König von Neapel und der Herzog von Mailand nicht zu erwarten gewagt hatten. Trotz dieses unglücklichen Verlaufs trug sie doch die Ehre davon, die ihre Tugend verdiente, und viele Gedichte wurden damals zu ihrem Preise in Italien verfaßt. Diese Stelle verdiente von denen gelesen zu werden, die [292] sich mit der Befestigung von Plätzen befassen und darin viele Forts, Schlösser, Türme und Zitadellen anlegen.

Um zu unserm Thema zurückzukehren: es gab bei uns in Frankreich in früheren Zeiten viele Fürstinnen und große Damen, die schöne Zeichen von Heldenmut abgelegt haben. Zum Beispiel Paula, die Tochter des Grafen von Panthièvre, die in Roye durch den Grafen von Charoullois belagert wurde. Sie zeigte sich dabei so tapfer, daß der Graf sie nach der Einnahme der Stadt sehr ehrenvoll behandelte und ihr ein sicheres Geleite nach Compiègne gab mit dem ausdrücklichen Befehl, daß ihr kein Leid geschehe. Er ehrte sie sehr ihrer großen Tugend wegen, trotzdem er gegen ihren Gatten Groll hegte, den er beschuldigte, ihm mit Zauberkünsten nach dem Leben getrachtet zu haben.

Richilde, die einzige Tochter und Erbin von Monts und Hainault, Gemahlin Baudouins des Sechsten, Grafen von Flandern, wendete alle Mittel an, ihrem Stiefbruder Robert le Frizon, dem für die Kinder Flanderns eingesetzten Vormund, die Verwaltung zu entreißen und sich anzueignen. In dieser Absicht lieferte sie ihm, unter dem Beistand Königs Philipp von Frankreich, zwei Schlachten. In der ersten wurde sie gefangen genommen, ebenso ihr Feind Robert; nachher wurden sie im Austausch zurückgegeben. Nun lieferte sie ihm die zweite Schlacht, die sie verlor; auch ihren Sohn Arnulph verlor sie in dieser Schlacht, und sie wurde bis nach Monts verjagt.

Ysabel von Frankreich, die Tochter Königs Philipp des Schönen und Gemahlin Königs Eduard II., Herzogs von Guyenne, stand bei ihrem Gemahl dem König in Ungnade, und zwar infolge böser Nachreden seitens Hue le Despencier; sie war deshalb gezwungen, sich mit ihrem Sohne Eduard nach Frankreich zurückzuziehen. Dann kehrte sie mit dem Ritter de Hainaut, ihrem Verwandten, und einem Heer nach[293] England zurück, mit Hilfe dessen sie ihren Gatten gefangen nahm. Ihn lieferte sie in die Hände derjenigen, mit denen er seine Tage enden sollte. Ihr selbst aber widerfuhr das Schicksal, daß sie wegen einer Liebschaft mit einem Herrn von Mortem er von ihrem Sohn in ein Schloß eingesperrt wurde, um dort ihre Tage zu beenden. Sie hat den Engländern Veranlassung gegeben, auf Frankreich ungerechterweise zu zürnen. Aber das war eine große Undankbarkeit seitens eines Sohnes, der, uneingedenk einer großen Wohltat, seine Mutter wegen eines so geringen Vergehens so unwürdig behandelte. Gering nenne ich es, da es natürlich ist und wohl leicht begreiflich, da sie es gewohnt war, so viel unter Kriegsleuten zu verkehren. Warum sollte sie, die so oft mit Männern im Kriegszelte zusammen war, nicht auch einmal mit einem Manne im Alkoven zusammen sein? Ich erinnere an unsre Königin Leonore, Herzogin von Guyenne, die ihren Gemahl über das Meer und in den heiligen Krieg begleitete. Infolge des vielen Verkehrs mit den Soldaten vergab sie sich viel von ihrer Ehre, bis sie sogar mit den Sarazenen zu tun hatte. Um deswillen wurde sie vom König verstoßen, was einen Verlust für uns bedeutete. Vielleicht wollte sie erproben, ob ihre guten Kameraden ebenso wackere Helden auf dem Liebeslager seien, wie auf dem Schlachtfelde, und vielleicht liebte sie eben gerade die tapfren Leute. Denn eine Tapferkeit zieht die andre an, ebenso wie eine Tugend die andre.

Jene Königin Leonore war nicht die einzige, die ihren Gemahl und König in den heiligen Krieg begleitete. Vor, mit und nach ihr zogen manche Prinzessinnen und große Damen mit ihren Gatten in den Kreuzzug, und unter dem Vorwand, das heilige Grab zu besuchen, gaben sie sich mitten unter den Waffen nach Herzenslust der Liebe hin. Denn, wie ich schon sagte, die Waffen und die Liebe gehen gern zusammen.

Solche Frauen verdienen ja auch noch Achtung, da sie die Männer lieben und mit ihnen verkehren, wogegen einst [294] die Amazonen, obwohl sie sich Töchter des Mars nannten, sich ihrer Gatten entledigten, weil sie die Ehe als eine wahre Sklaverei betrachteten. Dagegen verschmähten sie es durchaus nicht, sich mit andern Männern einzulassen, um Töchter zu erzeugen, während sie die Kinder männlichen Geschlechts töteten.

Ja, Nauclerus berichtet in seiner »Kosmographie«, daß im Jahre Christi 1123 nach dem Tode der Libussa, Königin von Böhmen, die die Stadt Prag mit Mauern umgab und die Herrschaft der Männer verabscheute, eine ihrer Hofdamen, Namens Valasca, großen Mut zeigte. Sie schilderte den Mädchen und Frauen des Landes die Freiheit von dem Joch der Männer in so lebhaften Farben, und überredete sie so eindringlich, daß alle zum Männermord schritten: Gatten, Brüder, Verwandte und Nachbarn wurden getötet; dann ergriffen sie die Waffen der Männer und erwiesen sich als so mutige und verwegene Amazonen, daß sie mehrere Siege erfochten. Später aber wurden sie durch die Listen des Primislaus, des Gatten der Libussa, der aus niedrem Stande hervorgegangen war, geschlagen und dem Tode überliefert. Das war ein Strafgericht Gottes für den Frevel, die Fortpflanzung des Menschengeschlechts hemmen zu wollen.

Jene Frauen hätten ihren Mut lieber durch schöne, mannesmutige Handlungen als durch solche Grausamkeiten betätigen sollen; wie wir das bei manchen Kaiserinnen, Königinnen, Prinzessinnen und großen Damen sahen, von deren edlen Taten in der Leitung ihres Staats die Geschichte viel zu erzählen weiß. Denn der Ehrgeiz wohnt so gut in der Seele des Weibes wie in der des Mannes.

Eine Frau will ich nennen, die nicht so sehr vom Ehrgeiz ergriffen war, nämlich Vittoria Colonna, die Gattin des Marchese von Pescara. Von ihr las ich in einem spanischen Buche folgendes: Als der Marchese von dem schönen Angebot des Königreichs Neapel hörte, das Hieronymus Mouron ihm seitens des Papstes stellte, wenn er mit ihm in ein Bündnis treten wollte, teilte er es ihr mit; denn er verheimlichte [295] ihr nichts von seinen privatesten Angelegenheiten, weder kleinen noch großen. Da schrieb sie ihm (denn sie war sehr redegewandt): er möge sich doch auf seinen Wert und seine Tugend besinnen, wodurch er sich einen so hohen Ruf erworben, daß er den Ruhm der größten Könige der Erde übertreffe: non con grandeza de los reynos, de Estados ny de hermosos titulos, sino con fé illustre y clara virtud, so alcançava la honra, la qual con loor siempre vivo, legava à los descendientes; y que no havia ningun grado tan alto que no fuese vencido de una trahicion y mala fé. Que por esto, ningun deseo tenia de ser muger de rey, queriendo antes ser muger de tal capitan, que no solamente en guerra con valorosa mano, mos en paz con gran honra de animo no vencido, havia sabido vencer reyes, y grandisimos principes, y capitanes, y darlos a triunfos, y imperiarlos; das heißt: »Nicht durch die Größe der Königreiche, Staaten und Titel, sondern durch treuen Glauben und reine Tugend erwarb man die Ehre, die mit einem stets lebendigen Ruhm unserm Geschlecht zuteil ward. Und es gab keinen so hohen Grad, der nicht durch Verrat und Treulosigkeit erworben worden wäre. Deshalb hege sie keinen Wunsch, die Frau eines Königs zu sein, sondern die Gattin eines solchen Feldherrn, der nicht nur im Kriege mit mutiger Hand, sondern auch im Frieden mit der großen Ehre eines nicht besiegten Geistes es verstanden hatte, die Könige, die großen Fürsten und Feldherren zu besiegen, über sie zu triumphieren und sie zu beherrschen.« Die Worte dieser Frau zeugen von Mut, Tugend und Wahrheit; denn es ist in der Tat häßlich, durch das Laster zu herrschen; erhaben aber ist es, den Königen und Fürsten durch die Tugend zu gebieten.

Fulvia, die Gattin des P. Claudius und zweite Gemahlin des Marcus-Antonius, fand keinen Gefallen an der Führung ihres Hausstandes, sondern beschäftigte sich so erfolgreich mit den Angelegenheiten des Staates, daß sie den Ruf erwarb, den Kaisern zu gebieten. Auch Kleopatra wußte ihr [296] Dank dafür, daß sie Marc-Anton gelehrt hatte, zu gehorchen und sich den Gesetzen der Unterwerfung zu beugen.

Von dem großen französischen Fürsten Karl Martell lesen wir, daß er den Titel eines Königs nicht selbst tragen wollte, was in seiner Macht gestanden hätte, sondern daß es ihm mehr zusagte, die Könige zu regieren und ihnen zu gebieten.

Sprechen wir jetzt von einigen unsrer Damen. Zur Zeit der Kriege der Liga war Madame von Montpensier, die Schwester des verstorbenen Herrn von Guise, eine große Staatsmännin, die sowohl durch ihre geistigen wie körperlichen Leistungen ihr gutes Teil zum Zustandekommen jener Liga beigetragen hat. Als sie einst, nach Vollendung dieser Tat, beim Kartenspiel saß (sie liebte sehr das sog. »Prime«-spiel) und man ihr sagte, sie mische die Karten gut, sagte sie in Gegenwart vieler Leute: »Ich habe sie so gut gemischt, daß sie nicht wieder voneinander gesondert werden können.« Leider aber wurden ihre Angehörigen in diesen Kämpfen getötet. Sie aber, ohne einem solchen Verlust gegenüber den Mut zu verlieren, unternahm es, sie zu rächen. Nachdem sie die Kunde davon zu Paris vernommen, verließ sie, statt wie andre sich, der Trauer hingegeben, in ihrem Zimmer einzuschließen, mit den Kindern ihres Bruders ihre Wohnung, nahm sie bei der Hand und führte sie durch die Stadt, wobei sie das Volk durch Klagen und Tränen zum Mitleid rührte und es durch Worte zum Ergreifen der Waffen hinriß. Die Wut des Volkes war entfesselt und schonte weder das Haus noch das Bild des Königs (worüber ich in seiner Lebensbeschreibung zu reden gedenke). Sie forderte das Volk auf, dem König die Treue zu verweigern und sich gegen ihn zu empören, was dann auch seinen Tod zur Folge hatte. Wir wissen daher, wer an seiner Ermordung schuld war. Sicherlich konnte das Herz einer Schwester den Verlust solcher Brüder nicht verschmerzen, und sie mußte ihren Mord rächen.

Ich hörte, daß sie, nachdem sie zu Paris den Volksaufstand erregt, zum Fürsten zu Parma reiste, um seine [297] Hilfe bei dem Rachewerk zu gewinnen. Unterwegs auf der langen Reise blieben die erschöpften Pferde ihres Wagens mitten in der Pikardie im Schlamm stecken und konnten weder vor- noch rückwärts. Zufällig kam ein Edelmann dieses Landes vorüber, der zu den Reformierten gehörte und der sie, trotz ihrer Verkleidung und ihres Incognitos, erkannte. Er ließ alles aus den Augen, was sie Feindseliges gegen seine Glaubensgenossen verübt hatte, und sagte voll ritterlicher Höflichkeit zu ihr: »Madame, ich er: kenne Sie wohl und begrüße Sie. Ich sehe, Sie befinden sich in übler Lage und bitte Sie, in mein Haus zu kommen, das hier in der Nähe ist, damit Sie sich trocknen und ausruhen können. Ich werde tun, was ich vermag, um es Ihnen bequem zu machen. Fürchten Sie nichts; denn obgleich ich ein Reformierter bin und Sie die Unsrigen hassen, möchte ich doch nicht verfehlen, Ihnen einen Gefallen zu erweisen, dessen Sie bedürftig sind.« Sie nahm das Anerbieten dankbar an, und nachdem sie sich erholt, setzte sie ihren Weg fort. Jener begleitete sie zwei Meilen weit, ohne von ihr das Ziel ihrer Reise zu erfahren. Später im Lauf des Krieges soll sie dem Edelmann, wie ich hörte, zum Dank dafür viele andre Freundlichkeiten erwiesen haben.

Manche haben sich darüber gewundert, daß sie diesem Manne vertraute, da er doch ein Hugenotte war. Aber in der Not entschließt man sich zu vielem, und nach seinen anständigen und offenen Worten durfte sie wohl annehmen, daß er zu einer guten Handlung geneigt war.

Madame de Nemours, ihre Mutter, die nach dem Tode ihrer Kinder gefangen gesetzt wurde, befand sich über einen solchen unersetzlichen Verlust mit Recht in tiefer Verzweiflung. Trotz ihrer sanften und kühlen Natur überhäufte sie den König mit Verwünschungen (und wahrlich, was könnte man nicht in einem solchen Schmerze tun und sagen!); ja, sie nannte den König nie anders als »Tyrann«. Später, zu sich gekommen, sagte sie: »Wie, was sag ich? Tyrann? Nein, nein, ich will ihn nicht mehr so nennen; er [298] ist ein guter und gnädiger König, wenn er mir den Tod gibt wie meinen Kindern, nur damit ich aus diesem Elend erlöst werde und Gott mich zu sich nimmt!« Später mäßigte sie ihre Worte noch mehr und sagte nur: »Ach, meine Kinder! ach, meine Kinder!« Dazu flössen ihre Tränen, die ein Herz von Stein erweichen konnten. Ja, sie hatte wohl recht, diese guten, edlen und tapferen Söhne so tief zu bejammern, worunter jener große Herzog von Guise war, ein wahres Musterbild von Mut und Adel. Sie liebte ihre Kinder so sehr, daß eines Tages eine Hofdame, mit der ich über Madame de Nemours sprach, mir sagte: sie wäre aus verschiedenen Gründen, die sie anführte, eine der glücklichsten Fürstinnen der Welt, wenn sie nicht ihre Kinder gar zu sehr liebte; denn in ihrer übergroßen Liebe lebe sie in beständiger Sorge, daß ihnen etwas Böses zustoßen könne, und diese beständige Unruhe trübe ihr Glück. Nun kann man sich denken, wie tief sie durch den Tod jener zwei Söhne getroffen wurde, und wie sie um den andern, der in Lyon war, bangte, und um Herrn von Nemours, der gefangen saß. Denn um ihre eigene Gefangenschaft kümmerte sie sich nicht, noch auch um ihren eignen Tod, wie ich schon sagte.

Als man sie aus dem Schlosse von Blois entfernte, um sie nach dem von Amboyse, in ein noch engeres Gefängnis überzuführen, hob sie, durch die Tür schreitend, das Haupt zu dem Bildnis des Königs Ludwig XII., ihres Großvaters, empor, das darüber in Stein gemeißelt ist und ihn in schöner kriegerischer Haltung zu Pferde zeigt. Sie blieb einen Augenblick stehen und sagte, das Bild betrachtend, vor vielen Leuten, die dazu gekommen waren, mit ruhiger Würde: »Wenn der dort oben noch am Leben wäre, so würde er nicht zugeben, daß seine Enkelin ins Gefängnis geführt wird und diese Behandlung erfährt.« Dann setzte sie schweigend ihren Weg fort. In ihrer Seele rief sie die Manen ihres edlen Großvaters an, diese Schmach zu rächen; ebenso wie einst einige Verschwörer gegen das [299] Leben Cäsers sich im entscheidenden Augenblick an die Statue des Pompejus wandten und seine einst so tapfere Hand beschworen, die ihre bei dem Todesstoß zu leiten. Möglich, daß die Anrufung jener Fürstin den Tod des Königs herbeiführen wird; denn eine Frau von großer Seele, die ein Rachegefühl hegt, ist sehr zu fürchten.

Ich erinnere mich, daß, als Herr de Guise, ihr verstorbener Gemahl, den Todesstreich empfing, sie einige Tage vorher zu ihm ins Feldlager kam. Als er verwundet nach Hause gebracht wurde, ging sie ihm in Tränen und Verzweiflung bis an die Tür entgegen und rief aus: »Ist es möglich, daß der Elende, der den Streich geführt hat und der ihn dazu anstiftete (sie meinte den Herrn Admiral) unbestraft bleiben? Gott, wenn du gerecht bist, wie du sein sollst, so räche ihn! Sonst ...« Sic vollendete nicht, ihr Gemahl aber nahm das Wort und sagte: »Meine Teure, lästre nicht Gott mit deinen Worten! Wenn er mir dies zur Strafe meiner Fehler gesandt hat, so geschehe sein Wille und er sei gelobt. Kommt aber diese Schickung nicht von ihm, so wird er, bei dem die Rache steht, sie ohne dich vollziehen.« Nachdem er gestorben, verfolgte sie jedoch den Mörder und ließ ihn von vier Pferden zerreißen; auch der von ihr gemutmaßte Anstifter wurde nach einigen Jahren umgebracht, wie ich an anderm Orte zu erzählen gedenke, und zwar nach den Weisungen und Ratschlägen, die sie ihrem Sohn seit seiner frühen Kindheit gab, bis ihre Rache vollendet war.

Der Rat und die Aufmunterung edler Frauen und Mütter vermag in solchen Dingen viel. So erinnere ich mich, daß, als König Karl IX. auf einer Reise durch seine Staaten in Bordeaux war, der Baron Bournazel, ein sehr tapferer gaskognischer Edelmann, ins Gefängnis kam, weil er einen andern Edelmann seines Landes Namens La Tour getötet hatte, und zwar, wie man sagt, einer großen Hinterlist wegen. Die Witwe betrieb die Verfolgung des Mörders so lebhaft, daß man dafür sorgte, die Kunde von der [300] Verurteilung des Barons in die Gemächer des Königs und der Königin dringen zu lassen. Die Herren und Danien (des Hofes) taten alles, um ihm das Leben zu retten. Zweimal bat man das Königspaar, ihn zu begnadigen. Der Herr Kanzler setzte sich dem energisch entgegen und sagte, die Gerechtigkeit müsse ihren Lauf haben. Der König, der jung war, wünschte nichts mehr, als ihn zu retten, denn der Baron gehörte zu den feinsten Hofleuten; auch Herr de Cipierre redete ihm sehr zu. Indessen nahte sich die Stunde der Urteilsvollstreckung, was alle Welt in Aufregung brachte. Da kam Herr de Nemours (der den armen Baron sehr liebte, weil er ihn in manchen Kriegen begleitet hatte), warf sich der Königin zu Füßen und bat sie mit so eindringlichen Worten um das Leben des Edelmanns, daß sie sich überreden ließ. Sofort wurde ein Hauptmann der Garde abgesandt, der sich seiner beim Verlassen des Gefängnisses, wenn er zum Tode geführt würde, beinächtigen sollte. So wurde er gerettet; die ausgestandene Angst aber hatte sich für immer in seine Züge geprägt, und sein Gesicht gewann niemals wieder Farbe, ebenso wie ich das bei Herrn von Saint-Villier gesehen habe, der in der Streitsache mit Herrn des Bourbon auch mit dem Leben davon kam.

Indessen aber ruhte die Witwe nicht; am nächsten Tage suchte sie den König auf, als er zur Messe ging, warf sich ihm zu Füßen, hielt ihm ihr Söhnchen entgegen, das drei oder vier Jahre alt sein konnte, und rief: »Sire, da Sie den Mörder des Vaters dieses Kindes begnadigt haben, so bitte ich Sie, auch diesem Kinde gleich jetzt Absolution zu erteilen, denn wenn der Knabe erwachsen sein wird, so wird er die Rache übernehmen und den Elenden töten.« Seitdem soll die Mutter jeden Morgen, wenn sie ihren Knaben erweckte, ihm das blutige Hemd des ermordeten Vaters gezeigt und dreimal gerufen haben: »Denke daran und vergiß es nicht, ihn zu rächen, wenn du groß bist, sonst enterbe ich dich!« Welch ein tiefer Haß spricht aus diesen Worten!

[301] Als ich mich in Spanien aufhielt, hörte ich von Antonio Roques erzählen, einem der tapfersten, verwegensten, schlauesten, vorsichtigsten, gewandtesten und zu gleicher Zeit ritterlichsten Straßenräuber, die Spanien jemals besessen. Er hatte zuerst Priester werden wollen, und als der Tag gekommen war, wo er seine erste Messe singen sollte, und er aus der Sakristei kommend, mit großer Zeremonie zum Hauptaltar seiner Pfarrkirche schritt, feierlich gekleidet und den Kelch in der Hand, hörte er im Vorbeigehen seine Mutter zu ihm sagen: »Vellaco, vellaco, mejor seria de vengar la muerte de tu padre que de cantar misa.« (»O, du Elender, es wäre besser, den Tod deines Vaters zu rächen, statt Messe zu singen.«) Dieses Wort drang ihm zu Herzen, und auf dem halben Wege umkehrend, ging er in die Sakristei zurück; dort legte er sein Priestergewand ab, indem er vorgab, es wäre ihm unwohl geworden und er werde die Messe ein andermal lesen. Er begab sich ins Gebirge zu den Räubern und wurde dort so geehrt, daß man ihn zum Hauptmann erwählte. Nun beging er viele Untaten und rächte seinen Vater, der ermordet worden sein sollte; andere sagen, er wäre von der Justiz hingerichtet worden. – Diese Geschichte erzählte mir ein Räuber selbst, der ehemals unter seinem Befehl gestanden, und er erhob ihn mit Lobsprüchen bis in den siebenten Himmel. Der König Karl hatte ihm niemals ein Leid antun können.

Um noch einmal auf Madame de Nemours zu kommen: der König hielt sie nicht lange im Gefängnis, und das verdankte sie zum Teil Herrn d'Escars; denn er sandte sie nach Paris zu den Herren Du Mayne und De Nemours und andern verbündeten Fürsten, um ihnen Friedensworte zu überbringen: das Vergangene möge vergessen sein; wer tot sei, sei tot, und die andern möchten Freunde werden wie zuvor. Der König nahm ihr das Gelübde ab, diese Gesandtschaft genau auszuführen. Bei ihrer Ankunft hatte sie zuerst nur Tränen und Klagen über die erlittenen Verluste; dann entledigte [302] sie sich ihres Auftrages, und Herr Du Mayne antwortete ihr mit der Frage, ob sie ihm den Rat zum Frieden erteile. Sie entgegnete nur: »Mein Sohn, ich bin nicht gekommen, um Ihnen zu raten, Sondern nur um Ihnen zu sagen, was mir aufgetragen worden ist. Entscheiden Sie selbst, was Sie zu tun haben. Ihr Herz und Ihr Gewissen werden Ihnen den besten Rat geben. Was mich betrifft, so erfülle ich nur, was ich versprochen habe.« Unter der Hand aber verstand sie sehr wohl das Feuer zu schüren, das lange gebrannt hat.

Viele Leute haben sich sehr gewundert, daß der König, der so klug und einer der gewandtesten Männer seines Reiches war, sich dieser Dame zu einer solchen Mission bediente. Denn er hatte sie ja so tief gekränkt, daß sie kein Herz und Gefühl gehabt haben müßte, wenn sie sich dazu hätte gebrauchen lassen. Auch hat sie ja in der Tat seiner gespottet. Man sagt, es wäre auf den Rat des Marschalls de Rhets geschehen, der übrigens mehr für einen Charlatan und Schmeichler als für einen guten Ratgeber und Marschall von Frankreich gehalten wird.

Noch ein paar Worte möchte ich über Madame von Nemours sagen. Ich hörte, daß damals, als man die Liga zustande brachte, sie die Hefte und Listen derjenigen Städte, die dem Bündnis angehörten, einsah, und als sie Paris noch nicht verzeichnet fand, sagte sie wiederholt zu ihrem Sohne: »Mein Sohn, daß ist nichts, Paris fehlt noch. Wenn Sie Paris nicht haben, so ist nichts getan. Sorgen Sie, daß Sie Paris bekommen!« Und immer wieder ertönte das Wort Paris aus ihrem Munde, bis denn auch bald darauf die Barrikaden dastanden.

So strebt ein edles Herz immer nach dem Höchsten. Das erinnert mich an eine Geschichte, die ich in einem spanischen Roman las, betitelt »Conquista de Navarra«. Dieses Reich war vom Könige von Aragon dem König Johann entrissen und usurpiert worden. König Ludwig XII. sandte unter dem Herrn De la Palice eine Armee dorthin, [303] um es wiederzuerobern. Der König ließ der Königin Doña Catherina durch Herrn De la Palice sagen, sie möge an den Hof von Frankreich kommen und sich bei seiner Gemahlin, der Königin Anna, aufhalten, während ihr Gemahl der König mit Herrn De la Palice versuchen würden, das Reich wieder zu gewinnen. Die Königin antwortete ihm würdevoll: »Wie, mein Herr! Ich dachte, Ihr Herr und König habe Sie hierhergesandt, um mich mit Ihnen in mein Königreich zu führen und mich wieder nach Pampeluna zu bringen; dazu hatte ich mich entschlossen und vorbereitet. Und jetzt laden Sie mich an den französischen Hof ein? Das ist eine schlechte Hoffnung und eine böse Vorbedeutung für mich. Ich sehe wohl, daß ich niemals dorthin zurückkehren werde.« Und so wie sie es voraussagte, geschah es auch.

Der Frau Herzogin von Valentinois wurde bedeutet, als der Tod des Königs Heinrich herannahte, sich in ihre Wohnung zu Paris zurückzuziehen und das Zimmer des Königs nicht zu betreten, sowohl um ihn nicht in seiner Zwiesprache mit Gott zu stören, wie auch wegen der Feindseligkeit, die gewisse Personen gegen sie hegten. Als sie sich zurückgezogen hatte, sandte man zu ihr und forderte die Herausgabe einiger Ringe und Edelsteine die der Krone gehörten. Sie fragte sofort den betreffenden Abgesandten: »Wie? der König ist tot?« – »Nein, Madame«, antwortete dieser, »aber es wird nicht lange mehr dauern.« – »Wohlan,« entgegnete sie, »solange noch ein Finger an ihm lebendig ist, sollen meine Feinde wissen, daß ich sie nicht fürchte und ich ihnen nicht gehorchen werde, solange er lebt. Noch ist mein Mut unbesiegbar. Aber wenn er gestorben ist, dann will auch ich nicht länger leben, und alles Leid, das man mir anzutun gedenkt, verschwindet gegen den Schmerz dieses Verlustes. Also, ob mein König tot oder lebendig ist, – meine Feinde fürchte ich nicht!«

Diese Dame zeigte einen großen Seelenadel. Aber, wird mancher sagen, sie starb nicht, wie sie gesagt hatte. Oftmals freilich fühlte sie den Tod nahen; aber statt zu [304] sterben, tat sie wirklich besser daran, leben zu bleiben, um ihren Feinden zu beweisen, daß sie sie nicht fürchte. Diese hatten sich einst zitternd vor ihr gebeugt, aber sie wollte sich nun nicht vor ihnen beugen, und sie zeigte ihnen ein solches Gesicht, daß sie es nicht wagten, ihr Mißfallen zu erregen. Ja, es wurde noch besser: innerhalb zweier Jahre suchten sie ihre Gunst mehr als jemals und versöhnten sich wieder mit ihr, wie ich gesehen habe. Das ist so der Brauch bei den Großen, die in ihren Freundschaften wenig beständig sind und sich schlagen und vertragen wie die Gauner auf der Messe. Wir Kleineren tun das nicht; denn entweder kämpfen wir, rächen uns und sterben, oder wir schlichten den Streit durch peinliche, wohl abgewogene und feierliche Vergleiche. Und dabei befinden wir uns besser.

Sicher verdient jene Dame um dieses Zuges willen Lob, wie ja die Handlungen solcher großen Damen, die sich mit Staatsangelegenheiten abgeben, stets über dem Gewöhnlichen zu stehen pflegen. Deshalb liebten König Heinrich III. und seine Mutter durchaus nicht die Damen ihres Hofes, die ihr Naschen in die Staatsgeschäfte steckten und darüber plauderten, als ob sie (wie Ihre Majestäten sagten) großen Anteil daran hätten, Erbinnen des Königreichs wären und wie die Männer an der Erhaltung des Staates im Schweiße ihres Angesichts arbeiten müßten. Dagegen sitzen sie gemütlich im Lehnstuhl am Kamin oder liegen auf ihren Kissen und schwatzen von den großen Angelegenheiten der Welt und Frankreichs, als ob sie alles selbst besorgten. Eine vornehme Dame, die ich nicht nenne, plauderte einst sehr geschwätzig von den er sten Ständen zu Blois, und Ihre Majestäten ließen ihr einen kleinen Verweis zuteil werden, indem sie sagten, sie möge sich um ihren Hausstand bekümmern und zu Gott beten. Sie, die eine etwas lockere Zunge hatte, entgegnete: »Zu den Zeiten, da die Prinzen, Könige und großen Herren das Kreuz nahmen und übers Meer zogen, um im Heiligen Lande große Taten zu verrichten, war es uns Frauen freilich nur erlaubt, zu beten und zu fasten, damit Gott den Kreuzfahrern [305] eine gute Reise und Rückkehr schenke. Aber heutzutage, wo die Ritter nicht mehr leisten als wir, ist es uns gestattet, von allem zu sprechen. Denn weshalb sollten wir für sie zu Gott beten, da sie nichts Besseres leisten als wir?«

Diese Worte waren allerdings sehr kühn, und sie sollte dafür büßen; Es wurde ihr schwer, die Verzeihung zu erhalten, um die sie bitten mußte.

Es ist nicht immer gut, ein Witzwort zu äußern, wenn es sich einem über die Lippen drängt, wie ich es bei manchen sah, die sich nicht zu beherrschen verstanden. Solche Frauen sind ungebärdiger als ein Berberpferd, und wenn sie einen guten Witz auf der Zunge haben, dann muß er heraus, und sie schonen dabei weder Verwandte, Freunde, noch Große. Ich kannte an unserm Hofe viele so geartete Leute, und man nannte sie »marquis et marquise de belle-bouche«; aber oft kamen sie auch an den Unrechten.

Nunmehr will ich, nachdem ich von den Frauen gesprochen, die ihren Mut in schönen Taten während ihres Lebens bewiesen haben, von einigen andern reden, die ihn ihm Tode bewährten. Ohne auf das Altertum zurückzugreifen, will ich als Beispiel nur die selige Frau Regentin, die Mutter des großen Königs Franz, anführen. Sie war, wie ich von mehreren hörte, die sie gekannt haben, eine der schönsten Frauen ihrer Zeit und sehr lebenslustig, sogar noch in höherem Alter. Sie konnte es durchaus nicht leiden, wenn man ihr vom Tode sprach und haßte sogar die Geistlichen, wenn sie in ihren Predigten davon redeten: »Als ob man nicht selbst zur Genüge wüßte,« sagte sie, »daß wir alle eines Tages sterben müssen. Und diese Priester sind einfältig, wenn sie am Schluß ihrer Predigten nichts weiter mehr zu sagen wissen und immerfort nur vom Tode reden.« Die selige Königin von Navarra, ihre Tochter, liebte ebensowenig wie ihre Mutter diese langweiligen Grabredner.

Als nun aber ihr Ende gekommen war und sie drei Tage vor ihrem Tode auf dem Sterbebett lag, sah sie des [306] Nachts ihr Zimmer durch die Fenster ganz hell erleuchtet. Sie fragte ärgerlich ihre Hausfrauen, warum sie ein so helles, leuchtendes Feuer angezündet hätten. Die Frauen antworteten: es sei nur ein kleines Feuer, nämlich der Mond, der durchs Fenster scheine. »Wie?« sagte sie, »das stimmt nicht; um diese Zeit scheint der Mond nicht.« Und indem sie den Vorhang bei Seite schob, erblickte sie gerade gegenüber am Himmel einen Kometen. »Ah!« rief sie, »dies Zeichen erscheint nicht für Leute niederer Art. Gott läßt es für uns Große erscheinen. Schließt das Fenster wieder. Es ist ein Komet, der meinen Tod ankündigt. Nun heißt es, sich vorbereiten.« Am nächsten Morgen früh ließ sie ihren Beichtvater holen und tat ihre Pflicht als gute Christin, obgleich die Ärzte ihr versicherten, es wäre noch nicht so weit »Wenn ich nicht das Zeichen meines Todes gesehen hätte,« sagte sie, »würde ich es glauben, denn ich fühle mich noch nicht so hinfällig.« Und sie erzählte ihnen die Erscheinung des Kometen. Nach drei Tagen schied sie aus dieser Welt.

Ich kann mir nicht denken, daß die großen Damen, sowie die schönen und jungen nicht mit mehr Bedauern von der Welt scheiden, als die andern; trotzdem hörte ich von einigen, die sich willig dem Tode ergeben haben, wenn auch seine Ankündigung ihnen schrecklich genug gewesen sein mag.

Als der Gräfin de la Rochefoucault, aus dem Hause Roy, – nach meiner und andrer Ansicht, eine der schönsten und angenehmsten Frauen Frankreichs – von ihrem Beichtiger angekündigt wurde, daß sie nicht mehr an die Welt denken dürfe und ihre Stunde gekommen sei, da Gott sie berufe und sie die Eitelkeiten der Welt verlassen müsse, die nichts seien im Vergleich zur Seligkeit des Himmels, da sagte sie: »Das ist ganz gut für diejenigen, denen das Leben keine Freude mehr macht und die am Rande des Grabes stehen. Aber für mich, die ich in der Blüte meiner Jahre und lebensfreudig bin, ist Ihr Ausspruch sehr [307] bitter. Da ich nun Ursache habe, lieber in dieser Welt zu sein als in einer andern und es mir leid tut zu sterben, will ich Ihnen beweisen, daß ich den Tod für das Abscheulichste in der Welt halte.« Darauf begann sie mit großer Andacht Psalmen zu singen und verschied.

Madame d'Espernon, aus dem Hause Candale, wurde von einer so plötzlichen Krankheit befallen, daß sie innerhalb einer Woche daran zugrunde ging. Sie hatte alle Mittel dagegen versucht und den Beistand Gottes und der Menschen angerufen, denn es schmerzte sie gar zu sehr, in so jungem Alter sterben zu müssen. Als man ihr aber vorgestellt hatte, daß es keine Hilfe mehr gäbe, und sie nun willig zu Gott gehen müsse, sagte sie: »Ist es wahr? Nun gut, dann will ich mich tapfer dazu entschließen.« Sie hob ihre schönen weißen Arme, faltete die Hände, und mit heiterem Gesicht und ruhigem Herzen erwartete sie geduldig den Tod. Sie starb christlich und ergeben im Alter von 26 Jahren und war eine der schönsten und liebenswürdigsten Frauen ihrer Zeit gewesen.

Man sagt, es sei nicht schön, die Seinigen zu loben, aber eine schöne Wahrheit darf man doch nicht verhehlen. Deshalb will ich hier der Madame d'Aubeterre, meiner Nichte, Tochter meines älteren Bruders, Lob spenden. Wer sie am Hofe oder anderswo gesehen hat, wird mir zugeben, daß sie an Leib und Seele eine der schönsten und vollendetsten Frauen war, die man sehen konnte. Sie hatte eine volle Figur und ein hübsches, liebenswürdiges Gesicht; sie besaß einen feinen Geist und viel Kenntnisse. Ihre Rede war geschickt, naiv und ungeschminkt, und im Ernst wie im Scherze flössen ihr die Worte leicht von den Lippen. Ich sah nie eine Frau, die, nach meiner Meinung, mehr unserer Königin Margarethe von Frankreich glich, sowohl dem Äußern wie den Eigenschaften nach; auch die Königin-Mutter hörte ich sie einst so beurteilen. Diesem Lobspruch braucht man wohl nichts hinzuzufügen. So will ich auch nichts weiter sagen; alle, die sie gekannt haben, werden [308] mein Urteil bestätigen. Plötzlich wurde sie von einer Krankheit befallen, der gegenüber die Ärzte ratlos wurden und ihr Latein verloren. Sie selbst glaubte, vergiftet zu sein, von welcher Seite verschweige ich. Denn Gott wird alles rächen, vielleicht auch werden es die Menschen tun. Sie bot alles zu ihrer Rettung auf, wenn sie sich auch, wie sie sagte, um das Sterben wenig kümmerte; denn seit sie ihren Gatten verloren, fürchtete sie den Tod nicht mehr, obgleich er ihr sicherlich nicht gleichgültig war und sie noch nach seinem Tode viele Tränen aus ihren schönen Augen vergoß. Aber sie hätte gern noch eine Zeitlang gelebt um ihrer Tochter willen, die in zartem Alter stand. Das war auch ein guter Grund zum Leben, und die Trauer um einen törichten und unangenehmen Gatten brauchte nicht tief zu sein.

Da sie nun sah, daß es keine Hilfe mehr gab, und sie an ihrem Pulsschlag das nahende Ende fühlte (denn sie verstand sich auf alles), ließ sie zwei Tage vor ihrem Tode ihre Tochter zu sich rufen und ermahnte sie in den schönsten und frommsten Worten, ein gutes Leben zu führen und die Gnade Gottes zu erwerben. Dann gab sie ihr den Segen und bat sie, die Ruhe ihrer Todesstunde nicht durch Tränen zu stören. Darauf ließ sie sich ihren Spiegel geben und, sich aufmerksam darin betrachtend, sagte sie: »O du trügerisches Angesicht, warum hat die Krankheit dich nicht verändert?« (denn sie sah noch so schön aus wie sonst). »Bald aber wird der Tod, der sich naht, Recht behalten und dich entstellen und den Würmern überliefern.« Sie hatte auch die Mehrzahl ihrer Ringe an die Finger gesteckt, und indem sie diese und ihre schöne Hand betrachtete, sagte sie: »Das ist nun eine weltliche Eitelkeit, die ich so sehr geliebt habe; in dieser Stunde aber gebe ich sie gern auf, um mich mit einer bessern Zier für die andre Welt zu schmücken.« Ihre Schwestern, die ihr Lager wehklagend umstanden, tröstete sie und bat sie, ebenso gefaßt wie sie diese Schickung Gottes hinzunehmen. Die Freundschaft, [309] die sie stets für sie gehegt, möge immerwährend bei ihnen walten und auch ihrem Töchterchen zuteil werden. Da die Schwestern aber nur noch heftiger weinten, sprach sie: »Meine Schwestern, wenn ihr mich liebt, so freut euch doch mit mir, daß ich ein elendes Leben gegen das seligste austausche. Mein Herz ist der Arbeit müde: es wünscht davon befreit zu sein und die Ruhe in Jesu Christo, meinem Erlöser, zu genießen. Wollt ihr denn, daß meine Seele an diesen armseligen Körper gebunden bleibe, der nur ihr Gefängnis, nicht aber ihre wahre Wohnung ist? Ich bitte euch deshalb, liebe Schwestern, trauert nicht mehr.«

Noch viele schöne und christliche Worte redete sie, die kein noch so großer Gelehrter besser sprechen könnte. Besonders verlangte sie auch, Madame de Bourdeille, ihre Mutter, zu sehen und hatte ihre Schwestern gebeten, sie zu holen. Sie sagte mehrmals: »Mein Gott, liebe Schwestern, kommt denn Frau de Bourdeille nicht? Ach, wie langsam sind eure Boten! Zu großen und eiligen Bestellungen sind sie nicht zu gebrauchen.« Die Mutter kam, traf sie aber nicht mehr am Leben, denn sie war eine Stunde vorher gestorben.

Sie fragte auch oft nach mir, den sie ihren lieben Onkel nannte, und sie schickte uns ihre letzten Grüße. Sie wünschte, daß nach ihrem Tode ihr Leib geöffnet werde, was sie sonst stets verabscheut hatte, damit, wie sie zu ihren Schwestern sagte, die Ursache ihres Todes festgestellt werden könne. Dies gab ihnen und auch ihrer Tochter Ursache, ihr Leben in acht zu nehmen. »Denn,« sagte sie, »ich vermute, daß man seit fünf Jahren mir, sowie meinem Onkel Brantôme und der Gräfin von Durtal Gift beigebracht hat; die größte Menge davon habe aber ich genommen. Ich will jedoch niemanden beschuldigen, damit ich nicht ein Unrecht auf meine Seele lade; sie soll frei bleiben von Tadel, sowie von Haß und Feindschaft, um zu Gott dem Herrn rein emporzusteigen.«

Ich kann nicht alles berichten, was sie sagte; denn sie redete viel und lange, und ihre Worte verrieten nicht, daß [310] Leib und Seele hinstarben. Zu einem Edelmann, ihrem Nachbar, der gut zu reden wußte, und der früher oftmals viel mit ihr geplaudert und gescherzt hatte, sagte sie, als er sich vorstellte: »Ah, mein Freund, es ist aus, nun heißt es alles, den Degen und die Zunge, hingeben. Adieu!«

Der Arzt und ihre Schwester wollten ihr ein herzstärkendes Mittel einflößen; sie lehnte es jedoch ab, »denn,« sagte sie, »es wird nichts mehr nützen, und nur meine Qual verlängern und meine Ruhe verzögern.« Und mehrmals hörte man sie sagen: »Mein Gott, wie sanft ist der Tod! Wer hätte das je gedacht!« Dann schloß sie die Augen und entschlummerte sanft und mutig ohne irgend eins jener häßlichen und schrecklichen Zeichen, die bei vielen andern das Sterben zu begleiten pflegen.

Frau von Bourdeille, ihre Mutter, folgte ihr bald nach; denn die Trauer über diese vortreffliche Tochter raffte sie in acht Monaten hin, nachdem sie sieben Monate krank gewesen und zwischen Hoffnung auf Heilung und Verzweiflung geschwankt hatte. Gleich von Anfang an sagte sie, sie würde nicht davonkommen. Den Tod fürchtete sie nicht und bat Gott auch nicht um Leben und Gesundheit, sondern nur um Geduld in ihrem Leiden und um ein möglichst ruhiges und schnelles Sterben. Und das geschah; denn als wir sie nur für ohnmächtig hielten, gab sie ihren Geist so ruhig auf, daß man kein Glied an ihr zucken sah und auch ihr Auge keinen schrecklichen Ausdruck annahm; es blieb so schön wie je, und sie sah im Tode ebenso schön aus wie im Leben.

Wahrlich, es ist jammerschade um sie und um alle schönen Frauen, die in der Blüte ihrer Jahre sterben! Aber vielleicht genügen dem Himmel die Lichter nicht, die seit der Schöpfung der Welt sein Gewölbe schmücken, und er will durch jene Frauen neue schöne Sterne anzünden, die uns leuchten, wie einst im Leben ihre schönen Augen uns geleuchtet haben.

Jetzt nur noch diese eine Geschichte, und dann keine mehr:

[311] Man erinnert sich wohl der Frau von Balagny, die in jeder Weise die würdige Schwester jenes tapfern Bussi war. Als Cambray belagert wurde, tat sie zur Verteidigung alles, was in ihren Kräften stand; aber da sie sah, daß alles vergebens war und die Stadt wie die Zitadelle, sich in der Macht des Feindes befanden, konnte sie es nicht ertragen, sich ihres Fürstentums zu begeben (denn ihr Gatte und sie ließen sich Fürst und Fürstin von Cambray und Cambrésis nennen, ein Titel, den man vielerseits zu anmaßend fand, da sie nur einfache Edelleute waren). Sie starb auf dem Platz der Ehre. Einige sagen, sie habe sich selbst den Tod gegeben, was man wieder mehr heidnisch als christlich fand. So viel ist sicher, daß sie wegen ihres Heldenmuts großes Lob verdient, sowie auch wegen der Worte, die sie ihrem Gatten in der Todesstunde sagte: »Was bleibt dir übrig, Balagny, als nach diesem trostlosen Unglück zum Gespött der Welt zu leben, die mit Fingern auf dich zeigen wird; denn du bist von der Höhe deines Ruhms herabgesunken, und dich erwartet ein niederes Los, wenn du nicht handelst wie ich. Lerne denn von mir, wohl zu sterben und überlebe dein Unglück und deine Schande nicht!« Es ist eine große Sache, wenn eine Frau uns lehrt, zu leben und zu sterben. Ihr Gatte aber befolgte nicht ihren Rat; denn schon nach sieben oder acht Monaten hatte er das Angedenken an die tapfere Frau vergessen und heiratete eine Schwester der Madame de Monceaux, ein schönes und ehrenwertes Fräulein. Er bewies, daß man schließlich doch leben muß, es sei in welcher Art es wolle.

Sicher ist es gut und süß zu leben; aber auch ein edler Tod ist lobenswert, wie der dieser Dame. Wenn sie vor Trauer starb, so steht sie im Gegensatz zu manchen andern Frauen, die vor Freude und mitten in der Freude starben.

Davon will ich nur das eine Beispiel von dem Fräulein de Limueil der älteren anführen, die als Dame der Königin am Hofe verstarb. Während ihrer Krankheit, die zum Tode [312] führte, stand ihre Zunge niemals still und sie plauderte fortwährend; denn sie war sehr beredt und witzig. Als ihre Todesstunde gekommen war, ließ sie ihren Kammerdiener holen (jede Hofdame hatte einen solchen). Er hieß Jullien und spielte sehr gut die Geige. »Jullien,« sagte sie, »nehmt Eure Violine und spielt mir so lange, bis ich tot bin (denn es geht zu Ende) die ›Defaite des Suisses‹«, aber so schön, wie Ihr könnt. Und wenn Ihr an die Stelle kommt: »Alles ist verloren,« dann spielt sie vier- oder fünfmal, so kläglich wie möglich. Das tat er auch, und sie begleitete ihn mit ihrem Gesang. Die Stelle: »Alles ist verloren« wiederholte sie zweimal, und, sich auf die andre Seite legend, sagte sie zu den Umstehenden: »Jawohl, alles ist verloren,« und damit starb sie. Das war ein lustiger Tod. Ich habe die Geschichte von zweien ihrer Freundinnen, die glaubwürdige Zeugen des Vorgangs waren.

Auch Männer sind ebenso fröhlich gestorben wie diese Frau. So lesen wir von dem großen Papst Leo, daß er vor Freude starb, als er sah, daß wir Franzosen aus dem Staate Mailand vertrieben wurden; so sehr haßte er uns!

Der Herr Großprior von Lothringen sandte einst zwei seiner Galeeren unter dem Befehl des Kapitäns Beaulieu, von dem ich schon sprach, nach der Levante. Dieser Beaulieu ging gern dahin, denn er war ein tapferer und tüchtiger Mann. Als er nach dem Archipelagus steuerte, begegnete er einem großen, wohlbewaffneten venetianischen Schiff. Er begann es zu beschießen, aber das Schiff erwiderte ihm tüchtig die Kanonade; denn gleich bei der ersten Salve wurden ihm zwei Bänke mit den Sträflingen darauf glatt weggerissen, ebenso sein Leutnant, der Kapitän Panier. Dieser hatte jedoch noch Zeit, ein Wort zu sagen und dann zu sterben: »Adieu, Korb, die Weinlese ist fertig!« Dieses Wortspiel erheiterte seinen Tod. – Herr de Beaulieu [313] mußte sich dann zurückziehen, denn das Schiff war für ihn unbesiegbar.

Im ersten Jahre der Herrschaft Königs Karl IX., zur Zeit des Edikts vom Juli, als er sich im Fauxbourg Saint-Germain aufhielt, sahen wir, wie daselbst ein Dieb gehenkt wurde, der sechs silberne Tischgeschirre aus der Küche des Prinzen De la Roche-sur-Ion entwendet hatte. Als er auf der Leiter stand, bat er den Henker, ein paar Worte reden zu dürfen, und dann sagte er zum Volke, daß man ihn mit Unrecht umbringe. »Denn,« sprach er, »ich habe niemals arme Leute bestohlen, sondern stets nur Fürsten und Vornehme, die selbst viel größere Diebe sind als wir und uns alle Tage bestehlen. Deshalb ist es nur recht, ihnen das wieder zu nehmen, was sie uns genommen haben.« Und noch mehr launige Reden führte er, die überflüssig zu erzählen sind, bis der Priester, der mit ihm bis oben auf die Leiter gestiegen war, dem Volke zurief; »Meine Herren, dieser arme Sünder empfiehlt sich euren Gebeten. Laßt uns alle für seine Seele ein Paternoster und ein Avemaria beten, sowie eine Salve singen.« Als nun das Volk der Aufforderung nachkam, senkte der Verurteilte den Kopf, beobachtete den Priester und begann in übermütigem Spott wie eine Kuh zu brüllen; dann versetzte er dem Priester einen Fußtritt, so daß dieser hoch oben von der Leiter herunterflog und bei diesem großen Sprunge ein Bein brach. »Ah, bei Gott, mein Herr Priester,« rief er ihm nach, »ich wußte ja, daß ich Sie hier wegbringen würde. Nun haben Sie Ihr Teil.« Als er den Priester jammern hörte, lachte er aus vollem Halse und dann stürzte er sich selbst hinab. – Am Hofe wurde über diese Geschichte sehr gelacht, wenn auch der Priester keinen großen Schaden genommen hatte. Dieser Tod war jedenfalls nicht sehr traurig.

Herr d'Estampes hatte einen sehr lustigen Narren Namens Colin. Als sein Ende sich nahte, fragte Herr d'Estampes, wie es Colin gehe. Man sagte ihm: »Sehr traurig, mein Herr; er wird sterben, denn er will nichts [314] mehr zu sich nehmen.« – »Hier,« sagte Herr d'Estampes, der gerade bei Tische saß, »bringt ihm diese Suppe und sagt ihm, wenn er nicht aus Liebe zu mir etwas essen will, würde ich ihn nicht mehr lieben, denn man hätte mir gesagt, er wolle nichts mehr nehmen.« Die Botschaft wurde ausgerichtet, und Colin, den der Tod schon beim Kragen hatte, gab zur Antwort: »Wer hat denn meinem Herrn gesagt, daß ich nichts mehr zu mir nehmen will?« Und da er rings von Fliegen umschwärmt war (es war im Sommer), haschte er danach, wie es die Pagen, Lakaien und Kinder tun, und fing zwei mit einem Griff; dann mit einer schwer zu beschreibenden Handbewegung, sprach er: »Sagt dem Herrn, das hier hätte ich aus Liebe zu ihm genommen und ich begäbe mich in das Königreich der Fliegen.« Mit diesen Worten drehte er sich auf die andre Seite und starb.

Ich hörte von einigen Philosophen sagen, daß manche Leute in ihrer Sterbestunde sich gern an Dinge erinnern, die sie besonders geliebt haben; so sprechen Edelleute, Kriegsmänner, Jäger, Handwerker, kurz, Leute jeder Profession beim Sterben noch irgend ein Wort über ihren Beruf; das kommt oft vor.

Ebenso verhält es sich mit den Frauen, bis herab zu den Freudenmädchen. Von einer vornehmen Dame hörte ich, daß sie bei ihrem Tode sich ihrer einstigen Liebesstreiche rühmte, und dabei mehr kund gab, als die Welt wußte, obwohl man sie schon für eine große Buhlerin hielt. Vielleicht wollte sie dadurch ihr Gewissen entlasten, denn sie erzählte alles auf das genaueste. »Wahrlich,« sagte jemand, »sie tat recht daran, in jener Stunde ihr Gewissen von dieser Unmenge von Liederlichkeit zu säubern, und zwar so genau und gründlich.«

Von einer Dame, die sehr lebhaft träumte, hörte ich, daß sie nachts alles ausplauderte, was sie am Tage getan, so daß sie dadurch sogar den Verdacht ihres Gatten erweckte, der sie im Traum Dinge sprechen hörte, worüber er ihr sehr zürnte.

[315] Vor nicht langer Zeit verkündete ein Edelmann in einer Provinz, die ich nicht nenne, auf dem Sterbebett ebenfalls alle seine Liebschaften und Ausschweifungen. Er bezeichnete genau die Frauen und Mädchen, mit denen er zu tun gehabt, gab die Orte und Rendezvous an, kurz alles, und bat Gott vor aller Welt um Vergebung. Jene Dame hatte doch nur sich selbst kompromittiert; dieser Edelmann aber brachte mehrere Damen in Verruf. Solche galanten Herren und Damen sind ja recht nette Leute.

Man sagt, auch die Geizigen hätten die Eigenschaft, in der Todesstunde lebhaft an ihre Schätze zu denken. Vor etwa vierzig Jahren verstarb eine Frau von Mortemar, eine der reichsten und habsüchtigsten Frauen von Poitou. Sie dachte nur an die Taler in ihrem Kabinett, und während ihrer Krankheit stand sie zwanzigmal am Tage auf und sah nach ihrem Schatz. Endlich, als ihre letzte Stunde nahte und der Priester sie auf das Jenseits hinwies, sagte sie nur: »Geben Sie mir mein Kleid; die Schufte bestehlen mich.« Mit diesen Worten starb sie.

Ich bin gegen das Ende hin ein wenig von meinem Thema abgewichen; aber man wolle es hinnehmen wie das Possenspiel nach der Tragödie. Und hiermit will ich schließen.

6. Abhandlung. Weshalb man niemals von den Damen Übles reden soll

[316] Sechste Abhandlung.
Weshalb man niemals von den Damen Übles reden soll, und von den Folgen, die daraus entstehen.

Ein Punkt ist bei den schönen Damen, die der Liebe pflegen, wohl zu beachten, nämlich: sie mögen noch so ausschweifend sein, so dulden sie doch nicht, daß man sie deshalb beleidige oder beschimpfe; wer das tut, an dem wissen sie sich zu rächen, früher oder später. Kurz, sie wollen wohl der Liebe pflegen, wollen aber nicht, daß man davon spreche. Gewiß ist es auch nicht schön, eine achtbare Dame in Verruf zu bringen. Und was geht es auch andre Leute an, wenn die Damen nur zufrieden sind, und ihre Liebhaber auch?

Unsre Höfe von Frankreich haben, besonders in letzter Zeit, viel in dem Klatsch über solche Damen geleistet. Ich kenne die Zeit, wo es kaum einen galanten Herrn gab, der nicht gegen diese Damen eine Verleumdung erfand, oder eine wahre Geschichte ausplauderte. Das war sehr tadelnswert; denn man soll niemals die Ehre der Damen, besonders der großen, verletzen. Ich rede sowohl von den Männern, die Liebe von ihnen genossen, wie von denen, denen sie verweigert wurde und die deshalb aus Ärger die Frauen verleumden.

Wie gesagt, an den Höfen unsrer letzten Könige gab es viel Klatsch und üble Nachrede, im Gegensatz zu den Höfen ihrer Vorgänger, ausgenommen den Hof des Königs [317] Ludwig XI., dieses Wüstlings. Man sagt, daß er die meiste Zeit im vollen Saal mit zahlreichen vertrauten Edelleuten tafelte, und wer ihm die zotigste Geschichte von einer galanten Dame erzählen konnte, wurde von ihm am meisten gefeiert. Er selbst verfehlte nicht, derartiges zum Besten zu geben; denn er erkundigte sich eifrig nach solchen Dingen und teilte sie dann andern öffentlich mit. Das war in der Tat ein großer Skandal. Er hegte von den Frauen eine sehr schlechte Meinung und hielt nur wenige für keusch. Als er den König von England nach Paris eingeladen hatte, damit dieser sich dort amüsiere, bereute er es, beim Wort genommen, sogleich, und fand ein Alibi, um dem auszuweichen. »Ach was!« sagte er, »ich will nicht, daß er komme; er würde hier irgend eine kleine Dirne finden, in die er sich verliebt, und die könnte ihm Geschmack beibringen, länger hier zu bleiben und öfter wiederzukommen, als mir lieb ist.«

Von seiner Frau, die klug und tugendhaft war, besaß er jedoch eine gute Meinung. Sie hatte übrigens Ursache, tugendhaft zu sein, denn er war sehr mißtrauisch und eifersüchtig, und es würde ihr sonst schlecht ergangen sein. Als er starb, befahl er seinem Sohn, seine Mutter zu lieben und zu ehren, aber sich nicht von ihr beherrschen zu lassen. »Es mangelt ihr ja nicht an Tugend und Keuschheit,« sagte er, »aber sie ist mehr Burgunderin als Französin.« Er liebte sie auch nur, um von ihr Nachkommen zu haben; nachdem er dies erreicht, kümmerte er sich nicht mehr um sie. Er hielt sie im Schlosse Amboise wie eine einfache Dame, ohne weiteren Prunk und einfach gekleidet. Sie hatte nur einen kleinen Hofstaat, und während sie dort ihre Gebete verrichtete, ging er seinen Vergnügungen nach. Man kann sich denken, wie die Damen an seinem Hofe durchgehechelt wurden, da der König selbst eine so schlechte Meinung von ihnen hatte, und sich daran vergnügte, ihnen Böses nachzureden. Nicht daß er ihnen im übrigen schlecht gesinnt war oder sie für ihre Aufführung tadeln wollte, wie manche [318] das taten; nein, es machte ihm eben einen Hauptspaß, sich über sie lustig zu machen. Die Folge war, daß die armen Frauen, in der Befürchtung übler Nachrede, es oft nicht wagten, sich so gehen zu lassen, wie sie am liebsten getan hätten. Und trotzdem stand die Liederlichkeit zu seiner Zeit in voller Blüte; denn der König beförderte sie mit seinen Höflingen nach Kräften; es wurde nun, geheim oder öffentlich, viel über die Zoten und die Ausschweifungen der Frauen gelacht. Freilich verhüllte man die Namen der vornehmen Damen, die man der Mutmaßung überließ. Ich glaube, es erging ihnen immer noch besser als manchen Frauen aus der Zeit des seligen Königs, der sie in der strengsten Weise tadelte und ausschalt. Das sagten mir einige ältere Leute über diesen guten König.

Sein Sohn und Nachfolger, Königs Karl VIII. war anders geartet. Von ihm sagt man, er sei in Worten außerordentlich anständig gewesen und hätte niemals weder Männer noch Frauen mit einem Worte gekränkt. Man kann sich denken, wie gut es deshalb unter seiner Herrschaft den schönen Damen erging. Er liebte auch sehr die Frauen und huldigte ihnen viel, ja sogar zu viel. Denn als er von seiner Reise nach Neapel siegreich und ruhmbedeckt zurückkehrte, veranstaltete er zu Lyon Feste und Turniere für sie und amüsierte sich mit ihnen so gut, daß er darüber die Seinigen in jenem Königreich vergaß und Städte und Schlösser, die ihn um Hilfe anriefen, dem Untergang überließ. Man sagt auch, die Frauen seien an seinem Tode schuld gewesen, da er sich ihnen zu sehr hingegeben, was seine schwächliche Natur nicht ausgehalten habe.

König Ludwig XII. behandelte die Frauen mit Ehrfurcht; denn, wie ich an anderm Orte gesagt, er erlaubte allen Komödianten seines Königreichs, wie Schülern und Palastgeistlichen, zu sprechen, von wem sie wollten, außer von der Königin, seiner Gemahlin, und den Hofdamen; obwohl [319] er seiner Zeit ein lustiger Geselle war und die Frauen ebenso liebte wie andre. Nur hatte er in dieser Beziehung keine so böse Zunge und besaß nicht die Ruhmredigkeit wie der Herzog Ludwig von Orleans, sein Großvater. Dem kostete es auch sein Leben: Einst rühmte er sich nämlich ganz laut bei einem Bankett, wo sein Cousin, der Herzog Johann von Burgund, zugegen war, er besitze in seinem Zimmer die Bilder der schönsten Frauen, die er genossen. Eines Tages betrat nun der Herzog Johann dieses Kabinett, und das erste Bild, das er sah, war das seiner edlen Frau Gemahlin, die damals für sehr schön galt; sie hieß Margarethe und war die Tochter Alberts von Bayern, Grafen von Hainault und Seeland. Wer war nun überrascht? Der gute Herr Gemahl. Er wird wohl ganz leise ausgerufen haben: »Ah! da haben wir's!« Er ließ sich aber nichts merken und brütete Rache. Einen Vorwand fand er darin, daß er dem Herzog schlechte Verwaltung des Königreichs vorwarf und ihn, innerlich aus Rache wegen seiner Frau, bei der Porte Barbette zu Paris ermorden ließ. Nach dem Tode seiner ersten Gattin (sie soll durch Gift gestorben sein) heiratete er die Tochter Ludwigs des Dritten, Herzogs von Bourbon. Wahrscheinlich kam er aus dem Regen in die Traufe; denn Leuten, denen die Hahnreischaft so sehr anhängt, nützt es wenig, Zimmer und Bett zu wechseln, – Hörner bekommen sie doch.

Der Herzog handelte insofern klug, als er den Ehe bruch seiner Frau rächte, ohne sie und sich zu kompromittieren, und einen guten Vorwand fand. Von einem großen Feldherrn hörte ich, es gäbe drei Dinge, die ein kluger Mann niemals kund werden lassen dürfe, wenn er davon betroffen wird; lieber solle man etwas andres als Vorwand erfinden, um Rache zu nehmen, wenn die Sache nicht so klar und erwiesen ist, daß man sie nicht mehr in Abrede stellen kann.

Das Eine ist, wenn jemandem vorgeworfen wird, er sei ein Hahnrei und seine Frau ein öffentliches Weib; das Zweite, wenn man jemanden der Sodomie beschuldigt; das Dritte, wenn man jemanden als Feigling bezeichnet und ihm vorhält, [320] in einem Kampf oder einer Schlacht die Flucht ergriffen zu haben. Diese drei Dinge, sagte der große Feldherr, sind sehr schimpflich, wenn man den Gegenstand erörtert und kund gibt Und glaubt man, sich durch Verteidigung davon zu reinigen, so beschmutzt man sich erst recht Je mehr man darüber spricht, desto häßlicher wird die Sache. Gerade als wenn man etwas Übelriechendes aufrührt. Deshalb, wenn jemandes Ehre in dieser Weise angegriffen ist, so tut der Betreffende besser, eine andre Ursache zu suchen, um sich zu rächen. Um solcher Beleidigungen willen sollte man niemals Prozesse oder Kämpfe führen. Ich könnte viele Exempel beibringen, aber es würde zu weit führen.

Deshalb tat Herzog Johann wohl daran, seine Hörner zu verbergen und sich auf andre Weise an seinem Vetter, der ihn entehrt hatte, zu rächen. Er führte den Streich als kluger und geschickter Weltmann.

Aber um zurückzukehren, wo ich stehen blieb: der König Franz, der die Frauen sehr geliebt hat, trotzdem er wußte, daß sie sehr unbeständig und wankelmütig sind, wollte nicht, daß man über sie am Hofe medisiere, sondern ihnen Achtung entgegenbringe. Ich hörte erzählen, daß einst, als er die Fastenzeit zu Meudon bei Paris verbrachte, ein Edelmann seines Dienstes, der sich Herr von Buzambourg, aus Saintonge, nannte, dem König Fleischspeisen servierte, wozu er Erlaubnis hatte. Der König befahl ihm, den Rest wie man das öfter bei Hofe sieht, den Damen der »kleinen Bande« zu bringen (ich nenne sie nicht, um Ärgernis zu vermeiden). Der Edelmann sagte zu einigen Hofherren: Diese Damen äßen in der Fastenzeit kein rohes Fleisch, sondern nur gekochtes. Das erfuhren die Damen und beschwerten sich darüber beim König, der in so großen Zorn [321] geriet, daß er sofort den Trabanten der Palastwache befahl, ihn zu ergreifen und unverzüglich zu erhängen. Zufällig wurde dieser arme Edelmann von einem seiner Freunde davon benachrichtigt und konnte sich durch die Flucht retten. Wenn man ihn erwischt hätte, würde er sicher gehenkt worden sein, trotzdem er ein Edelmann aus gutem Hause war; denn man hatte den König nie in größerem Zorn gesehen. Ich habe diese Geschichte von einer ehrenwerten Person, die dabei zugegen war. Der König hatte damals gesagt: Jeder, der die Ehre der Damen angriffe, werde ohne Gnade gehenkt werden.

Einige Zeit vorher, als der Papst Paul Farnese nach Nizza gekommen war, besuchte ihn der König mit seinem ganzen Hofstaat von Herren und Damen, unter denen sich einige befanden, die nicht zu den häßlichsten gehörten, um ihm den Pantoffel zu küssen. Darüber sagte ein Edelmann, sie wären nur gekommen, Seine Heiligkeit um Erlaubnis zu bitten, rohes Fleisch zu genießen, so oft und so viel sie wollten. Das erfuhr der König, und es war ein Glück für den Edelmann, daß er flüchten konnte, sonst wäre er gehenkt worden, weil er sowohl die Ehrfurcht vor dem Papste wie die vor den Damen verletzt hatte.

Diese Edelleute waren mit ihren Einfällen und Redensarten weniger glücklich als der Herr von Albanien. Als der Papst Clemens zur Hochzeit seiner Nichte mit dem Herzog von Orleans nach Marseille kam, waren dort drei schöne Witwen, die durch die Trauer um ihre Gatten so angegriffen und heruntergekommen waren, daß sie Herrn von Albanien, den Verwandten des Papstes, baten, seinen Einfluß bei ihm geltend zu machen und ihn um Erlaubnis zu bitten, daß sie während der Fasten Fleisch essen dürften. Der Herzog von Albanien sagte zu und lud sie eines Tages ganz vertraulich zum Papste ein. Er machte dem König Mitteilung davon und versprach ihm einen Spaß. Als nun alle drei vor Seiner Heiligkeit knieten, begann der Herr von Albanien zuerst und sagte leise auf Italienisch, was die Damen nicht [322] verstanden: »Heiliger Vater, hier sind drei verwitwete Damen, schön und ehrenwert, wie Sie sehen. Aus Achtung für ihre verstorbenen Gatten und aus Liebe zu den Kindern, die sie von ihnen haben, wollen sie um keinen Preis eine neue Ehe eingehen. Da sie aber zuweilen doch den Stachel des Fleisches fühlen, bitten sie demütigst Eure Heiligkeit, außerhalb der Ehe mit Männern Verkehr pflegen zu dürfen, wenn die Versuchung sich ihnen naht« – »Wie?« sagte der Papst »Nein, mein Herr Vetter, das wäre gegen die Gebote Gottes, das kann ich nicht erlauben.« – »Geruhen Eure Heiligkeit denn, sie anzuhören.« Darauf nahm die eine von den Dreien das Wort und sagte: »Heiliger Vater, wir haben den Herrn von Albanien gebeten, unsre demütigste Bitte vorzubringen und die Schwäche unsrer Natur zu schildern.« – »Meine Töchter,« sagte der Papst, »eure Bitte verstößt gegen die Gebote Gottes.« – Die Witwen, die nicht wußten, was der Herr von Albanien gesagt hatte, erwiderten: »Heiliger Vater, geruhe doch, es uns wenigstens dreimal wöchentlich zu erlauben.« – »Wie?« sagte der Papst, »ich soll euch il peccato di lussuria gestatten? Das würde mir nicht anstehen, außerdem kann ich es nicht.« Nun merkten die Damen, daß hier ein Mißverständnis vorlag und der Herr von Albanien sich einen Spaß gemacht hatte. »Wir sprechen nicht davon,« sagten sie, »sondern wir bitten Eure Heiligkeit, an den verbotenen Tagen Fleisch essen zu dürfen.« Darauf sagte Herr von Albanien zu ihnen: »Ich dachte, meine Damen, es handelte sich um lebendes Fleisch.« Der Papst verstand den Scherz sofort und sprach lächelnd: »Lieber Vetter, Sie haben diese ehrsamen Damen erröten gemacht Die Königin wird zürnen, wenn sie es erfährt.« Sie erfuhr es allerdings, aber sie fand die Geschichte ganz hübsch. Auch der König lachte mit dem Papst darüber; dieser gab ihnen dann seinen Segen, gewährte ihnen die Bitte und sie gingen befriedigt von dannen.

[323] Man hat mir die drei Damen genannt, es waren: Madame von Chasteau-Briant oder Madame von Canaples, Madame von Chastillon und die Frau Landeshauptmann von Caen, alles sehr achtbare Damen. Ich habe diese Geschichte von älteren Leuten am Hofe gehört.

Man muß nicht glauben, daß jener große König nicht auch gern einmal eine lustige Geschichte über die Damen gehört hätte; aber man durfte die Frauen nicht beschimpfen und verschreien; sondern als großer König, der er war, und als bevorrechteter Mann wollte er nicht, daß jeder die gleichen Vorrechte übte wie er.

Ich hörte von einigen erzählen, es sei sein Wunsch, daß die Edelleute seines Hofes niemals ohne Maitressen seien; wer keine Geliebte hatte, den hielt er für einen Tropf. Oft fragte er den einen oder andern nach dem Namen der seinigen und versprach ihnen, behilflich zu sein; so gutmütig und vertraulich war er! Oftmals auch, wenn er die Herren in lebhaftem Gespräch mit ihren Damen fand, trat er auf sie zu und fragte, was für Reden sie führten; und wenn er ihre Worte nicht gut fand, verbesserte er sie und lehrte sie andre. Seinen Vertrautesten gegenüber war er nicht knauserig, ihnen seine Geschichten zu erzählen, von denen ich eine lustige weiß, die ihm passierte und die er zum Besten gab. Es war nämlich eine junge Dame an den Hof gekommen, die noch sehr harmlos war und sich deshalb den Überredungen der großen Herren und besonders dieses großen Königs leicht hingab. Eines Tages wollte er nun seine Fahne auf ihre Festung pflanzen, und sie, die gehört und auch gesehen hatte, daß man stets, wenn man dem König etwas gab oder etwas von ihm in Empfang nahm, zuerst seine Hand küssen müsse, nahm ohne weitere Zeremonie seine Hand, küßte sie mit Ehrfurcht, ergriff die Standarte[324] des Königs und pflanzte sie demütigst auf die Festung. Dann fragte sie ihn kaltblütig, wie er wünschte, daß sie ihm dienen solle: als anständiges und keusches Weib oder als lasterhaftes Mädchen? Er bat natürlich um das Letztere, denn als solche war sie viel liebenswerter und angenehmer denn als züchtige Frau. Darauf machte sie ihm eine große Verbeugung und dankte ihm untertänigst für die ihr erwiesene Ehre, deren sie nicht würdig sei, und bat nur um gelegentliche Beförderung ihres Gatten. Ich habe die Dame nennen hören, und sie war später nicht mehr so harmlos, sondern im Gegenteil sehr gerieben. Der König erzählte die Geschichte oft, und sie kam mehreren zu Ohren.

Er war sehr neugierig, die Liebschaft des einen oder andern zu kennen, besonders wie die Damen sich beim Liebeskampf benehmen, was für Stellungen sie dabei einnahmen und was für Worte sie dabei gebrauchten. Dann lachte er aus vollem Halse, verbot aber danach die Weiterverbreitung und den Skandal und empfahl Geheimhaltung und Wahrung der Ehre.

Als guter Sekundant stand ihm der sehr große, sehr prächtige und sehr freigebige Kardinal von Lothringen zur Seite. Sehr freigebig darf ich ihn nennen, denn er hatte zu seiner Zeit nicht seines Gleichen. Das beweisen seine Ausgaben, Geschenke und Aufmerksamkeiten, besonders seine Mildtätigkeit gegen die Armen. Er trug täglich eine große Geldtasche, die sein Kammerdiener jeden Morgen mit drei- bis vierhundert Talern für die kleinen Vergnügungen des Kardinals füllte. Wenn er nun irgend einem Armen begegnete, so griff er in die Tasche, und was ihm grade in die Hand kam, das gab er. Ein armer Blinder erhielt einmal, als der Kardinal durch Rom kam und er ihn um ein Almosen bat, eine große Handvoll Gold zugeworfen. Da rief er mit lauter Stimme auf Italienisch: »O tu sei Christo, o veramente il cardinal di Lorrena!« »Entweder bist du Christus oder der Kardinal von Lothringen!« – Nicht minder freigebig war er gegen andre Leute und besonders gegen die [325] Damen, die er leicht durch diese Reize gewann. Denn das Geld war damals noch nicht so reichlich vorhanden wie heute, und deshalb waren die Weiber sehr lüstern danach, ebenso wie nach Putz und Schmuck.

Ich hörte erzählen, daß er, wenn eine schöne Frau oder ein hübsches Mädchen neu an den Hof kam, sich sofort an sie machte und sagte, er wolle sie schon abrichten. Ein guter Dresseur! Ich glaube, die Mühe des Abrichtens war geringer wie bei einem wilden Huhn. Auch sagte man, daß damals alle neu an den Hof kommenden Damen sowohl durch ihre Habsucht wie durch die offene Hand des Kardinals sich verführen ließen, und wenige oder gar keine sind aus diesem Hofe als anständige Frauen hervorgegangen. Auch sah man damals ihre Koffer viel voller von Roben, Gold und Silber als heute die der Königinnen und Prinzessinnen.

Mancher wird sagen, ich hätte so etwas nicht von diesem großen Kardinal erzählen sollen, angesichts seines ehrwürdigen Kleides und Standes; aber sein König selbst fand Vergnügen daran. Und um seinem König zu gefallen, ist alles entschuldbar, sowohl die Liebe wie andre Dinge, falls sie nicht böse sind, wie damals die Beteiligung an Krieg, Jagd, Tanz, Maskeraden usw. Und endlich war er ja doch auch ein Mensch von Fleisch und Blut, und besaß zur Entschädigung dafür viele große Tugenden und Vollkommenheiten, die diesen kleinen Fehler überstrahlten, wenn es denn überhaupt ein Fehler zu nennen ist, der Liebe zu pflegen.

Ich hörte von ihm auch eine Geschichte, die Achtung vor den Damen betreffend. Von Natur aus brachte er ihnen Achtung entgegen, aber bei der Herzogin von Savoyen, der Donna Beatrix von Portugal, vergaß er sie einmal. Eines Tages nämlich, auf seinem Wege nach Rom, kam er im Dienste seines Königs durch Piemont und besuchte das Herzogspaar. Nachdem er sich mit dem Herzog eine Zeitlang unterhalten, ging er die Herzogin in ihrem Zimmer zu begrüßen. Sie, die verkörperte Anmaßung, reichte ihm ihre Hand zum Kuß. Der Kardinal, ungehalten [326] über diese Zumutung, wollte sie auf den Mund küssen, aber sie wich zurück. Nun ward er noch ungeduldiger, nahm sie beim Kopf und küßte sie trotz ihres Widerstrebens zwei oder dreimal ab. Sie mochte schreien und schelten auf Portugiesisch oder Spanisch, es nützte ihr doch nichts. »Wie?« sagte er, »ich küsse die Königin meine Herrin, die größte Fürstin der Welt, und ich sollte Sie nicht küssen dürfen, die Sie nur eine kleine Herzogin sind?! Wissen Sie, ich habe mit schöneren und vornehmeren Damen geschlafen, als Sie sind!« Und er durfte wohl mit Recht so sprechen. Es war sehr verkehrt von der Herzogin, einem Fürsten aus so großem Hause und dazu einem Kardinal gegenüber die Vornehme und Hochmütige zu spielen. Er hätte jedoch keine so harte Rache zu nehmen brauchen, denn eine Kränkung ist für jeden schmerzhaft, welchen Standes er auch sei.

Ich entsinne mich, daß der Herr von Matha, ein tapferer Edelmann, den der König liebte, und der ein Verwandter der Madame von Valentinois war, stets eine scherzhafte Bosheit gegen die Frauen bereit hatte. Eines Tages griff er eine Dame der Königin an und eine andre, genannt die große Meray, trat für ihre Freundin ein. Da sagte er zu dieser nur: »O, Sie, Meray, greife ich nicht an, Sie sind ein gar zu großes Panzerpferd!« In der Tat war sie eine der größten Frauen, die ich je gesehen. Sie beklagte sich bei der Königin, daß jener sie ein großes Pferd genannt habe. Die Königin war so erzürnt, daß Matha auf einige Tage vom Hofe verbannt wurde, trotz der Fürsprache seiner Verwandten, der Frau von Valentinois, und einen Monat lang durfte er nicht mehr die Gemächer der Königin betreten.

Der Herr von Gersay verfuhr noch schlimmer mit einer Dame der Königin, auf die er böse war und an der er sich rächen wollte. Wenn es sich um üble Nachrede handelte, fehlte es ihm nicht an Worten, denn er war ein Meister darin; die Medisance war aber damals streng verboten. Eines Tages befand er sich nachmittags im Zimmer [327] der Königin mit befreundeten Herren. Es war damals Sitte, sich in Gegenwart der Königin nicht anders als auf den Fußboden zu setzen. Nun hatte der gedachte Herr eine abgeschnittene Hode des Schafbocks bei sich, wie sie den jungen Leuten auf dem Wirtschaftshof zum Spielzeug dient Neben jener Dame sitzend, rollte er diese Kugel ganz leise und unbemerkt unter ihre Röcke. Als sich nun die Königin von ihrem Stuhle erhob, stand auch die Dame, nahe vor der Königin, auf; die dichtbehaarte Kugel fiel heraus und machte sechs bis sieben lustige Sprünge auf der Erde, als ob sie der Gesellschaft auf eigene Kosten ein Vergnügen machen wolle. Wer war nun überrascht? Die Dame und nicht minder die Königin. »Allmächtiger!« rief diese, »was ist denn das, meine Liebe?« Das arme Fräulein war ganz außer sich und sagte, tief errötend, sie wisse nicht, was das wäre; es hätte ihr gewiß jemand einen Streich gespielt, und zwar kein anderer als Gersay. Dieser hatte sich aber, als er die Kugel hüpfen sah, zur Tür hinausgemacht. Man ließ ihn holen, aber er wollte nicht wieder hereinkommen, und da er die Königin so zornig sah, leugnete er steif und fest Einige Tage lang mußte er sich dem Zorn der Königin und auch des Königs entziehen, der sich freilich nicht enthalten konnte, mit der Hofgesellschaft darüber zu lachen, freilich ohne es die erzürnte Königin merken zu lassen; denn sie verstand die Leute gehörig abzukanzeln.

Ein Edelmann und eine Hofdame, die bisher gute Freunde gewesen waren, gerieten einst in Streit, und das Fräulein rief ihm im Zimmer der Königin ganz laut zu: »Lassen Sie mich in Ruhe, oder ich sage das wieder, was Sie mir gesagt haben!« Der Edelmann hatte ihr nämlich von einer sehr großen Dame etwas im Vertrauen mitgeteilt, und in der Befürchtung, daß er Unannehmlichkeiten haben oder mindestens vom Hofe verbannt werden könnte, antwortete er ihr ganz ruhig (denn er war nicht auf den Mund gefallen): »Wenn Sie sagen, was ich ihnen gesagt habe, dann sage ich, was ich ihnen gemacht habe.« Nun war [328] die Dame die Überraschte; sie fragte jedoch: »Nun, was haben Sie mir denn gemacht?« Er entgegnete: »Was habe ich Ihnen gesagt?« Darauf die Dame: »Ich weiß wohl, was Sie mir gesagt haben.« Und er: »Ich weiß wohl, was ich Ihnen gemacht habe.« Sie: »Ich kann sehr gut beweisen, was Sie mir gesagt haben!« Er: »Ich werde noch besser beweisen, was ich Ihnen gemacht habe.« So zankten sie noch eine Weile weiter, bis die Anwesenden sie trennten, obwohl ihnen die Sache Spaß machte.

Diese Auseinandersetzung kam zu Ohren der Königin, die darüber sehr ärgerlich war und wissen wollte, um was es sich eigentlich handelte. Sie ließ die beiden holen; diese aber, da sie sahen, daß die Sache ernst wurde, versöhnten sich und verständigten sich untereinander dahin: es wäre nur ein Scherz gewesen. So stellten sie es der Königin auch dar, die indessen den Edelmann sehr tadelte und sagte, seine Worte seien skandalös gewesen. Der Edelmann versicherte mir, daß, wenn sie sich nicht verständigt und die Dame seine Worte verraten hätte, so würde er zur Revanche gesagt haben, die Dame könne nicht mehr als Jungfrau befunden werden, er habe ihr die Jungfrauschaft genommen. »Gut,« sagte ich, »aber wenn man sie untersuchte und doch als Jungfrau befindet, so wären Sie verloren gewesen, und es wäre Ihnen ans Leben gegangen.« – »Ja, sehen Sie,« entgegnete er mir, »am liebsten wollte ich ja, daß man sie untersucht hätte. Denn ich bin meiner Sache sicher. Ich weiß nämlich, wer sie entjungfert hat; leider war ich es nicht selbst Ich würde aber dann doch immerhin meine Rache gehabt haben und sie die Schande.« – In solche Verlegenheiten kommen oft die armen Frauen und Mädchen, teils mit Recht, teils mit Unrecht.

Ich habe eine sehr vornehme Dame gekannt die von einem sehr tapfern Prinzen guter Hoffnung wurde; man [329] sagt jedoch, es sei im Namen der Ehe geschehen, aber nachher wurde das Gegenteil bekannt König Heinrich erfuhr es zuerst und war furchtbar ärgerlich darüber, denn sie war etwas verwandt mit ihm. Indessen, ohne weiter Aufhebens davon zu machen, führte er sie abends zum Fackeltanz, wobei sie große Geschicklichkeit zeigte; auch war an diesem Tage ihre Taille so schön und schlank, daß man nichts von ihrer Schwangerschaft bemerkte. Auch der König, der sie genau beobachtete, konnte nichts davon entdecken und sagte zu einem Vertrauten: »Es ist sehr unrecht, dieser Frau nachzureden, sie sei schwanger; ich habe sie niemals schlanker gesehen. Das ist also nichts wie Lüge und Verleumdung.« Dasselbe sagte er auch der Königin, diese aber traute der Sache nicht recht und ließ das Fräulein am nächsten Morgen untersuchen, wobei sich herausstellte, daß sie schon im sechsten Monat guter Hoffnung war. Die Dame bekannte nun der Königin alles und sagte, sie würde sich verheiraten. Der König, gutmütig wie er war, hielt die Sache so geheim wie möglich, ohne das Fräulein zu beschimpfen, obwohl die Königin sehr ärgerlich darüber war. Indessen sandten sie die Dame heimlich zu nahen Verwandten, wo sie einen schönen Knaben gebar, der jedoch das Unglück hatte, niemals von seinem mutmaßlichen Vater anerkannt zu werden. Der Streit darüber zog sich lange hin, aber die Mutter konnte nichts erreichen.

Nun liebte König Heinrich hübsche Geschichten gerade so sehr wie seine Vorgänger, aber er wollte nicht, daß die Damen dadurch in Verruf kamen. Deshalb ging er, der sehr verliebter Natur war, auch stets so unerkannt wie möglich zu den Damen, damit diese von jedem Verdacht frei blieben. Wurde eine entdeckt, so war das gewöhnlich nicht seine Schuld, sondern die der betreffenden Dame. Das war der Fall bei Madame Flamin, einer Dame aus guter schottischer Familie, die vom König schwanger wurde, aber nicht den Mund halten konnte. »Gott sei Dank,« sagte sie in ihrem [330] schottischen Französisch, »ich habe mein Möglichstes getan, vom Könige guter Hoffnung zu werden, und fühle mich sehr geehrt und glücklich darüber. Wirklich, das königliche Blut ist doch ein köstlicher Saft, und ich befinde mich sehr wohl dabei, ungerechnet noch die schönen Geschenke, die man dabei gewinnt.«

Sie brachte einen Sohn zur Welt, der später Großprior von Frankreich wurde. Er wurde zu Marseille getötet, was sehr schade um ihn war, denn er war ein sehr achtbarer und tapferer Herr und bewährte sich auch im Tode als solcher. Er war ein guter Mann, und der am wenigsten tyrannische Gouverneur seiner und späterer Zeiten; die Provence weiß davon zu reden; außerdem war er sehr freigebig und verschwenderisch, jedoch stets in den Grenzen der Vernunft.

Jene Dame war, wie andre auch, der Meinung, daß es keine Schande sei, mit seinem König zu schlafen; nur wer sich den Kleinen hingäbe, wäre eine Dirne, nicht aber wer mit Königen und Edelleuten der Liebe pflege. Grade so wie jene bereits erwähnte Amazone, die eine Reise von dreihundert Meilen machte, um sich von Alexander schwängern zu lassen und von ihm Nachkommen zu haben. Man sagt indessen, eins wäre so gut wie das andre.

Auf König Heinrich folgte König Franz II., dessen Regentschaft so kurz war, daß die bösen Zungen keine Muße hatten, sich über die Damen auszulassen. Und wenn er auch lange regiert hätte, so würde er doch die Verleumder nicht an seinem Hofe geduldet haben, denn er war sehr gutmütig und hegte viel Achtung für die Frauen. Außerdem verfuhren seine Gattin, die Königin-Mutter und seine Oheime sehr hart mit den bösen Schwätzern. Ich entsinne mich, daß er sich eines Tages, im August oder September, zu Saint-Germain-en-Laye befand und Lust hatte, des Abends in dem schönen Walde von Saint-Germain die Hirsche in der Brunst zu beobachten; er nahm verschiedene vertraute Prinzen und vornehme Damen mit. Einer aus der Gesellschaft sagte, es [331] schicke sich nicht für eine keusche Frau, derartige Liebesspiele von Tieren anzusehen, denn der Anblick rege die Venus zu sehr auf; die Frauen würden ja solchen Appetit bekommen, daß ihnen das Wasser im M ..... munde zusammenliefe, wogegen es dann kein andres Mittel gäbe, als die Einflößung von Sperma. Der König und seine Begleitung erfuhren das, und der betreffende Herr tat gut daran, sich aus dem Staube zu machen. Er erschien erst wieder am Hofe nach dem Tode des Königs. Es wurden gegen die damaligen Leiter des Staats viele Schmähschriften verfaßt! keine aber war schärfer als die mit dem Titel »Der Tiger« (in Nachahmung der ersten Rede Ciceros gegen Catilina); sie richtete sich gegen die Liebschaften einer sehr großen Dame seiner nahen Verwandtschaft. Man besorgte, daß der schneidige Verfasser, wenn er tausend Leben gehabt hätte, sie alle hätte hergeben müssen, so furchtbar aufgebracht waren die angegriffenen vornehmen Personen.

Dieser König Franz war der Liebe nicht so ergeben wie seine Vorgänger; es wäre auch unrecht von ihm gewesen, denn er hatte die schönste und liebenswürdigste Frau zur Gattin. Wer eine solche Frau besitzt und dennoch untreu wird, ist ein Elender. Bleibt ein solcher Mann aber treu, so fällt es ihm nicht ein, weder Böses noch Gutes von andern Damen zu sagen; sondern er spricht nur von der seinigen. Diesen Grundsatz hörte ich von einer sehr ehrenwerten Persönlichkeit Freilich habe ich gegen diesen Grundsatz mehrfach sündigen sehen.

Ihm folgte König Karl, der, noch in zartem Alter stehend, sich anfänglich wenig um die Frauen kümmerte, sondern sich seinen Jugendspielen hingab. Indessen Herr von Sipierre, sein Hofmeister, nach meiner und andrer Meinung ein vorzüglicher Kavalier und ritterlicher Mann gegen die Damen, nahm den König so gut in die Schule, daß er sich mehr als seine Vorgänger achtungsvoll gegen die Frauen benahm. Als junger Mann oder als Erwachsener grüßte er, wo und wie es auch sein mochte, stets die Damen, indem er ehrfurchtsvoll [332] seine Kopfbedeckung abnahm. Als er in die Jahre der Liebe kam, huldigte er mehreren achtbaren Frauen und Mädchen, die ich kenne, aber stets in der respektvollsten Weise, wie der geringste Edelmann.

Trotzdem begannen unter seiner Regierung die Schmähredner sich breit zu machen, und selbst manche Hofherren schonten im allgemeinen und im einzelnen die Damen, sogar die vornehmsten, nicht. – Ich entsinne mich eines Pasquills gegen eine sehr große Dame, eine schöne und achtbare Witwe, die einen schönen und jungen Prinzen heiraten wollte. Einige wollten deren Ehe hintertreiben und um den Prinzen abwendig zu machen, verfaßten sie gegen die Dame eine skandalöse Schmähschrift, worin sie mit mehreren großen Huren des Altertums verglichen wurde, die sie alle übertreffen sollte. Die Betreffenden, die das Pasquill verfaßt, überbrachten es selbst dem Prinzen und sagten, es wäre ihnen zugesteckt worden. Der Prinz strafte sie Lügen und verwünschte die Verfasser. Diese nahmen alles schweigend hin, obgleich es tapfre und mutige Leute waren. Das Pasquill gab dem Prinzen jedoch zu denken, denn es wies wie mit Fingern auf gewisse Einzelheiten hin. Nach Verlauf von zwei Jahren wurde die Ehe jedoch trotzdem geschlossen.

Der König war so gut und edel, derartige Leute nicht zu begünstigen. Wohl liebte er hin und wieder ein lustiges Wort mit ihnen beiseite, aber er wünschte nicht, daß es verbreitet würde. Er sagte, sein Hof, der der edelste und wegen seiner schönen und vornehmen Damen berühmteste sei, solle nicht durch den Mund solcher Schwätzer in Mißachtung kommen. Von den Courtisanen Roms, Venedigs und andrer Orte möge man reden, aber nicht vom französischen Hofe; und was erlaubt sei zu tun, sei nicht erlaubt, zu sagen.

Solche Achtung hegte dieser König für die Frauen. In seinen letzten Lebenstagen wollte man ihm einige vornehme schöne Damen verdächtigen, sich in wichtige Angelegenheiten, [333] die ihn betrafen, eingemischt zu haben; aber er schenkte dem keinen Glauben. Als er starb, flössen dann auch viele Frauentränen seinetwegen. – König Heinrich DL, der ihm folgte, zeigte sich strenger gegen die Frauen. Von einigen wird er damit entschuldigt, daß er ihre Laster zügeln und sie bessern wollte. Aber das Weib ist ja so geartet, daß es, je mehr man ihm etwas verbietet, nur noch hitziger dahinter her ist Ich habe auch gesehen, daß man sich um seinetwillen nicht im geringsten von dem einmal betretenen Wege abbringen ließ.

Einigen Damen huldigte er mit größter Ehrfurcht, besonders einer sehr großen schönen Fürstin, in die er sich so leidenschaftlich verliebte, daß er, bevor er nach Polen ging, sich entschloß, sie zu heiraten, trotzdem sie mit einem großen und tapfern Prinzen vermählt war. Er hatte sich jedoch gegen ihn aufgelehnt und war in ein fremdes Land geflüchtet, um dort Truppen zu sammeln und ihn zu bekriegen. Bei seiner Rückkehr nach Frankreich starb die Dame im Wochenbett. Nur der Tod verhinderte die Heirat.

Auch mit andern hatte er Liebschaften. Von einer Dame weiß ich, die sehr galant war, und mit der er gerade deshalb Liebe trieb, weil sie ihm ein Ärgernis gegeben hatte. Ohne lange Überredung erwirkte er ein Stelldichein in einem Garten, wo sie sich auch ein fand. Er berührte sie jedoch nicht, sondern sie sollte auf dem Marktplatz erscheinen und dann mit Schimpf und Schande vom Hofe verbannt werden.

Die Damen fürchteten ihn sehr, wie ich gesehen habe, und er hielt ihnen viele Strafreden, zuweilen mit Hilfe seiner Mutter, die darin sehr schnell bei der Hand war; nur die Schmähredner liebte er nicht.

Von solchen Verleumdern gibt es nun verschiedene Arten. Einige reden den Frauen Übles nach, weil sie ihnen mißfällig geworden sind, und wenn die Frauen noch so keusch sind, machen sie aus einem schönen Engel einen wahren Teufel von Schlechtigkeit So ein Edelmann, den ich kannte und der eine sehr anständige Frau wegen einer [334] leichten Mißhelligkeit in der häßlichsten Weise verschrie. »Ich weiß wohl,« sagte er, »daß ich Unrecht habe, und leugne nicht, daß diese Dame sehr keusch und tugendhaft ist; aber wenn mich eine Frau auch nur im geringsten beleidigt, und wäre sie so rein wie die Jungfrau Maria, so kann ich mich als Mann nicht anders rächen, als indem ich das Schlimmste von ihr sage.« Aber den Zorn Gottes wird er doch auf sich laden.

Andre Schmähredner sind solche, die die Frauen lieben, aber deren Keuschheit nicht besiegen können; aus Ärger verklatschen sie sie und verkünden, sie hätten alles von ihnen gehabt, aber da sie sich gar zu unkeusch erwiesen, hätten sie sie aufgegeben. Ich kannte viele derartige Herren an unserm Hofe. Andre wieder sind Günstlinge der Frauen, wurden aber von diesen, bei der Leichtfertigkeit und dem Wankelmut des Weibes, verlassen und durch andre ersetzt. Dann verschreien diese Günstlinge die armen Frauen in unsagbarer Weise, ja, sie erzählen sogar eingehend alle Unzüchtigkeiten, die sie mit ihnen getrieben haben, und enthüllen alle Merkmale ihres nackten Leibes, damit man um so mehr an die Sache glaubt.

Wieder andre verleumden aus purer Eifersucht gerade solche Frauen, die sie am meisten lieben. Diese Verleumder sind indessen weniger zu tadeln, denn sie handeln wenigstens aus Liebe und Eifersucht, die eben leibliche Geschwister sind.

Andre Übelredner gibt es, die sich an die Medisance gradezu gewöhnt haben. Man kann sich denken, was aus der Ehre der Damen im Munde solcher Leute wird. Manche an unsern Höfen sah ich, die es nicht wagten, von Männern Übles zu reden, aus Furcht vor dem Degen, und sich deshalb auf die Frauen verlegten, die keine andre Waffe haben als Worte und Tränen. Manchen jedoch ging es schlecht dabei, denn die Damen haben oft zu ihrem Schutze Verwandte, Brüder, Freunde, Liebhaber, sogar die Gatten. – Aber wenn ich alle Arten Schmähredner der Damen aufführen wollte, käme ich gar nicht zu Ende.

[335] In Liebessachen hörte ich von verschiedenen die Meinung, daß eine geheime Liebe nichts wert sei; sie müsse, wenn auch nicht allen, so doch einigen vertrauten Freunden bekannt sein. Wenn man auch nicht zu allen Leuten davon sprechen kann, so müsse man es doch kundgeben durch Schauspiele, Liebesbänder, ritterliche Taten, wie Ringelstechen, Turniere, Maskeraden, Kampfspiele vor den Schranken, ja sogar durch ernsthafte Kämpfe, wenn man im Kriege ist Gewiß, das gewährt an sich eine große Befriedigung.

In der Tat, was würde einem großen Feldherrn eine schöne und ausgezeichnete Heldentat nützen, wenn er dabei getötet wird und niemand es erführe? Derselben Ansicht war Herr von Nemours, dieses Musterbild aller Ritterlichkeit Denn wenn jemals ein Fürst oder Edelmann Glück in der Liebe hatte, so war er es. Aber es machte ihm kein Vergnügen, seinen vertrauten Freunden dies zu verbergen; oft freilich hat er seine Liebschaften so geheim gehalten, daß man sie nur schwer erraten konnte.

Für die verheirateten Frauen ist die Entdeckung freilich sehr gefährlich; aber bei den Witwen und heiratsfähigen Mädchen macht es nichts aus; denn die spätere Ehe deckt alles zu.

Ich kannte bei Hofe einen sehr achtbaren Edelmann, der einer sehr großen Dame huldigte. Eines Tages befand er sich unter Freunden, die über ihre Geliebten plauderten, und jeder nannte die seine; nur er wollte die seine nicht nennen und schob eine andre vor. Unter ihnen war jedoch ein großer Fürst, der ihn beschwor, die Wahrheit zu sagen und der über diese geheime Liebe seine Vermutung hatte. Aber er und die andern brachten nicht das geringste aus ihm heraus. Bei sich jedoch verwünschte er sein Geschick, das ihn zwang, nicht wie die andern sein Glück zu erzählen, von dem es sich doch schöner spricht als vom Unglück.

[336] Einen andern kannte ich, einen wackern Kavalier, der infolge gar zu freimütiger Kundgabe seiner Liebschaft in Gefahr geriet, ermordet zu werden; er entging jedoch diesem Schicksal. Aus einem andern Grunde traf ihn aber später doch eine Mörderhand, und diesmal erlag er dem Tode.

Ich war bei Hofe zur Zeit Franz des Zweiten, als der Graf von Saint-Aignan zu Fontainebleau die junge Bourdezière heiratete. Am nächsten Tage kam der Neuvermählte in das Zimmer des Königs, und alle begannen ihn zu hänseln, wie das Gebrauch ist Einer der Herren fragte ihn, wieviel Posten er geritten habe. Fünf, antwortete der Gatte. Zufällig war ein Edelmann, ein Sekretär, anwesend, der damals der Günstling einer sehr großen Prinzessin war; dieser sagte: das sei gar nichts, wenn man den schönen Weg und das schöne Wetter bedenke, das er gehabt habe; denn es war im Sommer. Der Grandseigneur erwiderte ihm: »Nun, bei Gott! Sie brauchten wirklich Rebhühner!« »Warum nicht?« versetzte der Sekretär, »ich habe ein Dutzend in vierundzwanzig Stunden auf dem schönsten Waldgrunde von ganz Frankreich erlegt.« Wer war nun erstaunt? Dieser Herr, denn dadurch erfuhr er, was er schon längst vermutet hatte. Und da er selbst sehr verliebt in jene Prinzessin war, ärgerte es ihn, daß er so lange in diesem Gebiet gejagt und nichts erlegt hatte, während der andre glücklicher gewesen war. Vorläufig ließ er jedoch nichts merken, aber er hegte stets einen Haß gegen ihn. Der Sekretär hätte besser getan, seine Jagd nicht so sehr zu rühmen, sondern sie geheim zu halten.

Was soll man von jenem Edelmann sagen, der wegen einer geringen Verdrießlichkeit mit seiner Geliebten so schamlos war, ihrem Gatten ihr Bild zu zeigen, das sie ihm geschenkt und das er am Halse trug. Der Gatte ward sehr ärgerlich und entzog ihr seine Liebe.

Dieser handelte noch unrechter als jener große Herr, der, ärgerlich über einen Streich, den ihm seine Geliebte gespielt, ihr Porträt im Würfelspiel gegen einen Soldaten [337] verlor, denn er hatte eine große Stellung bei der Infanterie. Sie erfuhr das und war entrüstet Auch die Königin-Mutter erfuhr es und machte ihm Vorwürfe, daß er sich in seinem Ärger so weit hatte gehen lassen, das Bild einer so schönen und achtbaren Dame dem Würfelspiel preiszugeben. Aber der Herr beschönigte die Sache, indem er sagte, er habe das Bild selbst zurückbehalten und nur das Medaillon aufs Spiel gesetzt, das aus Gold und mit Edelsteinen geziert war. Ich hörte diese Geschichte zwischen dem Herrn und der Dame öfter sehr lustig erzählen und habe herzlich darüber gelacht.

Noch eins möchte ich sagen: es gibt Damen, die in ihrer Liebe bedroht, bezwungen werden wollen und die auf diese Weise besser zu haben sind als durch sanfte Manieren; dagegen wollen sie nicht beleidigt oder als Dirnen verschrieen sein.

Sulla konnte der Stadt Athen niemals verzeihen, daß er sie nicht von Grund aus zerstört hatte; aber nicht wegen der Hartnäckigkeit, mit der sie sich gegen ihn zur Wehr gesetzt, sondern weil die auf den Mauern Stehenden schlecht von seiner Frau Metella sprachen und ihre Ehre aufs tiefste verletzten.

An gewissen Orten, die ich nicht nenne, pflegten die Soldaten bei Scharmützeln und Belagerungen sich dadurch gegenseitig aufzureizen, daß sie einander die Ehre ihrer betreffenden Fürstin verhöhnten. Durch solche Stichelreden trieben die Fürstinnen öfter ihre Truppen zu Grausamkeiten an, wie ich gesehen habe.

Ich hörte erzählen, die Königin von Ungarn habe hauptsächlich deshalb ihre Feuer gegen die Pikardie und andere Teile Frankreichs entzündet, weil unverschämte Schwätzer von ihren Liebschaften sprachen und überall laut den Vers sangen:


Au, au Barbanson

Et la reine d'Ongrie,


ein wirklich plumpes Lied, das deutlich den Stempel des Bäurischen trägt.

[338] Cato konnte niemals den Caesar lieben, und zwar weil man, während im Senat gegen Catilina und seine Verschwörung beraten wurde, dem Caesar, der des Einverständnisses verdächtig war, im geheimen ein Briefchen zugesteckt; dies hatte ihm aber Servilla, Catos Schwester, gesandt und ihm darin ein Stelldichein angeboten. Cato, der keine Ahnung davon hatte, sondern an ein Bündnis Caesars mit Catilina glaubte, verlangte mit lauter Stimme vom Senat, Caesar zur Vorzeigung des fraglichen Briefes zu veranlassen. Caesar, in dieser Weise gezwungen, zeigte ihn vor, und damit war die Ehre von Catos Schwester öffentlich beschimpft. Man kann sich denken, daß Cato nun den Caeser mehr wegen dieser Affaire haßte, so sehr er sich auch den Anschein gab, ihn im Interesse der Republik zu hassen. Es war jedoch nicht Caesars Schuld, denn er war zum Vorzeigen des Briefes gezwungen worden, andernfalls wäre es ihm ans Leben gegangen. Ich glaube übrigens, daß Servilla ihm deshalb nicht zürnte, denn sie setzten ihre Liebschaft fort, aus der Brutus hervorging, dessen Vater Caesar sein sollte. Brutus aber dankte es ihm schlecht, daß Caesar ihn in die Welt gesetzt.

Die Damen nun, die sich den Großen hingeben, geraten oft in Gefahr, und wenn sie Gunst, Größe und Reichtümer dabei gewinnen, so müssen sie sie teuer genug erkaufen.

Ich hörte von einer schönen Dame aus gutem Hause erzählen, in die ein Herr von noch größerer Vornehmheit verliebt war. Eines Tages fand er sie mit ihren Frauen im Zimmer, auf dem Bette sitzend, und nach einigem Liebesgeplauder umarmte der Herr sie und legte sie sanft auf ihr Bett zurück. Sie erduldete den Überfall mit nur geringem Widerstände und sagte: »Daß ihr großen Herren euch doch nicht enthalten könnt, eure Freiheit und Macht uns armen niedriger Geborenen gegenüber zur Geltung zu bringen. Aber wenn ihr nur wenigstens schweigen könntet, statt auch eure Freiheit des Wortes zu gebrauchen, dann wäret ihr viel begehrenswerter und entschuldbarer. Ich bitte Sie deshalb, [339] mein Herr, die Sache geheim zu halten und meine Ehre zu schonen.«

Das sind die gewöhnlichen Worte, der niederen Frauen gegenüber den großen Herren. Sie denken: wenn die Welt nur nichts weiß, dann sind sie auch nicht entehrt.

Anderseits sagen die großen Damen zu ihren niedriger geborenen Liebhabern: »Hüten Sie sich ja, auch nur ein Wort davon zu sagen; andernfalls geht es Ihnen ans Leben. Ich lasse Sie in den Sack stecken und ins Wasser werfen oder bringe Sie auf andre Weise um.« So oder ähnlich sprechen sie, denn sie wollen nicht durch den Mund der Männer in Verruf kommen. Einige auch sind wieder so unbedacht und von der Liebe hingerissen, daß sie sich selbst verraten. So hatte vor nicht langer Zeit ein großer Herr einer vornehmen Dame, die er genossen, ein kostbares Armband geschenkt, woran sich das Bildnis der beiden befand. Sie war so unvorsichtig, es täglich auf dem nackten Arm über dem Ellenbogen zu tragen, wo es denn eines Tages ihr Gatte entdeckte, der sich ihrer durch Mord entledigte. Wie unbedacht war diese Frau!

Ich kannte einst einen großen regierenden Fürsten, der drei Jahre lang eine der schönsten Hofdamen zur Maitresse hatte. Als er nach Verlauf dieser Zeit sich auf einen Kriegszug begeben mußte, verliebte er sich noch zuvor in eine sehr schöne Fürstin. Um dieser zu beweisen, daß er seine erste Geliebte völlig aufgegeben, schenkte er ihr alle Liebespfänder, Edelsteine, Ringe, Porträts, Armbänder etc., die er von der Ersten empfangen. Diese erfuhr das und war auf das äußerste empört. Sie schwieg auch nicht, und indem sie sich selbst offen kompromittierte, war es ihr eine Genugtuung, damit zugleich die andre in Verruf zu bringen. Ich glaube übrigens, wenn diese Prinzessin nicht bald darauf gestorben wäre, würde der Prinz sie nach seiner Rückkehr geheiratet haben.

Einen andern Fürsten kannte ich, weniger groß wie jener, der während seiner ersten Ehe und seiner Witwerschaft [340] sich in ein schönes vornehmes Fräulein verliebte, und ihr schöne Geschenke an Ringen, Pretiosen usw. machte. Darunter befand sich ein Spiegel mit seinem gemalten Bildnis. Nun heiratete der Prinz eine sehr schöne Fürstin, die ihn den Geschmack an seiner ersten Geliebten verlieren ließ, obwohl sie einander an Schönheit nichts nachgaben. Die Prinzessin bat ihren Gatten, seiner ersten Geliebten alle Liebespfänder, die er ihr gegeben, wieder abzuverlangen. Das schmerzte nun diese Dame tief; sie war aber so großherzig gesinnt, obwohl sie keine Fürstin, wenn auch aus einem der besten Häuser Frankreichs war, daß sie ihm all das Schöne zurücksandte, darunter auch den Spiegel mit dem Bilde des Prinzen. Um diesen aber noch mehr auszuschmücken, nahm sie vorher Feder und Tinte und malte ihm mitten auf die Stirn zwei große Hörner. Dies übergab sie einem Edelmann mit den Worten: »Nehmen Sie, mein Freund, bringen Sie es Ihrem Herrn und sagen Sie ihm, ich schickte ihm alles wieder, was er mir gegeben; ich hätte nichts zurückbehalten oder dazugetan, höchstens daß er selbst inzwischen etwas hinzugefügt Sagen Sie auch seiner Gemahlin, die ihn dazu aufgefordert, zurückzuverlangen, was er mir gegeben, daß, wenn ein vornehmer Herr (sie nannte ihn bei Namen) es ebenso mit seiner Mutter gemacht und alles zurückgefordert hätte, sie jetzt ebenso arm an Schmuck und Steinen wäre wie ein Hoffräulein. Jetzt ginge sie jeden Morgen in den Garten, um Blumen zu pflücken, und ihren Kopf damit zu zieren, statt mit Edelsteinen. Diese überließe sie ihm, angesichts seines Hirschgeweihs.« Wer dieses Fräulein gekannt hat, wird ihr den Streich zutrauen; übrigens hat sie es mir selbst erzählt; denn sie war sehr freimütig.

Dennoch sollte es ihr wegen dieser Spötterei übel ergehen von Seiten des Gatten und der Frau. Man tadelte sie, es sei unrecht gewesen, die arme Frau so zu verhöhnen, denn sie hätte sich diese Geschenke im Schweiße ihres Angesichts verdient.

[341] Die Dame fand jedoch, da sie schön und liebenswürdig war, trotzdem sie ihren Leib jenem Prinzen überlassen hatte, noch die Liebe eines sehr reichen, wenn auch nicht vornehmen Mannes. Als sie sich einst gegenseitig vorwarfen, welche Ehre einer dem andern erwiesen habe, ihn zu heiraten und sie auf ihre vornehme Abstammung verwies, entgegnete er: »Ich habe für Sie mehr getan, als Sie für mich; denn ich habe mich entehrt, um Ihre Ehre wieder herzustellen.« Damit wollte er sagen, daß er ihr die verlorene Mädchenehre wiedergegeben, indem er sie zur Frau nahm.

Ich hörte von guter Seite erzählen, daß König Franz I. Madame von Chasteaubriand, seine Lieblingsmaitresse, verlassen hatte, um Madame d'Estampes zu nehmen, die den Mädchennamen Helly führte, und von der Frau Regentin dem König bei seiner Reise von Spanien nach Bordeaux zugeführt wurde. Madame d'Estampes bat ihn nun, von Madame von Chasteaubriand alle Kleinodien zurückzufordern, die er ihr gegeben, nicht wegen des Wertes, denn die Perlen und Edelsteine hatten damals noch nicht den Preis wie heute, sondern wegen der schönen Sprüche, die darauf eingeschnitten waren, und die die Königin von Navarra verfaßt hatte. König Franz gewährte ihre Bitte und versprach es zu tun. Er sandte einen Edelmann zu ihr, aber sie stellte sich krank und sagte ihm, er solle in drei Tagen wiederkommen. Inzwischen bestellte sie voller Ärger einen Goldschmied und ließ alle die Kleinodien einschmelzen, ohne Rücksicht auf die schönen Sinnsprüche, so daß einfache Goldstangen daraus wurden. Diese übergab sie dem Edelmann und sagte: »Bringen Sie dies dem König und sagen Sie ihm, da er zurückfordere, was er mir so freigebig geschenkt, so schickte ich es ihm in Goldstangen zurück. Was die Sinnsprüche beträfe, so hätte ich sie in mein Gedächtnis eingegraben und hielte sie darin so fest und wert, daß kein andrer als ich sie kennen und sich daran erfreuen sollte.«

Als der König die Goldbarren mit dieser Antwort erhalten hatte, entgegnete er nur: »Bringen Sie ihr das wieder. [342] Nicht des Wertes halber hatte ich ihr die Geschenke gemacht, sondern wegen der Sprüche. Da diese nun verloren gegangen sind, so will ich das Gold nicht und schicke es zurück. Sie hat hierdurch mehr Mut bewiesen, als ich einer Frau zugetraut hätte.« Ja, ein edles Frauenherz, das verachtet wird, ist zu großen Dingen fähig.

Anders als solche Fürsten, die ihre Geschenke zurückfordern, handelte Madame von Nevers, aus dem Hause Bourbon, Tochter des Herrn von Montpensier. Sie galt zu ihrer Zeit in Frankreich und Spanien als eine sehr kluge, tugendhafte und schöne Fürstin; in Spanien hatte sie eine Zeitlang mit der Königin Elisabeth von Frankreich gelebt, deren Mundschenkin sie war; denn die Königin ließ sich von Frauen und Mädchen bedienen, wie unsre Könige von Edelleuten. Diese Fürstin war mit dem Grafen d'Eu vermählt, dem älteren Sohne des Herrn von Nevers, und beide waren einander würdig, denn er war einer der schönsten und liebenswürdigsten Prinzen seiner Zeit. Deshalb wurde er auch sehr von den schönen Hofdamen begehrt, unter denen eine besonders gewandt war. Eines Tages nahm er von dem Finger seiner Frau einen schönen Diamantring im Werte von fünfzehnhundert bis zweitausend Talern, den die Königin von Spanien ihr bei ihrer Abreise verehrt hatte. Da die Hofdame ihn sehr lobte, und Lust zeigte, ihn zu besitzen, so schenkte der großmütige König ihr den Ring und sagte, er hätte ihn im Spiel gewonnen. Sie wies ihn auch nicht zurück und trug ihn aus Liebe zum König stets an ihrem Finger. Zu seiner Gattin sagte der König, er habe ihn im Spiel verloren, aber sie sah ihn am Finger der Dame, von der sie wohl wußte, daß sie die Geliebte ihres Gatten war. Sie besaß so viel Selbstbeherrschung, daß sie nur errötend und ihren Zorn niederkämpfend den Kopf wandte und weder ihrem Gatten noch seiner Geliebten ein Wort sagte. Sie verdiente gewiß hohes Lob, daß sie ihren Ärger nicht merken ließ und die Dame nicht beschimpfte, wie es andre wohl getan und dadurch den Leuten [343] einen Spaß bereitet und Gelegenheit zum Klatsch gegeben hätten.

So ist die Bescheidenheit in diesen Dingen oft sehr gut und nützlich, doch gibt es auch hierbei Glück und Unglück wie wo anders; denn manche Frauen brauchen nur einen Fingerbreit vom Wege ihrer Ehre abzuweichen, und sofort sind sie verschrien.

Andre wieder segeln mit vollem Winde im Meer der Venus nach der Insel Kypros und entzücken sich in den Gärten der Aphrodite, aber niemand spricht von ihnen, als ob sie gar nicht auf der Welt wären. So begünstigt das Glück die einen, und verläßt die andern, wovon ich viele Beispiele sah.

Zur Zeit des Königs Karl wurde zu Fontainebleau ein sehr häßliches und skandalöses Pasquill verfaßt, welches die allervornehmsten Damen nicht schonte. Hätte man den Autor gekannt, es wäre ihm schlimm ergangen.

Auch zu Blois bei Gelegenheit der Vermählung der Königin von Navarra gab es ein schmachvolles Pasquill gegen eine vornehme Dame, dessen Verfasser nicht bekannt wurde. Es traten aber mutige Edelleute auf, die die Schmähschrift Lügen straften. Auch unter der Regierung Heinrichs HI. tauchten Pasquille auf, unter andern eins in Liedform, nach der Melodie eines damaligen Hoftanzes, das nun von den Pagen und Lakaien mit hoher und tiefer Stimme gesungen wurde.

Zur Zeit Heinrichs III. ging es noch schlimmer zu. Ein mir bekannter Edelmann schenkte eines Tages seiner Geliebten ein Buch mit Bildern, die zweiunddreißig große und mittlere Hofdamen darstellten, ganz nach der Natur gezeichnet, wie sie mit ihren Anbetern der Liebe frönen. Darunter waren Damen, die zwei oder drei Liebhaber hatten, manche noch mehr, und diese zweiunddreißig Damen verkörperten etwa siebenundzwanzig Stellungen des Aretino. Die Personen waren sprechend ähnlich, einige völlig nackt, andre mit genau derselben Kleidung, Haartracht usw., die[344] man sonst bei ihnen sah. Ebenso war es mit den Männern. Kurz, dieses Buch war großartig gemacht; es hatte 8–900 Taler gekostet, und die Zeichnungen waren koloriert.

Die Dame zeigte und lieh es einst einer vertrauten Freundin, die ihrerseits die intimste Freundin einer der in dem Buche am schlimmsten abgebildeten Damen war; sobald sie es hatte, teilte sie es dieser mit. Sie, die in allem sehr neugierig war, wollte das Buch mit einer andern großen Dame, ihrer Cousine, die sie sehr liebte, ansehen, und lud sie zu diesem Schauspiel ein; auch diese war mit abgebildet.

Sie sahen das Buch mit größter Aufmerksamkeit durch, Blatt für Blatt, ohne ein einziges zu überfliegen, so daß sie zwei Stunden des Nachmittags damit zubrachten. Statt sich nun darüber zu ärgern, lachte die Cousine vielmehr, bewunderte die Bilder und beschaute sie so gründlich, daß sie schließlich ganz aufgeregt wurde und anfing, mit ihrer Freundin verliebt zu tun, bis die beiden Damen einander küßten und schnäbelten wie die Tauben, sich umarmten und noch weiter gingen, denn sie waren an dieses Spiel sehr gut gewöhnt.

Diese beiden Damen waren immer noch widerstandsfähiger, als eine gewisse andre, die eines Tages dieses Buch mit zwei andern Freundinnen ansah und vor sinnlicher Aufregung kaum bis zum vierten Blatt kommen konnte; beim fünften fiel sie in Ohnmacht. Ähnlich, wenn auch aus ganz anderm Grunde, geschah es Octavia, der Schwester des Cäsar Augustus, die eines Tages den Virgil die drei Verse sprechen hörte, die er auf den Tod ihres Sohnes Marcelius gedichtet hatte. (Sie gab ihm für diese drei einzigen Verse dreitausend Taler.)

Als ich bei Hofe war, hörte ich erzählen, daß ein schon hochbetagter Fürst, der seit dem Tode seiner Gattin als frommer Mann seine Witwenschaft gut ertragen, eine zweite Ehe mit einer schönen, tugendhaften und jungen Prinzessin schließen wollte. Da er seit den zehn Jahren seiner Witwerschaft [345] keine Frau berührt hatte und fürchtete, den Gebrauch verlernt zu haben (als ob das eine Kunst sei, die man vergessen kann!), so wollte er erst einen Versuch machen. Er gewann für Geld ein hübsches, junges Mädchen, das Jungfrau war, ebenso wie seine zukünftige Gattin; man sagt, er habe ein Mädchen gewählt, das der Gattin sogar in den Gesichtszügen ähnelte. Der Versuch, bei dem es sich zeigte, daß er nichts vergessen hatte, fiel so glücklich aus, daß er sich von der Eroberung der andern Festung den schönsten Sieg versprach.

Weniger glücklich war der Versuch eines andern Edelmannes, der noch sehr jung war, aber auf den Wunsch seines Vaters heiraten sollte. Auch er wollte vorher einen Versuch machen und engagierte deshalb einige Monate vorher ein hübsches Freudenmädchen, daß jeden Nachmittag in den Garten seines Vaters kommen sollte, denn es war im Sommer. Dort vergnügte er sich mit dem Mädchen unter dem Schatten grüner Bäume beim Murmeln eines kühlen Brunnens derartig, daß er der Hochzeit mutig entgegensah. Aber leider, als die Brautnacht gekommen war, konnte er nichts ausrichten. Man kann sich sein Erstaunen denken! Er fluchte und verwünschte sein Geschick, faßte aber dann doch Mut und sagte zu seiner Frau: »Meine Liebe, ich weiß nicht, was das bedeutet, denn ich habe Tag für Tag in dem Garten meines Vaters geübt.« Und er erzählte ihr die Sache. »Schlafen wir jetzt Morgen nachmittag werde ich dich in den Garten führen, und da wirst du etwas Besseres erleben.« Das geschah und seine Frau fühlte sich wohl dabei. Darüber entstand am Hofe das Sprichwort: »Wenn ich dich im Garten meines Vaters hätte, dann solltest du etwas erleben.« Vielleicht, daß der Gott der Gärten, Meister Priapus, die Faunen und die Satyrn, die die Wälder beherrschen, den Liebenden dort behilflich sind.

Derartige Versuche halten aber nicht immer Stich; denn von verschiedenen wackeren Kämpen der Venus hörte ich, daß sie ihre Lektionen vergessen hatten, wenn sie auf die [346] hohe Schule kamen. Einige sind entweder zu hitzig oder zu kalt und werden von dieser Glut oder Kälte ganz plötzlich befallen. Andre verlieren sich ganz in der Ekstase, ein so herrliches Gut in den Armen zu haben; wieder andre werden furchtsam oder mit einem Mal schwach, ohne zu wissen warum. Kurz, es gibt zahllose Hindernisse, die ganz unvermutet eintreten. Ich will sie nicht alle aufführen und berufe mich auf viele verheiratete Leute und andre Liebesabenteurer, die hundertmal mehr davon zu sagen wissen als ich. Solche Versuche sind gut für die Männer, aber nicht für die Frauen. So hörte ich von einer Mutter, einer Standesdame, die ihre einzige geliebte Tochter einem Edelmann zur Ehe versprochen hatte. Da sie befürchtete, daß ihre Tochter den sehr stark gebauten Edelmann nicht aushalten würde, ließ sie erst ein Dutzend Versuche mit einem ihrer jungen Diener anstellen, indem sie sagte, es würde besser gehen, wenn erst Bresche geschlagen sei; was auch der Fall war. Dieser Versuch ist weniger skandalös als ein andrer, von dem ich in Italien hörte. Ein Vater hatte seinen Sohn mit einem hübschen Mädchen verheiratet. Dieser war aber noch ein junger Dummkopf und verstand weder in der ersten, noch in der zweiten Brautnacht etwas auszurichten. Als der Vater die beiden fragte, wie es ihnen in der Ehe ginge und ob sie triumphiert hätten, antworteten sie: »Niente«, und der Sohn sagte, er wüßte nicht, wie er es anfangen solle. Da nahm der Vater seinen Sohn bei der einen Hand und die Schwiegertochter bei der andern, führte sie beide in ein Zimmer und sagte: »Na, dann will ich euch zeigen, wie's gemacht wird.« Er legte die Schwiegertochter aufs Bett und ließ sie die Schenkel spreizen. Dann sprach er zu seinem Sohn: »Nun paß auf!« und zu der jungen Frau: »Bleib ruhig liegen, es tut nicht weh.« Dann schritt er zum Werke und sagte: »Merke dir, wie ich's mache und was ich sage; dentro, fuero, dentro, fuero.« Diese Worte wiederholte er mehrmals, sich vor- und zurückbewegend, kam aber doch nie ganz heraus. [347] Nach diesen mehrfachen Bewegungen und den Worten dentro und fuero, rief er im höchsten Augenblick nur noch: dentro, dentro, dentro, dentro! und kümmerte sich den Teufel um das Wort fuero. So wurde der Vater, der den Lehrer spielen wollte, zugleich Ehebrecher mit seiner Schwiegertochter, die, harmlos, oder besser gesagt schlau, die Lehre gut annahm. Der Mann wollte seinen Unterricht eben mit Gründlichkeit erteilen, ohne welche ja auch kein Unterricht etwas wert ist.

Ich hörte von mehreren Liebesabenteurern und Begünstigten, daß manche Damen in der Liebesekstase fast ohnmächtig werden und ausrufen: »Ach! ich sterbe!« Ich glaube, das ist ein sehr süßer Tod. Andre rollen die Augen, als ob sie wirklich stürben und bleiben regungslos liegen. Von manchen hörte ich, daß sie ihre Muskeln und Nerven derartig anspannen, daß sie den Krampf bekommen. Von einer weiß ich, daß sie stets davon befallen wurde und kein Mittel ihr helfen konnte. –

Von einer Dame hörte ich folgende Geschichte. Sie wurde von ihrem Freunde auf dem Bettrand umarmt, und als das süße Werk beendet war, glitt der Liebhaber, der neue Stiefel mit glatten Sohlen anhatte, auf dem Parkettboden des Zimmers aus. Er konnte sich nicht halten und fiel auf sie, wobei er mit seinem, ganz mit Silbertressen besetzten Wams ihr Bauch, Lenden usw. derartig zerschrammte, daß es aussah, als hätte eine Katze sie gekratzt. Das tat der Dame so weh, daß sie einen lauten Schrei ausstieß. Das Beste war nun aber, daß der Edelmann bei seinem Fall mit Nase, Mund und Kinn auf die Vulva der Dame zu liegen kam, die durch wiederholte Attacken bis über den Rand mit Schaum angefüllt war. Das hatte zur Folge, daß er sich Nase, Mund und Schnurrbart derartig benetzte, als hätte ihn ein Barbier gehörig eingeseift Bei dem Anblick vergaß die Dame ihre Schmerzen, brach in helles Gelächter aus und rief: »Sie sind Ja ein schmucker Bursche! Sie haben sich großartig barbiert – freilich nicht [348] mit neapolitanischer Seife!« Die Dame erzählte dies einer Freundin, und der Herr einem Freund. So wurde die Geschichte bekannt und weiter erzählt; denn sie war ja auch wirklich sehr gut und zum Lachen.

Doch genug hiervon. – Was die Medisance betrifft, so wünschte ich, daß man in unserm Frankreich die Zunge ebenso hütete wie in Spanien. Dort würde man bei seinem Leben nicht wagen, die Ehre vornehmer Damen zu verletzen, und wenn an irgend einem Orte Damen erscheinen, so genügt der Ruf: Lugar á las damas, damit ein jeder sich verneigt und ihnen Ehre erweist Jede Unverschämtheit gegen sie ist auf das strengste verboten.

Als die Gemahlin des Kaisers Karl ihren Einzug in Toledo hielt, soll, wie ich hörte, der Marquis von Villana, ein spanischer Grande, einen Argusil zurechtgewiesen haben, weil dieser ihn aufgefordert, schneller zu gehen; diese Drohung brachte ihm große Unannehmlichkeiten, weil er sie in Gegenwart der Kaiserin geäußert hatte. Wäre es in Gegenwart des Kaisers geschehen, so hätte es weniger ausgemacht.

Als der Herzog von Feria in Flandern war, zogen die Königinnen Eleonore und Maria durch das Land, hinter ihnen ihr weiblicher Hofstaat Er, der sich neben seiner Herrin befand, geriet mit einem andern spanischen Kavalier in Wortwechsel, und beide liefen Gefahr, ihr Leben zu verlieren, aus dem einzigen Grunde, weil dieser Skandal in Gegenwart der Kaiserin und der Königinnen stattgefunden hatte.

Ebenso wäre Don Carlos von Avalos zu Madrid, als die Königin Isabella von Frankreich durch die Stadt kam, sofort zum Tode geführt worden, wenn er sich nicht schnell in eine Kirche geflüchtet hätte, die für die armen Unglücklichen eine Freistätte ist. Es gelang ihm, in Verkleidung aus Spanien zu entfliehen. Sein Leben lang blieb er aus [349] diesem Lande verbannt und verbrachte seine Tage auf der elendesten Insel Italiens, auf Lipari.

Sogar die Hofnarren, die sonst das Vorrecht des freien Wortes haben, werden bestraft, sobald ihr Wort eine Dame berührt So erging es einst einem mit Namen Legat, den ich gekannt habe. Eines Tages plauderte unsre Königin Elisabeth, wie schön und angenehm der Aufenthalt in Madrid und Valladolid sei; sie möchte, sagte sie, daß die beiden Orte so benachbart seien, daß sie mit dem einen Fuß Madrid, mit dem andern Valladolid berühren könnte. Dazu hätte sie die Beine allerdings weit auseinander spreizen müssen. Der gedachte Hofnarr, der das gehört hatte, sagte: »Dann möchte ich in der Mitte sein, con un carrajo de borrico, para encarguar y plantar la raya.« Dafür erhielt er jämmerliche Schläge. Und doch hatte er nicht Unrecht mit diesem Wunsche, denn die Königin war eine der schönsten Frauen Spaniens, und man konnte diesen Wunsch wohl hegen, – wenn auch nicht der Narr, sondern hundertmal bessere Leute als er.

Ich glaube, die Herren Schwätzer und Verleumder der Damen möchten wohl das gleiche Vorrecht genießen, wie die Winzer in der Campagna von Neapel, denen es zur Zeit der Weinlese erlaubt ist, jedem Vorüberkommenden zu sagen, was sie wollen, sogar Beleidigungen. Da sieht man sie denn hinter den Leuten herschreien, gleichviel welchen Alters und Standes diese sind. Das Spaßigste dabei ist, daß sie sogar die Damen, Prinzessinnen und Großen nicht verschonen. Ja, ich habe zu meiner Zeit gehört und gesehen, daß manche Damen des Spaßes halber absichtlich aufs Feld gingen und sich dort zu schaffen machten, um die gemeinen und unzüchtigen Reden der Winzer anzuhören. Dabei wurden dann auch ihre Gatten oder Liebhaber beschimpft, und man warf den Damen vor, sich mit ihren Kutschern, Pagen und Dienern abzugeben. Ja, noch mehr, die Weinleser boten den Damen ihre Gesellschaft an und versicherten, sie würden sie besser bedienen als sonst [350] jemand. Die Damen begnügten sich damit, sich vor Lachen auszuschütten und sich die Zeit zu vertreiben, oder sie ließen ihnen auch durch ihre Begleiter Antworten geben, was ebenfalls erlaubt ist. Wenn die Weinlese zu Ende ist, dann ruhen diese Schimpfworte bis zum nächsten Jahr; denn außer der Zeit würden sie streng bestraft werden.

Man sagte mir, daß dieser Gebrauch noch heute besteht, und manche Leute in Frankreich möchten, daß er auch hier zu einer gewissen Zeit des Jahres beobachtet würde, damit sie die Medisance, die sie so sehr lieben, in voller Sicherheit genießen könnten.

Doch um zu schließen: die Damen sollten von jedermann respektiert, und ihre Gunstbezeigungen geheim gehalten werden. Deshalb sagte auch Aretino, die Zungen, die die Liebenden unter sich austauschen, wären nicht nur dazu bestimmt, sich gegenseitige Wonne [zu bereiten, sondern die Vereinigung der Zungen sei das Zeichen, ihre Liebesgeheimnisse zu bewahren. Ja, sogar manche Ehegatten sind so zügellos und unverschämt, daß sie sich nicht mit den Unkeuschheiten begnügen, die sie mit ihren Frauen treiben, sondern auch ihren guten Freunden davon erzählen. Infolgedessen denn manche Frauen ihre Gatten hassen und sich ihrer Liebe entziehen. Sie wollen eben nicht verschrien sein, und wäre es auch von dem eignen Ehemann.

Herr Du Bellay, der Dichter, hat in seinen lateinischen »Tombeaux«, die übrigens sehr hübsch sind, eine Grabschrift auf einen Hund verfaßt, die mir wert scheint, hierhergesetzt zu werden, denn sie paßt zu unserm Thema:


Latratu fures excepi, mutus amantes.

Sic placui domino, sic placui dominae.


Wenn man schon bei den Tieren die Verschwiegenheit schätzt, um wieviel mehr erst bei den Menschen! In der [351] Beziehung hat Lamia, jene berühmte Courtisane des Altertums, recht, die da sagte, eine Frau schätzt ihren Liebhaber besonders, wenn er verschwiegen ist; dagegen hasse sie vor allem einen Prahler, der sich dessen rühmt, was er geleistet und nicht erfüllt, was er versprochen hat Das Letztere in doppeltem Sinne. Ferner sagte sie, daß die Frau, wenn sie auch der Liebe frönt, doch nicht für eine Dirne gelten will. Sie selbst habe sich nie über einen Mann lustig gemacht, und kein Mann über sie. Von dieser Dame, einer Gelehrten in Liebessachen, könnten die andern viel lernen. –

Doch nun genug von diesem Gegenstande. Ein besser Redner als ich hätte ihn besser dargestellt und ausgeschmückt. Ihm überlasse ich meine Feder.

7. Abhandlung. Über die verheirateten Frauen

Einleitung
Einleitung.

Ich befand mich ernst am spanischen Hofe zu Madrid, und im Gespräch mit einer sehr achtbaren Dame, fragte mich diese: Qual era mayor fuego d'amor, el de la biuda, el de la casada, o de la hija moça: »Wer hat das meiste Liebesfeuer: die Witwe, die Verheiratete oder das junge Mädchen?« Nachdem ich ihr meine Meinung gesagt, äußerte sie die ihrige mit folgenden Worten: »Lo que me parece d'esta cosa es que, aunque las moças con el hervor de la sangre se disponen á querer mucho, no deve ser tanto como lo que quieren las casadas y biudas, con la gran experiencia del negocio. Esta razon debe ser natural, como lo seria la del que, por haver nacido ciego de la perfection de la luz, no puede cobdiciar de ella con tanto deseo como el que vio, y fué privado de la vista.« »Ich denke über die Sache so: Wenngleich die Mädchen mit ihrem heißen Blut sehr zur Liebe geneigt sind, lieben sie doch nicht so sehr wie die verheirateten Frauen und die Witwen, weil diese eine größere Erfahrung in der Sache besitzen. Und der Grund ist sehr natürlich, denn auch ein blind Geborener sehnt sich nicht so nach dem Lichte wie einer, der es genossen und [353] dann das Augenlicht verloren hat.« Dann fügte sie hinzu: Con menos pena se abstiene d'una cosa la persona que nunca supo, que aquella que vive enamorada del gusto pasado: »Und viel leichter enthält sich jemand einer Sache, die er nicht kennt, als wenn er sie geliebt und genossen hat.« Das sind die Gründe, die diese Dame für jenen Gegenstand anführte.

Der verehrungswürdige und gelehrte Boccaccio stellt unter den Fragen in seinem »Phillocoppo«, in der neunten, die folgende: In welche von den dreien soll man sich am meisten verlieben, um am glücklichsten zum Ziel zu kommen: in die Verheiratete, die Witwe oder das junge Mädchen? Boccaccio antwortet durch den Mund der Königin, die er redend einführt: So sehr es auch gegen Gott und das Gewissen verstößt, eine verheiratete Frau zu begehren, so leicht ist es, bei ihr zum Ziele zu kommen, weniger beim Mädchen und der Witwe, denn solche Liebe ist gefährlich, da das Feuer desto heller brennt, je mehr man es anfacht, andernfalls erlischt es. Auch nehmen alle Dinge durch den Gebrauch immer mehr ab, nur die Wollust nicht, die dadurch nur zunimmt Aber die Witwe, die lange Zeit ohne Liebe gewesen, fühlt sie kaum mehr und kümmert sich nicht mehr darum, als ob sie garnicht verheiratet gewesen sei; sie wird mehr durch die Erinnerung als durch die Begierde erhitzt. Die Jungfrau dagegen, die noch garnicht weiß, was es ist, sehnt sich mit Wärme danach. Die Verheiratete, viel hitziger als die andern, wünscht oft zum Genuß zu gelangen, weshalb sie häufig von ihrem Gatten mit Worten oder Schlägen gestraft wird. Um sich aber zu rächen (denn es gibt kein rachsüchtigeres Wesen als das Weib), und zwar nur um der Rache willen, betrügt sie ihn und findet darin eine Befriedigung. Da es langweilig wird, immer dasselbe zu essen, so lassen selbst die großen Herren [354] und Damen oft die leckersten Bissen stehen und nehmen etwas andres zu sich. Was die Mädchen betrifft, so kostet es zu viel Zeit und Mühe, sie zum Willen des Mannes zu bekehren, und wenn sie lieben, so wissen sie garnicht, daß sie lieben. Bei den Witwen aber gewinnt das Feuer leicht wieder seine alte Macht, indem man sofort wieder ihre Begierde nach dem erweckt, was sie so lange vergessen hatten; dann sehnen sie sich danach und bedauern die versäumte Zeit und die langen Nächte in dem einsamen Bett.

Auf diese Beweisgründe der Königin antwortet ein gewisser Edelmann Namens Farramonte. Er läßt die verheirateten Frauen bei Seite und gibt ohne großen Widerspruch zu, daß sie leicht zur Liebe zu bewegen sind. Er spricht von den Mädchen und Witwen und behauptet, das Mädchen sei in der Liebe herzhafter als die Witwe; denn die Witwe, die in der Vergangenheit die Geheimnisse der Liebe gekostet hat, liebt niemals herzhaft, sondern zögernd und bedächtig, wechselt schnell ihre Neigung und weiß eigentlich nie recht, wem sie sich um des Vorteils und der Ehre willen hingeben soll. Dem Mädchen dagegen sind alle diese Dinge unbekannt; sie sehnt sich nur nach einem Freunde, den sie ganz in ihre Gedanken schließt, nachdem sie ihn auserlesen; ihm sucht sie in allem zu gefallen und hält die Beständigkeit in der Liebe für eine Ehrensache. Mit der größten Glut ist sie der Dinge gewärtig, die sie noch nicht gesehen, gehört und empfunden; ja, sie sehnt sich mehr danach als die andern Frauen, denen das alles nichts Neues ist. Sie ist ganz von dem Wunsche beherrscht, all diese neuen Dinge zu sehen; sie erkundigt sich bei den Erfahrenen, und das vermehrt ihre Glut. Nun wünscht sie die Vereinigung mit ihm, der der Herr ihrer Gedanken ist, und solches Feuer ist bei der Witwe nicht mehr zu finden, denn sie hat es schon hinter sich.

Nun nimmt die Königin bei Boccaccio wieder das Wort, und um die Streitfrage zu Ende zu bringen, schließt sie: daß die Witwe viel mehr als das Mädchen auf das Vergnügen bei der Liebe bedacht ist, da das Mädchen seine [355] Jungfrauschaft hüten will, worin dessen ganze zukünftige Ehre besteht. Und dann, die Mädchen sind von Natur furchtsam, und außerdem wenig geschickt im Auffinden passender Gelegenheiten. Das ist bei der Witwe nicht der Fall, die in dieser Kunst schon sehr geübt und unternehmend ist. Übrigens fürchtet die Jungfrau den ersten Ansturm, denn bei manchen ist er zuweilen mehr schmerzhaft als angenehm; das haben die Witwen nicht mehr zu fürchten, und der stürmischste Belagerer ist ihnen gerade der liebste. Deshalb ist die Witwe viel freier in der Liebe als das Mädchen, das sein Kostbarstes hingeben soll und immer daran denkt. Folglich, schließt die Königin, ist es besser, sich an die Witwe, statt an das Mädchen zu wenden, denn jene ist viel leichter zu gewinnen.

1. Artikel
Erster Artikel.

Von der Liebe der verheirateten Frauen.


Um nun die Gründe des Boccaccio näher zu beleuchten, möchte ich zunächst sagen, daß zweifellos derjenige den größten Genuß von der Liebe hat, der sich an die verheirateten Frauen wendet; denn er wird Zeit und Mühe sparen, da, wie Boccaccio sagt, das Feuer desto heißer brennt, je mehr man es anschürt. Das ist der Fall bei der verheirateten Frau, die sich mit ihrem Gatten so erhitzt, daß, wenn er das Feuer nicht löschen kann, das er bei seiner Frau entzündet, diese anderswo Hilfe suchen muß, oder sie brennt lichterloh. – Ich kannte eine Dame aus gutem Hause, die einst zu ihrem Freunde sagte, sie sei von Natur garnicht so begierig nach der Liebe, wie man behaupte, aber ihr Gatte rege ihr Feuer so sehr an, daß sie öfter bei ihrem Freunde Hilfe suchen müsse. Ja, auch damit noch nicht zufrieden, ziehe sie sich oft einsam in ihre Kammer oder [356] ihr Bett zurück und suche dort auf irgend eine Weise Beruhigung. Sie würde sogar, wenn die Scham es nicht verböte, sich dem ersten Besten in einem Ballsaal oder wo es sei hingeben, so sehr sei sie von dieser Hitze gepeinigt. Ähnlich wie die Stuten an der Grenze Andalusiens, die so brünstig sind, daß sie, wenn sie zu keiner Begattung kommen können, ihre Natur dem Winde entgegenhalten, der dort weht, und so ihre Glut abkühlen lassen. Die andalusischen Pferde sind auch sehr geschwind, als ob in ihnen noch die Schnelligkeit des Windes lebe, der gleichsam ihr Vater ist. Ich glaube, manche Ehemänner möchten, daß ihre Frauen lieber von einem solchen Winde abgekühlt würden, als daß sie sich dazu der Liebhaber bedienen und den Gatten Hörner aufsetzen.

Eine seltsame Eigenschaft der Frau möchte ich noch anführen: nämlich daß sie nur hitzig wird, wenn man sie anschürt. Das ist eigentlich nicht zu verwundern, denn, wie eine spanische Dame sagte: »Que cuanto mas me quiero sacar de la braza, tanlo mas mi marido me abraza en el brazero.« Und sicher müssen sie ja auch brennen, da sie durch Worte, Berührungen und Umarmungen sehr leicht hingerissen werden, wenn sie die Gelegenheit finden, ohne auf den Gatten Rücksicht zu nehmen.

Was die Mädchen oft zurückhält, ist die Furcht, schwanger zu werden. Die Verheirateten brauchen das nicht zu fürchten, denn der arme Ehemann muß für alles einstehen. Und was die Gesetze der Ehre betrifft, die es verbieten, so spotten die meisten Frauen ihrer, indem sie, wie Boccaccio anführt, behaupten: die Gesetze der Natur gingen voran; sie hätte nichts umsonst geschaffen und ihnen diese edlen Teile verliehen, damit sie in Gebrauch gesetzt werden, nicht aber um sie müßig feiern zu lassen. Sonst könnten womöglich die Spinnen ihr Netz darin weben und sie müßten das Spinngewebe mit einem Fuchsschwanz wieder herausfegen. Ja, der Nichtgebrauch kann dieser Partie großen Schaden zufügen und Hysterie erzeugen, woran [357] manche schöne Frauen zugrunde gehen. Das beste Mittel dagegen, sagen die Ärzte, ist die fleischliche Beiwohnung, und zwar seitens kräftiger und wohlgebauter Personen. Manche unserer Damen sagen auch, jenes Gesetz der Ehre sei nur für die Frauen, welche nicht lieben und keinen ehrlichen Freund erwählt haben; von solchen Frauen sei es schmachvoll, die Keuschheit ihres Leibes hinzugeben, als ob sie nur Buhlerinnen seien. Denjenigen aber, die wirklich lieben, verbietet jenes Gesetz nichts; es heiße geradezu, dem Geliebten, der darum bittet, das Leben geben, wenn man sich nicht grausam zeigt, wie der früher zitierte Regnaud über die arme betrübte Ginevra sagte. »Ich kannte eine vornehme Dame, die eines Tages von ihrem Freunde in ihrem Zimmer besucht wurde, wo sie die betreffende Stanze des genannten Regnaud: una donna deve dunque morire, in schöne französische Verse übersetzte (ich habe sie selbst gesehen).« Er fragte sie, was sie geschrieben habe, und sie erwiderte: »Hier, ich habe eine Übersetzung gemacht, die für mich geradezu ein Urteilsspruch ist, Ihnen das zu gewähren, was Sie wünschen. Es handelt sich nur um die Ausführung.« Diese fand denn auch sofort nach der Lektüre statt. Ein schönerer Urteilsspruch ist wohl nie im Obergericht gefällt worden! Denn, so überzeugend die Worte Regnauds bei Ariosto sind, kann ich Euch versichern, daß die Übersetzung nicht weniger beredt war als das Original.

Warum soll auch eine Frau, wenn die Natur sie gut und mitleidig geschaffen, nicht frei über diese Gabe verfügen? Eine Dame, von der ich hörte, sah eines Tages ihren Gatten in einem Saal auf- und abgehen, und sie konnte nicht umhin, zu ihrem Geliebten zu sagen: »Sehen Sie, wie der Herr dahinschreitet! Sieht er nicht ganz wie ein Hahnrei aus? Und würde ich die Natur sehr beleidigen, wenn ich ihr darin widerspräche, wozu sie ihn bestimmt hat?«

[358] Von einer andern Dame hörte ich, die sich über die schlechte und eifersüchtige Behandlung seitens ihres Gatten beklagte, der sie verdächtigte, ihm Hörner aufzusetzen. »Aber es ist gut,« sagte sie zu ihrem Freunde, »er glaubt, sein Feuer gleiche dem meinen, denn das seine verlösche ich im Handumdrehen und mit vier bis fünf Tropfen Wasser. Ich brauche aber, da mein Ofen tiefer ist, mehr. Wir Frauen sind wie ein Abzugsgraben, der gar nicht genug Wasser aufsaugen kann.«

Hübscher drückte sich eine andre Dame aus, die sagte, ihre Vulva habe die Natur der Hennen, die, wenn sie nicht genügend Wasser trinken, den Pips bekommen und sterben. So bekäme auch ihre Vulva den Pips, wenn man ihr nicht oft zu trinken gäbe; aber sie brauche etwas andres als Brunnenwasser. Eine andre Dame sagte, sie habe die Natur eines schönen Gartens, der sich nicht mit dem Wasser des Himmels begnüge, sondern einen Gärtner nötig habe, um fruchtbar zu sein.

Ich hörte von einer Dame, die einen sehr häßlichen Liebhaber und einen sehr schönen Ehegatten besaß; auch sie selbst war sehr schön. Eine Vertraute warf ihr vor, warum sie nicht einen hübscheren Anbeter wähle. Darauf sagte sie: »Wissen Sie denn nicht, daß zur guten Bebauung eines Grundstücks mehrere Arbeiter nötig sind; häufig sind aber gerade die schönsten und feinsten am wenigsten dazu geschickt, sondern eher die groben und robusten.« Eine andre Dame kannte ich, die einen sehr häßlichen Gemahl hatte und einen ebenfalls häßlichen Liebhaber wählte. Als eine Freundin sie fragte, warum, entgegnete sie: »Um mich besser an die Häßlichkeit meines Mannes zu gewöhnen.«

Eine andre Dame sprach eines Tags über ihre Liebe und die ihrer Freundinnen und sagte: »Wenn die Frauen immer keusch wären, wüßten sie ja nicht, was das Gegenteil ist.« Wobei sie sich auf die Ansicht Heliogabels stützte, welcher sagte-, »die eine Hälfte des Lebens müsse der Tugend gewidmet sein, die andre den Lastern; denn wenn [359] einer stets gut oder stets schlecht ist, dann kann er nicht über den Gegensatz urteilen, der oftmals zur Mäßigung dient.« Ich sah große Persönlichkeiten diesen Grundsatz billigen, selbst mit Anwendung auf die Frauen. Auch die Frau des Kaisers Sigismund, die sich Barba nannte, sagte, es sei Sache der Einfältigen, immer in demselben Zustande der Keuschheit zu verharren. Sie lebte beständig in Festen, Tänzen und Liebschaften, und spottete über solche, die es nicht ebenso machten und die ihr Fleisch kasteiten. Man kann sich denken, wie hübsch es am Hofe dieses Kaiserpaares zuging, das heißt für Leute, die der Liebe zugetan sind.

Ich hörte von einer sehr anständigen Dame, die krank vor Liebe zu einem ihrer Anbeter war, sich aber durch jenes Ehrgesetz, das von den Ehrenmännern so eifrig gepredigt wird, zurückhalten ließ. Sie wurde schließlich ganz mager und hinfällig und verlor die Frische und Rundung, die ihr Spiegel ihr oft gezeigt hatte. »Wie,« sagte sie da, »soll ich denn in der Blüte meiner Jahre mich verzehren und vor der Zeit alt und häßlich werden, nur um des Ehrenpunktes willen? Nein, ich werde mich hüten und mir durch Mittel helfen, die in meiner Macht stehen.« Gesagt, getan: Sie nahm einen Freund und wurde nun wieder schön und rund wie zuvor. Der Gatte erfuhr das Mittel nicht, schrieb es den Ärzten zu und ehrte sie hoch dafür.

Von einer andern vornehmen Dame hörte ich, einer Frau von munterer Laune und gewandter Zunge, die kränklich wurde und der der Arzt sagte, es würde niemals mit ihr besser werden, wenn sie nicht der Liebe pflege. Sofort entgegnete sie: »Gut! Machen wir es!« Und sie und der Arzt vergnügten sich mit Leib und Seele. Eines Tages sagte sie zu ihm: »Man spricht davon, daß Sie sich meiner annehmen. Aber das ist einerlei: ich fühle mich dabei wohl!« Sie führte nun immer das galante Wort im Munde, das mit f. beginnt. »Ich werde es so oft machen wie möglich, denn meine Gesundheit hängt davon ab.«

[360] Diesen beiden Frauen glich nicht jene achtbare Dame aus Pampeluna, die in den »Hundert Novellen« der Königin von Navarra vorkommt. Diese war sterblich verliebt in den Herrn d'Avannes, verbarg die Glut aber in ihrem Busen und wollte lieber sterben als die Ehre verletzen. Verschiedene Damen und Herren nannten sie eine Törin, da sie sich selbst den Tod gab, während sie sich doch so leicht hätte helfen können. Und was ist denn auch am Ende weiter dabei? Wenn es nur die Welt nicht erfährt und man im verborgenen handelt. Ich möchte wohl wissen, ob viele der großen Damen, die ich kenne (denn gerade bei ihnen wohnt die Liebe am meisten) deshalb weniger mit hoch erhobenem Haupte hinschreiten und an diesem Hofe und andern nicht gerade so hochgemut erscheinen wie eine Bradamente oder Marfise. Und wer wäre so anmaßend, sie zu fragen, ob sie Liebe treiben? Selbst manche Gatten (sage ich euch) wagen es nicht, sie zu fragen, so stolz tragen sie das Haupt. Sollten die Gatten ihnen davon sprechen oder sie bedrohen, mit Worten oder Taten, so sind sie verloren. Denn wenn die Frauen bisher nicht daran dachten, den Männern Böses zuzufügen, so werfen sie sich jetzt sofort auf die Rache und zahlen es ihnen heim. Denn ein altes Sprichwort sagt: »Wenn der Mann seine Frau schlägt, dann lacht die Vulva.« Nämlich im Gedanken an die Rache.

Um zu ihrem Ziel zu kommen, ist es der Frauen hauptsächlichstes Mittel, sich untereinander ihr Leid zu klagen, oder ihre Kammerdiener zu Hilfe zu nehmen, wenn sie sich einen Freund anschaffen wollen, oder falls sie einen besitzen, ihn zum Rendezvous zu bestellen. Die Frauen stehen Wache, damit sie der Gatte oder ein andrer nicht überrascht. Manchmal bestechen diese Damen ihre Gehilfinnen mit Geld, Geschenken oder Versprechungen; häufig auch schließen sie einen Pakt mit ihnen, nämlich, daß die Herrin der Dienerin die Hälfte oder mindestens ein Drittel von dem abgibt, was sie von ihrem Freund erhält. Leider[361] aber täuschen diese Damen oftmals ihre armen Dienerinnen, indem sie alles für sich behalten und sagen, der Freund hätte ihnen nicht mehr gegeben, so daß sie kaum für sich selbst genug hätten. Das ist dann eine Ungerechtigkeit. Andre Damen aber halten ihr Versprechen, um desto besser bedient zu sein, und man ist es den Mädchen auch schuldig in Erkenntlichkeit dafür, daß sie sich oft der Gefahr aussetzen. So weiß ich von einer, die eines Tages Wache hielt, während ihre Herrin im Zimmer mit ihrem Freunde Liebe genoß. Der Hausmeister bemerkte sie und fuhr sie an, was sie da mache; sie solle sich zu ihrer Herrin scheren, statt hier draußen herumzulungern. Das wäre ein schändlicher Streich, den die Frau ihrem Gatten spiele, und er wolle es ihm wiedersagen. Aber die Dame gewann ihn mit Hilfe eines ihrer andern Kammermädchen, in die jener verliebt war; sie mußte ihm auf Bitten ihrer Herrin etwas versprechen, und außerdem machte sie ihm noch ein Geschenk, und so war er ruhig. Seitdem sah sie ihn aber nicht mehr gern, und bei der nächsten Gelegenheit ließ sie ihn von ihrem Gatten fortjagen.

Ich kenne eine schöne Dame, die eine Dienerin hatte, der sie viel Freundlichkeiten erwies und die sie auch gut zu ähnlichen Diensten abgerichtet hatte. Manchmal, wenn der Gemahl dieser Dame längere Zeit vom Hause abwesend war, auf Reisen oder sonstwie, sagte sie, wenn sie die Dame ankleidete: »Ach, es ist wirklich unrecht von dem Herrn, eine so schöne Frau so lange allein zu lassen. Verdient er nicht, daß Sie ihn schlankweg betrügen? Ja, Sie müssen es; denn wäre ich so schön wie Sie, dann würde ich es mit meinem Gatten ebenso machen, wenn er so lange abwesend ist.« Man kann sich denken, daß die Herrin dieser Dienerin Geschmack an dieser Nuß fand und von dieser guten Hilfe Gebrauch machte.

Nun gibt es noch Damen, die sich ihrer Dienstmädchen bedienen, um ihre Liebschaften zu verdecken, indem sie dem Gatten, wenn er im Zimmer seiner Frau einen Liebhaber [362] findet, weis machen, er gehöre dem Dienstmädchen. Unter dem Vorwand hat die Frau ein leichtes Spiel, und der Mann merkt nichts. Ich habe einen großen Fürsten gekannt, der eine Liebschaft mit der Dienerin einer großen Prinzessin anknüpfte, nur um die Liebesgeheimnisse der Herrin zu erforschen.

Derartige Streiche habe ich viele in meinem Leben spielen sehen. Ein andres Mädchen im Dienst einer vornehmen Dame leistete dieser große Hilfe. Die Dame wurde von ihrem Gatten im Zimmer überrascht, als das Mädchen ihr einen Liebesbrief von ihrem Anbeter überreichte. Das Mädchen legte das Billet fein zusammen und verschlang es in einem Stück, ohne daß der Gatte es bemerkte, denn es wäre schlecht abgelaufen, wenn er es gelesen hätte. Das war in der Tat ein großer Dienst, wofür die Dame dem Mädchen stets dankbar blieb.

Vielen Damen freilich erging es übel, weil sie sich auf ihre Dienerin verließen, und andern ebenso, weil sie ihnen nicht vertrauten. Ich hörte von einer schönen Frau, die einen der vollendetsten Edelleute Frankreichs zum Liebhaber erwählt hatte. Sie wollte niemals einer ihrer Dienerinnen trauen; das Rendezvous wurde in einer dritten Wohnung gegeben und es war ausgemacht, daß in dem Zimmer nur ein Bett stehen solle und ihre Frauen sollten im Vorzimmer schlafen. Nun befand sich aber an der Tür ein Katzenloch, woran sie bisher gar nicht gedacht hatten; sie kamen daher auf den Einfall, ein Brett davor zu stellen, damit, wenn man dagegen stieß, ein Geräusch entstünde und sie dadurch gewarnt würden. Die eine der Frauen, der die Sache verdächtig vorkam, und die ärgerlich war, daß ihre Herrin ihr mißtraute, während sie sich doch schon so viele Male vertrauenswürdig bewiesen, beschloß an der Tür zu lauschen, sobald ihre Herrin sich niedergelegt. Sie hörte wohl leises Flüstern, aber sie merkte, daß es nicht von der Lektüre kam, die die Dame seit einigen Tagen trieb, indem sie beim Licht im Bette sitzend las, um ihren Streich besser zu bemänteln. Ihrer Neugierde [363] bot sich nun eine gute Gelegenheit; denn zufällig kam eine junge Katze ins Zimmer, und sie nahm sie und steckte sie durch das Katzenloch in das Zimmer ihrer Herrin, wobei das Brett geräuschvoll umfiel. Das Liebespaar fuhr im Bett in die Höhe, und beide sahen beim Licht der Lampe, daß eine Katze ins Zimmer gekommen war und die Klappe umgeworfen hatte. Deshalb beunruhigten sie sich nicht weiter und legten sich wieder hin. Da es spät war und sie glauben konnten, daß nun wohl jedermann schlafe, so ließen sie das Loch offen, damit die Katze, die sie nicht die ganze Nacht bei sich haben wollten, wieder hinausgehen konnte. Dadurch hatten die Dienerin und ihre Gefährtinnen die schönste Gelegenheit, verschiedene Dinge von ihrer Herrin zu sehen, die sie dem Gatten mitteilten. Das hatte den Tod des Liebhabers und die Schande der Dame zur Folge. So kann das Mißtrauen, das man in manche Personen setzt, zuweilen mehr schaden als das Vertrauen. Auch weiß ich von einem großen Herrn, der eines Tages alle Kammermädchen seiner Frau martern ließ, damit sie bekannten, welche Dienste sie seiner Gattin bei ihren Liebschaften leisteten. Aber für diesmal hatte es keine Folgen, da weiterer Skandal vermieden werden sollte. Der erste Rat kam von einer Frau, die ich nicht nenne, und die jener großen Dame zürnte. Aber Gott hat sie nachher gestraft.

Um mit unsern Frauen zu Ende zu kommen, sage ich nur so viel, daß man bei den verheirateten am besten fährt; denn sie kennen ihr Handwerk so gut, daß die schlauesten Ehemänner von ihnen betrogen wer den. Ich habe in dem Kapitel über die Hahnreie genügend davon erzählt, wo man hübsche Geschichten über dieses Thema finden wird. Hiermit sei es für diesmal genug.

2. Artikel
[364] Zweiter Artikel.

Von der Liebe der Mädchen.


Boccaccio, unserm Führer in dieser Abhandlung, folgend, komme ich nun zu den Mädchen. Sie sind allerdings von Natur anfangs sehr furchtsam und wagen ihre Kostbarkeit nicht herzugeben, wenn auch ihre Väter, Mütter, Brüder und Verwandten ihnen noch so sehr dazu raten, ja sie sogar durch Drohungen überreden wollen. Freilich sind nicht alle so bedenklich, und manche gehen tapfer darauf los, was ihnen dann sehr zum Schaden gereicht; denn die Schande eines entehrten Mädchens ist vielmal größer als die verletzte Ehre einer Verheirateten oder Witwe. Sie ist beschimpft und alle Welt weist mit Fingern auf sie.

Ich kannte ein Mädchen, das von einem Prinzen geschwängert wurde und, ohne ein Hehl daraus zu machen, sagte sie: »Was konnte ich denn tun? Man sollte mir meinen Fehltritt nicht vorwerfen, sondern höchstens, daß ich mich nicht zeitiger vorgesehen habe. Denn wenn ich so klug gewesen wäre, wie die Mehrzahl meiner Kameradinnen, die es ebenso, ja schlimmer wie ich getrieben haben, dann hätte ich den Folgen Abhilfe geschafft und wäre jetzt nicht in dieser Verlegenheit.« Ihre Freundinnen zürnten ihr sehr wegen dieser Rede, und sie wurde auch von ihrer Gebieterin aus der Reihe der Hofdamen entfernt; freilich sagte man, daß gerade diese selbst ihr dazu geraten habe, sich dem gedachten Prinzen hinzugeben. Nach einiger Zeit machte sie jedoch eine gute Partie und heiratete einen sehr reichen Herrn, aus welcher Ehe eine sehr schöne Nachkommenschaft hervorging. Wäre dieses Mädchen also so schlau gewesen wie ihre Genossinnen und andre, so wäre ihr das nicht passiert. Ja, ich habe in meinem Leben Mädchen gesehen, die ebenso gerieben waren, wie die klügsten verheirateten Frauen; ja sogar als Kupplerinnen habe ich sie tätig gesehen.

[365] An unserm Hofe war ein junges Mädchen, das jene schöne Komödie »Das Paradies der Liebe« verfaßt hatte und spielen ließ. Sie wurde im Saale Bourbon hinter verschlossenen Türen aufgeführt, wobei nur die Schauspieler und Schauspielerinnen zugegen waren, die als Darsteller und Zuschauer zugleich dienten. Wer die Geschichte kennt, weiß, was ich meine. Sie wurde von sechs Personen, drei Männern und drei Frauen, aufgeführt. Der eine war ein Prinz, der eine Dame etwas geringeren Standes liebte. Der andre war ein Seigneur, und dieser spielte mit der großen Dame; der Dritte war ein Edelmann, der sich mit dem betreffenden jungen Mädchen einließ und sie nachher heiratete. Denn dies galante Weibchen wollte ebenso gut ihre Rolle spielen wie die andern. Gewöhnlich spielte der Verfasser selbst eine Rolle oder den Prolog, wie dieses Mädchen, das ebenso gut oder vielleicht noch besser ihre Rolle gab als eine Verheiratete. Sie hatte auch schon etwas von der Welt gesehen und war, wie es in dem spanischen Sprichwort heißt: rafinada en Secobia, raffiniert in Segovia, woher die gut zugerichteten Wollentücher kommen.

Ich hörte von vielen Mädchen erzählen, daß sie, da sie ihren Herrinnen als Darioletten dienten, auch einmal selbst von der Frucht kosten wollten. Solche Damen sind auch oftmals die Sklavinnen ihrer Mädchen, da sie fürchten, daß ihre Liebschaften von ihnen ausgeplaudert werden.

Eine spanische Dame glaubte, ihre Tochter fürchte sich vor der Hochzeitsnacht, und auf dem Wege zum ersten Ehebett redete sie ihr zu, es sei weiter nichts, sie würde auch keine Schmerzen empfinden; sie selbst würde von Herzen gern an ihrer Stelle sein, um es ihr besser zu erklären. Da antwortete die Tochter: Bezo las manos, señora madre, de tat merced, que bien la tomaré yo por mí: »Besten Dank, liebe Mutter, für den guten Dienst; aber ich werde es schon selber machen.«

[366] Ich hörte von einem jungen Mädchen hoher Abkunft, das sich dem Vergnügen hingegeben hatte und nun nach Spanien verheiratet werden sollte. Einer ihrer intimsten Freunde sagte eines Tages zu ihr: er wundere sich sehr, daß sie, die so sehr die Levante liebe, nach der Ponente oder dem Occident reise (denn Spanien liegt nach Westen zu). Die Dame antwortete: »Ja, ich hörte von den vielgereisten Seeleuten, das Reizendste und Lustigste sei, nach der Levante zu segeln, und ich habe meinen Kompaß, den ich täglich bei mir trage, auch oft danach gestellt; aber ich werde mir helfen: wenn ich im Occident bin, gehe ich graden Wegs nach der Levante.« Die guten Interpreten werden diese Allegorie verstehen, ohne daß ich sie erläutere. Ich gebe nach diesen Worten zu bedenken, ob dieses Mädchen stets in der Kirche zu Notre-Dame gebetet hat.

Von einer andern weiß ich, die von den Wundern der Stadt Venedig gehört hatte, von ihren Sehenswürdigkeiten und der dort herrschenden Freiheit des Verkehrs für alle Leute, sogar für die Dirnen und Courtisanen. »Ha, bei Gott!« sagte sie zu einer ihrer Freundinnen, »das wäre schön, wenn wir unser ganzes Vermögen dort auf der Bank niederlegen und ein lustiges Courtisanenleben führen könnten. Kein andres Leben kann dem gleichen, und wir würden bald die ganze Welt beherrschen!« Das war ein lustiger Wunsch. Und in der Tat, ich glaube, wer ein solches Leben führen will, wird sich sehr gut amüsieren.

Auch einen guten Wunsch äußerte eine Dame in vergangener Zeit, die sich von einem armen Sklaven, der den Händen der Türken entgangen war, von den Grausamkeiten erzählen ließ, die die armen Christen von ihnen zu erdulden hatten. Da fragte sie: wie die Türken denn mit den Frauen verführen. »Ach, Madame,« sagte er, »sie begatten die Frauen [367] so lange, bis sie sterben.« »Wollte Gott,« rief sie aus, »mir wäre auch ein solcher Tod beschieden!«

Drei großen Damen, von denen die eine Mädchen war, tauschten eines Tages ihre Wünsche aus. Die eine sagte: »Ich möchte einen Apfelbaum haben, der alle Jahre so viel Äpfel aus Gold hervorbrächte, wie sonst natürliche Früchte.« Die andre: »Ich möchte eine Wiese haben, worauf so viel Edelsteine wüchsen, wie sonst Blumen.« Die Dritte, das junge Mädchen, sagte: »Und ich möchte einen Taubenschlag haben, dessen Löcher mir dazu dienen sollten, wie das eine einer gewissen Dame, die die Geliebte eines gewissen Königs ist, den ich nicht nenne. Aber zu meinem Taubenschlag sollten vielmehr Tauben kommen als zu ihrem.«

Diese Damen glichen nicht jener Spanierin, deren Leben in der Geschichte Spaniens beschrieben ist. Eines Tages, als der große Alfons, König von Aragon, seinen Einzug in Saragossa hielt, warf sie sich dem König zu Füßen und flehte um Gerechtigkeit. Da der König sie anhören wollte, bat sie ihn allein sprechen zu dürfen, was er gewährte. Nun beklagte sie sich, daß ihr Mann ihr keine Ruhe lasse und sie zweiunddreißigmal bei Tage wie bei Nacht beanspruche. Der König ließ den Mann holen und erfuhr die Bestätigung der Wahrheit. Über den Fall berief seine Majestät den Rat und entschied, daß der Mann sie nur sechsmal berühren solle. Er wunderte sich sehr, wie er sagte, sowohl über die große Hitze und Fähigkeit dieses Mannes, wie über die große Kälte und Enthaltsamkeit dieser Frau; ganz im Gegensatz zu andern (sagt die Geschichte), die mit gefalteten Händen darum bitten und sich beklagen, wenn man das, was ihnen gehört, andern zukommen läßt.

Dieser Dame ähnelte wenig jenes junge Mädchen, das am Tage nach der Hochzeit ihren Freundinnen die Begebenheit der Nacht erzählte. »Wie?« sagte sie »weiter ist es nichts? Ich hatte von euch und andern gehört, daß die Männer wunder etwas ausrichten; aber dieser Mann« (sie [368] meinte ihren Gatten), »der gar so hitzig tat und sich für einen wackern Ringstecher ausgab, hat nur vier Ritte gemacht; und gewöhnlich reitet man doch dreimal für den Ring und einmal für die Damen, und zwischen jedem einzelnen Ritt machte er längere Pausen, als gestern abend bei dem großen Ball gemacht wurden.« Da ihr dies so wenig schien, so wollte sie wahrscheinlich ein Dutzend haben; aber nicht jeder gleicht jenem spanischen Edelmann.

So verhöhnen die Weiber ihre Gatten. Ähnlich eine Frau, die sich am ersten Abend ihrer Hochzeit ihrem Gatten gegenüber sehr ungebärdig und widerspenstig benahm. Da sagte ihr der Mann, wenn er seinen großen Dolch nähme, dann würde sie andre Ursache haben, zu schreien. Deshalb gab sie sofort nach, in der Furcht vor dem großen Dolche, womit er sie bedrohte. Aber am nächsten Morgen hatte sie keine Furcht mehr davor und, mit dem kleinen nicht zufrieden, fragte sie ihn bei der ersten Gelegenheit, wo er denn den großen habe, womit er sie am Abend zuvor bedroht. Darauf erwiderte der Gatte, er habe keinen, es sei nur ein Scherz gewesen. Sie möge nur mit dem kleinen zufrieden sein. Da rief sie aus: »Nein! Macht man sich so über ein armes einfältiges Mädchen lustig?« Ich weiß nicht, ob sie einfältig genannt zu werden verdient, und nicht vielmehr sehr fein und verschlagen. Ich überlasse das den spitzfindigen Köpfen.

Viel einfältiger war ein andres Mädchen, das sich bei der Justiz beklagte, daß sie jemand vergewaltigt habe. Zur Rechenschaft gezogen, erwiderte der Betreffende: »Meine Herren, ich berufe mich auf sie, ob es nicht wahr ist, daß sie selbst mein Glied genommen und es mit eigener Hand hineingeführt hat.« – »Ja, meine Herren,« sagte das Mädchen, »das ist schon wahr, aber wer hätte das auch nicht getan? Denn nachdem er mich hingelegt, bohrte er so heftig, wie mit einem Stock, gegen meinen Leib, daß ich fürchtete, er könnte mir ein Loch stoßen. Da habe ich den Stab denn genommen und ihn in das Loch gesteckt, das [369] sowieso schon da ist.« Ob dieses Mädchen einfältig war oder nur so tat, will ich nicht entscheiden.

Ich möchte noch zwei Geschichten von zwei verheirateten Frauen erzählen, die ebenso einfältig waren wie diese, oder auch sehr schlau, wie man will. Also eines Tages wurden einer sehr schönen und begehrten Dame, die ich kenne, von einem großen Fürsten Liebesanträge gemacht; er versprach ihr und ihrem Gatten Würden und Reichtümer, so daß sie diesen verführerischen Worten gern das Ohr lieh. Sie ergab sich jedoch nicht gleich auf den ersten Streich, sondern als junge erfahrene Gattin entdeckte sie alles ihrem Gatten und fragte ihn um Rat. Dieser antwortete rasch: »Um Gottes willen, mein Schatz, wo denkst du hin?! Das wäre für dich und mich eine unauslöschbare Schande.« – »Aber bedenke doch,« entgegnete die Frau, »die großen Vorteile, die uns dadurch geboten werden.« Der Mann wollte immer noch nicht ja sagen; aber die Frau begann, Mut zu bekommen und wollte diese Partie nicht verlieren. So ließ sie sich mit dem Prinzen ein und verzichtete auf ihre törichte Einfalt Ich hörte diese Geschichte von jemandem, der sie von jenem Prinzen hatte; dieser warf der Dame vor, man dürfe in solchen Dingen niemals den Gatten um Rat fragen, an seinem Hofe wüßte man andern Rat zu schaffen.

Nun möchte ich noch diese Dorfgeschichte erzählen, denn sie ist nicht schlecht. Ein Landmädchen wurde einst mit Trommel- und Pfeifenklang als Braut zur Kirche geführt, als zufällig der Liebhaber aus ihrer Mädchenzeit vorüberkam; diesem rief sie zu: »Adieu, Pierre, nun ist es aus, Du wirst es mir nicht mehr machen. Meine Mutter hat mich verheiratet.« In diesem Zuruf lag eine große Naivität und zugleich ein Bedauern über die Vergangenheit.

In Spanien hörte ich von einem Mädchen erzählen, daß sie in der Hochzeitsnacht zu ihrem Bräutigam, der [370] sich bei der Erstürmung der Festung verletzt hatte, lachend sagte: »Señor, bien es razon que seays martyr, pues que yo soy virgen: mas pues que yo tomo la paciencia, bien la podeys tomar«, »Mein Herr, es ist ganz in der Ordnung, daß Sie ein Märtyrer sind, da ich Jungfrau bin; aber da ich Geduld habe, müssen Sie auch Geduld haben.« Während jener Mann sich über seine Frau lustig machte, machte diese sich über ihren Mann lustig.

Eine andre Spanierin erzählte am Tage nach ihrer Hochzeit von den verschiedenen guten Eigenschaften ihres Gatten, »nur«, sagte sie, »que no era buen contador aritmético, porque no sabia multiplicar«; »nur ist er leider kein guter Rechner, denn er kann nicht multiplizieren«.

Solche Mädchen, die nach der Hochzeit solche Witzworte sagen, können ihren armen Gatten zu denken geben und sie glauben machen, daß sie nicht die ersten sind, die hier den Anker werfen, und auch nicht die letzten sein werden. Denn wenn ein Mann sich bei seiner Frau nicht gehörig abmüht, wird sie ihm bald Hörner verschaffen, wie das alte französische Sprichwort sagt: »Et qui ne la contente pas, (elle) va ailleurs chercher son repas.« Freilich, wenn eine Frau aus ihrem Manne alles zieht, was sie kann, so bringt sie ihn um, das heißt, er stirbt daran. Ein altes Wort ist auch: Einen Liebhaber soll man nicht erschöpfen, sondern ihn möglichst schonen; den Gatten aber kann man bis aufs Blut aussaugen. Daher der spanische Spruch: »que el primero pensamiento de la muger, luego que es casada, es de embiudarse.« »Der erste Gedanke einer Frau, wenn sie heiratet, ist, sich zur Witwe zu machen.« Dieser Ausspruch gilt nicht allgemein, wie ich anderwärts zu sagen hoffe, wohl aber für einige Frauen.

Gewisse Mädchen können ihre Glut nicht lange bemeistern und geben sich leicht den Prinzen und großen [371] Herren hin, nicht zum mindesten um ihrer Gunstbezeigungen und ihrer Geschenke willen; denn bei den großen Herren ist alles gut und schön, selbst wenn sie auch große Esel sein sollten, wie ich deren gesehen habe. Andre Mädchen dagegen scheuen die Großen, weil diese für wenig verschwiegen und für sehr prahlerisch gelten; sie ziehen die klugen und diskreten Edelleute vor, deren Zahl freilich gering ist, und sehr glücklich ist ein Mädchen, wenn sie wirklich einen solchen findet. Um alles dies zu vermeiden, wählen dagegen einige ihre Kammerdiener, von denen manche hübsch sind und sich nicht lange bitten lassen. Denn da sie den Damen beim An- und Auskleiden helfen, wie das an unsern Höfen und anderswo oftmals ohne Bedenken geschieht, so bekommen die Diener dabei manche Reize zu sehen (oftmals absichtlich von seiten der Mädchen), und es ist kein Wunder, wenn sie in Versuchung geraten. Wenn nun die Augen ihren Dienst getan haben, so müssen doch auch die andern Teile des Körpers den ihrigen leisten.

Ich kannte ein schönes Mädchen, das neben einem Prinzen, der sie aushielt, seinen Kammerdiener noch dazu nahm; der Prinz aber glaubte, er wäre der einzige. Sie hatte jedoch eine gute Wahl getroffen, denn der Diener war von großer Schönheit und gut gebaut, ja, er übertraf den Prinzen noch. Dieser erfuhr von der Sache nicht eher, als bis er das Mädchen aufgab, um sich zu verheiraten. Er behandelte den Diener deshalb aber nicht schlecht, sondern hatte ihn ganz gern, und wenn er ihn vorübergehen sah, dann sagte er: »Ist es möglich, daß dieser Mensch mein Nebenbuhler gewesen ist? Ja, ich glaube es gern, denn abgesehen von meinem hohen Stande, übertrifft er mich.« Der Mann war ein vortrefflicher, bei Hofe sehr geschätzter Schneider, dessen die Mädchen und Frauen sich gern bedienten, wenn sie hübsch gekleidet sein wollten. Ich weiß nicht, ob er sie in derselben Weise bekleidete, wie seine Geliebte, aber die Frauen waren mit ihm sehr zufrieden.

[372] Ich kannte ein Mädchen aus gutem Hause, das einen Lakaien im Alter von vierzehn Jahren hatte, den sie als ihren Spaßmacher hielt und mit dem sie allerlei Scherze trieb. So ließ sie sich von ihm ohne weiteres küssen und abgreifen, oftmals vor allen Leuten und entschuldigte es damit, er wäre eben ein lustiger Narr. Ich weiß nicht, ob er noch weiter ging, aber ich weiß, daß sie, nachdem sie verheiratet, Witwe und wiedervermählt war, eine sehr bekannte Hure geworden ist. Ich hatte ein Jahr lang Gelegenheit, dieses Mädchen zu beobachten, aber wenn ich sie: diese Vertraulichkeiten in Gegenwart ihrer sonst sehr prüden Mutter treiben sah, die nur darüber lachte, dann sagte ich voraus, daß aus dem kleinen Spiel ein großes, und aus dem Fräulein eines Tages eine gute Dirne werden würde, was auch eintraf.

Ich kannte zwei Schwestern aus sehr gutem Hause von Poitiers, von denen allerlei Gerede ging. Ihr Vater hatte einen baskischen Diener, und dieser, der als guter Tänzer bekannt war, und nicht nur den Ringeltanz seiner Heimat, sondern auch andre Tänze kannte, gab den Mädchen darin Unterricht. Nach der Tanzstunde lehrte er sie aber auch den Tanz der Freudenmädchen, und so kamen sie bald in Verruf. Trotzdem haben sie sich gut verheiratet, denn sie waren sehr reich. Und der Reichtum macht ja alles gut. Ich kannte diesen Basken später als sehr braven und tapfern Soldaten. Man hatte ihm damals, zur Vermeidung eines Skandals, den Abschied gegeben, und er war in die Garde unter Herrn d'Estrozze eingetreten.

Ich kannte ein andres großes Haus, dessen Herrin sich damit abgab, junge Mädchen bei sich zu erziehen. Nun war die Dame oft leidend, und die Ärzte und Apotheker gingen bei ihr aus und ein. Die jungen Mädchen sind aber auch oftmals Krankheiten unterworfen, wie Bleichsucht, Fieber usw. Nun begab es sich, daß zwei von ihnen vom viertägigen Fieber ergriffen wurden, und man einen Apotheker zu ihrer Pflege annahm. Er versorgte sie auch gut [373] mit Drogen und Arzeneien, aber das Beste war, daß er (dieser Schelm!) mit einer von ihnen schlief, dehn er hatte es mit einer so schönen Tochter Frankreichs zu tun, daß jeder König mit ihr zufrieden gewesen wäre. Ich kannte das Mädchen, das sicher einen andern Belagerer verdient hätte. Später wurde sie gut verheiratet, wobei sie noch als Jungfrau befunden wurde. Ich schließe daraus, daß sie sehr schlau gewesen und sich an ihren Apotheker wegen geeigneter Mittel gegen Schwangerschaft gewandt hat; denn diese fürchten die Mädchen am meisten. So war auch am Hofe der Königin Margarethe I. von Navarra ein Mädchen, das gesegneten Leibes wurde, aber einen schlauen Apotheker fand, der ihr einen Trank eingab, infolgedessen die Frucht Stück für Stück ohne Schmerzen abging. Dann heiratete sie frisch und munter, und der Gatte hatte keine Ahnung. Welch eine tüchtige Medizin! Man kann den Mädchen auch scheinbar die Jungfrauschaft wiedergeben, indem man Blutegel in die Scheide setzt, die durch das Saugen eine blutgefüllte Blase erzeugen. Diese zerplatzt dann in der Hochzeitsnacht, das Blut fließt heraus, und der Gatte ist voll Vergnügen, nicht minder die Braut, denn l'onor della citadella è salvo. Ich finde dieses Mittel vorzüglich, wenn es wahr ist. Und sollte es nicht helfen, so gibt es hundert andre, die noch besser sind und die die Herren Apotheker und Mediziner zu erfinden wissen, wozu sie oft zu großem Reichtum gelangen; denn sie verstehen zu verwunden und zu heilen, wie einst die Lanze des Peleus.

Ich kannte den vorhin erwähnten Apotheker, von dem ich im Vorbeigehen noch folgende wenige Worte sagen möchte. Ich sah ihn zu Genf, als ich zum erstenmal nach Italien reiste, denn damals führte der Weg infolge des Krieges für die Franzosen durch die Schweiz und Graubünden. Er besuchte mich in meiner Wohnung. Ich fragte ihn, was er in dieser Stadt mache und ob er hier sei, um die schönen [374] Mädchen zu behandeln, wie er es in Frankreich getan. Er entgegnete, er sei hier, um zu büßen. »Wie?« rief ich aus, »Sie wollen sich hier nicht auch so schöne Bissen zu Gemüte führen wie in Frankreich?« »Ach, mein Herr,« versetzte er, »Gott hat mich zu sich berufen, ich bin von seinem Geist erleuchtet und verstehe nun sein heiliges Wort.« – »Ja,« sagte ich, »aber damals waren Sie auch ein frommer Mann und nahmen sich der Seele und des Leibes der jungen Mädchen an.« – »Allerdings, mein Herr, aber jetzt habe ich meinen Gott besser erkannt, und ich will nicht mehr sündigen.« Wir plauderten noch viel über diesen Gegenstand, im Ernst und im Scherze. Aber dieser Schelm genoß doch von der guten Speise, die eher einem feinen Manne als ihm zukommt. Aus jenem Hause mußte er damals verschwinden, denn sonst wäre es ihm schlimm ergangen. Aber lassen wir ihn. Ich hasse den verwünschten Kerl, ebenso wie Herr von Ronsard jenen Arzt, der abends und morgens zu seiner (Ronsards) Geliebten kam und statt ihr Fieber zu kurieren, ihr Busen, Bauch und Hüften und die schönen Arme betastete. Darüber machte er ein hübsches Sonett, das sich im zweiten Buch seiner »Amours« befindet und also beginnt:


Hé! que je porte et de hayne et d'envie

Au médecin qui vient soir et matin,

Sans nul propos, tastonner le tétin,

Le sein, le ventre et les flancs de ma mye.


Auch ich hege große Eifersucht gegen einen Arzt, der einen ähnlichen Streich mit einer Dame spielte, die ich liebte; und ich genoß von ihr nicht solche Vertraulichkeit, die ich mehr begehrt hätte als ein kleines Königreich. Freilich solche Leute werden von den Mädchen und Frauen willkommen geheißen und haben Glück bei ihnen. Ich kannte bei Hofe zwei Ärzte, der eine hieß Castellan, Leibarzt der Königin-Mutter, der andre Cabrian, Arzt des Herrn von Nevers; dieser war auch bei Ferdinand von Gonzaga gewesen. Alle beide hatten Liebesabenteuer, und die größten Herren [375] des Hofes hätten sich sozusagen dem Teufel verschrieben, wenn sie deren Rivalen hätten sein können.

Eines Tages plauderten wir, der Baron von Vitaux und ich, mit Herrn Le Grand, einem berühmten Pariser Arzt; er war gekommen, um den genannten Baron zu sehen, der infolge von Liebesaffären krank geworden war. Wir fragten ihn über verschiedene Weibergeschichten aus und er erzählte uns tolle Sachen. Wir hatten uns so in das Gespräch vertieft, daß es neun Uhr schlug und er sich von seinem Stuhl erhob. »Wahrlich,« sagte er, »ich bin recht töricht, mich hier von Ihnen zwei gute Stunden mit Plaudern aufhalten zu lassen, und inzwischen habe ich sechs oder sieben Kranke vergessen, die ich besuchen muß.« Damit verabschiedete er sich; vorher aber sagten wir ihm noch: »Ja, ihr Herren Ärzte versteht die Sache, und besonders Sie, mein Herr scheinen ein Meister zu sein.« Er erwiderte, den Kopf senkend: »Ja, ja, wir verstehen uns darauf, denn wir kennen Geheimnisse, die kein andrer weiß. Aber jetzt, wo ich alt bin, habe ich der Venus und ihrem Sohne Valet gesagt. Das überlaß' ich nun euch Jungen.«

Eine andre Art Leute gibt es, die die Mädchen verführen, und das sind die Lehrer. Indem sie ihnen Stunden geben und allein mit ihnen im Zimmer sind, haben sie die schönste Gelegenheit, und durch Geschichten, Fabeln usw. können sie die Mädchen leicht in Hitze bringen. Man kann sich denken, daß sie dann die Gelegenheit beim Schöpfe nehmen.

Ich kannte ein Mädchen aus gutem und großem Hause, das dadurch korrumpiert wurde, weil sie ihren Lehrer die Geschichte oder vielmehr die Fabel von Tiresias erzählen hörte. Dieser hatte beiden Geschlechtern gedient und wurde deshalb von Jupiter und Juno befragt, wer bei dem Opfer der Venus den meisten Genuß habe: der Mann oder das Weib. Er behauptete gegen die Meinung der Juno, es sei das Weib. Darüber ward sie ärgerlich und beraubte ihn des Augenlichts. Es ist nicht zu verwundern, daß das junge Mädchen darüber erstaunte; denn sie hatte von [376] Freundinnen gehört, daß die Männer so eifrig hinter der Liebe her sind und so großen Genuß davon haben; dann mußte dies, nach dem Urteil des Tiresias, bei den Frauen noch mehr der Fall sein; folglich, hieß es, müßte man es einmal versuchen. Wahrlich, solche Lektionen sollte man den Mädchen nicht geben! Gibt es denn nicht andre? Aber die Lehrer sagen, die Mädchen wollten alles wissen, und wenn sie beim Unterricht auf Stellen oder Geschichten stoßen, die der Erklärung benötigen, dann muß man sie eben erklären, und gründlich, ohne das Blatt umzuwenden. Und wollten sie die Stelle übergehen und sagen, sie wäre zu schlüpfrig, dann werden die Mädchen erst recht neugierig und drängen auf Erklärung. Denn es ist eben ihre Natur, das Verbotene zu wünschen und das hören zu wollen, was man ihnen nicht sagen will. – Wie viele Mädchen haben ihre Tugend verloren durch die Lektüre der obigen Geschichte, sowie durch die von Biblis, von Caunus und andern ähnlichen aus den »Metamorphosen« des Ovid, oder seiner »Ars amandi« (»Kunst zu lieben«). Dazu kommen eine Menge lasziver Geschichten und Worte andrer Dichter der Franzosen, Lateiner, Griechen, Italiener, Spanier! So sagt auch ein spanischer Vers: »De una mula que haze hin, y de una hija que habla latin, libera nos, Domine!« Wurde nicht sogar der Heilige Augustin beim Lesen des vierten Buches der Aeneïde, das von der Liebe und dem Tode der Dido handelt, von Weh und Mitleid ergriffen? Ich möchte ebensoviel Hunderte von Talern besitzen, wie es Mädchen gibt, die durch die Lektüre des »Amadis von Gallien« sich der Wollust ergaben. Man kann sich denken, was griechische, lateinische und andre Bücher angerichtet haben, die den Mädchen von den Lehrern, diesen lasterhaften und schlauen Füchsen, erläutert und in der Heimlichkeit des Zimmers gelesen wurden.

[377] In der Lebensbeschreibung des Heiligen Ludwig, in der Geschichte des Paulus Ämilius, liest man von einer Margarethe, Gräfin von Flandern, Schwester Johannas, der Tochter Baudouins L, griechischen Kaisers, daß man ihr in ihrer ersten Jugend einen Lehrer Namens Guillaume gab. Er war ein frommer Mann, was ihn nicht hinderte, seiner Schülerin zwei Kinder zu machen, und zwar so geheim, daß wenige Leute es merkten. Sie empfingen die Namen Johann und Baudouin und wurden später vom Papst legitim gesprochen. Ein netter Pädagoge und ein netter Urteilsspruch! Man sehe die Geschichte.

Ich kannte eine große Dame bei Hofe, die in dem Rufe stand, mit ihrem Vorleser und Lehrer ein Verhältnis zu haben, so daß Chicot, der Hofnarr des Königs, ihr das einst öffentlich vor Seiner Majestät zum Vorwurf machte; auch viele andre Personen des Hofes fragten sie, ob sie sich nicht schäme, sich von einem so häßlichen und widerlichen Menschen wie dieser aushalten zu lassen (diesen Ausdruck gebrauchten sie) und warum sie sich nicht einen hübscheren wähle. Die ganze Gesellschaft lachte und die Dame begann zu weinen; sie glaubte, der König habe ihr diesen Streich gespielt, denn er trieb gern einmal sein Spiel. Andre große Damen und Fürstinnen habe ich gekannt, die alle Tage in ihrem Kabinett schreiben ließen, nur um mit ihren Sekretären schön zu tun, und wenn sie nichts zu schreiben harten, dann ließen sie sich vorlesen, weil es, wie sie sagten, ihre Augen angriffe, selbst zu lesen.

Frauen, die sich solche Leute aussuchen, sind tadelnswert, denn sie haben die freie Wahl. Aber die armen Mädchen, die von Eltern, Verwandten und Lehrern abhängen, müssen nehmen, was ihnen vor die Hände kommt, und so bedienen sie sich denn oft ihrer Kammerdiener, Schulmeister, ihrer Musik- und Tanzlehrer, ja sogar der Priester und Mönche, wovon Boccaccio und die Königin von Navarra Beispiele erzählen. Auch die Pagen, Lakaien, Komödianten verderben die Mädchen, ebenso die Dichter, welche Mädchen, [378] Frauen und Witwen verführen. Auch die Advokaten sind sehr gefährlich.

Boccaccio sagt, daß die Mädchen in der Liebe beständiger sind als die Frauen und Witwen. Sie gleichen, nach ihm, Leuten, die sich auf einem untergehenden Schiff befinden. Diejenigen, die nicht schwimmen können, ergreifen die erste beste Planke und halten sie fest, bis Hilfe kommt. Die andern, die schwimmen können, werfen sich mutig ins Wasser und schwimmen, bis sie das Ufer erreicht haben. So auch die Mädchen: wenn sie einen Anbeter gewonnen haben, halten sie ihn fest, während die Frauen und Witwen, die in der Liebe erfahren sind und alle Listen kennen, bequem und ohne Gefahr in jedem Wasser schwimmen und nehmen, was ihnen gefällt. Und sind sie eines Liebhabers überdrüssig oder verlieren sie ihn, dann nehmen sie sofort einen neuen oder auch zwei. Außerdem besitzen die armen Mädchen die Mittel nicht, um sich jeden Tag einen neuen Liebhaber zu kaufen. Alles, was sie geben können, sind höchstens ein paar Locken oder kleine Perlen, oder Armbänder, kleine Ringe oder Schärpen, oder kleine Geschenke, die nichts kosten. Ja, wenn sie auch aus noch so reichem Hause wären, so werden sie doch kurz gehalten, während die Frauen über ihre Mittel frei verfügen, wenn sie solche besitzen. Schlimmsten Falles würden sie das Hemd hergeben, nur damit sie von jener Frucht kosten können.

Wie es nun verschiedene Holzarten gibt, von denen die einen im jungen und frischen Zustande brennen, z.B. die Esche und die Buche u.a., so brennen andre besser, wenn sie alt und trocken sind, wie die Ulme, Weide etc. So verhält es sich auch mit den Mädchen, Frauen und Witwen: Die einen brennen in jugendlichem Alter leicht und gut, gleichsam als ob sie aus dem Mutterleibe die Liebesglut mitbrächten, so wie die schöne Laïs von der schönen Tymandra, ihrer Mutter, gleich als Freudenmädchen geboren wurde, und viele tausend andre. Schon ehe sie das Alter [379] der Reife erlangen, die etwa im zwölften oder dreizehnten Jahre eintritt, regt sich in ihnen die Liebe. So erging es vor einiger Zeit zu Paris der Tochter eines Pastetenbäckers, die im Alter von neun Jahren schwanger wurde. Sie fühlte sich unwohl, und der hinzugezogene Arzt konstatierte den Fall. »Wie?« rief der Vater, »mein Herr, das Kind ist erst neun Jahre alt!« – Wer war erstaunt? Der Arzt. Dann sagte er: »Ja, das ist nun aber einerlei; sie ist eben schwanger!« Und die Untersuchung bestätigte es. Als sie dann noch bekannt hatte, mit wem sie sich abgegeben, wurde ihr Galan zum Tode verurteilt, weil er sie in so zartem Alter benutzt und geschwängert hatte. – Es tut mir leid, daß ich dieses Beispiel anführen mußte, zumal es von einer Persönlichkeit niedern Standes handelt und ich mein Papier nicht mit so niedrigen Leuten verschwenden will, sondern sonst nur von Großen und Hochstehenden rede.

Ich bin ein wenig von meinem Thema abgeschweift, aber da diese Geschichte selten ist, wird man mich entschuldigen. Auch weiß ich, daß solche Wunder ebenfalls bei unsern großen Damen vorgekommen sind, die im Alter von neun, zehn, zwölf und dreizehn Jahren sehr gut den Mann vertragen haben, sei es in der Fornicato, sei es in der Ehe. Ich könnte mehrere Beispiele solcher Entjungferungen im Kindesalter anführen, wobei die Betreffenden nicht vor Weh, sondern eher vor Wonne ohnmächtig wurden.

Hierbei entsinne ich mich der Geschichte von einem wackern Herrn, der sich eines Tages über den Umfang der Natur bei den Mädchen und Frauen beklagte, mit denen er zu tun gehabt. Er sagte, am Ende würde er gezwungen sein, kindliche Mädchen zu suchen, um nicht das Gefühl zu haben, als ob er auf weitem, offenem Meere segle, sondern um mit mehr Vergnügen in einer hübschen Meerenge hinzusteuern. Wenn er seine Worte an eine große, mir bekannte Dame gerichtet hätte, so würde sie ihm dieselbe Antwort gegeben haben wie einem gewissen Edelmann, der sich ihr ähnlich äußerte, nämlich: »Ich weiß nicht, wer sich am [380] meisten zu beklagen hat: ihr Männer über unsre Weite, oder wir Frauen über eure Kleinheit. Denn wir könnten uns ebenso gut über euch beschweren. Würden eure Maße unserm Kaliber entsprechen, so hätten wir einander nichts vorzuwerfen«.

Die Dame hatte vollkommen recht. – Eine vornehme Frau, die eines Tages bei Hofe war, betrachtete jenen großen Herkules aus Bronze an dem Springbrunnen zu Fontainebleau. Da sagte sie zu einem Edelmann, der sie am Arm führte, dieser Herkules wäre ja ein vortreffliches Werk und alle Glieder wären schön gebildet, nur das mittelste sei im Verhältnis zu klein. Der Edelmann antwortete ihr: Das ist richtig, aber zu jener Zeit waren die Damen auch noch nicht so weit gebaut wie heutzutage.

Eine sehr große Dame und Fürstin hatte erfahren, daß man einer großen und dicken Feldkanone ihren Namen gegeben hatte. Sie fragte, warum und erhielt zur Antwort: »Deshalb, Madame, weil sie das größte Kaliber hat.«

Aber ich bin wieder ein wenig abgeschweift; da es jedoch mit zur Sache gehört, schadet es wohl nichts. Ich kehre jetzt auf meinen vorigen Weg zurück.

Manche Mädchen gibt es nun, die ihre zarte Jugend erst verstreichen lassen und ihre größere Reife abwarten, sei es, daß ihre Natur im Anfang kälter ist, was vorkommt, [381] oder sei es, daß sie im Zügel gehalten werden, was bei manchen sehr nötig ist. Denn wie das spanische Sprichwort sagt: »viñas y niñas son muy malas á guardar«, (Weinberge und Mädchen sind sehr schwer zu hüten). Andre wieder sind ganz unbeweglich, so daß nichts sie erregen kann. Wieder andre sind so dumm, einfältig, täppisch und stumpf, daß sie nicht einmal das Wort Liebe hören mögen. So weiß ich von einer sehr sittenstrengen Frau, die sofort in Ohnmacht fiel, als sie einmal von einer »Hure« sprechen hörte. Als man diese Geschichte einem Herrn in Gegenwart seiner Frau erzählte, sagte er: »Diese Dame dürfte nicht zu uns kommen; denn wird sie schon ohnmächtig, wenn sie nur von einer Hurehört, dann muß sie hier ja auf der Stelle sterben, wenn sie eine sieht

Es gibt jedoch auch Mädchen, die, wenn sich ihr Herz nur erst ein wenig zu regen beginnt, so zahm werden, daß sie aus der Hand fressen. Andre wieder sind so fromm und gewissenhaft und fürchten die Gebote Gottes derartig, daß sie die Gebote der Liebe weit von sich weisen. Ich habe jedoch unter diesen frommen Paternosterheldinnen und Kirchenstammgästen viele gesehen, die ihre Glut unter der Heuchelei verbargen, damit die Welt nichts merke und sie für so prüde halte, wie die heilige Katharina von Siena. Aber sie haben oft die Welt getäuscht, wie jene große Königin, die nun gestorben ist. Wenn diese eine Liebesgeschichte anknüpfen wollte (und sie war der Sache sehr ergeben), begann sie stets zuerst, von der Liebe Gottes zu reden und kam bei der Gelegenheit auf die weltliche Liebe zu sprechen, zu deren Ausübung sie dann vorging. So täuschen die frommen oder vielmehr bigotten Frauen uns, das heißt diejenigen, die harmlos sind und das Leben jener Damen nicht kennen.

Ich hörte eine Geschichte, von der ich nicht weiß, ob sie wahr ist. In einem dieser Jahre fand nämlich in einer gewissen Stadt eine große Prozession statt, wobei sich eine Frau einfand, die barfuß und in großer Zerknirschung als [382] Bettlerin auftrat. Es war zur Fastenzeit. Danach ging sie mit ihrem Liebsten speisen und verzehrte mit ihm ein Lammsviertel und einen Schinken. Der Duft des Bratens drang bis auf die Straße; man stieg herauf und fand die Frau bei der Schmauserei. Sie wurde festgenommen und dazu verurteilt, mit ihrem Lammsviertel am Bratspieß über der Schulter und den Schinken um den Hals gehängt durch die Stadt geführt zu werden. War das nicht eine ganz gerechte Strafe?

Wieder andre Damen sind stolz und hochmütig und weisen die Männer und ihre Liebeswerbungen weit von sich, Aber bei diesen bedarf es nur der Geduld und Beharrlichkeit, und mit der Zeit hat man sie gedemütigt; was dann ein besonderer Triumph ist, diejenige unter sich zu sehen, die anfänglich so hochfahrend war. Grade von den Hochmütigen habe ich manche gesehen, die nachher sogar Männer ganz niedren Standes geheiratet haben. So spielt Amor mit ihnen und straft sie für ihren Dünkel; ja, es macht ihm besondern Spaß, grade sie anzugreifen, denn der Sieg über solche Frauen ist glorreich.

Ich kannte einst bei Hofe ein Mädchen von so hochmütigem und geringschätzigem Wesen, daß sie jedem Mann, der ihr von Liebe sprechen wollte, mit ihrer scharfen Zunge so stolze und arrogante Antworten gab, daß er das Wiederkommen vergaß. Endlich aber ereilte sie die Strafe: sie wurde von der Liebe ergriffen und gab sich einem Manne hin, der sie einige zwanzig Tage vor ihrer Hochzeit schwängerte. Und grade dieser Mensch konnte sich garnicht mit andern Herren vergleichen, die ihr gehuldigt hatten. In dem Falle konnte man mit Horaz sagen: Sic placet Veneri, »so gefällt es der Venus«, und dies war eins von ihren Wundern.

Mir kam einst bei Hofe die Laune, einem schönen Mädchen aus sehr gutem Hause zu huldigen, das jedoch sehr hochmütig war; ich aber war vollständig in sie verliebt. Da beschloß ich, ebenso anmaßend mit ihr zu reden, wie sie mit mir sprach; denn wie man in den Wald ruft, [383] so schallt es wieder. Indem ich sie so behandelte, vergaß ich aber nicht, sie außerordentlich zu loben, denn nichts erweicht das Frauenherz mehr als das Lob sowohl ihrer Schönheit und Vollkommenheit wie auch ihrer Überlegenheit. Ich sagte ihr also, ihr Wesen stände ihr sehr gut, denn sie hätte nichts Gewöhnliches an sich, und eine Dame, die sich nicht zurückhielte und nicht einen gewissen Hochmut zeige, verdiene garnicht, umworben zu werden. Deshalb ehrte ich sie um so mehr, und ich würde sie niemals anders als »mein Ruhm« nennen. Das gefiel ihr so, daß sie mich »ihren Stolz« nannte.

In dieser Weise fortfahrend, huldigte ich ihr lange. Und ich darf mich rühmen, daß ich ebensoviel, ja mehr Huld von ihr genoß, als irgend ein großer Herr des Hofes, der sie begehrte. Aber ein Günstling des Königs, freilich ein sehr schätzbarer Edelmann, raubte sie mir und heiratete sie auf Vermittlung des Königs. Trotzdem bestand diese Art Verhältnis zwischen uns beiden, solange sie lebte, und ich habe sie stets verehrt. Ich weiß nicht, ob man mich tadeln wird, diese Geschichte erzählt zu haben; denn es ist nicht hübsch, von sich zu reden. Aber diesmal habe ich mich dazu verleiten lassen, während ich in diesem Buche mehrere Geschichten von mir in verschiedener Einkleidung erzählt habe, ohne meinen Namen zu nennen.

Nun gibt es noch andre Mädchen, die so lustiger Natur sind, daß sie nichts weiter im Kopfe haben als zu lachen, zu scherzen und Tollheiten zu treiben. Ich kannte manche, die viel lieber einer Violine lauschten, oder tanzten und sprangen, als Liebesworte anhörten; manche liebten auch die Jagd, so daß man sie eher Dienerinnen der Diana als der Venus nennen konnte. Ich kannte einen Herrn, den die Liebe zu einem Mädchen, die eine große Dame wurde, zur Verzweiflung brachte. »Denn,« sagte er, »wenn ich ihr meine Leidenschaft erklären will, spricht sie mir nur von der Jagd und von ihren Hunden. Ja, da wünsche ich oft, in einen Jagdhund verwandelt zu sein, in dessen Leib, nach [384] der Lehre des Pythagoras, meine Seele überginge. Dann würde sie meine Liebe schätzen, und meine Wunde wäre geheilt« Später aber gab er sie doch auf, denn er war weder ein guter Diener noch ein guter Jäger und konnte ihr nicht überall folgen, wohin ihre Launen und Tollheiten sie trieben.

Aber um zu Ende zu kommen: es gibt wohl kaum Mädchen, Frauen oder Witwen, die nicht früher oder später alle in Liebe erglühen, sei es in oder außer ihrer Jahreszeit, gleichwie das Holz aller Bäume brennt, außer dem Lärchenbaum, dem die Frauen in keiner Weise gleichen.

Das ist nämlich ein Baum, der niemals brennt, und weder Feuer noch Kohle hergibt, was Julius Cäsar einst erfuhr. Auf seiner Rückkehr aus Gallien forderte er von den Einwohnern Piemonts Lebensmittel und die Errichtung von Etappen auf seinem großen Lagerzuge. Die Leute gehorchten ihm, außer den Bewohnern eines Schlosses mit Namen Larignum, die sich so rebellisch zeigten, daß Cäsar sie belagern mußte. Als er sich dieser Festung näherte, sah er, daß sie nur aus Holz erbaut war, worüber er sich lustig machte und sagte, die würde er bald einnehmen. Sogleich befahl er, Holz und Stroh herbeizuschaffen und Feuer anzulegen. Dieses loderte in so riesiger Flamme auf, daß er die baldige Zerstörung der Festung erwartete. Als aber das Feuer erloschen war, bemächtigte sich aller das größte Erstaunen, denn sie stand noch völlig unversehrt da. Nun griff er zu einem andern Mittel, indem er die Festung untergraben ließ, was zur Folge hatte, daß die Insassen sich ergaben. Von ihnen erfuhr Cäsar die Eigenschaft dieses Lärchenbaums (larix), woher das Schloß seinen Namen Larignum hatte, denn aus diesem Holze war es erbaut.

Viele Eltern und Gatten möchten gewiß, daß die Tugend ihrer Töchter oder Ehefrauen diesem Holze gliche. Aber das ist doch wohl nicht notwendig, denn dann würde die Welt entvölkert werden, und man hätte kein Vergnügen mehr darin. Die Natur wäre unvollkommen, während sie [385] jetzt von der größten Vollkommenheit ist, und wenn wir ihr folgen wie einem guten Feldherrn, werden wir nie den rechten Weg verfehlen.

3. Artikel
Dritter Artikel.

Von der Liebe der Witwen.


So, das wäre genug von den Mädchen geredet; nun müssen wir auch von den Witwen sprechen.

Die Liebe der Witwen ist gut, bequem und einträglich, denn sie genießen ihre volle Freiheit, sind nicht die Sklaven ihrer Väter, Mütter, Brüder, Verwandten und Gatten, und sind auch nicht, was mehr sagen will, der Justiz unterworfen. Wenn man mit einer Witwe der Liebe pflegt, so wird man nicht dafür bestraft wie bei den Mädchen und Frauen. Auch die Römer, von denen die Mehrzahl der Gesetze stammt, die wir besitzen, haben für sie in diesem Punkt keine Strafen, weder am Leibe noch am Vermögen aufgestellt Ich habe dies von einem großen Rechtsgelehrten, der mir dafür Papinian anführte, diesen ebenfalls großen Rechtsgelehrten. Nach römischem Recht ist eine Witwe nur dann strafbar, wenn sie sich während ihres Trauerjahrs wieder verheiratet, oder wenn sie, nicht wieder vermählt, nach dem elften Monat desselben ein Kind bekommt Das erste Jahr ihrer Witwenschaft soll eben der Ehre ihres ersten Bettes gewidmet bleiben. Auch Heliogabel stellte das Gesetz auf, daß die Witwe sich nicht in dem Jahre nach dem Tode ihres Gatten wieder verheirate, damit sie Muße habe, ihn ein Jahr lang zu betrauern und sorgfältig über die Wahl eines neuen Gatten nachzudenken. Was für ein Einfall! Das ist mir ein netter Rechtsspruch.

Hiernach müssen die römischen Damen gute Zeit zur Liebe gehabt haben, und man braucht sich nicht zu wundern, [386] wenn eine zur Zeit des Marc-Aurel beim Leichenbegängnis ihres Gatten mitten unter ihren Tränen und Klagen die Hand des Mannes, der sie führte, fest drückte, zum Zeichen, daß er sie nach Ablauf des Trauerjahres heiraten könne. Diese Dame sah sich also bei Zeiten vor.

Den römischen Witwen ging es, wie man sieht, gut, wie auch heute noch den französischen. Diese verlieren, wenn sich ihr Herz nach neuer Liebe sehnt, nichts von ihren Rechten, obwohl bei den Parlamenten manchmal darüber Prozesse geführt wurden. So kenne ich einen großen und reichen Herrn von Frankreich, der seine Schwägerin lange Zeit wegen ihrer Mitgift prozessieren ließ, indem er ihr ein ausschweifendes Leben vorwarf und ein noch größeres Vergehen dazu. Trotzdem gewann sie den Prozeß, und der Schwager mußte ihr eine sehr gute Mitgift geben und ihr auszahlen, was ihr gehörte. Nur die Verfügung über ihren Sohn und ihre Tochter war ihr verweigert, da die Richter und großen Senatoren des Parlaments den Witwen die Vormundschaft über ihre Kinder nicht gestatten. Und doch sah ich vor nicht langer Zeit vornehme Witwen die Vormundschaft über ihre unmündigen Töchter gegenüber ihren Schwägern und andern Verwandten behaupten; sie wurden aber sehr durch die Gunst des Fürsten unterstützt, der sie aushielt. Es gibt eben kein Gesetz, das ein schöner Cunnus nicht umstößt. Aber von diesem Gegenstand will ich nicht reden; es ist nicht meine Sache; ich überlasse das den großen Gesetzgebern.

Von unsern Witwen nun treten manche gern wieder in die Ehe, so wie die Seeleute, wenn sie auch mehrere Schiffbrüche durchgemacht haben, doch wieder aufs Meer zurückkehren, oder wie die verheirateten Frauen, die, wenn sie auch in den Geburtswehen sich verschwören, keinen Mann wieder zuzulassen, doch dem ersten Anstoß wieder unterliegen. So ließ eine spanische Dame in Kindesnöten der Madonna von Mont-Sarrat eine Kerze weihen, was eine große Hilfe bei der Geburt gewähren soll. Trotzdem hatte [387] sie große Schmerzen auszustehen und sie schwor, niemals wieder der Liebe zu unterliegen. Sie war aber kaum niedergekommen, als sie zu der Frau, die die brennende Kerze hielt, sagte: »Serra esto cabillo de candela para otra vez.« (»Hebe den Rest der Kerze für ein andermal auf.«)

Andre wollen nicht wieder heiraten, und von diesen gibt es manche, die, im besten Lebensalter zur Witwe geworden, Witwe bleiben. So blieb die Königin-Mutter, die im Alter von 37 bis 38 Jahren Witwe wurde, unvermählt, und trotz ihrer Schönheit und Liebenswürdigkeit dachte sie niemals an eine zweite Ehe. Man wird mir sagen können: Welcher Mann hätte auch dem großen König Heinrich, ihrem verstorbenen Gemahl, an Größe gleichen können. Dennoch aber macht die Liebe alles andre vergessen. Sie ist jedoch zu loben, und ihr Gedächtnis muß im Tempel des Ruhmes und der Unsterblichkeit aufbewahrt bleiben, da sie sich so beherrscht und überwunden hat, und es nicht so machte wie jene verwitwete Königin, die sich nicht halten konnte und ihren Hausmeister heiratete, der sich Herr von Rabaudange nannte. Dies fand ihr Sohn, der König, anfangs sehr unrecht; aber da sie seine Mutter war, so entschuldigte er den Herrn Rabaudange wegen dieser Heirat Am Tage und vor der Welt bediente er sie immer noch als Hausmeister, um ihre Größe und Majestät nicht zu verletzen; aber des Nachts diente er ihr, wie sie es begehrte. Denn eine Frau mag noch so groß sein, dem Recht der Natur muß sie doch unterliegen. Ich habe dies von dem großen Kardinal von Lothringen, der es zu Poissy dem König Franz II. erzählte, als er die achtzehn Ritter des Sankt Michel-Ordens ernannte, eine sehr große Zahl, wie man sie noch nie gesehen hatte.

Aber lassen wir diese Art Witwen und sprechen wir von klügeren.

Unsre Königin von Frankreich Donna Isabella von Austria, Gattin des Königs Karl IX., war eine der besten, sanftesten, klügsten und tugendhaftesten Königinnen, die je regierten. Ich darf das sagen, ohne andern Unrecht zu tun. Sie war [388] eine sehr schone Fürstin, und die Farbe ihres Antlitzes war so zart und reizend wie die irgend einer Hofdame. Auch ihre Figur war schön, wenn auch von mittlerer Größe. Sie war tugendhaft und gutmütig, so daß sie niemals jemanden mit einem Worte kränkte; dazu war sie sehr bedacht und redete nur wenig und stets in ihrer spanischen Muttersprache.

Sie war fromm, aber nicht bigott und zeigte ihre Frömmigkeit nicht durch äußerliche Handlungen und übertriebene Werktätigkeit, wie manche Paternosterheldinnen. Sie hielt ihre Gebetsstunde inne und erfüllte sie sehr gut, ohne noch andre Stunden dafür aufzuwenden. Von einigen ihrer Damen hörte ich freilich, daß sie öfter heimlich in ihrem Bett, hinter zugezogenen Vorhängen, im Hemd auf den Knien lag und eine Stunde und länger zu ihrem Gott betete und an ihre Brust schlug. Das hatte man aber erst bemerkt, als König Karl, ihr Gatte, tot war. Seitdem hielt sie es fast alle Abende so. Die Kammerfrau, die sie beobachtet hatte, und mit der sie sehr vertraut war, hielt ihr eines Tages vor, daß sie dadurch ihre Gesundheit schädige. Die Königin ward böse, daß man sie entdeckt hatte, wollte es in Abrede stellen und befahl, kein Wort davon verlauten zu lassen. Diesen Abend nahm sie Abstand davon, in der Nacht aber begann sie wieder damit, in der Meinung, unbeobachtet zu sein. Aber die Frau bemerkte es doch an dem Schatten des Lichts in ihrem Alkoven. In diesen Gebeten lag keine Scheinheiligkeit wie bei manchen andern, die vor der Welt als Heilige gelten wollen.

Man erzählte mir von guter Seite, daß eine ihrer vertrauteren Damen, in der Meinung sie zu trösten, einmal zu ihr sagte: »Wenn der König Ihnen, Madame, an Stelle einer Tochter wenigstens einen Sohn hinterlassen hätte, so wären Sie jetzt Königinmutter, und Ihre Herrschaft wäre gesichert« »O,« erwiderte sie, »sagen Sie mir nicht so etwas. Als ob Frankreich nicht bereits Unglück genug hätte und ich seinen Untergang vollenden sollte. Denn wenn ich einen Sohn besäße, würden über die Verwaltung und Vormundschaft [389] während seiner Kindheit und Minorität Spaltungen und Unruhen entstehen. Jeder würde dabei seinen Vorteil suchen und das arme Kind berauben, wie man bei meinem seligen Herrn Gemahl beabsichtigte, als er noch klein war, wenn nicht die Königin, seine Mutter und seine guten Diener sich dem widersetzt hätten. Wenn ich das Unglück gehabt hätte, einen Sohn zu besitzen, würde ich die Verwünschungen des Volkes auf mich geladen haben, dessen Stimme Gottes Stimme ist Deshalb preise ich Gott und freue mich der Frucht, die er mir gegeben, sei es nun zu meinem Heil oder Unheil.«

So gut meinte es diese Fürstin mit ihrem Lande. Ich hörte erzählen, daß sie bei dem Gemetzel von Saint-Barthélemy, wovon sie gar keine Ahnung hatte, sich in gewohnter Weise zur Ruhe legte. Morgens beim Erwachen erfuhr sie die schreckliche Nachricht »Um Gotteswillen,« rief sie, »weiß es mein Gemahl, der König?« – »Ja, Madame,« erhielt sie zur Antwort, »er hat es angestiftet« – »O, mein Gott!« rief sie aus, »was bedeutet das? Wer hat ihm diesen Rat gegeben? Vater im Himmel, vergib ihm, wenn auch diese Tat schwer zu verzeihen ist!« Und mit Tränen in den Augen wandte sie sich zum Gebet.

Man beachte die Güte und Weisheit dieser Königin, die diese Tat nicht guthieß, obgleich sie Grund hatte, den Tod des Herrn Admirals und die völlige Austilgung seiner Glaubensgenossen zu wünschen, die im Gegensatz zu ihrem Bekenntnis standen, das sie so hoch über alle Dinge der Welt schätzte. Anderseits sah sie, wie jene den Staat ihres Gemahls beunruhigten, und auch ihr Vater, der Kaiser, hatte ihr gesagt, als sie mit ihm nach Frankreich ging: »Meine Tochter, du wirst die Königin des schönsten und mächtigsten Reiches der Welt werden, und deshalb schätze ich dich glücklich. Aber noch glücklicher würdest du sein, wenn [390] du es ganz in dem blühenden Zustande von einst finden würdest; leider aber ist es innerlich zerrissen und geteilt, denn wenn auch der König, dein Gemahl, einen guten Teil davon in Händen hat, so haben andrerseits die Prinzen und die Herren der Reformation den andern Teil.« Und so, wie er gesagt, fand sie Frankreich in der Tat.

Als sie nun Witwe war, hegten manche der klarsehendsten Männer und Frauen am Hofe die Meinung, daß der König nach seiner Rückkehr von Polen sie heiraten würde, obgleich sie seine Schwägerin war. Mit Erlaubnis des Papstes hätte er es gekonnt, denn der Papst vermag in solchen Dingen viel, besonders mit Rücksicht auf die Großen im Interesse des öffentlichen Wohls. Es gab viele Gründe für diese Heirat, die ich bessern Rednern zu erörtern überlasse. Einer jedoch war, durch die Ehe die große Verpflichtung anzuerkennen, die der König dem Kaiser für seine Rückkehr aus Polen schuldete; denn wenn der Kaiser ihm ein Hindernis in den Weg gelegt hätte, so hätte er zweifellos Polen nie verlassen und in Sicherheit nach Frankreich kommen können. Die Polen wollten ihn zurückhalten, wenn er nicht ohne Abschied gegangen wäre. Denn die Deutschen lauerten von allen Seiten auf ihn (wie es dem tapfern König Richard von England bei seiner Rückkehr aus dem Heiligen Lande er ging, wie unsre Chroniken berichten), und sie würden ihn als Gefangenen zurückgehalten und Lösegeld gefordert haben. Denn die Deutschen zürnten ihm sehr wegen des Blutbades von St.-Barthélemy, wenigstens die protestantischen Fürsten. Ohne Umstände wendete er sich zu dem Bekenntnis des Kaisers, der ihn sehr liebenswürdig empfing und ihm viele Ehren und Vertraulichkeiten erwies, wie einem Bruder. Nachdem sie zwei Tage zusammen verbracht, gab er ihm sicherstes Geleite nach seinem Lande, so daß er über Kärnten und Venetien in sein Königreich gelangte.

Dadurch also war der König dem Kaiser verpflichtet und, wie gesagt, man hoffte durch jene Ehe eine noch [391] engere Verbindung. Aber als er sich nach Polen begab, sah er zu Blamont in Lothringen Fräulein von Vaudemont Louise von Lothringen, eine der schönsten und vollendetsten Prinzessinnen der Christenheit Auf sie hatte er sein Auge geworfen, und während seiner ganzen Reise nährte er die Leidenschaft zu ihr. Bei seiner Rückkehr sandte er daher zu Lyon Herrn du Gua, einen seiner größten Günstlinge (der es verdiente zu sein), nach Lothringen, wo dieser die Ehe zwischen den Brüdern leicht zum Abschluß brachte.

Um noch einmal zu unsrer kleinen Königin zurückzukehren: Der Aufenthalt in Frankreich wurde ihr verleidet, weil sie dort nicht nach Verdienst gewürdigt wurde, und so beschloß sie, den Rest ihrer schönen Tage bei ihren Eltern, dem Kaiser und der Kaiserin zu verbringen. Während sie sich hier aufhielt, wurde der katholische König Witwer von der Königin Anna von Österreich, der leiblichen Schwester unsrer Königin Elisabeth; diese wünschte er zu heiraten und er sandte an die Kaiserin, die eigene Schwester des katholischen Königs, die Bitte, die Werbung zu vermitteln. Sie aber wollte nichts davon hören, obwohl ihre Mutter, die Kaiserin, ihr dreimal davon sprach; sie entschuldigte sich mit dem Andenken an den verstorbenen König, ihren Gemahl, das sie durch eine zweite Ehe nicht verletzen wolle; auch wies sie auf die zu nahe Blutsverwandtschaft zwischen ihnen beiden hin. So beschlossen denn die Kaiserin und ihr Bruder der König, ihr durch einen sehr gelehrten und beredten Jesuiten zureden zu lassen, der auch sein Möglichstes tat und alle Bibelstellen zu Hilfe nahm, die seinem Zwecke dienen konnten. Sie aber widerlegte ihn durch ebenso viele Stellen, denn seit ihrer Witwenschaft hatte sie sich viel mit der Heiligen Schrift beschäftigt Ihr Entschluß stand so fest, das Andenken ihres Gatten durch keine zweite Ehe zu verletzen, daß der Herr Jesuit, durch Briefe des Königs von Spanien zur Eile gemahnt, unverrichteter Sache dorthin zurückkehrte, unbefriedigt von der entschiedenen Antwort der genannten [392] Prinzessin. Diese, die keine Zeit mit weiteren Antworten verlieren wollte, sagte ihm schließlich sehr strenge Worte und drohte ihm sogar, ihn in der Küche auspeitschen zu lassen. Ich weiß nicht, ob es wahr ist, aber als er zum drittenmal kam, soll säe von der Drohung zur Tat geschritten sein. Ich glaube es jedoch nicht, denn sie liebte die Leute vom heiligen Leben viel zu sehr.

Von solcher Standhaftigkeit war diese tugendhafte Königin; bis zum Ende ihrer Tage hat sie das Angedenken ihres Gatten geehrt, und als der Quell ihrer Tränen versiegt war, erlag sie dem Schmerz und starb schon im Alter von 35 Jahren, was ein unschätzbarer Verlust war, denn sie hätte den Frauen der gesamten Christenheit noch lange als Spiegel der Tugend dienen können.

Bewies sie nun solche Liebe und Treue ihrem Gemahl, so zeigte sie nicht mindere gegenüber der Königin von Navarra, ihrer Schwägerin. Sie wußte, daß diese in großem Mangel zurückgezogen in einem Schloß der Auvergne, fast von allen verlassen, lebte und teilte doch mit ihr wie mit einer Schwester die Hälfte ihres Leibgedings, das sie in Frankreich bezog; so daß man sagte, jene große Königin würde ohne die Güte ihrer Schwägerin sehr zu leiden gehabt haben. Sie war ihr auch sehr dankbar dafür, und ehrte und liebte sie so, daß sie ihren Tod kaum ertragen konnte und zwanzig Tage nach diesem das Bett hütete, sie beständig beweinend. Auch später noch hat die Königin sie betrauert und stets die schönsten Worte für ihr Andenken gehabt. Sie (Elisabeth) soll auch zwei Bücher veröffentlicht haben, das eine frommen Inhalts, das andre über die Ereignisse in Frankreich während ihres dortigen Aufenthalts. Ich weiß nicht, ob es wahr ist, aber man will das Buch in den Händen der Königin von Navarra gesehen haben, das sie ihr vor ihrem Tode zugesandt habe. Sie legte viel Wert darauf und nannte es etwas sehr Schönes. Da eine Frau wie die Königin es sagte, darf man es glauben.

[393] Das wollte ich im großen ganzen von unsrer guten Königin Elisabeth sagen, von ihrer Güte, ihrer Tugend und ihrer beständigen Liebe zu ihrem Gemahl. Von Herrn von Lansac, der in Spanien war, als sie starb, hörte ich, die Kaiserin habe gesagt: »El mejor de nosotros es muerto«. Es scheint, sie habe in ihren Tugenden ihre Mutter, ihre Großtanten und Tanten nachahmen wollen. Denn die Kaiserin, ihre Mutter, die schön war und in jungen Jahren Witwe wurde, wollte nie wieder heiraten. Nach dem Tode ihres Gatten verließ sie Österreich und Deutschland und suchte ihren Bruder in Spanien auf, der sie gebeten hatte, zu ihm zu kommen und ihm bei seinen Geschäften zu helfen; denn sie ist eine sehr kluge und begabte Fürstin. Später nahm sie ihren letzten Aufenthalt in einer Gesellschaft religiöser Frauen, die Descalzadas genannt wurden, weil sie keine Fußbekleidung trugen. Ihre Schwester, die Prinzessin von Spanien, hatte diesen Orden gegründet.

Diese Prinzessin von Spanien ist eine sehr schöne, majestätische Frau gewesen. Sie hätte auch sonst keine Spanierin sein müssen, denn besonders bei diesen ist die Majestät stets von Anmut begleitet. Ich genoß die Ehre, sie auf meiner Reise von Portugal nach Spanien zu sehen und vertraut mit ihr zu sprechen. Als ich das erste Mal unsrer Königin Elisabeth von Frankreich meine Aufwartung machte und mit ihr sprach, fragte sie mich nach Neuigkeiten aus Frankreich und Portugal, und man teilte der Königin mit, daß die Frau Prinzessin käme. Da sagte sie zu mir: »Bleiben Sie da, Herrn von Bourdeille, Sie werden eine schöne Fürstin sehen, die ihnen gefallen muß. Sie wird sich auch sehr freuen, Sie zu sehen und sich bei Ihnen nach ihrem Sohn, dem König erkundigen, da Sie ihn gesehen haben.« Darauf erschien die Frau Prinzessin und ich fand sie sehr schön; sie trug eine spanische Haube aus weißem [394] Crepe, tief ins Gesicht gerückt, ganz als Witwe nach spanischer Mode gekleidet, denn sie trug fast täglich Seide. Ich war ganz in ihren Anblick versunken, als die Königin mich anrief und sagte, die Frau Prinzessin wünsche von mir Nachrichten über ihren Sohn. Daraufhin näherte ich mich ihr und küßte nach spanischer Sitte ihr Kleid, und sie plauderte liebenswürdig und vertraulich mit mir über ihren Sohn. Es war damals die Rede von einer Heirat zwischen ihm und Margarete von Frankreich, Schwester des Königs, jetziger Königin von Navarra. Ich erzählte ihr viel, denn ich sprach damals Spanisch ebenso gut oder noch besser als mein Französisch. Unter anderm fragte sie mich, ob ihr Sohn schön sei und wem er gliche. Ich sagte ihr, er sei einer der schönsten Prinzen der Christenheit; was auch Tatsache war, und daß er in jeder Beziehung ihr ähnlich sei; er wäre das vollkommene Spiegelbild ihrer Schönheit Darüber errötete sie leicht, was bewies, daß ihr meine Worte gefallen hatten. Nachdem wir lange miteinander gesprochen, wurde die Königin zum Souper abgeholt und die Schwestern trennten sich. Da sagte mir die Königin (die zum Fenster hinausgesehen, uns aber zugehört hatte) lächelnd: »Sie haben ihr großes Vergnügen bereitet, indem Sie sagten, ihr Sohn sähe ihr ähnlich.« Dann fragte sie mich, ob sie nicht wirklich eine ganz reizende Frau sei. »Ich glaube,« sagte sie, »sie wünscht lebhaft, den König, meinen Bruder, zu heiraten, und mir wäre es recht.« Das teilte ich dann der Königinmutter mit, als ich wieder bei Hofe war, der sich damals zu Arles in der Provence aufhielt. Aber sie sagte mir, sie sei bereits zu sehr gealtert, und sie könne ihre Mutter sein. Ich teilte ihr ferner mit, was man mir in Spanien gesagt und daß ich es von guter Seite hätte: sie wäre ent schlossen, nie wieder zu heiraten, wenn nicht den König von Frankreich, oder sich ganz von der Welt zurückzuziehen. Und in der Tat, diese hohe Partie bildete sie sich so fest ein, daß sie dazu gelangen oder den Rest ihrer Tage in dem Kloster verbringen wollte, [395] an dem sie bereits bauen ließ. Sie lebte lange in dieser Hoffnung und ertrug ihre Witwenschaft, bis sie von der Heirat des Königs mit ihrer Nichte hörte. Da sie ihre Hoffnung gescheitert sah, sprach sie ungefähr folgende Worte: »Aunque la nieta sea por su verano mos moza, y menos cargada de años que la tia, la hermosura de la tia, ya en su estio, toda hecha y formada por sus gentiles y fructiferos años, vale mos que todos los frutos que su edad florescida da esperanza á venir; porque la menor desdicha humana los hará caer y perder ni mas ni menos que algunos arboles, los quales, en el verano, por sus lindos y blancos flores nos prometen linda fruta en el estio, y el menor viento que acade los lleva y abate, no quedando que las hojas. Ea! dunque pasase todo con la voluntad de Dios, con el qual desde agora me voy, no con otro, para siempre jamas, en casar:« »Obwohl die Nichte in ihrem Lenze jünger als die Tante ist, so ist doch die Schönheit der Tante, die in ihrem Sommer steht, der fruchtreiche Jahre verheißt, mehr wert als alle Früchte, die ihr Alter, das jetzt in Blüte steht, verspricht Denn das geringste menschliche Mißgeschick läßt sie abfallen, gleichwie bei manchen Bäumen im schönen Lenze, deren schöne weiße Blüten uns gute Früchte für den Sommer versprechen. Es braucht eben nur ein kleiner böser Wind zu kommen, der sie entführt, und es bleiben nur Blätter. Doch gehe alles nach dem Willen Gottes, dem allein und keinem andern ich von Stunde an mich vermähle.« Und wie sie gesagt, so tat sie. Sie führte ein so heiliges, weltfernes Leben, daß sie den Damen, großen wie kleinen, ein nachahmenswertes Beispiel gab.

Ihre Tante, die Königin Marie von Ungarn, tat desgleichen, aber in hohem Alter: sie zog sich von der Well zurück und half dem Kaiser, ihrem Bruder, Gott zu dienen. Ihr Gatte, König Ludwig, starb jung in einer Schlacht gegen die Türken. Er hatte sie hauptsächlich infolge der hartnäckigen Zureden eines Kardinals unternommen, der ihn [396] sehr beherrschte und ihm sagte: er dürfe weder der Macht Gottes noch der Gerechtigkeit seiner Sache mißtrauen; denn wenn er sozusagen nur zehntausend Ungarn habe, die gute Christen und Streiter Gottes wären, so würde er hunderttausend Türken schlagen. Auf diese Weise trieb und hetzte er ihn an, bis er die Schlacht verlor. Auf seinem Rückzuge geriet er in einen Sumpf und erstickte.

Ähnlich erging es dem letzten Könige von Portugal Sebastian, der sich mit zu geringen Streitkräften gegen die Mauren wagte, die dreimal stärker waren als er, und zwar auf Antreiben seitens der Jesuiten, die ihm sagten, der allmächtige Gott könne mit einem Blick seines Auges die ganze Welt zerschmettern, was ja ein sehr wahres Wort ist Aber man soll die Größe Gottes nicht versuchen, denn er hat Geheimnisse, die wir nicht kennen. Manche sagen, die gedachten Jesuiten hätten aus Überzeugung gesprochen, was man wohl glauben darf; andre aber behaupten, sie wären vom König von Spanien angestiftet worden, um so den jungen, feurigen und mutigen König ins Verderben zu führen. Sicher ist, daß so etwas Leuten passiert, die die Waffen führen wollen, aber das Handwerk nicht verstehen.

Deshalb sagte auch der große Herzog von Guise, als er von seiner italienischen Unternehmung sehr enttäuscht zurückkahm: »Ich liebe zwar gewiß die Kirche Gottes, aber ich werde niemals einen Eroberungszug unternehmen auf das Wort eines Priesters hin.« Damit meinte er den Papst Caraffa, genannt Paul der Vierte, der seine Versprechungen nicht gehalten hatte, oder auch den Herrn Kardinal, seinen Bruder, der in Vermittlerrolle nach Rom gegangen war und dann seinen Bruder in leichtfertiger Weise zu dem Zuge angetrieben hatte. – Ich habe diese Abschweifung gemacht, weil der Gegenstand sie darbot.

Aber kehren wir zu unsrer Königin Marie zurück. Nach soviel Unglück ihres Gemahls blieb sie in jungen Jahren Witwe und war sehr schön, wie auch ihre Bilder, die ich sah, nichts Häßliches zeigen, höchstens daß ihr [397] Mund, nach österreichischer Art, etwas groß und vorstehend war, doch soll dies nicht ein Erbteil des Hauses Österreich, sondern vielmehr Burgunds sein. So hörte ich von einer Hofdame der damaligen Zeit erzählen, daß einst die Königin Alienor durch Dijon kam und in dem Kloster der Chartreusen die Grabmäler ihrer Ahnen, der Herzöge von Burgund, besuchte und sie öffnen ließ, wie das manche Könige mit den Grabmälern ihrer Vorfahren getan. Einige der Leichname waren gut erhalten, so daß sie unter andern Gesichtszugen auch die Form des Mundes erkennen konnte. Da rief sie aus: »Ah, ich dachte, wir hätten unsern Mund aus dem Hause Österreich, aber wie ich sehe, stammt er von Marie von Burgund, unsrer Ahnfrau, und andern burgundischen Herzögen. Wenn ich meinen Bruder den Kaiser sehe, will ich es ihm mitteilen.« Die betreffende Dame, die das hörte, sagte, der gedachten Königin hätte dies Freude gemacht, und mit Recht; denn das Haus Burgund galt sicher so viel wie das Haus Österreich, denn es stammte von einem Sohn Frankreichs, Philipp dem Kühnen.

Unsre Königin Marie von Ungarn war also sehr hübsch und liebenswürdig, wenngleich ein wenig männlich; aber für die Liebe und für den Krieg, der ihre Hauptbeschäftigung war, zeigte sie nicht wenig Geschick. Ihrem Bruder, dem Kaiser half sie bei seinen Regierungsgeschäften. Freilich besaß er ja seinen Bruder, den König Ferdinand von Rom, aber dieser hatte genug mit dem Sultan Soliman zu tun. Dem Kaiser lagen auch die Angelegenheiten in Italien ob, das damals in großer Aufregung war; mit Deutschland stand es auch nicht besser, wegen der Türken, ebenso mit Ungarn, mit Spanien (als der Aufstand unter Herrn de Chièvres ausbrach); ferner hatte er zu tun mit Indien, den Niederlanden, der Berberei, mit Frankreich, und dies war die größte Last von allen; kurz, er war mit der halben Welt beschäftigt. Seine Schwester, die er über alles liebte, machte [398] er zur Hauptverwalterin von ganz Niederland, das sie dreiundzwanzig Jahre verwaltete, und ich weiß nicht, was ohne sie aus den Niederlanden geworden wäre. Während der Kaiser selbst in Flandern war, vertraute er ihr alle Geschäfte in seinen dortigen Besitzungen. Der Rat wurde unter ihrer Leitung abgehalten, und sie erstattete ihm Bericht, wenn er dort nicht anwesend war. Sie war in den Kriegen oft persönlich tätig, stets zu Pferde wie eine edle Amazone.

Sie war es auch, die zuerst die großen Feuersbrünste in unserm Frankreich entzündete und schöne Häuser und Schlösser in Asche legte, wie das von Follambray, das reizende Jagdschloß unsrer Könige. Darüber war der König so erbittert, daß er nach einiger Zeit an ihrem schönen Hause zu Bains Rache nahm, das als ein Wunderwerk geschätzt wurde und mit den sieben Weltwundern des Altertums wetteifern konnte. Dort gab sie dem Kaiser Karl und seinem Hofe glänzende Feste, als sein Sohn König Philipp, von Spanien nach Flandern reiste, um ihn zu besuchen. Die Pracht dieser Feste war so groß, daß man damals nur von den fiestas de Bains sprach, wie die Spanier sagten. Man hatte niemals etwas Schöneres und Großartigeres gesehen, selbst die prachtvollen Kampfspiele der Römer mit ihren Gladiatoren und wilden Tieren wurden dadurch übertroffen; denn die Feste von Bains waren schöner, lustiger und abwechslungsreicher.

Ich möchte sie gern hier beschreiben, wie ich sie in einem spanischen Buche fand, aber man könnte mir zu werte Abschweifung vorwerfen. Ich will nur das Eine erwähnen: Es war eine große Festung aus Ziegeln gebaut worden, die von sechstausend Mann Fußvolk belagert und verteidigt wurde. Es wurde bei Angriff und Verteidigung aus dreißig Kanonen gefeuert, ganz in kriegerischer Weise, und die Belagerung dauerte drei und einen halben Tag. Es fanden Kämpfe zwischen Kavallerie und Infanterie statt, geleitet vom Fürsten von Piemont, kurz, alles wurde wie [399] im Kriege gehandhabt, und es machte dem Kaiser großes Vergnügen.

Er rühmte sehr die Pracht und den Aufwand, besonders auch den in seinem Zimmer. Dort befand sich ein Tapetenwerk, das in großem Maßstabe, und alles in Gold, Silber und Seide die großen Kriegstaten darstellte, die er vollbracht, nicht zu vergessen die Verjagung Solimans vor Wien und die Gefangennahme des Königs Franz. Kurz, hier war alles köstlich und auserlesen.

Aber leider schwand bald darauf all die Pracht dieses Hauses dahin, denn es wurde »von Grund aus zerstört und geplündert Ich hörte, daß seine Herrin, als sie von diesem Zerstörungswerk vernahm, in lange nicht zu beschwichtigenden Zorn geriet Und eines Tages, als sie in die Gegend kam, betrachtete sie die Ruinen mit Tränen im Auge und schwor, ganz Frankreich solle es bereuen und sie würde nicht eher froh, als bis das schöne Fontainebleau, das so hoch gerühmt wurde, dem Erdboden gleichgemacht sei. Und in der Tat, sie ließ die arme Pikardie ihre Wut und Rache durch Feuerflammen fühlen. Ich glaube, wenn der Waffenstillstand nicht eingetreten wäre, so wäre ihre Rache fürchterlich geworden; denn sie hatte ein starkes und hartes Herz, und man hielt sie für gar zu grausam. Aber es ist die Natur der Frauen« besonders der großen, eine Beleidigung schnell zu rächen. Vom Kaiser wurde sie dafür desto mehr geliebt.

Nachdem die Königin von Ungarn ihre Verwaltung niedergelegt, blieb bei dem König Philipp keine große Prinzessin außer der Herzogin von Lothringen, Christiane von Dänemark, seine leibliche Cousine, später Ihre Hoheit genannt, die ihm gute Gesellschaft leistete. Sie gehörte nach meiner Meinung zu den schönsten und vollendetsten Fürstinnen, die ich gesehen. Ihr Gesicht war hübsch und liebenswürdig, ihre Figur groß, ihre Rede sehr schön und ihre Kleidung ganz vorzüglich. Hierin gab sie damals den Damen von Frankreich ein Muster. Haartracht, Kopfputz und Schleier wurden nach ihr à la Lorraine (nach lothringischer [400] Mode) benannt. Besonders besaß sie wunderschöne Hände. Sie hielt sich sehr gut und anmutig zu Pferde. – Als sie verheiratet war, besuchte sie oftmals Flandern, wie ich von Frau von Fontaines hörte. Als sie Witwe geworden und sie auch ihren Sohn verloren, verließ sie Lothringen mit Schmerz und nahm bei ihrem Onkel, dem Kaiser, und ihren Tanten, den Königinnen, Aufenthalt. –

Ich will noch ein paar Worte über die schönen Witwen sagen, nämlich von der Madame Blanche von Montferrat, aus einem der ältesten Häuser Italiens, die Herzogin von Savoyen war. Sie war es, die den kleinen König Karl VIII. so ehrenvoll empfing, als er sein Königreich Neapel betrat; besonders in Turin bereitete sie ihm einen prächtigen Empfang. Sie trug eine herrliche Goldrobe, besetzt mit großen Diamanten, Rubinen, Saphiren, Smaragden etc., dazu ein Halsband von großen orientalischen Perlen und ebensolche Armbänder. Sie ritt einen schönen weißen, prachtvoll geharnischten Zelter, geführt von sechs goldgewandeten Lakaien. Sie war begleitet von einer großen Schar Damen, reich und reizend nach piemontesischer Mode gekleidet; ihnen folgte ein großer Trupp Ritter und Edelleute des Landes. So trat sie in die Stadt ein und hinter ihr König Karl unter einem kostbaren Baldachin, und führte ihn zu dem Schlosse, wo er wohnte. Dort stellte Frau von Savoyen ihm am Schloßtor ihren jungen Sohn vor und hielt ihm eine schöne Ansprache, wofür der König von Herzen dankte. Überall in der Stadt sah man das Wappen von Frankreich und von Savoyen, durch ein Band der Liebe vereinigt, das die Worte trug: Sanguinus arctus amor. So liest man in der Chronik von Savoyen.

[401] Ich horte von manchen, die sie gesehen, und auch von der Madame Seneschall von Poitou, meiner Großmutter, die damals Hofdame war, daß man zu der Zeit nur von der Schönheit und Klugkeit dieser Fürstin sprach; besonders der König war entzückt von ihr.

Auch ohne ihre Schönheit hatte er Grund, sie zu lieben, denn sie unterstützte ihn mit allen Mitteln und entäußerte sich all ihrer Edelsteine, Perlen und Kleinodien, um ihm gefällig zu sein, was große Anerkennung verdient; denn die Damen geben meistens lieber eine Kostbarkeit ihres Körpers hin, als ihre Kleinodien, Ringe und Juwelen. Ich meine einige, nicht alle. Ohne diese Aufmerksamkeit und die der Marquise von Montferrat, einer ebenfalls sehr achtbaren und schönen Dame, wäre es ihm auf einer Reise, die er ohne Geld unternahm, schlecht ergangen, noch schlimmer als einem gewissen Bischof von Frankreich, der zum Konzil von Trient ging ohne Geld und ohne Latein. Das heißt wahrlich, sich ohne Proviant einschiffen!

Bei jener Einzugsfeier trug sich diese Fürstin für eine Witwe wohl etwas zu prächtig gekleidet. Damals genossen die Witwen aber solche Freiheiten, während es heute verboten ist, und sie nur Schwarz und Weiß tragen dürfen; ihre Unterröcke und Strümpfe dürfen grau, lohfarbig, violett und blau sein. Manche sah ich auch, die sich unterfingen, rot, rosa und chamois zu tragen, wie in vergangenen Zeiten: denn bei der Unterkleidung durften sie alle Farben verwenden, nur nicht bei der Robe.

Diese Herzogin durfte wohl jenes Gewand aus Goldstoff tragen, denn es war das Abzeichen ihrer Herzogswürde. Aber lassen wir jetzt diese ausländische Witwe und sprechen wir von unsrer Königin-Witwe Loyse von Lothringen, der Gemahlin des jüngst verstorbenen Königs Heinrich.

Diese Fürstin verdient hohes Lob; denn in ihrer Ehe mit dem König benahm sie sich gesetzt, keusch und tadellos, obgleich ihr Gemahl, nach Art der Großen, manchmal die [402] Abwechslung suchte. Ja, gleich im Anfang ihrer Ehe, das heißt schon zehn Tage nach der Hochzeit, kränkte er sie, indem er ihr alle ihre Kammermädchen und Fräuleins nahm, die sie schon als junges Mädchen bei sich gehabt hatte. Das tat ihr sehr leid, besonders wegen des Fräuleins von Changy, einer schönen und achtbaren jungen Dame. Es ist ja auch schmerzlich, eine gute Freundin und Vertraute zu verlieren. – Eine ihrer vertrauteren Damen war eines Tages so anmaßend, ihr lachend und im Scherz zu raten, sich, da sie vom König aus gewissen Gründen keine Kinder bekommen konnte, andrer geheimer Hilfe zu bedienen. Aber das nahm sie sehr übel auf, denn sie wollte ihre Macht lieber auf ihre Tugend und Keuschheit als auf eine dem Laster entsprungene Nachkommenschaft gründen. Dieser Rat wäre jedoch, nach der Auffassung der Welt und der Lehre Machiavellis, nicht zu verwerfen gewesen.

Man sagt, daß die Königin Maria von England, dritte Gemahlin König Ludwigs XII., andrer Meinung war. Denn unzufrieden mit der Schwäche ihres Gatten, nahm sie den Grafen von Angoulême zu Hilfe, der später König Franz wurde. Diese Fürstin befolgte das spanische Sprichwort: »nunca mujer aguda murió sin herederos« – »Eine geschickte Frau stirbt nie ohne Erben.« –

Madame von Guise, Katharine von Cleve, eine der drei Töchter von Nevers, hat stets das Andenken an ihren Gatten geehrt. Aber was für ein Mann war das auch! Er war einfach unvergleichlich. So nannte sie ihn auch in Briefen an einige vertraute Damen und zeigte durch ihre Worte, von welcher Trauer ihre Seele erfüllt war.

Ihre Schwägerin, Madame von Montpensier, betrauerte ebenfalls tief ihren Gatten, und obwohl sie noch sehr jung und an Leib und Seele schön und liebenswürdig war, dachte sie nie daran, sich wieder zu vermählen.

Manche Damen und Herren wunderten sich oft darüber, daß die Prinzessin von Condé aus dem Hause von Longueville nicht wieder heiraten wollte, da sie doch eine der [403] schönsten Frauen Frankreichs war und in jungen Jahren Witwe wurde.

Ihre Mutter, die Marquise von Rothelin, handelte ebenso und starb, so schön sie auch gewesen war, als Witwe. Sicher, die Mutter wie die Tochter konnten mit ihren schönen Augen ein ganzes Königreich in Flammen setzen. Bei Hofe und im Lande galten ihre Augen als entzückend. Viele haben sich wohl an ihrer Glut entzündet, aber sich diesen Frauen mit einer Ehewerbung nähern, davon konnte keine Rede sein. Beide hielten ihren verstorbenen Gatten Treue und heirateten nicht wieder.

Ich käme nie zu Ende, wenn ich alle Fürstinnen unsrer Höfe unter diesem Gesichtspunkt anführen wollte; deshalb wende ich mich nun zu einigen Damen, die, wenn sie auch keine Fürstinnen, doch ebenfalls von vornehmer Abstammung waren und eine ebenso edle Seele besaßen, wie jene.

Frau von Randan, genannt Fulvia Mirandola, aus dem Hause Admiranda, war sehr schön und ward in der Blüte ihrer Jahre Witwe. Sie betrauerte ihren Verlust so tief, daß sie nie wieder in den Spiegel sah und dein glänzenden Kristall ihr schönes Antlitz, das er so sehr zu sehen begehrte, vorenthielt. Sie konnte nicht sagen, wie jene Dame, die ihren Spiegel zerbrach und ihn der Venus weihte, mit den lateinischen Versen:


Dico tibi Veneri speculum, quia cernere talem

Qualis sum nolo, qualis eram nequeo.


»Dir, Venus, weihe ich meinen Spiegel, denn so wie ich bin, mag ich mich nicht mehr sehen; und so, wie ich einst war, kann ich mich nicht mehr sehen.«

Madame von Randan verschmähte ihren Spiegel nicht aus diesem Grunde, denn sie war sehr schön, sondern wegen eines Gelübdes, das sie dem Schatten ihres Gemahls geleistet, der zu den vollendetsten Edelleuten Frankreichs gehörte, und um dessenwillen sie aller Weltlichkeit entsagte. Stets trug sie streng ihren Witwenschleier und ließ nie ihr Haar sehen. Herr von Guise nannte sie stets die Nonne, [404] aber er sagte es lachend und wenn er mit ihr scherzte; denn er liebte und ehrte sie hoch, wie sie denn auch ihm und seinem Hause sehr zugetan war.

Madame von Carnavalet weigerte sich, zum zweiten Mal Witwe, eine dritte Ehe zu schließen, und zwar mit Herrn von Espernon, damals genannt Herr de la Vallette der Jüngere; er war in die schöne Witwe so verliebt, daß er drei- oder viermal den König zu seinem Fürsprecher machte. Aber sie lehnte ab. Ihr erster Gatte war der Graf von Montravel, ihr zweiter Herr von Carnavalet gewesen. Und als ihre vertrauteste Freundin, und auch ich, der ich sie sehr verehrte, ihren Fehler vorhielt, eine so große Partie auszuschlagen, da La Vallette ein großer Günstling des Königs war, der ihn wie sein andres Selbst behandelte, erwiderte sie: Ihr Glück läge nicht in all den hohen Vorteilen dieser Verbindung, sondern in ihrem Entschluß und ihrer vollen Freiheit, sowie in dem Angedenken ihrer beiden Gatten, deren Zahl ihr genügt habe.

Madame de Bourdeille, aus dem alten und berühmten Hause von Montbron und den Grafschaften von Périgord und Aunay, wurde im Alter von 37–38 Jahren Witwe. Sie war sehr schön (und ich glaube, daß in Guyenne, woher sie stammte, sie zu ihrer Zeit von niemand an Schönheit und Anmut übertroffen wurde; denn sie besaß eine prächtige Gestalt und war schön an Leib und Seele). Da sie als Witwe in noch so schönem Alter stand, wurde sie von drei reichen Herren zur Gattin begehrt, aber sie antwortete allen: »Ich will nicht, wie viele andre Damen, mich verschwören, nie wieder zu heiraten, aber ich sage, wenn Gott mir keine andern Wünsche eingibt, als wie ich jetzt hege, so will ich mich nur mit Gott vermählen.« – Darauf erwiderte man ihr: »Aber, Madame, wollen Sie denn in der Blüte Ihrer Jahre sich im Feuer verzehren?« – »Ich weiß nicht, wie Sie das meinen,« entgegnete sie, »aber bis jetzt ist es mir noch nicht möglich gewesen, mich allein in meinem kalten Ehebett zu erhitzen. Freilich will ich nicht [405] leugnen, daß ich mit einem zweiten Gatten wieder brennen könnte, wie Sie sagen. Da aber die Kälte leichter zu ertragen ist als die Hitze, so bin ich entschlossen, einer zweiten Ehe zu entsagen.« Und wie sie versprochen, so hat sie es gehalten: sie ist als Witwe gestorben.

Einer ihrer Bewerber war Herr d'Estrozze, aber so hoch er auch bei der Königin-Mutter in Gunst stand, sie lehnte ihn doch in ehrenvoller Weise ab. Immerhin, welch eine Laune, als schöne und reiche Erbin den Rest der Tage auf dem einsamen Pfühl des Witwenbettes zu verbringen! Wie wenige Frauen gleichen einer solchen, aber es gibt auch andre, die ihr ähneln. Wenn ich alle anführen wollte, käme ich nicht zu Ende, und wollte ich den christlichen Frauen heidnische anreihen, so würde ich an jene schöne Römerin Martia erinnern, die ältere Tochter Catos von Utica, Schwester der Portia. Als man diese, die beständig um ihren Gatten trauerte, befragte, wann der letzte Tag ihrer Trauer gekommen sei, antwortete sie: »Wenn der letzte Tag meines Lebens gekommen ist.« Da sie sehr reich war, fragte man sie, wann sie sich wieder vermählen würde. Darauf entgegnete sie: »Dann, wenn ich einen Mann finde, der mich nicht wegen meiner Güter, sondern um meiner Tugenden willen begehrt.« Und wahrlich, sie mußte tugendhaft sein, sonst wäre sie nicht die Tochter Catos und die Schwester der Portia gewesen.

Der heilige Hieronymus spendet in einem Kapitel über eine gewisse Principia, eine Jungfrau, einer römischen Dame seiner Zeit Namens Marcella hohes Lob. Sie wurde, aus gutem Hause stammend, in sehr jungem Alter Witwe, und sowohl wegen ihrer Jugend wie wegen der Ehrwürdigkeit ihres Hauses stark umworben, nicht minder aber wegen ihrer schönen Gestalt, die ganz besonders den Wunsch der Männer erregte (mit diesen Worten drückt sich der heilige Hieronymus aus. Man beachte, was er bemerkt!) Unter den Freiern befand sich einer Namens Cerealis, ein großer und reicher Römer, ebenfalls aus Konsulsstamme. Da er [406] schon etwas im Alter vorgeschritten war, versprach er ihr zum voraus große Güter und Geschenke. Auch ihre Mutter, die Albina hieß, redete ihr zu, aber sie entgegnete: »Wenn ich Lust hätte, mich wieder in den See zu stürzen, und wieder die Bande einer Ehe auf mich zu nehmen, statt mich einer zweiten Keuschheit zu weihen, würde ich lieber einen Gatten nehmen als eine Erbschaft.« Da der Liebhaber glaubte, sie sage das seines hohen Alters wegen, antwortete er ihr: Die Alten könnten lange leben und die Jungen bald sterben. Sie aber entgegnete: »Ja, gewiß, ein Junger kann bald sterben; aber ein Greis kann nicht lange leben.« Dieses Wortes halber gab er sie auf. Ich finde den Ausspruch dieser Frau sehr klug, ebenso wie ihren Entschluß und den der Martia, und schätze diese höher als ihre Schwester Portia, die nach dem Tode ihres Gatten nicht länger leben wollte und sich den Tod gab. Als man alle Gegenstände beseitigt hatte, womit sie sich töten konnte, verschlang sie glühende Kohlen und verbrannte sich damit die Eingeweide, indem sie sagte, einer mutigen Frau könne es nicht an Mitteln fehlen, sich den Tod zu geben. Martial spricht davon in einem sehr schönen Epigramme. Diese Frau habe (nach einigen Philosophen und auch nach Aristoteles, wo er in seiner Ästhetik vom Mut und der Stärke spricht) in jener Tat weder Mut noch Seelengröße gezeigt, ebensowenig wie andre, die Gleiches getan, wie ihr Gatte. Denn um einem großen Übel zu entrinnen, stürzen solche sich in ein geringeres. So viel ist sicher, jene Frau hätte besser getan ihre Tage auf die Trauer um ihren Gatten anzuwenden und seinen Tod zu rächen, statt sich selbst den Tod zu geben, der zu garnichts dient. So hörte ich diese Frau von manchen tadeln. Was mich betrifft, so kann ich sie jedoch nur loben, wie alle Witwen, die ihre Gatten im Leben und im Tode lieben. Auch der heilige Paulus spendet solchen Witwen im Sinne seines großen Lehrers hohes Lob. Freilich sagen manche, daß die schönen und jungen Witwen zu grausam gegen sich und die Natur sind, wenn sie nicht wieder von [407] der süßen Frucht einer zweiten Ehe kosten wollen, die das göttliche und menschliche Gesetz ihnen gestatten, und wenn sie sich enthalten, wegen eines eigensinnigen Gelübdes, das sie dem Schatten ihres Gemahls abgelegt, der auf den Elyseischen Gefilden herumirrend, sich nicht mehr darum kümmert, ja, vielleicht ihrer spottet. Sie sollten sich die schönen Vorhaltungen zu Herzen nehmen, die Anna ihrer Schwester Dido im vierten Buch der Aneïde sagt, und sich nicht zu sehr dem Gelübde der Witwenschaft unterwerfen.

Doch genug von den enthaltsamen Witwen. Sprechen wir jetzt von den andern, die sich wieder nach dem sanften und heitern Gotte Hymen sehnen. Unter diesen gibt es manche, die schon bei Lebzeiten ihres Gatten so heiß in ihre Anbeter verliebt sind, daß sie sich mit ihnen schon zum voraus ins Einverständnis setzen. »Ach,« sagen sie, »wenn mein Gatte tot wäre, dann wollten wir dies und jenes treiben. O, dann wollten wir ein Leben führen. Wir gingen nach Paris, an den Hof. Wir würden uns schon so einrichten, daß uns nichts schaden kann: Sie würden dieser den Hof machen und ich jenem. Wir würden dies und jenes vom Könige haben. Wir würden unsern Kindern Vormünder verschaffen. Und an Geld und Mitteln würde es uns auch nicht fehlen. Kurz, wer könnte glücklicher sein als wir?«

So beschließen diese verheirateten Frauen mit ihren Liebhabern vor der Zeit. Manche von ihnen wünschen den Gatten den Tod nur in Gedanken, andre aber helfen ihnen nach, das Jenseits zu gewinnen, worüber ja genug Prozesse an unsern Gerichtshöfen vorkommen. Aber das Beste ist, daß sie es nicht machen wie jene spanische Dame, die, von ihrem Gatten mißhandelt, ihn tötete und darauf sich selbst. Auf dem Tisch ihres Zimmers fand man folgende von ihrer Hand geschriebenen Zeilen:


Aqui yaze qui a buscado una muger,

Y con ella casado, no l'ha podido hazer muger.

A las otras, no a mi, cerca mi, dava contentamiento.

[408]

Y por este, y su flaqueza y atrevimiento,

Yo lo he matado,

Por le dar pena de su pecado:

Ya my tan bien, por falta de my juyzio,

Y por dar fin á la mal-adventura qu'yo avió.


»Hier ruht Jener, der ein Weib suchte, sie aber nicht zur Frau machen konnte. Andern, aber nicht mir, gab er Befriedigung, und deshalb und wegen seiner Schwächlichkeit habe ich ihn getötet, um ihn für seine Sünde zu strafen. Auch mir habe ich den Tod gegeben, um meinem Mißgeschick ein Ende zu setzen.«


Diese Dame hieß Madalena de Soria, und sie tat ganz gut daran, ihren Gatten zu töten, war aber sehr töricht, sich selbst umzubringen. Sie hätte danach ein lustiges Leben führen sollen, aber freilich hatte sie die Justiz zu fürchten.

Andre Witwen sind vernünftiger und tugendhafter und lieben ihre Gatten mehr. Sie beweinen und beklagen sie so überschwänglich, daß man glauben sollte, sie würden in einer Stunde nicht mehr leben. – Aber oft ist ihr Schmerz nicht von langer Dauer.

Ich kannte eine sehr schöne Dame, die durch den Tod ihres Gatten in solche Verzweiflung gestürzt wurde, daß sie sich das Haar ausraufte und sich Gesicht und Brust zerschlug. Als man ihr vorwarf, welches Unrecht sie ihrem schönen Antlitz zugefügt, versetzte sie: »Ach Gott, was sagen Sie mir? Was soll ich denn mit meinem Gesicht machen? Für wen soll ich es denn schonen, da mein Gatte nicht mehr ist?« Acht Monate später schminkte sie sich mit spanischem Rot und Weiß und puderte ihr Haar. Das war eine große Änderung.

Hierfür könnte ich noch ein gutes Beispiel anführen, und zwar von der schönen Frau von Ephesus. Sie hatte ihren Gatten verloren, und es war ihren Verwandten und Freunden unmöglich, einen Trost für sie zu finden. Bei der Beerdigung ihres Mannes, die sie mit lauten Klagen und Tränen begleitete, warf sie sich über den Sarg und verschwor, hier im Grabgewölbe bei der Leiche ihres Gatten [409] sterben und ihn niemals verlassen zu wollen. In der Tat blieb sie zwei oder drei Tage in der Gruft Nun begab es sich, daß ein Mann aus der Stadt wegen eines Verbrechens gehenkt worden war und sein Leichnam am Galgen außerhalb der Stadt einige Tage lang sorgfältig von einigen Soldaten bewacht wurde, um als warnendes Beispiel zu dienen. Einer der wachhabenden Soldaten hörte nun in der Nähe eine wehklagende Stimme. Er ging darauf zu und entdeckte, daß sie aus der Totenhalle hervordrang; er ging hinein und gewahrte diese Dame, schön wie der Tag und ganz in Jammer aufgelöst. Er näherte sich ihr und fragte nach der Ursache ihrer Verzweiflung, die sie ihm in gütiger Weise erklärte. Er versuchte sie zu trösten, aber da es ihm das erste Mal nicht gelang, so kam er zwei- ja dreimal wieder. Nun half es; sie beruhigte sich nach und nach und trocknete ihre Tränen. Und da er nun den Grund ihres Kummers wußte, genoß er sie zweimal, und zwar auf dem Sarge ihres Gatten. Darauf versprachen sie einander die Ehe. Nachdem der Soldat diese Sache glücklich zustande gebracht, kehrte er zu seinem Gehängten zurück, den er bei Lebensstrafe nicht verlassen durfte. So glücklich nun dieses Unternehmen verlaufen war, so unglücklich gestaltete es sich für ihn, daß inzwischen, wo er sich mit der Dame ergötzte, die Verwandten des Gehängten gekommen waren in der Absicht, den Leichnam zu entwenden, falls sie keine Wache finden würden. Da die Wache nun wirklich abwesend war, schnitten sie den Körper sofort ab und machten sich schleunigst davon, um ihm ein ehrliches Begräbnis zu geben. Als der Soldat nun kam und den Leichnam vermißte, lief er verzweifelt zu seiner Dame und klagte ihr sein Mißgeschick. Er wäre nun verloren, denn ein Soldat, der auf Wache schläft oder den Leichnam des Verbrechers entwenden läßt, wird an dessen Stelle gehenkt, und das würde sein Los werden. Die Dame, die vorher von ihm getröstet worden war, glaubte nun auch ihm Trost zu schulden und sprach daher: »Beruhige dich, mein Lieber, [410] und hilf mir nur, meinen Gatten aus dem Grabe zu holen. Wir wollen ihn an die Stelle des andern hängen, und man wird glauben, es sei der Richtige.« Gesagt, getan! Nun war aber dem Verbrecher auch noch ein Ohr abgeschnitten worden, und so nahm die Frau an dem Gatten diese Verstümmelung ebenfalls vor, damit die Täuschung vollkommen sei. Am nächsten Tage kam das Gericht und fand nichts auszusetzen. So rettete die Frau ihren Liebhaber durch eine häßliche und schändliche Handlung an ihrem Gatten, sie, sage ich, nach deren verzweifelter Trauer man einen so schmählichen Ausgang nicht erwartet hätte.

Ich hörte diese Geschichte zum erstenmal von Herrn von Aurat, der sie dem wackern Herrn Du Gua und einigen andern, die wir bei ihm speisten, erzählte. Er merkte sich eine gute Geschichte sehr wohl und wußte sie hübsch anzuwenden. Als wir später das Gemach der Königin betraten, sah er eine schöne junge, eben erst verwitwete Frau, die, tief in den Witwenschleier gehüllt eine sehr trostlose Miene zur Schau trug. Sogleich sagte Herr Du Gua zu mir: »Siehst du die da? Bevor ein Jahr zu Ende ist, wird sie es machen wie die Frau von Ephesus.« Und so geschah es auch; freilich nicht in so schändlicher Weise, aber sie heiratete einen ganz geringen Mann, wie Herr Du Gua prophezeit hatte. Dasselbe erzählte mir Herr von Beau-Joyeux, ein Kammerherr der Königin-Mutter und der beste Geigenspieler der Christenheit. Er war nicht nur vollendet in seiner Kunst, sondern auch ein feiner Geist und wußte viele hübsche Geschichten, die er denn auch reichlich zum Besten gab. Er hatte manches schöne Liebesabenteuer gehabt, denn mit seiner vortrefflichen Kunst und seinem kühnen Geist, – zwei gute Werkzeuge für die Liebe – konnte er viel ausrichten. Der Marschall von Brissac hatte ihn mit seiner vorzüglichen vollständigen Violinkapelle von Piemont aus der regierenden Königin-Mutter gesandt. Damals hieß er Baltazarin; später änderte er seinen Namen. Er war es, der die schönen Ballets komponierte, die stets bei Hofe [411] getanzt wurden. Er war mit Herrn Du Gua und mir sehr befreundet und wir plauderten viel zusammen. Dabei erzählte er gern eine hübsche Geschichte, besonders von den Liebschaften und Listen der Damen, unter andern auch die von der Frau von Ephesus. Später las ich sie in den »Funérailles«, einem sehr schönen Buch, das dem Herrn von Savoyen gewidmet war.

Man könnte mir sagen: ich hätte diese Abschweifung nicht zu machen brauchen, aber ich wollte gern von meinem Freunde sprechen, der öfter, wenn er eine unsrer verzweifelten Witwen sah, zu sagen pflegte: »Die da wird eines Tages die Rolle der Frau von Ephesus spielen oder hat sie schon gespielt.« Ja, sicher, es war eine seltsame Tragikomödie, den Tod ihres Gatten so unmenschlich zu entweihen.

Anders verfuhr eine Dame unsrer Zeit Sie schnitt, als ihr Gatte gestorben war, ihm die mittleren Teile ab, die sie einst so sehr geliebt, balsamierte sie mit wohlriechenden Stoffen ein und barg sie dann in einer vergoldeten Silberbüchse, die sie wie ein Heiligtum hegte. Man kann sich denken, daß sie oft diese Büchse öffnete und sich dabei der schönen Zeiten von einst erinnerte. Ich weiß nicht, ob die Geschichte wahr ist, aber sie wurde dem König erzählt, und ich habe sie von ihm selbst gehört.

Bei dem Blutbade von Saint-Barthélemy wurde der Herr Pleuviau getötet, der seinerzeit in den Kriegen von Toscana unter Herrn von Soubise, sowie in den Bürgerkriegen ein tapferer Soldat gewesen war. In der Schlacht von Jarnac hatte er sich als Kommandant eines Regiments ausgezeichnet, ebenso bei der Belagerung von Niort. Einige Zeit danach sagte der Soldat, der ihn getötet hatte, zu dei schönen und reichen Witwe, die ganz in Tränen aufgelöst war, er würde auch sie töten, wenn sie ihn nicht heiraten wolle; denn zu jener Zeit regierten eben Mord und Totschlag. Die arme Frau war gezwungen, um ihr Leben zu retten, Hochzeit und Beerdigung zu gleicher Zeit zu halten. Und [412] dennoch ist sie entschuldbar; denn was hätte ein schwaches Weib anderes beginnen sollen, wenn sie sich nicht selbst den Tod geben oder ihre schöne Brust dem Degen des Mörders darbieten wollte? Aber


Le temps n'est plus, belle bergeronnette;


solche Törinnen wie einst gibt es nicht mehr, und zudem verbietet unser christliche Glaube den Selbstmord.

Bei demselben Gemetzel von Saint-Barthelémy verlor eine andre Frau ihren Gatten, und ihr Schmerz um ihn war so groß, daß sie, wenn sie zufällig einen armen Katholiken sah, der vielleicht garnicht einmal an dem Blutbade beteiligt gewesen, sie ihn nur mit Entsetzen und Abscheu sehen konnte. Auch von Paris wollte sie nichts sehen, – was sag' ich, – nicht einmal davon hören! Nach Verlauf von zwei Jahren beschloß sie aber, die gute Stadt dennoch zu besuchen. Als sie in ihrem Wagen durch die Rue de la Huchette kam, wo ihr Gatte getötet worden war, da hätte sie sich lieber ins Feuer gestürzt, statt durch diese Straße zu fahren; so wie die Schlange, die den Schatten der Esche so sehr verabscheut, sich lieber in das helle Feuer stürzt, wie Plinius sagt, statt in dem Schatten dieses Baumes zu weilen. Nach einiger Zeit hatte sie sich so gut an Paris gewöhnt, daß sie es nach allen Richtungen durchstreifte, und als ich eines Tages nach achtmonatlicher Abwesenheit von einer Reise an den Hof zurückkehrte und dem König meine Aufwartung machte, sah ich in den Saal des Louvre jene Wittwe treten, schön geschmückt und herausgeputzt, in Begleitung ihrer Verwandten und Freundinnen, um vor dem ganzen Hofe die ersten Weihen der Ehe, also die Verlobung, aus den Händen des Bischofs von Digne zu empfangen, des Groß-Almosenpflegers der Königin von Navarra. Mein Erstaunen war nicht gering, aber auch nicht minder das ihre, wie sie mir später sagte, mich unvermutet hier zu sehen. Denn ich mußte mich ihrer Schwüre und Versicherungen von einst erinnern, da ich um sie geworben hatte. Sie dachte, ich wäre absichtlich dort erschienen, um [413] als Zeuge und Richter aufzutreten, und sie sagte, sie hätte lieber zehntausend Taler hingegeben, als mich dort zu sehen.

Ich kannte eine hochgeborene Gräfin, die, verwitwet, und als überzeugte Hugenottin ein Eheversprechen mit einem achtbaren katholischen Edelmann einging. Zum Unglück aber wurde sie vor Abschluß der Ehe zu Paris von einem ansteckenden Fieber ergriffen, das ihren Tod herbeiführte. Voll Kummer und Verzweiflung rief sie aus: »Ach, gibt es denn in einer so großen Stadt, wo die Wissenschaft blüht, keinen Arzt, der mich heilt? Am Gelde soll es nicht fehlen; ich werde ihn reichlich bezahlen. Wenn doch wenigstens mein Tod nach unserer Vermählung erfolgt wäre, damit mein Gatte hätte erkennen können, wie sehr ich ihn liebe und ehre!« (Sophonisbe sprach anders, denn sie bereute, geheiratet zu haben, bevor sie das Gift trank.) Mit diesen und ähnlichen Worten verschied die Gräfin. Das nenne ich Liebesglut, sich mitten auf dem stygischen Fluß der Vergessenheit der Liebesfrüchte zu erinnern, und sie noch einmal kosten zu wollen, bevor man den Garten verläßt! –

Ich las in einem kleinen spanischen Buche, daß Vittoria Colonna, Tochter des großen Fabrizio Colonna und Gattin des großen Marchese von Pescara, dieses Musterbildes seiner Zeit, über den Tod ihres Gemahls so in Schmerz und Verzweiflung geriet, daß niemand sie trösten konnte. Sie sagte nur: »Worüber wollt ihr mich trösten? Über den Tod meines Gatten? Ihr täuscht euch; er ist nicht tot, denn er lebt in meiner Seele. Tag und Nacht fühle ich, wie er in mir aufs neue zum Leben kommt.« Diese Worte wären ja sehr schön gewesen, wenn sie nicht einige Zeit, nachdem er den Acheron überschritten, sich mit dem Abt von Farfa wiedervermählt hätte, der sicher dem großen Pescara nicht ebenbürtig war. Ich will nicht sagen, der Abstammung nach, denn er war aus dem edlen Hause der Ursino, das ebensoviel oder mehr gilt als das Haus Avalos. Aber in den Eigenschaften konnten sie einander nicht die Wage halten, denn diejenigen Pescaras waren unvergleichlich und [414] sein Wert unschätzbar. Freilich legte der genannte Abbé auch Zeugnis von dem Wert seiner Person im Dienste des Königs Franz ab, aber das waren doch Kleinigkeiten im Vergleich zu den ausgezeichneten Leistungen Pescaras. Auch mußte ja das Waffenhandwerk, das dieser seit seiner Jugend täglich geübt, dasjenige eines Kirchenmannes weit übertreffen, der sich diesem erst spät zugewandt Nicht daß ich damit das Verdienst solchen Männern absprechen wollte, die sich Gott und seiner Kirche widmeten und dann ihr Gelübde brachen, um die Waffen zu ergreifen; damit würde ich vielen großen Feldherren Unrecht tun, die ebenfalls früher Geistliche waren.

War noch Cesare Borgia, Herzog von Valentinois früher Kardinal gewesen und später ein so großer Feldherr geworden, daß Machiavelli, dieser verehrungswürdige Lehrer der Fürsten und Großen, ihn als ein nachahmenswertes Beispiel und einen Spiegel für andre seines Gleichen aufstellt. Wir hatten ferner den Herrn Marschall von Foix, der der Kirche angehörte und sich früher Protonotar von Foix nannte: er ist ein sehr großer Feldherr gewesen. Der Herr Marschall d'Estrozze hatte sich der Kirche geweiht, und er verließ wegen eines roten Hutes, der ihm verweigert wurde, sein geistliches Gewand und nahm die Waffen. Herr von Salvoison trug in seinem ersten Beruf die lange Robe, und doch – was für ein Feldherr ist er gewesen! Er wäre ein unvergleichlicher Held geworden, wenn er länger gelebt hätte. Und hat der Marschall von Bellegarde nicht das Priesterbarett getragen, als er lange Zeit der Propst von Ours hieß? Der verstorbene Herr von Anguien, der in der Schlacht bei Saint-Quintin fiel, war Bischof gewesen; [415] ebenfalls der Ritter von Bonnivet Auch der tapfre Herr von Martigues war Geistlicher gewesen; kurz, eine Menge andre, die ich hier nicht alle aufzählen kann. Auch muß ich meine eignen Verwandten erwähnen, und zwar mit gutem Grunde. Der Hauptmann Bourdeille, mein Bruder, einst in jeder Beziehung der Rodomonte von Piémont, war gleichfalls ein Mann der Kirche; aber da er hierin nicht seinen eigentlichen Beruf erkannte, vertauschte er sein langes Kleid mit dem kurzen und machte sich im Handumdrehen zu einem der wackersten Kapitäne von Piemont Er hätte es weit gebracht, wenn er nicht leider schon im Alter von 25 Jahren gestorben wäre.

Zu unsrer Zeit und an unserm Hofe haben wir ähnliche Männer gehabt, u.a. den kleinen Herrn von Clermont-Tallard, den ich als Abt von Bon-Port kannte; später gab er seine Abtei auf und wir sahen ihn in unsern Feldzügen und bei Hofe als einen der tapfersten und ehrenwertesten Männer, die wir je gehabt Als solcher erwies er sich auch bei seinem Tode, der ihn so glorreich bei La Roch eile ereilte, als wir das erste Mal den Festungsgraben betraten, ich könnte Tausende anführen, aber dann käme ich nicht zu Ende. Herr von Souillelas, genannt der junge Oraison, war Bischof von Riays gewesen; später führte er ein Regiment und diente treu und tapfer seinem Könige in Guienne, unter dem Marschall von Matignon.

[416] Kurz, ich käme nicht zu Ende, wenn ich alle diese Leute nennen wollte; so schweige ich denn der Kürze halber und damit man mir nicht den Vorwurf gar zu großer Abschweifungen mache. Diese jedoch bot sich dar, wo ich von Vittoria Colonna sprach, die jenen Abt geheiratet hat. Hätte sie sich nicht mit diesem vermählt, so würde sie den Namen Victoria besser verdient haben, da sie dann Siegerin über sich selbst geblieben wäre. Und da sie einen zweiten Mann, der ihrem ersten geglichen, nicht finden konnte, hätte sie sich genügen lassen sollen.

Ich kannte viele Damen, die dieser Frau nachahmten. Die Frau eines meiner Oheime, der einer der tapfersten und wertvollsten Männer seiner Zeit war, heiratete nach seinem Tode einen andern, der jenem glich, wie der Esel einem spanischen Roß.

Eine Witwe habe ich gekannt, die den Tod ihres Mannes in der verzweifeltsten Weise beklagte, so daß man glaubte, sie würde dem Jammer unterliegen. Nach Verlauf eines Jahres, als sie die große Trauer ablegen und die kleine tragen konnte, sagte sie zu einer ihrer Frauen: »Hebt mir diesen Trauerschleier gut auf, denn möglicherweise kann ich ihn noch einmal brauchen.« Aber gleich darauf verbesserte sie sich: »Was habe ich gesagt?« fragte sie. »Ich träumte wohl. Ich will ja lieber sterben, als den Schleier noch einmal anlegen.« Nach Ablauf der Trauerzeit heiratete sie wieder, und zwar einen ihrem ersten Gatten ganz unebenbürtigen Mann. »Aber,« sagten die Frauen, »er ist aus einem ebenso guten Hause.« »Ja, das gebe ich zu, aber wo ist sein Wert und seine Tugenden? Sind die nicht schätzbarer als alles andre?«

Valeria, eine Römerin, hatte ihren Gatten verloren, und als einige Freundinnen sie trösteten, sagte sie: »Er ist nur für euch tot; in mir aber lebt er ewig.« Ein ähnliches Wort, wie die erwähnte Marquise äußerte. Die Aussprüche dieser ehrenwerten Dame stehen aber im Widerspruch zu dem verleumderischen spanischen Sprichwort: [417] »que la Jornada de la biudez d'una muger es d'un dia.« »Die Witwenschaft einer Frau dauert nur einen Tag.« Die Gattin des Königsleutnants de Monnains, der zu Bordeaux umgebracht wurde, rief aus, als man ihr die Botschaft von seinem Tode brachte: »Oh! mein Diamant! Was ist daraus geworden?« Sie hatte ihn ihm bei der Vermählung gegeben, und er war damals zehn- bis zwölftausend Taler wert, und er trug ihn stets am Finger. Es war also klar, was sie mehr betrauerte: den Verlust ihres Gatten oder den des Diamantringes.

Madame d'Estampes, die vom König Franz sehr begünstigt, um deswillen aber von ihrem Gatten wenig geliebt wurde, sagte, wenn eine Witwe sie besuchte und Mitleid mit ihrem Witwenstand begehrte: »Ach, meine Liebe, seien Sie froh, daß Sie in diesem Stande sind, denn man ist nur Witwe, wenn man will.« Womit sie zeigte, daß sie es selbst gern wäre. Das mag für einige gelten, aber nicht für alle.

Aber was sollen wir von solchen verwitweten Frauen sagen, die ihre Ehe geheim halten? Ich kannte eine, die sieben oder acht Jahre lang ihre Ehe verschwieg. Man sagte, aus Furcht vor ihrem jungen Sohne, der ein tapfrer Mann war und wohl ihr und dem Gatten sehr gezürnt haben würde, obwohl letzterer zu den Großen gehörte. Sobald der Sohn aber in einer kriegerischen Tat, die ihn mit Ruhm bedeckte, gestorben war, veröffentlichte sie sofort ihre Vermählungsanzeige.

Ich hörte von einer verwitweten großen Dame, die seit 15 Jahren mit einem sehr großen Prinzen und Herrn vermählt ist; aber die Welt wußte nichts davon. Man sagte, daß der Herr seine Schwiegermutter fürchtete, die sehr herrschsüchtig war und nicht wollte, daß er sich wieder vermähle, seiner kleinen Kinder wegen.

Ich hörte von einer sehr vornehmen Dame erzählen, daß der Kardinal von Belay, als Bischof und Kardinal, Madame von Chastillon geheiratet hat und als verheirateter Mann gestorben ist Sie sagte es auf ein Gespräch hin, [418] das sie mit Herrn de Manne, einem Provenzalen aus dem Hause Senjal hatte, der Bischof von Frejus war und während eines Zeitraums von 15 Jahren dem genannten Kardinal am römischen Hofe gefolgt war und einer seiner vertrautesten Protonotare gewesen war. Auf den Kardinal zu sprechen kommend, fragte sie ihn, ob ihm der Kardinal nicht anvertraut habe, daß er verheiratet gewesen. Herr de Manne war nicht wenig erstaunt über diese Frage und sagte, er habe nie davon gehört »Nun, dann sage ich es Ihnen,« versetzte sie; »er ist tatsächlich mit der Frau von Chastillon vermählt gewesen.« Ich war zugegen und habe über das erstaunte Gesicht des Herrn de Manne gelacht, der sehr fromm und gewissenhaft war und alle Geheimnisse seines Herrn zu kennen meinte; in diesem Punkte aber war er genasführt; auch war dies Geheimnis skandalös angesichts des heiligen Ranges, den er einnahm.

Aber sprechen wir nicht mehr von diesen Standespersonen, um der Verehrung willen, die wir ihrem Kleide schulden. Wir müssen jetzt ein wenig unsre alten Witwen betrachten, die keine sechs Zähne mehr im Munde haben und sich wieder verheiraten. Vor nicht langer Zeit heiratete eine Frau in Guyenne im Alter von achtzig Jahren zum viertenmal. Ich weiß nicht, warum sie es tat, denn sie war sehr reich, weshalb der Edelmann sich wohl um sie bewarb; vielleicht wollte sie noch einmal »fringuer sur les lauriers«, wie Fräulein Sevin, die Hofnärrin der Königin von Navarra sagte.

Ich kannte auch eine große Dame, die im Alter von 76 Jahren sich wieder vermählte, und zwar mit einem Herrn, der sich mit ihrem ersten Gatten nicht vergleichen konnte. Sie wurde hundert Jahre alt und bewahrte sich doch ihre Schönheit.

[419] Diese Frauen müssen viel Hitze gehabt haben. Auch hörte ich von Sachverständigen sagen, daß ein alter Ofen schneller heiß wird als ein neuer, und einmal geheizt, die Wärme länger hält und besseres Brot liefert.

Ich weiß nicht, was die Gatten und Liebhaber Schmackhaftes an ihnen finden, aber ich habe viele tüchtige Edelleute in alte Damen, oft mehr als in junge, verliebt gesehen. Man sagt wohl, es geschähe um materieller Vorteile willen. Manche sah ich in heißer Liebe für alte Frauen entbrennen, die nichts aus deren Geldbörse ziehen wollten, sondern nur aus jener kleinen Börse ihres Schoßes. So sahen wir einst einen großen regierenden Fürsten, der eine vornehme betagte Witwe so leidenschaftlich liebte, daß er seine Gemahlin und alle andern noch so schönen und jungen Frauen aufgab, um mit ihr der Liebe zu pflegen. Aber bei dieser Frau war es begreiflich, denn sie war eine der schönsten und liebenswürdigsten Damen, die man je gesehen hatte, und ihr Winter wog sicherlich den Frühling, Sommer und Herbst der andern auf. Unter denen, die sich mit den Courtisanen Italiens abgegeben, wählten manche die berühmtesten und ältesten und am längsten in der Sache geübten, weil sie ihnen für Körper und Geist größere Genüsse boten. Deshalb war jene reizende Kleopatra, als Marcus Antonius um sie warb, ihrer Sache sicher, da sie es verstanden hatte, Julius Cäsar und Cnejus Pompejus, den Sohn des großen Pomp ejus, schon zu fesseln, als sie noch ein junges Mädchen war und nichts von der Welt und der Liebe wußte. Um wie viel mehr konnte sie nun, da sie älter und erfahrener geworden, jenen Mann beherrschen, der den etwas plumpen Soldaten nie zu verleugnen vermochte. Denn in der Tat, wenn manche Männer nur durch die Jugend zu fesseln sind, so werden andre mehr durch das reife, erfahrenere und gewandtere Alter beherrscht.

[420] Ich sah eine alte Witwe, eine vornehme Dame, die in weniger als vier Jahren drei Ehemänner und einen jungen Liebhaber ins Grab brachte, nicht durch Totschlag oder Gift, sondern durch Entziehung des Spermas. Wenn man diese Dame sah, hätte man ihr das nicht zugetraut, denn vor den Leuten tat sie sehr fromm und züchtig. Ja, sie wechselte sogar vor den Augen ihrer Kammerfrauen nicht das Hemd, damit diese sie nicht nackend sähen. Eine ihr verwandte Dame sagte aber, sie mache diese Umstände nur ihren Frauen, nicht aber ihren Gatten und Liebhabern gegenüber.

Aber wie? Ist denn eine Frau, die in ihrem Leben mehrere Männer gehabt hat, wie viele deren drei, vier und fünf hatten, tadelnswerter, als eine andre, die nur einen Gatten und einen Geliebten gehabt oder auch zwei und drei, womit ich einige wirklich sich begnügen sah?

Darüber hörte ich eine große Dame sagen, sie mache keinen Unterschied zwischen einer Dame, die mehrere Gatten besessen und einer, die neben ihrem Gemahl nur einen oder zwei Liebhaber gehabt, denn der Eheschleier decke alles zu. Was aber die Sinnlichkeit betrifft, so besteht gar kein Unterschied, darin befolgen die Frauen das spanische Wort, daß algunas mageres son de natura de anguilas en retenir, y de lobas en escoger (»manche Frauen besitzen im Festhalten die Natur des Aals, und im Auswählen die der Wölfin«); denn der Aal ist sehr schlüpfrig und schwer festzuhalten, und die Wölfin wählt stets den häßlichsten Wolf.

Einst war zu Rom eine Dame, die zweiundzwanzig Gatten nacheinander besessen hatte, sowie auch ein Mann, der einundzwanzig Frauen gehabt. Diese beiden beschlossen, einander zu heiraten. Dieser Gatte überlebte seine Frau noch; deswegen wurde er in Rom vom Volke so hoch geachtet [421] und geehrt, daß er wie ein Sieger, auf dem Triumphwagen, lorbeergekrönt und die Palme in der Hand, herumgeführt wurde. Welch ein Sieg, und welch ein Triumph!

Zur Zeit Heinrichs II. war an seinem Hofe der Herr von Barbezan, genannt Saint-Amant, der sich dreimal nacheinander vermählte. Seine dritte Frau war Dame der Madame von Monchy, Hofmeisterin der Madame von Lothringen. Diese trug den Sieg über die beiden ersten Frauen davon, denn unter ihr starb der Gatte. Als man bei Hofe seinen Tod beklagte und auch sie sich untröstlich zeigte, sagte Herr von Montpesat, ein wortgewandter Mann: statt sie wegen dieses Verlustes zu beklagen, sollte man sie vielmehr preisen wegen ihres Sieges über ihren Mann, von dem es hieß, daß er seine beiden ersten Frauen durch die Stärke seiner Natur ins Grab gebracht. Daß sie über einen so starken Kämpen triumphierte, gereichte ihr bei Hofe zur hohen Ehren. Welch ein Ruhm!

Ich wundere mich, daß die Frauen, die so heiß sind und darauf brennen, sich wieder zu vermählen, nicht um ihrer Ehre willen, kühlende Mittel anwenden, um ihre Glut zu dämpfen. Aber lieber wenden sie gerade gegenteilige Mittel an und sagen, die erkältenden Tränke verdürben ihnen den Magen. Ich habe einmal ein kleines, ziemlich albernes italienisches Buch gelesen, das zweiundzwanzig Mittel gegen die Wollust angibt; aber sie sind so dumm, daß ich es den Frauen nicht rate, sie anzuwenden. Ich teile sie deshalb auch nicht mit Plinius erwähnt ein solches Mittel, dessen sich einst die Vestalinnen bedienten; auch die Frauen von Athen gebrauchten es während der Feste der Göttin Ceres, die Tesmophoria hießen, um die Liebeslust zu dämpfen und die Feier in größerer Keuschheit zu begehen. Das Mittel wurde aus den Blättern eines Baumes, genannt agnus castus, bereitet. – Nach der Feier werden sie das Mittel wohl wieder beiseite gelegt haben.

[422] Ich habe einen ähnlichen Baum zu Guyenne im Hause einer schönen, vornehmen und achtbaren Dame gesehen, die ihn als eine große Sehenswürdigkeit ihren Besuchern zeigte und seine Eigenschaft erklärte. Aber der Teufel soll mich holen, wenn ich jemals gesehen oder gehört, daß eine Frau auch nur den kleinsten Zweig von diesem Baum gebrochen hätte. Ebensowenig tat es die Besitzerin des Baumes, die doch nach Gefallen darüber verfügen konnte. Ihr Gatte wäre auch nicht damit einverstanden gewesen, denn sie war schön und liebenswert und hatte auch in der Tat eine hübsche Nachkommenschaft.

Ja, derartige abkühlende Mittel wollen wir auch lieber den armen Nonnen überlassen, die, so sehr sie ihren Leib auch kasteien, doch oft noch von den Versuchungen des Fleisches heimgesucht werden, die Ärmsten! Manche trachten denn auch danach, sich zu ergötzen, wenn sie einmal die Freiheit haben, wie ich darüber eine lustige Geschichte von einer römischen Buhlerin weiß. Diese hatte sich dem Schleier geweiht, aber bevor sie ins Kloster ging, bat sie ihren Freund, einen französischen Edelmann, noch einmal um Liebe, indem sie sagte: »Fate dunque presto; ch'adesso mi verranno cercar per far mi monaca, e menare al monasterio. Auf diese Weise wollte sie Abschied nehmen und sagen: Tandem haec olim meminisse juvabit.« (»Es tut mir wohl, mich dessen zum letztenmal zu erinnern.«) Das war ein hübscher Eintritt in den Nonnenstand! Und sind sie einmal im Kloster, so glaube ich, daß sie, wenigstens die hübschen, alle möglichen Freiheiten suchen, um sich für ihre Entbehrung zu entschädigen. Denn bei uns werden sie nicht so grausam behandelt, wie bei den alten Römern die Vestalinnen, wenn sie sich vergangen hatten. Das war häßlich und abscheulich; aber dafür waren die Römer auch Heiden, während wir Christen, der milden Lehre unsers [423] Meisters folgend, verzeihen, wie er verziehen hat. Wie die Römer die Vestalinnen behandelten, will ich hier nicht beschreiben; meine Feder schaudert davor.

Aber lassen wir nun die armen Nonnen, die in ihrer Abgeschlossenheit wahrlich viel zu leiden haben. So sagte auch einst eine spanische Dame, als sie sah, wie ein schönes, achtbares Fräulein dem Kloster geweiht wurde: »O tristezilla, y en que pecasteis, que tan presto vienes á penitencia, ó seys metida en sepultura viva!« »O, du Ärmste, was hast du denn so sehr gesündigt, daß du so schnell büßen mußt und lebendig begraben wirst?« Und da sie sah, daß die Nonnen sie mit der größten Freundlichkeit und Ehre aufnahmen, sagte sie: »que todo le hedia, hasta el encíenso de la yglesia« – (hier) hätte alles für sie einen üblen Geruch, selbst der Weihrauch der Kirche.

Über diese Jungfrauengelübde erließ Heliogabel ein Gesetz: Keine römische Jungfrau, selbst die Vestalin nicht, sei zur Wahrung der Jungfrauschaft verpflichtet; denn die Frauen seien ein zu schwaches Geschlecht, um sich zu etwas zu verpflichten, was sie doch nicht halten könnten. Deshalb haben auch die Leute, die Hospitäler zur Pflege, Erziehung und Verheiratung armer Mädchen eingeführt haben, ein sehr gutes Werk gestiftet, indem sie ihnen die süße Frucht der Ehe verschaffen, und sie vor der Liederlichkeit bewahren. Auch Panurga bei Rabelais wendete viel Geld zur Stiftung solcher Ehen auf, und besonders für alte und häßliche Frauen, denn um diese anzubringen, bedurfte es mehr Geld als für die hübschen.

Eine Frage möchte ich noch von einer Dame, die die Sache kennt, ganz ehrlich beantwortet haben, nämlich wie die wiedervermählten Frauen sich zu dem Andenken an ihren ersten Gatten verhalten. Ein Spruch sagt, daß die letzten Freundschaften und Feindschaften die ersten vergessen machen; so wird auch die zweite Ehe die erste in Vergessenheit bringen. Darüber fällt mir ein heiteres Beispiel ein. Eine große Dame aus Poitou fragte einst eine [424] Bäuerin, wieviel Männer sie gehabt habe und wie sie sich dabei befunden. Die Frau machte ihre Verbeugung und antwortete kaltblütig: »Gott sei Dank, Madame, ich habe zwei Gatten gehabt. Der erste hieß Wilhelm, der zweite Collas. Wilhelm war ein guter Mann, vermögend und behandelte mich gut. Aber Gott vergebe dem Collas, denn Collas machte es mir gut.« Aber sie wandte dabei ein Wort an, welches ich vermeide. –

Wir lesen bei Plutarch, daß Kleomenes die schöne Agiatis, Frau des Agis, nach dessen Tode geheiratet hatte; denn er war verliebt in ihre große Schönheit. Er bemerkte bei ihr die große Trauer, die sie um ihren ersten Gatten hegte, und hatte so großes Mitleid mit ihr, daß er, ihr liebevolles Gedächtnis ehrend, öfter mit ihr von jenem sprach und sie über manche Einzelheiten ihres früheren Liebesgenusses fragte. Sie wurde ihm aber bald durch den Tod entrissen, und er betrauerte sie tief. Manche Gatten haben ebenso gehandelt mit ihrer schönen Frau in zweiter Ehe.

Aber nun scheint es mir doch Zeit zu schließen; ich komme sonst überhaupt nicht zu Ende.

Manche Damen behaupten auch, ihren letzten Gatten mehr als den ersten geliebt zu haben »Denn,« sagen sie, »den ersten müssen wir oftsmals auf Befehl des Königs oder der Königin nehmen oder unter dem Zwange von Eltern, Vormündern usw., während wir als Witwe unsre Wahl nach eigenem Belieben treffen können.« Gewiß, das kann sehr zutreffend sein, wenn nicht oftmals das alte Sprichwort zur Anwendung käme: »Die Liebe, die mit dem Ring beginnt, endigt mit dem Messer,« wovon wir oft vor den Gerichtshöfen Beispiele sehen.

Auf der Insel Chios, der schönsten und reizendsten Insel der Levante, die einst im Besitze der Genuesen und dann in dem der Türken war, herrschte, wie mir genuesische Kaufleute sagten, folgender Gebrauch: Wenn eine Frau Witwe bleiben will, so wird sie von der Signoria gezwungen, eine gewisse Geldsteuer zu zahlen, die argomoniatiquo genannt [425] wird, das bedeutet (mit Respekt vor den Damen) c.. reposé est inutille. (So bestand auch einst in Sparta, wie Plutarch im Leben des Lysander berichtet, eine Strafe für Frauen, die gar nicht oder zu spät heirateten, oder sich schlecht vermählten.) Ich erkundigte mich auch bei Leuten von der Insel Chios, worauf sich dieser Gebrauch gründe; man antwortete mir, es geschehe, um die Insel mehr zu bevölkern. Unser Frankreich, das versichere ich euch, wird durch die Enthaltsamkeit unsrer Witwen nicht unfruchtbar und entvölkert; denn ich denke, es verheiraten sich mehr wieder als ledig bleiben; und sie brauchen auch nicht die Steuer für den unbenutzten C ..... zu bezahlen. Und wenn sie ihn nicht in der Ehe zur Verwendung bringen, so lassen sie ihn anderweitig bearbeiten und fruchtbar machen. Auch manche unsrer Mädchen in Frankreich brauchten den Tribut von Chios nicht zu entrichten, denn, seien sie aus der Stadt oder vom Lande, sie verlieren ihre Jungfrauschaft bereits vor der Ehe, und wenn sie das Gewerbe weiter betreiben wollen, so müssen sie für einmal dem Hauptmann der Nachtwache einen Dukaten geben (was sehr billig ist, da sie es dann ihr ganzes Lebenlang treiben dürfen); sie können es dann ohne Furcht und Gefahr ausüben. Dies bildet für den freundlichen Hauptmann die größte und sicherste Einnahme seines Amtes.

Anders waren die Frauen und Mädchen jener Insel in alten Zeiten geartet. Damals waren sie, wie Plutarch in seinen »Opuscula« berichtet, während eines Zeitraums von sieben Jahren so keusch, daß niemals währenddessen ein Ehebruch oder eine Entjungferung vorgekommen war. Welch ein Wunder! Heute ist das anders geworden!

Die Griechen haben stets besondere Erfindungen bezüglich der Wollust gehabt. Wir lesen aus alter Zeit von dem Gebrauch auf der Insel Cypern, den die gute Frau Venus, ihre Schutzherrin, dort eingeführt haben soll. Die dortigen [426] Mädchen gingen nämlich am Meeresufer spazieren und boten ihren Leib den Seereisenden dar, die oft um dieses Genusses willen ihren Kompaß dorthin richteten. Sie bezahlten sie gut und fuhren weiter, oft gewiß mit Bedauern, soviel Schönheit zurücklassen zu müssen. Dadurch gewannen die Mädchen ihr Heiratsgut, je nach ihren Reizen, mehr oder weniger.

Heutzutage setzen sich manche Mädchen unsrer christlichen Nationen nicht mehr umherwandelnd der Sonne und dem Mond, der Hitze und der Kälte aus, um Heiratsgut zu erwerben; denn die Mühe ist zu groß und sie verderben damit ihren zarten Teint; statt dessen lassen sie sich in reichen Pavillons und hinter prächtigen Gardinen besuchen und erwerben dort ihr Heiratsgut, ohne Tribut zu zahlen. Ich rede nicht von den Buhlerinnen Roms, die ihn bezahlen, sondern von viel vornehmeren als sie. Ja, die Eltern einiger haben es oft gar nicht nötig, sie mit Geld auszustatten, um sie zu verheiraten; im Gegenteil, häufig genug geben die Töchter den Eltern Geld ab und fördern sie an Gütern und Würden, wie ich mehrfach gesehen habe. Auch Lykurgus befahl, daß die Jungfrauen ohne Heiratsgut vermählt würden, damit die Männer sie um ihrer Tugend willen und nicht aus Habsucht nähmen. Aber was war das für eine Tugend? Bei den feierlichen Festen sangen und tanzten sie öffentlich ganz nackend mit den Knaben, ja, führten Kampfspiele mit ihnen auf; jedoch alles in Zucht und Ehren, wie die Geschichte sagt. Ich frage aber, wo da die Zucht steckt, diese schönen Mädchen öffentlich nackt zu sehen. Züchtigkeit war wohl nicht viel dabei, sondern höchstens eine schöne Augenweide, wenn sie tanzten und kämpften und dann, wie der Lateiner sagt illa sub, ille super; ille sub et illa super fielen (»sie unten und er oben, er unten und sie oben«). Und das soll bei den spartanischen Mädchen Züchtigkeit gewesen sein? Ich glaube, daß es keine Keuschheit gibt, die nicht erschüttert werden kann, und daß diesen öffentlichen Spielen am Tage des Nachts und im Verborgenen die großen Spiele folgten. [427] Das konnte ohne Zweifel geschehen, denn Lykurgus erlaubte denjenigen Männern, die schön und liebeskräftig waren, sich die Frauen der andern zu leihen; auch gereichte es einem Alten und Schwächlichen nicht zum Vorwurf, seine schöne junge Frau einem flotten jungen Manne zu borgen, den er auswählte; es sollte auch der Frau erlaubt sein, sich den nächsten Verwandten ihres Gatten zu erwählen, damit er ihr beiwohne und die daraus etwa entstehenden Kinder wenigstens aus demselben Blut, derselben Rasse ihres Gatten seien. Das ist ja auch ganz verständig, hatten doch auch die Juden das Gesetz der Beiwohnung der Schwiegertochter mit dem Schwiegersohn. Unser christliches Gesetz hat jedoch all das geändert, wenn auch der Heilige Vater manchmal aus gewissen Gründen hierüber Dispense erlassen hat. In Spanien kommen viele Verwandschaftsehen vor, aber nur mit päpstlicher Erlaubnis.

Jetzt noch einige, möglichst nüchterne Worte über ein paar andre Witwen und dann Schluß.

Es gibt noch eine Art Witwen, die sich nicht wieder vermählen wollen, sondern die Ehe hassen wie den Tod. So sagte eine geistreiche Witwe aus großem Hause, die man fragte, ob sie sich nicht dem Gotte Hymen wieder weihen wolle: »Ich bitte Sie! Wird denn ein Galeerensklave, der lange an der Kette gefesselt war und gerudert hat, nach erlangter Freiheit sich abermals unter das Joch eines harten Korsaren begeben? Nun, und so will auch ich, der Sklaverei meines Gatten entronnen, jetzt meine Freiheit genießen.«

Eine andre sagte zu einem Edelmann, der um sie warb und fragte, ob sie nicht wieder einen Mann haben wolle: »Ach, sprechen Sie mir nicht von einem Mann; ich mag keinen wieder. Aber einen Freund – das will ich nicht verreden.« – »Erlauben Sie mir dann, Madame, dieser Freund zu sein, wenn ich nicht Ihr Gatte sein kann?« – »Gut, dienen Sie mir als Freund, und dauern Sie aus. Vielleicht werden Sie es.«

[428] Eine schöne Witwe von 30 Jahren, die eines Tages mit einem Edelmann scherzte oder besser gesagt, ihn zur Liebe anlocken wollte, stieg einst zu Pferde, wobei der vordere Teil ihres Mantels an irgend etwas hängen blieb und ein wenig einriß; da sagte sie zu ihm: »Sehen Sie, was Sie mir da gemacht haben? Sie haben mir mein Vorderteil zerrissen!«

»Ich werde mich wohl hüten,« antwortete der Edelmann, »ihm ein Leid zuzufügen, denn es ist zu hübsch und reizend.«

»Was wissen Sie davon?« fragte sie. »Sie haben es ja noch garnicht gesehen.«

»Wie? Wollen Sie leugnen,« versetzte der Edelmann, »daß ich es wohl hundertmal gesehen habe, als Sie ein kleines Mädchen waren, wo ich es oft, wenn Sie sich zufällig aufstreiften, in Muße betrachten konnte.«

»Ja,« sagte sie, »damals war es noch jung und bartlos und wußte noch nichts von der Welt. Heute aber, wo es einen Bart hat, sieht es ganz anders aus, und Sie werden es nicht mehr wiedererkennen.«

»Immerhin,« gab der Herr zurück, »befindet es sich noch immer an derselben Stelle, und ich glaube, ich würde es dort finden.«

»Ja,« sagte sie, »das stimmt, es ist noch an demselben Platz, obgleich mein Gatte es viel hin und herbewegte und mehr herumgezerrt hat als Diogenes seine Tonne.«

»Ja«, fragte er, »was macht es denn nun, wo es keine Bewegung mehr hat?«

»Es geht ihm wie einer Uhr, die nicht aufgezogen ist.«

»Geben Sie acht,« versetzte er, »daß es Ihnen dann nicht ergeht, wie den Uhren, deren Federn mit der Zeit verrosten, wenn sie nicht beständig aufgezogen werden.«

»Diese Vergleiche,« sagte die Dame, »sind nicht ganz zutreffend, denn die Federn der Uhr, die Sie im Sinn haben, sind niemals dem Rost ausgesetzt, sondern immer in gutem Zustande und können jederzeit wieder aufgezogen werden.«

[429] »Wollte Gott,« entgegnete der Edelmann, »daß die Stunde zum Aufziehen gekommen wäre und ich der Uhrmacher wäre!«

»Wenn der Tag gekommen ist,« sagte die Dame, »werden wir es nicht versäumen, und aus dem Fest einen Arbeitstag machen. Und Gott gebe, daß ich Denjenigen, der sie aufziehen wird, ebenso liebe wie Sie.«

Nach diesem kleinen pikanten Wortgeplänkel stieg die Dame zu Pferde, gab dem Edelmann einen herzhaften Kuß und sagte: »Adieu und auf fröhliches Wiedersehen!« Aber das Unglück wollte, daß diese achtbare Dame nach sechs Wochen verstarb, worüber der Herr trostlos war. Denn ihre pikanten Worte, und früher schon andre, hatten ihm große Hoffnung gemacht, sie einst zu besitzen, was auch sicher der Fall gewesen wäre. Verwünscht sei das böse Schicksal ihres Todes, denn sie war eine der schönsten und achtbarsten Frauen, um die man schon eine Todsünde begehen konnte!

Ich kannte eine große Dame, die als Mädchen und Frau sehr wohlbeleibt war. Als sie aber ihren Gatten verlor, wurde sie vor Kummer so dürr wie Holz. Trotzdem verschmähte sie nicht, wo anders Trost zu suchen, bei ihrem Sekretär und so weiter, ja sogar bei ihrem Koch, wie man sagte. Sie wurde aber dabei doch nicht dicker, obgleich der Koch sehr fett war und sie auch hätte dick machen können. Sie nahm auch noch einige ihrer Diener zu Hilfe, spielte sich aber dabei als die prüdeste und keuscheste Frau des Hofes auf, während sie die Tugend nur im Munde führte und andre Frauen verlästerte. Ebenso geartet war jene große Dame des Dauphine, in den »Hundert Novellen« der Königin von Navarra, die von einem Edelmann, der sterblich in sie verliebt war, mit einem Stallknecht oder Pferdetreiber betroffen wurde. Dadurch wurde der Herr schnell von seiner Liebe geheilt.

Ich hörte von einer sehr schönen Frau in Neapel, die im Rufe stand, mit einem Neger zu tun zu haben, einem [430] abscheulich häßlichen Kerl, der ihr Sklave oder Stallknecht war. Aber seine besonders starke Liebesfähigkeit erwarb ihm ihre Neigung.

Ich las in einem alten Roman, der in gotischen Buchstaben gedruckt ist, von Johan de Saintré, daß der König Jehan (Johann) ihn als Pagen erzog. Es war in alten Zeiten bei den Großen gebräuchlich, ihre Pagen mit Botschaften abzusenden, wie auch heute noch; aber damals besorgten sie ihre Aufträge zu Pferde. Dieser kleine Johann von Saintré (so wurde er lange Zeit genannt) wurde von seinem Gebieter König Johann sehr geliebt, denn er war ein geistreicher Bursche, und wurde öfter auch mit kleinen Botschaften zu seiner Schwester geschickt, die damals Witwe war. Diese Dame verliebte sich in ihn, nachdem er ihr einige Male Bestellungen ausgerichtet. Eines Tages, als sie mit ihm allein war, fragte sie ihn, ob er nicht irgend eine Dame des Hofes liebe und welche ihm am besten gefalle; wie es bei manchen Damen Gebrauch ist, solche Reden zu führen, wenn sie eine Liebesgeschichte einfädeln wollen. Der kleine Johann von Saintré, der noch nie an die Liebe gedacht, verneinte die Fragen. Nun schilderte sie ihm die Reize der Liebe und sagte, sie wolle ihm eine Geliebte verschaffen, aber er müsse ihr auch gut dienen; vor allem müsse er auch verschwiegen sein. Endlich erklärte sie sich ihm und sagte, sie selbst wolle seine Geliebte sein, Der junge Page war erstaunt und glaubte, sie wolle sich über ihn lustig machen. Jedoch nun gab sie ihm viele Liebeszeichen, und er merkte, daß es kein Scherz war. Ihre Liebesfreuden währten ein lange Zeit, bis er dem Pagenstande entwachsen war und eine weite Reise unternehmen mußte.

Es ist also nicht erst von heute, daß die Damen die Pagen lieben, besonders wenn sie gefleckt sind wie Rebhühner. Jawohl, Freunde wollen solche Frauen haben, [431] nur keinen Mann! Und zwar um der Freiheit willen, die etwas so Köstliches ist. Sie glauben, im Paradies zu sein, wenn sie nicht mehr unter der Herrschaft des Gatten stehen, denn nun können sie über alles nach Belieben verfügen.

Manche wollen auch keine neue Ehe eingehen, um nicht ihren Rang und Stand oder ihren Sitz im Zimmer der Königinnen einzubüßen; Liebe aber treiben sie doch und verlieren nichts dabei. Von diesen ist es aber besser nicht zu reden, denn man könnte sich leicht ihren Widerspruch oder gar ihre Rache zuziehen.

Herr von Bussy, seinerzeit ein sehr redegewandter Mann, der auch sehr lustig zu erzählen verstand, sah einst bei Hofe eine vornehme Witwe, die auch sehr der Liebe nachging. »Wie,« sagte er, »diese Stute geht immer noch zum Hengst?« Das wurde der Dame hinterbracht, die darüber wütend war. Herr von Bussy erfuhr das und sagte: »Na, ich weiß schon, wie ich sie wieder versöhne. Sagt ihr, bitte, ich hätte nicht so gesprochen, sondern gesagt: Dieses Füllen geht noch zum Pferde? Denn ich weiß, sie ist nicht darüber böse, daß ich sie für eine galante Dame, sondern daß ich sie für alt halte. Wenn sie aber erfährt, daß ich sie ein Füllen genannt habe, so wird sie denken, ich schätze sie für jung.« Dadurch söhnte sich die Dame wirklich mit Herrn von Bussy aus, worüber wir viel lachten. Es nützte ihr aber nichts, denn man hielt sie doch für eine alte Stute, die immer noch nach dem Hengst wiehert.

Anders verhielt es sich mit einer Dame, die früher ein verliebtes Leben geführt, in höherem Alter aber Gott zu dienen begann mit Fasten und Beten. Ein Edelmann fragte sie einst, warum sie so viel faste, und ob es geschehe, um die Reizungen des Fleisches zu töten. »Ach!« sagte sie, »die sind mir alle vergangen!« Sie sprach die Worte in demselben Tone wie einst Milo Krotoniates, jener starke Ringkämpfer, der eines Tages in die Arena trat, nur um dem Kampfspiele zuzuschauen, denn er war sehr alt geworden. Einer fragte ihn nun, ob er nicht auf seine alten [432] Tage noch einen Gang wagen wolle. Er entblößte seine Arme, betrachtete mitleidig die Muskeln und sagte: »Ach, die sind tot!« Wenn jene Frau sich auch entblößt hätte, würde der Fall ganz demjenigen des Milo ähnlich sein; aber man hätte wohl nichts zu sehen bekommen, was der Mühe wert gewesen wäre.

Ein ähnliches Wort, wie das vorhin erwähnte des Herrn von Bussy, äußerte ein mir bekannter Edelmann. Nach einer Abwesenheit von sechs Monaten, kam er an den Hof und sah dort eine Dame, die zu der damals bei Hofe vom Könige eingeführten Akademie ging. »Wie?« sagte er, »besteht die Akademie noch? Man sagte mir, sie sei abgeschafft.« – »Zweifeln Sie,« entgegnete ihm jemand, »daß diese Dame dahingeht? Sie nimmt dort Unterricht in der Philosophie, bei einem Lehrer, der von dem Perpetuum mobile spricht.« Ja, in der Tat, wie sehr zerbrechen sich die Philosophen die Köpfe über das Perpetuum mobile, und doch könnten sie es in der Schule der Venus finden.

Einer Dame wurde die Schönheit einer andern sehr gelobt, nur habe sie, wie man hinzufügte, unbewegliche Augen. »Nun,« sagte sie, »dafür bewegt sie sich mit den andern Körperteilen, besonders mit dem in der Mitte, desto mehr.«

Aber, wenn ich alle Witzworte und lustigen Geschichten, die ich weiß, niederschreiben wollte, käme ich überhaupt nicht zu Ende. Da ich aber nun noch mehr zu tun habe, enthalte ich mich dessen, und komme mit dem oben angeführten Boccaccio zu dem Schlüsse, daß die Mehrzahl aller Mädchen, Frauen und Witwen zur Liebe neigen. Ich spreche nicht von niedrigen Personen, weder vom Lande, noch aus Städten; über die zu schreiben, war nie meine Absicht. Ich widme meine Feder nur den Großen. Wenn man mich jedoch aufs Gewissen nach meiner Meinung fragte, so würde ich offen sagen, daß, abgesehen von der Gefahr seitens der Gatten, die verheirateten Frauen am schönsten zur Liebe geeignet sind. Denn die Ehemänner erhitzen die [433] Frauen gleich einem Herde so, daß sie immerfort neues Heizmaterial verlangen. Ebenso wie jemand stets Öl gebraucht, wenn seine Lampe gut brennen soll. Nur hüte man sich vor den eifersüchtigen Gatten, die auch die gewandten Liebhaber oft erwischen!

Man muß hier eben sowohl klug wie unverzagt zu Werke gehen, und es machen, wie jener große König Heinrich. Dieser war sehr der Liebe ergeben, aber auch sehr respektvoll den Damen gegenüber und verschwiegen; deshalb wurde er auch sehr von ihnen geliebt. Wenn er nun zuweilen das Bett einer Dame aufsuchte, die ihn erwartete, so war er, in den Galerien zu Saint-Germain, Blois und Fontainebleau oder in den geheimen Winkeln seiner Schlösser, stets von einem begünstigten Kammerdiener, genannt Griffon, begleitet; dieser ging voran mit seinem Spieß und einem Leuchter, er hinterher, seinen großen Mantel oder sein Nachtgewand vors Gesicht haltend, und den Degen unter dem Arm. Lag er nun bei der Dame, dann stellte er seinen Spieß und seinen Degen neben das Kopfkissen, und Griffon postierte sich an die fest verschlossene Tür, wo er aufpaßte oder auch ein schlief. Wenn schon ein großer König solche Vorsichtsmaßregeln traf, (denn auch Könige und große Fürsten sind oft ertappt worden, Beweis: der Herzog Alexander von Florenz), dann gebe ich zu erwägen, was da die kleinen Leute tun müßten. Aber es gibt ja genug eingebildete Menschen, die alles verachten; dafür werden sie dann auch oft ertappt.

Ich hörte erzählen, daß König Franz eines Tages zu ungewohnter Stunde eine Dame besuchen wollte, mit der er seit längerer Zeit Liebschaft hatte. Er klopfte heftig an die Tür, wozu er ein Recht hatte, denn er war der Herr. Sie aber hatte damals gerade den Herrn Bonnivet bei sich und wagte nicht, das Wort zu sprechen, womit die römischen Buhlerinnen antworten:Non si può, la signora è accompagnata. Nun galt es, für ihren Galan ein sicheres Versteck [434] zu finden. Es war gerade Sommer, und man hatte, wie es in Frankreich gebräuchlich ist, Blätter und Zweige in den Kamin gesteckt Sie riet ihm schnell, sich so, wie er war, im Hemde, zwischen dem Reisig im Kamin zu verbergen. Nachdem nun der König mit der Dame fertig war, mußte er sein Wasser abschlagen und trat, mangels andrer Gelegenheit, an den Kamin. Da wurde nun der arme Liebhaber gehörig begossen und zwar, wie aus einer Gartengießkanne, von allen Seiten; es kam ihm ins Gesicht, in die Augen, in die Nase, in den Mund, kurz überall hin. Vielleicht hat er sogar einen Tropfen verschluckt. Man stelle sich die Qual dieses Edelmannes vor, der sich nicht röhren durfte. Und welche Geduld und Standhaftigkeit war dazu nötig! Darauf verabschiedete sich der König von der Dame und verließ das Zimmer. Die Dame schloß hinter ihm ab, nahm den Liebhaber wieder in ihr Bett, erwärmte ihn an ihrem Feuer und ließ ihn ein weißes Hemd anziehen. Das alles nicht ohne Lachen nach der ausgestandenen Angst; denn wäre er entdeckt worden, so wären sie beide in große Gefahr gekommen. Diese Dame war es auch, die ihre Liebe zu Bonnivet vor dem etwas eifersüchtigen Könige verbergen wollte und zu ihm sagte: »Der Herr von Bonnivet ist wirklich gut, er hält sich für schön; je mehr ich es ihm sage, desto mehr glaubt er es, und so mache ich mich über ihn lustig und vertreibe mir die Zeit mit ihm; denn er ist sehr munter und witzig. Ja, man kann sich bei ihm gar nicht das Lachen halten, so drollig erzählt er.« Dadurch wollte sie ihren Verkehr mit Bonnivet als harmlos darstellen. Diese List wenden manche Damen an, um ihre Liebe zu verdecken; sie reden schlecht über den Betreffenden oder machen sich vor der Welt über ihn lustig; im geheimen aber sieht die Sache anders aus. Das nennt man eben Liebeslisten.

Ich kannte eine sehr große Dame, deren Tochter, ein sehr schönes Mädchen, sich wegen ihrer Liebe zu einem Edelmann härmte, auf den ihr Bruder nicht gut zu sprechen [435] war. Da sagte die Mutter unter anderm zu ihr: »Ach, liebes Kind, gib doch deine Liebe zu diesem Menschen auf! Er ist ja so häßlich und hat keine Manieren. Er sieht aus wie ein Dorfbäcker.« Darüber lachte nun das Mädchen, klatschte ihrer Mutter Beifall und fand ihren Vergleich mit dem Dorfbäcker richtig, nur daß jener eine rote Mütze trug. Nach einem halben Jahr ließ sie ihn aber laufen und nahm einen andern.

Mehrere Damen, die ich kannte, verachteten solche Frauen, die mit ihrer Liebe in die unteren Kreise hinabsteigen: zu ihren Schreibern, Kammerdienern usw.; vor der Welt verabscheuten sie solche Liebe wie Gift. Trotzdem gaben sie sich aber solchen Leuten hin, oft mehr als die andern. O, solche Weiber sind verschlagen! Denn, wie das spanische Sprichwort sagt: mucho sabe la zorra; mos sabe más la dama enamorada. »Der Fuchs weiß viel, aber eine verliebte Dame weiß noch mehr.«

Was jene vorhin erwähnte Dame auch tun mochte, um dem König Franz seinen Verdacht zu benehmen, sie konnte doch nicht verhindern, daß etwas haften blieb. Dabei erinnere ich mich, daß ich mich einst nach Chambourg begab und von einem alten Kastellan, der sich dort befand und der Kammerdiener des Königs Franz gewesen war, sehr achtungsvoll empfangen wurde; denn er hatte mich und die Meinigen damals bei Hofe und in den Feldzügen gekannt Er zeigte mir nun alles und machte mich im Zimmer des Königs auf eine Inschrift am Fenster linker Hand aufmerksam. »Sehen Sie,« sagte er, »lesen Sie das, mein Herr. Wenn Sie die Handschrift meines Herrn und Königs noch nicht gesehen haben, da ist sie.« In großen Buchstaben standen dort die Worte angeschrieben: »Toute femme varie.« Ich befand mich in Begleitung meines Freundes, eines sehr achtbaren und artigen Edelmanns aus Périgord Namens Des Roches, und sagte zu diesem: »Sehen Sie, einige dieser[436] Damen, die er am meisten liebte und deren Treue er sich am meisten versichert hielt, hat er doch als wankelmütig erkannt; so schrieb er denn aus Ärger diese Worte.« Der Kastellan hörte es und sagte: »Wahrlich, unter allen, die er jemals gehabt hat, war auch nicht eine, die nicht gewechselt hätte, mehr als ein Hund seiner Meute bei der Hirschjagd. Aber es geschah sehr heimlich, denn sonst hätte er es sie schlimm entgelten lassen.«

Man sieht also, daß solche Frauen sich nicht begnügen, weder mit ihrem Gatten noch mit ihren Liebhabern, großen Königen, Prinzen und vornehmen Herren, sondern immer noch wechseln müssen. Das mußte auch dieser große König erfahren.

Ich kannte eine Dame, die von ihrem Fürsten sehr geliebt wurde; er überschüttete sie mit Wohltaten und Gütern, so daß ihr Glück unvergleichlich war; trotzdem war sie so verliebt in einen Herrn, daß sie diesen nie aufgeben wollte. Als er ihr vorhielt, daß der Fürst sie alle beide vernichten könnte, sagte sie: »Das ist ganz einerlei; wenn Sie mich verlassen, werde ich mich ruinieren, um Sie zugrunde zu richten. Ich will lieber Ihre Konkubine heißen, als die Maitresse dieses Fürsten.« Welch eine Frauenlaune und welch eine Wollust zugleich!

Ich kannte eine andre große Dame, eine Witwe, die es ebenso hielt Trotzdem sie von einem Großen geradezu angebetet wurde, brauchte sie doch noch verschiedene kleinere Liebhaber, um ihre Zeit gehörig auszufüllen. Wobei ich an jene Frau aus den »Hundert Novellen« der Königin von Navarra erinnere, die drei Liebhaber zu gleicher Zeit besaß und sich alle drei ohne Störung zu erhalten verstand.

Die schöne Agnes, die vom König Karl VII. geliebt und angebetet wurde, kam in den Verdacht, ihm eine Tochter geboren zu haben, deren Vater er nicht war und die er [437] nicht anerkennen konnte. Und so wie die Mutter war, so war auch die Tochter, sagen unsre Chroniken. Ebenso verhielt es sich mit Anna Boleyn, der Gemahlin Heinrichs von England, die er enthaupten ließ, weil sie sich nicht mit ihm begnügte und Ehebruch trieb. Er hatte sie wegen ihrer Schönheit genommen und angebetet.

Ich kannte eine Dame, die mit einem Edlen verkehrt hatte, und nachdem sie einander aufgegeben, kamen sie einst auf ihre frühere Liebschaft zu sprechen. Der Edelmann sagte: »Nun, haben Sie geglaubt, damals meine einzige Geliebte gewesen zu sein? Sie werden erstaunt sein zu hören, daß ich damals noch zwei andre besaß.« Sie erwiederte ihm sofort: »Und Sie werden noch mehr erstaunt sein, denn ich hatte damals noch drei andre Liebhaber in Reserve!« Ein gutes Schiff muß eben der Sicherheit halber zwei bis drei Anker haben.

Doch um zu Ende zu kommen: Es lebe die Liebe für die Frauen! Ich fand einst im Taschenbuch einer sehr schönen und achtbaren Dame, die ein wenig spanisch sprach und er sehr gut verstand, folgende Zeilen: Hembra o dama sin compañero, esperanza sin trabajo y navio sin timon, nunca paeden hazer cosa que sea buena; »Eine Frau ohne Gefährten, eine Hoffnung ohne Arbeit und ein Schiff ohne Steuer können nichts Gutes ausrichten.« Dieses Wort paßt für die Frau, die Witwe und das Mädchen. Denn die eine wie die andre können nichts Gutes vollbringen ohne die Hilfe des Mannes, und die Hoffnung, sie zu besitzen ist nichts, wenn mau sie leicht gewinnen kann, sondern es muß ein wenig Mühe und Arbeit dabei sein. Bei der Frau und der Witwe ist das nicht so sehr der Fall wie beim Mädchen; denn leichter ist jemand zu besiegen, der schon einmal besiegt [438] worden ist, so wie ein betretener und gebahnter Weg leichter zu gehen ist als ein andrer. Wegen dieses Vergleichs berufe ich mich auf die Reisenden und die Krieger. So ist es auch mit den Mädchen; denn manche sind so launenhaft, daß sie nicht heiraten und immer Mädchen bleiben wollen, und wenn man sie fragt warum, so sagen sie: »Das ist nun 'mal meine Laune.« Auch Kybele, Juno, Venus, Thetis, Ceres und andre Göttinnen des Olymps haben den Namen Jungfrau verachtet, außer Pallas, die aus dem Haupte Jupiters entsprang, wodurch sie bewies, daß die Jungfrauschaft nur ein Hirngespinst ist.

An unsern Höfen zur Zeit Königs Franz gab es Mädchen, die nie heiraten wollten. Die Frau Regentin hatte eine Dame Namens Poupincourt, die als Jungfrau im Alter von 60 Jahren starb. Die Brelandière ist ebenfalls als Jungfrau im Alter von 80 Jahren gestorben; sie war die Hofmeisterin der Frau von Angoulême gewesen.

Ich kannte eine sehr große Dame aus hohem Stande, die mit 70 Jahren noch nicht vermählt war; deshalb unterließ sie jedoch nicht, Liebe zu treiben. Man entschuldigte ihr Ledigbleiben damit, daß sie weder für Mann noch Weib geeignet war, denn sie besaß keine Vulva, sondern nur ein kleines Loch zum Wasserlassen. Lieber Gott! sie hätte ja gut ein andres finden können, um sich zu entschädigen. Das ist eine nette Entschuldigung!

Fräulein von Charansonnet, aus Savoyen, starb zu Tours als Mädchen im Alter von reichlich 45 Jahren und wurde mit ihrem Hut und weißen Jungfrauenkleide feierlich mit großem Pomp beigesetzt. An Bewerbern hatte es ihr nicht fehlen können, denn sie war eine der schönsten und ehrenwertesten Damen des Hofes, wies aber die besten und größten Partien zurück.

Meine Schwester de Bourdeille, die Hofdame bei der Königin ist, hat ebenfalls sehr gute Partien ausgeschlagen und sich nie vermählt Sie ist schon betagt und entschlossen, als Mädchen zu sterben.

[439] Ich sah die Infantin von Portugal, Dame der verstorbenen Königin Eleonore, in demselben Entschluß verharren; sie ist als Jungfrau im Alter von mehr als 60 Jahren gestorben. Es mangelte ihr nicht an Größe, denn sie war in allem groß; nicht an Gütern, denn sie besaß viele, selbst in Frankreich, wo der Herr General Gourgues ihre Geschäfte führte; noch an Gaben der Natur, denn ich sah sie in Lissabon als sehr schöne und liebenswürdige Frau im Alter von 45 Jahren, und sie hätte einen ihr würdigen Mann verdient Sie war sehr höflich, auch uns Franzosen gegenüber. Ich kann das sagen, denn ich genoß die Ehre, oft und vertraut mit ihr zu sprechen. Als der Herr Großprior von Lothringen sich zur Zeit Königs Franz mit seinen Galeeren von der Levante nach Schottland begab, verweilte er einige Tage zu Lissabon und besuchte sie. Sie empfing ihn sehr liebenswürdig und er machte ihr schöne Geschenke. Unter andern überreichte er ihr eine Kette für ihr Kreuz; sie war ganz aus Diamanten und Rubinen und großen Perlen und prachtvoll gearbeitet. Sie konnte vier- bis fünftausend Taler wert sein, und ging dreimal um den Hals zu legen. Ich glaube, daß sie diesen Wert hatte, denn er versetzte sie stets für dreitausend Taler, wie einmal zu London, als wir von Schottland zurückkamen. Sobald er in Frankreich war, löste er sie jedoch wieder ein, denn er wollte sie jener Dame schenken, in die er sehr verliebt war. Ich glaube, sie liebte ihn auch und hätte wohl ihre Jungfräulichkeit geopfert, das heißt in der Ehe, denn sie war eine sehr tugendhafte Fürstin. Ohne die Unruhen, die nun in Frankreich ausbrachen, würde es wohl zur Ehe gekommen sein. Sie bedauerte später seinen Tod sehr.

Ich hörte von einer Dame, die es vielleicht selbst durchgemacht, noch einen andern Grund, weshalb manche Mädchen sich zu vermählen zögern. Sie sagte, es geschehe per mollitiem. Das Wort mollities bedeutet Weichlichkeit und [440] will hier sagen, daß diese Mädchen sich selbst oder sich untereinander lieben, nach lesbischer Art. Das gewahrt ihnen höhern Genuß, und sie fragen nicht nach den Männern.

Solche jungfräulichen Mädchen wurden einst in Rom hoch geehrt und genossen Vorrechte, derart, daß die Gerichte sie sogar nicht zum Tode verurteilen konnten. Wir lesen von einem proskribierten römischen Senatoren, zur Zeit des Triumvirats, der mit seinem ganzen Geschlecht zum Tode verurteilt worden war. Auch eine seiner schönen Töchter, die noch in unreifem Alter stand, mußte mit zur Richtstätte, und da sie noch als Jungfrau befunden wurde, so mußte sie erst von dem Henker gleich auf dem Schaffot entjungfert werden; dann erlag sie dem Schwertstreiche. – Der Kaiser Tiberius ergötzte sich daran, schöne Mädchen öffentlich entjungfern und dann hinrichten zu lassen. Eine scheußliche Grausamkeit!

Auch die Vestalinnen waren sehr geehrt und geachtet, sowohl wegen ihrer Jungfräulichkeit wie wegen ihrer Religion. Wenn sie sich fleischlich vergingen, wurden sie hundertmal strenger bestraft, als wenn sie das heilige Feuer gehütet hätten: sie wurden unter entsetzlichen Martern lebendig begraben. Man liest von einem Römer Namens Albinus, der einst außerhalb Roms einigen Vestalinnen begegnete, die zu Fuß gingen; da befahl er seiner Frau, mit ihren Kindern aus seinem Wagen zu steigen und die Vestalinnen einsteigen zu lassen, um ihren Weg fortzusetzen. Sie genossen auch das Vorrecht, öfter zwischen dem römischen Volk und den Rittern in Streitsachen zu vermitteln. Der Kaiser Theodosius vertrieb sie aus Rom auf den Rat der Christen. Die Römer sandten dem Kaiser einen gewissen Simachus, um ihn zu bitten, sie wieder in ihren Rang und Gütergenuß einzusetzen. Denn sie waren vermögend und spendeten täglich zahlreiche Almosen. Theodosius lehnte das jedoch ab. Sie nannten sich Vestalinnen nach dem Worte vesta, was Feuer bedeutet. Dieses kann, gleich der Jungfrau, weder Samen streuen noch aufnehmen. [441] Sie mußten dreißig Jahre lang Jungfrau bleiben, alsdann konnten sie sich vermählen. Sie waren prächtig gekleidet, wie der Dichter Prudentius sie sehr hübsch beschreibt, ähnlich wie heute die Stiftsdamen von Monts in Haynault und von Réaumond in Lothringen, die auch heiraten. Der Dichter Prudentius tadelt sie sehr, daß sie in prächtigen Wagen durch die Stadt fuhren, schön gekleidet im Amphitheater bei den Kämpfen der Gladiatoren und wilden Tiere erschienen und dem Blutvergießen von Menschen und Tieren mit Vergnügen zusahen. Deshalb fleht er den Kaiser an, diese blutigen Kämpfe und fürchterlichen Schauspiele abzuschaffen. Sicher durften die Vestalinnen solche Stiele nicht mit ansehen; aber sie konnten auch sagen: »Da wir auf hübschere Spiele verzichten müssen, die die andern Frauen treiben, so müssen wir uns hiermit entschädigen.«

Es gibt manche Witwen, die dasselbe lieben wie diese Vestalinnen, wie ich deren einige kannte. Andre aber lieben mehr die Kampfspiele mit den Männern im geheimen. Und deshalb, wenn man sie lange im Witwenstande verbleiben sieht, soll man sie nicht loben, ehe man nicht alles weiß. Denn die Frauen sind schlau und streuen den Männern Sand in die Augen.

Ich kannte eine Witwe, die 60 Jahre lang ihre Witwenschaft bewahrte, dabei aber im verborgenen mit mehreren lustig Unzucht trieb. Erst als sie starb, kam es heraus, daß sie von einem, den sie zwölf Jahre lang geliebt, heimlich einen Sohn hatte. Habe ich nicht recht zu sagen, daß man viele Witwen nicht eher loben soll, als bis man ihr Leben kennt und ihr Ende? – Aber nun will auch ich ein Ende machen.

Man könnte mir vorhalfen, daß ich viele gute Witze und Geschichten vergessen habe, die diesen Gegenstand noch verschönert und veredelt hätten. Ich gebe es zu. Aber ich wäre ja nie zu Ende gekommen. Und wer sich die Mühe nehmen will, es besser zu machen, dem werden wir zu Dank verpflichtet sein.

[442] Nun, meine Damen, mache ich Schluß. Verzeihen Sie, wenn ich irgend etwas gesagt habe, das Sie verletzen könnte. Es war nie meine Art, Sie zu kränken und Ihnen mißfällig zu werden. Wenn ich von einigen rede, so meine ich nicht alle; und von diesen einigen spreche ich nur unter verstecktem Namen. Ich verberge sie so gut, daß man sie nicht entdeckt, und ein Schimpf kann nur durch Vermutung auf sie fallen, nicht aber durch deutliche Anzeichen.

Ich glaube und fürchte, hier einige Worte und Geschichten wiederholt zu haben, die ich schon in andern Abhandlungen vorbrachte. Hierfür bitte ich bei denen um Entschuldigung, die mir die Ehre erweisen, alles zu lesen; denn ich bilde mir nicht ein, ein großer Redner zu sein, und besitze auch kein so gutes Gedächtnis, um mich an alles zu erinnern. Der große Schriftsteller Plutarch erzählt in seinem Werke manche Dinge auch zweimal. Wer meine Bücher drucken lassen wollte, brauchte, um alles richtig zu stellen, nur einen guten Korrektor.


Ende. [443]

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TextGrid Repository (2012). Brantôme, Pierre de Bourdeille, Seigneur de. Theoretische Schrift. Das Leben der galanten Damen. Das Leben der galanten Damen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-3DAE-B