Romanze

Ihr Dirnen, die ihr spröde thut,
Schäumt euer jüngferliches Blut
Gleich oft zum überkochen,
Hört, wie in Schönbeck lästerlich
An einem Kammerkätzchen sich
Das sprödethun gerochen.
Als Aeffchen ihrer gnädgen Fra
Schminkt sie sich salva venia
Mit rothen Hasenfüßchen;
Belockt sich wie ein Hoffräulein
Und schnürt sich dünn und lispelt fein
Und nimmt mit grace ein Prieschen.
Als einmal sie Gevatter stund,
Da zog und spizte sie den Mund
[327]
Mon dieu wie mannigfaltig!
Schmieds Friedrich warf ihr einen Schmatz
Und trank ihr zu: »Mamsell, Ihr Schatz!«
Drob brummte sie gewaltig.
»Ein Schatz, parbleu! welch dummer Schnack!
Bleib er bei seinem Kohlensack
Und laß er meines gleichen!«
»Nun, nun, Mamsell, nur kein Gekreisch!
Schwernoth! Ihr juckt wohl auch das Fleisch
Nach mir und meines gleichen!«
»Du bist der rechte, schrie sie, Du!
Solch grobes Mannsvolk stinkt mir zu,
Wie Theer an alten Achsen.
Verfiel mein Gusto je aufs frein,
Soll diese Nacht zum Augenschein
Ein schwarzer Bart mir wachsen!«
Sie schlug ein Schnippchen, schnupft' und trank,
Doch klopft ihr gleich das Herz so bang.
Ein bös Ding ums Gewissen!
Ihr graute nachts, schon juckt es ihr
Um Wang' und Kinn, sie konnte schier
Vor Angst kein Auge schließen.
Der Sturmwind saust' die Nacht hindurch,
Die Eule heulet auf der Burg,
Die Wehklag' in den Eichen.
Bang zirpen Grillen, Katzen maun,
Sie sieht ums Bette voller Graun
Die Unterirdschen schleichen.
Als früh sie vor den Spiegel trat,
Da einen lauten Schrei sie that,
O scheusliches Geschicke!
Die Wangen Kinn und Lippen zart
Umzog ein schwarzer Judenbart.
Sie fiel wie todt zurücke.
[328]
Als sie erwacht, o Jemini!
Wie schäumte, knirschte, krazte sie,
Das Scheusal auszurotten.
»Nun Friedrich komm und lache mein!
Nun wird der schlechtste Kerl mich scheun
Und alle Hurren spotten!«
Sie legt umsonst Pechhauben an,
Die Zang ihr auch nicht helfen kann,
Sie ist ein Jud und bleibt es.
Der Bader beizt am Schandgewächs:
Umsonst! kein Doctor, keine Hex,
Kein Schinderknecht vertreibt es.
Sie weinte vierzehn Tage lang,
Rauft' ihren Bart, mied Speis' und Trank
Bis Wang' und Busen sanken.
Und aschgrau wie ein Bild von Tusch
Entflieht sie in des Burgwalls Busch,
Wo Unterirdsche wanken.
Die tanzen froh um sie herum.
Seit dem geht sie um zwölfe um
Im Reihn der Nachtgespenster.
Und wo sie geht, da heults und lachts;
Langbärtig kukt sie oft des Nachts
In spröder Jungfern Fernster.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Boie, Heinrich Christian. Gedichte. Ausgewählte Gedichte. Romanze. Romanze. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-3AED-2