Der Himmel

Sechs Fromme von verschiedner Innung
Doch gleich unsträflicher Gesinnung
Begegnen, wo nicht Zeit noch Raum
Mehr engt, sich – an des Himmels Saum.
Schnell blizt der Eingang aufgeschloßen,
Und von Verklärungsglanz umfloßen
Tritt mild ein Genius heran
Und fragt: Wer Du? – »Ein Muselman.«
Ins Paradies dort, wo die Frommen
Zu mehr als Machmuds Lichte kommen! –
Und Du? – »Ein Jud.« – Im Tempelchor
Singt Assaff dort erwählten vor.
Und Du, der wundernd steht, als mahn' er
Des Irrthums mich? – »Ein Lutheraner!« –
Geh aufzuklären Deinen Sinn
Zum schon belehrten Pastor hin.
Du denn? – »Ein Quäker.« – Abgeschieden
Sind Deine Brüder dort im Frieden.
Behalt den Hut auf wenns gefällt,
Vergnügt mit Penn der beßern Welt.
Und Du dort? – »Ueberführt allmählich
Nicht mach' allein mein Glauben selig.
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Doch fremd gesteh ich scheinen mir
Bei Christen Türk und Jud allhier.«
Wie Schuppen von den Augen fallen
Wird bald der Zweifel Dir und allen.
Jezt theile Ganganellis Ruh! –
Von welcher Kirche bist denn Du?
»Von keiner!« – Anzunehmen wäre
Dächt ich doch irgend eine Lehre? –
»Daß Einer sei, der alles schafft,
Der Gutes lohnet, böses straft,
Und daß Unsterblichkeit der Seele,
Die sterbliches verschmäht, nicht fehle.
Geglaubt das hab ich und geübt.« –
Nimm Platz denn, wo es Dir beliebt.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Boie, Heinrich Christian. Gedichte. Ausgewählte Gedichte. Der Himmel. Der Himmel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-3AE6-0