Adolf Bäuerle
Doctor Faust's Mantel
Ein Zauberspiel mit Gesang in zwey Acten

Personen

[2] Personen.

    • Winter, der Sohn eines Banquiers.

    • Haller, sein Vormund.

    • Emilie, seine Tochter.

    • Der Stadt-Director Wangen.

    • Joseph, sein Sohn.

    • Treuhold Fledermaus, ein armer Schuster.

    • Rosel, seine Braut,

    • Zachariesel, sein Lehrjung.

    • Der Wirth zum silbernen Knödel.

    • Viktorl, seine Ziehtochter.

    • Ein Hausherr.

    • Zwey Gerichtsdiener.

    • Eine fremde Dame.

    • Ein Spieler.

    • Ein Mohr.

    • Ein Husaren-Wachtmeister.

    • Erster Gerichtsdiener.

    • Zweyter Gerichtsdiener.

    • Ballgäste. Volk. Spieler. Damen. Bediente. Teufel und Furien.

1. Akt

1. Scene
Erste Scene.
Kurzes Zimmer in Winters Hause. Alles verstört und unordentlich. Man sieht, daß geschwärmt wurde. Mehrere Ballgäste und Spieler auf der Bühne im Fortgehen begriffen. Winter liegt im Vordergrunde in einem Armsessel. Das Halstuch offen, ohne Besinnung, bleich und verstört etc. Die Spieler sind im Begriffe ihm einige Ringe von den Fingern zu ziehen und seine Taschen zu visitiren etc.

Leiser, ruhiger Chor.

Laßt den tollen Unhold schlafen,

Seinen Leichtsinn zu bestrafen,

Nehmt ihm noch das Letzte ab,

So mit Unglück fort zu spielen,

Soll er lange Zeiten fühlen;

Alles nehmt ihm ab! –


Leert zum Schlusse noch die Becher,

Auf ihr Spieler, fort ihr Zecher,

Wein und Geld verehren wir;

Weil er jetzt am Bettelstabe,

Weil wir haben seine Habe,

Brüderchen, marschiren wir!


Ein Spieler löst ihm auch das Halstuch ab, ein zweyter nimmt ihm das Sacktuch aus der Tasche etc. Während der zweyten Strophe werden die Reste in den Gläsern geleert, was sich findet aufgepackt und abgetragen. Der erste Spieler, welcher eigentlich der Höllengeist ist, und ganz schwarz, jedoch modern gekleidet ist, zieht ihm einen Ring vom Finger. Die Bühne wird leer.

[3]
2. Scene
Zweyte Scene.
Winter erwacht allmählig während die Spieler abgezogen sind. Er erblickt sich in dem traurigsten Zustande, mit feuchtem Auge mustert er sich selbst, und schlägt beyde Hände über dem Gesichte zusammen. Endlich steht er auf, sieht im
Zimmer herum.

Weh mir, alles habe ich verloren! rein haben sie mich ausgeplündert, die Barbaren! O ich Thor, was hab' ich gethan! – Was seh' ich! sogar meine Ringe haben sie gepfändet – auch dein Angedenken, treue Emilie! Ja, mein guter Genius ist von mir gewichen – Emilie, ich bin deiner Liebe nicht mehr werth!

3. Scene
Dritte Scene.
Haller. Winter.

HALLER
poltert zur Thüre herein.

Was tausend! Schon auf, junger Herr? Ey das muß man loben!Sieht sich im Zimmer um. Ha, ha, ich merke schon; ist noch gar nicht in's Bett gekommen – und so viel ich sehe, auch um das Letzte gepfändet worden? – Bravo – jetzt ist er so arm wie eine Kirchenmaus; jetzt kann er vollends gehen! Marsch, Junker Liederlich, aus meinem Hause – fort – fort, daß wir uns nie mehr sehen –

WINTER.
Herr Onkel –
HALLER.
Nichts Onkel!
WINTER.
Bruder meiner edlen Mutter, so [4] verfahren Sie gegen einen Neffen aus Ihrem Blute –
HALLER.

Was Blut! was Bruder, was Neffe, was Mutter – was geht mich sein Blut an? Weiß er, was heut zu Tag das wahre Blut ist? das wahre Blut, das alle Herzen hebt, das alle Adern durchzuckt, ist das Geld. Er hat sich verblutet, ergo hat er kein Geld. Wer kein Blut – also kein Geld hat, ist todt, und Totde leid' ich nicht in meinem Hause! Also fort!

WINTER.

Wohlan, ich gehe! Ich ziehe aus deinem Hause, Unmensch – ich betrete deine Schwelle nie mehr, aber Emilie muß ich noch einmahl sehen. Ihren Anblick darfst du mir nicht verweigern.

HALLER.

Warum nicht gar! Das ging mir noch ab! Meine Tochter darf mir schon gar keinen armen Schlucker ansehen.

WINTER.
Ich will sie rufen! geht an die Thüre Emilie! Emilie!
HALLER
drängt ihn zurück.
Was ist das für eine Keckheit?
WINTER.
Emilie! Emilie! Und wenn es mein Leben kosten sollte, ich muß sie sehen –
HALLER.
Ich brech' ihm den Hals, wenn er nicht ruhig ist!
[5]
WINTER
drängt ihn zurück und reißt die Thüre links auf.
Emilie komm' noch ein Mahl heraus. –
4. Scene
Vierte Scene.
Emilie. Vorige.

Terzett.

EMILIE.
Hör ich deine Stimme wieder?
Heinrich, Heinrich, rufst du mir –
WINTER.
Seh' ich dich, Geliebte, wieder?
Ach zum letzten Mahle hier.
HALLER.
Ach, nun haben sie sich wieder,
Welch ein Spuck, sie trotzen mir!
WINTER.
Ewig soll ich dich verlassen,
Weil ich arm und hoffnungslos!
Doch ich will dich fest umfassen,
Und kein Wesen reißt mich los –
Emmy hör' den Schwur der Treu',
Daß ich dein auf ewig sey!
EMILIE.
Nimm dieß Herz, für dich geboren,
Nimm auch meinen Schwur mit dir,
Für die Welt bin ich verloren,
Alles, Alles bist du mir!
Trennt man uns im Liebesschmerz,
Dein bleibt ewiglich mein Herz!
[6]
HALLER.
Fort ihr unverschämten Katzen,
Die ihr gegen mich agirt!
Wie sie seufzen, winseln, schmatzen!
Wie sie küssen ungenirt!

Ich bin Herr in diesem Hause,
Ich bin Vater, fort von hier,
Fort aus meiner stillen Klause,
Und gehorchen müsset ihr!
Wollt ihr euch bey Zeiten trennen,
Ha, vor Wuth vergehe ich,
Meinen Zorn kann ich nicht nennen,
Wollt ihr gehen, höret mich!

Ach, sie küssen sich, und schmatzen,
Und ich muß noch Zeuge seyn!
Fort ihr unverschämten Katzen,
Macht mir schnell die Stube rein!

Winter und Emilie singen das Obige fort. Haller bellt darein. Endlich schiebt er sie zur Stube hinaus.
5. Scene
Fünfte Scene.
Die Bühne bleibt einen kurzen Augenblick leer, dann kommt Winter wieder zurück. Gleich hinter ihm Fledermaus.

FLEDERMAUS.

Nur ein einziges Wort, junger Herr. Ich glaub' gar, Sie wollen mir auf meinen eigenen Stiefeln davon gehen? Wie ist's, bekomm' ich mein Geld oder nicht; wie lang soll ich noch warten?

[7]
WINTER.

Meister Treuhold, seyd kein Unmensch – ich kann nicht zahlen. Schenkt mir Geduld, sobald mein Glücksstern wieder leuchtet, seyd Ihr der erste, der sein Geld bekommt.

FLEDERMAUS.

Ich kann nicht mehr warten, ich darf nicht länger warten, ich will nicht länger warten – ich bin selbst auf dem Hund, und soll heut noch Hochzeit machen. Durch zu viel Borgen bin ich so weit gekommen, daß meine Braut gleich nach dem Hochzeitstage verhungern kann.

WINTER.
Warum nicht gar!
FLEDERMAUS.

Ja, da braucht's gar kein Warum- nicht-gar! Ich habe nichts mehr; gestern hab' ich meine hirschlederne Hosen vertauscht gegen zwölf abgeschmalzene Nockerln, jetzt hab' ich nichts mehr, als den Frack, da will ich dafür vom Wirth nur sechs Knödeln haben – und der hartherzige Mensch thut's nicht – no, er thut's halt nicht!

WINTER.

Lieber Meister, ihr seyd doch noch glücklich; ihr habt doch noch was zu vertauschen und zu versetzen; aber ich, ich kann nicht einmahl über die Straße gehen; sogar mein Rock ist fort.

FLEDERMAUS.
Die Mode werd' ich auch bald mitmachen.
WINTER.
O, das verfluchte Spiel!
[8]
FLEDERMAUS.
Und ich sag' das verfluchte Schatzgraben.
WINTER.
Würfel und Karten, wer euch erfunden hat, soll noch jenseits braten!
FLEDERMAUS.

Ich hab' wollen Gold machen, die Wünschelruthen hohlen, den Stein der Weisen finden; hab' mein Gewerb an Nagel g'hängt – hab' wollen fliegen in einem Ballon, und bin herunterg'fallen, und ausg'lacht worden.

WINTER.

Wenn ich nur vor die Thüre hinaus könnte; ich habe Manchem in guter Zeit Geld geliehen; wenn ich nur den neunten Theil meiner ausstehenden Schulden bekomme, kann ich mir helfen.

FLEDERMAUS.

Machen Sie ein Kreuz darüber! – Wer in Noth Schulden fordert, ist schlechter daran, als der Schuldner selbst. Gestern kam ich zu einem jungen Herrn, und bitt' ihn um meine ausständigen 25 Gulden – statt sie mir zu zahlen, will er noch 50 dazu haben! Wie gefällt Ihnen das?

WINTER.

Fledermaus, ehrlicher Fledermaus, ich folge dem Beysyiele dieses Herrn. – Hundert Gulden bin ich dir schuldig, weißt du was, leih' mir noch diesen Rock, geh' dann an meiner Seite zu meinen Freunden, und was wir erhalten, theilen wir!

FLEDERMAUS.

Da haben wir's! Nun, wenn [9] ich Schläg' haben wollt', von meiner Geliebten; der Rock ist ihre schwache Seite, darin hab' ich den ersten Minuett mit ihr getanzt, Gott bewahre, da wird nichts draus! –

WINTER.
Treuhold, ehrlicher Deutscher, hilf!
FLEDERMAUS.

Ja, die ehrlichen Deutschen haben gar oft schon g'holfen, was hilft das, auf sich müssen's doch auch ein Mahl denken!

WINTER.
Aus dem Hause muß ich, und so kann ich nicht –
FLEDERMAUS.

Wissen Sie was, bis zu mir hinüber ist nur ein Katzensprung; so weit müssen Sie in Hemdärmeln gehen, und zu Hause helf ich Ihnen, aber nicht heiglich seyn. Geheimnißvoll. Ich hab' in meinem Keller was g'funden; bis dato hab' ich mir's noch nicht recht anzurühren getraut, daß es aber ein schwarzer Fetzen, wie ein Mantel ist, das weiß ich – binden Sie den um, schauen's doch wenigstens einem Conduct-Ansager gleich.

WINTER.
Wer weiß, was das für ein unreiner Lappen ist.
FLEDERMAUS.

Unrein just nicht, aber ähnderisch. Ich hab' ihn in einer eisernen Kiste bey'm Schatzgraben g'funden – ich hab' geglaubt, es ist Gold – derweil war's ein Lumpen.

WINTER
sieht ihn forschend an.
Was hör' ich? In einer eisernen Kiste, einen schwarzen Mantel?
[10]
FLEDERMAUS.
So ist's – ey die Geschicht' ist romantisch; schade, daß sie sich nicht auszahlt hat.
WINTER.
Erzähle.
FLEDERMAUS.

Thu's nicht gern, wird mir allemahl eiskalt am ganzen Leib, aber es sey: Vor einem Jahr, im Winter, komm' ich mit einem Rausch nach Hause; verwickl' mich in meine eigenen Füsse, rutsch' aus, und fall in meinen Keller. Weh hab' ich mir nicht gethan, zum Glück! aber der Rausch, der mich dreyzehn Gulden kost hat, war beym Teufel – und ich lieg in der Finster, und schau, ob ich noch ganz bin. Da seh ich mitten an der schwarzen Mauer eine kleine Flamme tanzen, die springt immer auf und ab, und hupft und neckt mich, und ist bald da, bald dort. Da ist ein Schatz, denk ich mir – Wart, Flammerl, sag ich, wart, ich will dich erlösen! Auf ein Mahl steht auf der Wand mit Flammenschrift: »Treuhold, gib deinen Vorsatz nicht auf, du wirst glücklich seyn!« Ein Wort, ein Mann, sag' ich, und such' die Kellerstiege, und kriech in der Dunkelheit hinauf. – Macht eine kleine Pause.

WINTER
vor Ungeduld.
Weiter! Weiter!
FLEDERMAUS.

Oben steht schon meine künftige Gattinn, die gar nicht gewußt hat, wo ich hingekommen war; der erzähl' ich gleich alles haarklein. Rosel hilf mir, und wir werden glücklich [11] seyn; Eine Laterne her, Schaufeln, Krampen – ich heb einen Schatz, ich werd' glücklich seyn!

WINTER
neuerdings ungeduldig.
Weiter! Weiter! Nur nicht so umständlich.
FLEDERMAUS.

Wir kommen im Keller an, da löscht plötzlich das Licht in der Laterne aus; ein Windstoß pfeift durch die Luftlöcher herunter; wir hören donnern, krachen, einschlagen, mein' Rosel fangt an zu bethen und ich hab mit beyden Füssen das schönste Duett gezittert. – Das kleine Flammerl setzt sich indeß auf einen Fleck fest, macht einen Pfluscher wie ein feuchtes Rakettel, und ist ausgelöscht. Pause. Bis daher wär's gut gegangen. Ich fass ein Herz, und hau' in die Erde, wie ein Narr. Auf den zwölften Hieb springt ein schwarzer Hund zu mir, und leucht mir mit seinen Augen, daß der Keller so licht war, wie ein Tanzsaal! Ich schau das Vieh an, mein Herz hat mir g'schlagen wie ein Knoppernmühl, ich faß' mich jedoch – nimm die Schaufel, schaff die Erde weg, und siehst du's, da blinzelt schon ein eiserner Deckel heraus, – Murr'l sag ich, geh her mit deinen feurigen Augen, und leucht' mir zum Schloß. Der Murr'l wedelt mit dem Schweif und leucht mir, ich führ' einen neuen Schlag aufs Schloß – der Hund fahrt mir zwischen die Füß, ich fall nieder – im ganzen Keller lauter Schwefel und Rauch, die Kiste [12] steht sperrangelweit vor uns – ich tapp hinein, was sind ich? – einen alten Mantel! mein' Rosel macht mir Vorwürf, und wir keuchen ärgerlich über den schlechten Fund zum Keller hinaus. –

WINTER
höchst gespannt.
Und der Mantel?
FLEDERMAUS.

Der liegt noch auf dem alten Fleck. Den sollen Sie jetzt anziehen, wenn Sie wollen – Der Deckel von der Kiste ist aber wieder zugefallen.

WINTER
außer sich vor Freude.

Mensch! Freund, Genius meines Lebens! Was sagst du da! Wenn das Docter Fausts Mantel wäre, der auf seinen Reisen in Verlust gerathen und bis jetzt noch nicht wieder gefunden worden – Treuhold! wir wären beyde unaussprechlich glücklich. Und er ist es, es ist gar kein Zweifel. Die schwarze Farbe, das Flämmchen, das Ungewitter, die Inschrift, der schwarze Hund mit den feurigen Augen – es kann nicht fehlen. Nur geschwind, führe mich hin, und laß uns den Schatz heben. –

FLEDERMAUS.

In's Himmelsnahmen! aber meine Rosel darf uns nicht sehen. Auf den Mantel und ihre Todesängsten darf sie Niemand erinnern.

WINTER.

Laß uns keine Zeit verlieren; Treuhold! Treuhold! du weißt nicht, was du in deinem Hause hast. Fort, schnell in den Keller.

FLEDERMAUS.
Wenn Sie sich nur nicht irren.
[13]
WINTER.
Ich irre mich gewiß nicht; nur fort! Faust's Mantel nimm uns auf! – Geht voran.
FLEDERMAUS.
In Gottes Nahmen, nimm uns auf!Ab.
6. Scene
Sechste Scene.
Der Stadtdirector, Joseph und Haller treten von einer andern Seite herein, Später Emilie.

STADTDIRECTOR.
Ich sehe Niemand –
HALLER.
So muß er schon fort seyn.
JOSEPH.

Verwünscht! So lang er frey ist, bleibt er immer gefährlich. Der Verhaftsbefehl ist ausgewirkt, also fort mit ihm in den Arrest; und in dem nähmlichen Augenblick, als ihn die Gerichtsdiener in Schuldthurm führen, führ ich Emilie zum Altar.

STADTDIRECTOR.
Recht so, mein Sohn, jedes Fest, das wir begehen, muß Sensation machen.
JOSEPH.
Wegen der Hochzeit ist alles in Ordnung?
HALLER.

Alles, alles; selbst die Brautkleider sind schon angekommen. Der Saal ist hergerichtet, die Kerzen aufgesteckt, die Musikanten bestellt – die Gäste geladen. Jetzt noch ein Wort zu Emilien, und ich nenne Sie auf ewig meinen Sohn.

[14]
STADTDIRECTOR.

Sie geben 10,000 Gulden und ich die Schlüssel zum Magazin, dort werden die Paschwaaren hineingebracht, dort sucht sie gewiß kein Mensch; daß ich die gestern in die Stadt gebrachten zwey Wagen bloß proforma aufgreifen ließ, versteht sich von selbst. Wie die Hochzeit gefeyert und die 10,000 Gulden in meinen Händen sind – ist die ganze Waare wieder frey.

HALLER.

Theuerster Herr Stadtdirector, Sie machen mich zum glücklichsten Sterblichen; durch Ihre Freundschaft, durch Ihre Protektion und durch die Verbindung unserer Kinder werde ich der reichste Mensch in der Welt. In zwey Jahren hab ich eine Million wenigstens. Man weiß ja wie geschwind man reich werden kann, wenn solche Herrn mit einverstanden sind.

JOSEPH.
Jetzt zu meiner Braut –
HALLER
macht die Thüre auf.
Da ist sie schon –
7. Scene
Siebente Scene.
Emilie. Vorige.

EMILIE.

Vater was soll das seyn? So eben bringt man mir kostbare Kleider und Schmuck. Gäste drängen sich in unser Haus, und reden von einer Verlobung. Soll ich vermählt werden, Vater? nimmermehr! Herr Stadtdirector, ich habe es schon [15] einmahl erklärt; nie werde ich Ihrem Sohne die Hand reichen, auch wenn ich meinen Heinrich nie gesehen hätte.

JOSEPH.

Herr Schwiegervater, machen Sie jetzt ihre Rechte geltend; sonst macht uns das Fräulein noch manchen Spuck.

HALLER.

Mach mich jetzt nicht böse, Kind, – Fort angezogen, heute Abend um 6 Uhr ist die Trauung – dann gehts über die Hochzeit los.

STADTDIR
leise zu Emilie.

Wenn Sie nicht gleich folgen, so lasse ich Ihren Heinrich in den Schuldthurm werfen. Hier habe ich schon den Verhaftsbefehl. –

EMILIE
schaudert zurück, dann faßt sie sich.

Gut, ich folge – ich folge zur Verlobung Für sich. Zeit gewonnen, alles gewonnen. Laut zu Joseph. Kommen Sie – triumphiren Sie, Sie haben gesiegt. –

JOSEPH.
O welch Glück! Meine Emilie!

Alle ab.
8. Scene
Achte Scene.
Finsterer tiefer Keller. Im Hintergrunde unter einer schwarzen Nische, eine große eiserne Kiste. Der Ort so schaurig, wie möglich. Rosel voraus, hinterdrein Fledermaus und Winter.

ROSEL.

Und wann's mich mein Leben kosten sollte, so laß ich euch nicht herein. Nein, durchaus nicht, mein Treuhold darf nicht freveln. Wenn [16] ihm ein Unglück geschäh', mit wem sollt' ich denn Hochzeit machen?

WINTER.

Liebes Kind, ich steh' Ihnen für alles – schlüpft durch – Fledermaus will an der Thüre nach, sie läßt ihn nicht vor.

WINTER
bey der eisernen Kiste.
Dem Himmel sey gedankt, gefunden! –
FLEDERMAUS
der sich inzwischen vorgedrängt hat, dessen Braut ihm jedoch die Aussicht verstellte, macht einen langen Hals, und ruft.
Sie! nehmen Sie sich in Obacht – das Ding könnt' beißen!
WINTER.
Ich fürchte nichts! – er hebt den Deckel;Flammen fahren heraus. Winter bebt zurück.
FLEDERMAUS.
Was hab ich gesagt, das Ding beißt mit glühenden Zähnen, und reckt eine feurige Zunge heraus.
WINTER.
Ich lasse nicht nach –
ROSEL.

Ums Himmels Willen, lassen Sie mich hinaus! da haben wir's, der verwünschte Mann, mit seinem Zaubermantel; ach! wenn doch nur der Keller längst schon eingegangen wäre, Zu ihrem Treuhold. Du freust dich, kommst nur hinauf wieder, wie ich dich verzaubern werde. Will fort.

WINTER
bemerkt dieß und hält sie zurück.

Schöne Rosine, bleiben Sie doch nur da – drey ist die heilige Zahl, drey Personen kann nie etwas geschehen. –

FLEDERMAUS.

Ey ja doch; sind letzthin [17] erst drey Schneider auf dem Zeiselwagen umgeworfen worden. – Gnädiger Herr, lassen Sie meine Rosel gehen, sonst macht sie uns ein Spektakel; sie hat kein gutes Gewissen.

ROSEL.

Ich werde dir eine Ohrfeige geben. Ich bin mir nichts bewußt; daß mir der Husar von der Herrschaft gegenüber Briefe geschrieben hat, dafür kann ich nicht.

WINTER.
Hadert nicht, ich geh' an's Werk!
ROSEL.
Halten Sie noch, ich geh' fort – nein, nein, ich muß nicht dabey seyn!

Sie geht rasch ab.
9. Scene
Neunte Scene.
Winter. Fledermaus.

WINTER.
Treuhold, hast du Muth?
FLEDERMAUS.
Wenn's keine Schläg' gibt, habe ich Muth wie ein Besessener.

Winter bey der Kiste, dumpfer Donner rollt.
FLEDERMAUS.

Haha, brummt schon wieder. Wann mein' Rosel noch da wäre, hätte es jetzt schon in meinem Gesicht eing'schlagen.

WINTER.
Packt den Deckel unten an, ich oben – so reißen wir ihn mit einem Mahl auf.

Donnerschlag, sie haben den Deckel offen; Feuer fährt heraus. Sie schlagen die Kiste wieder zu.
FLEDERMAUS.
Das halt' der Teufel aus!

Der Donner brüllt immer heftiger.
[18]
WINTER
wild.
Und wenn ich zerschmettert werde, ich lasse nicht nach –
FLEDERMAUS
faßt sich.
Ich auch nicht, zerquetscht hat mich meine Rosel öfters schon –
WINTER.
Also zum dritten Mahl!
FLEDERMAUS
bläst an den Fingern.
Hab' mich doch verflucht verbrennt. –
WINTER.
Säumt nicht, Treuhold! – also zum dritten Mahl!
FLEDERMAUS.
Courage!

Sie reißen die Kiste mit aller Gewalt auf, und schleudern den Deckel zurück. Heftig wüthender Donnerschlag. Fürchterliche Feuerwolke. Ein Blitz fährt a tempo herunter und grade in die Kiste. Fledermaus purzelt nach aller Länge nieder. Winter verhält sich das Gesicht und schaut durch die Hand in die Kiste. Großer Accord in der Musik.
WINTER
faßt sich zuerst.

Habe Dank! Unbekannter Geist! Du siehst, ich habe Muth gehabt, deinen wilden Donnerschlägen zu trotzen. – Prüfe mich nicht länger, du hast deinen Mann an mir gefunden!


Musik.
FLEDERMAUS
regt langsam den Kopf in die Höhe.
Seyn Sie schon todt?
WINTER.

Ich lebe schöner als vorher. Rüstig, Treuhold, jetzt die Kiste hervorgetragen. Die Gefahr scheint vorüber zu seyn.

FLEDERMAUS.
Ausgesetzt bin ich einmahl; meinetwegen soll ich jetzt sterben oder nicht.

[19] Musik. Sie packen die Kiste, und tragen siie in die Mitte des Theaters.
WINTER.
Jetzt über den Inhalt her – hier seh ich schon den Mantel. –
FLEDERMAUS.
Wenn nur ein Geld dabey lieget, das behielt' ich!
WINTER
er greift in die Kiste mit kräftiger Hand und hebt einen schwarzen altdeutschen Mantel empor.
Hier der Mantel, und siehe da, ein Pergament. –
FLEDERMAUS.
Haha – das wird's Rezept seyn, wie man ihn einnehmen oder umnehmen soll.
WINTER
nimmt das Pergament, und rollt es auf.
Ich kann es nicht lesen, es ist zu finster. –
FLEDERMAUS.
Und ich kann kein Licht hohlen, sonst kriegt mich der Schwarze auf der Stiege.

Musik. In diesem Augenblick steigt ein Mohrenknabe mit einer hellen Fackel aus der Versenkung.
FLEDERMAUS
sieht die Gestalt.
Bravo, jetzt weiß ich schon, wem wir zugehören!

Winter nimmt die Fackel. Die Gestalt verschwindet.
FLEDERMAUS.

Ich dank Ihnen, Sie unterirdischer Leuchterbub! Winter gibt Fledermaus die Fackel, entfaltet noch einmahl das Pergament. Sanfte Töne lassen sich hören. Musik während dem Winter liest.

WINTER
mit starker Stimme.

»Sterblicher, der du zu wünschen und zu begehren nie aufhörst, nimm hier meinen Mantel als eine Probe deiner Genügsamkeit, [20] und deines Glücks. So lang du ihn besitzest wirst du nahmenlos glücklich seyn. Alles wirst du erhalten, was du wünschest. Hüthe dich aber je übermüthig zu werden, und in einer Anwandlung von Muthwillen diesen Mantel wegzuschleudern. Du würdest elender werden als je. – Heil dir! wenn du besonnen bleibst – Wehe dir! wenn frecher Uebermuth dich leitet!« –

FLEDERMAUS.
Ist's jetzt aus. –
WINTER.
Sonst steht nicht ein Buchstabe mehr da.Wendet das Blatt um. Auch hier nichts –!
FLEDERMAUS.

Das ist alles? – Da sind wir gut dran. Der Mantel darf nicht muthwillig weggeschleudert werden, steht darauf? – Nu das ist ja eine leichte Bedingung. Ich bitte Sie, steht nichts,Er macht bedenkliche Mienen. nichts von Luftfahren, Höllenrachen, Seelverschreiben, Teufelhohlen – nichts? gar nichts von dem dabey? –

WINTER.
Keine Zeile, laß uns weiter nachsehen – Er sieht nach, und schaut noch einmahl in die Kiste.
FLEDERMAUS.

Da ist ein Kapperl! das gehört wahrscheinlich dazu; da ist noch ein Zettel. So viel ich sehe, ist da ein ganzes Postkastel, wo der Schwarze seine Brief' hineingelegt hat. Das müssen wir auch lesen – erlauben Sie, das les' ich mit meiner schönen Stimm' Die Musik beginnt wieder; er liest.

[21]

»Sterblicher, der du nie erkennest, wenn dein Glück den höchsten Gipfel erstiegen hat, nimm diese Kappe, und prüfe dich, wie weit deine Begierde geht; genieß, alles durch sie – doch hüthe dich sie je von dir zu schleudern – nahmenloses Unglück wird dich befallen, und du wirst in die Hände jener unerbittlichen Feinde des Menschengeschlechts gerathen, die einst den Doctor Faust mit Hohngelächter zermalmten. Sterblicher! gedenke, dein Heil ist in deine eigenen Hände gegeben!«

FLEDERMAUS.

Das Ding ist hoch geschrieben, aber ich versteh's doch! Also wir beyde müssen unsere Geschenke hübsch in Ehren halten, und kein's soll je mehr von uns kommen? Dießmahl hat's der Schwarze leicht gemacht. Mit dem Doktor Faust war er nicht so galant. Nun es ist, natürlich. Der Teufel wird halt auch schon aufgeklärt; aber uns, lieber Teufel, kriegst nicht, wir sitzen dir nicht auf!

WINTER
hat indeß den Mantel umgehangen.

Heiß und schwul wird mir in diesem Lappen und der Angstschweiß steht mir auf der Stirne. Doch Muth und Besonnenheit – ich will den Mantel nicht mißbrauchen –

FLEDERMAUS
hat auch die Kappe aufgesetzt.

Sapperment, mir zieht's die Augenbraunen in die Höhe! Alle Haare steigen mir gegen Berg; allein, ich werd's [22] schon gewöhnen – Wissen Sie was, wir wollen gleich probieren, was dem Doctor Faust seine Verlassenschaft für Künste kann. Ich werde mir geschwind acht Metzen Brillanten wünschen, – was meinen Sie?

WINTER.

Laß uns lieber unser Schicksal erfahren. Zaubermantel zeige mir, was meiner Emilie bevorsteht, und wo sie sich jetzt befindet –


Donnerschlag, die Kellerwand öffnet sich. Tableau. Musik. Man sieht eine hochzeitlich geschmückte Gruppe. Haller legt Josephs Hand in die der Emilie. Der Stadtdirector steht an der andern Seite und zählt Geld. Im Hintergrunde stehen ein paar Gerichtsdiener und zeigen dem Stadtdirector einen Verhaftsbefehl.
WINTER
tritt dem Bilde näher.

Was seh ich, meinen Nahmen in den Händen der Gerichtsdiener? Ich danke dir, herrlicher Mantel! Ich werde mich und Emilien retten! Das Tableau verschwindet.

FLEDERMAUS.

Ey, das ist eine pure Pracht! Halt Kapperl! ich möchte auch was sehen. Was denn g'schmind? Ja, ja, richtig mein künftiges Weiberl was sie jetzt wohl macht. – Wahrscheinlich liegt sie auf den Knien, und bittet den Himmel, daß mir hier im Keller nichts geschehen soll. Kapperl, laß mich mein Täuberl sehen!


Tableau. Musik. Zimmer in Fledermaus Hause. Rosel sitzt auf einem Sopha. Der Herrschaftshusar kniet vor ihr, und reicht ihr einen Blumenstrauß. Rosel drückt ihn an ihr Herz.
FLEDERMAUS.

He da! was ist das? Sapperment, das kann ja nicht seyn! Rosel, ich bitt dich um alles [23] in der Welt, was thust du denn? Rosel bist du verblendet? Herr von Husar, ich bitt' Sie, stehen Sie doch auf! Er will hin, das Bild schließt sich. Nein, das leid ich nicht; das ist mir einmahl zu raß – Er will wieder hin. Da muß der Teufel sein Spiel haben. – Schreyt gegen die Kellerwand. Herr von Husar, ich bitte Sie, stehen Sie doch auf! Oder ich, brauch mein Hausrecht!

WINTER.

Ruhig, ruhig! Wozu das tolle Zettergeschrey! Ist uns nicht alles in die Hände gegeben? Können wir uns nicht mittels unserer kostbaren Geschenke gegen jede Gefahr schützen, und an unsern Feinden rächen? Muth gefaßt, Treuhold! laß uns dem Schicksal danken, das uns so glücklich macht; und dann mit raschen Schritten an unser großes Werk –


Duett.
WINTER.
Dir Schicksal Dank, wir wollen eilen,
Der Schatz ist uns, Faust's Mantel mein!
Nun heißt es Gold und Güter theilen,
Und wie ein König froh zu seyn!
Wer einen solchen Mantel findet,
Dem steht das Weltall zum Geboth,
Wer ihn um seine Schultern bindet,
Kennt keinen Kummer, keine Noth.
FLEDERMAUS.
Dir Schicksal Dank, für diese Gabe,
O dieses Käppchen ist so schön!
[24] Bleibt ewig meine beste Habe,
Denn was ich wünsche muß gescheh'n.
Smaragden, Perlen und Rubinen
Sind mein, und Ball und Spiel und Schmaus,
Trink' Goldtinktur aus Caraffinen,
Und theile hohe Gnaden aus.

Beyde.
FLEDERMAUS.
Die schönsten Weiber zu besitzen,
WINTER.
Das kostet uns nur einen Laut,
FLEDERMAUS.
Die besten Weine zu verspritzen
WINTER.
Wird diesem Mantel anvertraut;

Zusammen.
FLEDERMAUS.
O Käppchen, Käppchen meines Lebens,
WINTER.
O Mantel, Mantel meines Lebens,
Wir sind mit ganzer Seele dein,
Nein, du beglückst uns nicht vergebens –
Wir werden ewig dankbar seyn!

Im raschen fröhlichen Laufe der Musik eilen beyde freudentrunken ab. Das Theater verwandelt sich in eine kurze Straße.
10. Scene
Zehnte Scene.
Der Wirth mit ihm Viktorl.

VIKTORL.
Aber lieber Vater!
WIRTH.

Still – still – still und abermahl still! – Ich frag dich nur, warum du dich heute wieder so aufgeputzt hast? und gerad in der Galla aus dem Bürgerstand', die ich am wenigsten leiden [25] kann. Du bist eine Wirthstochter, du mußt höher hinaus. Willst schon schön seyn, so setz einen Florentiner auf, lange weiße Federn drauf; prächtige seidene Kleider, und ein Tüchl von Petinée, das laß ich mir gefallen! Das ist doch noble; – Aber die Tracht, man glaubt g'rad dein Vater ist was g'meins. Und, Tausend Sapperment! das soll kein Mensch von mir glauben!

VIKTORL.

Diese Kleider hat halt meine selige Mutter so gern gesehen, und hat immer zu mir gesagt: Viktorl! erheb' dich nicht über deinen Stand, wenn du einmahl glücklich seyn willst.

WIRTH.
Deine selige Mutter ist eine unselige Urschel gewesen –
VIKTORL.
Schimpf' der Vater nicht über meine selige Mutter, sie war eine brave, rechtschaffene Frau.
WIRTH.

Wie gesagt, eine unselige Urschel ist sie gewesen; bey der hat alles nach der alten Zeit seyn müssen, und die alten Zeiten waren gar dumme Zeiten für uns Wirth. Ich möcht mich noch ohrfeigen, daß ich vor so vielen Jahren hab einmahl höflich seyn müssen mit den Gästen! Mein Kappel hab ich allemahl herabnehmen müssen und freundlich seyn, wenn einer einen Gulden verzehrt hat. O Finsterniß! o Dunkelheit unter den Menschen! Jetzt können ganze Gesellschaften Tausende das Jahr[26] hindurch bey mir sitzen lassen, ich mach mich breit – ich rauch' Tabak im Extra-Zimmer, und wenn ich einmahl sag': wie geht's Ihnen denn, Sie – Herr von – Sie! So mag sich der auch nur gleich gratuliren. Das ist so viel, als wenn der chinesische Kaiser einen Orden austheilt.

VIKTORL.

Ja, ja, die Gäste sagen ohnehin, der Vater ist jetzt sehr hoffärtig, und behandelt sie alle en bagatelle.

WIRTH.
Die Gäst' seyn Dalken, was versteht so ein Gast von einem Wirth.
VIKTORL.
Nun, jetzt geh' ich! –
WIRTH.

Nichts hast du zu gehen. Du bleibst! Ich hör' mich gern reden in der freyen Luft. Meine Stimme nimmt sich gar zu schön aus. Und mit den Ecksteinen kann ich nicht discuriren. Ich muß mit Menschen reden, und darum hab' ich dich in die Welt gesetzt, du Mensch, damit ich meinen Vorrath von Erfahrungen auskramen kann. Überhaupt, was brauchst du zu eilen? ich glaub' gar, du hast deinen Liebhaber wieder bestellt! Du, den Buben gib auf, oder ich versink' wieder in meine Gemeinheit zurück, und spiel einen altdeutschen Tyrannen auf deinem Rücken.

VIKTORL.

Ach, lieber Vater, ich kann den armen Zachariesel nicht lassen! Er würde sich um meinetwillen zu Tode grämen; et hat mich gar zu lieb –

[27]
WIRTH.

O Finsterniß! O Dunkelheit unter den Menschen. Den armen Zachariesel kann sie nicht lassen. Arm, da reimt sich g'rad drauf: Daß Gott erbarm! Und Zachariesel, das ist ein Nahme, daß einem das Wasser in den Zähnen aufsteigt, Viktorine, mach mich nicht rappelköpfisch, du, einstens eine Schusterinn, du, auf die ich alle meine Hoffnungen gesetzt habe, ein gemeines Schusterweib, ich glaub', ich könnt' einen Guldenwein trinken vor Ärger. Ich werde vielleicht selbst bald heirathen; die schöne Witwe da drunten am Wasser hat mein Herz in Pachtung genommen. Es ist nur noch ein kleiner Umstand, daß die Hochzeit nicht schon lange vollzogen wurde, sie kann mich nicht leiden. Du siehst also selbst ein, daß bey so bewandten Umständen deine Liebschaft auf jedenfallmal a propos kommt. Überdieß wird der Schustermeister, wo dein sauberer Amant als Lehrbub in Condition steht, in ein Paar Minuten ins Polizey- Haus spatzieren. Ich werd ihn Schulden halber setzen lassen – Es wird also klar, daß ich keine unedle Leidenschaft bey dir dulden kann.

VIKTORL.
Aber sie gehen mit mir recht grausam und barbarisch um; ich bin ein recht armes Mädel!
WIRTH.

Ist nicht wahr, du bist ein reiches Mädel. Sehr reich! Das Wirthshaus beym silbernen [28] Knödel ist mein Eigenthum, und 100,000 fl. werth. Weißt du was 100,000 fl. jetzt sind. Jetzt geh und grüß' mir meinen Bruder. Sag ihm, zwey Fuchsen hab ich mir kauft, es könnt ein Fürst damit fahren! Auch würd ich mir jetzt eine Gemähldesammlung anlegen, weil man mir sagt, daß das noble wäre. Wenn ich's auch nicht verstehe, das macht nichts. Es soll mehr Leuten so gehen, wenn ich's nur hab! Nun! Küß deinem Vater die Hand! Gieb acht, daß dir Niemand zu nahe tritt. Es wäre ewig schade, wenn dir was geschehen sollte, lebe wohl! Viktorine!

VIKTORL
küßt ihm die Hand und eilt ab.
Gott befohlen, lieber Vater!
11. Scene
Eilfte Scene.
WIRTH
allein.

Ein schönes Geschöpf, ganz meiner würdig, und accurat so verliebt, wie ich. Da heißt's acht geben. Die Mädeln sind heut zu Tag gleich angeplauscht. Wie einer gar vom Heirathen redt, so sind sie gleich verrückt. O Finsterniß! O Dunkelheit unter den Menschen! unter zwanzig Männern die man jetzt sieht, denkt einer an eine ernsthafte Amour, und unter 100 an ein Weib. Und ich möchte gern 10 Weiber nehmen wie der türkische Sultel, wenn ich nur dürft. Sapperment – [29] da kömmt mein' schöne Rosine. Ich werde mit ihr kathegorisch reden, vielleicht wird sie mir dann gut.

12. Scene
Zwölfte Scene.
Rosel. Wirth.

WIRTH.

Holdes Täubchen, guten Tag. Heute werd ich sehr glücklich seyn, weil mir ein so schönes Geschöpf als das erste Wesen bey meinem heutigen Spaziergang entgegen tritt. Bon jour Madame Schusteriän. Je suis bien aise de vous voir.

ROSEL.
Ey, der Tausend! sie sprechen ja gar französisch.
WIRTH.

Ey, ein Wirth kann so gar was lernen, wann's ihm Geld trägt. Liebste Rosine, ich habe neulich einen Brief auf Kartenpapier geschrieben, und hab meine Gesinnungen erklärt; was hab ich nun zu hoffen?

ROSEL
lacht.
Hören Sie auf! Mit Ihren Gesinnungen.
WIRTH
stutzt.

Sie lacht? das ist traurig. Verzeihen Sie, warum lachen Sie? Hab ich vielleicht einen schwarzen Fleck im Gesicht, ich bin heut schon in der Kuchel gewesen –

ROSEL
auf den Kopf zeigend.

Hier, hier, sind sie schwarz. Wie kommen Sie mir vor. Wie können[30] Sie von einer Lieb' zu mir reden. Sie, der Sie mich und meinen armen Treuhold wegen einer unbedeutenden Schuld, bis aufs Äußerste quälen.

WIRTH.

Das wird aufhören, Schätzchen, wenn du Ja sagst. Über die Schuld mach ich einen Strich, so dick wie ich selber bin – Zudringlich. Aber dich muß ich besitzen, du mußt mein seyn!

ROSEL
tritt zurück.

Langsam! Nicht so keck. Verschonen Sie mich und, meiden Sie das Aufsehen. Wenn Sie mir gut seyn, so seyn Sie bescheiden, sonst ist's mit uns nichts!

WIRTH.
Ich hab' also Hoffnung?
ROSEL.
Nur bescheiden; wir wollen sehen.
WIRTH.
O laß mich ein Wort des Trostes hören!

Duett.
ROSEL.
Bescheidenheit müssen Sie ehren,
Bescheidenheit adelt den Mann,
WIRTH.
Und Liebe mußt du mir gewähren,
Dann künd ich bescheiden mich an.
ROSEL.
Was nützet ihr Dringen und Bitten
Wir Weiber wir zaudern nicht gern,
Ein Mann von Erziehung und Sitten,
Den wünschen wir selber nicht fern.
WIRTH.
So laß mich das süße Wort hören,
Du liebst mich und willigest ein;
Willst Liebe und Treue mir schwören
Die Meine auf ewiglich seyn.
[31]
ROSEL.
Das kann ich nicht wagen, ich achte
Zu hoch meinen künftigen Mann –
WIRTH.
Ja wie aber, wenn ich verschmachte,
ROSEL.
So liegt mir grad auch nichts daran;
WIRTH.
O Tygrinn! o Löwinn, Hyäne –
O Weiber von Stein und von Eis!
Wir schwören, ihr zeigt uns die Zähne,
Ihr frieret und wir sind so heiß!
ROSEL.
O Männer so schlau wie die Füchse,
Wer euch glaubt, hat trüglich gesetzt;
Am Anfang voll freundlicher Knickse,
Verstoßt ihr uns lachend zuletzt!
WIRTH.
Ein Küßchen!
ROSEL.
Mit nichten!
WIRTH.
Nur einen!
Ein Mäulchen –
ROSEL.
Bewahre!
WIRTH.
So komm!
Zwey Küßchen –
ROSEL.
Ey ja doch! gar keinen,
WIRTH.
Ich bin ja bescheiden und fromm.

Beyde.
ROSEL.
Nein, nein, es kann nicht seyn!
Fort mit solchen Neckereyen!
Fort mein Herr und Ruhe mir!
Fort, von diesem Hause hier.
WIRTH.
Gut, mein Kind, es soll nicht seyn –
Aber du gedenkest mein!
Tod und Teufel; Rache mir
Warte das gedenk ich dir!
[32] ROSEL.
Er verschmäht, das freuet mich!
Hahaha! wie lache ich!
WIRTH.
Ich verschmäht, das ärgert mich!
Ha vor Wuth zerberste ich!

Beyde ab.
13. Scene
Dreyzehnte Scene.
Rosel, hinter ihr Zacharias. Rosel ist zurückgekommen.

ROSEL.

Komm, Zachariesel, und thu' was ich dir schaff'. Da ist mein Portrait, das bringst dem Husaren hin. Sag ihm, in meinem Bild meinetwegen könnt er mich lieben, und wie er sich ausdruckt, anbethen, aber mit meinem Herzen sey's nichts. Ich muß mich zusamm nehmen, ich kann mit meiner Tugend nicht so verschwenderisch seyn, wie eine Andere. Ich bin so reich nicht. – So! jetzt sind zwey abgewiesen!

ZACHARIAS.
Gut, gut, ich geh' schon –
ROSEL.
Richt' aber deine Sachen ordentlich aus; daß ich mich auf dich verlassen kann –
ZACHARIAS.
Ich werde gewiß obacht geben, ich hab' ja Schläg' g'nug kriegt.
ROSEL.

Armer Zachariesel! Nun laß nur gehen; beym ersten Geld was eingeht, werd' ich an dich denken. Aber nur verschwiegen. –

ZACHARIAS.

Was nützt mich's denken, wenn ich[33] nichts zu essen hab. Ich bin gewiß ein guter Bursch, mein Herz gar butterweich, ja ich wäre noch besser, aber mein Magen ist ein so halsstarriger Kerl, der murrt in einem fort! Es geht uns halt gar zu lang schlecht –

ROSEL.

Nach Regen folgt Sonnenschein; wart bis mein Bruder aus Brasilien zurückkommt, der versteht die Kunst Träum' auszulegen; da setzen wir dann in die Lotterie, und was wir gewinnen, theilen wir –

ZACHARIAS.

Da dürfen wir gar nicht lang warten. – In Gott's Nahmen, ich sättige mich der Weil mit der Lieb – ich schau so oft ich hungrig bin, mein Viktorl, die Wirthstochter, an. Schweig armer Magen, erquick dich, weiches Herz, so denk ich mir – b'hüth Ihnen Gott! Ab.

14. Scene
Vierzehnte Scene.
ROSEL
allein.

Bis daher hätt mir meine Standhaftigkeit ziemlich viel Ehre gemacht. – Der Wirth wird freylich rasen. Nun wenn der Husar von dem Grafen da drüben nur nicht weiter in mich dringt, der ist mir der Gefährlichste. O wir armen Weiber sind so leicht verblendet, und das wissen eben die schelmischen Männer.

[34]
15. Scene
Fünfzehnte Scene.
Winter, Fledermaus. Beyde äußerst noble gekleidet. Winter in einer rothen Galla-Uniform mit reichen goldenen Epaulets, weißen Beinkleidern und weißen Strümpfen, einem französischen Degen und weißem Federhut. Fledermaus in einem Galla-Kleide, Chapeaupas, Haarbeutel, hoher Frisur etc. Etwas Carikatur. Hinterdrein ein Mohr, der Mantel und Käppchen unterm Arm trägt.

FLEDERMAUS.
Rosel!
ROSEL.
Was seh ich?
FLEDERMAUS.
Deinen Bräutigam als Engel verkleid't.
ROSEL.
Ist das Täuschung?
WINTER.

Lauter Wahrheit! Wir haben Faust's Mantel gehoben. Treuhold hat sein Käppchen geerbt – ohne daß uns etwas Leides geschieht, sind wir Herren über geheime Mächte; und alles was wir wollen steht uns zu Geboth.

FLEDERMAUS.

Ich kann dich jetzt gleich zu einer Gräfinn machen, ich laß dir einen kostbaren Wagen vorfahren, mit einem Pantoffel im Wappen und ein Papphäferl darneben, damit die Leut' deine noble Abkunft gleich sehen.

ROSEL
mit sichtbarer Angst.
Wer ist denn der Schwarze dort?
FLEDERMAUS.
Das ist ein Practikant bey einem Rauchfangkehrermeister, auf Hochdeutsch ein Mohr.
[35]
ROSEL
sieht ihm auf die Füße.
Du, schau seine Füße an!
FLEDERMAUS.
Warum? Ein wenig mager! Zum Gehen sind sie gut.
ROSEL.
Nein! Nein! du verstehst mich nicht. Er hat Bockfüße. –
FLEDERMAUS.
Vielleicht ist er ein afrikanischer Schneider!
ROSEL.

Scherze nicht! Lieber Treuhold, wenn ich ruhig seyn und dich heirathen soll, so thu' mir den Mohren weg – er ist ein böses Wesen, er macht mich unruhig –

FLEDERMAUS
mit Beziehung.
Da müßt' dein Husar auch ein böses Wesen seyn. Er macht mich auch unruhig. Thu' ihn auch weg!
WINTER
halb laut.
Das war ein guter Stich.
ROSEL
bemerkt das.

Hat aber kein Blut geben! – Ich weiß nicht was du immer eiferst. Wenn ich eine solche Person seyn wollte, wie du glaubst, an jedem Finger hätt' ich zehne. Aber ich bin brav; auf mich kannst du Felsen bauen. So eben war der Wirth da, hat mich mit seiner Lieb beschworen; hat mir zu lieb dir deine ganze Schuld schenken wollen, wenn ich ihm nur ein Bisserl gut bin, – aber standhaft war ich, standhaft wie ein Kosak im Feld. –

FLEDERMAUS.
O du lieber Kosak!
[36]
ROSEL.
Jetzt beweis' mir also auch deine Liebe. Geh, guter Fledermaus, thu' den Mohren weg.
FLEDERMAUS.

Nichts mehr Fledermaus, seit dem sich unsere Glücksumstände geändert haben, heiß ich statt Fledermaus Papillon, und dieser Herr statt Winter Sommer.

ROSEL.

Also, lieber Papillon, mach' mich so glücklich und jag' den Schwarzen weg; Sie sieht ihm immer mit Angst an. ich vergehe sonst vor Ängsten.

FLEDERMAUS.

Es sey! doch nur gegen eine Bedingung. Der Husar muß auch verschwinden, und nie darfst du dein Leben mehr mit ihm reden, noch an ihn denken.

ROSEL
herzlich.
Ich versprech' dir's –

Winter nimmt den Mohren den Mantel, Fledermaus die Kappe aus der Hand.
Winter winkt, der Mohr verschwindet.
ROSEL.

Dein Diener kann der arme Zachariesel seyn, das ist doch ein guter Bube; er hat ausgehalten in unserer Armuth –

FLEDERMAUS.

Hast recht, bey unserm Glück soll er belohnt werden. Da kommt er g'rad; wart, Schatzerl, jetzt werd' ich dir gleich einen Beweis meiner Macht geben.

[37]
16. Scene
Sechzehnte Scene.
Zacharieserl. Vorige.

FLEDERMAUS.

Zacharieserl, das Schicksal hat mich glücklich gemacht; ich bin von einem Schuster in einen vornehmen Herrn avancirt – auch du sollst avanciren, du wirst von einem Schusterbuben ein Bedienter. Er winkt mit dem Käppchen. Ohne viel Umstände verwandelt sich dein Gewand in eine kostbare Livree! Es geschieht.

ZACHARIAS.

O jerum, mein Herr ist ein Hexenmeister worden! Er besieht sich. A, das ist schon bestimmt eine Schönheit! wie g'freu' ich mich, wenn mich jetzt meine Bekännten sehen.

FLEDERMAUS.

So dumm, die Worte: »das ist schon, hernach das Sprichwort vom Pöbel, das Wort ›bestimmt‹ und Bekännten statt Bekannten« und wie dergleichen Redensarten weiter lauten, darfst du nicht mehr aussprechen, Er winkt wieder. du wirst in Zukunft, wo es nöthig ist, nur hochdeutsch parliren. –

ZACHARIAS
zuckt als wenn er einen Schlag auf den Mund bekommen hätte: (plötzlich affektirt deutsch).

Ach das ist schöne, nun sprech' ich mahl ganz zart und fein! Ach ich danke verbindlichst, ich danke unzählige Mahle!

ROSEL.

Treuhold! lieber Treuhold! ich vergeh [38] vor Freuden – das kann alles dein Kapperl, und du hast nichts dafür zu befürchten!

FLEDERMAUS.
Nicht das geringste!
WINTER.
Und Sie wollten uns nicht einmahl zu dem Ort unseres Glückes kommen lassen?
ROSEL.

Ich war halt verblendet. Sie umarmt ihren Mann. Und wie schön du aussiehst, welche Pracht! Laß dich nur umarmen.

FLEDERMAUS.
Auch du sollst schnell einer Fürstinn gleich sehen!

Er winkt, das dunkle häßliche Gewand fällt herunter, sie steht im eleganten Putze da.
ROSEL.
Du mein lieber Mann! Besieht sich. Ich verweis mich nicht vor lauter Freuden.
ZACHARIAS
sieht in die Coulisse, spricht sodann im preußischen Dialekte.

O weh, jetzt wird die Herrlichkeit gleich ein Ende haben. – Da kommt der Hausherr und der Wirth auf uns zu, die wollen ihr Geld holen.

FLEDERMAUS
küßt sich die Fingerspitzen vor Freude.
Bravissimo, die Grobians sollen mich kennen lernen!
17. Scene
Siebzehnte Scene.
Wirth, und der Hausherr. Vorige.

HAUSHERR.
Was seh ich, Meister Treuhold, ist ein Geldschiff angekommen?
[39]
WIRTH.
Gratulire, da werden wir auch unser Geld bekommen.
ROSEL
vorlaut.
Versteht sich!
FLEDERMAUS.

Nein, versteht sich nicht. Die Herren sind gar oft grob in meinem Unglück mit mir gewesen: jetzt kann ich's seyn, also einen Strich durch die Rechnung oder ich mache die Luft rein! –

HAUSHERR.

Was wär' das! Schau der Herr, daß ich mich vergreife, Ihr Streichmacher! Putzen wollt ihr euch wie die Palmeseln und nicht bezahlen?

WIRTH.

Ziehen wir's aus alle Beyde. Der saubere Patron Auf Winter. ist mir auch schuldig. Nur gleich selber pfänden, und dann einsperren lassen. Einen Wirth und einen Hausherrn vor'n Narren zu halten, ist heut zu Tag' ein Majestäts-Verbrechen.

HAUSHERR.

Ja wohl. Parteyen müssen sich gar keine Freyheiten herausnehmen. Wenn man nichts ist als eine Partey, liebster Freund, so ist man der Niemand –

WIRTH.

Da kommen g'rad Gerichtsdiener! die will ich gleich um Schutz bitten. Die Verhaftsbefehle hab' ich im Sack.

HAUSHERR.
Ja, sie kommen wie gerufen!
WINTER.
Jetzt, Zaubermantel, ist's an dir!

Er bindet ihn um.

[40]
18. Scene
Achtzehnte Scene.
Die Gerichtsdiener. Vorige.

WINTER
breitet den Mantet auseinander.
Schütz uns mächtiger Mantel, und mach, daß die Gerichtsdiener diese Kerls für uns ansehen.
ERSTER GERICHTSDIENER
auf den Wirth.

Da ist schon der Vagabund der Schustermeister Fledermaus; fort in den Schuldenarrest, hier ist die Auflage –

ZWEYTER GERICHTSDIENER
auf den Hausherrn.

Hier ist auch der liederliche Musie Winter, den der Herr Director zur Stadt n'aus jagen läßt. Fort mit mir – Ihr Taugenichtse, fort! fort!

HAUSH wollen sich losmachen.
Ich glaub' die Kerls sind besoffen.
WIRTH
wollen sich losmachen.
Ich glaub' die Kerls sind besoffen.
WIRTH.

O Finsterniß! o Dunkelheit unter den Menschen! Herr Lorenz, was ist Ihnen denn? ich bin ja der Wirth beym silbernen Knödel, den sie 8 Gulden schuldig sind – was wollen Sie denn mit mir?

ERSTER GERICHTSDIENER.

Was? sich für einen ehrlichen Mann ausgeben, was mir 8 Gulden Schulden vorwerfen? Fort! fort, oder ich lasse die Wache drein schlagen. –


Man umringt ihn und zieht ihn fort.
HAUSHERR.

Musie Sebastian, machen Sie keine Dalkereyen, ich bin ja der Hausherr beym unchristlichen [41] Bodenzimmerl; lassen Sie mich doch los, Sie wohnen ja selbst bey mir, und haben sechszehn Jahr keinen Zins zahlt, ist das mein Dank?

ZWEYTER GERICHTSDIENER.

Nu warte, Taugenichts, ich will dich lehren mich auch noch an einen schlechten Kerl erinnern! Fort! fort! über die Gränze, Bösewicht!

WINTER.
ZACHARIAS. FLEDERMAUS. Nur fort!
ROSEL
steht in der Ecke und sieht voll Erstaunen zu.
Die übrigen lachen.
WIRTH
sehr hastig.
UND HAUSHERR.
Hilfe, Ihr Leute vom Schuldenarrest!
Ich hab' mein Leben kein Gulden erpreßt,
Bin gar ein ehrlicher Teufel!
Finsterniß, Dunkelheit, traurige Zeit!
Hört doch, ihr irrt euch! ihr damischen Leut,
Irrt euch, habt nur keinen Zweifel!
DIE GERICHTSDIENER.
Fort mit den Schelmen in Schuldenarrest,
Wer braven Leuten das Blut ausgepreßt
Soll schnell im Kerker verschmachten,
Fort schnell und packet die Gauner recht fest,
Fort mit dem Schelmen in Schuldenarrest!
Laßt sie in Kerker verschmachten!

Fledermaus und Zachariesel stehen an der Seite und lachen dazu. Unter Gesang und Lachen und komischen Gebärden der Arretirten
gehen alle ab.

[42] Das Theater verwandelt sich in einen tiefen Tanzsaal. Schön und glänzend decorirt. Die Tanzmusik geht in eine zierliche Minuette über.
So eben sind einige Paare begriffen, ihren Tanz zu vollenden. Im Hintergrunde sieht man eine Credenz.
19. Scene
Neunzehnte Scene.
Tiefer Saal. Verlobungsfeyer mit Gesang und Tanz. Der Stadtdirector. Joseph. Haller. Emilie. Hochzeitgäste beyderley Geschlechts. Alle festlich gekleidet. Als die Minuette zu Ende ist, tritt Haller hervor.

HALLER.

So feyern wir denn mit Jubel das Verlobungsfest meiner Tochter. He da, Freunde! greift alle noch ein Mahl nach den Gläsern, und laßt uns fröhlich seyn. Der Zug zur Trauung wird gleich beginnen – stellt euch in Reih und Glieder.

EMILIE
an ihres Vaters Halse.
Ach Vater! nur noch einen kurzen Aufschub! Ich bin noch nicht gefaßt, noch nicht stark genug. –
HALLER.

Ich trag' dich zum Altar, du mußt jetzt einmahl getraut werden. Mach dir keine Rechnung auf deinen Heinrich, der sitzt im Schuldenarrest.

[43]
20. Scene
Zwanzigste Scene.
Ein Gerichtsdiener tritt mit dem Rapport ein, und übergibt ihn dem Stadtdirector.

GERICHTSDIENER.
Hier ist der Rapport. Heinrich Winter sitzt im Schuldenarrest.
STADTDIRECTOR.
So eben ist es geschehen. Heinrich Winter ist arretirt. Lesen Sie.
EMILIE
droht umzusinken.
Großer Gott!
JOSEPH.
Viktoria! jetzt, schöne Emilie, zur Copulation. –
21. Scene
Einundzwanzigste Scene.
Winter, hinter ihm Fledermaus, Rosel und Zachariesel.

WINTER
zuerst zwischen Emilie und Joseph.
Gemach, mein Herr, diesen Weg gehe ich!

Alle prallen zurück.
FLEDERMAUS.
Und ich bin Beystand.
JOSEPH.
Was ist das?
STADTDIRECTOR.
Was ist das?
HALLER.
Was ist das?
ZACHARIAS
hochdeutsch.
Nun wird's mahl wieder los gehen! Nun wollen wir mahl toll Zeug angeben!
[44]
WINTER
hebt seinen Mantel hoch auf, und Fiedermaus schwingt sein Käppchen.

Ihr, meine Verfolger, werdet Stein, und Ihr, wackere Hochzeitgäste, folget mir! Emilie, der Tag der Freude ist gekommen.


Er führt sie ab. Alle folgen festlichen Zuges mit.
22. Scene
Zweyundzwanzigste Scene.
Stadtdirector. Joseph. Haller. Zachariesel.
Erste drey in komischen Stellungen wie von Stein. Zachariesel geht unter ihnen herum, neckt sie und spricht dann im affektirten Deutsch, das manchmahl wohl ein lokaler Ausdruck unterbrechen darf.

ZACHARIAS.

Drey schöne Männer wie von Wachs possirt. Und jeder hat eine Schrift in der Hand, damit man gleich sehen kann, was er vorstellt. Ha! der Herr Stadtdirector verbirgt seine silberne Dose mit aller Grazie. Will doch mahl eine Priese schnupfen! Er nimmt ihm die Dose aus der Hand und schnupft, wartet dann dem Haller auf. Beliebt Ihnen? Ist ein schwarzverbeitzter! Oder Ihnen! Zu Joseph. Ist wahr, sie schnupfen nicht; Sobald er selbst geschnupft hat, gibt er die Dose zurück. – Man hört Trompeten und Pauken. Vivat, es ist geschehen! – Die Verlobung ist geschehen. Darauf muß ich eins trinken! Aha, der Zug kommt schon wieder, das [45] war geschwind. Es ist recht! beym Heirathen muß's g'schwind gehen, sonst reut's einen wieder.

23. Scene
Dreyundzwanzigste Scene.
Der ganze Zug geht wieder zurück. Winter winkt mit dem Mantel. Die drey Statuen regen sich wieder.

WINTER.
Es ist geschehen! Victoria!
ALLE.
Hoch lebe das junge Brautpaar!
HALLER.
Wie ist mir! Was geht in mir vor?
STADTDIRECTOR.
Wo sind wir? Welche Empfindung?
JOSEPH.
Wo sind wir? Welche Empfindung?
WINTER.

Kraft dieses herrlichen Mantels sey alles für mich gestimmt, was da lebet. Rüstig ihr Herren, wechselt eure Heirathsbriefe und Familien-Contracte wieder aus. Emilie ist mein. Herr Vormund, mit Gold wieg' ich alle Vortheile auf, die man Ihnen anbiethen konnte. Hört es, Ihr Herren, Emilie ist mein, laßt mir Ihren Besitz ungetrübt, und ich schenke euch hohe Summen. Wo nicht, wo ihr zaudert, so stürz ich mit überirrdischer Macht dieses Gebäude ein, und begrabe euch unter seinen Ruinen –

FLEDERMAUS.
Ich werde gleich ein Bissel donnern lassen, wie einer nur das Gesicht verzieht.
HALLER.

Bin ich verzaubert? Umarmt Winter. [46] Welche Macht übt man über mich aus. – Zum Stadtdirector und Joseph. Ja, ja diese Verbindung geht zurück. Eine unsichtbare Gewalt wirkt auf mich. Hier, hier ist mein Sohn. Er zerreißt seinen Contract. Herr Stadtdirector, geben Sie mir mein Wort zurück; ich weiß nicht wie mir geschieht, aber mein Herz zieht mich plötzlich zu Heinrich.

STADTDIRECTOR.

Unbegreiflich! Hier ist Zauberey – komm mein Sohn; laß uns diese Teufelskünste fliehen und auf Rache denken. Komm, Joseph, komm schnell fort. Aber ihr sollt es bereuen! Ab.

JOSEPH.
Emilie! Sie haben meinen Fluch! Rache! Rache! schreckliche Rache! Ab.
FLEDERMAUS
ruft ihnen nach.
Sie, müssens nicht heirathen, wenn's keine Braut haben!
WINTER.

Kehrt euch nicht an seine Reden. Laßt die Thoren laufen. O meine Emilie, o mein Vater! Auf Freunde, jetzt beginnt erst das Fest.

FLEDERMAUS.

Rosel, heute feyern wir auch unsere brillantne Hochzeit; dein Husar hat den Laufpaß, du bist nun ganz mein, aber schon ganz! laß dir einen Kuß geben, du Rosel – Rosen meines Lebens. Er küßt sie mit komischer Gebärde und affektirter Schwärmerey. Auf, Musikanten, jetzt einen Tanz! –

HALLER.
Ich bin so lustig, daß ich selbst springen werde wie ein Reh. Allons, meinen Leibtanz!

[47] Großer Gesellschafts-Tanz.

Chor.

Laßt das Brautpaar fröhlich leben,
Hoch laßt uns die Becher heben –
Vivala vivala va!

Tanz und Schmaus und Kuß und Freude
Wechseln rasch und schnell sich heut,
Vivala vivala va!

Während dem der Schluß-Chor angestimmt wird, tritt das Ballet-Corps ein. Es beginnen sechs Männer in rothen Scharlach-Uniformen, Schuh
und Strümpfen und Federhüten; die Weiber im schönsten Ballanzuge etc. einen gewählten
Tanz. Zuletzt Tableaux.

Ende des ersten Acts.

[48]

2. Akt

1. Scene
Erste Scene.
Elegantes Zimmer in des Schusters Fledermaus neuem Hause. Schöne Toilette. Rosel im besonders schönen Schlepp-Kleide vor dem Spiegel. Einige Kammermädchen. An der Thüre ein Paar Jäger.

Chor.

Ja in der That, die Pracht ist groß,

O welch ein überglücklichs Loos,

Es kann nichts schönres geben!

Euer Gnaden hin,

Euer Gnaden her,

Die ganze Welt sagt: Serviteur!

Wo Geld ist, dort ist Leben!


ROSEL
sehr hoffärtig, schickt sich jedoch albern an.

Nun geht's jetzt nur zu; ich bin mit eurer Ehrfurcht zufrieden. Euer Gnaden hin, Euer Gnaden her; diese Wörter sind mir ein Bissel zu wenig. Sie rauscht mit dem langen Schleppkleide auf dem Theater hin und her. Denkr's auf einen noblern Ausdruck; so was von Excellenz oder Durchlaucht. Ich habe ja Geld, ich kann jeden Titel zahlen.


Die Dienstleute verneigen sich, und wollen gehen.

[49]

Wart's noch ein wenig! Sie geht stolz auf und ab. Sagt's mir einmahl, bin ich recht vornehm? Wie ist denn mein Anstand in diesem Kleid? Hab' ich einen guten Schritt in diesem Hut? –

DIENSTLEUTE.
Vortrefflich! Einzig! Unvergleichlich!
ROSEL.

Wie steht mir denn das Augenglas? Nu, nu, schneidt's keine Gesichter; ich nimm alles aus. Wenn ich halt wo fehl', so sagt's mir. Oft wissen die Dienstbothen mehr, als die Herrschaften. Kein Gelehrter ist vom Himmel g'fallen. Entfaltet ein Schnupftuch und rollt es auf die Dienstleute hin. So, da habt's was zu riechen. Mille fleures heißt mann's! Nicht wahr, das riecht wie lauter Veigerl und und Vergißein'mnicht? Ja, wir vornehmen Leut' haben allerhand Hilfsmittel, unsere Reitze zu erhöhen. Jetzt geht's. Statt ein' Doceur habt's da noch einen Geruch! Sie flattert mit dem Schnupftuche. Wann ich euch brauch', so werd' ich schon läuten.


Die Dienstleute gehen mit Verbeugungen ab.

Wann Jemand mit mir sprechen will, so muß er mir gemeldt werden!
[50]
2. Scene
Zweyte Scene.
ROSEL
allein.

Gott sey Dank, so wäre ich dann auf einmahl eine vornehme Frau; hab lang genug drauf g'wart. Nun schwer ist dieser Stand g'rad nicht, ein gemeines Weib ist viel härter dran. Da will ich mich doch lieber zehn Mahl schminken statt als eine gemeine Schusterinn ein einziges Paar Schuh einfaßen. Da sticht man sich weiter nicht in die Finger! Nein so ists besser. Sie geht zum Spiegel. Schön bin ich, das braucht nichts. Jetzt kommen meine Vorzüg' erst recht an den Tag, und stattlich bin ich wie ein' Markgräfinn. Wenn ich den Arm so rund heb', und den Fuß so ausbieg', so komm' ich mir g'rad wie die Göttinn vor, die in meinem Schlafzimmer auf dem Ofen steht.

Arie.

Jetzt bin ich so schön wie eine Göttinn von Stein,
Kann stolz wie ein' Königinn gehen,
Kann tanzen, kann reiten und singen so fein,
Kann vornehm auf Achtung bestehen.
Mein Stimm' in der Höhe: tralarilala,
Und dann in der Tiefe: dadadidada!
Muß, wer mich nur höret, gefallen,
Ich bin ja die Schönste aus allen!
[51] Zwar lustiger war's noch beym Schuster zu Haus,
Viel leichter war's leinerne Leibel,
Ich sah damahls auch g'rad nicht häßlicher aus,
Mein Tücherl, mein Fürtuch und Häubel!
Da sang ich ganz anders: tralarilala,
Ich dudelte lustig: dadidada!
Doch vornehm ist gescheidter, ist größer!
Und reich seyn statt arm, das ist besser!
3. Scene
Dritte Scene.
Ein Jäger voraus. Gleich darauf Fledermaus.

JÄGER.
Se. Excellenz der Herr von Papillon.
ROSEL
vornehm.
Nur eina mit ihm!
JÄGER
öffnet die Thür.
FLEDERMAUS
ein Riechfläschchen in der Hand.
Mon ange!
ROSEL.
Papillon! Fliegt auf ihn zu.
FLEDERMAUS.
Wie hast g'schlafen, mon coeur!
ROSEL.
So! So! mon caro!
FLEDERMAUS.
Du mußt es gewöhnen, mon pique!
ROSEL.
Ich hoffe, mon treffe!
FLEDERMAUS.
Sehr noble. Umarm' mich, meine Königinn!
ROSEL
thut es.
O mein Künig!
FLEDERMAUS.
Geht Jäger, sagt es den Leuten, daß wir uns umarmt haben, und jubelt.

Jäger geht lachend ab.
[52]
FLEDERMAUS.

Solche Stück werden in Zukunft immer vor den Dienstbothen aufgeführt. In geheim können wir uns raufen und schlagen, aber vor den Leuten sind wir ein Paar Tauben. Du bist schon ganz angezogen, mein Schatz, hast du was vor?

ROSEL.
In Prater möcht' ich gern ins Ringelspiel fahren.
FLEDERMAUS.

Das ist edel! Ich hab mir heut auch schon einen Spaß gemacht. Ich hab von meinem Fenster herab auf den großen Platz Kupfergroschen unter die Straßenbuben ausgeworfen. Ich hab es nicht gethan, damit sie sich etwa ein Frühstück kaufen sollen, sondern bloß, damit sie sich die Köpfblutig schlagen. Lacht. Und das ist geschehen! Die Kerls haben sich geprügelt um acht Groschen, wie ichs nicht um zehen Gulden aushalten möcht.

ROSEL.
Du schickst dich schon recht in deinen Stand.
FLEDERMAUS.

Oui! Apropos, Ein Billet doux hab ich schon bekommen. Ein Mädigen, die naive Sophie genannt, eine wahre Unschuld, wie mir mein Friseur schwört, bittet um meine Bekanntschaft. Ich hab sie auf Mittag eingeladen.

ROSEL.
Du, so vornehm darfst du mir nicht werden.
FLEDERMAUS.
Kinderey! Was haben wir denn in der Suppen?
[53]
ROSEL.
Knödel wie gestern!

Beyde erschrecken heftig.
FLEDERMAUS.

Wo waren wir wieder! Hat ja unser Freund Sommer durch seinen Koch die Tafel besorgen lassen. Auch Spiel wird heute noch seyn! Liebe Rosel an unsern vorigen Stand dürfen wir uns so wenig als möglich erinnern. Adieu mon ange! Ich geh' zum Spiel. Unser Freund spielt onze et demi und ich werde Saunigeln. Geth ab.

ROSEL
nach einer kleinen Pause.
Lieber Fledermaus!
FLEDERMAUS
kehrt um.
Papillon heiß' ich.
ROSEL.

Lieber Papillon. Du willst Saunigel spielen, das ist recht; aber ich bitte dich – nur die naive Sophie laß mir aus dem Spiel!

FLEDERMAUS.
Ordinäre Person!
ROSEL.
Deßwegen bin ich nicht vornehm worden, und mag dein Weib so nicht werden.
FLEDERMAUS
geht auf sie mit großen Schritten zu.

Du kennst mich; du kennst aber auch unsere Verhältnisse! Ich werde mich stets so betragen, wie es sich für meine Geburt und einen rechtschaffenen Schu – will sagen Herrn von geziemt. Laß dir, wie man auf hochdeutsch sagt, kein graues Haar wachsen. Für sich. Zum Essen kommt sie einmahl nicht!


Ruft: Zachariesel!

[54]
4. Scene
Vierte Scene.
Zachariesel erscheint, und macht die Thüre auf.

FLEDERMAUS.
Öffne die Thüre; folge mir, ich hab' dir einige Geheimigkeiten zu sagen.
ZACHARIAS
vorlaut.
Wegen der Sophie?
FLEDERMAUS
zupft ihn.
Schweig, Tölpel!
ROSEL.
Lieber Treuhold, kann ich vor dem Essen mit dir nicht mehr reden –
FLEDERMAUS.
Etwas Wichtiges?
ROSEL.
Von meinem Herzen.
FLEDERMAUS.
Das ist jetzt nicht mehr wichtig. Wir noblen Leute geben uns mit solchen Dingen gar nicht ab.
ROSEL.
Nur zwey Minuten.
FLEDERMAUS.
Non, ma cher, wir haben Geschäfte, wir spielen Saunigl. Ab.
ROSEL.

Aber mit dir kann ich reden. Du weißt auch etwas von dem Frauenzimmer, von dieser Mamsell Sophie oder wie sie heißt. Komm hernach herüber und erzähl' mir.

ZACHARIAS.

Hochdeutsch. Ich bitte um Pardon.J'ai aussi beaucoup des affaires! Auch wir haben wichtige Verfügungen zu machen. Wir spielen Brandeln und zuletzt einen aufgelegten Bet tel! Ab.

[55]
5. Scene
Fünfte Scene.
ROSEL
allein.

Was soll das bedeuten? Ach nein, mein Treuhold kann mich nicht betrügen. Er hat ja vor Kurzem noch geeifert. Heut' will er auch noch Hochzeit machen? Warum nicht gar! Er darf mir gar keine Andere vorziehen. In diesen Kleidern bin ich ja noch schöner als vorher. Der Schlepp macht mich so reitzend, daß ich mich in mich selbst verliebe. Und mein Gang, – g'rad wie ein Pfau!


Sie geht stolz ab.
6. Scene
Sechste Scene.
Straße.
Sophie verschleyert. Hinter ihr hastig Winter.

WINTER.

Nein, keinen Schritt weiter! Jetzt muß ich Erklärung haben. Wirf den Schleyer zurück, schöne Unbekannte, oder ich werde zum ersten Mahl in meinem Leben gegen eine Dame unartig, und brauche Gewalt.

SOPHIE.
Was wünschen Sie, mein Herr?
WINTER.

Dich zu verehren, anzubethen, dich zu besitzen! Ja, du bist es, die seither meine Phantasie[56] beschäftigte, du bist es, die diese Nacht mir wieder im Traume erschienen; du bist es, die mir immer vorschwebt. Entschleyere dich, und gib mir Gewißheit!

SOPHIE
entschleyert sich.

Wozu diese Schwärmerey? Ich sah Sie oft, Heinrich, ohne daß Sie mich bemerkten. Wie kann ich Ihnen jetzt so plötzlich auffallen.

WINTER.

Das weiß ich nicht. Allein in meinem Innern drängt es mich. Sieht sie freudetrunken an. Du bist die Königinn meines letzten Traumes; sprich, heißt du Sophie?

SOPHIE.
Sophie, ist mein Nahme.
WINTER.

So hat das Geschick dich mir bestimmt! Eine Stimme nannte mir heute Nacht deinen Nahmen; lebendig standest du vor mir; das ist eine himmlische Ahndung, du mußt sie erfüllen.

SOPHIE.
Sie sind verlobt!
WINTER.

Verlobt! Verlobt aber nicht verheirathet. Gerne will ich Emilie lassen; hätte ich es doch nie gedacht, daß eine einzige Nacht, ein einziger lebhafter Traum so viel Einfluß auf mich haben könnte.

SOPHIE.
Vergessen Sie Ihre gute Emilie nicht.
WINTER.

Emilie ist wohl gut; mein einziger [57] Wunsch war sie zu besitzen, doch nun ich sie besitzen darf, langweilt sie mich in den ersten 24 Stunden. Vom Schicksal mit Glücksgütern überhäuft wollt ich ihr ein rauschendes Leben anbiethen, sie will mich in öde Steppen führen; ich will Ball, Schmaus und Spiel auf einander folgen lassen, sie spricht von geräuschlosen häuslichen Freuden; ich will meinen Freunden einen Feen-Pallast errichten, mich an meinen Verfolgern rächen, sie wünscht in ein einer Hütte mit mir zu leben, und meine Feinde zu versöhnen. Ach hätte ich sie nie gesehen!

SOPHIE.
Um mit einer andern ebenfalls unglücklich zu seyn!
WINTER.

Nein, wenigstens mit dir nicht, schöne Sophie. Ein Wesen, daß mit solcher Gewalt anzieht, kann nur ein paradiesisches Leben verbürgen. Sophie sey die Meinige.

SOPHIE.

Nie! – Daß ich hieher folgte geschah bloß, Ihnen ebenfalls ein Geständniß meiner innigen Liebe zu machen. Ja ich bin Ihnen mit ganzer Seele zugethan, das wollt ich laut bekennen, allein nie Sie besitzen, das hab ich mir gelobt. – Ein Mann, der so wankelmüthig ist, kann nie ein Weib glücklich machen.

WINTER.

Ich habe dich ja früher nicht gekannt, [58] auch sehnte ich mich nach Emilien nur, weil die Weigerung ihres Vaters mich pikirte. Die Sache ist geendet, nun seh ich mit andern Augen. Ein Mädchen, das bloß gutmüthig ist, fesselt mich nicht – Sophie, du sagst, du liebst mich? O so nimm meine Hand und mach mich glücklich. Ich will Emilie vergessen, sie nie mehr sehen, verlassen – genügt dir dieß nicht, so fordere Beweise, ich gebe sie dir –

SOPHIE.
Verlassen! Sie tritt ernst zu ihm hin. Verlassen? kann ich das glauben?
WINTER.

Ich will fort von hier, nie wieder kommen, mit dir nur leben, bey dir nur seyn. Sey die Meinige! Sieht sie mit Entzücken an. Schönes Mädchen, dessen Zauber meine ganze Seele füllt, ja, ich folge dir. Meine grämliche Braut und ihren ärgerlichen Bater verlassen, freudig will ich das; nur kurzen Aufschub, um mich wenigstens mit Geld bey beyden abzufinden; mehr bedarf ich nicht.

SOPHIE
faßt diese Worte.

Das klingt ernsthaft, gut, ich will Ihnen glauben. Scheiden Sie von ihr, beruhigen Sie Ihre nun gewesene Geliebte mit Schätzen; wir meiden diese Stadt. Sie schwören mir jedoch einen feyerlichen Schwur, hieher nie mehr zu kommen.

WINTER.

Gerne. Sein deutsches Vaterland verlassen, wenn man sich da Schätze gesammelt hat, hab ich ja längst schon von andern gelernt. Ja ich [59] will mich sogar meiner Landsleute schämen, wenn du willst, das soll ja Mode seyn!

SOPHIE
umarmt ihn.

Ich habe dich, wie ich dich brauche. Daß du auf meine Zukunft denken wirst, glaub ich hoffen zu dürfen. Du hast eine Herrschaft zwey Meilen von hier gekauft –

WINTER.

Sie sey dein; du hast zu wählen. Was von meinen Schätzen übrig bleibt, theile Emilie und ihr Vater. Kann ich doch nicht verarmen, so lang ich lebe!

SOPHIE.

O mein Heinrich, verstoße mich nur nie! Laß nur nie mehr einen Gedanken an Emilie erwachen. Und gib mir schriftlich Gewißheit, daß du ewig, Beziehend und scharf bezeichnend. ewig der Meinige seyn willst!

WINTER.

Ewig! Er faßt sie glühend an. Ewig!Schaudert. Wie ergreift mich doch das Wort so heftig. Fester. Ja, ja ich hab es wohl überlegt, ewig will ich der Deinige seyn, nie will ich meine Braut mehr freundlich an mich drücken, sie nie mehr sehen, ja, ja das schwöre ich dir!


Schrecklicher Schlag.
SOPHIE
thut einen gräßlichen Schrey auf, und sinkt an seine Brust.
WINTER.

Taschenspielerey! Wer bekräftigt meinen Schwur da oben? Übermüthig. Ja, dein will ich seyn so lang ich lebe, das schwöre ich!! Hebt die Hand. Blitz und noch heftigerer Donnerschlag.

[60]
SOPHIE.
Zu Hilfe!
WINTER.
Den Spuck will ich bald vertreiben. Rust. Dämilion! meinen Mantel!

Ein Mohrenknabe bringt den Mantel.
WINTER
nimmt ihn und hängt ihn ausbreitend über die Schultern.

Die Gegend wird schnell hell und freundlich; der Donner schweigt.
WINTER.

So schütz' ich dich! So führe ich dich in deine Wohnung. Die Documente erwartest du, und dich selbst erwarte ich heute Abend; ich will meine Abreise noch mit einem glänzenden Ball feyern; ich werde dich abhohlen – dann steht uns die Morgensonne nicht mehr hier! – Komm, holdes Mädchen! Komm' du mein herrlichstes Ideal, ich eile, die höchsten Freuden des Lebens mit dir zu theilen!

SOPHIE
triumphirend, halb für sich und in feuriger Bewegung.
Er ist mein!
WINTER
hüllt sie in seinen Mantel, und führt sie ab.
Ewig dein!
7. Scene
Siebente Scene.
Haller. Emilie.

HALLER.
Die war es. Ha, sogleich will ich ihr nach, und sie mit eigenen Händen erwürgen.
EMILIE.

Nicht doch, lieber Vater, es wäre [61] fürchterlich. Ihnen nachsehend. Seht, seht, er hat seinen furchtbaren Mantel um sie geschlungen.

HALLER.

Verfluchtes Blendwerk! Höllenspiel, daß ich nie diesen Mantel gesehen hätte! Aber ich klage mich selbst an. Ich bin der Urheber all dieses Jammers! Hätte ich dich ihm nie verweigert, wäre ich nie so geldgierig gewesen; so wäre jetzt alles anders! Nie hätte er an diesen verwünschten Mantel gedacht; nie ihn zu besitzen getrachtet, all dieses Elend wäre nicht!

EMILIE
die Wintern immer nach sah.

Jetzt hat er Abschied genommen. Sie verfolgt mit ihren Blicken jede Bewegung. Er geht rückwärts auf unser Haus zu. Er geht hinein. Was seh ich! die nähmlichen Spieler, die ihn gestern um das Letzte brachten, folgen ihm. Ach die werden an der Mittagstafel schwelgen, und zu meinen Thränen lachen. –

HALLER.

Komm, meine Tochter, laß uns fort, und wenigstens unser Vermögen retten; auch der Rache des Stadtdirektors müssen wir entfliehen, du hast seinen Sohn verschmäht, alles wird über uns zusammen schlagen, besser flüchtig durch die Welt gewandert, als solchen Scheusal zu erleben.

EMILIE.
Ich liebe meinen Heinrich zu sehr. Ich kann nicht von ihm lassen –
HALLER.

So will ich zu ihm hin. Ich will für dich reden. Ich will für dich handeln, verstoßt [62] er dich – so – nein, nein, ich will nicht drohen; komm mein Kind, weine nicht! Dein Vater lebt noch, und laßt dich nicht straucheln.


Er führt sie ab.
8. Scene
Achte Scene.
Tiefer, glänzend dekorirter Saal. Perlluster. Argantische Lampen, alles kostbar verziert. Die hintere Wand eine Glasdekoration, durch welche man in einen Vorsaal sehen kann, wo Domestiquen in brillanten Livreen auf und ab eilen, mit Erfrischungen die Gäste zu bedienen. Große Tafel. Mit Aufsätzen und Kronleuchtern reich garnirt. Rechts eine grüne Spieltafel, worauf mehrere Pakete Karten liegen. Überall Pracht und Schönheit.
Rundgesang. – Brillante Melodie.
Winter, Fledermaus, mehrere Gäste. Herrn und Damen im schönsten Putze. Zachariesel hat eine ganz neue Livree an: Orangengelb mit einem
blauen und weißen Kragen, schwarzen
Beinkleidern und Strümpfen,
einen weit vom Kopfe stehenden Haarbeutel. Winter bleibt in Uniform. Fledermaus hat den Schlafrock mit einem modernen Karikatur-Anzuge
verwechselt.
Er hat lichtgrüne Beinkleider an, mit rothen Kamaschen, nach Art der Englischen hoch über das Knie. Einen sehr gespitzt-zugeschnittenen Frack, und einen weißen Spenzer drüber, einen ungeheuren Kakadu, den Hals mit einer dicken Binde verhüllt,
Lorgnette etc.

ALLGEMEINER CHOR.
Dieses Glas dem Weinerfinder,
Aller Sorgenüberwinder,
Freunde stoßet an;
[63] Wollt ihr eure Grillen brechen,
Laßt uns küssen, laßt uns zechen!
Freunde, stoßet an!
FLEDERMAUS.
Auf! und füllt die Gläser wieder,
Trinkt noch mehr ihr wackern Brüder,
Bringts dem Herrn vom Haus –
Laßt ihn tausend Jahre leben.
Er soll Wein in Strömen geben
Und Ihr trinkt ihn aus.
CHOR.
Tausend Jahre soll er leben,
Wein in Strömen soll er geben!
Hoch der Herr vom Haus!
FLEDERMAUS.
Heuer weil der Wein gediegen,
Laßt uns trinken bis wir liegen!
Trinkt und füllt den Schlauch!
Bloß zur froher Trinker Fachsen,
Ist der Wein von Siebzehn g'wachsen.
Und der Eilfer auch!
CHOR.
Ja zur froher Trinker Fachsen,
Ist der Wein von Siebzehn g'wachsen,
Und der Elfer auch!

Allgemeines Jubelgeschrey. Vivatrufen.
WINTER
steht auf und wirft die Serviette hin.

Die Tafel ist aufgehoben, Allons, wer Lust hat, geht zum [64] Spiele! Würfel oder Karten, ich wags mit Euch! Öffnet eine große Schatulle und schüttet Gold auf die Tafel. Parfaite Egalitée Messieurs, allons faites votre jeu! Die Spieler drängen sich an den Tisch und besprechen sich untereinander.

WINTER.

Ihr Herren, ich hab euch anzuzeigen, daß ich weder falsche Würfel, noch markirte Karten bey mir führe. Ich will euch dadurch nicht zu nahe treten – aber ihr habt mich grausam behandelt. Ohne Rock mußte ich von euch, so arm, daß ich kaum vor die Thüre konnte, aber Fortuna hat sich meiner nicht geschämt; und nun ich wieder reich bin, seyd selbst ihr so gut, euch meiner nicht zu schämen.


Die Spieler entschuldigen sich durch Gebärden.
ERSTER SPIELER.
Wie es nun schon geht! Zum Glück, daß ich nicht –
WINTER
böse.

Gerade du warst es, der mich am meisten plünderte; du, du, allein zogst mir Emiliens Ring vom Finger, jetzt liegt mir freylich wenig an diesem Tand! doch damahls – Besinnt sich. zum Spiel ihr Herren! Muth! Muth! Wenn sich das Blättchen heute wenden, wenn ihr alles verlieren sollt, so bleibt euch doch ein Trost, – um den Strick könnt ihr noch immer spielen!

FLEDERMAUS
der bis zu dieser Stelle bey der Tafel saß, steht schnell auf, und sagt nach dieser Rede.
Wünsch allerseits, daß es wohl anschlägt.
EIN SPIELER.

Ha, Übermüthiger! Das ist [65] zu viel! Wohlan, noch ein Mahl das große Spiel. Alles oder nichts! Aber jetzt halte ich die Bank! Reißt einen ungeheuren Geldsack auf den Tisch. Hier sind hundert Louis'dor. Hier zwey Mahl so viel in Bankopapieren. Hier sind Perlen und Schmuck; unten am Hause meine prächtige Equipage mit vier stolzen Pferden. Wer tritt mit mir in die Schranken? Freunde, Karten her, meine Karten! Er nimmt die Karten vom Tisch und schleudert sie weg. Vertraut auf mich, ihr Brüder, und wir werden gewinnen!

WINTER.

Auf das trink' ich! He da, ein Glas Champagner! Treuhold bring' mir's zu! Du magst indeß dich mit den Übrigen unterhalten. Geht nur hinüber in den Tanzsaal; wir wollens mit der Frau Fortuna hier versuchen.

TREUHOLD
schenkt ihm ein.

Stoß an Bruder Sommer, in diesem Leben wird's nimmer Winter! Vivat! das Glück soll leben, und alle Mädeln, die mich lieb haben!


Sechs nett gekleidete Mädchen treten vor.
DIE MÄDCHEN.
Hoch! süßer Schmetterling, Es gilt!
TREUHOLD.

Musik voraus! Spielt einen zierlichen Marsch; wir gehen zum Tanz. Du, Zachariesel, oder mit deinem neuen Nahmen Chretien bleibst als Oberstbedienter hier.


Marsch. Die Harmonie und Musik spielt einen kurzen Marsch; Fledermaus mit den Mädchen ab.

[66]
9. Scene
Neunte Scene.
Vorige ohne Fledermaus und die Mädchen.
Die Spielbank hat sich inzwischen geordnet. Erster Spieler gibt Bank.

Halbzwölf; ihr Herren, haltet! keiner rühre eine Karte an. Alles bezahlt doppelt!

WINTER.

Recht so! Die Karte thut ihre Schuldigkeit. Ich gratulire. Muth, Muth. Wer zuletzt lacht, lacht gut. Sie spielen fort.

10. Scene
Zehnte Scene.
Emilie. Sie sieht Zachariesel an der Seite und winkt ihm leise.

EMILIE.
Wo ist dein Herr?
ZACHARIAS.
Beym Heißabsieden. Deutet auf das Spiel.
EMILIE.
Schon wieder beym Spiel?
ZACHARIAS.
Zu dienen!
EMILIE.
Was spielen Sie?
ZACHARIAS.

Ein nobles Spiel; habs auch schon mitgemacht, heißt Halberzwölfe; ich hab immer um halber Eins kein Geld mehr g'habt!

EMILIE.
Ach Gott, ich fürchte!
ZACHARIAS.
Sorgen Sich Ew. Gnaden nicht, wir verlassen uns auf den Mantel!
[67]
EMILIE.
Warum wurde ich nicht zur Tafel gerufen? Warum mußte ich auf meinem Zimmer speisen?
ZACHARIAS.
Hätt' sich ja nicht g'schickt, waren ja andere Damen da!
EMILIE.
O ich Unglückliche! Ab.
11. Scene
Eilfte Scene.
Vorige, ohne Emilie.

WINTER.
Mir ist leid, meine Herren, aber nun spatzieren plötzlich alle Goldstücke zu mir herüber.
ERSTER SPIELER.
Verflucht! Andere Karten! Unterm Tisch mit diesen!
ZWEYTER SPIELER.
Andere Karten!
ALLE SPIELER.
Frische Karten!
WINTER.
Poltert nicht so, ihr Herren, ihr habt diese ja selbst mitgebracht.
ERSTER SPIELER.

Hier sind ganz neue Pariser Spiele. Und da Er glücklich ist im Pointiren, so soll er jetzt die Banque geben.

WINTER.
Mit Vergnügen!
ALLE.
Ja, ja, die Banque!
ERSTER SPIELER.
Zwey tausend Louisd'ors Revange! Und nichts retiriren.
WINTER.
Mit Vergnügen, ihr Herren!
[68]
ERSTER SPIELER
wild.
Ausgeben!
WINTER.

Ruhig! ich bin bescheidener als Ihr. Da nehmt alle Figuren. Ich spiele offen mit euch und zeichne keine Karten, schlage auch nicht spitzbübisch voyta; aber das Strafgericht kommt heim, ihr Herrn; es kommt heim!

12. Scene
Zwölfte Scene.
Rosel. Vorige.

ROSEL
winkt dem Zacharisel.
Du geh her da.
ZACHARIAS.
Ew. Gnaden. Das Du hör' ich gar nicht mehr gerne.
ROSEL.
Hör auf, du Einfaltspinsel, wie soll ich denn sagen zu dir?
ZACHARIAS.
Sie, Musije ist meine Freude!
ROSEL.
Laß dich nicht auslachen.
ZACHARIAS.
Ja, Musije Bub ist mir das Liebste. Das klingt so nobl, so elegant!
ROSEL.
Wo ist mein Bräutigam?
ZACHARIAS.
Auf dem Ball mit seinen neuen Amouren.
ROSEL.
Was?
ZACHARIAS.
Ja, ja mit sechs Mädeln auf einmahl!
ROSEL.
Und heute Mittag?
ZACHARIAS.
Haben wir hier große Tafel g'habt, dort steht noch alles.
[69]
ROSEL.
Ich hab auf meinem Zimmer gegessen.
ZACHARIAS.
Das weiß ich.
ROSEL.

Hast du vielleicht vergessen, mich zu holen. Nun glaubt Treuhold gewiß, ich hab nicht kommen wollen, weil er mir immer vorwirft, daß ich mich unter die noblen Leut nicht finden kann.

ZACHARIAS.

Gott bewahre! Lacht. Seitdem mein Herr Augen im Kopfe hat, schaut er andere hübsche Weibichen auch an.

ROSEL.
Ist das wahr? Ach! Ich muß allein zu Hause bleiben, und mein künftiger Mann schwelgt mit andern –
ZACHARIAS.
Wenn Sie's Geld mitnehmen, will ich Ihnen ausführen.
ROSEL.
Unverschämter Bube! Schlägt ihn auf die Hand. Ich will dir Respect lehren! Ab.
WINTER
steht bey dem Schlag auf.
Was hat so geklatscht?
ZACHARIAS
hält die Hand ins Gesicht.

Ew. Gnaden, eine brennende Wachs-Kerzen ist mir in's G'sicht g'fallen und die hat so geklatscht. Halb laut für sich. Da hab ich's, die hat mich auszahlt. Wieder ein wahres Sprichwort: Wer die Wahrheit geigt, dem schlägt man den Fidelbogen ums Maul.Er hält sein Gesicht. Wenn heute Ohrfeigen im Kalender stünde, das wäre ein unglücklicher Tag!

[70]
13. Scene
Dreyzehnte Scene.
Vorige ohne Rosel.

ERSTER SPIELER.
Tod und Hölle! Teufel und Satan! Alles verloren. Er zerreißt die Karte, und wirft sie hin.
WINTER.
Ruhig doch! ruhig! Nichts angerührt. Sie sehen, ich habe neuerdings halber zwölfe!
ALLE SPIELER.
Wir sind rein ausgesogen.
ERSTER SPIELER.
Alles ist in seinen Händen.
WINTER.
Ich danke.
ERSTER SPIELER.
Und diese teuflische Kälte! –
WINTER.

Alles von euch gelernt, ihr Herren, nun will ich euch noch ein Bischen verhöhnen, und wenn ihr nichts mehr habt, zum Haus hinaushetzen; hüthet euch alles zu verspielen, ich räche mich schrecklich an euch!

ERSTER SPIELER.
Nein fort! Beym letzten Gulden kann sich das Glück wenden.
ALLE.
Aufgemischt!
ANDERE.
Neue Karten!
ERSTER SPIELER.
Schmuck und Perlen setz ich dran! Va Banque!
ALLE.
Unsere Uhren dazu!
EIN AND.
SPIELER. Hier Ringe! Hier ein Portefeuille! Hier eine Brillantnadel; hier eine goldene Dose.
[71]
ERSTER SPIELER.
Ich setze meine Equipage noch dazu!
WINTER.

Es sey! Chretien laß sie ins Haus fahren. Bestell' auch gleich die Waldhornisten. Ich hab sie nöthig!

ZACHARIAS.
Jetzt kanns angehen! Gleich, gleich, Ew. Gnaden. Er läuft ab.
ALLE.
Abgezogen!
ERSTER SPIELER
freudig.
Eine Figur! Bekommt eine Karte. Resto!
WINTER.
Offnes Spiel! Er schlägt seine Karte auf. Ich bin nicht so glücklich. Ich habe eine Drey!
ERSTER SPIELER.
Ich gratulire.
WINTER
er schlägt eine Karte auf.

Viktoria auch eine Figur, nun athme ich wieder freyer! Er schlägt eine zweyte Karte auf. Eine Fünf. Fünf und drey macht acht und die Figur halb neun – nun da bleibt doch sonst ein Philister; aber Ihr Herrn, ein Philister bin ich nicht! Darum Alles oder Nichts!Schlägt die Karte um. Eine drey!!! Seht her, Ihr Herren, wieder Halbzwölf! Vivat! Trinkt und wirft das Glas weg. Fortuna du sollst leben!


Die Hornisten sind inzwischen eingetreten.

Blas't! Blas't! das Glück leitet mich. Zahlt nun doppelt, Ihr Herren, wenn Ihr könnt. Ach! ausgesäckelt seyd Ihr nun; voll Kummer, voll Gram und voll bleicher Gesichter. Das wäre vielleicht genug.[72] Ja, ihr seyd mir sogar noch schuldig – allein ich will mir nur noch einen Spaß mit euch machen. Gleiches mit gleichem! Wie ihr mir gestern so ich heute. Die Röcke herunter!

14. Scene
Vierzehnte Scene.
Zacharisel kommt zurück. Vorige.

ZACHARIAS.
Der Wagen ist im Haus.
WINTER.

Die Pferde sollen ausgespannt und in meinen Stall geführet werden. Den Kutscher jag zum Teufel! Rüstig! die Röcke herunter!


Die Spieler stehen in stummer Verzweiflung da, und zaudern.
WINTER
höchst übermüthig.

Herunter mit den Röcken, oder ich lasse meine Leute kommen und Gewalt brauchen, daß die Stadt zehen Wochen alle Fremden mit Anekdoten von euch füttern soll.


Die Spieler ziehen sich alle aus.
ZACHARIAS.
Vivat! Jetzt wird Ausziehzeit g'halten!
WINTER.

Jetzt fort! fort! Und Ihr blas't sie zum Thor hinaus. Süß ist die Rache! Süß! vivat mein Gluck! Vivat Fortuna!


Sie gehen langsam unter der Waldhornmusik ab.
ERSTER SPIELER
kehrt an der Thüre um, still und feyerlich zu Winter.

Übermüthiger im Glücke, Tyrann, weil dich Fortuna begünstigt, triumphire nicht zu sehr; Jahre können dir Heil bringen, doch eine Minute, eine einzelne Sekunde ewiges Elend![73] Wir ziehen im Jammer ab, dein Schicksal schütze dich nur vvr gleichem Unglück; daß du nie mehr verarmen mögest! Rache ist süß, sagst du; auch ich dürste darnach. Noch hab ich einen Schuldbrief von dir; ich wäre für den Augenblick glücklich, wenn du ihn einlösest; aber nein; ich will darben, so lange darben, bis es dir wieder übel geht, und dann sehen wir uns, dann, Schlägt ihn teuflisch auf die Schulter. dann Revange! Geht ab.

15. Scene
Fünfzehnte Scene.
Winter. Zacharisel.

WINTER
lacht ihm nach.

Ha, ha, ha! Armseliger Schwätzer! mit dir komm ich dießseits und jenseits in keine Collisionen mehr, und hätte ich dir statt Gold, auch meine Sele verschrieben. Ich glaube, Emilie war hier, was wollte sie? Klagen, Vorwürfe machen etwa von zärtlicher Liebe und Eintracht reden – du hast sie doch gleich expedirt.

ZACHARIAS.
Ja, ich hab sie schnell fortgeschummelt –
WINTER.
Was sagte sie?
ZACHARIAS.
Gesagt hat sie wenig, aber mir ist, als wenn sie geweint hätte.
WINTER
leichtsinnig.

Wird schon noch mehr weinen! Eine Fatalität wäre überstanden! Lacht. mit meiner [74] Braut werde ich auch noch fertig werden, da ich die Köpfe falscher Spieler beugte. Will ab.

ZACHARIAS.

O Ew. Gnaden, ich bitte unterthänigst noch auf ein Wort, ich hab mein Viktorl herbestellt, weil Sie erlaubt haben, daß wir zusammen heirathen dürfen.

WINTER.
In Gottes Nahmen, vielleicht reut's dich auch wieder.
ZACHARIAS.
Warum nicht gar! Ich bin nicht so damisch!
WINTER.
Bursche!
ZACHARIAS.

Ew. Gnaden nicht bös' werden, ich brauch Ihre Huld heute weiter. Ich hab' kein Geld – und einen geizigen Wirth zum Schwiegervater.

WINTER.
Wie viel brauchst du denn?
ZACHARIAS
sieht auf die Gold-Chatoulle.
Mit einem Griff auf diesen Tisch wär mir geholfen.
WINTER
sehr aufgeräumt.

Narr, greif zu! Nimm dir so viel du willst, und das andere bring in mein Zimmer! Jetzt zu Emilie, den letzten entscheidenden Gang gemacht, dann zu Sophie! Ab.

16. Scene
Sechzehnte Scene.
ZACHARIESEL
sieht nach den Schätzen auf dem Spieltisch.

Narr! greif zu? Nimm dir so viel du willst? O jerum, warum hab ich jetzt nicht Hände wie der große [75] Christoph, und Taschen, so tief wie der Stadtgraben. Wenn ich nur jetzt g'schwind einen Sack hätt' Ha, ha, weiß schon was ich thu. O mein guter, lieber Herr soll leben! Er nimmt das grüne Spieltuch und packt alles zusammen. Ich glaub', ich werde schier alles nehmen, das ist wirklich so viel als ich will – Wills aufheben. o Jenime! ich kanns gar nicht heben! Er wirft bald einen bald den anderen Sack hinab, tummelt sich und wird immer konfuser.

17. Scene
Siebzehnte Scene.
Vorige. Viktorl.

VIKTORL
tritt leise herein.
Ew. Enaden –
ZACHARIAS
erschrickt und läßt das Tuch fallen.
Was ist's?
VIKTORL.
Ich bitt um Verzeihung, daß ich so herein tritt, ich hab meinen Zacharisel gesucht –
ZACHARIAS.

O jerum mein Viktorl. Das ist g'scheid, die kennt mich nicht, weil ich so nobl ausseh! Hochdeutsch. Was will sie mein Kind?

VIKTORL.
Ist mein Zacharisel ausgegangen?
ZACHARIAS.
Ja ich glaube –
VIKTORL.
Darf ich fragen, wohin denn?
ZACHARIAS.
Ich glaub, er will sich inoculiren lassen.
VIKTORL.
O mein Gott! Er ist ja schon zu alt dazu!
[76]
ZACHARIAS.

Ja, er hat gesagt, er will sich statt Kuhpacken, Ochsenblattern einnimpfen lassen, das ist für seine Natur besser!

VIKTORL.
Wenn er etwa stirbt, der arme Teufel ist schwach –
ZACHARIAS.
Dann bin ich da und biethe dir meine Hand an –
VIKTORL.

Jetzt gehens, ein so vornehmer Herr. Sie reden ja so hochdeutsch, daß ich Sie beynah' gar nicht versteh.

ZACHARIAS.
Das macht nichts! Ich kann auch gemein reden wie ein Hausmeister –
VIKTORL.
Und der schöne Anzug, das Gold. Ist das ein' Uniform?
ZACHARIAS.

Nein, eine Livrée. Besinnt sich und schlägt sich auf den Mund. Ja, ja eine Uniform. Eine Gallauniform von dem neuen Stadtregiment Bretlhupfer-Infanterie! Ich bin Flügelmann dabey.

VIKTORL.
Da muß ich wohl gar Ew. Durchlaucht sagen.
ZACHARIAS.
Nein, bloß du. Besinnt sich. Ich bin nicht stolz – also Mädchen, kannst du mich lieben?
VIKTORL.
Ich bin ja nicht frey –
ZACHARIAS.
Hör auf, du Schelminn! Sieh mir in mein schmachtendes Auge! könntest du mir gut seyn?
VIKTORL.

Warum denn nicht. Sie wären mir [77] auf jeden Fall lieber, als mein Zachariesel; der Kerl ist so dumm wie ein Kleiderstock –

ZACHARIAS.
Was?
VIKTORL.
Und ich bitt Ihnen, jetzt ist er 26 Jahr alt, und noch immer ein Lehrbub –
ZACHARIAS.
Ha, Falsche, das sollst du büßen!
VIKTORL.
Hören's, Ew. Gnaden, er ist ein Schuster, kann sich aber nicht einmahl die Stiefeln doppeln. –
ZACHARIAS
laut.
Nun wart, jetzt werd' ich dich doppeln –
VIKTORL
erkennt ihn.
Was seh ich?
ZACHARIAS
komisch zornig.

Einen Tyrannen! Das ist deine Liebe zu mir? Geht wüthend auf und ab. Ich bin so dumm wie ein Kleiderstock, noch immer ein Lehrbub, und kann mir nicht einmahl die Stiefeln doppeln? Ha! das schreyt nicht, das brüllt um Rache! Fort von hier!! Treu-Vier-Fünf-Lose! Wie du mich anschaust, bin ich ein Bedienter, in wirklichen Diensten bey einem Cavalier, darf Speisen auftragen, und essen was über bleibt; darf im Vorzimmer zuhören, wenn bey der Herrschaft Musik ist, darf hinfahren, wo der Kutscher will, nur muß ich hint aufstehen, kann bey der Nacht in einem Herrschaftshaus schlafen, und hab so gut ein Portier beym Thor wie mein Herr – doch ich zieh [78] jetzt meine Hand von dir, und seh dich nie mehr an.

VIKT
bittet.
Zachariesel! lieber Zachariesel!
ZACHARIAS.

Viktorl heiß ich – ich will sagen Chretien! Bitte mich nicht. Da schau den Reichthum an. Öffnet das Tuch auf der Erde. Alles das gehört mein, mein Herr hat mir's geschenkt. Aber nichts brauch ich jetzt, nichts! – ich verstoße dich und alle unsere künftigen Kinder –

VIKTORT.

Zacharisel, sey nur kein Narr, ich nimm ja alles wieder zurück. Schau, ich hab dich auch als gnädiger Herrn für einen Dalken gehalten und hab dich gefoppt, weil mein Herz von dir nie lassen kann – Zachariesel, wer könnt dir denn Feind seyn, wennst so viel Geld hast?

ZACHARIAS.
Das glaub ich selber; also hast mich wirklich für einen Dalken gehalten?
VIKTORL.
So wahr ich leb!
ZACHARIAS.

Wie glücklich bin ich! Ha, ich habe dich geprüft. Nun bist du mir doppelt werth. Komm an mein Herz, du treue Seel. Nun soll uns nichts mehr scheiden, als der Tod. Er umarmt sie. O mein Viktorl!

VIKTORL.
O mein Zacharisel!
[79]
18. Scene
Achtzehnte Scene.
Der Wirth. Vorige.

WIRTH.

So geht's zu in diesem Räuberhaus? Der Herr laßt mich ins Polizeyhaus statt seiner führen, jetzt komm ich erst heraus, und der Bediente verführt mir meine Tochter.

VIKTORL.
Vater es ist mein lieber Zacharisel! mein Zacharisel!
WIRTH.
Das ist noch schlechter! O du Schelmengesicht, wenn ich dich nur gleich erwürgen könnte. –
ZACHARIAS
drückt ihn zurück.

Ruhig! Bierzeiger! hieher schau und verstumme. Das hier ist alles Geld und Geldeswerth, das gehört alles mein. Willst du mir deine Tochter zum Weibe geben?

WIRTH.
Was ist das – Geld?
ZACHARIAS.
Schau nur her, Nimmersatt, freylich Geld, nichts als Geld –
WIRTH
durchsucht den Bündel.
Meiner Treu! Etwas freundlich. Und das gehört alles seyn? Etwa Kralawath?
ZACHARIAS.
Soll ich – grob werden? –
VIKTORL.
Alles gehört seyn, lieber Vater, sein Herr hat's ihm geschenkt!
WIRTH.
Ah! Das ist etwas anders!
ZACHARIAS.
Ich mein es selbst!
[80]
WIRTH.
Ich bitt' um Verzeihung, ich war in Gedanken. Das ändert freylich die Sache. Wie viel kann es seyn?
ZACHARIAS.
Wenigstens eine Viertel-Million.
WIRTH.

Was? – Viktorl, wo bist denn? Gehst her, und laß dich segnen? Eine Viertel Million. Schaut die Sachen noch ein Mahl an. Schmuck und Perlen; es kann schon so seyn. Grob. Legt's die Hände in einander, ich geb euch meinen väterlichen Segen. Bricht schnell ab. Aber, a propos! Wenn das alles wieder zu Wasser würde; die Leute reden in der Stadt ja stark, daß in diesem Haus der Teufel –

ZACHARIAS
rasch.
Still, nichts von unserm Wohlthäter –
WIRTH.
Desto schlimmer. Nein, ich geb' meine Einwilligung nicht. Das könnte alles wieder in Rauch aufgehen.
ZACHARIAS.

Wie der Herr dumm ist. Wenn das Geld in der Welt alles verschwinden sollt', was oft ärger als durch den Teufel zusamm gescharrt wird, so wär' so mancher reiche Mann ein Bettler. Fürcht' sich der Herr nicht; diese Schätze bleiben schon bey uns.

WIRTH.

Ich bin einverstanden. Da nehmts einander, liebt's euch so lang's Geld dauert, und gehts in mein Wirthshaus essen, so will ich euch [81] bavon helfen. Beyde umarmen den Alten. Vivat! Wir sind ein Paar!

WIRTH.
Ich gratulire!

Terzett.
ZACHARIAS.
Wie glücklich, Viktorl,
Hast du mich gemacht.
Nun heißt es gesungen,
Geherzt und gelacht.
Zur Hochzeit zur Hochzeit,
Welch Glück auf der Welt;
Drum sag ich, was kann man
Nicht alles durch Geld!
VIKTOR.
Du bist nun mein Alles,
Mein Schirm und mein Schutz,
Bist jetzt erst zu schätzen
Obgleich sonst nichts nutz.
So ändert sich alles
Nur Summen gezählt,
Drum sag ich, was kann man
Nicht alles durch Geld.
WIRTH.
Seyd glücklich, mein Segen
Beschirm eure Bahn,
Die Armen nur laufen
Und rennen Stock an,
Die Reichen marschiren
Gemach durch die Welt,
Drum sag ich, was kann man
Nicht alles durch Geld!

[82] Duett.
Sie theilen die Schätze und schwingen sie in die Höhe.

Juhe Geld und Geldeswerth
Wird von Alt und Jung geehrt;
Ja das Sprichwort wohlgefällt,
Alles kann das liebe Geld!

Sie tanzen freudig ab.
19. Scene
Neunzehnte Scene.
Türkisches Zimmer in der Nähe des Balles.
Fledermaus zieht Sophie herein. Sophie, der weibliche Dämon, hat hier, den gemeinen Schuster Fledermaus zu bestricken, die Manieren seines Standes und die Koketterien der Weiber aus seiner Umgebung angenommen.

FLEDERMAUS.

Hier sind wir allein, göttliche Sophie, hier laß meinem Herzen Luft, dir seine Gefühle zu sammeln. O! Mädigen vernimm die Versicherung, daß ich nicht mehr leben kann ohne dich. –

SOPHIE.
Jetzt hören's auf, Sie haben ja eine Braut!
FLEDERMAUS.

Die wollen wir in diesem Augenblick ingnoriren. Ich sehe nur dich, ich bethe nur dich an – Sophie erhöre mich.

SOPHIE.

Beschwören Sie mich nicht so; Sie wissen ja ohnehin, daß man Ihnen gut seyn muß; ein so vornehmer Herr mit so viel Geld, der darf heut zu Tag nur ein Mädel anschauen, so ist's schon weg. –

FLEDERMAUS
schwärmerisch.

Fühlst du das, Sophie? [83] Aber ich will dir auch den Himmel auf Erden bereiten. Du sollst keinen Wunsch mehr übrig haben. Alle will ich befriedigen.

SOPHIE.

Alle? Ach Gott, drum hab ich Ihnen gleich so lieb g'habt. Schon als gemeiner Schuster haben Sie mir gefallen.

FLEDERMAUS
ärgerlich.
Du lüg' nicht, damahls hast du mich nicht ang'schaut. Ich erinnre mich recht gut an dich.
SOPHIE.
Wie Sie reden. Wer Ihnen nicht gut seyn könnte, müßte ja gar kein Geschöpf seyn.
FLEDERMAUS.
Wesen halt ein, das bringt mich um!
SOPHIE.

Ja schaun's, Sie mögen's mir jetzt glauben oder nicht, aber Sie sind mein Alles. Sie sind zwar kein Adonis, au contraire, Sie sind auch kein Apollo, ganz im Gegentheil, aber Sie haben doch etwas so Liebes, Charmantes, Pagschierlichs, Manierlichs, daß man Ihnen gleich gut seyn muß, wenn man Ihnen sieht, – und daß einem völlig übel wird, wenn Sie einem lang ansehen. –

FLEDERMAUS.
In der That? O du Engel!
SOPHIE.

Ich wünschte mir nun nichts als einen kleinen Beweis von Freundschaft von Ihnen, auch ich würde Sie verehren, so lang ich lebe –

FLEDERMAUS.
Verehren? Bloß verehren? Kindchen, ein Mann wie ich, will Liebe.
SOPHIE.

Das Kindchen wird auch Liebe geben [84] und zwar kindliche Liebe, aber Worte sind doch nur Worte, ich möcht' halt lieber was Bestimmt's wissen. –

FLEDERMAUS.
O du Unschuld! Weißt du was, ich kauf' dir kostbare Kleider.
SOPHIE.
Jetzt gehn's mit den alltäglichen Sachen. Damit sinds heut zu Tage g'schwind bey der Hand –
FLEDERMAUS.
Ich kauf dir Spitzen, ächte Schwals. –
SOPHIE
freudig.
Ächte Schwals?! Das müßte freylich nicht übel lassen – doch das ist alles nichts für mich!
FLEDERMAUS.
Korallen, Perlen, Brillanten.
SOPHIE
schreyt freudig auf.

Perlen, Brillanten! In einem plötzlich mäßigen Tone. O mein Gott, das kennt unser eins ja gar nicht! Brillianten? Sagen Sie mir, seyn das so kleine glänzende Steine?

FLEDERMAUS.
Ja, ja, aber ich kauf dir große so groß wie meine Faust –
SOPHIE.
Wie ein Lusterglas vielleicht? nein, ich dank Ihnen, die mag ich nicht –
FLEDERMAUS.
Nun was willst du denn?
SOPHIE.

Sie müssen sich von Ihrer Braut trennen, bloß mit mir, bloß für mich leben, keinen andern Willen haben, als den meinigen, und alles thun, was ich befiehl. –

[85]
FLEDERMAUS
sieht sie an.
Sonst nichts? Ist wenig. Und was bekomm' ich dafür?
SOPHIE.

Mein Herz, o das ist unschätzbar! Sie, zaudern Sie nicht; ich bin zwar nur ein armes Mädel, aber mein Gefühl ist eine Million werth, und was ich für meinen Putz brauchen kann, wird in kurzer Zeit zwey Mahl so viel seyn. Besinnen Sie sich, so haben wir ausgeredt.

FLEDERMAUS
übermüthig.

Ich mich besinnen? Ein Mann, dem Goldgruben zu Befehle stehen wie einem Bäcken die Mundsemmeln sich besinnen? Da ist meine Hand! Meiu' Rosel kriegt den Laufpaß, ist ohnehin nicht mehr schön, wenn man nur einer treu ist. Ich geh mit der Mod!

SOPHIE
umarmt ihn.
Mein Alles!
FLEDERMAUS
umfaßt sie.

O du mein Mehr als Alles! der Bund ist geschlossen; hier ist gleich eine Drangabe. Er küßt sie. Nie hat mich das Mädel angeschaut, jetzt bin ich ihr alles, o Kapperl sey gegrüßt! –

20. Scene
Zwanzigste Scene.
Rosel tritt ein, Vorige.

FLEDERM UND SOPHIE
fahren auseinander.
FLEDERMAUS
faßt sich schnell.
Fürchte dich nicht Sophie, es ist nur meine Braut – geh Kind! Winkt.

[86] Zwey Sesselträger erscheinen.
FLEDERMAUS.
Setz dich in diese Chaise, Geliebte laß dich wieder in den Gartensaal bringen – ich folge sogleich –
ROSEL
sieht die Sophie voll Verachtung an.
SOPHIE
mißt sie mit einer Lorgnette, geht dann zu Rosel hin, und spricht.

Meine allerliebste Madame, Sie müssen schon nicht bös' seyn, daß Ihr künftiger Gegentheil mich itzunder frequentirt. Aber ich g'fall ihm halt besser. Sie setzt sich in den Sessel, wirft Küsse nach Fledermaus und wird abgetragen.

21. Scene
Einundzwanzigste Scene.
Rosel. Fledermaus.

ROSEL.
Ist das eine Aufführung für einen Bräutigam? Was muß ich sehen?
FLEDERMAUS.
Liebe Braut! Eine zweyte Braut.
ROSEL.
Du, der du mit mir eifertest; mich mit einem unschuldigen Menschen verdächtig machtest –
FLEDERMAUS.
Hör auf mit deinem unschuldigen Menschen –
ROSEL.

Ziehst mir eine andere vor! Das ist zu viel. Ha, ich weiß nicht, wie mein Blut so ruhig fließen kann, da ich sonst so leicht auffahren konnte. –

FLEDERMAUS.
Kapperl sey gegrüßts!
[87]
ROSEL.
Du hast mich also aus deinem Herzen hinausgestoßen?
FLEDERMAUS.
Zu Michaeli war's vierzehn Tag!
ROSEL.
Die da hat mich verdrängt?
FLEDERMAUS.

Die hat dich verdrängt. Schau, ich kann dieß einmahl nicht länger verhehlen, die schwarzen Haar haben mich unglücklich gemacht, du bist blond, aber die ist schwarz, und Schwarz ist halt schön, das ist schon ein Ding da hier, wie heißt man's den geschwind – so ein geschmackiges Wesen!

ROSEL.
O wärst du arm geblieben, so wärst noch brav –
FLEDERMAUS.

Ja das ist schon einmahl so; wir reiche Leute haben aufgeklärte Grundsätze. Weißt du was, heirathen wir uns nicht – ich schenk dir ein prächtiges Gut und eine große Summe – du kannst wieder deinen Husaren sehen, ich in meiner Lage bin zu vornehm um ein guter Ehemann zu werden!

ROSEL
schlägt die Hände zusammen.

Du Ungethüm, also nur im Elend war ich dir gut genug? Abscheulich – nein, keine Verwünschung, du bist nur verblendet, ich hätte Unrecht, dich jetzt mit Vorwürfen zu bestürmen, in solchen Fällen muß man kein Öhl ins Feuer gießen; ich überlasse dich deinem Schicksal. Ich nimm das Gut und Geld, was du mir biethest an, denn wer kennt die Zukunft und will dich nie mehr sehen –

FLEDERMAUS.
Das ist g'scheidt;
[88]
ROSEL.
Gib mir eine Schrift darüber.
FLEDERMAUS
freudig.

Ich gib dir gleich baar so viel, daß du auf dein Leben genug hast. Gibt ihr seine Brieftasche. Hier hast du Bankopapiere zu hohen Summen und den Kaufbrief von dem Gut in der Nähe. Macht eine komische Bewegung mit der Hand über den Kopf gegen den Rücken. Was da hinüber liegt! Nimm alles; Gib mir meine Freyheit, eifere nicht mit mir, verlang noch mehr, von mir, alles ist dein – aber laß mir nur meine Sophie, laß mir mein schwarz Mäuserl!

ROSEL
ruhig.

Ich bin zufrieden; ich werde dich nie mehr sehen. Ja ich fühls, ich hab dich lieb gehabt, aber gerad diese Lieb zu dir: macht daß ich deinem Willen nachgeben. Nehmen wir Abschied –

FLEDERMAUS.
Ja nehmen wir Abschied –
ROSEL.
Du scheidest von mir –
FLEDERMAUS.
Ich muß scheiden. Noch eine heiße Umarmung, die letzte, dann Adieu!
Duett.
FLEDERMAUS.
Liebe Rosel, ich muß scheiden,
Schau, es will mich nicht mehr leiden,
Kümmern soll sich keins von beyden,
Rosel nimm zurück dein Herz!
Über Männer Treu sich trüben,
Wenn sie eine andere lieben.
Noch ist keiner treu geblieben
Männerschwur ist Männerscherz!
[89]
ROSEL.
Lieber Treuhold ich will scheiden,
Will verbergen meine Leiden,
Will dich nun auf ewig meiden,
Will dir nicht mehr lästig seyn.

Mögst du's nimmermehr bereuen,
Was ich fehlte mir verzeihen,
Mir nur eine Thräne weihen,
Denn auch fern gedenk ich dein.
FLEDERMAUS.
Diesen Kuß der letzten Liebe,
Ja die Scheidungsstund' ist trübe
Wenn ich nur noch noble bliebe,
Ließ ich sicher nicht von dir!
ROSEL.
Immerhin du bist verblendet,
Hast dein Herz mir abgewendet,
Wenn nur alles gut noch endet,
Aber ach! es ahnet mir!
BEYDE.
Immerhin wir wollen hoffen,
Noch ist nicht das Ziel getroffen,
Aber noch der Himmel offen,
Lächle, Zukunft, freudenvoll!
Gieb uns Trost und Glück und Freuden,
Laß uns ohne Klagen meiden
Liebe Rosel ich muß scheiden;
Lieber Treuhold ich muß scheiden;
Noch ein Küßchen, lebe wohl! –

Beyde ab.

[90] Einundzwanzigste Scene.

Garten, von weitem Tanzmusik. Winter stürzt auf die Bühne.
WINTER
etwas benebelt.

Walzt Euch im Kreise, und sinkt taumelnd zur Erde! Euer Herr hat sein Joch abgeschüttelt, Emilie hat mir entsagt; Freyheit! Freyheit, goldene Freyheit! Dämilon! Dämilon!


Der Mohrenknabe erscheint.

Bring noch mehr von deinem Flammenwein! Er schmeckt köstlich und mundet mir!

Aus der Erde kommt ein goldener Schenktisch mit einer Bouteille und schönen Becher. Gierig drüber her. Schwarzes Mädchen, ewig dein! Hoch bey diesem Feuerwein, wenn die Erde untergeht, meine Liebe noch besteht! Gießt das Glas hinunter.

O könnt ich jetzt nur fortwalzen bis zum lichten Morgen, mein ganzes Leben sollte ein lustiger Tanz werden. Sieht in die Coulisse. Haltet euch aneinander, fest umschlungen, schwindelt Sinne; Erde drehe dich mit mir! O, welche Wonne! Er trinkt. Wein, Weiber, Tanz und Freyheit, und der Bettler ist ein König!

22. Scene
Zweyundzwanzigste Scene.
Haller. Winter.

HALLER
finster.
Wo ist meine Tochter?
WINTER
sieht ihn mit zusammengedrückten Augen[91] blinzelnd an.
Haha, der kommt sich ebenfalls was zu hohlen! Was beliebt?
HALLER
mit wilder Hast.
Wo ist meine Tochter?
WINTER
hönisch.
Sie zählt Geld, das steckt im Blute! Alter Geizhals, war ich freygebig?
HALLER.
Höllenmensch! sie zählt Thränen.
WINTER.
Dann fließen sie sparsam, wenn Sie sie zählen kann.
HALLER.
Ungeheuer, frevle nicht noch mehr. –
WINTER.

Du willst Geld? Ich kenne dich ja! Deine Tochter hab ich beglückt, du meintest, du würdest leer ausgehen. Dämilon, meinen Mantel!


Der Mohrenknabe bringt den Mantel.
WINTER
wickelt sich darein.

Schätze her für meinen ehrlichen Onkel. Auf der andern Seite vom Schenktisch gegenüber erhebt sich ein Tisch, worauf eine goldene Schatulle steht.

WINTER.
Da, Geizhals, Wucherer, Geldjude ist Gold. Sieh wie der Cours in der Hölle steht!
HALLER.

Ich verfluche dich! Ich verfluche die Stunde, wo ich dich sah. Mein Kind, will ich zurück; du hast sie mir verborgen, führe mir meine Emilie wieder in die Arme, und ich will dich segnen.

WINTER
lacht ihn grinzend an.

Weißt du noch wie ich kniend vor dir lag und um die Hand deiner Tochter bath, und du mich von dir stießest. Jetzt[92] kniee du! kniee du! Die Tyranney ist an mir, ich werde dich fühlen lassen, wie es einem Unglücklichen ist.

HALLER.

Mensch, mach mich nicht wahnsinnig, ich vergreife mich sonst an dir. Laß deine verfluchte Musik schweigen, damit du meine Klagen fassen könnest.

WINTER
will trinken.
HALLER
hält ihn zurück.
Uebertäube dich nicht durch Wein, und laß dein Gewissen endlich sprechen.
WINTER
wild.

Ich will nichts von dir wissen, ich will dich nicht hören; ich will Emilie nicht mehr sehen, ich will dich auf ewig verlassen. Doch da, nimm dein Geld, mach die Luft rein! In einer Stunde reise ich. Ich will dir deine Tyranney an mir vergeben, nur geh!

HALLER
packt ihn mit Wuth an.
Mein Kind, mein Kind! oder ich erwürge dich! Hier schweigt die Musik.
WINTER
schwingt seinen Mantel.
Ohnmächtiger Wurm, ich kann dich ja vernichten – Er taumelt ab.
HALLER
wie durch einen Schlag gerührt.
Brich armes Herz, weh dir alter Vater! mein Kind! mein Kind!
EMILIE
hinter der Scene.
Vater! Vater!
HALLER.

Ihre Stimme! Ach Gott, wo werde ich sie finden. Knieet nieder. Vater, da oben, der du aller Menschen dich gnädigst erbarmest, nimm [93] auch mein Bitten an, und gib mir Licht in der Nacht meines Kummers! Wenn das alles nur eine Prüfung ist, so ende sie bald; es ist zu viel, ich kann es nicht ertragen. Hast du mich zu strafen beschlossen für meinen Geiz, und meine Habsucht; ich habe diese Laster verabscheuen gelernt, ich bin ein besserer Mensch geworden. Nur meine Tochter gib mir wieder, und gerne will ich deinen Willen ertragen! Ab.

EMILIE
ruft.
Vater! Vater!
HALLER.
Ich komme, ich komme!

Er eilt ab.
23. Scene
Dreyundzwanzigste Scene.
Fledermaus und Sophie.

FLEDERMAUS
trocknet sich den Schweiß ab.

Ich hab getanzt, wie noch kein Mensch, so lang der Langaus erfunden ist. Lieber Schatz, du vergibst schon, ich muß was aufsetzen. Da könnt' man ein rhevmatisches Kopffieber kriegen, daß es eine Freud ist! Komm her Kapperl! Er setzt die Wunderkappe auf. So, liebe Sophie, also mit meiner Rosel ist alles in Ordnung, das hab ich dir gesagt – ich bin srey und ledig, ich leb' nur für dich – du willst wir sollen reisen, gut, ich bin dabey; meinetwegen in die Türkey, wenns seyn muß.

SOPHIE.
Nur fort von hier! nur fort. Es hält mich nicht länger mehr.
[94]
FLEDERMAUS.

Nach Italien; dort sollen die Guitarren auf den Bäumern wachsen; wir müssen als so lustige Leut, in ein musikalisches Land. Aber du – wir reisen doch allein?

SOPHIE.
Ganz allein!
FLEDERMAUS.

Mein guter Freund geht nicht mit uns! Ich habe bemerkt, daß du ihm so schön thust wie mir. Mädigen, solche Sachen muß ich mir verbitten. Ich muß eine Geliebte allein haben, sonst spiel ich lieber gar nicht.

SOPHIE.

Für solche Beweise von Liebe, wie du mir gegeben, für solche kostbare Geschenke, bin ich auch dir nur gewogen.

FLEDERMAUS.

Das will ich hoffen. Also auf ewige Verbindung! Schau, da steht Wein. Da trinken wir gleich drauf. Er schenkt Wein ein und reicht ihr einen Becher. Trink!

SOPHIE
gierig nach dem Becher.
Auf ewige Verbindung. Die deutschen Tänze fangen wieder an.
FLEDERMAUS
trinkt.

Hussa! Mir kommt's wieder in die Füße! Halt's eng z'samm! Er strampft. Noch ein Glas! Trinkt. Noch eins! Trinkt rasch und gierig. Mädel, jetzt mach dich reisefertig. Wenn der Deutsche gar ist, sind wir schon in Neapel beym feuerspeyenden Berg! Er taumelt und reibt sich die Stirne.

SOPHIE.
Die Stunde naht! Sie entschlüpft.
[95]
24. Scene
Vierundzwanzigste Scene.
FLEDERMAUS
betrunken.

Sein Rausch ist nicht gemein. Er entwickelt sich immer heiterer. Er bemerkt nicht, daß Sophie fort ist, und schlägt auf den Tisch. Ich seh mich schon sitzen, neben dir Sophie, in einem goldenen Postwagen mit sechs Pferde bespannt – mit sechsen? was sag ich, So phie? mit zwölf Pferden bespannt. Ja, ja, So phie, du mußt mit zwölf Pferden fahren, das thu ich gar nicht anders. Er taumelt nach dem Glase und schenkt sich wieder ein. Kuriose Flasche, die wird gar nicht leer! Jetzt hab ich wenigstens schon zweytausend Gläser draus getrunken, und sie ist noch alleweil voll. Ich glaub, das macht mein Kapperl. Er will es herab nehmen und findet es nicht. Nun, wo ist es denn? Ich glaub es versteckt sich vor mir – Sieht sich um. Wo ist denn meine Sophie? Versteckt sich diese auch vor mir? Weiß schon, sie wird sich reisefertig machen. Ist recht, ist gar ein schönes Mädel, ein gutes Mädel, ein braves Mädel, ein liebes Mädel, und was das schönste ist, ein schwarzes Mädel! Vivat! das schwarze Mädel soll leben!!!

25. Scene
Fünfundzwanzigste Scene.
Winter. Fledermaus.
Sehr stark betrunken, taumelt herein.

WINTER.

Ich hab noch Wein stehen lassen Das weiß ich! So oft sich der Mensch zürnt, hab ich ein Mahl wo gehört, soll er trinken. –

[96]
FLEDERMAUS
sieht ihn.

Bravo, Herr Patron – ich trink aber auch, wenn ich mich nicht zürne. Wo sind Sie denn so lange gewesen, daß ich Ihnen nicht gesehen habe. –

WINTER.
Bruder, gut, daß du da bist! Wir reisen!
FLEDERMAUS.
Ja, Bruder!
WINTER.
In die Welt, nach Paris!
FLEDERMAUS.
Ueber Neapel!
WINTER.
Bruder, lebe wohl! Ich gehe rechts. –
FLEDERMAUS.
Bruder, und ich links!
WINTER.
Ich geh' mit meiner Sophie.
FLEDERMAUS.

Und ich geh auch mit meiner Sophie. Besinnt sich. Bruder, verzeih mir, jetzt weiß ich nicht, gehst du mit meiner Sophie, oder geh ich mit der Deinigen?

WINTER.

Es ist nur eine, das ist die meine! – Sie hat mir so eben dieses Billet in die Hand gedrückt, das muß ich nachlesen. Sapperment. Er wickelt das Papier auseinander. Mir ist als wenn ich vier Augen hätte! Ich seh alles vierfach!

FLEDERMAUS.
Und ich habe einen Regenbogen auf meiner Nase. Ich sehe alle Farben.
WINTER.
Hör' zu, ich will nun doch sehen, ob ich lesen kann.
WINTER
etwas fester, und nach der Lesung des Briefes muthwilliger, liest.

»Beyde habt ihr mir Liebe [97] geschworen! Beyde wollt ihr mit mir fliehen. Allein mit Zauberern und Teufelskünstlern zieh ich nicht! Ich stelle euch nun auf die letzte Probe. Ihr habt Reichthümer euch gesammelt, wozu braucht ihr ferner Satanshülfe! Stoßt eure Höllengeschenke von euch, und wer der erste ist, der sich im menschlichen Kleide zeigt, wird mich besitzen.«

Sophie.

WINTER
reibt sich die Augen.
Hab' ich recht gelesen?
FLEDERMAUS.

Sie stichelt auf den Doctor Faust seine Verlassenschaft. Herr Bruder! mir scheint das schwarze Mädel hat Recht. Geld haben wir, was brauchen wir die Fetzen. –

WINTER
stolz.

Ja wohl, bis hierher waren sie gut genug! Sophie sieht heller als wir, ich hab es oft in meine Ohren gehört, ich sey überall gefürchtet aber nicht geliebt. Stampft auf den Boden. Basta, ich will geliebt seyn! Mein Glück wird mich nicht verlassen Hab ich doch erst falsche Spieler besiegt ohne Mantel. Ich bin's, der glücklich ist, nicht dieser Lappen.

FLEDERMAUS.

Versteht sich! In uns liegt das Glück, denn diese Fetzen zu finden, wußte ja nur unser Glück. Sonst hätt' sie ja ein Anderer erwischen können! Darauf noch einen Tropfen. Das weiß der Teufel! Je mehr ich jetzt trink, desto g'scheidter red' ich, und desto heller denk ich. Wenn [98] das so fortgeht so kann ich auf die letzt noch meine eigenen Gedanken errathen. –

WINTER
trinkt.

Auch mir wirds hell und klar im Kopfe, und ich bin so muthig wie ich nie war. Sophie, ich bin der erste! Sieh, hier nimm mein Opfer, ich entsage dem Teufel, und komme zu dir reinen Engel!

FLEDERMAUS.
Meine Kappe wird früher fliegen!Beyde legen Hand an, ihre Kleinodien wegzuschleudern.
WINTER.

Halt! Noch eins! Was machen unsere Bräute; die müssen wir doch noch sehen! Zum Abschied, Mantel, zeig uns unsere verlassenen Schönen.

FLEDERMAUS.
Ja wohl Käppchen! Dann zu dir Sophie! Sie schwingen ihre Zauberzeichen.

Die Baumgruppe auf der hintern Gartenwand öffnet sich. Großes Tableau. Musik. Nöthlich erleuchteter Saal. Hymen im weißen Flügelkleide steht auf einem
Opferaltar, worauf eine blaue Flamme brennt. Die Mädchen knien, und heben die gefalteten Hände hoch empor. Hymen schwingt eine Palme. Die Mädchen schauen mit freudigem Blicke auf die Lichtgestalt. Die Baumgruppe schließt sich wieder.
WINTER.
Sie find getröstet. Jetzt hab ich keinen Wunsch mehr!
FLEDERMAUS.

Mein Rosel hat so hübsch ihre Augen aufg'schlagen, daß ich mich bald wieder in sie verliebt hätt', wenn ich die Sophie nicht kennte. Sie ist mir viel schöner vorkommen. Natürlich, sie finden sich schon ganz in ihr Schicksal. Und endlich, [99] Hr. Bruder, wenn uns auch einst ohne Mantel und Kappe die Schätze ausgehen, so kehren wir zu unseren Amouren zurück, die haben wir ja reich gemacht; hat man den Weibern alles verschrieben, und der Mann macht Crida, dann geht das gute Leben erst wieder an, das ist ja was altes!

WINTER
hat seinen Mantel inzwischen losgebunden.
Die Probe ist bestanden! Was vermag nicht treue Liebe!
FLEDERMAUS
bemerkt dieß.

Ich bin der Erste! Sie schleudern ihre Zauberzeichen von sich. Ungeheurer Donnerschlag. Blitz. Wilder Accord in der Musik. Kappe und Mantel verschwinden unter feurigen Wolken.

WINTER.
Nur zu! Der Abschied muß schrecklich seyn!
FLEDERMAUS.
Sophie! Ich bin zur Reise bereitet.Es wird plötzlich finster.
26. Scene
Sechsundzwanzigste Scene.
Sophie im schwarzen Kleide mit roth und gelb grell geputzt. Eine Fackel in der Hand. Blaß verstört; die Haare fliegen über die Schultern.

SOPHIE.
Hier bin ich! Kennt ihr mich? Sophie im schwarzen Hochzeitkleide. Nun fort ins Reich der Freude!
WINTER
prallen zurück.
FLEDERMAUS
prallen zurück.
BEYDE.
Welche Truggestalt!
[100]
SOPHIE.

Graut euch vor meiner wahren Gestalt. Mir habt ihr euch verschrieben. Mir Treue geschworen.Sie packt Fledermaus, der die Kappe doch früher weggeschleudert, fest, und zerrt ihn kräftig weg. Du warst der erste. Du mußt nun zur Hochzeit! fort! fort! von hier!

27. Scene
Siebenundzwanzigste Scene.
Erster Spieler, schwarz gekleidet im schwarzen Puffen. Collet und einen grellen rothen Mantel. Vorige.

ERSTER SPIELER.

Ich komme meine Schuld einzulösen. Du bist mir Revange im Spiele schuldig! Sind sie gut gemischt die Karten; setzest du noch ein Mahl auf diese Würfel? Spiel, Wein und Weiber sind oft arge Teufel. Du hast sie kennen gelernt. Fort nun, Uebermüthiger. Du hast deinen Vertrag schnell gebrochen. Büsse jetzt für dein Schlaraffenleben. Fort von hier!

FLEDERMAUS.
O ich Unglücklicher! O meine Rosel!
WINTER.

Haltet ein! schwarze trügliche, abscheuliche Ungeheuer! Zum Spieler. Geld bin ich dir schuldig! Phantom der Hölle. Geld, aber nicht meine Seele. Du hast keine Gewalt über mich. Ich erkenne dich nicht!

SPIELER
mit schrecklicher Stimme.
Du mußt! Du mußt! Du hast meine Hülfe angenommen, du mußt auch dafür zahlen!
[101]
WINTER
gräßlich.

Nein! nein! Geld willst du, Dämon! dein Höllengeld, daß ich gewonnen. Ich glaube an dich nicht. Du benutzest nur den Zufall, aber ich will mich lösen. Er springt zur Chatoulle hin, reißt sie auf. Da fährt Feuer und Qualm heraus. Eine dumpfe Stimme von innen. Du bist verloren. Donnerschlag.

FLEDERMAUS
sinkt auf die Erde.
O hätten wir nur gut gethan, jetzt haben wirs! Barmherzigkeit! Barmherzigkeit!
SOPHIE.

Auf, Geister der Hölle, kommt zur Hochzeit! Zündet die Brautfackel an. Hier ist mein Bräutigam! Kommt! Kommt! zum Schauerfest!

28. Scene
Achtundzwanzigste Scene.
Ballet-Chor von Höllengeistern und Furien. Die Bühne ist finster. Nur Fackelblitze der Dämonen erhellen sie. Großer Fackeltanz. Winter und Fledermaus werden in den Hintergrund geführt. Im Kreise der Dämonen herumgetrieben. Wilde Tanzmusik.

CHOR.
Hört das Wort der dunklen Geister,
Fort hinab zum Höllenmeister,
In die Gluth hinab!
Wer auf bösen Wegen wandelt,
Nach dem Spruch des Satans handelt,
Findet dort sein Grab!

Winter und Fledermaus werden wüthend herumgetrieben. Als der Chor zu Ende ist und der Tanz vollendet, formirt sich eine wilde Gruppe. Fledermaus sinkt auf sein Gesicht. Winter reißt sich aus dem Hintergrunde und tritt vor.
[102]
WINTER.

Zurück! noch bin ich mir selbst bewußt, und meine Sinne sind mir wieder gegeben. Ich folge euch nicht, betrügerische Gestalten der Hölle! – Himmel sende deine Hülfe! Wir sind verführt, betrogen, berauscht und am Gängelbande böser Geister irre geleitet worden. Unsichtbare, höchste Macht erbarme dich zweyer Verblendeten, die innig bereuen! Höre die Gebethe unserer schuldlosen Bräute, zu denen wir reuig zurückkehren wollen, und verzeihe uns!

29. Scene
Neunundzwanzigste Scene.
Ein Genius erscheint.
Vorige.

Genius! fort Höllengeister! Ihr habt keine Macht über sie! Sie waren nur verblendet. Vergebung den Verführten.


Furien versinken.

ERSTER SPIELER UND SOPHIE.

Ha Fluch und Tod! Vereitelt sind unsere Anschläge! Sie versinken auf zwey Seiten unter wildem Donner.

WINTER.

Meine Emilie! meine treue Emlie, du bist meine Retterinn. Kannst du mir verzeihen? Stürzt zu ihren Füßen.

EMILIE
hebt ihn auf.

Hätte ich dich ja geliebt. An deinem Herzen hab ich nie gezweifelt, du warst nur von bösen Netzen umgarnt.

[103]
FLEDERMAUS
richtet sich auf.

Rosel! Wo bin ich! Ich bitt dich, schau mich nur an, ob ich noch ganz bin. Hat mir nicht meine unterirdische Amour den Kopf abgerissen? Rosel, kannst du mir verzeihen?Er rutscht auf den Knien zu ihr hin. Rosel, da schau einen reumüthigen Menschen an, der ein Mahl dein Bräutigam war.

ROSEL.

Komm her, armer Narr, du hast genug aus gestanden! Ich verzeih dir. Steh auf! Wir Weiber sind alleweil besser als Ihr Männer; wir haben euch noch gern, wenn ihr auch schon mit einem Fuß in der Hölle seyd.

FLEDERMAUS.
Juhe! Umarmt sie. O, wie ist mir so leicht, als wenn ich ganz ein anders Blut in meinen Adern härte.
HALLER.

Meinen Segen! Und nun kommt in mein Haus; ich bin reich ich will mit euch redlich theilen, väterlich für euch alle sorgen. Euere Schätze sind ohnehin in Rauch aufgegangen. Kommt, kommt, wir wollen gute Menschen seyn!


Schluß-Chor.
Trompeten und Paukenschall.

Auf dem Weg der Tugend bleiben,
Keine tollen Streiche treiben,
Dafür wird uns Heil,
Seinen Stand nicht überschreiten,
Mäßig seine Schritte leiten,
Ist der Weg auch steil
Gute Wesen ehren, lieben,
Menschen achten, Tugend üben,
Das bringt Glück und Heil!!!

Impossante Gruppe.

Ende des Stückes.

[104]

Notes
Erstdruck: Wien (Verlag Leopold Grund) 1819.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2011). Bäuerle, Adolf. Doktor Faust's Mantel. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-2037-B