[157] Der Zepter

Ein König auf dem Throne,
Mit seinem Stab von Gold,
Die Räthe schlug zum Hohne,
War keinem Menschen hold.
Den Hunden an dem Tische
Der Rath die Teller hält,
Er füttert gut die Fische,
Sein Volk in Hunger fällt.
Sein Völkchen war beritten,
Er ärgert sie so bas,
Daß sie sind fortgeritten,
Da ward der König blaß.
Er konnte sie nicht halten,
Sein ganzes Volk ritt fort,
Er konnt' allein nun walten
An seinem Hundeort.
»Wenn mir die Hunde bleiben
So bin ich dennoch reich,
Die Zeit mir zu vertreiben,
Das andre ist mir gleich.«
Die Hunde schlecht bedienet,
Die wurden falsch und wild,
Und als er sich erkühnet,
Zerrissen sie sein Schild.
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Zerrissen seinen Mantel,
Da stand er nackt und bloß,
Da sah man bei dem Handel,
Er hätt' einen Puckel groß.
Du mußt die Lehre fassen,
Mein edler Fürstensohn,
Den schon die Besten verlassen,
Der sitzt nicht fest auf dem Thron.

Notes
Erstdruck in: Zeitung für Einsiedler (Heidelberg), 1808, dort unter dem Titel »Der König ohne Volk«.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2011). Arnim, Ludwig Achim von. Der Zepter. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-1289-6