[140] Nach dem Abschied

Sie.

Was füllte mein träumendes Herze?
Vergessener Schein!
Schwer trifft sich ein liebendes Herze
So ledig allein.
Die Schatten sind niedergezogen,
Ich ahndet' es nicht,
Die schönen Geschichten verflogen,
Mein Wundergesicht.
Wie Abend sie Seen erreget,
Mit fröhlichem Hauch,
So nur ein Gedanke beweget,
Bewegte mich auch.
Ich sinne und suche und springe
So hin und zurück,
Und locke zum Käfig ihn, singe,
Blick einmal zurück.
Nicht mehr in dem Spiegel ich sehe
Mein lieblich Gestalt,
Und wende mich abwärts und flöhe
Gern tief in den Wald.
Wie wird's ach im Walde so helle,
Am Himmel, am Himmel so klar,
Es kehret zurück der Geselle,
Und alles und alles wird wahr.
[141] Er.

Mein Auge treu,
Mein Ohr so wach,
Die Liebe neu
Vieltausendfach;
Was siehst du fern,
Was siehst du gern?
Auf Wäldern hoch
Das weiße Schloß,
Und rascher flog
Mein schwarzes Roß,
Die Brust, so heiß,
Beschäumet sich weiß.
Mein Auge treu,
Mein Ohr so wach,
Die Liebe neu
Vieltausendfach.
Was hörst du fern,
Was ist dein Stern?
Das Tüchlein winkt,
Das Waldhorn schallt,
Die Sonne sinkt,
Mein Herz hoch wallt;
Das Thor weit auf
Durchhallt im Lauf.

Notes
Entstanden zwischen 1802 und 1805. Aus »Le Troubadour italien, francais et allemand. Par Jean Frédéric Reichardt«, Berlin 1805.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2011). Arnim, Ludwig Achim von. Nach dem Abschied. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-0967-8