Konrad Alberti
»Brot!«
Ein soziales Schauspiel in fünf Akten

[Widmung]

[5] Dem unbekannten Bühnenleiter der den Muth zur ersten Aufführung dieses Stücks haben wird,

in Hochachtung gewidmet.

[5]

Vorwort

[7]

Verehrter Gönner!

Da Ihr Name wie Ihr Wohnsitz heute noch »meinem Ohr so fremd wie meinem Herzen« ist, so wird auch die boshafteste Mißgunst nichts Uebles darin sehen können, daß ich dieses Stück Ihnen zueigne. Obwohl »Brot« hier zum ersten Male vor die Oeffentlichkeit tritt, hat es doch schon eine kleine Geschichte hinter sich. Vor Jahresfrist geschrieben hatte es das Glück in der Handschrift von einem unternehmungslustigen und kunstverständigen Bühnenleiter zur Aufführung angenommen zu werden. Ja, Berlin hatte damals eine Bühne, die sich mit Eifer der neueren Erscheinungen auf dem Felde der ernsten dramatischen Kunst annahm, die mehr sein wollte als eine Ablagerungsstätte für den Schutt alberner Possenfabrikanten und Literaturwaarenhändler von der Art der Moser, Lubliner, Blumenthal – eine Bühne, auf der wir die neuen Schöpfungen Wildenbruchs, Vossens, Nissens, Ibsens, Zolas, die kein anderes Theater den Muth hatte aufzuführen, in leidlicher Darstellung verkörpert sahen: das Ostendtheater. Natürlich erlitt [7] jener Mann, der den abgeschmackten Einfall hatte das Theater als Kunststätte zu betrachten, das wohlverdiente Schicksal: die Presse behandelte ihn mit jenem mitleidigen Wohlwollen, das tödtlicher wirkt als die erbittertsten Angriffe, sie bedauerte das vor den Thoren Berlins liegende Theater zu Grunde, und nach Jahresfrist hielten aus derselben Stätte wieder die kaum verjagten Geister des Blödsinns ihren Einzug unter jubelndem Aufklappen der Bierseidel und Stullenteller. Mit »Brot!« war es nichts.

Damit es nun in der Zwischenzeit, bis sich wieder ein ähnlicher Thor von Bühnenleiter zu seiner Annahme bereit findet, nicht altbacken werde, 1 übergebe ich es hiermit der Oeffentlichkeit, nachdem die ersten dramaturgischen Autoritäten Deutschlands, denen es vorgelegen, ihm das allerfreundlichste Geleit mit auf den Weg gegeben.

Werden Sie, unbekannter Gönner, dem ich dies Werk widme, jemals aus dem Reiche meiner Einbildungskraft in das der Wirklichkeit emporsteigen?

Wie es heutzutage mit dem Theater in Deutschland[8] steht, haben Sie in meiner Schrift »Ohne Schminke!« ohne Zweifel des Näheren gelesen. Alles wirkt bei demselben zusammen das wahrhaft Gute und Ernste nicht aufkommen zu lassen: die Gleichgiltigkeit des Staates, die Rücksichtslosigkeit der Censur, der Bildungsmangel der Bühnenleiter, die Unfähigkeit der Schriftsteller, die Dummheit des Publicums, die Corruption der Presse; und wenn es einmal einem echten und großen Talente gelingt diese alle zu besiegen und sich zum Erfolg emporzuarbeiten, so hat es dies aus schließlich dem Zufall, dem Glück zu verdanken. Ich schweige von Richard Wagner, den ohne seinen königlichen Freund sein Volk in Verbannung und Elend hätte sterben lassen. Nur der Zufall führte dem von aller Welt verhöhnten Wildenbruch einen Mann in den Weg, der die Laune hatte seine »Karolinger« in Berlin aufzuführen, nur sein inniger Anschluß an die Clique der Studenten konnte seinen Erfolgen die verdiente Dauer verschaffen. Und wie viele Wagner und Wildenbruch mögen ohne das Glück solcher Zufälle alljährlich hinter dem Zaune sterben? Ich will hier gar nicht von Albert Lindner reden, dessen Schicksal der Culturhistoriker des zwanzigsten Jahrhunderts einen unauslöschlichen Schandfleck jenes Volkes der Dichter und Denker nennen wird, das mit zehnmal größerem Recht das Volk der Biertrinker und Scatspieler heißen sollte – der flüchtigste Blick auf unsern Büchermarkt lehrt, daß es an ernsthaften, der Theilnahme würdigen Bestrebungen auf dramatischem Gebiete nicht fehlt. Aber ohne jede Pflege, fortwährend[9] durch Fußtritte und -stöße verletzt, geht der Keim auch des edelsten Weinstocks zu Grunde. Welches civilisirte Volk tritt der Fortentwickelung seiner Kunst so barbarisch entgegen wie das deutsche? Für eine alte halb zerstörte Schmiererei, vom Alter so gebräunt, daß kein Zug mehr deutlich zu erkennen, für eine klobige Steinkiste, in der ein alter Pharao von den Würmern angenagt worden, wirft man Hunderttausende zum Fenster hinaus – was thut man für die Lebenden, die gezwungen sind sich vom eignen Hirnschmalz zu nähren? Nichts! Wahrhaftig, Lippert hat Recht: die Todten sind zu allen Zeiten die Feinde der Lebenden und nehmen ihnen das Brot. »Aber wir haben ja einen Schillerpreis!« – Ihr weisen Herren, ihr gekrönten Häupter und Kronräthe, die ihr so gern eurer Förderung der dramatischen Kunst Ausdruck geben wollt – was nützt denn der Preis für ein mit Erfolg aufgeführtes ernstes Stück, wenn die guten und bühnenfähigen Stücke ernster Gattung eben auf unsern Bühnen gar nicht zur Aufführung zugelassen werden? Wenn in den Hoftheatern der Backfisch, das blondzöpfige Töchterchen des Majors oder Regierungsraths allein die entscheidende Stimme hat und die Hoftheater nur für die blöden Machwerke adliger Dilettanten und die kindischen Faseleien berüchtigter Schwankschmierer offen stehen, alle ernsten, gediegenen Schöpfungen der zeitgenössischen nationalen Dichtung aber mit ängstlicher Sorgfalt geflissentlich fern gehalten werden? Wer hat denn die natürliche Verpflichtung die ernste Gattung zu unterstützen wenn [10] nicht eine subventionirte Bühne? Von den Privattheatern ist solcher Idealismus nicht zu verlangen – das sind einfach gewerbliche Unternehmungen, und man kann keinem Kaufmanne verbieten mit alten Hosen oder Pariser Gummiartikeln zu handeln, wenn er seine Nahrung dabei findet. Eine klägliche Posse, ein leeres Blendwerk sind alle Schiller- und sonstigen Preise; aufgeführt wollen wir werden, vor das Urtheil der Oeffentlichkeit gestellt, nicht preisgekrönt! Man halte nicht mehr von den Hoftheatern ängstlich fern, was nur auf drei Schritte nach Poesie, nach echter dramatischer Kraft duftet, man verpflichte sie, alle bühnenfähigen Hervorbringungen der zeitgenössischen nationalen Dramatik aufzuführen, die nicht den Gesetzen des Landes, der Religion und der guten Sitte widersprechen: das heißt man wandle die Hofbühnen in Nationaltheater um, und man wird nicht mehr nothwendig haben, den Schillerpreis Dreijahr um Dreijahr unvertheilt zu lassen und dadurch die zeitgenössische Dichtung in den Augen der ganzen Welt auf das Ungerechtfertigteste bloszustellen und zu blamiren. – –

So hoch ich unter den zeitgenössischen Dramatikern auch Männer schätze, wie Wildenbruch, Herrig, Bulthaupt, Fitger, so viel Bewunderung mir ihr zielbewußtes Schaffen abnöthigt, so habe ich doch vorgezogen, in meinem Schauspiel »Brot!« das Betreten eines anderen Weges zu versuchen und mich einer dramatischen Gattung zuzuwenden, deren Vorbilder ich in Gutzkow's »Uriel Acosta« und Laube's »Karlsschülern« [11] erblicke, dem historisch-socialen Drama. Die Kunst, so lautet der erste, heute allgemein anerkannte Grundsatz des Realismus, soll das Streben, die Anschauungen, die Kämpfe ihrer Zeit verkörpern. Aber dies ist nur im Hinblick auf die Ideen, die Anschauungsweise des Dichters gesagt, keinesfalls soll dies ihn in der Wahl der Stoffe beschränken, keinesfalls ihn nöthigen auf das ungeheure und dankbare Gebiet der Geschichte zu verzichten. Nur soll mit den heiligen Thaten und Leiden der Vorzeit kein frivoler Spott, kein leerer Mummenschanz nach Art der Ebers oder Wolff getrieben werden, und das Geschichtliche soll ebensowenig als bloße Maske dienen wie sich in leeren, zwecklosen, alterthümelnden Krimskrams auflösen. Da uns vielmehr die Zeiten der Vergangenheit, der Geist der Zeiten trotz Ranke stets ein Buch mit sieben Siegeln bleiben werden und die Kunst nicht dazu da ist, gelehrte Excurse oder Hypothesen zu versinnlichen, so hat sie bei historischen Stoffen vor Allem die Aufgabe nach den Gesetzen der poetischen Gattungen darzustellen, wie dieselben Ideen, welche die Zeit des Künstlers bewegen, sich im Handeln und Leiden der Menschen früherer Jahrhunderte ausgeprägt haben. Einer der Hauptmotoren unserer Zeit ist die sociale Frage, sie durchdringt unser ganzes Leben bis in die innersten Theile. Aber sie ist so alt wie die Welt, denn die Leidenschaften der Menschen, die natürlichen Gesetze des Culturlebens sind ewig, und nur ihre Erscheinungsformen wechseln, die Ordnungen der Gesellschaft, die Culturbilder. Der Dichter soll die [12] Windrichtungen seiner Zeit erforschen und zeigen, wie die Wellen sich gestalteten, die sie in früheren Jahrhunderten warfen, er soll das Zeitgeschichtliche im Spiegel des Historischen geben. Keine Zeit war der unsrigen so ähnlich in Bezug auf die Stärke, Bedeutung und Fluthrichtung der socialen Kämpfe als die der Bauernkriege, und hundert wunderbare Bezüge knüpften das 16. Jahrhundert an das 19. Darum hielt ich mich für berechtigt, den Hauptgestalten meines Stückes, Münzer und Gerlind, die Züge eines modernen, jungen, genial angelegten socialen Agitators und seiner Braut zu leihen, eines ehrgeizigen Mädchens aus dem von ihm bekämpften Stande. Was kümmert es den Dramatiker des 19. Jahrhunderts, daß der geschichtliche Münzer verheirathet und ein guter Gatte war? Solch äußere zufällige Umstände kann er benutzen, wenn sie seiner künstlerischen Absicht zum Vortheil sind, er kann sie ebensogut fortlassen, denn er ist kein Geschichtsschreiber, und nur auf die innere Wahrheit seiner Gestalten kommt es an, nicht auf die urkundliche Treue.

Und so, mein verehrter unbekannter Gönner, übergebe ich Ihnen denn hiermit mein Stück. Daß echtes Bühnenblut dasselbe vom ersten bis zum letzten Wort durchpulst, daß es nichts gemein hat mit der Schablone der gähnend langweiligen modernen Geschichtsdramen, den sogenannten Oberlehrerstücken, daß es wenn kein anderes so doch das Verdienst der Eigenartigkeit besitzt – dies werden Sie, hoffe ich, demselben nicht abstreiten. Sie wollen es also aufführen? [13] Gut, ich weiß Ihnen Dank. Ich kenne Sie nicht, mein Herr, aber das weiß ich, daß Sie in diesem Falle ein Mann von seltenem Muth sein müssen, dem nicht wie seinen Collegen die Furcht vor der rücksichtslosen, unwissenden, kunstfeindlichen Censur die Arme lähmt, den nicht »jedes Neue, auch das Glück, erschreckt,« der aus der Bühne das machen möchte, was Hamlet »den Spiegel und die abgekürzte Chronik des Zeitalters nennt. Ein Mann von Muth müssen Sie schon sein, wenn Sie einmal auf Ihrer Bühne die Gestalten reden lassen wollen wie leibhaftige Menschen und nicht wie Dalldörfler oder Reisende in Kalauern, wie es unser Publicum so heiß und innig liebt – wenn Sie von derselben herab die dröhnende Stimme des Zeitgeistes ertönen lassen wollen, vor dessen grobem Ton man sich mit so krampfhafter Furcht die Ohren verstopft; und wenn Sie vor allen Dingen das Unerhörte wagen wollen auf dem deutschen Theater, das doch von Rechtswegen ausschließlich für Franzosen, Italiener, Engländer, Skandinavier, Spanier vorbehalten ist, einem deutschen Schriftsteller das Wort zu geben. Ei, was werden Sie zu hören bekommen ob solch' unerhörten Vermessens! Wissen Sie es denn nicht, daß man daran unsere Bildung erkennt, daß wir die schmutzigsten Zoten eines Dumas, die langweiligsten Rührseligkeiten eines Ohnet, denen in Paris Jedermann nur noch mit Gähnen zuhört, mit Jubel und Wonne aufnehmen, indeß es gerade die Franzosen wieder ehrt, daß sie ihren nationalen Standpunkt auf's Strengste wahren [14] und auch das vollkommenste Meisterwerk der deutschen Kunst nicht über die Pariser Bannmeile lassen? Wissen Sie nicht, daß es der erste Glaubenssatz eines deutschen Kritikers ist, daß Talent, Feinheit, Kraft, Grazie, Poesie nur einem Ausländer verliehen sein können, daß man eher seinen Vater ermorden dürfe als einem Landsmann, und noch dazu einem lebenden, und gar einem unter siebzig Jahren, zugestehen, er habe eine tüchtige künstlerische Leistung geschaffen – denn wie könnte ein Mensch, der unsere Sprache spricht, der in unserer Sprache schafft, mehr leisten als wir selbst? Wissen Sie auch nicht, daß das erste Gebot eines guten Theaterdirectors lautet: sich vor allen Dingen die »jungen Talente« vom Leibe zu halten? In den Papierkorb mit Allem, das sein Aussehen nur auf zehn Schritte der Kunst, Poesie, Vernunft verdächtig macht! Und wenn die Höflichkeiten und glatten Entschuldigungen nichts ausrichten, und die Dichter immer wiederkommen, zudringlicher werden, dann – Grobheiten und Rücksichtslosigkeiten! – – Wie, das Alles wissen Sie, und wollen es doch wagen? Nun, Gott sei Ihnen gnädig. Wahrhaftig, nur der Zufall kann Sie mir in den Weg geführt haben, denn was einmal Gutes und Lobenswerthes in der Welt geschieht ist sicherlich sein Werk, und er ist der einzige Freund, dem ich vertraue. Warum hätte er mir nicht einmal einen überspannten Kerl von Theaterdirector oder Regisseur in den Weg treiben sollen wie Sie, der närrisch genug ist sich zu sagen: »Na ... ganz schlecht ist das Ding nicht ... [15] was Henker, geben wir's 'mal – an einem Tage, da eh' kein Mensch in's Theater kommt ... schlägt's durch ... gut! ... macht's keine Casse ... schadet's auch nichts.«

Wackrer unbekannter Kunstförderer, der du größer, muthiger, kühner bist als alle deine Genossen, der du es wagst, eine einzige, seit Jahrzehnten unerhörte That zu vollführen, geruhe im Vollgefühl deiner Würde und deines Heroismus die Widmung dieses Werkes anzunehmen, das ich, ein deutscher Dramatiker, dir knieend in schuldiger Ehrfurcht zu Füßen lege.


Berlin, im Januar 1888.

Der Verfasser.

[16]

Fußnoten

1 Unsere Tageskritik, die ja wie bekannt an einem Ueberfluß von Witz leidet, wird sicher nicht verfehlen, den Titel des Stückes zu einer ganzen Reihe der geistreichsten und geschmackvollsten Wortspiele zu benutzen. Um ihr die Freude zu verderben will ich ihr boshaft wie ich bin die Arbeit vorwegnehmen und die auf der Hand liegenden selbst machen. Möge das Publicum in meinem Brote vor allen Dingen das Salz nicht vermissen, es nicht zu trocken finden und da ich es ihm reiche nicht erwidern: ›Ja, Kuchen!‹ Möchte ich mit demselben die Butter auf's Brot verdienen, und möge es sich so lange es angeht frisch erhalten!

Personen

Personen.

    • Luther.

    • Landgraf Philipp von Hessen.

    • Graf Dietrich von Farnrode.

    • Die Gräfin, seine Gemahlin.

    • Gerlind, beider Tochter.

    • Graf Erich Berlepsch von Urleben.

    • Ritter Heinz von Helldrungen.

    • Perlet Probst, Bürgermeister von Mühlhausen.

    • Liborius, Abt des Klosters Homburg a. U.

    • Dr. Rüdiger, evangelischer Prediger im Mannsfeldischen.

    • Thoma Münzer (28 Jahre alt),
    • Heinrich Pfeifer, Führer der aufständischen Bauern.

    • Peter Blinte,
    • Hans Bittner,
    • Peter Engel,
    • Kunz Sander, Bauern.

    • [1]
    • Martin Reinhard,
    • Johann Roder, Bürger von Mühlhausen.

    • Niclaus Storch,
    • Marx Thomä, Wiedertäufer aus Zwickau.

    • Die alte Steimann,
    • Frau Hüfer, Bäuerinnen.

    • Jacobe, Gerlind's Name.

    • Bauern und Bäuerinnen, Handwerker, Wiedertäufer, Bergleute, Landsknechte, Ritter, Knappen, Gefolge, Mönche.

1. Akt

1. Szene
1. Scene.
Graf Dietrich von Farnrode, Graf Erich, Helldrungen sitzen um einen Tisch auf der Rampe und würfeln. Vor ihnen gefüllte Humpen. Ein Knappe sieht ab und zu nach denselben und schänkt aus einer großen Kanne nach.

DIETRICH
großer starker Mann mit kohlschwarzem Bart, wirft die Würfel mit großem Geräusch auf.
Neun!
HELLDRUNGEN
wirft.
Zehn!
DIETRICH.

Helldrungen, ihr haltet's mit dem Teufel! Und wenn ich den letzten Stein von meiner Burg verlieren soll – hundert Gulden gegen die Rosse und deinen Fichtenwald!

ERICH.
Schwäher, euer Geld ist zu Rande.
[3]
DIETRICH
hitzig.
Was, der Jude muß borgen, der Bauer muß zahlen, sonst geht's ihnen an den Kragen. Los!
HELLDRUNGEN.
Achtzehn!
DIETRICH
wüthend, auf den Knappen, der gerade einschänkt.

Das Rabenaas mit seinen grünen Augen bringt mir Pech! Hebe dich weg, Satansbrut! Wirft sein Dolchmesser nach ihm, der Knabe duckt sich rasch.

2. Szene
2. Scene.
Vorige. Die Gräfin.

GRÄFIN.
Ihr seid doch auf den Abend unser Gast, Ritter Helldrungen?
HELLDRUNGEN.
Ich muß noch vor Sonnenuntergang heim, edle Frau –
DIETRICH.

Ach was! Ihr bleibt, nicht gemuckt, oder – acht Tage, vierzehn Tage bleibt ihr hier, ich lasse euch nicht fort. Erich, versteck' ihm sein Pferd. Laß auffahren, was Küch' und Keller hält, Marie! Euer ganzes Gefolge soll herüberkommen, hört ihr – und schick' nach dem Attenrode, Erich, und zum Schlotheim, zum Bissingen, zum Arnsberg: die ganze Kumpanei soll kommen! Wir wollen wieder einmal fein lustig sein –

GRÄFIN
leise.
Aber Dieter, wenn ich alle Truhen zusammenschütte, so fällt kein Gulden mehr heraus.
DIETRICH.
Teufel, was! Der Bauer muß zahlen, der hat noch viel zu viel.
GRÄFIN.

Da wir einmal dabei sind – die Almenhausen hat einen neuen Unterzug von Zobel und eine Perlenbrust für 18 Gulden – ich muß eine für 25 haben –

[4]
DIETRICH.

Versteht sich, du darfst doch nicht hinter dem Gelbgesicht, der Almenhausen, zurückbleiben, die Perlenbrust mußt du haben.

GRÄFIN.

Und den Unterzug! Und vergiß nicht heut oder morgen die Bauern auszuschicken, mir Schneckenhäuser zu suchen zum Garnwickeln.

DIETRICH.
Die Bauern haben jetzt aber gerad mit der Feldarbeit zu thun.
GRÄFIN.
So viel Zeit wird sich doch noch erübrigen lassen. So werden sie eben einen Tag mehr frohnden.
DIETRICH.
Wohl, dann geht's. Ist Gerlind noch nicht zurück?
GRÄFIN.
Nein, doch ich erwarte sie.
3. Szene
3. Scene.
Vorige. Liborius. Dr. Rüdiger. Kleines geistliches Gefolge des Abts.

LIBORIUS
dicker Herr.
Gelobt sei Jesus Christus!
GRÄFIN.
In Ewigkeit, Amen!
DIETRICH
spottend.

Was müssen diese meine Augen sehen? Hund und Katze friedlich neben einander? Ihr lieben Herren, welche Wunderdinge geschehen in der Welt? Haben der kleine Herrgott von Rom und das große Licht von Wittenberg Frieden mit einander geschlossen; ist das verlorene Schaf in den Schooß der Alleinseligmachenden zurückgekehrt, und hat alle Noth und Ketzerei ein Ende?

LIBORIUS.

Schweigt mit eurem Spott, Graf Dietrich. Es sind schwere Zeiten. Der Antichrist gehet umher auf Erden wie ein brüllender Leu und suchet, wen er verschlinge, und säet Unfrieden aus und gottlose Gedanken in die Herzen der Menschen. [5] Da müssen Alle sich eng aneinander schließen so überhaupt nur noch an eine göttliche Ordnung glauben. Der gute Katholik Hand in Hand mit dem lutherischen Ke– Rüdiger sieht ihn an, er beißt sich auf die Lippen und schüttelt den Kopf. Schwere Zeiten! Schwere Zeiten!

DIETRICH.

Es hat euch wohl wieder der boshafte Kellermeister Wasser in den Wein gemischt, daß ihr also jammert.

LIBORIUS.

Der Herr vergebe euch euren gottlosen Spott – es ist keine Frömmigkeit mehr in der Welt und von Tag zu Tag wächst der Bund der Gottlosen.

GRÄFIN.
Sehr wahr, hochwürdigster Herr – aber was verschafft uns gerade heut diesen unerwarteten Anblick?
RÜDIGER.

Gestattet, hochgeborene Frau, euch dies ganz kürzlich zu erklären. Es zeigen sich verdächtige Spuren eines gottlosen, widersetzlichen Geistes im Volke, die Bauern werden rebellisch, sie machen Miene, uns Ehrerbietung und Pflichterfüllung zu verweigern und Gott vorzuenthalten, was Gottes, dem Kaiser, was des Kaisers ist. Die Gotteshäuser werden von Tag zu Tag leerer. Man hört drohende Reden aus dem Munde der Bauern, man sieht sie sich zusammenrotten und bei Nacht heimlich mit einander berathen. In Eisleben hatten die Bauern gestern Zinstag. Kaum die Hälfte erschien und diese brachten kaum die Hälfte dessen, was sie zu steuern hatten. Als man ihnen dies verwies, ergingen sie sich in gröblichen Reden und meinten trotzig, die Herren sollten sich freudig mit dem begnügen, was sie brächten, denn die Zeit sei nicht mehr ferne, da es gar keine Steuern und Frohnden mehr geben werde.

LIBORIUS.
Nein, es ist keine Religion mehr im Volke! Schwere Zeiten! Schwere Zeiten.
[6]
DIETRICH
mit Beziehung auf des Abts Bauch.
Nun, bis zum Verhungern haben die Diener Gottes noch weit hin.
HELLDRUNGEN.

Offen gesagt, auch ich habe unter meinen Bauern schon etwas von einem neuen widerbelligen Geiste bemerkt.

RÜDIGER.

Ueberall im Lande hört man lose Reden gegen die Diener Gottes, die Obrigkeit, die ritterlichen Herren, ja in Eisleben wagte ein Wahnsinniger gestern laut zu äußern, Gott habe alle Menschen gleich geschaffen und bald sollten auch Alle einander wieder gleich werden. Man warf den Burschen in's Gefängniß, ein Haufe Volks tobte lange um dasselbe und versuchte den Gefangenen zu befreien. Der Geist Thomas Münzer's scheint wieder umherzugehen im Lande –

LIBORIUS
entsetzt.
Bei Christi Leiden, schweigt, beschwört diesen Schatten nicht wieder herauf!
GRÄFIN.

Thomas Münzer – entsetzlich! Noch stehen die Unruhen in unser Aller Gedächtniß, die er hier in Thüringen vor drei Jahren angestiftet. Noch spricht ganz Altstedt von dem Geheimbunde, den er zum Sturz der gesellschaftlichen Ordnung, zur Lösung aller staatlichen Bande gestiftet –

LIBORIUS.
Von der Zerstörung des Gotteshauses zu Mellerbach –
RÜDIGER.

Und wie der Freche selbst vor den erlauchten Häuptern des erhabenen sächsischen Fürstenhauses seiner gottlosen Zunge nicht Zügel angelegt, sondern gegen den Uebermuth der Großen – wie er es nannte – gedonnert. Das ganze Volk lief ihm zu; wo er sich nur zeigte, griff der Brand um sich, den er angelegt!

LIBORIUS
bei Seite.

Satan siegte Beelzebub ob.Laut. Wie athmeten wir erleichtert auf, als ihn der Befehl der Obrigkeit endlich zwang, diese Gegend zu [7] verlassen und sich einen andern Landesstrich für sein gottlos Treiben zu suchen.

HELLDRUNGEN.

Man sagte, daß er sich nach Franken begeben, und da während dreier Jahre keine Nachricht von ihm hierhergelangt ist, hofften wir und hoffen noch, daß er dort unten sein Ende gefunden.

GRÄFIN.
Wenn jene Schreckenstage sich erneuern sollten – es wäre zu traurig – Gott kann es nicht zu lasse.
ERICH.

Potz Tod, was seid ihr für Feiglinge! Helldrungen, von euch wenigstens war ich mir das nicht vermuthen. Von dieser Handvoll elender Bauern sich in's Bockshorn jagen lassen! Sie mögen doch kommen – wie Kraut und Rüben hauen wir sie in die Pfanne. Wir wollen ihnen den Freiheitskitzel schon austreiben. Faullenzen will das Pack, das ist Alles! – Es geht ihnen viel zu gut, der Haber sticht sie.

DIETRICH.

Erlaubt mir, liebe Herren, recht herzlich über euch zu lachen. Wie, ihr nehmt dies Murren und Grollen ernst? Welche Verkehrtheit! Laßt sie immerhin reden und flüstern – offen mit Gewalt vorzugehen, wagt dies Gesindel nicht, dazu ist es zu feig. Diesen Münzer fürchte ich so wenig wie unsere andern guten Aufrührerlein, die ich alle kenne, weil ihr Treiben mich belustigt – es sind meine Hanswurste. Und sollten sie gar ein klein ernstlich Revolutiönchen wagen – liebe Herren – betrachtet euch diese Mauern: an denen hat sich schon Mancher den Hals gebrochen; dort oben die schwarzen Himmelsspender, Karthäunlein genannt, sind die beste Brücke zur Ewigkeit, und meine Reisigen, die jetzt gerade auf guten Beutefang abwesend sind, soll mir auch Keiner schelten. Aber so weit wird's gar nicht kommen. Glaubt mir, die Bäuerlein wissen recht gut, daß es in der Menschenwelt ist wie in der Thierwelt, und jeglicher Stand seine göttliche [8] Bestimmung hat, an der nicht zu ändern ist: die Löwen und die Edlen zu herrschen, die Lerchen und die Geistlichen zu singen, die Hunde und die Landsknechte zu wachen, die Hamster und die Krämer zu bauen und zusammenzuscharren – und das Vieh und die Bauern zu arbeiten.

LIBORIUS.
Vortrefflich gepredigt, edler Herr, ihr hättet sollen geistlich werden.

Trompetenstoß hinter der Scene.
GRÄFIN.
Ach, der Herr Bürgermeister –
ERICH.
Ist Gerlind immer noch nicht zurück?
GRÄFIN.
Nein, ich weiß nicht ... mir wird schier Angst.
4. Szene
4. Scene.
Vorige. Probst.

DIETRICH
zu Erich.
Gieb Acht, er wird von dem Schutzzoll herunter dingen wollen, aber er kommt umsonst –
PROBST.

Gott zum Gruß, liebe Herren. Wie fügt sich's herrlich, daß ich euch also einträchtiglich beisammen finde, denn ich komme in schwerer Sache, in der guter Rath und Hilfe dringend Noth thut.

DIETRICH.
Was giebt's, Herr Bürgermeister – sprecht.
PROBST.

Liebe Herren, hat euer Scharfblick denn nicht schon selbst bemerkt, welch erschreckender Geist anitzt unter den armen Leuten Eingang findet?

LIBORIUS.

Lieber Herr, wir sprachen soeben davon, und der Herr Graf meinte, an den Mauern unserer Burgen, Städte und Klöster möchten die bäuerischen Uebelthäter wohl ihre Häupter zerschellen –

PROBST.

Ganz gut, wenn es nur wegen der [9] Feinde wäre, die von außen kommen. Aber mehr fürchte ich die innerhalb der Mauern selbst. Denn der gemeine Mann in den Städten, der Handwerker, die Dienstleute, sie sind gleichfalls schon angesteckt vom neumodischen Gifte umstürzlerischer Denkart. Jedweder Gesell will selbst Meister sein und nimmer gehorchen. Und ich fürchte, daß, wenn es zur Empörung kommt, die Bauern in unserer Städte Schooß selbst die Verräther finden werden, die ihnen die Thore öffnen. Es haben sich Glieder einer gar bösen Sekte, der Zwickauer Wiedertäufer, heimlich in unsere gute Stadt einzuschleichen gewußt, und diese verhetzen den gemeinen Mann, der ihnen willig nachläuft.

DIETRICH.

Und trotz Allem und Allem behaupte ich: der treue deutsche Esel bleibt ruhig. Er schreit wohl Yah, er schlägt auch einmal aus, wenn's hoch kommt, aber er wirft nicht ab.

PROBST.

Wie, liebe und günstige Herren, habt ihr denn nicht vernommen von den großen und schweren Kämpfen in allen Gauen Oberdeutschlands, und wie es dem hochedlen Truchseß von Waldburg nur mit vieler Mühe und Blutvergießen gelungen ist, der rebellischen Bauern Herr zu werden? Hunderte von Schlössern und Klöstern sind zerstört, Weinsberg liegt in Asche, der edle Graf Helfenstein ward im Angesicht seiner Familie jämmerlich umgebracht, und Tausende wüthender Bauern büßten dem Herrn Truchseß um sein Leben.

LIBORIUS.

Hunderte von Klöstern in Asche? Weh, weh, wie wird es uns ergehen? Es nahen die Tage, von denen es heißt: sie gefallen uns nicht.

5. Szene
[10] 5. Scene.
Vorige. Gerlind.

GERLIND
erregt hereinstürzend.
Gott sei gelobt, endlich!
GRÄFIN.
Gerlind, liebe Tochter, was ist dir, was stürzest du so eilig daher?
GERLIND.
Wenn ihr wüßtet, was mir widerfahren.Bemerkt die Geistlichen. Gott zum Gruße, ehrwürdige Herren –
LIBORIUS.
Berichte, mein Kind!
GERLIND.

Ich war, wie mein hochwürdiger Lehrer mir's gewiesen, mit meiner Kammerfrau hinabgestiegen in's Dorf; den Kranken unter den Bauern Arzneien, Verbandzeug und Trost nach Christi Vorschrift zu bringen. In mehreren Hütten war mir schon aufgefallen, wie seltsam zurückhaltend man sich heut gegen mich betrug. So kam ich auch zur Hütte des alten Wendelin, der vom Fieberfrost geschüttelt auf einem Steine vor seinem schlechten Häuslein saß. »Wie geht's euch, Wendelin?« fragte ich, »ich freue mich, daß ihr schon aufstehen könnt, bald werdet ihr ganz genesen. Hier bring' ich euch neue Arzenei: nehmt sie, sie wird euch wohl bekommen.« Da erhob sich der Alte mit schrecklicher Miene, rollte die Augen und schrie: ›Fort mit dir, Giftmischerin, fort mit deinem Teufelsgebräu!‹, und warf die Flasche zur Erde, daß sie zerbrach. Und wie ich mich umschaute, standen mehr als ein Dutzend bei mir mit drohenden Mienen: Sieche, Gichtbrüchige, alte Weiber und halbreife Buben, und drangen auf mich ein: »Giftmischerin! Giftmischerin! Schaff' uns Brot!« schrieen sie und entrissen der Kämmerin, was sie bei sich trug. Da eilte ich spornstreichs zurück – nicht daß ich mich gefürchtet hätte, sonder weil ich das freche Gesindel auch nur eines Wortes für [11] unwerth hielt. Aber der Haufe folgte mir, und um mein Ohr sausten, begleitet von häßlichen Flüchen, meine Flaschen und Tücher, und Steine groß wie eine Faust, und nur wie durch ein Wunder entrann ich dem Verderben.

DIETRICH.

Diese Frechen, sie sollen mir büßen. Ich will einen Gerichtstag halten, darob ihnen die Augen übergehen sollen.

GERLIND.

Ach ja, Herr Vater, und insbesondere wenn dieser Aufrührer, der Münzer, in eure Hände fällt, der, wie sie sagen, wieder im Lande sein soll, so leget ihm doch gründlich sein ruchlos Handwerk. Wie ich diesen Menschen hasse, den Feind unseres Standes! – Ich könnte mit kaltem Blut zusehen, wie er gebunden zum Schaffot geführt würde.

PROBST.

Also, liebe Herren, gute Christen, lasset uns einig sein, denn dieses thut vor Allem Noth. Mögen unsere Ziele in Allem auseinandergehen soweit sie wollen – hier handelt es sich um Vertheidigung unserer gemeinsamen Gerechtsame und Vortheile gegen aufsässige Bauern, und da lasset uns zusammenstehen als ein Mann. Ist die Gefahr vorüber, so gehe Jeder wieder für sich. Zum Abt und Rüdiger. Reicht mir die Hände, ihr Herren – Für sich. Wer weiß, welcher einst siegt, der Papst oder der Luther: so verderben wir es mit Keinem. – Und auch ihr, Herr Graf, und ihr, Herr Ritter –

EIN KNAPPE.
Herr Graf, eine Schaar Bauern zieht den Berg herauf –
DIETRICH.
Mir gerade recht – die sollen meine Hand spüren.
6. Szene
[12] 6. Scene.
Vorige. Die alte Steimann, Frau Hüfer, Peter Engel, Martin Reinhard, Peter Blinte, Johann Roder, Niclaus Storch, Marx Thomä und andere Bauern, Bürger und Wiedertäufer, Männer und Weiber, meist arme und elende Erscheinungen, kommen nach und nach, einzeln und in Trupps, herein und füllen zuletzt fast den Burghof.

DIE ALTE STEIMANN.
So, da steht er; komm nur, fürcht' dich nicht, und wenn er auch so finster blickt wie Herodes.
FRAU HÜFER.
Er kann uns ja unsere Bitte nicht verweigern. Er wäre ja kein Mensch.
DIETRICH
zu seinen Frauen.
Geht hinein! – Was wollen die alten Vetteln?
FRAU HÜFER.

Gnade, Herr Graf, Gnade für meinen Tochtermann, meinen armen gefangenen Hans. Kennt ihr mich nicht? ich bin ja die alte Hüfer! Denkt ihr nicht mehr, Herr Graf, wie ihr einst im Grase schlafend von einer Otter gebissen wurdet, und meine Kunst euch damals heilte? Erbarmen für mein armes Kind, Herr Graf! Er hat in der Noth gehandelt, Gnade für den armen Hans Bittner!

ERICH.
Das ist ja –
DIETRICH.

Freches Weib – Gnade wagst du zu begehren für deinen Schwiegersohn, der sich unterfangen, dem meinen mit Gewalt zu begegnen und ihn an der Hand zu verwunden?

FRAU HÜFER.

Erbarmen, er wollte nur die Ehre seiner Braut und seine eigene vertheidigen, als er sah, daß der junge Herr Graf das Herrenrecht gebrauchen wollte –

ERICH
höhnisch lachend.
Ehre! Eine Bauerndirne!
GERLIND
an der Thür.
Pfui über Euch, Graf Erich, das habt ihr gethan? Ich verachte euch.
[13]
BLINTE
der eine brennende Fackel in der Hand trägt.

Mutter, fragt doch einmal den jungen Herrn Grafen, was er thun würde, wenn ihm an seinem Hochzeitstage Einer die Hauptschüssel vorkosten wollte.

DIETRICH.

Kerl, soll ich dir die Zunge aus dem Schlund reißen? Du wagst eine gemeine Bauerndirne mit deines Grafen Tochter in einem Athem zu nennen?

FRAU HÜFER.

Hat mein Schwiegersohn gefehlt, so hat er es durch die lange Haft in eurem Kerker schon längst gebüßt. Meine Tochter hat sich halb blind um ihn geweint. Gnade, gebt ihn frei!

BAUERN.
Laßt ihn frei, laßt ihn frei!
DIETRICH
zu Blinte.
Du da – was trägst du eine Fackel am hellen Tage?
BLINTE
torkelnd.

Meine Freiheit zu suchen, Herr Graf, die mir verloren gegangen ist. Mein Vater war noch ein freier Bauer – so frei wie ihr, Herr Graf. Als er auf den Tod zu liegen kam, da ward ich mit Gewalt aus dem Sterbezimmer entfernt, daß er mich nicht sehe; und ein dicker Mönch nahm an seinem Bette Platz und wich nicht davon, um ihn für's Himmelreich vorzubereiten. Und wie er kalt war, zog der dicke Mönch ein Pergamentlein herfür, drauf stund, daß der Todte all sein Hab und Gut dem Kloster Homburg verschrieben. Der dicke Mönch steht jetzt da oben und grinst mich an. Und als ich zu euch kam, Herr Graf, und euch bat mich zu schützen in meinem Recht und Besitz, ließet ihr die Hunde auf mich los –

LIBORIUS.
Albernes Geschwätz – der Kerl ist ja betrunken.
BLINTE.

Ja, das bin ich, das weiß ich, des brauch' ich eure Bestätigung nicht. Freiheit verloren – Gut verloren – ein Knecht geworden, elend und arm – was soll ich thun, um meinen Schmerz zu vergessen als trinken?

DIETRICH.
Und ihr Bastarde, was wollt ihr?
[14]
ENGEL.

Brot, Brot, Herr Graf, Brot! Wir verhungern. Nichts haben wir im vorigen Herbst für uns einsammeln können, Tag um Tag ließet ihr uns in der Erntezeit frohnden, daß unser geringes Hab und Gut auf den Feldern vertrocknete oder auswuchs. Da wir hätten einernten können, mußten wir für eure Frauen Schneckenhäuser zum Garnwickeln sammeln. Unsere Kinder wachsen auf wie das Vieh, unsere Weiber sehen uns den ganzen Tag nicht. Keiner von uns hat mehr Brot im Hause: wir verhungern, gebt uns Brot!

VIELE STIMMEN.
Ja, wir verhungern, gebt uns Brot!
ERICH.

Ich bewundere eure Geduld. Soll ich die Frechen mit der Klinge paarweis den Berg hinab an die Arbeit treiben?

RÜDIGER.

Geht nach Hause, ihr Leute, an eure Arbeit, die ihr sündigerweise verlassen habt. Bringt eure Beschwerden nicht in so roher Form vor, sondern fein säuberlich, wie es Leibeignen gebührt, sie sollen untersucht, und wenn man sie für begründet erkennt, berücksichtigt werden.

BLINTE.
Rispen statt Aehren! das kennt man!
THOMÄ.

Alles was ihr mit uns behandelt, wendet ihr zu unserer Ungunst. Seit 30 Jahren ist der Geldeswerth stetig zurückgegangen, – wohl, die Steuern verlangt ihr nach dem neuen Werth, die Löhne aber zahlet ihr nach dem alten, wie er vor den Entdeckungen des indianischen Goldes gewesen. Wie sollen wir nicht Hungers sterben bei solcher Behandlung?

PROBST.
Wenn ihr euch beschwert fühlt, lieben Leute, so ist das Kammergericht diejenige Instanz –
SANDER.

Wollt ihr arme Hungernde noch verhöhnen? Ist das christlich? Ihr wißt besser als wir, daß die Gerechtigkeit in Deutschland nur für den Reichen zu finden ist. Richter und Advokaten! Woher[15] sollen wir armen Leute je die Gerichtskosten zusammenbringen? Und bis der Prozeß entschieden ist, sind nicht wir – nein, unsere Enkel verhungert.

LIBORIUS.

Duldet, so werdet ihr eingehen in das ewige Leben. Leiden ist Christenpflicht. Auch unser Herr hat am Kreuz gelitten – verlangt ihr ein besseres Loos als er?

REINHARD.

Wo steht geschrieben, daß er auch gehungert hat? Er hat nicht gehabt sein Haupt hinzulegen, aber stets satt zu essen. Hunger leiden ist schlimmer denn am Kreuze sterben. Schafft uns Brot!

ALLE.
Brot! Brot!
LIBORIUS.

Wie ihre Zahl von Secunde zu Secunde anschwillt! Seht nur, Herr Graf, schon faßt der Burghof kaum ihre Menge und immer neue Schaaren drängen nach. Und welch fürchterlicher Trotz in den Mienen, welch verzweifelte Entschlossenheit des Elends!

DIETRICH.

Beruhigt euch – ein Griff nach meinem Schwert, und der nächste Augenblick sieht sie alle am Fuße des Berges.

STORCH
halblaut zu einigen Bauern.
O Gott, wäre nur der Münzer wieder bei uns, er wüßte unserer Noth ein Ende zu machen.
EINIGE BAUERN.
Ja, wäre nur der Münzer bei uns!
7. Szene
7. Scene.
Vorige. Pfeifer.

PFEIFER
ist schon vorher herangetreten, halblaut.
Der Münzer ist da – ich weiß es für gewiß.
STORCH, ENGEL ETC. Wie ... wo ist er ...
PFEIFER
halblaut.

Erhitzt euch nicht ... seit [16] acht Tagen ist er in Mühlhausen, aber vor Niemand zeigt er sich, wie ein Klausner hat er sich in's Barfüßerkloster zurückgezogen, dort spinnt er Träume, wie eine Eule.

THOMÄ.
Er sagt sich los von uns – dann sind wir verloren.
RÜDIGER.
Was sinnen die Leute, was stecken sie die Köpfe zusammen?
DIETRICH
hat leise mit einem Knappen gesprochen, der darauf abging.

Nun mach' ich ein Ende, das Gesindel langweilt mich. Paßt auf! – Fort, hebt euch auf der Stelle von meinem Hofe, oder ich lasse meine Rüden auf euch los –

FRAU HÜFER
wirft sich in Verzweiflung vor der Treppe nieder.

Laß sie kommen, sie werden barmherziger sein als du! Und wenn deine Meute mich zerfleischt ... gieb meiner Tochter ihren Gatten wieder, sonst bringt mich keine Menschengewalt von dieser Stelle –

BAUERN.
Brot! Brot! Eh' wir vor Hunger sterben!
DIETRICH.
Gesindel, hier muß ein Exempel statuirt werden –
8. Szene
8. Scene.
Vorige. Hans Bittner wird gefesselt von Knappen herbeigeschleppt.

FRAU HÜFER.
Hans! Mein Hans!
HANS.
Mutter!
DIETRICH.

Dorthin, du Schuft! Diese alle wissen, was du gethan hast. Du hast die Hand erhoben gegen den Schwiegersohn deines Herren, der an seiner Statt ein ihm übertragenes Recht ausüben wollte –

[17]
HANS.

Ein schändlich angemaßter, durch nichts verbriefter Frevel ist dieses Recht. Meine und einer Jungfrau Ehre habe ich vertheidigt gegen einen adligen Buben, dessen Verbrechen allnächtlich hundert Frauen Thüringens im Gebet zu Gott emporschreien!

ERICH.
Elender! Will auf ihn zuspringen, Dietrich hält ihn zurück.
GERLIND
an der Thür.

Aus meinen Armen schlich er herab zu gemeinen Bauerndirnen. Zu mir kam er und betheuerte seine Liebe, nachdem er eben zuvor am Herzen einer Kuhmagd geruht?

DIETRICH.

Kniee auf der Stelle nieder und bitte demüthig um Vergebung, oder dein Haupt fällt binnen jetzt und fünf Minuten.

LIBORIUS.

Demüthige dich, mein Sohn, Demuth vor seinen Feinden ist Christenpflicht. Wer sich erniedrigt, spricht der Herr –

HANS.

Ich knieen vor euch? Und wenn es das Heil meiner Seele kostete, ich kniete nicht vor Mordbuben und Jungfrauenschändern. Wenn ich eines bereue, ist's nur, daß ich den da nicht besser getroffen habe.

GERLIND
vortretend.
Herr Vater, schenkt mir das Leben dieses Mannes –
DIETRICH.
Geh' heim in die Kemnate!
HANS
zu den Bauern.

Was steht ihr alle da als wären eure Zungen und Arme von Blei? Wollt ihr alle einzeln dem Rade zulaufen? Reißt euch empor, kommt mir zu Hilfe –

PFEIFER
zu den Umstehenden.
Ich befreie ihn, wer folgt mir –
ENGEL.
Sie haben bessere Waffen – bleibt – unsere Stellung ist gefährlich –
BLINTE.
Mögen sie anfangen, daß das Recht auf unserer Seite sei –
HANS.

Nun wohlan, ich sehe, ich that Unrecht als der Einzige Muth und Ehre zu besitzen – laß [18] mich zur Folterbank führen, laß mir jedes Glied einzeln vom Leibe trennen, wenn du es wagst –

DIETRICH.
Wenn ich es wage? Haha! Wer will mich daran hindern?
9. Szene
9. Scene.
Vorige. Münzer ist schon während der vorhergehenden Scene unbemerkt aufgetreten.

MÜNZER.
Das will ich – so wahr mir Gott helfe!
LIBORIUS.
Die Stimme kenne ich!
PFEIFER
freudig erregt.
Münzer!
BAUERN
durcheinander.

Münzer – er ist hier – er ist es – welches Glück – Freiheit – Nun wird Alles gut – Münzer – hoch Münzer – gelobt sei Gott!

LIBORIUS.
Weh uns – wie Donner klingt's in meine Ohren – weh uns, der Geist der Hölle erwacht –
MÜNZER.

Der Hölle? Erbärmlicher Pfaffe, der Geist der Gerechtigkeit ist erwacht, und er wird nimmer ruhen, bis er seine Feinde zu Spott und Schande gemacht hat. Eine neue Ordnung der Dinge naht, und ich bin gekommen, sie euch zu bringen –

BAUERN.

Münzer – Münzer – sprich zu uns – sprich für uns – rette uns – befreie uns – sei unser Führer wie einst –

GERLIND
für sich.
Welch gemeiner, hinterlistiger Ausdruck in diesen Zügen! Welch widerwärtiger Klang der Stimme!
MÜNZER
ist auf den Rand der Cisterne gestiegen.

Thüringer, Bauern – was steht ihr noch immer thatlos und in Verwirrung? Was erwartet ihr noch? Wollt ihr harren, bis das letzte Korn verbacken, bis [19] die letzte Jungfrau geschändet ist oder sich aus Noth verkauft hat, bis Hunger und Elend eure Kräfte ganz aufgezehrt haben und ihr zu schwach seid zum Kampf und Widerstand? Oder glaubt ihr, daß der Himmel ein Wunder thun und den Sinn eurer Bedrücker in einer Nacht zur Milde kehren werde?

BLINTE.
Nieder mit ihnen – schlagt sie todt – zapft ihnen das Fett ab!
DIETRICH.
Ganz vorzüglich gepredigt – der Bursche ergötzt mich. – Weiter im Text!
LIBORIUS.

Ihr spottet, Graf? Orkanartig schwillt der Sturm an – immer höher schlagen die Meereswogen zusammen ... Vater unser, der du bist im Himmel, geheiligt werde dein Name, zu uns komme –

DIETRICH.
Herr Abt, ihr dauert mich mit eurer Angst.
MÜNZER.

Weh dem Lande, in dem ein Frauenkleid mehr kostet als das Mittagsmahl einer Provinz. Mit eurem Schweiß ist der Wein gewürzt, den sie trinken, mit euren Thränen sind die Pasteten gesalzen, die sie essen, und eure Seufzer sind in die Atlasgewande eingewoben, die ihre Weiber tragen, wenn sie zu Spiel und Tanz schamlos die Brüste entblößen!

GERLIND
zornig vortretend.

Wie, du frecher Volksverführer wagst hier Frauen zu schmähen? Berichte doch auch, wie vielen Kranken wir Linderung und Arzenei bringen, wie wir ihnen beistehen, weuu sie siech und elend darniederliegen –

DIETRICH.
Schweig! Geh in deine Kemnate! Fort!
MÜNZER.

Welch stolzes Bild! – Dank' es euch die Hölle! Wenn eure Verschwendung, eure Putz- und Genußsucht sie siech und arm gemacht und auf's Hungerbett geworfen, werft ihr ihnen einen linnenen Lappen hin! Menschenfreundinnen – mit dem kleinen Finger gebt ihr, mit beiden Fäusten habt ihr genommen – [20] trinkt eure bittern Tränklein selbst und heißt eure Männer uns Brot geben!

BAUERN.
Ja, Brot, Brot!
ERICH
leise.

Lasset sie ruhig reden und toben bis eure Landsknechte zurückkommen, sie können nimmer weit sein. Dann schließet sie alle mit einem Mal ein und zehntet sie ohn' Erbarmen, so erhaltet ihr die Ruhe für immer.

DIETRICH.

Vortrefflich. Schicke schnell einen Knappen den Reisigen entgegen, daß sie auf der Stelle hierher zurückkehren! Erich spricht mit einem Knappen.

MÜNZER.

Graf Dietrich von Farnrode und ihr ritterliche Herren, hört mein letztes Wort. Im Namen eures ganzen gequälten Volkes spreche ich zu euch. Vernehmt, was wir begehren. Wir wollen uns selbst unsere Lehrer wählen, daß uns fürder nicht mehr Lug und Trug in das lebendige Wort Gottes gemischt werde. Wir wollen dem Kaiser zehnten, wie es in der Ordnung ist, doch nimmer wie jetzt, daß das Beste, das Unentbehrliche von uns genommen werde und uns nicht bleibt, davon wir leben mögen. Wir wollen frei sein, denn wir sind alle Gottes Kinder, nimmer soll ein Mensch Gewalt haben über des andern Leib, und Gut: ein Recht soll gelten für uns wie für die waffentragenden und geistlichen Herren, und was uns verboten ist, soll ihnen nicht erlaubt sein. Wald und Wasser und was darin kreucht und fleugt, soll unser so gut wie euer sein; was unsere Hände schaffen, soll uns zum vollen Ertrage gehören und Keiner ihn uns entreißen. Wir wollen es nicht ferner hingeben, daß ihr eurer Fehdelust und kriegerischen Spielerei fröhnen möget – statt mit dem Schwert möget ihr mit dem Spaten umherstolziren wie wir, und kein Adel soll gelten, als der, so sich jeder den Karst in der Hand erworben. Deine Gefangenen gieb frei, Graf Dietrich: keiner soll hinter Mauern büßen, weil er für Gerechtigkeit [21] und Ordnung gekämpft, sei er auch hierin einen Schritt zu weit gegangen. – Ihr Herren, ich frage euch im Angesicht des allgegenwärtigen Gottes und eures Volkes: erkennet ihr diese Forderungen für recht und billig an, so erklärt dies mit einem förmlichen Eide und tretet in unsern Bund als unsere Brüder und schwört mit uns zu kämpfen für unsere Sache, ehrlich und ohne Hinterlist, bis zum letzten Athemzuge. Wo nicht – so sei fürder kein Friede zwischen euch und uns! Graf Dietrich von Farnrode, gieb Antwort! Trommeln hinter der Scene.

BAUERN
erschreckt.
Was ist das?
ERICH.

Hei, das ist unsere Antwort! Nun wollen wir euch auf eure Frechheit einen Bescheid geben mit Flinten und Kanonen, daß ihr heulen und winseln sollt!

MÜNZER.

Ist's so gemeint? Du könntest falsch gerechnet haben, Bube! – – Brüder, jetzt ist's am äußersten, jetzt wehrt euch eures Lebens. Hervor eure Eisenstäbe und auf die Stöcke geschraubt – heraus die Morgensterne, die spitzenbeschlagnen Ringe, heraus die Sensen und Sicheln und Dreschflegel und Pflugscharen! Alles werde zur Waffe, selbst die Krücke! Ihr dort hinten – schnell die Waffen vertheilt, die ihr heraufgebracht habt! – Heinrich, rechts ab mit den Deinen wider die Landsknechte, wirf sie den Berg hinunter – ihr da, die Halle gestürmt, dort hängen noch Waffen genug! Ihr hier den Getreidespeicher besetzt. Vorwärts! Heinrich, besetze das Thor! Ihr folgt mir in die Burg! Drauf!Die Bauern haben ihre langen Röcke geöffnet und Waffen der von Münzer bezeichneten Art hervor gezogen. Einige der zuletzt mit Münzer Gekommenen vertheilen noch schnell Waffen.

PFEIFER.

Folgt mir – wir wollen sie zum Tanze auffordern, daß sie ein Schwindel überkommen soll!Ab rechts mit einem Theil der Bauern.

[22]
ERICH.
Verdammt, sie waren vorbereitet.
DIETRICH.
Wir überwältigen sie doch, die Hunde!
MÜNZER.

Folgt mir! Schlagt nieder, wer sich wehrt. Was zur Nahrung dient, nehmt ihr an euch, wer plündert und stiehlt, wird gehangen. Drauf! Stürmen gegen die Burg, die Frauen, Liborius und Rüdiger sind schon vorher unter Wehrufen entwichen, Dietrich, Erich und Helldrungen werden von der Menge in die Halle gedrängt und entwaffnet.

MÜNZER
zu Hans.
Sei frei und folge uns!
HANS
stürzt Münzer zu Füßen.

Meister, dir getreu bis in den Tod – das vergeß ich dir nimmer. Umarmt Frau Hüfer. Mutter, wie geht's meinem Weibe?

BLINTE.

Heia, jetzt wird's lustig – wozu hab' ich denn meine Fackel? Die Fackel schwingend ab. Waffenlärm innerhalb der Burg und vor dem Thor. Nach einer Weile erscheint.

MÜNZER.
Sieg! Sieg! Nur auf dem Bergfried halten sie sich noch!
EIN THEIL DER BAUERN.
Hoch Münzer!
PFEIFER
mit anderen Bauern.
Gottlob! Aber es war eine harte Arbeit!
MÜNZER.
Heinrich!
PFEIFER.
Die einen liegen im Burggraben, die andern kugeln den Berg hinunter Mühlhausen zu.
MÜNZER.

Wackerer Junge! Umarmen sich. – Zu den Bauern. Da ist der Getreideschuppen, nun holt euch Brot, stillt euren Hunger, ihr habt es euch redlich verdient!


Flammenschein, Rufe hinter der Scene.

Feuer, Feuer, der Schuppen brennt!

Das Feuer verbreitet sich reißend über die Bühne.
MÜNZER.
Mord und Tod, wer hat das gethan?
BLINTE
vorwankend, sich brüstend.
Ich! Kein andrer als ich! Mag es doch brennen, das Rattennest!
MÜNZER
wüthend.
Betrunkener Hund! Packt Blinte beim Kragen.
[23]
BLINTE
wehrt sich.
Laß mich!
MÜNZER.
Ich ermorde dich!
GERLIND'S Stimme hinter der Scene. Weh! Hilfe! Hilfe! Ich verbrenne!
MÜNZER.
Welche Stimme! – Ein Weib verbrennt! – Schnell zu Hilfe! Ab in die Burg.
PFEIFER
packt Blinte.
Hund, du hast das Getreide angezündet!
BAUERN.
Schlagt ihn todt! Schlagt Alles todt!
BLINTE
auf den Knieen.
Laßt mich leben!
PFEIFER.

Wie es raucht und qualmt! Ich glaube, das ganze Raubnest geht in Flammen auf. – Gott, wo ist Münzer? Ihm entgegen! Münzer!

MÜNZER
erscheint auf der Rampe, ganz geschwärzt, die ohnmächtige Gerlind auf dem Arme.
Gerettet!
BAUERN
ihm entgegen.
Brot! Brot! Schaff' uns Brot!
MÜNZER
mit unterdrückter Wuth, auf den brennenden Speicher zeigend.
Da! So friß doch, Gesindel!
PFEIFER.
Wen bringst du da?
MÜNZER.
Die erste Gefangene!
PFEIFER.
Thomas, Gott ist mit uns!
MÜNZER.
Die Bestie ist entfesselt – nun ist kein Halten mehr – gehe es wie es mag.

Der brennende Schuppen stürzt ein.
BAUERN.
Rettet euch, rettet euch!

Unter Feuer, Rauch, Lärm, Getöse fällt der Vorhang sehr rasch.

2. Akt

1. Szene
1. Scene.
Pfeifer. Blinte. Engel. Hans. Reinhard.

BLINTE.

Halt – das ist sein Schritt! – Nein, es geht vorüber – er ist es nicht. Noch nicht zurück! Vier Stunden weilt er jetzt bereits im Kloster und läßt uns hier harren wie Lakaien.

PFEIFER.
Wüßte ich nur, was er Tag um Tag stundenlang bei den Pfaffen sucht.
BLINTE.

Vielleicht, daß er fromm werden und in der Möglichkeit eines plötzlichen Todes seine unsterbliche Seele gerettet wissen will.

ENGEL.

Nacht um Nacht sprechen bei ihm, wie die Wachen versichern, Vermummte vor, die nach einigen Stunden Aufenthalts das Haus wieder verlassen, und die Lampe in seinem Schlafgemach erlischt oft erst mit der Morgendämmerung.

BLINTE.
Fragt man ihn darnach, so leugnet er's ab oder weicht aus.
PFEIFER.

Bei Christi Leiden, dies heimliche Wesen will mir nicht gefallen. Stehen wir doch alle [25] zusammen wie ein Mann für dieselbe Sache. Sind doch Sorgen, Ziele, Anstrengungen, Gefahren uns allen gleich und gemein!

BLINTE.

Weshalb dann also diese Zurückhaltung, diese Verweigerung jeder Auskunft? Freunde, wir wollen wissen, wie es mit uns steht – denn sehr oft ist solche Heimlichthuerei nur ein Deckmantel, um zu verbergen, daß man nichts zu sagen hat, und nur geschaffen, um sich ein Ansehen zu geben! –

REINHARD.
ENGEL. Ja, ja, wir wollen Auskunft verlangen.
HANS.
Aber, liebe Genossen, bedenkt –
BLINTE.

Was bedenken! Zwölf Tage liegen wir nun hier bereits unthätig seit dem Farnroder Scharmützel. Nichts als Uebungen und wieder Waffenübungen. An allen Orten erheben sich unsere Feinde. Wir brennen alle vor Kampfgier, er aber ermattet uns.

PFEIFER.
Das ist richtig.
HANS.

Liebe Genossen, überheben wir uns nicht. Vertrauen wir uns ihm ohne Rückhalt an, er hat uns bewiesen, daß wir's dürfen.

REINHARD.

Gewiß, gewiß! Aber wir, der neue Rath der Stadt, sind doch auch da, und haben sozusagen auch ein Wort mitzureden.

HANS.
Wer weiß, über welch großen Entwürfen sein Geist brütet –
BLINTE.

Ja ja, natürlich, oder – Freunde, darf ich offen reden? Ich möchte nicht auf die Studien und Arbeiten schwören, die hier in mitternächtlicher Abgeschlossenheit vorgenommen werden. Ihr wißt, Münzer ist ein glühender Verehrer weiblicher Schönheit. – Natürlich kann ich mich nicht für die Wahrheit verbürgen, doch sicher ist, daß man erzählt, es sei ihm nicht möglich, auch nur eine seiner gewaltigen, Alles in Brand setzenden Reden zu halten, ohne vorher die Liebe eines schönen Weibes genossen zu haben.

[26]
HANS.
Pfui, welche Verläumdung!
BLINTE.
Natürlich, das glaub' ich ja selbst! Aber da ist die gräfliche Dirne noch immer hier im Lager –
PFEIFER.

Horch, diesmal ist er's – ich höre ihn. Laßt mich mit ihm allein, ich werde ernstlich mit ihm reden. Diese Ungewißheit muß ein Ende nehmen.Engel, Blinte, Hans, Reinhard ab.

2. Szene
2. Scene.
Pfeifer. Münzer.

MÜNZER.
Gott zum Gruß, Heinrich! Schnell ein Glas Wein! Uff, da schwitzt man!
PFEIFER.
Willkommen, Thomas! Schwere Arbeit gehabt?
MÜNZER.
Beruhige dich, es ging Alles nach Wunsch.
PFEIFER.
So – nun das ist erfreulich. Und ist's erlaubt zu fragen, was dich so in Schweiß versetzte?
MÜNZER.
Noch nicht, Heinrich!
PFEIFER.
Hast du schon etwas darüber beschlossen, wann wir marschiren?
MÜNZER.
Nein!
PFEIFER.
Und fürchtest du nicht, daß die Feinde uns zuvorkommen?
MÜNZER.
Beunruhige dich darüber nicht.
PFEIFER
für sich.

So geht's nun einen Tag um den andern. Mir krampft sich die Seele zusammen.Laut. Höre, Thomas, glaubst du, daß ich darum meine Kapuze mit dem Helm vertauscht habe, daß ich darum das Schwert unter meiner Kutte befestigt habe, um hier müßig still zu liegen, Fastenpredigten zu halten [27] und zu warten, bis deine geheime Weisheit sich in Thaten offenbaren wird? Ich habe mein Kloster verlassen, weil mir die Noth der Bauern, die ich Tag für Tag auf meinen Wanderungen kennen lernte, über's Herz quoll, weil meine Muskeln sich von selbst zu ihrer Befreiung emporrichteten. Und nun zwingst du mich, hier mich zu verliegen und Reden zu halten, wie einst auf der Kanzel mitten im stinkenden Weihrauchqualm, und hältst die Hand auf meinen Schwertknauf?

MÜNZER.
Sind die Waffenübungen abgehalten? Ist kein Fehler vorgekommen?
PFEIFER.
Stelle dich nicht, als ob du mich nicht hörtest! Bin ich dein Sklave, daß du mich also behandelst?
MÜNZER.
Hörst du mich? Ich frage: sind die Waffenübungen abgehalten.
PFEIFER.

Tod und Hölle, was ist das! Bin ich ein Schulschütz? Glaubst du uns alle hier wie Käfer am Faden regieren zu können? Ich sage dir, steh' mir Antwort! Hülle dich nicht in diesen Mantel deiner Würde und göttlichen Sendung ein, sondern sprich – oder wir wollen uns selbst Wissenschaft erwerben –

STIMMEN
vor der Thür.
Hinein – hinein – er soll uns Rede steh'n – gegen den Feind.
MÜNZER.
Was ist das?
3. Szene
3. Scene.
Vorige. Blinte. Engel. Hans. Bauern.

ENGEL.

Da ist er! – Münzer, die Feinde sind gegen uns im Anzug, der Landgraf von Hessen, heißt es, ist mit 10000 Mann gegen uns aufgebrochen – sollen wir uns waffnen und ihm entgegenrücken?

[28]
MÜNZER.
Nein!
BLINTE.

Nein – nein – da hört ihr's wieder! Seiner Unfehlbarkeit beliebt, uns hier still liegen und hinschlachten zu lassen wie die Maccabäer. Willst du uns wohl sagen, weshalb wir nicht marschiren?

MÜNZER.
Weil ich es nicht für gut befinde.
BLINTE.

Hört ihr's – er findet es nicht für gut. Das muß euch genügen, Strohköpfe! Packt euch nach Hause! Er findet es für besser, hier sein Schöppchen im Klosterkeller zu trinken. Geht also nach Hause.

MÜNZER
für sich.
Geist Korah's, regst du dich?
ENGEL.

Nein. Wir wollen uns nicht immer mit diesen Antworten abspeisen lassen. Steh' uns Rede! Hier haben wir alle gleiche Rechte, keiner soll mehr sein als der andere. Wir haben unser Gut und Leben auf's Spiel gesetzt, um unsere Kragen wird hier gewürfelt, wir wollen sicher sein, daß uns wenigstens die eigenen Führer nicht im Spiel betrügen.

MÜNZER
für sich.
Volksgehorsam! Jeder ist sein eigener Moses und Cäsar.
ENGEL.
Warum quälst du uns hier Tag um Tag mit nutzlosen Exerzierübungen ab? Thörichte Spielerei!
PFEIFER.
Warum führst du uns nicht gegen den Feind?
BAUERN.
Gegen den Feind – wir wollen marschiren.
BLINTE.

Was thust du Tag um Tag Geheimnißvolles im Kloster? Ein ehrlich Unternehmen wie das unsere bedarf keiner Heimlichkeiten.

BAUERN.
Er unterhandelt heimlich mit den Adligen.
ENGEL.
Man hat vermummte Boten gesehen, die sich des Nachts hierherschleichen –
BAUERN.

Weh uns – wir sind verrathen – [29] antworte – vertheidige dich! Gieb uns Aufklärung! – Wir wollen wissen, wie es mit uns steht. –

MÜNZER.

Das ist zu viel! Schweigt, Gesindel! Ist das der Gehorsam, den ihr gelobt? Kleinmüthige, Feiglinge – da der Befreiungskampf noch kaum begonnen, zagt ihr, mißtraut ihr? Mir mißtraut ihr, dessen ganzes bisheriges Leben ein Kampf für eure Befreiung gewesen ist, den ich unter den furchtbarsten Fährnissen gekämpft? Ihr ungeübten wilden Haufen wollt so wie ihr seid gegen die eisengepanzerten Reisigen des Landgrafen von Hessen laufen, der, gewarnt durch die Kämpfe früherer Jahre, seine ganze Mannschaft bisher ununterbrochen auf den Kampf mit uns eingeübt? Aber ich werde sie von euch entfernen, die Buben, die euch tagtäglich in den Ohren liegen und euch das Gift der Unbotmäßigkeit und des Mißtrauens einflößen, indeß sie honigsüß zu euch von Freiheit und Gleichheit schwatzen. Die Wolke meiner Langmuth reißt einmal, Peter Blinte, und der Blitz des Zorns zuckt hervor. Zu Pfeifer. Du mein alter Waffengefährte aus den Gefilden Schwabens und des Elsaß – kein Stahl auf die Brust des Einen gezückt, den der Andere nicht aufgefangen – und murrst jetzt gegen mich? Zu Hans. Du, den ich mit diesen Händen aus den Klauen der adligen Räuber befreit – du lehnst dich gegen mich auf, ohne den dich heut' schon die Würmer speisten?


Pause.
PFEIFER.
Vergieb mir, Thomas.
HANS.

Ich erröthe bis in den Grund meiner Seele. – Brüder, ist dies der Dank, daß er als der erste den Ruf zur Befreiung in unseren Gauen ausgestoßen? Schämt euch. Wer ein braver Bauer ist, rufe mit mir: Hoch Münzer, unser Meister!

EIN THEIL DER BAUERN.
Hoch Münzer!
MÜNZER
für sich.
Rohr im Winde! Und mit ihnen soll ich Eichen entwurzeln.
[30]
BLINTE.

Aber was thut die Grafendirne noch im Lager? Ihr ganzes Geschlecht hat uns mißhandelt und beleidigt – sie soll als Sühne sterben.

MÜNZER.

Ein wehrlos Weib wollt ihr hinschlachten? Was kann sie für die Grausamkeit der Männer ihres Geschlechts?

BLINTE.
Sie sterbe, damit sie nicht adliges Gezücht zur Welt bringe, das uns vernichtet.
MÜNZER.

Seht ihr nicht, daß sie uns hier lebend im Lager als Geisel viel wichtiger ist, denn todt? Daß wir durch sie ihr ganzes Haus in Banden halten? – Ist einer unter euch, der mir mißtraut – er trete vor und rede! Pause. Wer mich als Verräther anklagen will – er soll das Wort haben. Pause. Nun wohl, ich sage euch: ihr seid alle Gottes Kinder, seid gleich geboren und sollt gleichen Antheil haben an Besitz und Genuß im Frieden – jetzt aber ist Krieg, und im Kriege soll nur einer herrschen, und alle Freiheit und Gleichheit ist aufgehoben, bis wieder Frieden über der Welt ruht. Ich werde euch zum Siege führen, ich schwöre es euch bei dem Höchsten – wer aber gegen den geringsten meiner Befehle nur aufzublicken wagt, der hat die Sonne zum letzten Mal aufgehen sehen: merke dir das wohl, Peter Blinte!

LÄRM
draußen vor der Scene.
Hinein, hinein mit ihm, führt ihn vor den Meister!
4. Szene
4. Scene.
Vorige. Sander, Roder und andere Bauern schleppen den barhaupten und gefesselten Erich herein.

ERICH
versucht um sich zu schlagen.
Schweine! Affen! Hunde! Laßt mich los.
SANDER
stößt ihn.
Halt's Maul, adliger Lumpenhund, du stehst vor deinem Richter.
[31]
ENGEL UND BAUERN.
Der Ritter Erich gefangen?
MÜNZER.
Wo bringt ihr ihn her?
RODER.

Meister, wir lagen im Buchengehölz vor dem Frauenthor im Hinterhalt, wie du uns gewiesen. Da kam dieser mit drei Knechten zu Pferde auf dem Spürpfad. Wir brachen aus – die Knechte liegen draußen erschlagen, dieser wehrte sich wie ein Bär, aber wir entrissen ihm sein Schwert und brachten ihn hierher.

MÜNZER.
Kennst du mich, Graf Erich? – Ich bin dein Richter.
ERICH.
Die Metzgerhunde halten Gericht über den Löwen – köstlich.
MÜNZER.
Graf Erich, bitte vor diesen hier Gott um Vergebung dessen, was du an ihnen gethan.
ERICH
speit aus.
BLINTE.
Schlagt ihn nieder! Alle müssen dran glauben!
HANS.

Meister, überlaß ihn mir! Nach dem Augenblick hab' ich gelechzt, an ihm zu sühnen, was er mir und meiner Braut zugefügt. Laß mich an ihm die tausend Thränenströme rächen, die durch seine Frevel über die Wangen unserer Jungfrauen und Weiber geflossen. Jedes Glied will ich ihm einzeln vom Körper reißen –

BAUERN.
Wir Alle, wir Alle!
MÜNZER.

Wir sind keine Mörder, wir wollen Menschenleben nicht anders opfern denn nothgedrungen, im offenen Kampfe, Mann gegen Mann. Aber was du an den Frauen und Töchtern dieser hier gethan, verlangt Strafe. Stecht ihm die Augen aus, daß er sie nie wieder im Begehren zu dem Weibe eines seiner Nächsten erhebe. Fort mit ihm!

BAUERN.
So ist's recht – so ist's recht! Schleppen ihn fort.
[32]
ERICH.

Ihr Hunde, wollt ihr mich zum Spott aller alten Vetteln im deutschen Reiche machen – laßt mich los, Affen, Krokodile – Er wird unter großem Geschrei abgeführt.

5. Szene
5. Scene.
Münzer allein. Dann Gerlind.

MÜNZER.

Leichter eine Armee von Königen zu regieren, als einen Haufen aufständischer Bauern. Allmächtiger Gott, der du mich berufen hast, meinem geknechteten unterdrückten Volke Freiheit und Brot zu bringen, verwickle mir nicht unnütz die Fäden, erleuchte in jenen des Herzens Dunkel wenigstens so weit, daß sie mir nicht Steine in den Weg werfen, wenn ich komme, das Glück in ihre Hütten zu führen. Nur das verlange ich von dir, mein Gott: für das andere, für den Sieg will ich schon selbst sorgen.

GERLIND
von links.

Halt ein, Lästerer, erflehe nicht Gottes Hilfe zu deinem verruchten Werk. Was weiß Gott von deinem Beginnen? Er kennt dich nicht. Glaubst du, er würde zugeben, daß du unschuldige Frauen in Gefangenschaft hieltest mitten im rohen Kriegslärm des aufrührerischen Lagers? Ich schwinge keine Speere, ich führe keine Büchse – weshalb hältst du mich also gefangen?

MÜNZER.

Mit gutem Grund, edles Fräulein. Uebertrefft ihr doch an Klugheit zehn Männer. Nicht eure Hand fürchte ich, aber euren Rath im Dienste meiner Feinde – und eure Augen, deren Blitzen allein ein Heer gegen mich in Waffen rufen könnte.

GERLIND.

Köstlich! Nur darum, scheint es, haltet ihr mich gefangen, um mir plumpe Bauernhöflichkeiten zu sagen. Der Frauen Stimme wird im[33] Kriegsrath der Männer nicht gehört – laß mich also frei, Rebell.

MÜNZER.

Gesteht, ihr sehnt euch nach den jungen schönen Rittern Thüringens. Nun, wenn sie euch wahrhaft lieben, wie sie euch so oft versichert – warum holen sie euch nicht muthig heraus aus der Mitte meiner Schaaren? Ihr solltet mir dankbar sein, edles Fräulein, daß ich euch Gelegenheit gebe zu erkennen, welcher von euren Verehrern euch am heißesten liebt.

GERLIND.

Vermuthlich scheuen sie den Kampf mit solchen Helden von Bauernknechten, welche ihre ahnungslosen Gebieter zu Tausenden überfallen und ihre Töchter rauben. Genug des Geschwätzes! Ist es euch um Geld zu thun, um meine Schätze?Sie reißt ihre Halskette ab. Da ... nimm ... mein Vater soll dir noch mehr schicken, nur laß mich frei zurück zu den Meinen!

MÜNZER
wirft die Perlen zum Fenster hinaus.
So viel Werth hat für mich euer Schmuck, so begehre ich eurer Schätze.
GERLIND.

Nun, was willst du also? – Mein Leben? – Gut, so nimm es, ich bin ja in deiner Macht, tödte mich! Nur rasch! Oder laß mich frei.

MÜNZER.

Und wenn ich euch nun sage, daß ich euch nicht fortlasse – weil – weil ich euch nicht fortlassen kann –

GERLIND.
Hahaha! Herrlich! Er wird mir noch sagen, er liebe mich – der Mordbrenner!
MÜNZER.
Mord ...! – Gott sei Dank, sie ist ein Weib!
GERLIND.
Nun ja, bist du was besseres?
MÜNZER.

Mordbrenner! – Wenn ihr wüßtet, wie ich einer geworden bin! – – Mein Vater war ein Bauer im Stolbergischen. Friedlich baute er sein Korn und seine Rüben. Kein Mensch, dem er je Uebles gethan hätte! [34] Mich, sein einziges Kind, zog er auf in der strengen Furcht Gottes, im Gehorsam gegen die weltliche Herrschaft. Unser Acker grenzte an den gräflichen Wald. Die hochgeborenen Herren Eber kamen immer des Nachts herüber aus dem Walde auf unser Feld und fraßen, zertraten, durchwühlten die Arbeit und den Schweiß unserer Tage, und da sie sich durch Klappern und Lärmen nicht in ihrem Treiben stören ließen, warf mein Vater mit Feldsteinen nach ihnen, so daß einmal einer, in's Auge getroffen, verreckte. Das erfuhr der Graf und ließ zornig meinen Vater in das Burgverließ werfen. Als er da unten blutrünstig und zähneklappernd drei Tage gelegen, schickte der Graf nach meiner Mutter. Gott, wie war sie schön, mit ihren blitzenden blauen Augen, ihren langen, blonden Zöpfen! Soll ich euch wiederholen, um welchen Preis er den Vater frei lassen wollte? Sie warf mit ihren kräftigen hannöver'schen Bauernhänden den schurkischen Knecht, der ihr das Ansinnen stellte, vor die Thür. Da ließ der Graf sie und mich auf das Schloß schleppen, und uns gegenüber ward mein Vater in Ketten gebracht, siech, verfallen. Und der Graf verlangte von ihm, er solle die Mutter auffordern, sich ihm zu Willen zu geben, und weigere er sich, so werde er vor seinen und meinen Augen seinem Willen Geltung verschaffen. Da vermochte mein Vater nicht an sich zu halten, die letzte Kraft, die ihm noch geblieben, nahm er zusammen, zerriß die Fesseln und sprang dem Unthier in Menschengestalt an den Hals. Die Knechte rissen ihn zurück. Zwei Tage später standen die Mutter und ich an dem Galgen, an den man ihn gehangen. »Sei ruhig, mein Kind,« sprach die Mutter, sprachen die Verwandten zu mir, der weinend, glühend und hungernd dastand, »wir sind eben Bauern, für uns giebt es kein Recht, für uns giebt es kein Brot, wir müssen eben dulden. – »Nein,« [35] schrie es da auf in meiner jungen, zehnjährigen Seele, nein, nein, nein! Auch ich bin ein Mensch wie dieser Graf – und warum soll er das Recht haben, Tausende, wie ich bin, zu martern, zu quälen, zu zerbrechen wie Holzscheite? Und als alle fortgezogen waren, kniet' ich nieder am Fuß des Galgens und gelobte weinend: »Wartet, ihr Bauern, ich bringe euch das alte Recht zurück, wie ihr es besessen von Uranfang an, wie ihr es noch gehabt zu Hermann's Zeiten, da noch kein Edelmann gelebt im deutschen Lande – ich werde euch frei machen von Schmach, und ein Recht soll fürder herrschen im deutschen Vaterlande für Alle!« Und da kam's wie eine göttliche Eingebung über mich, und Plan und Ziel und Mittel standen so klar vor dem Auge des zehnjährigen Buben, als wäre ich ein Greis und hätte mein ganzes Leben lang auf nichts anderes gesonnen. Ein heiliges Feuer durchglühte meine Adern. Fünfzehn Jahre war ich alt, ein halbes Kind noch, als ich meine erste Verschwörung anzettelte wider die hartherzigen Vornehmen und Reichen, ihnen zu zeigen, daß der Müßiggang und das Lodderleben nicht ewig triumphiren sollten über den Fleiß und den Schweiß, und daß nur eines in Zukunft gelten sollte im deutschen Lande: die ehrliche, unablässige Arbeit. In Thüringen, in Schwaben, im Elsaß hab' ich gesprochen und gefochten für die Rechte der Enterbten und Rechtlosen, zu deren Unterdrückung sich alles vereinigt, Kaiser und Papst, Edelmann und Dickwanst Bürger – halb Deutschland hab' ich in Aufruhr gebracht für meine heilige Sache – reißend schwillt mein Heer an wie ein Gebirgsbach im Frühling – und ich werde siegen oder an der Spitze meiner Schaaren untergehen: das schwöre ich dir, der Mordbrenner! – Pause.

GERLIND.
Und das Alles berichtest du so offen und schamlos mir, der Tochter des Grafen von Farnrode?
[36]
MÜNZER.

Wohl, Tochter des Grafen von Farnrode, wiederhole das Wort doch noch einmal – schleudere es mir noch einmal in's Gesicht, – wie war es doch: Mord–

GERLIND.
Genug! Wendet sich ab.
MÜNZER.

Wiederhole es mir noch einmal, und du sollst frei sein, du sollst auf der Stelle ungehindert gehen dürfen, wohin du willst. Lockt dich das nicht? Nun wohl, ich harre –

GERLIND
schweigt.
MÜNZER
mit blitzenden Augen.

Nun – sprich – oder wenn du es nicht wagst, wenn dein Herz deinem Munde Ketten anlegt, so habe den Muth auszusprechen, was dein Herz empfindet, empfinden muß, wenn es neben tausend Centnern Adelsstolz noch ein Quint Menschlichkeit in sich trägt, so sprich: Münzer, ihr thut Recht –

GERLIND
sich heftig zu ihm wendend.

Also schnell – laß mich zum Scheiterhaufen schleppen – ich bin ja in deiner Macht, ich gehöre ja auch zu dem verhaßten adligen Gezücht –

MÜNZER.

Bei der Reinheit deiner stolzen Seele, der, ich sehe es, noch nie ein Wort der Lüge gelungen ist, beschwöre ich dich, Gerlind, antworte mir ... glaubst du, daß der Sieg meiner Sache bleiben wird, daß ich meinem Volke Befreier und Erretter sein, und durchführen werde, was ich begonnen – sprich,. ich verlange es von dir ... ich harre auf dein Wort, wie ein zweifelnder Kranker auf den Ausspruch des großen Arztes, zu dem er sich an Krücken hingeschleppt – ich glaube an dich –

GERLIND.
Du kannst mich nicht zwingen, dir zu antworten –
MÜNZER.
Ich flehe dich darum an –
GERLIND
mit furchtbarer Selbstüberwindung.
Nun[37] denn ... ja, du wirst siegen ... ich fühle es, ich sehe es, Entsetzlicher –
MÜNZER.

Und du weißt, daß die Sache deiner Partei eine verlorene ist, du weißt, daß ihr Alle, Alle untergehen müßt, weil die absterbende Eiche sich vergeblich gegen den Sturm in's Erdreich einklammert – er zerspellt sie mit einem Stoß in Trümmer, denn sie ist faul und morsch durch und durch ... und willst doch zurückkehren in den Schoß der Todtgeweihten? Gut, du bist frei ... geh'! – So geh' doch ... zurück zu den deinen ... und wirf dich in die Arme eines deiner jungen adligen Rüpel, der entarteten, ausgemergelten Buben, deren Leben ein ununterbrochenes Saufgelage ist, die bei einer Mahlzeit den Schweiß eines Dorfes verprassen, die nur in Flüchen und rohen Witzen zu reden verstehen, sich Helden dünken, weil sie einmal für ein Jahr in des Kaisers Heer eintreten – gewollt, und von den Siegen zu erzählen wissen, die sie über Bauerndirnen gewonnen, bei denen sie rohe Herrengewalt und klimperndes Geld zum Siege geführt. Geh' und werde die Gattin eines solchen – aber sieh' dich vor, daß er dich noch heut' zum Brautbett führt, denn die Stunde jener Aller ist gekommen, und morgen könntest du schon Wittwe sein.

GERLIND.

Kennst du mich so gut? daß du nicht weißt, wie ich diese Jugend verabscheue, mehr als du. Lieber dem Großtürken in seinen Harem folgen, als einem jener Buben in's Ehebett!

MÜNZER.

Und du wolltest einsam und liebeleer durchs Leben gehen? So viel Schönheit sollte zur Sommerszeit hinter dem Ofen vor Frost sterben, nur weil dein anerzogener Adelsstolz sich wie eine Schlange zwischen dich und mich legt? Nimmer! Gerlind, wende dich nicht ab – du liebst mich, ich weiß es – so besitze auch die Kraft, der Schlange den Kopf zu zertreten, oder bei Gott, ich will mit ihr kämpfen, bis [38] sie den Balg läßt. An jenem Tage, als ich dich unter Rauch und Trümmern und Flammen auf meinen Armen aus deiner brennenden väterlichen Burg in mein Lager hinüber trug: an jenem Tage brach die Mauer, die blöder Unverstand zwischen Menschen und Menschen gezogen, seit jenem Tage liebe ich dich heiß und glühend, weiß ich, daß wir zwei einander angehören müssen. Die Welt wird eine andere, die Welt erneut sich, Gerlind; der Bauer streckt die Hand aus nach der Tochter des Grafen – aber wenige Stunden noch und der Bauer ist der Herr der Welt, denn auf des Bauern Seite ist die Jugend, die Kraft, die Sonne, der Sieg!

GERLIND.
Die Sonne, der Sieg!
MÜNZER.

Ich wag's und greife hinein in die Sterne, und hole mir aus dem Kreise der ewig Wandelnden den Stern der Liebe herunter und stecke ihn als Wahrzeichen an mein Haus – an mein Haus, in das du als Gebieterin einziehen sollst, Geliebte. Gerlind, komm in meine Arme, wenn du an mich glaubst, wenn du mich liebst –

GERLIND.
Euch? Fort die Hand, die ausgestreckt ist, meinen Vater zu ermorden –
MÜNZER.

Die ausgestreckt ist, dich durch Stürme und Klippen und Wogen in das Haus der Zufriedenheit und der Liebe zu tragen: wir selbst unter Millionen Freien und Glücklichen die freiesten und glücklichsten – Gerlind –

GERLIND.
Aufrührer – Mordbrenner – was zieht's mich so unwiderstehlich zu dir? Sie stürzt in seine Arme.
MÜNZER.

Weil der Himmel uns von Weltanbeginn für einander bestimmt hat. Mein Weib! – – Mein Weib! – Mein holder, wilder Falke! – Nicht wahr, jetzt bleibst du für immer bei mir, kehrst nimmer in dein altes Raubnest zurück?

[39]
GERLIND.
Nimmer – nur dies eine Mal – heute noch –
MÜNZER.
Weshalb – was suchst du noch dort?
GERLIND.

Soll Jemand auf der Welt leben, der von mir glaubte, ich hätte mich hier durch Gewalt zurückhalten lassen, ich hätte nicht die Kraft besessen, mich frei zu machen? Nein, als freien Entschluß will ich ihnen verkünden, daß ich mein Glück in deine Hand gegeben, daß ich dir folgen will –

MÜNZER.
Und sie werden dich zurückhalten, dir Fesseln anlegen –
GERLIND.

Sie sollen's versuchen, mich zwingen! Der soll noch geboren werden, der mich zurückhalten möchte, wo ich nicht bleiben will –

MÜNZER.

Gut – ich weiß, daß du stark bist, ich hab's in diesen Tagen gesehen, da keiner der rohen zudringlichen Bauern sich dir auch nur zu nähern wagte. Aber wirst du auch freiwillig zu mir zurückkehren, Gerlind?

GERLIND.

Was soll das? Jetzt gerade verlange ich, daß du mich bittest zu gehen – als einen Beweis deines Vertrauens – du mußt mich achten, wenn ich dich lieben soll –

MÜNZER.
So thu', was du für gut hältst –
GERLIND.
Wohlan –
MÜNZER.

Geh' und Scherzend. zweimal vierundzwanzig Stunden geb' ich dir, bist du bis dahin nicht zurück an dieser Stelle, so hole ich dich mitten aus der Schaar der Deinen heraus in mein Lager, den steilen Berg klimme ich hinan, wie eine Gemse schwing' ich mich an der glatten Mauer empor –

LÄRM
hinter der Scene.
Wir sind verrathen! Wir sind verrathen!
MÜNZER.
Was soll das?
GERLIND
tritt nach dem Hintergrund.
6. Szene
[40] 6. Scene.
Vorige. Engel. Blinte. Reinhard. Frau Hüfer, die alte Steimann, von Bauern und Bürgern gefolgt, stürzen aufgeregt herein.

ENGEL.
Verrath! Verrath! Ueberfall!
BAUERN.
Wir sind verloren!
MÜNZER.
Seid ihr toll, was giebt's?
BLINTE.
Verrath! Verrath! Die Knechte des Landgrafen von Hessen stürmen gegen die Stadt –
ENGEL.
Der Feind ist im Anzug, wir sind verloren, die Wachen fliehen –
BAUERN.
Sie sind übermächtig – wir sind verloren –
WEIBER.

Weh' uns – sie werden die Stadt verbrennen – weh' uns, sie tödten uns – sie kennen kein Erbarmen – Auf Münzer zustürzend. Rette uns, rette uns –

ENGEL.
Jetzt zeig', ob du wirklich vom Himmel zu unserer Befreiung gesandt bist – Ferne Hornsignale.
BAUERN
schreien auf.
Das sind sie, das sind sie!
PFEIFER.

Sie müssen schon seit mehreren Tagen unterwegs sein – du hast heimlich Boten über Boten empfangen – sprich, hast du darum gewußt –

SANDER
hereinstürzend.
Sie sind am Thore, die Wachen fliehen –
BAUERN.
Er hat darum gewußt, wir sind verrathen –
WEIBER.
Wir sind verkauft – ermordet den Verräther –
BLINTE.

Diesmal hat der Meister die Apostel verrathen! Heimlich zu den anderen. Stürzt euch auf ihn; müssen wir untergehen, so soll er wenigstens vor uns sterben –

[41]
PFEIFER
tritt zu ihm.

Ob du darum gewußt hast, will ich wissen – sprich – diese Alle, die dein Wort verführt hat, verlangen Antwort –

BLINTE.
Preßt ihm die Antwort mit dem Schwert aus der Kehle –
WEIBER.
Reißt ihn in Stücke!
MÜNZER
ist an's Fenster getreten und blickt gespannt und unbeweglich hinaus, ohne sich um den Lärm zu bekümmern.
ENGEL.

Er sieht uns nicht einmal an – er verhöhnt uns – aber er soll sich seines Verraths nicht erfreuen – den Lohn soll er nicht genießen – und die gräfliche Dirne da – seine Dirne –

BAUERN
dringen auf Münzer ein.
Hast du uns verrathen? Sprich oder stirb! – Nieder mit der Dirne!Einer faßt Gerlind am Arme.
MÜNZER
packt ihn und wirft ihn zu Boden.
Elender Bube!

Laute Kanonenschüsse unmittelbar hinter der Scene.
ALLE
stehen erstarrt.
Was ist das?
MÜNZER.

Ha, endlich! – Das sind meine Geschütze, die ich habe gießen lassen, im Barfüßerkloster, wenn ich tagelang dort verweilte, geheimnißvoll, damit eure Dummheit nicht meine Pläne durchkreuzte – und nächtliche Boten brachten mir heimlich das Pulver, das ich in Süddeutschland gekauft hatte – ich, der Verräther.

RODER
hereinstürmend.

Triumph! Triumph! Sie fliehen in größter Verwirrung – das haben sie nicht erwartet, daß wir Geschütze besäßen. – Sieg, Sieg, – nun lasset Victoria schießen. –

BAUERN.
Gerettet – gerettet –
MÜNZER.

Ja – und da – und da – Reißt sein Gewand auf und wirft Papiere und Briefe unter die Menge, um welche diese sich schlägt. Lest, lest, Gesindel!

BAUERN.
Gerettet, befreit!
BLINTE
für sich.
Wie schade, wie jammerschade!
[42]
ENGEL
liest.
Bündniß mit den schwäbischen Bauern –
THOMÄ
liest.
Unterstützung durch Friedrich den Weisen –
RODER
liest.
Hilfe vom Elsaß aus –
PFEIFER
liest.
Auch am Mittelrhein schlagen sie los –
MÜNZER.

In jedem Gau Deutschlands erheben sich die Bauern, um gemeinsam das alte Joch abzuschütteln, gemeinsam für Freiheit und Brot zu kämpfen, zu Millionen stehen sie auf, ein gekröntes Haupt tritt an unsere Spitze und steht uns bei – gleichzeitig entbrennt der Kampf auf allen Punkten – gleichzeitig auch in Frankreich und Italien – wer will da widerstehen? Wie ein Sturm geht es reinigend und erlösend über die ganze Erde, nicht mehr wie früher in kleinen, vergänglichen Windstößen – Das waren die andern Boten, die ich heimlich des Nachts empfing, mit denen ich mich einschloß. Nicht wahr, ich habe euch gründlich verrathen? –


Pause. Alle stehen beschämt.
ENGEL.

Meister, großer Meister, vergieb uns nur noch dies eine Mal, nur dies eine Mal noch, wir wollen nie wieder an dir zweifeln, wir schwören es dir –

BAUERN
werfen sich vor ihm nieder.
Vergieb uns nur noch einmal – wir wollen dir vertrauen.
MÜNZER.
Nicht als ob ihr es verdientet, zweifelndes, klägliches Geschlecht –
ENGEL.
Ja, wir sind erbärmlich, aber verzeihe uns doch –
PFEIFER.
Bin ich alter, ungestümer Bock werth, dir die Füße zu küssen?
MÜNZER.

Mäßige deinen Jähzorn ein wenig, Heinrich, kühle dein jähes Blut, und ich will dich mit Stolz meinen Bruder nennen.

FRAU HÜFER.

Er ist der neue Moses, er wird [43] uns in das gelobte Land der Freiheit und Gerechtigkeit führen, wo auch für die Armen und Enterbten Milch und Honig fließt – Sie drängen sich um ihn und küssen seine Hände, sein Gewand, er wehrt ab.

DIE ALTE STEIMANN.

Bekränzt ihn mit Lorbeer, er soll die Zeichen seiner Würde tragen! Sie bringen Blumenkränze und ein Diadem und schmücken ihn damit.

MÜNZER.
Laßt, laßt das Diadem! Sie drücken es ihm auf's Haupt.
GERLIND.
Nimm es an! Für sich. Er soll es tragen, er muß es tragen!
BLINTE
bei Seite.
Und doch kommt auch noch mein Tag – dann warte.
PFEIFER.

Und hier schwören wir, dir von nun an zu folgen wie die Heerde dem Hirten, wie die Planeten dem Monde, wie dem Wotan die wilde Jagd, wohin es sei, wohin du uns führst, über Berge, durch Wüsten und Meere, ohne zu murren, ohne zu fragen. Nichts wollen wir sein als eine gewaltige Masse, von deinem Hauch beseelt, von deinem Geist regiert, und Gehorsam sei fortan unsere höchste Tugend und Vertrauen auf dich unser ganzes Denken. Brüder, wer denkt wie ich, der hebe die Hand und rufe: das schwören wir.

ALLE.
Wir schwören.
BLINTE
für sich.
Um es knurrend zu brechen, sowie der Thierbändiger den Rücken gewandt.
GERLIND
für sich.
Jetzt ist er ihr Herr – und mein ist das Feld!
MÜNZER.
Und ich schwöre euch –
GERLIND.
Münzer – Für sich. Was will er thun –
HANS
eilig hervortretend.
Brüder, eine Trauerbotschaft! Friedrich von Sachsen ist gestorben.
BAUERN.
Der Weise ... todt ....
[44]
ENGEL.
Der einzige deutsche Fürst, der es redlich meinte mit seinem Volke.
SANDER.
Der ein Herz hatte für die Bauern.
ENGEL.
Der damit umging unsere Pläne und Forderungen zu verwirklichen –
RODER.
Der werth war, deutscher Kaiser zu sein. Nun haben wir nicht einen Bundesgenossen mehr.
GERLIND
für sich.

Friedrich der Weise todt, der Bauernkönig? Ich weiß, welch' andern Fürsten ich ihnen geben werde. Nun muß er – er wolle oder nicht.

MÜNZER
zu Hans.

Wie konntest du so ungestüm mit der Nachricht hereinplatzen? Laut. Brüder, das Schicksal meint es gut mit uns, es will, daß wir unser Glück keinem verdanken sollen, denn uns selbst. Friedrich war ein Freund des armen Mannes, aber nicht er war der Mann an eure Spitze zu treten und euch zum Siege zu führen, denn tausend Rücksichten hemmten ihn – ich werde es. Und so ihr die Treue haltet, die ihr mir gelobt habt, will ich dieses Schwert Entblößt es. nicht eher wieder in die Scheide stecken, als bis ihr alle frei und zufrieden seid und keiner den Nachbarn um das Brot beneiden darf, das sich jener in Würfel schneidet. Und mein Ehrgeiz soll sein, mein Volk erlöst zu haben aus der Knechtschaft von zehn Jahrhunderten und mich doch nicht zu erheben über den Geringsten von euresgleichen. Das schwöre –

GERLIND
ist dicht an ihn herangetreten, leise.
Schwöre nicht, das schwöre nicht, du wirst es bereuen.
MÜNZER.
Wer tritt zwischen mich und meine Brüder? Ich schwöre es euch im Namen des lebendigen Gottes.
GERLIND
für sich.
Der Schwärmer!
ALLE.
Amen!
THOMÄ
der vorher abgegangen, eintretend.
Meister, darf ich reden?
[45]
MÜNZER.
Sind wir nicht alle Ringe eines Stammes? Was hast du? Sprich!
THOMÄ.

Meister, eine üble Botschaft. Der Luther ist im Land. Vor zwei Wochen hat er sich auf die Kunde vom Aufstand aufgemacht gen Thüringen, zu predigen gegen uns. Fürsten, Edelleute, Bürger wühlt und regt er auf wider uns, und machtgewaltig ertönt seine eherne Stimme und weckt argen Nachhall. Brüder, des Landgrafen Truppen mögen wir besiegen, da steht Mann gegen Mann – aber was vermögen wir gegen das Wort des Einen Gewaltigen, das stets neue Geschwader gegen uns aufregen wird?

MÜNZER.
Wo ist der Luther im Augenblick?
THOMÄ.
Er war in Jena, Weimar, Erfurt, Gotha – morgen ist er in Nordhausen –
MÜNZER.

Seid ruhig, Brüder. Ich weiß, warum er auszog. Nicht ihr seid's, die er bekämpft – ich bin es. Den Löwen niederzuzwingen, giebt es nur ein Mittel: ihm kühn entgegenzutreten und fest in's Auge zu blicken. Ich thu's! Er hat sich gerühmt, mit dem Teufel gerungen und ihn zu Boden geworfen zu haben. Wohl, ich glaub's: doch ich will mehr thun, ich will mit dem ringen, dem der Teufel weichen mußte. Heinrich, sieh' hier an meiner Statt zum rechten – in dreien Tagen bin ich zurück – ich geh' in die Höhle des Löwen, nach Nordhausen zum Luther! Wendet sich zum Abgehen.

ALLE
in großer Bewegung.
Zum Luther, zum Luther!
PFEIFER.
Meinen Kopf zum Pfande, er siegt ihm ob – denn er kann Alles, was er will.

Vorhang fällt.

3. Akt

1. Szene
1. Scene.
Luther, später Münzer. Abenddunkel.

LUTHER
hinter der Scene.

Habt Dank, Herr Bürgermeister, bemüht euch nicht weiter. Ich will jetzt ruhen, um morgen mit dem frühesten auf zu sein und dem Volk zu predigen. Lasset es gehörig auskündigen und in der Kirche Alles herrichten! Tritt auf, ein brennend Licht in der Hand. Das waren schwere Tage voll Anstrengungen und Aufregungen, aber noch schlimmere stehen bevor, je näher ich dem Heerde des Aufruhrs komme, denn das Volk ist allenthalben schwierig. Mein himmlischer Vater, ich will ja Alles gern ertragen, keine Schwierigkeit soll mich schrecken: erleuchte du mich nur morgen wie alle Tage, daß ich den armen Aufgeregten und Verführten dein heiliges Wort recht und ergreifend auslege und sie auf den Pfad der Ordnung und Tugend zurückführe. – Die Sonne ist unter, ich bin müde, ich will zur Ruhe gehen, daß mir im Schlaf der rechte Geist von oben komme. Nur noch eine Zeile zuvor an meine Käthe, daß sie wisse, es gehe mir wohl und der Herr habe mich in seiner Obhut. Wenn ich sie heimführe, soll Frieden [47] herrschen im deutschen Lande, in meinem Hause, in meiner Brust. Er setzt sich an den Schreibtisch links und schreibt.

MÜNZER
erscheint in der Thür rechts.

Da sitzt er! Noch sah ich ihn nur auf dem rohen Bilde, aber er muß es sein. Welch mächtige Gestalt! Laut. Doctor Luther!

LUTHER
aufblickend.
Wer ruft – wer ist da –
MÜNZER
vortretend.
Ich bin es, Herr Doctor.
LUTHER.
Ihr? Wer seid ihr? Ich kenne euch nicht.
MÜNZER.

Der, den ihr haßt mit jedem Tropfen eures Bluts, den jedes Körnchen eures Gehirns zu vernichten trachtet.

LUTHER.
Wer seid ihr? Blickt um sich.
MÜNZER.
Greift nicht nach dem Tintenfaß, ich bin der Böse nicht – ganz so schlimm bin ich nicht – ich bin –
LUTHER.
Münzer!
MÜNZER.
Ihr habt's errathen.
LUTHER.

Wie, ihr ... du wagst es hier zu erscheinen ... an dieser Stelle ... vor mir ... nein, nein, ein Trugbild –

MÜNZER.

Faßt mich an! Das ist ein Menschenarm, das ist ein echter Menschenfuß, und hier schlägt ein Menschenherz, so warm, so echt ... es ist nichts Teuflisches an mir. Ihr seht Gespenster überall. Kann der aus der Hölle kommen, der sein Volk heiß und innig liebt, der Alles thut, es zu beglücken –

LUTHER.

Beglücken? In Schande und Elend willst du es bringen! Zum Abfall von seinen Fürsten willst du es verlocken, zur Empörung –

MÜNZER.

Wo wäre je Großes geschehen im Leben der Völker ohne Aufruhr, ohne Empörung? Was du in's Werk gesetzt hast, wird so gewiß alle Furien im Lande entfesseln, so gewiß werden über [48] deine Reformation Blutströme dahinfließen, so sicher der Morgen dem Abend folgt, so sicher du kein faules Glied vom Körper abschneiden kannst, ohne daß Blut fließe. Soll der Baum der Freiheit grünen, so muß er mit Blut begossen werden, nicht mit Wasser.

LUTHER.

Da sei Gott vor! Nur Geist zum Geiste zielt meine That, nur die Gemüther will ich erwecken und erregen, nicht die Klingen, an's Herz will ich greifen, nicht in's Fleisch, aufrichten will ich die Köpfe, nicht abschlagen.

MÜNZER.

Nur Macht, nur Gewalt hilft gegen das Böse, und Wort und Schrift sind nur mächtig, wenn ihnen das Schwert den Weg bahnt: das ist ein Gesetz der Schöpfung, das selbst Gott nicht ändern kann.

LUTHER.

Bist du nur gekommen, mir solch traurige und falsche Weisheit zu verkündigen? Was willst du von mir? Empfindest du Reue über deine Thaten? Willst du sie sühnen?

MÜNZER.
Reue? Vielmehr bin ich gekommen, bei dir für meine Sache zu werben.
LUTHER.
Glaubst du mich verhöhnen zu dürfen, Knabe?
MÜNZER.

Es ist mir heiliger Ernst um meine Worte. Seid ihr denn blind, Luther? Blickt doch um euch. Seht ihr denn wahrhaftig nicht, in welchem Elend Millionen unseres Volkes leben? Es ist seine beste Kraft und Stütze, die immer mehr verfällt. Millionen, die nicht Herren sind über ihren eigenen Leib, die kein Recht besitzen, Millionen, die nur arbeiten vom Morgengrauen bis zum Abenddämmern, um den Schlund ihrer Herren zu füllen? Das Alles seht ihr und glaubt sie retten zu können, wenn ihr ihnen Ueberfluß und Seligkeit versprecht, nachdem sie aus dem Leben geschieden, nachdem der Hunger sie auf's Todtenbett geworfen und die Sorge ihnen die Bretter zugenagelt? Das Alles seht ihr jeden Tag, [49] jede Stunde mit offenen Augen und glaubt genug zu thun, wenn ihr ihnen ein Buch in die Hand gebt und sagt: da betet, da singt, da habt ihr die Wahrheit? Fühlt ihr nicht, daß ich nicht beten kann, wenn der Hunger mir die Eingeweide zerreißt, wenn der Magen im Wahnsinn schreit: erst Brot für mich, – dann Liebe, dann Geist, dann Wahrheit! Luther, wenn du willst, daß dein Volk sich von den Fesseln der Geistesnacht aus eigner Kraft frei machen soll, so schaff' ihm erst ein menschenwürdiges Leben, schaff ihm Recht, Freiheit, Brot. Die Stunde Frohnarbeit, die du zu seinen Gunsten abringst, wird es benutzen, sich dem Dienste der Wahrheit zu weihen: schaff' ihm diese Stunde. Verwende deinen Einfluß bei den Fürsten, bei den Herren dazu: du thust es für dich, du thust es für deine Sache. Fluche uns nicht, werde unser Verbündeter. Wir beide, Hand in Hand, könnten dem Vaterlande, allen Völkern eine neue Zeit heraufführen: die Zeit des wahren Glücks, des wahren Glaubens. Hier ist meine Hand – stoße sie nicht zurück!

LUTHER.

Meines Herren Reich, in dessen Sold ich stehe, ist nicht von dieser Welt. Was liegt am Leib, an diesem sündigen, faulen Klumpen Fleisch? Mag er zu Grunde geh'n: so nur die Seele gerettet wird. Den wahren Gott des Evangeliums zu lehren, die Menschen zu ihm zurückzuführen, hat mich der Herr geheißen – ihn mit aller Inbrunst, aber friedlich zu predigen ist meine Sendung – ich habe nichts gemein mit deinem blutigen Gräuelwerk. Ich bin ein Diener Gottes, du ein Knecht des Verderbers. Glaubst du, ich sei blind gegen die Noth der Bauern, meiner Brüder? Wer hat eifriger für sie gesprochen bei Kaiser und Adel denn ich? Alles war auf dem besten Wege – was mußtest du unruhiger Geist kommen und sie zu Kriegsgräueln aufregen? Weshalb wartetet ihr nicht, bis der Herr die Herzen des Kaisers [50] und Adels erleuchten würde? Niemand wird euch verbieten, zu ihm um Hilfe zu flehen. Und wenn er mit euch ist, so wird er euch helfen und den Sieg verleihen auch ohne euern Aufstand: so er aber nicht mit euch ist, wird euch alles Blutvergießen und Brennen nicht helfen und ihr werdet euch euer Joch nur noch fester in's Fleisch drücken. Wie könnt ihr wagen, alle göttliche Ordnung der Dinge eigenmächtig umstoßen zu wollen? Legt die Waffen nieder, geht nach Hause, empfehlt eure Sache dem barmherzigen Gott, und ich will für euch sprechen und schreiben, wie ich es früher gethan.

MÜNZER.

O ... sie haben Ohren und hören nicht! Wann hätte je Gott geholfen auf bloßes Gebet hin? Muthige That verlangt er – in uns muß er wirken, nicht außer uns. In deiner ganzen Brust nicht eine einzige Stelle, drin Mitleid wohnt mit deinem armen gequälten Volke? Nichts, nichts als Gottvertrauen und Glaube und wieder starrer Glaube? Zur Hölle mit dem falschen Glauben, der uns zaghaft und mitleidslos und grausam macht. Ob deine Brüder päpstlich, ob sie lutherisch hungern, ist gleich; genug, sie hungern; hast du Liebe für sie, so schaff' ihnen Brot – gleichviel ob aus katholischen oder lutherischen Backöfen. Liebe zu meinem Volk, Erbarmen mit den Elenden ist mein Glaube, wie es der Glaube Christi war, den uns Tyrannen und Pfaffen verfälscht haben. Ist nicht auch unter den Gemeinden der ersten Christen Alles gleich und gemeinsam gewesen? O nenne mich keinen Aufrührer, keinen Schwärmer, wenn ich sie wiederherstellen will, jene erhabene Zeit des reinen Glaubens, der innigen Einfalt, der Bruderliebe der Gleichheit und Gemeinsamkeit.

LUTHER.

Will ich das verhindern? Nur Mord und Tod und die Geister der Hölle sollst du nicht zu deinem Beistand rufen, denn ihre Hilfe entheiligte[51] selbst das heiligste Werk. Fahre dahin, du bist ein Volksverführer.

MÜNZER.

Und du ein Liebediener der Fürsten! – Nun wohl, willst du unsere Sache nicht unterstützen, so bekämpfe sie wenigstens nicht, ich flehe dich an, predige nicht ferner gegen uns und verlocke unsere Schaaren nicht zum Abfall. Gedenke dessen, was du selbst gesagt auf dem Tage zu Worms: »Ist die Sache Gottes Werk, so wird sie bestehen, ist sie Menschenwerk, wird sie untergehen.« Dar nach verlange nicht nur behandelt zu werden, darnach handle auch selbst.

LUTHER.

Vermessener, wie magst du wagen, die Worte, die ich für mein heiliges, friedliches Werk des Geistes und Herzens gesprochen, auf dein blutiges, teuflisches Gräuelwerk zu beziehen? Predigen und schüren will ich gegen dich mit der ganzen Kraft, die mir der Herr verleihen wird, das ganze Vaterland will ich zusammenläuten aus seinem Schlaf, alle christlichen Fürsten und Völker will ich aufrütteln und zusammenbringen wider dich, wider die Gefahr, die sie zu verschlingen droht, und nicht eher will ich ruhen, als bis du und deine Genossen von hinnen gejagt sind wie Spreu und wieder Gottesfrieden herrscht auf der Erde.

MÜNZER.

Als ob ich nicht wüßte, was dich so in Harnisch bringt in dieser Sache. Daß ich an der Spitze der Bauern stehe! Bekenne: der Haß ist's wider mich, der dich hierher trieb, nicht der gegen das Unternehmen der Bauern. Mein Name schreckt dich, meine Erfolge bringen dich auf, mich willst du vernichten, denn du zitterst, daß durch meine Erfolge deine Sache verdrängt werde! Nicht um mich selbst ist's mir zu thun. Ich will ja gern, ein Landmann wie die andern, meinen Roggen in Frieden säen, nicht Größe, nicht Ruhmsucht lockt mich. Gieb mir dein Wort, die Sache der Bauern weiter zu führen, für alle ihre Rechte und Forderungen einzutreten, ihnen einen Führer aus der [52] Schaar der Deinen zu geben, der sie muthig und fest zum Siege leitet – und ich will auf de Stelle fort aus Deutschland. – Hier ist mein Schwert nimm es, zerbrich es –

LUTHER.

Kecker Knabe, deine eigensüchtigen Gedanken wagst du meinem Herzen unterzulegen? Was bist du mir? Eine Lache im Acker. Den Geist, der in dir wirkt, bestreite ich. Hätte ich noch wanken können, diese Stunde, dieses Wort hätte mich für ewig zu deinem Todfeind gemacht, sie ruft mir stärker als alles Andere zu, meine Sendung durchzuführen und dich zu bekämpfen bis zum letzten Athemzug. In dieser Nacht noch will ich zur Feder greifen und ein Brief soll ergehen an alle deutschen Männer, die rebellischen Bauern zu greifen, zu fassen und todtzuschlagen wie tolle Hunde! Hinweg!

MÜNZER.

Allmächtiger, was für ein Kampf wird das werden, welch endlose Wogen rothen, heißen deutschen Blutes werden deine Ströme zum Meere führen, Germanien. Deine Städte werden veröden, das Geschrei der Wittwen und Waisen wird deine Nächte erschüttern. – Denk' an all das Schreckliche was bevorsteht, an den Kampf und – schlimmer noch – an die Wuth der Sieger. Wer wehrt dem Tiger in des Menschen Brust, dem grausamsten, wenn er einmal Blut gekostet? Noch ist so gut wie keines geflossen, noch ist's Zeit –! Luther – tritt auf unsere Seite, und die Fürsten und Herren werden dann, deinen Einfluß fürchtend, nicht wagen Gewalt zu brauchen, sie werden nachgeben. Der Geist deines Volkes fleht zu dir, Luther: entzünde nicht unnütz die Fackel des Bürgerkriegs, habe Mitleid mit deinem Volke – gieb nach!

LUTHER.

Ich habe Mitleid mit seiner Seele und darum will ich es von dir befreien. Unruhe hinter der Scene, die immer stärker wird.

MÜNZER
für sich.

Ein Vulkan, der seine Feuergarben [53] gen Himmel wirft und an dem das Meer vergeblich emporbrandet, seine Gluthen zu löschen. Alles ging bisher so gut, soll ich hier meine erste Niederlage erleiden?

LUTHER.
Was weilst du noch? Fort! – Welcher Lärm auf der Gasse?
MÜNZER.
Sie wollen mich sehen – Hier bin ich.Tritt an's Fenster.
STIMMEN
hinter der Scene.
Da ist er – ich erkenne ihn – hoch Münzer, der Volksfreund –
LUTHER.

Halt! Zurück! Du wagst es, Frecher! Tritt gleichfalls an's Fenster. Bürger, seht ihn nicht an, er ist gekommen, euch den Haß zu bringen und den Krieg, die Werke des –

STIMMEN.
Heil Münzer!
WENIGE STIMMEN.
Heil Luther, der Geistesheld.
Zusammen
STARKER CHOR
hinter der Scene.
Füchslein, juckt dich nicht der Balg.
Deine Stunde ist gekommen!
Zobel trägt gar bald der Schalk:
Hei, das Rauchwerk soll uns frommen,
Lagen lange nid der Bank –
Das soll nun ein Ende nehmen!
Mußt dich, meine Pflugschar blank,
Jetzt zur Kopfarbeit bequemen.
ANDERER CHOR
fällt rasch ein.
Ein' feste Burg ist unser Gott,
Ein gute Wehr und Waffen –
STIMMEN
durcheinander.
Nieder mit den Aufrührern – nieder mit den Frömmlern. Geschrei, Gesang, Hilferufe durcheinander.
LUTHER.
Allmächtiger, ist denn ganz Thüringen ein Tollhaus geworden?
MÜNZER.

Länger zu weilen, brächte Gefahr. Luther, angesichts des draußen tobenden, hungernden [54] Volkes beschwöre ich dich noch einmal, tritt zu uns, so du dein Volk wahrhaft liebst, so dich seine Not wahrhaft erbarmt. Luther, ich thu' das Aeußerste.Er fällt vor ihm nieder. Gedenk', daß du einst Rechenschaft geben mußt vor Gott dem Herrn. Wirst du am jüngsten Tage die Seelen der Tausenden verantworten wollen, die der Kampf verschlingen wird, den dein Starrsinn heraufbeschwört – da du mit einem einzigen Wort jedes Blutvergießen verhindern gekonnt? Was wirst du unserem Gott darauf antworten?

LUTHER.
Daß ich nach seinem Gebot gehandelt und die Obrigkeit, die Ordnung vertheidigt habe.
MÜNZER.

Ich that, was menschlich war! Jetzt, Schleusen des Verderbens, öffnet euch. Laßt alle Teufel, alle Schrecken heraus; Haß, Pest, Brand, Mord, Schändung, kriecht hervor aus euern Schlangenhöhlen, wüthet, zerfleischt mein armes Vaterland, mein schönes, grünes Thüringerland – der Bürgerkrieg hat begonnen. Schnell ab.

LUTHER.

Die Verantwortung auf dein Haupt. Die Hände faltend. Erleuchte mich, mein Herr und Vater, zu dem morgigen Werk! Der Lärm draußen dauert fort.

Verwandlung.
Frauengemach der Burg Farnrode. Man sieht allenthalben die Spuren des Brandes.
2. Szene
2. Scene.
Vorn links an einem Tische Graf Dietrich, die Gräfin, Helldrungen. Rechts auf einem Fenstertritt sitzt Gerlind. Im Hintergrunde Jacobe, mit einer Arbeit beschäftigt.

HELLDRUNGEN
im Gespräch.
So könnt ihr denn den entscheidenden Zusammenstoß schon für die nächsten Tage erwarten.
[55]
DIETRICH.

Nun, mir ist's recht, mein Häuflein steht bereit, der Landgraf braucht mir nur ein Wort zu senden, so sind wir bei ihm.

HELLDRUNGEN.
So recht! Und nun lebt wohl, ich will jetzt gehen, mein Platz ist im Lager des Landgrafen.
GRÄFIN.

So bleibt doch noch ein Weilchen! Ich hoffe Mit einem Blick auf Gerlind. einen so wackern Ritter vielleicht noch einmal fester an unser Haus zu fesseln, wenn er nicht widerstrebt. Ihr hörtet, wie entsetzlich jene Menschen unsern Ritter Erich verstümmelt –

HELLDRUNGEN.
Gräfin, ihr erweckt Hoffnungen in mir –
GRÄFIN.
Bei euch steht es allein, sie in Thatsachen zu verwandeln.
HELLDRUNGEN.
Ihr habt da unter den rohen Bauernhaufen wohl schwer leiden müssen, Fräulein Gerlind?
GERLIND
hat scheinbar theilnahmslos abseits gesessen.
O nein, gar nicht.
HELLDRUNGEN.
Euer Verlobter, Graf Erich –
GERLIND.
Er war nie mein Verlobter.
HELLDRUNGEN.
Nun seid unbesorgt, Fräulein, eure Gefangenschaft sollen sie uns theuer bezahlen!
GERLIND.
Ein großer Vortheil für euern künftigen Ruhm, Ritter Helldrungen –
GRÄFIN
zu Dietrich.
Das Mädchen ist heut so sonderbar – was hat sie nur?
DIETRICH.

Ach was, Frauenzimmerlaunen. In fünf Minuten bläst der Wind wieder ganz wo anders her. – – Also Helldrungen, meine Frau hat Recht – bedenkt euch die Sache einmal – natürlich erst, wenn die Bauernprügelei vorüber ist –

HELLDRUNGEN.
Gewiß, gewiß. Doch ich muß nun fort! Lebt wohl, Fräulein. Gerlind verneigt sich stumm.
DIETRICH.
Wir geleiten euch – Gehen nach der Thür.
[56]
GRÄFIN
zu Jacobe.
Was ist dem Mädchen – ich will es erfahren –
JACOBE.
In einer Viertelstunde sollt ihr es wissen, Frau Gräfin.
3. Szene
3. Scene.
Jacobe. Gerlind.

GERLIND
steht auf, geht hinüber nach der andern Seite.

Ach, wär's nur schon vorbei! Dieses erzwungene Schweigen tödtet mich! Das Herz ist mir zu voll, ich fürchte es springt.

JACOBE
geht auf sie zu und sieht ihr fest und ruhig in's Antlitz.
GERLIND
will erst etwas sprechen, wendet aber dann den Kopf nach der andern Seite.

Auch hierher folgt ihr Jacobe. Was starrst du mich so an? Bin ich ein Wunderthier? Ich mag das nicht leiden!

JACOBE.
Na ja – 's ist richtig – geschwind, Fräulein, sagt mir, wer ist's?
GERLIND.
Was soll das?
JACOBE.

Na, mich betrügt ihr doch nicht, mir verhehlt ihr doch nichts, Fräulein, einer so alten Mutter Praktika. Geht, geht, wenn man verliebt ist, so ist man just am ungeschicktesten, Komödie zu spielen. Ich kenne das.

GERLIND.
Verliebt?
JACOBE.

Ach nein, ihr seid's nicht – ganz und gar nicht – nein, nein – dieses Erröthen und dieses Sich-Wegwenden – nein, das rührt von etwas ganz Anderem her – von der Hitze vielleicht – ich werde das Fenster öffnen – jaja, die Maisonne –

GERLIND.
Rede nicht solche Thorheiten!
JACOBE.

Theuerstes Fräulein Gerlind, ihr wißt, wie ich euch liebe: seit dem ersten Tage, da ihr auf [57] die Welt kamt – sprecht, wer ist's – ich bin ja eure beste Freundin – wer ist's, ein Fürst, ein Herzog? –

GERLIND
schüttelt den Kopf.
JACOBE.

Nun, ihr werdet mir nun und nimmer weiß machen, daß es ein Geringerer sei. Soll ich euch ehrlich sagen, Fräulein, wie ich von euch denke? Liebe? Pah, euer Herz weiß nichts von Liebe ... solche Augen lieben nicht, solche Augen, wie ihr sie besitzt, wollen nur herrschen – ihr strebt nach Höherem – ihr heirathet noch einmal einen alten, ganz reichen und hohen, hohen Herrn – und dann ärgert ihr ihn todt, mausetodt – dann seid ihr Fürstin. Aber mich müßt ihr zur Oberkämmerin machen, das müßt ihr mir versprechen.

GERLIND.

Schweig, schweig, was redest du! – – Oder nein, komm her – ich will dir was sagen – so – erst gieb mir deine beiden Hände darauf, daß du mich nicht verrathen, daß du mich in Allem unterstützen wirst – so – weißt du, wen ich liebe? An ihr Ohr. Den zukünftigen Kaiser von Deutschland –

JACOBE.
Allmächtiger, sie redet irre – es ist ihr zu Kopf gestiegen –
GERLIND.

Schwöre mir, daß du mich unterstützen, mir helfen wirst, in Allem, was ich von dir verlange – auch gegen den Willen meiner Eltern. Drückt ihre Hände. Schwöre mir –

JACOBE.

Jaja, ich schwör's beim Heiligen – nein, jetzt giebt's ja keine Heiligen mehr – ich schwör's – jaja, laßt mich nur los – ich schwör's – bei Allem – sie ist nicht ganz richtig – jaja, ich hab's ja geschworen schnell zu ihren Eltern. Rückwärts schnell ab.

4. Szene
[58] 4. Scene.
Gerlind. Münzer.

GERLIND
allein.

Ist sie toll oder weiß sie in den Seelen zu lesen? Wer sagt ihr, ich liebte nicht, ich könne nicht lieben, mich leitete nur der Ehrgeiz? Ich liebe ihn, liebe ihn glühend, aber ich will mich meiner Liebe auch vor Niemandem zu schämen haben! – Wo nur die Eltern bleiben. Ach, hätt' ich Alles erst hinter mir – die Erklärung, den Zorn! – – Wo mag er jetzt sein? Bei seinem Heer, sich vorbereitend auf den Kampf? Hei, wenn ich erst im Kriegslager sein werde, in seinem Lager! Wenn ich die Reihen seiner Schaaren durchreiten werde! Einen Zelter will ich haben, milchweiß, der sich wiehernd bäumt – ich will ihm selbst die Schabracke sticken. Und ein Reitkleid von Sammet mit Blumen bestickt und mit Edelsteinen übersäet, dessen Schleppe noch die Erde fegt – und einen Brustpanzer ganz von flimmerndem Gold und auf dem Haupt einen goldnen Helm mit einer Taube! Es ist Nacht geworden. Wie schwül es hier ist. Herein, kühlende Abendwinde; herein, silberfluthendes Mondlicht! Oeffnet das Fenster. Was ist das? Wer klettert hier die Mauer empor, an dieser höchsten und steilsten Stelle – ha –

MÜNZER.
Erschrick nicht – ich bin es, Gerlind –
GERLIND.
Wie, spiegelt mir mein Herz im Wahn Traumbilder vor – Thomas –
MÜNZER.

Daß es kein Traumbild ist – Küßt sie. Geisterlippen sind kälter. Ja, hatt' ich dir nicht gesagt, daß ich in zweien Tagen käme, wenn du dein Wort nicht eingelöst, daß ich die Böschungen, die Mauern erklettern würde –

[59]
GERLIND.

Mein Vater war nicht zu Hause, er kehrte erst vor wenigen Stunden zurück, und in diesen wich Ritter Helldrungen nicht von seiner Seite. Noch habe ich ihn nicht gesprochen.

MÜNZER.

Ich komme vom Luther. Es war umsonst, er ist ein Granit. Sich im Zimmer umblickend. Also ist das Rattennest wieder wohnlich gemacht?

GERLIND.
So gut es in der Eile ging; die hinteren Theile der Burg wurden nicht sehr beschädigt.Pause.
MÜNZER
Gerlind an sich ziehend.

Ich hatte dir so viel zu sagen, mein Herz war übervoll ... da ich hierherging, schossen mir tausend Dinge durch den Kopf, jeder Hauch des Nachtwindes schien mir zuzuflüstern: Vergiß dies nicht, vergiß das nicht ... jedes Rauschen der Blätter bot einen Gruß, den ich dir bringen sollte – und nun, da ich bei dir bin, ist Alles fort, und ich meine, ich wüßte nichts besseres, als nur immerfort in dein Auge zu blicken, deß Glanz mir hell durch das nächtliche Dunkel strahlt. Pause. Sie gehen nach dem Fenster und halten sich innig umschlungen.

MÜNZER.

Wie berauschend der üppige Duft der Frühlingsnacht hereinströmt. Ist's nicht, als läge ein Wonnenebel über der ganzen Natur? Tönt der Linden Flüstern dir nicht wie seliges Hochzeitslied entgegen, und fahren auf des Mondes weichen Strahlen nicht Geister des heimlichen Glücks zur Erde nieder? Senkt nicht die Rose schamhaft ihr Köpfchen wie die Braut vor der seligsten Stunde zitternd, und rauscht's nicht im Nachtwind beglückend: Liebe, Liebe! – Gerlind, so unermeßlich und endlos die Nacht auf den Bergen und Wäldern schlummert, so endlos ist meine Liebe, so unermeßlich, undurchdringlich. Wie dort die silberne Wolke festgesogen am Haupt des Hörselberges hängt, so laß mich unlöslich fest an deinen Lippen hängen und der Ewigkeit entgegenträumen ... Horch, wie süß! Ist's nicht der Ton der Nachtigall –

[60]
GERLIND.

Du schwärmst. Nicht für uns tönt ihr Lied, Thomas, nicht für uns – sie weiß nichts von unserer Liebe – und dein Werk, unser Werk weiß nichts von ihr –

MÜNZER.
Gerlind –
GERLIND.

Ich mag sie nicht leiden. Ist unsere Liebe nicht wie ein junges, feuriges Roß, das muthig hineinstürmt in die Welt mit dem Morgenglühen, und seinen Reiter dahinträgt über Klüfte und Schlüfte, daß der Fels donnernd unter dem Hufschlag aufstöhnt, immer weiter, dem Gluthball im Osten entgegen? Und Gründe und Thäler hallen wider vom Jubelruf des entzückten Reiters! So möcht' ich sitzen, den Falken auf der Faust, und in die Welt hineinstürmen – so wünscht' ich mich geliebt!

MÜNZER.
Geliebt von deinem – wie war doch gleich das Wort, das du mir einst zuriefst –
GERLIND.
Thomas!
MÜNZER.

Stelle dich nicht, als wüßtest du es nicht mehr – ich will es hören – sprich – nun? – Ich helfe dir darauf – Mord ... nun ...

GERLIND.
Quäle mich nicht um meiner Thorheit von damals –
MÜNZER.

Nein, nein – im Ernst, es klang so süß von deinen Lippen ... Mord ... nun also ... ich bitte dich, sprich ...

GERLIND.
Nun denn, wenn du mich peinigst! Mord –
MÜNZER
küßt sie.

Ei freilich, ich werde auch noch zuhören, wie du mich hier mit Schmähungen überhäufst – ich verschließe dir den Mund –

GERLIND.
Du bist ein Kind –
MÜNZER.
Wir sind nur glücklich, so lange wir Kinder sind –
GERLIND.

O daß mein Vater jetzt erschiene, – jetzt fühlt' ich mich in der rechten Lust, ihm Alles zu erklären.

[61]
MÜNZER.
Er wird sprechen wie du ... du liebst den Mordbrenner –
GERLIND.

Und ich werde ihm sagen: Nein, den künftigen Herrn unser Aller, den künftigen Herrscher in Deutschland ... der einst König sein wird ...

MÜNZER.
Gerlind ... was heißt das ...
GERLIND.

Nun ja ... wie denn? Wenn du ... wenn wir siegen natürlich, dann steigen wir auf Fittigen der Tapferkeit, des Ruhms, zum höchsten Gipfel menschlichen Erfolgs empor, dann ist auf Erden kein Ziel, das unserm Streben Halt geböte –

MÜNZER.

Was höre ich ... welche Flammen hinter dieser weißen, glatten Stirn? Welche Furchtbarkeit in euch Frauen, und zugleich welche Einfalt. Wie spiegelt sich die Welt in euerm kleinen Kopfe? Verstehst du mich und mein Ziel so wenig? Nichts als das Glück Aller ist mein Glück, und nichts als das gleiche Recht Aller soll meine Größe sein.

GERLIND.

Wie? der Bauernknecht, der Tag um Tag hinter'm Pfluge geht und nichts versteht, als das Paar der Stiere bald rechts, bald links zu wenden ... er sollte auf einem Boden mit dir stehen, der du das Leiden eines ganzen Volks erwägst und heilst? Die Magd, deren höchstes Sinnen ist, ob auch die Kuh gehörig Milch zur Butter geben werde – ich soll sie an meiner Seite einherschreiten lassen? Kannst du die Berge und Thäler aus der Natur schaffen und die Erde eben machen wie den Spiegel des beruhigten Meeres? Ein Thor, wenn du die Krone in Händen hast, und setzest sie nicht auf dein Haupt; wenn du dir den Zauberschlüssel errungen und rufst nicht: Schiboleth!

MÜNZER.

Mädchen, wer spricht aus dir? So flammte dein Auge nie, so tönte dein Wort nie; das ist nicht die Gestalt einer Thüringer Jungfrau, der ihres Vaters Burg bisher die Welt gewesen – das ist eine Herrscherin ... Gerlind, so schön sah ich dich noch nie ...

[62]
GERLIND.

Wenn ich es wäre – willst du mich durch ein häßliches, zerlumptes Bettlergewand entstellen? Gieb mir das Kleid, das meiner würdig ist, den Kreis gieb mir, dessen Mittelpunkt ich bin. Glaubst du, ich trüge so heißen Begehr, die Frau des Bauern Thomas Münzer zu werden und zwischen Frankenhausen und Mühlhausen meine Zwiebeln zu bauen, meine Schweine zu füttern, indeß du das Brennholz zerkleinerst? Herrschen, gebieten will ich, sollst du; zur Sonne will ich mit dir emporsteigen, nicht ewig an diesem erbärmlichen Erdenstaub kleben – strahlen will ich in deinem Glanz, jubeln will ich in deiner Lust, aufrichten will ich mich an deiner Größe, und ragen wollen wir ob all dem Geschmeiß, das heut noch höhnend und verächtlich auf uns herabsieht, – wie der Inselsberg, wenn ihn bereits der Strahl der Sonne küßt, indeß ob den niedern Kuppen riugs um ihn noch die Schleier fahler Dämmerung wogen.

MÜNZER.

Standst du nicht selbst dabei, als ich ihnen schwor, mich nie über sie zu erheben, in ihre Befreiung allein meinen Ehrgeiz zu setzen –

GERLIND.

Ei, seid ihr Männer doch so leicht bereit, eure Schwüre zu brechen, mit denen ihr uns Frauen bethört, und hättet ihr alle Heiligen zu Zeugen gerufen – wenn euch auch nichts Höheres in Aussicht steht, als die Gunst einer armseligen Dirne für eine Stunde zu erringen. Nur wenn ihr für uns kämpfen, uns beglücken sollt und nicht den Muth dazu habt, gelten eure Eide? Ist nicht Alles, was ich will, um was ich dich flehe, nur für dich? Dich will ich mächtig, groß, den Mächtigsten und Größten sehen! Ich will dich lieben, wie noch kein Weib einen Mann geliebt, glücklich sollst du sein, wie noch kein Mensch das Glück gekannt; doch ich will auch einen Gatten besitzen, um den alle Frauen Europas mich beneiden sollen. Wärst du der Regenbogen, blind vertraute [63] ich dir und meinte, ich müßte darauf in den Himmel gelangen – wärst du das Meer, blind würfe ich mich in deine Wellen und sänke ohne Schrei in deine Tiefe: ich meinte, du müßtest mich in's Paradies tragen. Doch gleiche Liebe, gleiches Vertrauen verlange ich auch von dir! Dein Heil ist das meine, sei mein Streben auch das deine!

MÜNZER.

Gerlind, du weißt ja nicht, was du verlangst, du redest ja wie ein Kind vom Tode, wie ein Engel vom Haß!

GERLIND.

Ist's denn so schwer, was ich von dir verlange? Wie ein Teppich liegt Deutschland vor dir am Boden – ist's denn ein so ungeheures Werk, deinen Fuß darauf zu setzen? Der meine ist kleiner, und ich wagte es auf der Stelle. Der einzige Fürst, mit dem du um die Herrschaft hättest ringen mögen, ist todt. Als ich die Kunde vernahm, war dein Schicksal für mich entschieden.

MÜNZER.

Schweig, schweig, ich bitte dich – Jacobe's Kopf wird für einen Augenblick in der Seitenthür sichtbar.

GERLIND.

Du willst nicht? Du mußt! Liebst du denn dein Vaterland wahrhaft? Willst du es ewig in dieser Zerrissenheit lassen, auch nach deinem Siege? Soll ewig in Weimar darauf der Tod stehen, was in Gera mit der Bürgerkrone belohnt wird? Soll der Thüring den Franzosen immer lieber seinen Bruder nennen, als den Sachsen? Nie ein mächtiger, gewaltiger Herrscher aus all den kleinen, zerrissenen Stämmen ein großes in Liebe verbundenes Volk schaffen, untrennbar, unüberwindlich.

MÜNZER.

Wer hat dich gelehrt, so tief in meiner Seele zu lesen? Was ziehst du hier in nächtlicher Schäferstunde Gedanken an das Zauberlicht des Mondes, die ich selbst als Keime kaum in der dunkelsten Ecke meines Herzens zu verbergen wagte?

[64]
GERLIND.

Du fühlst dich zu schwach, ein gewaltiges Schwert aus hundert Splittern zu schweißen und es in eine feste Hand zu nehmen? So wär' ich betrogen, so wärst du kein Siegfried, so wärst du nicht der Stern, zu dem ich emporgeschaut und der so hoch am Himmel steht, daß man ihn nur mit rückgewandtem Nacken schauen kann? So wärst du nur eine Flamme, die fern am Himmelsrand über einem Sumpfe tanzt, oder ein brennend Stück von einer fernen Welt, das fallend durch den Aether saust und meint, die Welt in Gluth zu setzen, indeß es die Erde berührend kläglich verlischt? Thomas, eh' ich das von dir glaubte – Wie sollte ich dich ferner lieben, wenn ich dich nicht mehr bewundern dürfte?

MÜNZER.

Wenn du wüßtest, wie jedes deiner Worte in meiner Seele wühlt! Hundertmal hab' ich mir das Alles selbst gesagt, um es stets zu verwerfen, weil ich nichts Höheres kannte, als die Pflicht gegen mein Volk, als das Mitleid mit ihm. Gerlind, ich beschwöre dich, sprich nicht weiter – ich darf nicht – ich hab's doch geschworen – mein Wort war bis auf den Tag echt wie venedisches Gold, willst du mich zum Falschmünzer machen?

GERLIND.

Wähle zwischen deinem todten, blinden Götzen, deinem Wahn von Volksbeglückung – und mir. Hast du nicht die Kraft, mir jenen zu opfern – liebst du mich nicht mehr als deinen Pöbel, liebst du mich nicht so wie ich dich liebe, um zu handeln, wie ich handeln würde, wäre ich ein Mann und du ein Weib – so geh', ich bitte dich, geh' ... so hat mein rasches Herz mir nur einen Fastnachtsstreich gespielt und mich einen Mann erblicken lassen, wo nur ein kleiner Schulknabe stand. Alsdann kein Wort des Vorwurfs – wir haben uns einer im andern getäuscht – wir wissen es jetzt ... geh' ... geh' ...

MÜNZER.

Himmel, bin ich denn wirklich ein [65] Knabe, daß ich schwanke und nicht weiß, ob rechts, ob links, daß ich meine, das Hirn wäre mir von vorn nach hinten gewendet, daß ich fort möchte und kann den Fuß nicht vom Boden heben – mir scheint's, ich habe das Denken verlernt – soll ein Weib mein Meister werden ... bin ich denn noch ich? ...

GERLIND
tritt zu ihm, seine Hand ergreifend, ihm tief in's Auge blickend.

Hast du mich je geliebt? Dann bleib ... bleib, wie ich von heut an immer bei dir bleiben will – wenn nicht, so habe den Muth, und stoße dein Glück von dir, daß es zerbricht –

MÜNZER.

Gerlind ... du ... sei ein Engel von Gottes Thron, sei ein Dämon aus dem tiefsten Ringe der Hölle – zieh' mich hinauf in die Kreise seligen Lichts, zieh' mich hinab in die Gluthen der brennenden See – ich kann dich nicht lassen, ich bin dir verfallen mit Seele und Leib.

GERLIND.
Geliebter! Nun ist du mein und unser ist die Welt.
5. Szene
6. Scene.
Vorige. Jacobe. Dietrich. Gräfin. Knechte mit Fackeln.

Gleichzeitig in fliegender Eile.
JACOBE.
Heiland der Welt – sie und der Mörder in einem Zimmer –
DIETRICH.
Gotts Tod, Jacobe hatte recht gesehen – er ist bei ihr!
GRÄFIN
ihm in den Arm fallend.
Dietrich, um des Erlösers willen, schone sie, schone dein Kind!
MÜNZER.
Der Graf!
GERLIND.

Gott sei Dank, der Dunst schlägt sich nieder, die Luft wird klar – den Augenblick hab' ich erwartet – Zu Münzer. Fort, ich beschwöre[66] dich, du kennst ihn nicht, bei allen Heiligen, fort, denke jetzt nur an dich und an deine Sache –

MÜNZER.
Dich jetzt verlassen, in dieser Lage, wofür hältst du mich? – Graf – ich bin zu Allem bereit –
DIETRICH
bemüht, sich von der Gräfin loszumachen, die ihn umklammert hat.
Laß mich los, beim Satan, laß mich los; ich zertrete den Hundesohn –
GRÄFIN.
Ruhe – Dietrich, Ruhe! – Gerlind, fliehe doch –
GERLIND.

Thomas, ich beschwöre dich, geh', du kannst mir hier gar nichts helfen, versuche zu entkommen, – ich weiß allein, was ich meinem Vater zu sagen habe; – du hast höhere Pflichten, als dich hier in diesem Augenblicke zerreißen zu lassen –

MÜNZER.
Keine höheren, als dich zu schützen –
GERLIND.

Du sollst es noch später, er wird mich nicht tödten, – geh', soll Alles, was wir soeben geplant, für immer verloren sein – Thomas, dich ruft dein Volk, ich verlange, daß du gehst – für mich ist hier keine Gefahr – ich kenne meinen Vater –

MÜNZER.

Du verlangst es? Graf Dietrich, feierlich nenne ich hier vor euch Gerlind meine Braut, und euer Kopf bürgt mir dafür, daß ihr kein Härchen auf dem ihren krümmt. Ihr sollt bald von mir hören. Gerlind – dir ewig treu! Küßt sie, und rasch ab durch das Fenster.

GERLIND.
Gott schütze dich!
DIETRICH.

Laß mich los! Schleudert die Gräfin zurück. Den Tod, den Tod – er muß sterben! Entreißt einem der Knechte die Büchse, feuert sie ab, Münzer nach – die Frauen schreien auf und sinken in die Kniee.

GERLIND
mit gefaltenen Händen.
Gott schütze ihn!
DIETRICH.

Laßt alle Rüden los, durchsucht den [67] ganzen Berg mit Fackeln, bringt ihn mir lebendig oder todt, haben will ich ihn! Fort! Ein Theil der Knechte ab.

DIETRICH.
Dirne, nieder auf die Kniee, beichte!
GRÄFIN.
Gnade für mein armes, unschuldiges Kind!
GERLIND.

Was soll ich beichten? Ich liebe ihn, ich bin seine Braut, ich werde nie einen andern lieben, ich werde ihm folgen, wohin es sei, all' mein Denken ist nur bei ihm ... ich hätte euch alles gesagt, auch wenn ihr uns nicht überrascht hättet. Nun, also schnell, was willst du mir heut' thun? Verstoße mich, jage mich aus dem Hause, ich flehe dich darum an, ich wünsche nichts sehnlicheres, ich weiß, es giebt keinen Vertrag zwischen uns –

DIETRICH.

Freche Dirne, willst du mich verspotten? Nicht wahr, ich soll dir noch die Thür öffnen, damit du dich ihm an den Hals werfen kannst? Nein, du freches, niederträchtiges Geschöpf, verhöhnen laß ich mich noch nicht! Zur Gräfin. Weib, sage mir, wessen Tochter ist das? Die meine nicht, mein Fleisch, mein Blut ist das nicht. Weggeworfen hat sich nie ein Glied aus dem Stamme der Farnrode, nie sich erniedrigt. Weib, mit welchem Buben hast du mich betrogen?

GRÄFIN.

Dietrich, so sei Gott mir gnädig in meiner letzten Stunde, wenn jemals auch nur ein Gedanke von mir dir die schuldige Treue gebrochen! Gerlind, sprich, wie hat er's angefangen, durch welchen Höllenzauber –

DIETRICH.

Was? Diese wäre meine Tochter, und ich hätte mir solch ein niederträchtiges, undankbares, verworfenes Geschöpf aufgezogen? Nun, so will ich diesen faulen Zweig mit scharfem Messer abschneiden, daß er mir nicht den ganzen Stamm schände –

FRAUEN
schreien auf.
[68]
GRÄFIN.
Gnade, sie ist dein Kind!
DIETRICH.
Wer sich zum Bauern hält, ist mein Kind nicht!
EIN KNECHT.

Herr Graf, der ganze Burgberg ist durchsucht, doch vom Münzer fand sich keine Spur, – es ist unmöglich, daß er sich versteckt hält – er kann nur durch die Luft gefahren sein.

GERLIND
mit einem Blick nach oben.
Ich danke dir, er ist gerettet –
JACOBE.
Ein Schwarzkünstler! es ist vielleicht der Hexenmeister, der Doctor Faust –
DIETRICH.

Halt's Maul, Alte! – Schickt hinunter in's Thal, nach dem Ritter Helldrungen. Ein Knecht ab. Du holst den Pfarrer! Die Burgkapelle in Stand gesetzt! Anderer Knecht ab. Ich will es dir versauern, dir ohne die Eltern den Bräutigam zu wählen. Auf der Stelle wirst du mit Helldrungen vor den Altar treten.

GERLIND.
Um ihn in der Brautnacht zu erdrosseln!
DIETRICH
lacht auf.
Die zarten Händchen wird man schon noch zu halten wissen! – Stricke her!
GRÄFIN.
Dietrich, was willst du thun?
DIETRICH.

Das unartige Schulmädchen eine Weile zur Strafe im Burgkeller stehen lassen, bis sie sich besser besonnen! Zu den Knechten. Bindet sie.

GRÄFIN.
Dietrich, dein eigen Kind an den schrecklichen Ort –
GERLIND
zu den Knechten.

Wege Keiner, Hand an mich zu legen, ich bin eine freie deutsche Grafentochter, ich stehe im Schutz des Kaisers –

KNECHT
kommt zurück.
Den Ritter Helldrungen traf ich vor der Burg.
6. Szene
[69] 7. Scene.
Vorige. Helldrungen ein Rescript in der Hand.

DIETRICH.

Helldrungen, meine Tochter liebt euch heiß – ich habe mit ihr gesprochen – sie glüht darnach, euch Gemahl zu nennen – sie kommt um vor Sehnsucht – ich will euch beiden euren Willen thun – in einer Stunde sollt ihr vor dem Altar stehen. Wollt ihr?

HELLDRUNGEN.
Graf Dietrich –
DIETRICH.
Fragt sie nur selbst –
HELLDRUNGEN
geht zu Gerlind hinüber.
Gerlind –
GERLIND
halblaut.

Ritter, wenn ihr ein Herz habt, so gebraucht es mich zu verabscheuen, mich zu hassen, wie man die Sünde haßt! Ihr wollt mich zum Weibe nehmen? Ein Tiger würde mir in eurer Umarmung vor Augen stehen; nicht Söhne, Ungeheuer würde ich euch schenken.

HELLDRUNGEN
halblaut.

Ich weiß nicht, Gerlind, was so ein spitzfindiger Gelehrter, Humanist oder wie sie das nennen, die ja Alles wissen, in dem Falle denken und thun würde, oder was die griechischen und römischen Philosophen vorschreiben. – Ich kann euch nur sagen: seit ich euch zum ersten mal gesehen, war es mein heißer Wunsch euch zu besitzen. Und jetzt, da mir das angetragen wird, was mir jahrelang als höchstes Glück erschienen –

GERLIND
wie oben.

Wenn ihr niemals Frieden haben wollt in eurem Hause, wenn ihr jeden Trunk den ich euch bereite, vergiftet wissen wollt durch meine Flüche, jede Speise versalzen durch meine Thränen – gut, dann schleift mich fort von hier zum Altare – mein Vater will mich zwingen, ich bin in seiner Macht – und ihr und diese alle sind stärker als ich – was kann ich gegen euch, ein Weib?

HELLDRUNGEN.
Ihr habt nie etwas für mich [70] gefühlt ... was ... ein Blinder hätte für Liebe greifen können –
GERLIND.
Nie!
HELLDRUNGEN.
Und ihr liebt diesen – Münzer?
GERLIND.
Ja!
HELLDRUNGEN
nach einer Pause laut.

Graf Dietrich – wenn ich euch einst selbst von meiner Eidamschaft sprach – so nehmt dies für einen Scherz ... ich habe mich anders besonnen ... ich habe eure Tochter nie geliebt ... es war ein Irrthum ... ich weiß jetzt, daß ich eine andere liebe, und diese will ich –

GERLIND
leise.
Dank, Ritter, tausend Dank.
DIETRICH.

Mit Verlaub, Helldrungen, ihr seid ein Narr. Doch wie ihr wollt, euch kann ich nicht zwingen. Aber wenn ihr der da in ihrem frechen Starrsinn zu helfen glaubt, so irrt ihr herb. Fort mit ihr, bindet sie, wie ich befahl, schafft sie hinunter – und ich selbst will diesen Kopf von Eisen schmieden, bis er die Form annimmt, die ich ihm geben will –

HELLDRUNGEN.

Wohl, doch später; jetzt dürfte es an Zeit fehlen. Der Landgraf befiehlt euch, auf der Stelle mit euren Reisigen zu ihm zu stoßen Übergiebt ihm das Rescript. denn schon für die nächsten Tage, vielleicht für morgen schon wird die entscheidende Schlacht in der Frankenhäuser Gegend erwartet.

GERLIND.
Er kämpft um die Krone – und ich kann nicht in seinem Kriegslager sein! Warum verließ ich es?
DIETRICH.

Da soll doch ein Schloßenwetter – ist's denn so eilig? Zerknittert unwillig das Rescript. Nun gut, auch gut, so wollen wir erst dem Narrenspiel da unten eine Ende machen, und wenn die Hasenjagd zu Ende ist, in zwei, drei Tagen, der Gans das Hirn in die rechte Lage rücken! Wohl auf denn, zur Hetzjagd! Und die da sperrt derweilen in das Verließ – wenn ich ihr den Kopf ihres Buhlen vor die Füße lege, [71] wird sie wohl ein anderes Lied pfeifen. Auf, fesselt sie! Draußen, vom Burghof her, erklingt eine recht lustige Jagdfanfare. So recht die Musik, eine lustige Hetzjagd soll's werden, nichts weiter. Da die Knechte zögern. Thut, wie ich euch befahl! Knechte gehen auf Gerlind zu.

GERLIND.

Zurück, ihr Elenden, wagt es nicht, eures Herrn Tochter zu berühren. Ward je solche Gewalt von einem Vater gegen sein Kind geübt?

DIETRICH.
Hat je ein Kind so frech die Zunge gegen seinen Vater gebraucht? Zu den Knechten. Vorwärts!
GERLIND
zu Helldrungen.

Ritter, ihr habt mir soeben eine schöne Probe eures Edelsinns gegeben – soll ich euch bis an's Ende meiner Tage dankbar sein, so vollendet euer Werk – schützt mich –

GRÄFIN
heimlich.
Schützt mein Kind; was können wir Weiber gegen seinen Zorn.
DIETRICH.

Helldrungen, laßt euch nicht beikommen, mir in den Weg zu treten: ihr kennt mich! Wer sich zwischen mich und mein Kind stellen wollte – bei Gott, und wär's mein bester Freund, er wäre verloren. Hier in meinem Hause bin ich Herr, und eher sollte dies freche Wesen zu Grunde gehen, als daß die väterliche Gewalt zum Kinderspott würde. Neue Fanfare.

HELLDRUNGEN.
Graf, die Zeit drängt – wir müssen fort –
GERLIND
zu einem der Knechte, der sich ihr nähert.

Bruno, du, den ich immer allen andern Knechten vorgezogen – den ich zweimal selbst vor der Wuth meines Vaters beschützt habe – du wagst es die Hand zu erheben gegen deines Herren Kind? Laß ab, ich bitte dich –

EIN KNECHT.
Edles Fräulein – es ist meines Herren Befehl – macht mir meine Pflicht nicht unnütz schwer.
GERLIND
rings umherschauend.

Bin ich ganz [72] allein? Keiner, der mir beisteht, dem Weibe? Bin ich ganz ausgeliefert der Rohheit haßerfüllter Männer? Und er fern von mir, von Feinden umdrängt, und ich von seiner Seite gerissen? Wie mit plötzlicher Eingebung. Nun denn – hier, nehmt mich, bindet mich! Führt mich in's Verließ! Aus der Tiefe meines dunkeln Gefängnisses, hungernd und dürstend, will ich hinauf zum Himmel schreien, daß es die Musik der Engel übertönen soll: so liebt ein Vater seine Tochter! Nehmt mich, führt mich fort! Und bergt mich klaftertief unter der Erde, wälzt Berge über mich, die eine Sintfluth nicht bewegen kann, legt dreifach Erz um die Riegel meiner Thür, daß kein Blitz vom Himmel stark genug ist, sie zu schmelzen – er wird doch die Felsen und Klammern sprengen! Er dringt zu mir, und findet mich, und führt mich mit sich fort, auf den Platz, der seiner würdig ist, und von dem ihr ihn niemals zurückhalten werdet! Geht hin, sorgt für seinen Ruhm, laßt euch von ihm in alle Winde jagen; ich will indeß die alten Eulen drunten im Gemäuer sei nen Namen aussprechen lehren, den ich aus eurem Munde nicht hören mag! Erneute Fanfaren.

DIETRICH.
Und dann auf zur Hasenjagd!
HELLDRUNGEN
im Abgehen.
Sie liebt ihn. Münzer, Münzer – begegnen wir beide einander im Feld, so wahr' dich! –

Vorhang fällt.

4. Akt

1. Szene
1. Scene.
Blinte. Engel. Sander. Reinhard. Storch. Thomä. Bauern. Wiedertäufer im Streit.

BLINTE.
Schweigt, geht! Euch falsches, duckmäuserisches Volk kennt man schon!
STORCH.
Stehen wir euch an Tapferkeit nach? Erfüllen wir unsere Pflichten schlechter als ihr?
BLINTE.

Verrückte Schwärmer seid ihr alle, um den Kern unserer Bewegung ist es euch nicht zu thun, ihr denkt allein an eure mystischen Alfanzereien, an euer närrisches Neujerusalem.

BAUERN.
Wiedertäufer, Wiedertäufer!
THOMÄ.
Ihr seid gottloses Pack, das unsern Herrn verläugnet –
BLINTE.
Und ihr, verrückte Träumer! Brüder, ich glaube, wir danken für solche Bundesgenossen.
THOMÄ.
Nun, wenn euch nichts an unserem Beistand liegt, so werden wir euch verlassen.
BLINTE.
Glück auf den Weg, es weint euch Niemand Thränen nach, Wiedertäufer!
[74]
BAUERN.
Macht, daß ihr aus dem Lager kommt, Wiedertäufer!
STORCH.
Ihr seid Buben, daß ihre eure Bundesbrüder beleidigt!
BLINTE.

Hört ihr's, sie nennen uns Buben, die Duckmäuser, die Katzen, die nur nach heimlicher Sinnenlust trachten –

BAUERN.
Schlagt sie zu Boden! Gehen auf einander los.
2. Szene
2. Scene.
Vorige. Pfeifer. Münzer von rechts.

PFEIFER.
Halt! Halt! Was ist das!
MÜNZER.

Ruhe, im Namen Gottes! Schlägerei im Lager? Wißt ihr nicht, was darauf steht? Auseinander, sage ich –

STORCH.
Meister, sie schmähten –
SANDER.

Wir wollen nicht mehr mit dem verlogenen Pack, den Wiedertäufern, in einem Zelte liegen. Mögen sie ihr Bündel schnüren!

ENGEL.
Blinte hat Recht, wir brauchen sie nicht!
MÜNZER.

Also du warst wieder einmal der Hetzer, der Aufrührer? Wart', jetzt ist dein Maaß voll, dein Schicksal winkt dir! Aber ihr, seid ihr denn ganz wahnwitzig, euch von diesem Buben verleiten zu lassen? Sind jene da nicht eure guten Kameraden, die zu euch stehen in Noth und Kampf? Was kümmert's euch, ob sie sich ein- oder zweimal Wasser über's Haupt gießen? Ob Wiedertäufer, Juden, Türken – wenn sie mit uns für unser Recht, für unser Brot streiten wollen, sind sie unsere Brüder! Allein du, frevler Bube –

BLINTE.

Ihr würdet gut thun, Münzer, euren Zorn ein andres Mal gegen mich zu kehren, die Gelegenheit [75] ist heut schlecht gewählt, ich glaube kaum, daß ihr auf die Beistimmung dieser zu rechnen hättet – denn sie sind alle auf's tiefste erregt über die Kunde, daß ein Theil von uns den Sachsen zu Hilfe eilen soll.

ENGEL.

Ja, Meister, des weigern wir uns. Was gehn uns die Sachsen an? Wir sind Thüringer und stehen für uns, mögen die Sachsen sehen, wie sie selbst bei sich zu Hause fertig werden. Taugt es fremde Ställe zu reinigen, wenn die Mauern des eignen Hauses wanken?

BAUERN.
Wir kämpfen nur für uns – was kümmern uns die Andern –
MÜNZER.

Kurzsichtige, seht ihr denn nicht, daß euer Aller Sache nur eine ist, daß nur Zusammenhalten euch befreien kann, daß ihr einer für den andern einstehen müßt, wenn sie nicht einem nach dem andern den Kopf abschlagen sollen? Seid ihr nicht alle Deutsche, habt ihr nicht alle eine Sprache, ist's nicht das gleiche Ziel, wofür der arme Mann in allen Ländern kämpft?

SANDER.
Aber jene haben auch nie etwas für uns gethan –
MÜNZER.

Herr im Himmel – also weil Andere Thoren sind, müßt ihr sie in der Narrheit noch übertreffen, anstatt sie durch vernünftiges Handeln des Besseren zu überführen und auf den rechten Weg zu bringen? Aber ich will den bösen Geist endlich aus eurer Mitte entfernen, der euren Sinn umstrickt und vergiftet, denn es ist die höchste Zeit – Berührt Blinte's Schulter.

BLINTE.
Münzer, laßt mich los –
MÜNZER.
Fort mit dir –
ENGEL.

Laßt ihn, Meister, – wir wollen nicht mehr auf ihn hören, aber laß ihn, er meint es gut, er ist nur zu hitzig –

[76]
MÜNZER.
Ein Verräther ist er, den ich bestrafen muß –
BLINTE
für sich.
Versuch es nur! Diese stehen hinter mir.
SANDER.
Du verkennst ihn, Meister, er ist nicht so schlimm, er ist nur aufbrausend, er meint es redlich –
THOMÄ.
Er ist unser Feind, wir bitten dich, verzeihe ihm noch dies Mal!
PFEIFER
leise zu Münzer.
Gieb nicht nach!
BAUERN.

Gieb ihn uns frei, wir bitten dich alle darum – wir wollen dir noch einmal so freudig folgen ... wir sind entschlossen ihn zu schützen ....

MÜNZER.
Nun so pack dich ... dem Galgen entfliehst du ja doch nicht ....
PFEIFER.
Und nun fort ... an eure Standplätze!
BAUERN
im Abgehen.
Ob es wohl bald zum Kampfe kommen wird ... nach Sachsen gehen wir doch nicht .... Ab.
BLINTE
im Abgehen zu anderen Bauern.
Er hätte nur wagen sollen, mich zu berühren ... Ab.
PFEIFER.

Und so soll der Bursche straflos ausgehen und seine Bübereien immer von Neuem ausführen? Das ist ein Unrecht, Thomas, und unklug odendrein, das hätte ich an deiner Stelle unterlassen.

MÜNZER.

Nun, so laß dich doch an meine Stelle zum Führer wählen, sofern du Alles besser weißt als ich. Geh doch, zettle eine Verschwörung gegen mich an, setze mich ab, – ich werde es wahrhaftig leichter ertragen als dieses ewige Schulmeistern, das ich dir ein für alle Mal untersage.

3. Szene
[77] 3. Scene.
Vorige. Hans.

MÜNZER.
Gottlob, da ist Hans. Komm her! Führt ihn nach vorn links, sehr erregt, leise. Nun?
HANS
leise.
Meister –
MÜNZER
leise.
Leise, leise!
HANS
leise.
Daß ich euch willkommeneres melden dürfte – kein Mund sollte es lieber thun –
MÜNZER
leise.
Er lehnt ab?
HANS
leise.

Mit Hohn nahm Graf Farnrode die Aufforderung auf, an einem verschwiegenen Orte zwischen beiden Heeren Stirn gegen Stirn um den Besitz seines Kindes zu kämpfen. ›Sag dem Rebellen – verzeiht, so waren seine eignen Worte –, daß ich‹ ihn mir aus der Schaar seiner Meuterer heraus holen und ihm unter'm Galgen von Farnrode Genugthuung leisten werde. Eine Zigeunerin soll mit ihm zugleich auf's Holz gezogen werden, damit er lerne, in welchen Kreisen seinesgleichen sich seine Liebe suchen mag. Und als ich ein mehreres sprechen wollte, ließ er mich durch Troßknechte aus dem Lager jagen.

MÜNZER.

Er wagt mich zu beschimpfen? Ist dieses Volk denn auf beiden Augen mit Blindheit geschlagen? Sie wollen ihr Verderben! Nun wohl, er habe seinen Willen, von heut an ist Dietrich von Farnrode nur noch mein Todfeind, und meine Braut gilt mir als vaterlose Waise. – Geh', ich danke dir ... halte dich in meiner Nähe ... Reicht ihm die Hand. ich bedarf eines Freundes –

HANS.
Dein bis in den Tod! – Ab.
PFEIFER.

Thomas, nun verlange ich volle Offenheit. Ich darf es! Was wäre die Freundschaft, wenn sie nur Pflichten kennte. Du verbirgst mir etwas, läugne es nicht. Du bist zerstreut, du pflegst heimliche[78] Rede, ich seh's am Wellenschlag deiner Stirn, am Wanderspiel deiner Augen –

MÜNZER
gezwungen heiter.

Seit wann ist mein Freund unter die Dichter gegangen und sieht Schreckgespenster, wo Andere nur prosaische Laken erblicken? Und hätt' ich wirklich Heimlichkeiten – je nun, du weißt, es giebt einen Punkt in der Freundschaft – .... denke dir, mich zöge es zu irgend einem liebenswürdigen Kätzchen und der gute Hans machte zwischen uns den Liebesboten ... Hans als Liebesbote, köstlich! ....

PFEIFER.

Und wär's selbst das, so müßte ich als Freund warnen. Thomas, wer dem Fluge seiner Gedanken kein niedereres Ziel setzte, als das Glück seines Vaterlandes, muß auf eignes Glück verzichten, und wär's selbst ein so winziges wie die Augenblicksgunst eines verliebten Kätzchens. Er darf eben nichts anderes kennen, darf gar nicht anderes sehen, als nur jenes eine hohe Ziel. Nur eine Liebe darf der Mann des Volkes haben: sein Volk, nur ihm darf er dienen.

MÜNZER.

Das Volk! Wodurch ersetzt es dem die Liebe, der ihm sein ganzes Herz hingiebt? Sage mir, wie dankt das Volk? Weiß es seine Männer zu ehren? Würde es ihnen für alle ihre Mühen und Plagen je eine Krone anbieten, wenn es eine zu vertheilen hätte?

PFEIFER.

Welche Sprache! Ich verstehe, du stellst mich auf die Probe. Ich fühle so gut wie du, wie wenig dem Mann des Volks Ehren oder Kronen sind. Nur Mitleid könnte ihm das Angebot derselben wecken. Der Edle kämpft für das Gute, weil es ihm als das Gute erscheint.

MÜNZER.

Das Gute allein um des Guten willen? Giebt es wirklich Menschen, die so handeln können, so bewundre ich sie aus voller Seele, doch, mein' ich, müßten sie, um das zu vermögen, zwei Flügel an den [79] Schultern tragen. Sie dürften nicht Menschen sein, wie ich, sie müßten ihre Flügel gebrauchen, sich über alle Undankbarkeit, Erbärmlichkeit und Kleinigkeit derer hinwegsetzen, um derentwillen sie allnächtlich mit der Natur um den Schlaf ringen! Sie müßten Sohlen von Stahl besitzen, die nimmer ermüden, und ein Herz in einer Hülle von Elendsleder, an der alle Pfeile der Narrheit abprallen.

PFEIFER
für sich.

Wie? Sollte das mehr sein als Scherz? Laut. Thomas, ich frage jetzt als dein Freund, als dein Mitkämpfer ... antworte mir auf dein Gewissen ... sprachst du das Alles im Ernst, oder fällt in Wahrheit der Schatten eines Weibes zwischen dich und die deinen? Ist dein Herz noch bei uns oder bist du deiner Arbeit schon müde, bevor sie noch recht eigentlich begonnen.

MÜNZER.

Du irrst, Freund – wir befinden uns nicht mehr in der Klosterschule. Damals bestimmte der Pater dich als den Stärksten zu unserem Aufseher, und mit Wollust gabst du Acht, ob keiner, indeß wir des heiligen Augustinus Bekenntnisse lasen, heimlich unter der Bank ein Verslein für sein Mädchen schrieb.

PFEIFER.

Ja, ich mochte schon damals das Weibszeug nicht leiden, nur begriff ich nicht, wie ein braver Junge sich von dem Gezücht könne zum besten halten lassen ....

MÜNZER.

Damals wart du an deinem Platz, doch die Zeiten sind vorbei. Und so bitte ich dich jetzt, heute dein Vorgesetzter, an deinen Platz, zu deinem Haufen zu gehen.

PFEIFER.

Ich werde meinem – Vorgesetzten gehorchen. Für sich. Das Wort will ich dir nicht vergessen! Mein Platz ist weit von hier ... Du hast ihn mit gutem Bedacht ausgewählt .... aber mein [80] Auge ist scharf, es dringt bis hierher und weiter. Laut. Mein Feldherr – dein Untergebener empfiehlt sich deiner Gunst! Mit militärischem Gruße kurz ab.

4. Szene
4. Scene.
MÜNZER
allein.

Ach, als ob er es mir erst sagen müßte, daß ich ein ganz Anderer geworden bin, als ob ich es nicht selbst suhlte! Wer hat mir die Hälfte meines Bluts aus den Adern gezapft und zum Ersatz Wasser hineingefüllt? Es kann nur eine vorübergehende Ermüdung sein, sie muß bald weichen. J darf nicht ermatten, denn das Ziel ist noch fern und der Weg noch weit. Frisch an die Arbeit!Schlägt die Vorhänge auseinander und tritt in das Zelt, dasselbe bleibt nach vorn ganz geöffnet. Er beugt sich über den Tisch. Wo sind die Karten? Hier liegt Frankenhausen, und da Attenrode, da Almenhausen, Bissingen – alle die Burgen sind unser, wir haben gut gearbeitet. Und da – Gerlind, Königin meines Herzens, wo weilst du jetzt. Was mag mit dir geschehen sein. Ich zergrüble mein Hirn, was ich thun kann dir beizustehen ... doch nichts ... nichts ... Wie gern wär' ich bei dir und löste deine Ketten, könnt' ich nur einen Augenblick von hinnen –

5. Szene
5. Scene.
Münzer. Pfeifer. Roder.

PFEIFER.

Verzeiht, mein Vorgesetzter, daß ich hier einzudringen wage, doch dieser Mann aus meiner Abtheilung will wichtige Kunde –

MÜNZER.
Rede, was bringst du?
[81]
RODER.

Meister, ich schlich mich als Viehtreiber verkleidet in's Lager des Landgrafen. Was sah ich dort! Alle Fürsten Deutschlands haben sich vereinigt gegen uns, ihren gemeinsamen Feind, sie wollen, wie sie sagen, der Schlange den Kopf zertreten. Ein Wald von Waffen starrt die Ebene, so viel Eisen sah ich noch nie in meinem Leben beisammen, man könnte damit die Erde umpanzern. Und stündlich treffen noch neue Zuzüge ein, wilde, trotzige Wuth auf Aller Mienen. Kein Herrlein in Deutschland ist so klein, das nicht wenigstens seine zween Knechte sendete. Und selbst aus den Städten kommen sie herbeigeströmt, Landsknechte, von den Reichen angeworben, die für ihre Säckel zittern. Schon sind einige Städte von uns abgefallen, schon haben sich einzelne Gemeinden unterworfen.

MÜNZER.

O Luther, Luther, ich erkenne den Werk! Welcher Dämon trieb mich zu dir! Das war der thörichteste Knabenstreich meines Lebens!

RODER.

Meister, das wird ein Kampf auf Tod und Leben, wie ihn Deutschland noch nicht gesehen. Laß uns aufmerksam auf unserem Posten sein, denn wie sie sagen, kann jede Stunde der Sturm losgehen. Den Landgrafen von Hessen haben sie auf Luther Antreiben zum Befehlshaber gemacht, und er hat geschworen schon im Mai so reiche Ernte zu halten, daß kein Bauernkopf mehr auf dem Halme bleiben soll.

MÜNZER.

Unbesorgt, wir werden ihrer Herren werden. Die Furcht ists, die sie so prahlen heißt. Ich danke dir. Geh' jetzt zu deinem Fähnlein.

RODER.
Gott schütze euch, Meister!
PFEIFER.
Und mir habt ihr keine weiteren Befehle zu ertheilen?
MÜNZER.

Nein! Geh! Pfeifer geht bis zur Thür. Doch halt ja – hierher komme. Und ich befehle dir, mir die Hand zu drücken und mich zu umarmen!Da [82] Pfeifer zögert. Nun ja – so komm doch her, du Thor. Wie kann ein Freund dem Freunde nachtragen, was er vor mehr als drei Athemzügen gesprochen. Bist du denn nicht mehr mein Heinz, mein treuester Kamerad aus guten und schlechten Tagen? Komm her, umarme mich, ich befehle es dir, ich bin dein Vorgesetzter!

PFEIFER
schlägt in seine Hand.
Thomas, dein Freund wie immer. Doch jenes Wort war das überflüssigste deines Lebens.
MÜNZER.

Wahrhaftig, jetzt ist nicht der Augenblick, daß zwei Freunde auf so verantwortlichem Posten noch Zeit hätten zu schmollen – was sollten die Unsern denken –

PFEIFER.

Bei Gott, da hast du Recht! Alle unsre Blicke sind voll Spannung nur nach außen gerichtet: so müssen wir uns im Innern wenigstens völlig sicher wissen. Der nächste Tag, die nächste Stunde schon kann uns die langerwartete Entscheidung bringen – siegen wir, so sind wir die Herren von Mitteldeutschland, und was bleibt, ist nur noch ein Kinderspiel – unterliegen wir, so ist auf hundert Jahre hinaus in Deutschland Alles verloren und Deutschland um hunderttausend brave Köpfe und arbeitsame Hände ärmer. Nicht wahr, jetzt soll uns kein Schatten eines Zwistes trennen?

MÜNZER.
Nein, du hast Recht, wir sind Brüder, wie bis auf diesen Tag!
PFEIFER.

So leb' denn wohl! Für sich. Und dennoch laß ich ihn nicht aus dem Auge. Sein ist die Schuld, wenn hundert seiner Worte nicht ganz austilgen können, was eines anzudeuten schien. Ab.

MÜNZER
allein.

Bedarf ich deiner Weisheit. Ich weiß, Freund Heinz, du wirst das Haupt schütteln du wirst mich verkennen, so gut wie die andern. In der Stunde der Entscheidung wird sich's zeigen, wer an mich glaubt! Gerlind, du hast, was Edles und [83] Großes in mir lag, erst zur vollen leuchtenden Flamme geweckt! Erst seit ich dich liebe, weiß ich, was ich aus der Welt suche Wie liebe ich dich! Doch keine Zeit verloren! – Hans!

6. Szene
6. Scene.
Münzer. Hans.

HANS.
Ihr befehlt, Meister?
MÜNZER.

Komm her, Hans ... sieh mir einmal fest ins Auge ... so ... du wirst mich nie verläugnen und verkaufen ...

HANS.
Meister, ihr würdet mich kränken, wenn ihr nur an die Möglichkeit dächtet –
MÜNZER.

Schon gut, ich glaube dir. Hier trink ein Glas Wein mit deinem Freunde. Schänkt ein. Du weißt, ich habe dich immer geliebt –

HANS.
Könnte ich je vergessen, was ihr für mich gethan?
MÜNZER.

Ich habe dich auch stets für einen verständigen Menschen gehalten, der nicht nur so in den Tag hinein lebt, wie die andern, nein, der auch ein wenig an die Zukunft denkt. Du wirst dir gewiß auch schon die Frage vorgelegt haben: wenn wir nun siegen, wenn wir den grämlichen Spanier vom Thron gejagt haben und alle Fürsten und Herren vor uns im Staude liegen – was soll dann geschehen mit Deutschland .... sprich, wie denkst du dir die Zukunft ... sprich zu mir wie ein Freund zum Freunde ...

HANS.
Nun, dann müssen wir eben einen neuen Kaiser wählen, einen – Bauernkaiser!
MÜNZER.

Sieh, sieh, wie klug, Hans – das war auch mein Gedanke! Aber wer ... wer meinst du ... könnte wohl in Deutschland für solche Würde in Betracht kommen? Ein kluger Mann denkt voraus! [84] Ich habe an Heinz Pfeifer gedacht – ein energischer Mann – –

HANS.

Meister, wollt ihr mich verhöhnen – Heinz Pfeifer ist ein wackerer Mann – aber wer hat denn den ganzen Plan des Krieges entworfen, wer hat uns von Sieg zu Sieg geführt, wer hat im ganzen Lande für die Sache der Bauern gestritten und gelitten. Nur der hat einen Anspruch auf das Höchste, was das Volk zu vergeben vermag! Und das seid –

MÜNZER.

Schweig! Ich gebiete dir, schweig! Ich mag davon nichts hören. Glaubst du, daß ich um nichtiger Ehren willen euer Leid auf mich genommen habe? Geh wieder zu deinen Genossen ... doch ... halt ... bedenk', was ich dir sagte: ein kluger Mann baut vor. Daß dich und deine Genossen die Frage der Zukunft nicht überrasche, wenn sie unversehens an euch herantritt – berathet euch bei Zeiten – erwägt meinen Vorschlag –

HANS.

Meister, ich will mit ihnen reden, und wenn nur ein Funke Verstand und Dankbarkeit in ihnen lebt, so werden sie ihre Pflicht kennen. Meiner und ihrer seid ihr sicher, Meister, das schwöre ich euch! Ab.

MÜNZER
allein.

Es gelingt, es muß gelingen! Bald, Gerlind, drücke ich dir auf dein Haupt die Krone, die du so begeistert zu verlangen wußtest. Wohl hattest du Recht – du bist ihrer werth! Wie war ich blind, bis deine Hand den Schleier von mir nahm! Und doch ... und doch ... wenn ich bedenke ... wie ich vordem dies Volk geliebt und Alles nur um seinet willen thun wollte – und wie ich früher schier freudiger als jetzt den Kampf begonnen – nein, nein, sie verdienen es nicht besser – sie könnten die vollkommene Freiheit noch nicht ertragen.. sie sind Kinder, wetterwendisch, streitsüchtig ... sie wären noch nicht reif dafür.

7. Szene
[85] 7. Scene.
Münzer. Jacobe. Wache.

WACHE.
Meister, diese Frau verlangt vor euch geführt zu werden –
MÜNZER.
Was bringst du?
JACOBE.
Das ... verzeiht ... ich darf es nur unter vier Augen –
MÜNZER.
Sollte ein Anschlag – sprich nur offen!
JACOBE
leise.
Ich komme von ihr, von Fräulein Gerlind!
MÜNZER.
Von Gerlind?
JACOBE.

Kennt ihr mich denn nicht mehr. Die alte Jacobe, ihre Amme. Ich kannte euch gleich wieder, seit dem Tage, da ihr so schnellen Abschied genommen und wie durch Hexerei verschwunden seid –

MÜNZER
zur Wache.
Laß uns allein! Wache ab. Gerlind – wie geht es meiner holden, geliebten Braut?
JACOBE.

Sie sitzt daheim und lehrt die Eulen im Verließ euren Namen aussprechen, und fühlt sie es ihre Wangen feucht hinabrinnen, so weiß sie nicht, sind's ihre eigenen Thränen, sind's die, welche das alte Gemäuer in Theilnahme ihres Unglücks weint.

MÜNZER.

Mein süßes Mädchen gefangen im Verließ? Graf Dietrich von Farnrode, das sollst du mir theuer büßen! Friert sie, leidet sie Hunger – sprich! Daß mich nicht eiserne Bande hier festhielten! So rede doch! Wie ist deine Zunge so trag! Weib, ich erdrossle dich! Sprich, ist sie krank? Wie wäre es anders möglich – in der modrigen, dumpfen Luft! Auf euch die Schuld, wenn ihr nur eines ihrer schönen seidnen Haare ausfällt!

JACOBE.

Was können wir armen Weibsen gegen die rohe Macht des Castellans und der Burgwache, denen der Graf die strengsten Befehle ertheilt hat?[86] Wir können sie nicht allein von den Thüren abdrängen, nicht mit unsern Armen die schweren Riegel heben.

MÜNZER.

O, daß der Kampf schon vorüber wäre! Aber ich will ihn beginnen, ich will die Gunst meiner Stellung aufgeben, ich will in das Lager der feinde einbrechen, nur um eine Stunde früher zu keiner Rettung eilen zu können, Gerlind. Noch in dieser Nacht – nur einen Tag noch –

JACOBE.

Und gerade unterdeß verschmachtet sie vielleicht in ihren Mauern und ihr kommt zu rechter Zeit eine Leiche zu umarmen. Hört mich, ... doch Niemand darf es wissen ... wenn unser Graf es erführe ... der Gräfin geht das Leid ihres Kindes zu Herzen – ihr wißt, eine Mutter giebt ihrem einzigen Kinde Alles nach, um es nur nicht unglücklich zu sehen ... mit blutendem Herzen würde sie – nicht etwa einwilligen – behüte Gott, das kann sie nie ... als Gräfin ... aber euch keine Hindernisse in den Weg legen, – wenn ihr eure Braut würdet befreien wollen – Diese Nacht, hört ihr – es ist Neumond ... daß euch die Wachen nicht störten, würde die Gräfin Sorge fragen ... ihr müßtet auf der Stelle fliehen ... eine Säge würde vielleicht auch vor der Kerkerthür liegen ...

MÜNZER.

Ha, jetzt erkenne ich dich, Gaunerin – du bist gedungen mich in eine Mörderhöhle zu locken ... Schüttelt sie.

JACOBE.

Um Gottes Willen, Ritter – Meister – was fällt euch ein? Laßt mich los, ihr würgt mich ja. Freilich, ich merke schon – ihr sucht nach Ausflüchten – ihr seid auch wie Alle und euer Muth ist nur ein Schaugericht aus Schaum, das man beileibe nicht an die Zunge bringen darf. O meine arme Gerlind – solches Mißtrauen mir, deiner besten Freundin? Wie hat dich deine Hoffnung getäuscht! Da ich von dannen zog, rief sie mir noch aus der[87] Tiefe ihres Kerkers nach: Grüß' meinen Mordbrenner, sag' ihm, daß ich auf ihn baue!

MÜNZER.

Das sagte sie? Das weißt du! Verzeih, ich that dir Unrecht! Geh', bring' ihr tausend Grüße von mir, sag' ihr, bald werde ich bei ihr sein, so wie ich die Reihen meiner Feinde auseinandergesprengt. Morgen schon hoff' ich an ihres Kerkers Thüre zu klopfen, sie auf mein Roß zu heben und mit ihr die Gaue des freien Deutschlands zu durcheilen. Geh' jetzt, du bist nicht mehr lange sicher hier, schon in wenigen Stunden können hier an dieser Stelle die Kanonenkugeln fliegen – sag' ihr, mein Sieg ist auch ihre Rettung, und sie möge in ihrer Klause für uns beide beten.

JACOBE.

Was helfen fromme Wünsche? Rettung thut Noth! Liebt ihr? Wißt ihr, was Liebe ist? Wär ich ein junger Held wie ihr – ich wüßte es schon, auf Sturmesflügeln eilte ich hin zu ihr, die mein Herz besitzt, nichts anderes sähe ich vor mir als nur sie, das blaue Strahlenauge trübe und verweint, die weichen Wangen abgehärmt, den herrlichen Nacken gebeugt – nichts sähe ich als ihre Noth, nichts hörte ich als nur die eine Stimme: sie muß frei sein, sie darf nicht einen Augenblick des Jammers kennen.

MÜNZER.

Naht auch mir der Satan in Gestalt eines Weibes? Weib, versuche mich nicht, ... ich habe ein Herz, das liebt, und glühend liebt – aber ich habe auch ein Gewissen, dem das Wort »Pflicht« kein Rauchbild ist. Stachle mich nicht auf gegen mich selbst!

JACOBE.

Ihr ein Herz. Wer das glaubte! Wenn nicht das Glück, das euch winkt, euch das Blut wie eine Sturmfluth durch die Adern peitscht – ihr reitet allein mit eurer Holden über das weite, nächtliche Feld, sie ruht fest und warm an eurem Herzen – sie hat keine Eltern mehr, sie hat nur noch euch – [88] und als Dank der Rettung giebt sie sich euch selbst – noch in dieser Nacht wird sie euer Weib! – Und ihr sagt: später! später! – Erst müßt ihr hier ein paar Dutzend Köpfe heruntergeschlagen haben!

MÜNZER.

Kupplerin! Welche Bilder führst du mir vor die trunkne Seele! Still, ich will nichts weiter hören! Sie mein – noch in dieser Nacht – nein, nein – ich würfle hier um eine Krone – für sie – und da man mir den Becher gerade reicht, soll ich ihn von mir werfen um die Schenken zu küssen, indes ein Anderer sich das All erringt! Und doch – wie süß ist dieser Kuß! Nein – nein – schweig, schweig – du sprichst zu einem Manne!

JACOBE.

Wär' ich ein Mann, ich wüßte mir nichts Männlicheres in der Welt, als mir durch eine kühne That das Weib zu holen, das mich liebt und für das ich glühe.

MÜNZER.

Schwatz mir den Himmel nicht grün! ihr Leid schneidet mir in die Seele, doch die eine Nacht mehr wird sie nicht tödten –

JACOBE.

Und dich nicht um den Sieg bringen, denn der Feind wird vor dem morgigen Tage nicht angreifen. Ihm böte heut ein Nachtgefecht größere Gefahr als dir, und schon graut der Abend. So viel verstehe ich auch vom Kriegswesen. Und du könntest zurück sein, lange bevor der Morgen tagt.

MÜNZER.

Wohl wahr! doch die Gefahr ist hier die größere! Dem Sieger wird Gerlind's Kerkerthür nicht widerstehen.

JACOBE.

Nur, daß du sie hinter derselben nicht mehr finden würdest, denn der Burgvogt empfing den strengsten und ausdrücklichsten Befehl des Grafen, Gerlind auf der Stelle zu tödten, falls die Schlacht einen unglücklichen Ausgang nehme und das Heer fern von hier fliehen müßte. Der Grausame will sie lieber todt als in den Armen seines Todfeinds wissen. [89] Und sei gewiß, der grimme Landsknecht würde keine Schonung kennen! Sie ist so oder so verloren, wenn du sie nicht rettest!

MÜNZER.

Still, still! Ich darf ja nicht – eiserne Ketten sind's, die mich an diesen Boden fesseln, und ein ganzes Volk fällt mir in den Arm, wenn ich sie abstreifen will. Still – man kommt – verbirg ich – man darf dich nicht sehen – Verbirgt sie hinter einem Vorhang.

8. Szene
8. Scene.
Vorige. Pfeifer. Später Hans. Bauern.

PFEIFER.

Ein neuer Zug aus Hannover ist zu uns gestoßen, doch sie haben keinen Proviant mitgebracht. Das Korn fängt an knapp zu werden, wir müssen unter allen Umständen so bald als möglich Schlagen, damit wir uns die Kornlager der nächsten Städte eröffnen. Unsere Vorposten melden, daß sich im Lager der Gegner eine lebhafte Bewegung zeigt, ein verdächtiger Lärm Thomas, welche Lust, wenn wir noch heut zum Schlagen kämen – ich brenne vor Kampfbegier –

MÜNZER.

Thorheit! Der Tag ist zu Ende und in Nachtgefecht werden sie nicht wagen Es ziehen zudem dunkle Wolken herauf, wir bekommen ein Gewitter in der Nacht. Ich muß das Lager auf einige Stunden verlassen, mich ruft ein dringendes Geschäft – frage nicht welcher Art – ich darf es dir nicht sagen – es liegt keine Gefahr vor, doch möchte ich, daß du auf alle Fälle hier für kurze Zeit den Oberbefehl übernahmst.

PFEIFER.

Ich – du – ich habe nicht recht gehört – nein, es ist unmöglich. In diesem Augenblick [90] willst du dich entfernen, da die beiden Wolken ich nähern und in jeder Sekunde der zündende Funke von einer zur andern springen kann? Da der Erfolg Balles dessen auf der Spitze steht, wofür wir seit fahren mit allen Kräften kämpfen? – Nein, nein, es ist kindisch.

MÜNZER.

Vor morgen ist an keine Schlacht zu denken, sage ich dir – und vor Mitternacht bin ich heim. Und käme es zum Kampfe: sei doch glücklich, daß dann dir der Ruhm zufiele, deinem Volk das Brot errungen zu haben. Wir sind durch eine Schule gelaufen, und was ich gelernt habe, hast du nicht vergessen. Der Landgraf, ich weiß es, erwartet noch Verstärkungen –

PFEIFER.

So ist es Zeit ihn anzugreifen, ihn um Angriff hervorzulocken, nicht ihm Ruhe zu lassen bis er stark genug ist uns zu verschlingen, noch auf Abwegen zu wandeln. Thomas, soll ich dir die Wahrheit sagen? Hinter deiner Ausfahrt steckt ein Weib! Läufen es mir nicht ab! Fluch den Weibern, sie machen durch ein Augenzwinkern aus dem besten Mann den gewissenlosesten Buben!

MÜNZER.
Schon wieder diesen Ton, Pfaffe von einst ich mag ihn nicht hören!
PFEIFER.

Denk' an dein Volk, denk' an all die Tausende, die ihren Leib und ihre Sache dir blindlings vertrauten und dir gefolgt sind, weil du ihr Ohr mit deinen Versprechungen anfülltest, ihnen das Brot zu schaffen, dessen sie bedürfen. Was sagst du mir, du seiest kein Knabe, da ich dich doch an deine Pflicht mahnen muß. Meinst du ich wüßte nicht, daß der Mensch auch ein Ding besitze, welches sich Herz nennt? Doch mit dem Klang der Trompete muß es schweigen, und nur die Pflicht hat noch Anspruch auf Gehör. Zwischen seine Liebe und sein Volk gestellt, muß der Mann, der so weit gegangen wie du, für den es kein [91] »Zurück« mehr giebt, auch die Kraft haben, seiner Liebe zu entsagen, wenn ihn die Schulknaben nicht als Schwächling verhöhnen sollen.

MÜNZER.

Volk – und Volk und immer wieder Volk! Sie sind mir gefolgt, ich habe sie geführt, so weit ich konnte – giebt's etwas, was mich ewig an sie fesselte?

PFEIFER.
Das fragst du noch? Hast du auch deine Erinnerung verloren? Dein Eid!
MÜNZER.

Haha! Als ob sie mir den nicht schon längst selbst zurückgegeben hätten, durch die tausend Beispiele von Ungehorsam, durch ihre Zwistigkeiten, ihre Erbärmlichkeiten, ihren Neid – man wird es müde um's Brot zu ringen für die Zerstörer der Backöfen!

PFEIFER.

Du frevelst, wenn du in dieser Stunde, der ernstesten, die das Vaterland seit Hermann's Zeiten durchlebt, von diesen Kleinigkeiten und den Kränkungen deiner Person zu sprechen wagst. Hier gilt's das große Ziel, die Sache von Millionen! Wenn jetzt der Heiland vom Himmel niederstiege und Alles strömte hinaus vor's Thor ihn mit Hallelujah zu begrüßen – wer würde wagen Klage zu erheben, daß ihn sein Nachbar auf den Fuß getreten! Thomas, wenn du ein Deutscher bist, wenn du nicht in diesem Minute dein ganzes bisheriges Leben einen schlechten Witz nennen willst, den du dir mit der Menschheit erlaubtest – so bleibst du, oder du verdientest bei Gott um solchen Witzes willen alle Martern der Höllenverdammten tausend Mal des Tages tausend Jahre lang zu erleiden.

JACOBE
ist schon vorher vorgetreten, heimlich.
Und so stirbt Gerlind in der Fieberluft des Kerkers oder von der Hand des rohen Vogtes –
MÜNZER.
Allmächtiger Gott, warum erschufst du Weiber?
PFEIFER.

Wendet sich das Kriegsglück gegen [92] uns und du bist fern – hast du den Muth, das Elend deines Volkes zu verantworten, gegen das seine bisherigen Leiden paradiesische Genüsse gewesen? Fühlst du dich so stark, daß Millionen Flüche, über den ganzen Erdkreis gestöhnt, dir nur ein spöttisches Lächeln ablocken können? Dann geh'!

JACOBE
leise.

Fühlst du dich im Recht, den Sonnenstrahl der Liebe Nacht zu nennen und dem Irrwisch der Ruhmsucht zu folgen, ein Herz zu zerschmettern, das nur in dir lebt und dich reicher und glücklicher machen möchte als der indische Mogul ist? Dann bleib!

PFEIFER.
Wer ist das Weib? Daß ihr der Donner den Mund stopfe! Will auf sie zu.
MÜNZER.
Das Weib steht in meinem Schutze, Heinrich!
JACOBE
halblaut.

So ist's entschieden, ihr bleibt? Auch gut. So laßt mich zurück zu Gerlind, ich will ihr sagen, daß Alles nur der Traum einer Mainacht gewesen, ich will hinüber in's andre Lager zu dem edlen Ritter Helldrungen – Vielleicht hat sie sich jetzt besser besonnen und entschließt sich jetzt diesem die Hand zu reichen, der sie schon einmal gegen ihres Vaters Wuth schützte, da ihr fern waret und sie von euch trotz seines Drohens nicht lassen wollte.

PFEIFER.

Wag' es zu gehen! Das ganze Heer will ich zusammenrufen, den armen Verführten, die dein Wort hierher unter Waffen getrieben, will ich's entgegenschreien, daß ihr Führer im Begriff steht, sie zu verrathen, weil er seine Leidenschaft nicht um einen Tag zu zügeln gewußt –

MÜNZER.
Verrath? Das mir? Ich könnte dich auf dieses Wort hin in Ketten werfen lassen
PFEIFER.

Du wagst es mir zu drohen, der ich den besseren Theil in dir zum Kampfe wider den schlechteren aufrufe? Mich in Ketten werfen? Versuch' es! [93] Zehntausend werden aufstehen mich zu befreien. Thomas, ich sage dir, zügle deinen Sinn, löse deinen Schwur ein – oder bei Gott, das Schwert säße zwischen deinen Rippen, bevor du einen Schritt aus diesem Zelt gethan. Willst du deinen Eid halten oder nicht? Antworte! Zieht sein Schwert.

JACOBE.
Allmächtiger – Mord – Todtschlag – zu Hilfe!
MÜNZER.

Das Schwert gezückt gegen deinen Feldherrn? Ich thue dir den Gefallen nicht das meine zu lockern, Aufrührer, ich werde anders – Wache, he Wache! Verhaftet diesen Empörer –

WACHE.
BAUERN stürzen herein. Schwerterklirren – Streit – Meister, was giebt's? – der Meister will fort –
PFEIFER.
Unglückliche – Verführte, vernehmt es, ihr seid betrogen, euer Meister –
HANS
stürzt zwischen Pfeifer und Münzer.

Halt, um Gottes Willen, halt! Welch' unglückseliger Stern erweckt den Geist der Zwietracht zwischen euch? Wollt ihr Alles, was bisher in Jahrzehnte langer gemeinsamer Arbeit geschehen, in einer Sekunde der Übereilung vernichten? Sollen diese leicht bewegten Massen, vom Schauspiel der Uneinigkeit ihrer Führer erregt, thatlos auseinander laufen im Angesicht des Feindes, am Vorabend des Sieges, des Tages der Freiheit? Seid einig, ich beschwöre euch! Und Meister, vertraut ihr denn gar nicht auf euren Glücksstern, der euch bisher nie betrogen? Steht ihr nicht in der besonderen Gunst des Himmels Ist euer Glück nicht eine nimmer irrende Uhr? Wie sollte sie sich diesmal um vierundzwanzig Stunden verspäten?

MÜNZER
der in sich gekehrt dagestanden.
Gut, gut, du sprachst ein wahres Wort, Hans; habe Dank! Heinrich, hier meine Hand, ich bleibe!
PFEIFER.
Ist das dein heiliger Ernst?
[94]
MÜNZER.
Hier meine Hand!
PFEIFER
schlägt ein.

Und hier mein Herz! Hab' ich es nicht gewußt? Das Edle lebt in dir, du darfst dich nur auch einmal des Weckens nicht verdrießen lassen.

MÜNZER.
Hier, Wache – führ' diese Person des Weges zurück, den sie hergekommen!
JACOBE.
Gerlind! Gerlind!
MÜNZER.

Und ihr geht wieder in eure Hütten und Zelte! Und wenn ihr vom Feind her etwas Verdächtiges bemerkt, so meldet mir's. Gute Nacht!

BAUERN.
Gute Nacht, Meister!
PFEIFER
für sich.

Ich traue ihm – das ist der Ton eines ehrlichen Mannes. Ich will um meinen Freund herum nicht spioniren. Welch verhaßtes Geschäft! Laut. Du hast gehandelt wie ein Mann. Gute Nacht! Ab.

MÜNZER
zu Hans.
Du denkst an das, was wir vorhin gesprochen?
HANS.
Ich habe schon begonnen ihm Wirklichkeit zu geben. Ab.
9. Szene
9. Scene.
Münzer zuletzt. Blinte.

MÜNZER.

Und wenn der Mond vor Scham den Glanz verlöre und die Sterne stürzten herab aus ihrer Aetherhöhe – ich muß zu ihr, der Herrin meiner Seele! Und winkte mir die Krone des ganzen Erdreichs, und spräche der Herr zu mir: komm her, ich will dich neben mir sitzen lassen auf meinem goldenen Throne, und ich sollte das Weib, das ich liebe mit jeder Faser meines Herzens, allein und hilflos lassen, dem Tode gegenüber; ich spräche: behalte deinen [95] Thron, in ihren Armen dünk' ich mich mehr als tausend Götter, und ohne sie käme ich an deiner Seite um vor Frost. Stirbt sie – was ist mir Krone, Sieg, Ruhm, Freiheit, Volk? – Was wage ich, wenn ich gehe? Ich bin kein feiger Ängstlich, wie jene. Mir hat der Himmel bis hierher geholfen, auf seinen Ruf hab ich das Werk begonnen, er ist wir's schuldig mich ans Ziel zu dringen, und eine gute Forderung hab ich an ihn. Er darf mir keinen Streich in zwölfte Stunde spielen, er muß mich meinen Weg vollenden lassen, wenn noch ein Glaube an ihn fortleben soll. Jetzt will ich dich auf die Probe stellen, göttlicher Weißbart, jetzt hast du eine gute Stunde dich vor der Welt zu bewähren, den wankenden Glauben an dich neu zu stärken. Nein, meine Sache führe ich zum Siege, wie ich will! Blickt zum Zelt hinaus. Wie's durch meine Adern stürmt, wie es in mir wallt und siedet und glüht! »Zu ihr!« ruft jeder Nerv und jede Sehne, und jeder Blutstropfen kreist dreimal schneller! .... Alles liegt im Schlaf, nur ferne schreiten im Nebeldämmerglanz die Posten auf und nieder. Fort, fort, ich muß – hier sitzt's und wühlt und triebe mich von hinnen, selbst wenn ich mich mit tausend Krallen an diesen Boden klammerte. J müßte zu ihr, und stünde längs der Straße Feind an Feind und Jeder zielte mit vergifteten Speeren nach meinem Herzen. Längst bin ich zurück, bevor die Morgendämmerung graut! Die Nacht der Liebe und den Tag dem Kampfe, dir heute Rettung, Gerlind, und euch morgen Brot und Freiheit! Will ganz vorn links ab, aus der Coulisse tritt ihm entgegen.

BLINTE.

Ei, Meister, wohin noch in so später Stunde? Geht ihr spazieren? Die Luft ist schwül, es wird ein Gewitter geben.

MÜNZER
für sich.
Belauscht? Wenn er vernommen, wenn er weiß – ich bin verloren.
[96]
BLINTE.
Darf ich euch nicht begleiten, Meister?
MÜNZER.

Nein, du Elender sollst mir wahrhaftig meine Pläne nicht zerstören. Nimm den Lohn, Unthier, den deine Erbärmlichkeit schon längst verdiente – stirb! Ersticht ihn, Blinte fällt mit einem dumpfen Laut zu Boden. Gottlob, er ist todt, nun schnell an's Werk! Ab.

BLINTE
sich mühsam aufrichtend.

Ha! Noch nicht! Noch nicht so ganz! ... Noch ... blieb den Füßen Kraft genug, ... mich hinüber in's Lager des Landgrafen zu tragen ... und ihm zu sagen, ... daß du ... dein Heer ... verlassen .... Wankt ab. In dem Augenblicke zuckt fern am Firmament der erst Blitz auf. Schwacher Donner.


Vorhang fällt.

5. Akt

1. Szene
1. Scene.
Landgraf Philipp von Hessen. Graf Dietrich. Perlet Probst. Helldrungen. Ritter. Alle gewaffnet. Knappen mit Windlichtern.

LANDGRAF.

Das ist eine Nacht! Wahrhaftig, der glaubt man's, daß in ihr um die Herrschaft in Deutschland gestritten wird. Schwarz wie ein Kohlenschacht und nicht die Hand vor den Augen zu erkennen, Regengüsse, als bräche die Sintfluth herein, und ein donnerndes Brüllen, in dem sich die Stimmen des Himmels und der Karthaunen vermischen, daß man nicht zu unterscheiden vermag, wann der Herr spricht und wann der Mensch. Fast scheint's, als ob einer den andern überschreien wolle.

HELLDRUNGEN.

Es kann sich nur noch um wenige Viertelstunden handeln. Fast überaß ist der Widerstand gebrochen. Die Bauern fliehen allenthalben vor uns.

PROBST.

Ein panischer Schrecken ergriff die Aufrührer, als wir unvermuthet wie Gottes Rachegeister [98] in ihr Lager einbrachen, als sie schreckerfüllt vor's Zelt des Führers kürzten, ihn um Rettung flehen wollten, und im Nest des Adlers nur zurückgelassene Federn und einen Haufen Koth erblickten.

DIETRICH.

Was hab' ich euch denn gesagt, ihr Herren? Ein Feigling, ein Hallunke ist dieser Münzer, der allen Muth und alle Furchtbarkeit nur auf der Spitze seiner losen Zunge trägt. Wer hat nun Recht behalten.

PROBST.
Man hat sich des Verräthers doch entledigt. Ich möchte nicht, daß sein Zeugniß –
HELLDRUNGEN.
Unbesorgt – er spricht nicht mehr.
PROBST.

Also denn vorwärts, ihr Herren, es ist noch nicht Zeit zu plaudern, noch liegt schwere Arbeit vor uns, denn wir dürfen nicht eher ruhen, als bis der letzte Tropfen Bauernblut die Scholle des eigenen Ackers düngt. Vorwärts, ihr Herren, für Kaiser und Reich – –

LANDGRAF.
O Schreckensnacht göttlichen Zornes und menschlichen Hasses! Alle ab, rechts hinten.
2. Szene
2. Scene.
Münzer. Gerlind von links vorn zu Roß.

MÜNZER.

Halt! Halt! Hier halt! Steigt ab, hilft Gerlind vom Pferd. Sieh mich nicht an, Gerlind, ich bin nicht werth, daß mich dein reines Auge bestrahlt. Ihr Winde, heult mir meine Schande vor, ihr Donnerschläge, ihr brütenden Kanonen, schreit sie laut in die Welt, ihr Blitze, beleuchtet meinen Frevel, daß es töne von den Alpen bis ans baltische Meer: Münzer hat die Seinen verrathen, die ihm vertraut, Münzer hat die ins Unglück gestürzt, in den Tod, [99] die ihm treu gewesen und ihn zu ihrem Führer gemacht. Und doch – sieh' mich an, Gerlind, – war's nicht um dich, daß Alles so geschah, war es nicht um deine Liebe?

GERLIND.

Geliebter, noch ist nichts verloren, noch schwankt die Schlacht und die Entscheidung zieht sich in die Länge. Noch kann alles gerettet werden. Stürzen wir uns mit derselben Kraft hinein ins Gewühl, mit der wir die Falle sprengten, die sie uns daheim legen gewollt, und die zu meiner Befreiung führte. Sie werden neuen Muth fassen, wenn sie uns erblicken, wenn sie unsere Gegenwart erfahren, sie werden sich den Feinden von Neuem stellen. Du wirst sehen, der Sieg wird unser! An's Werk.

MÜNZER.

Du bist groß, dein Muth ist unerschütterlich! Ach, alle Ströme Bluts, die je seit Urzeiten um Recht und Freiheit geflossen, sie waschen die Schmach dieser Nacht nicht von mir ab. Doch du hast Recht, es giebt nur einen Weg. Bleib dort in jener Hütte, Gerlind, – und mir helfe Gott und mein gutes Schwert.

3. Szene
3. Scene.
Vorige. Hans. Von hinten links.

HANS.
Was ist das. Mein Auge, du lügst, ein andres Bild, schnell ein andres Bild –
MÜNZER.
Erkenn' ich recht beim fahlen Schein der zuckenden Blitze – Hans –
HANS.
Sie sind es Beide – mir starrt die Zunge –
MÜNZER.

Es ist nicht Zeit jetzt Mären zu künden. Ein unglückseliges Mißverständniß hielt mich fern. Soeben komme ich hier an. Seid ihr durch meine Unvorsichtigkeit in's Verderben gerathen, so will ich wenigstens [100] auch mit euch sterben. Schnell, sage mir, wie steht die Schlacht?

HANS.

Meister, die Verwirrung kannst du dir nicht vorstellen, als der Feind in's Lager hereinstürmte und Alles nach deinem Zelt sich drängte und der einzige verschwunden war, der um Schlachtplan und Aufstellung wußte. Wie eine Heerde irrender Lämmer drängte sich Alles in Verwirrung durcheinander. Wir in unserem Theile des Lagers merkten indeß nicht viel davon. Allein da war's gerade, daß ich Unglücklicher den Genossen von dem sprach, was nach dem Siege kommen sollte. Als ich von der Neuverteilung des Bodens sprach, da jubelten sie mir Alle zu, doch kaum, daß ich begonnen von der Krone zu reden, die wir dir auf's Haupt drücken wollten, so riefen sie: »Ach, da kommt's! Wir sehen schon, nichts als die alte Kirchenmelodie – die Textworte wechseln, aber Zeitmaaß und Weise bleiben. Nein, wenn wir nur den Herren tauschen sollen, warum dann nicht bei unsern alten Herren bleiben?« Und da stürzte gerade der Landgraf in's Lager und wie sie hörten, daß du von uns gegangen, da schrieen sie: »Hüte jeder seinen Hals!« und empfahlen sich der Gnade des Landgrafen. Und ich stand dabei und weinte feurige Thränen. Jetzt kämpfen sie wider unsere Brüder und sind die wildesten – ich aber durchirrte die dunkle, strömende Nacht und war entschlossen dich zu finden oder den Tod.

MÜNZER.

Nun denn, hier bin ich, ich Unglückseliger, ich Verräther – so nimm deine Büchse und schieße mir ein Loth Blei in's Herz. Brot werdet ihr nun nimmer erhalten, so nimm mein Blut –

HANS.

Das meine für dich! Könnt' ich je vergessen, was du für mich gethan? Rette dich, Meister, rette das Weib deines Herzens, bevor der Sturm der Feinde auch über diesen Platz fegt. Auch vor den Bauern wäret ihr nicht sicher, wenn sie euch träfen. [101] Kommt, ich will euch mit meiner Brust einen Weg bahnen durchs Gedränge der Schlacht –

MÜNZER.
Hans, du willst mich nicht verlassen, der ich doch euch verlassen –
HANS.

Du bleibst mein Herr und Meister auch draußen im Elend. Komm, zu gewinnen ist hier nichts mehr – rette deine Braut und laß mich für euch sterben.

MÜNZER.
Himmel, giebt es noch Treue in der Welt?

Eine Anzahl Bauern treten auf von rechts hinten.
HANS.
Ha, da kommen von den unsern. Diese sind treu, ich kenne sie.
MÜNZER.
Freunde, folgt ihr mir in die Schlacht?
BAUERN.
Münzer – er ist hier – er hat uns nicht verrathen –
HANS.
Alles war Lug und Trug –
BAUERN.
Heil Münzer, wir folgen dir, wohin es sei –!
MÜNZER.

Wohl, noch bin ich nicht der Aermste! Warum zagen, warum fliehen? Noch fühl' ich selber Muth und Kraft, mit tausend Landgrafen in die Schranke zu treten. So lange noch ein Einziger mir folgt, glaube ich nicht an den Untergang meiner Sache. Folgt mir, im Kampfe gilt allein der Mann, und daß wir Männer sind, wollen wir ihnen beweisen! Ist euer Pulver naß, so schlagt mit Kolben drein; werft nieder, stecht; nur habt kein Erbarmen, denn sie werden auch keines kennen, wenn sie das Glück zu Siegern macht. Laßt seh'n, ob eine Hand voll tapferer Männer nicht einer Schlacht eine neue Wendung geben kann, ob nicht der Feige Muth verliert, wenn er uns kämpfen sieht. Auf, Bauern, es gilt euern Hals, es gilt das Leben eurer Weiber und Kinder, es gilt euer Brot für die Zeit eures Lebens – vorwärts in die Schlacht!

BAUERN
begeistert.
In die Schlacht!
[102]
MÜNZER.

Leb' wohl, Gerlind! Bleib' dort in jener Hütte! Eine Krone hab' ich in die empörte Brandung geworfen; ich tauche hinein, ich bringe sie zurück, oder du siehst mich niemals wieder. Folgt mir, und seid gewiß: fallt ihr, so öffnet sich euch im Augenblick des Todes die Pforte des Paradieses. Doch ich will vor euch hergehen und mit meinen Armen ihre Kugeln auffangen wie Federbälle, denn in mir ist Gott! Fort in den Kampf und unsere Losung heißt: Sieg oder Tod!

BAUERN.
Sieg oder Tod! Ab mit Münzer.
GERLIND
allein.

Und du glaubst, daß ich allein unthätig in elender Hütte auf dem Stroh lagern werde, indeß hier um die Zukunft gekartet wird? Thäte ich's, wie wenig wäre ich deiner werth! Feuer strömt durch meine Adern, als hätt' ich berauschenden Wein getrunken. Sturm, singe mir mein Brautlied, Geschütze, Donner, ruft den Takt dazu! Glaubt nicht, daß ich schwächer sei als ihr Männer, auch ich kann eine Waffe führen. Nicht du, weiche, milde Gottesmutter, die du dein Kind säugst und für die Gefallenen bittest – du steh' mir jetzt bei, Göttin des alten Heldenvolks, welche du die Menschen die Spindel drehen lehrtest und den Oelbaum pflanzen, doch wo es deinen Himmel zu vertheid'gen galt, auch kraftvoll den Speer und den ehernen Schild schwangst wider die Ungeheuer und Giganten! Ergreift eine auf dem Boden liegende Büchse, dann ab über die Felsen. Nach einer Pause.

4. Szene
4. Scene.
Landgraf. Dietrich. Helldrungen. Probst von hinten rechts.

LANDGRAF.
Es ist nicht möglich, sage ich, es ist nicht möglich.
HELLDRUNGEN.

Und dennoch ist es, Herr Landgraf; [103] die vorübereilenden Soldaten riefen es einander zu: Münzer ist wieder da! Man hat ihn ganz deutlich erkannt.

PROBST.

Die Nachricht muß sich unter den Bauern mit Blitzesschnelle verbreitet haben, denn an einigen Stellen, an denen ihre Reihen schon wankten, festigten sie sich plötzlich wieder und drangen vor. Die Bauern haben, scheint es, auf die bloße Kunde von seiner Anwesenheit wieder Muth gefaßt.

LANDGRAF.

So müssen wir ihn selbst aufsuchen und ihn bekämpfen. Aller Erfolg wäre in Frage gestellt, wenn wir ihn nicht bald bekommen. Die Bauern glauben an ihn und ließen sich für ihn tödten. Entkäme er, so wäre selbst ein Sieg umsonst erfochten, denn sein unruhiger Geist wird Flugbrände entzünden, wo er hingeräth. Auf, und unsere Losung sei: keine Schonung!

DIETRICH.
Die soll er nicht erhoffen.
EINIGE LANDSKNECHTE
fliehen über die Bühne.
Der Münzer! Der Münzer! Der Teufel ficht für ihn!
LANDGRAF.
Da habt ihr's. – Canaillen, wollt ihr stehen! Alle ab, hinten links.
5. Szene
5. Scene.
Nach einer Pause.

PFEIFER
tritt auf von hinten rechts.

Verloren, vernichtet, es ist kein Zweifel mehr Alles umsonst, wofür wir gerungen, gekämpft und gelitten. Wieder haben Tausende geblutet für den Schatten eines Schattens! Die Arbeit eines Menschenalters verloren in einer Stunde, da Alles so herrlich stand – durch den Frevelmuth, den Verrath eines geilen Wortbrüchigen, den sein lüsterner Sinn von der Fahne forttrieb, die [104] er selbst aufgepflanzt. Höre mich, du da oben, wenn du vor Alter nicht taub geworden bist, – ist dies Alles nur ein schlechter Scherz, oder gemacht, das Menschenvieh von deiner eignen Ohnmacht zu überzeugen, in die Geschicke der Völker einzugreifen? Er soll hier sein. Ich glaub' es nicht, aber wenn der Zufall ihn mir in den Weg führte – wie wollt' ich euch rächen an ihm, ihr Unglücklichen, die ihr um seiner Buhlerei willen gefallen –

GERLIND
außer sich, von rechts über die Felsen.

Verloren, rufen sie, verloren, rette sich wer kann, und werfen die Waffen von sich und entlaufen, die Feig linge. So war alles umsonst. Aber er – ich muß ihn finden –

PFEIFER.
Eine Stimme, wer hier?
GERLIND.
Wer du auch sei'st – sprich – hast du ihn gesehen?
PFEIFER.
Wen?
GERLIND.

Du fragst! Ihn, den Einzigen, ihn, dessen Namen noch heut Taufende mit Jauchzen und Entzücken nennen, der ein König bleibt selbst in ehernen Ketten –

PFEIFER.
Münzer –
GERLIND.
Meinen Gatten!
PFEIFER
rasend.

Seine Dirne, sie ist es, um derenwillen uns all dies Leid getroffen! Also du – du – rollender Donner, verzeih', daß ich meine Hände aufhebe gegen ein Weib – aber diese ist ausgeschlossen allein von dem Vorrecht ihres ganzen Geschlechts –tausendfache Mörderin, Teufelin, Hure – stirb! Zieht seinen Dolch, ersticht sie.

GERLIND
fällt.
Thomas – Stirbt.
PFEIFER.

Bauer, konnt' ich dich schon nicht retten, bist du doch gerächt! – Jetzt nehmt mich auf in euren Schooß, Wogen des Kampfes – ihr Dolche alle, die ihr heut geschwungen, ihr Büchsen alle, die [105] ihr heut geladen, zielt hierher, hier ist ein Herz das sich zu brechen sehnt! Stürzt ab, rechts hinten.

MÜNZER
wankt verwundet herein, von oben rechts.

Es ist zu Ende. Der letzte Versuch, ihre Reihen zu sprengen mißlang Sie fielen alle, fielen als Helden. Wer kann wider die Uebermacht. Mich Unglückseligen hat allein das Schicksal aufgespart, den Fall der Genossen zu überleben. Mein eignes Werk habe ich selbst zerstört, weh mir!

HANS
tritt auf.

Wüßte ich nur, wo ich mich befinde, aber man sieht ja kaum die Hand vor den Augen und alles ist eine Blutlache. Die Todten liegen umher, wie die Aepfelblüthen im Mai.

MÜNZER.
Da spricht Jemand.
HANS.
Meister, seid ihr es?
MÜNZER.
Hans, wo bist du? Da? O sieh ich bin verwundet – Hans, ich glaube, ich sterbe! Bah, was liegt daran.
HANS.

Um Gottes Willen, Meister, steigt auf meinen Rücken, ich bin noch heil, ich trage euch aus der Schlacht –

MÜNZER.

Nein, nein – Du vergissest, daß ich nicht allein bin – daß noch ein Wesen ihr alles auf mich gestellt – erst muß ich wissen, wo Gerlind ist, – wir wollen sie suchen.

HANS.

Ja, aber ihr könnt unmöglich so weiter fort. Ihr müßt erst einen Augenblick ruhen – erlaubt!Reißt seinen Hemdkragen ab und verbindet Münzer. Mir scheint, da ist eine Hütte –

MÜNZER.
Ich glaube, 's ist dieselbe, in der ich Gerlind zu bleiben befahl –
HANS.

Vielleicht, wer will das jetzt Teufelsnacht er kennen. Ueberzeugt euch, geht hinein, ruht einen Augenblick – hier, nehmt eine Decke, Zieht seine Jacke aus. so wie ihr ein wenig gekräftigt seid, [106] suchen wir euer Gemahl – seid unbesorgt, ich halte Wacht.

MÜNZER.

Ja, du hast Recht. Will gehen; bricht aber zusammen. Hans, führe mich – ich kann nicht gehen – wie schäme ich mich – Hans –

HANS.
Meister, ihr seid ernstlich verwundet –
MÜNZER.

Nicht die Wunde ist, was mich niederwirft, nur das Bewußtsein, durch meine Frevel all den Jammer heraufbeschworen zu haben! Rettung wollte ich ihnen bringen, und Tod und verdoppelte Knechtschaft habe ich ihnen bereitet. Ab in die Hütte.

HANS
vor der Hütte auf und abgehend.
Bah, was, das ist Alles nichts, singen wir uns eins! Singt.
Die bleichen Sterne funkeln
Hernieder durch die Nacht –
Es ist zwar pechfinster, doch was thut's? So steht's einmal im Liede.
6. Szene
6. Scene.
Hans. Landgraf. Dietrich. Helldrungen. Probst. Morgengrauen.

HELLDRUNGEN.

Beim Satan, wer singt hier? Was, ein Bauernbube? Heulen sollst du und mit den Zähnen klappern. Wer ist in der Hütte?

HANS.

Ein armes Bauernweib, Herr, das krank und siech auf dem Stroh liegt. Erschreckt sie nicht, lieber Herr, ich bitte euch, ziehet weiter, der Lärm ist ihr Tod!

DIETRICH.
Kommt, kommt, Helldrungen, wir müssen den Münzer fangen.
HELLDRUNGEN.

Gemach, wir wollen uns diesem Bauernweib doch erst einmal genauer betrachten. Der Bursche scheint mir doch das Lügen schlecht gelebt zu haben. Platz da!

[107]
HANS.
Ich beschwöre euch –
HELLDRUNGEN.
Nichts. Ist's eine Kranke, so soll ihr nichts geschehen! Platz!
HANS.
Ihr kommt hier nicht hinein, Ritter.
HELLDRUNGEN.
Ach, steht es so? Willst du mich hindern?
HANS.
Ja!
HELLDRUNGEN.
Alberner Bube, nimm eines hinter die Ohren! Erschlägt ihn, stürmt hinein.
DIETRICH
eilt ihm nach bis zur Thür.

Helldrungen, ist es Münzer, so überlaßt ihn mir, ich will den Buben an beiden Löffeln meinen Jagdhunden zum Spielen vorwerfen!

PROBST.
Einerlei, ob er es ist, ob nicht, der Sieg ist unser, den kann uns kein Teufel mehr entreißen.
DIETRICH.

Man meldet mir soeben, daß man einen der Haupträdelsführer, Heinz Pfeifer, nach heftiger Gegenwehr gefangen habe.

PROBST.

Schließt ihn in Eisen und führt ihn nach Mühlhausen. Dort wartet der Henker schon und schleift seine Beile. Das wird keine kleine Heumahd! Für jedes Haus, so das aufrührerische Volk in deutschen Landen angezündet, ein Dutzend Bauerndörfer! Der Preis ist wahrhaftig nicht zu hoch!

DIETRICH.

Nur schade um die kostbare Zeit! Erfände nur noch Einer 'mal eine Maschine, zwölf Köpfe mit einem Male herunterzuschlagen, das wäre doch noch etwas!

LANDGRAF.

Nicht so grausam, ihr Herren! Bedenkt, Niemand hat heftiger gegen sie angekämpft denn ich. Doch es waren arme Verführte, die Wenigsten wußten wohl gar, um was es sich gehandelt. Sorgt, ihr Herren, daß nicht in Zukunft Einer sagen müsse, der in den Urkunden unserer Tage forscht: Hätten die Bauern gesiegt, es wäre schlimm geworden – [108] doch die Herren siegten, und es ward schlimmer. Die letzten Donner sind verhallt und rein und hell steigt der junge Tag empor – o laßt auch ihr, was hinter uns liegt, abgethan sein wie die Wetterschrecken dieser Nacht. So ist auch die Meinung des Mannes, dessen begeisternde Worte allein dieses Heer zusammengebracht haben, Luthers, meines Freundes, des wahren Siegers von Frankenhausen.

DIETRICH.

Je nun, wir werden sehen, wie weit in einzelnen Fällen Gnade Platz greifen kann. Die Macht und das Recht sind unser. Doch wo bleibt Helldrungen – das ist ja – horch, war das nicht Lärm da drinnen –

MÜNZER
bleich, aus vielen Wunden blutend herausstürzend, hinter ihm Helldrungen.
HELLDRUNGEN.

Ergieb dich, Hund, ergieb dich, an den Galgen sollst du, ein ehrlicher Soldatentod wäre viel zu gut für dich!

ALLE
in Bewegung.
Münzer.
DIETRICH.
Schlagt ihn nieder, reißt ihm jedes Glied einzeln vom Körper –
MÜNZER
mit schwacher Stimme.

Laßt mich, ihr Alle, laßt mich, ob ich auch aus hundert Wunden blute, mich bekommt ihr nicht! Und öffnete sich jede meiner Adern und stromweis entflöhe mir das rothe Leben: sie muß ich finden ... nur bei ihr kann ich sterben ... weicht Alle, noch hab' ich Kraft! Hebt das Schwert.

DIETRICH.
Hund, du wagst noch zu schmähen –
MÜNZER
steht vor der Leiche Gerlinds.

Ah ... ist das ein Narrenspiel. Nein ... nein, das ist Wirklichkeit ... das ist der Tod, der kalte, bleiche Tod ... Gerlind ... Das Schwert entfällt seiner Hand, er stürzt an Gerlind's Leiche nieder.

DIETRICH.
Meine Tochter? Tritt hinzu, erschüttert. Heiland der Welt!
[109]
MÜNZER.

Ja, das ist deine Hand ... das sind deine lieben Lippen, die ich so oft geküßt ... wie blaß, wie blaß! Geschlossen, gebrochen das Aug', deß sonnenhafte Strahlen so kühn in meine Seele geblitzt ... todt ... todt ... mein Engel, mein Dämon von mir geschieden ... jetzt bin ich nur noch ein schwacher, erbärmlicher Mensch wie Tausende ...

DIETRICH.

Gerlind ... mein Kind ... warum bist du mir entflohen ... Gerlind, kommst du nicht mehr zurück? ... Jetzt fühle ich, was es heißt, Vater sein ... Und er hat sie mir gemordet, er ... Er greift nach seinem Schwert. Helldrungen, gieb' ihm sein Theil ich kann's nicht ... Helldrungen, räche sie an ihm, der sie hierher gebracht hat ... du hast sie auch geliebt –

HELLDRUNGEN.
Fürwahr, an dieser Leiche verstehe ich Alles. Was sind wir Menschen!

Probst hat zwei Landsknechten Befehl gegeben, sich Münzer zu nähern; sie fesseln ihn.
MÜNZER.

Nehmt mich, macht mit mir, was ihr wollt – schleppt mich auf's Blutgerüst ... Die Meinen hab' ich verrathen, der Fluch meines Volkes hastet unauslöschlich an mir, die Einzige hab' ich in den Tod getrieben, die mir Alles ersetzen konnte – was ist mir noch das Leben – Landsknechte haben Haufen gefangener Bauern auf die Bühne gebracht. Doch für diese da bitt' ich um Erbarmen ... sie sind unschuldig ... sie sind nur meine Werkzeuge gewesen ... ich bin ihr Verführer ... versprecht mir, sie milde zu behandeln.


Die Ritter schweigen.
RODER
gefangen.

Natürlich! das ist ja der alte Lauf der Welt! Der gemeine Mann zahlt die Kosten, sein Blut ist der Preis für die Liebschaften seines Herrn: er ist am Schluß immer der Betrogene, und Tyrannen oder Volksbefreier, die einen sind gleich Schurken wie die andern. Du, du hast uns Alle in's Unglück gestürzt ... pfui ... Er speit nach ihm.

[110]
MÜNZER.

Schweigt, Undankbare! Ich hätt' euch Alles geopfert, hätte nur eure Liebe mir Alles ersetzt! Doch was hattet ihr für mich als Ungehorsam, Widerstand und Undank? Wer rechnet es mir zum Verbrechen an, daß ich ein Mensch war, daß heißes Blut in meinen Adern brausend geflossen, indeß durch die euren sich rothgefärbtes Wasser mühsam durchgequält? Euch Fürsten, Herren und Bürger, die ihr jetzt die Zügel widerstandslos in Händen habt, euch fleh' ich an, überhebt euch eures Sieges nicht! Bedenkt, es sind nicht Neger, Deutsche sind es, über die ihr herrscht, mit denen ihr lebt! Bereitet ihnen ein menschenwürdiges Loos, laßt sie die Früchte ihrer sauren Arbeit selbst genießen, begnügt euch mit dem, was euch gebührt und sorgt als Väter für die, die bisher in eurer Frohn statt Reichthum Siechthum erwarben ...

DIETRICH.

Halt dein Schandmaul und untersteh' dich nicht uns gute Lehren geben zu wollen, sonst soll dieser Kolben –

LANDGRAF.

Nicht weiter, Graf Dietrich, habt Ehrfurcht vor dem Unglück. Dieser fiel, sein Frevelwerk mußte vergehen, weil es auf Mordend Brand gerichtet war, und alle, die ihm folgen, werden scheitern, weil Volksbeglücker Engel sein müßten, und doch nur schwache sündige Menschen sind wie wir Alle. Die Welt, ihr Herren, urtheilt nach dem Ausgang. Münzer endet aus dem Block – und die Nachwelt wird seinen Namen zu den Empörern und Verräthern werfen und uns als die Erretter unseres Volkes preisen. Hätte Gottes Fügung ihm den Sieg gegeben, wer weiß, in welchen Höllenabgrund sie euch und mich verbannte – jenen aber stellte sie neben die erlauchtesten Haupter aller Zeiten. Ihr lieben Herren, laßt uns das ja bedenken! –


Vorhang fällt.

Ende.

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TextGrid Repository (2011). Alberti, Konrad. Dramen. Brot!. Brot!. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0001-D81F-8