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Vertrauliche Mittheilungen
an Herrn St. R. Sch. in Berlin
die vom Herrn Raabe einge-
sendten Gemälde betreffend

[26r]

1. Die beyden mit Aquarell und einigen
Deckfarben ausgemalten Entwürfe
nach Gemalden des P. v. Cortona
im Pall: Pitti zu Florenz sind eigent-
lich nicht zu tadeln[;] klein mit vieler
Fertigkeit ausgeführt machen1 fallen
sie noch im[m]er gut in's Auge[,] sind
aber überhaupt zu grau es ist
zu wenig auf die eigenthümliche
Nuancirung der Farben geachtet
im ganzen des Colorits herrscht
wohl ein ärmerer Ton indeßen
sind sie aber erste Versuche des Kunst-
lers in einer ihm nicht geläufigen
Art und Eigenschaft der Kunst immer
noch befri2 gut genug, ja loblich.

II. Die Copie nach der Aldobrandinischen
Hochzeit hingegen ist dem guten
Raabe sehr mißlungen. Freylich kan
man zu seiner Entschuldigung sagen,
Geist und Art der alten Kunst sey ihm
noch fremde, aber da [es] um Colorit
Behandlung und Farbenharmonie zu
thun war weßwe3 deren wegen er
eine Copie des Denkmals verfertigen
sollte so war billig ein ernstes
Aufmerken darauf zu erwarten
Das Gute4 in dem Werk enthaltene
Gute und Schöne der Bewunderung die5
[26v]Bewunderns und nachahmenswürdige
Kunst scheint ihm verborgen geblieben
zu seyn[;] er hat die hellen reinen
Farben trüber gehalten die Schatten
dunkler Übergänge und Absatze
grell und schneidend gemacht p

Dem ungeachtet mochte ich Rathen
ihn ferner gewähren zu laßen[;]
er wird sich beßer mit der Kunst
und Geschmack des Alterthums be-
freünden, welche ihn gegenwärtig
noch übermannen. Die Kunst be-
darf eines Anstoßes von dieser
Seite und wenn Hr Raabe auch
nicht alles erwünschbare leistet
oder zu leisten vermag so wird
er seine sein6 Bemühen andere an-
regen vielleicht Beßeres zu stande
zu bringen -

machen]
befri]
weßwe]
Gute]
der Bewunderung die]
er seine sein]
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TextGrid Repository (2022). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. [vor] 12. August 1820. J. H. Meyer, Mitteilungen an C. L. F. Schultz (Konzept). Z_1820-08-12_k.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.11113/0000-000F-3A1B-3