Johanna von Weißenthurn
Welcher ist der Bräutigam?
Ein Lustspiel in 4 Aufzügen

[222]

Personen

Personen.

    • Bilau, ein reicher Wechsler.

    • Ferdinand, sein Sohn.

    • Grundmann, Handlungs-Commis.

    • Räthin Elmen.

    • Julie,
    • Rosalie, , ihre Töchter.

    • Langard.

    • Ein Bedienter der Räthin.

    • Käthe, ein Bauermädchen.

    • Ein Bauer.
    • [222]

1. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt
Bilau. Grundmann.

BILAU
unter der Seitenthüre, ruft heraus.

Gleich, gleich – Spricht hinein. Die Post expedirt, die bewußten Briefe nach Hamburg, noch einen nach Frankfurt, dann ist alles in Ordnung. Kommt heraus. Nun Freundchen, wie steht es?

GRUNDMANN.
Vortrefflich.
BILAU.
Mein Auftrag?
GRUNDMANN.
Auf das pünktlichste vollzogen.
[223]
BILAU
klopft ihm auf die Schulter.
Dafür kenn' ich Sie. Aber jetzt lassen Sie mich hören, wie Sie alles eingeleitet.
GRUNDMANN
fängt erzählend an.
Als ich –
BILAU.
Halt – Ruft in das Seitenzimmer. Das Geschäft mit den acht Fässern Zucker wird abgeschlossen.
GRUNDMANN.
Wir haben noch Ueberschuß im Magazin.
BILAU
kommt vor.

Wird sich vergreifen, die Menschen versüssen sich das Leben gerne. Wie die Zeiten bittrer werden, wirft man ein Stück Zucker mehr in den Kaffee.

GRUNDMANN
lacht.
Ja wenn Sie so –
BILAU.
Zur Sache. – Das Mädchen –
GRUNDMANN.
Wird erscheinen.
BILAU.
Als Braut?
GRUNDMANN.
Als Dero Braut.
BILAU.
Aber der Vater weiß doch?
GRUNDMANN.
Daß alles nur Scherz ist? Weiß er, ehrenwerther Herr Prinzipal.
BILAU.
Daß ich in meinen alten Tagen an keine Heirath mehr denke –
[224]
GRUNDMANN.

Diese List nur gleichsam als Hebel gebrauchen, den Herrn Sohn in den Ehestand zu spediren – weiß er, weiß er.

BILAU.
Wie benahm sich der Bauern?
GRUNDMANN.

Wie ein kluger Mann. – O die heutigen Bauern sind nicht mehr die von vor hundert Jahren. – Seitdem sie die Hühner und Gänse selber essen, den jungen Wein verkaufen, und den alten trinken, seitdem haben sie Rathsherrn-Verstand.

BILAU.
Er ist also zufrieden –
GRUNDMANN.

Daß seine Tochter als Dero Braut figurire, um den Herrn Sohn zur baldigen Vermählung zu bewegen, nach erlangtem Ziele aber mit 1000 Fl. Heirathsgut ihrem Vater als ehrbare Jungfrau zu anderweitiger Verfügung wieder zugestellt werde – so ist der Akkord.

BILAU.
Aber das Mädchen glaubt –
GRUNDMANN.
Eine reiche, vornehme Frau zu werden? – Muß es glauben, muß. Ihre Einfalt würde alles verrathen.
BILAU
lacht, deutet auf die Stirne.
Ist sie recht –
GRUNDMANN
einfallend.

Dumm? Ja, das weiß mein Gott, dumm ist die [225] liebe Seele, ein pures Kind der Wiesen und Felder, sie steht, gleichnißweise zu reden, alle Augenblicke am Berge.

BILAU.

Desto besser. Mein Sohn hat Ehrgeiz, die Furcht eine solche Stiefmutter zu bekommen, muß das meiste bei der Sache thun. – Seit dem Tode seiner Mutter dring' ich unaufhörlich in ihn, sich eine Frau zu nehmen, umsonst; er ist bis zum Rasendwerden in ein Mädchen verliebt, das ihm die Mutter nicht giebt, bis ihre älteste Tochter einen Mann hat.

GRUNDMANN.
Und das Fräulein sind schon heran gewachsenen Leibes, und reifen Verstandes, bis die einen bekömmt –
BILAU.

Kann bei diesen männerarmen Zeiten länger hergehen, als ich Lust habe, auf eine Schwiegertochter zu warten. Die acht Tage Bedenkzeit, die letzte Frist die ich meinem Sohne gab, sind heut verstrichen. Heute muß ich wissen, woran ich bin, und im Vertrauen, Etwas leise. nebst der Angst, die ich ihm mit meinem Bauermädchen einjage, habe ich noch etwas im Sinn – einen Haupt-Coup

GRUNDMANN.
Der wäre?
BILAU.
Eine Ambassade an die Mutter, Sie müssen der Räthin vorstellen –
GRUNDMANN.
Herr Bilau, wo denken Sie hin – ich schlichter, einfältiger Mann –
[226]
BILAU.

Sie kluger, vorsichtiger Mann; Sie wissen Ihre Rede zu stellen, setzen alles klar und verständlich auseinander. Da kommen denn die Weiber eben so klar und verständlich ins Antworten, eins giebt das andere, und der Handschlag ist da. – Sie Freundchen, Sie, und kein anderer ist der Mann.

GRUNDMANN.

Nun, wenn Sie meinen, daß ich dem Anmuthen gewachsen bin. – Muß mich aber doch erst darauf vorbereiten; es ist doch nicht gradezu der Gang nach der Börse, es ist ein ganz besonderes Risco.

BILAU.

Was Risico – alle sollen gewinnen, kein Mensch soll dabei verlieren. – Grundmann, wenn Sie es dahin bringen, daß sie meinem Sohn das Mädchen giebt, gleich jetzt, ohne weitern Aufschub giebt; Sie haben mich durch manchen Gang zum reichen Mann gemacht, aber durch diesen machen Sie mich zum glücklichsten – und Sie wissen wohl, ich schiebe meine Freude nicht in die Tasche, behalte sie nicht allein, ich theile mit. Grundmann, hier Hand und Wort darauf, es soll Ihr Schade nicht sein.

GRUNDMANN.

Was Schade – doppelter Gewinn. – Bei jedem Geschäfte, das ich zu Ihrer Zufriedenheit beendigt hatte, war Ihr Händedruck, Ihr freundliches Auge mein liebster, bester Lohn Wir gehören nicht zu den jetzigen Mäcklern, sondern zu dem biedern Schlag alter Handelsleute, bei denen diese Münze auch etwas gilt, und wer die gelten läßt, und ihren Werth erkennt, kann nie banquerot werden.

[227]
BILAU.

Recht so, mein redlicher Freund. – Also, der Krieg gegen meinen Sohn ist erklärt, über unsern Operazionsplan sind wir einig, jetzt hole ich den Feind. Will gehen, bleibt wieder stehen. Hören Sie, so ernsthaft ich es auch vorbringen werde, daß ich damit umgehe, selbst noch eine Frau zu nehmen, geben Sie Acht, er glaubt es nicht, er lacht mir ins Gesicht. Dann lasse ich Sie mit ihm allein, Sie bearbeiten ihn, erzählen ihm von meiner ländlichen Braut – ja – wenn er nicht nachgiebt, ich treibe es bis zum Kirchengang – dann haben wir ihn, dann ruft er: halt! ich gehe diesen Weg. Rasch werf ich meinen Hochzeitsstrauß in die Ecke, schiebe meine Braut zur Thüre hinaus, falle ihm um den Hals, segne ihn, bin der glücklichste Vater, und übers Jahr, wer weiß, Großvater. Auf einmal ernst. Aber jetzt ernsthaft. Ruft ins Seitenzimmer. Ferdinand, auf ein Wort. Lacht zu Grundmann. Der wird Augen machen. – Wieder ernst. Wo bleibst du?

FERDINAND
im Seitenzimmer.
Ich unterschreibe nur.
BILAU
kommt vor.

Ach – wäre es der Ehekontrakt. Aber für jeden Vogel ist eine Beere gewachsen, wir fangen ihn, wir haben ihn –

2. Auftritt
Zweiter Auftritt
Ferdinand, die Vorigen.

FERDINAND.
Was befehlen Sie mein Vater?
[228]
BILAU
ernst nach einer Pause.
Ferdinand, die acht Tage sind verstrichen.
FERDINAND
wendet sich weg.
Ach –
BILAU.

Hast Du mit der Räthin Elmen in Betreff meines Wunsches, Dir jetzt ihre Tochter zu geben, gesprochen?

FERDINAND.
Ja –
BILAU.
Und ihre Antwort?
FERDINAND.
Blieb dieselbe.
BILAU.
Keine Hoffnung?
FERDINAND.
Ich habe keine.
BILAU.
Und ich keine Geduld. Geht herum.
FERDINAND.
Vater – Sie kennen mich – Sie wissen, wie heiß, wie zärtlich ich liebe.
BILAU.

Du sollst nicht lieben, Du sollst heirathen. Die Liebe ist ein Schuldenmacher, der viel verspricht und wenig hält; die Ehe ist ein solider Mann, auf den man in Geschäften rechnen kann.

FERDINAND.
Wie sich für Julien ein Mann findet –
BILAU.
So bekömmst Du Rosalien.
[229]
FERDINAND.
Es ist nicht der Mutter Eigensinn –
BILAU.

Weiß, weiß – es ist das Testament ihres Vaters; das Liedchen hast Du mir schon oft gesungen. Die Räthin mußte ihrem sterbenden Manne versprechen, die jüngste Tochter nicht vor der ältern zu vermählen, die sein Augapfel war – nun antworte – ist ein Freier da?

FERDINAND.
Nein –
BILAU.
Wird einer kommen?
FERDINAND.
Das weiß –
BILAU.

Das weißt Du nicht, ich nicht, und ich glaube das Mädchen weiß es selbst nicht – wie? Ich zähle mein Leben nur nach Tagen, und Du schiebst die Erfüllung meines liebsten Wunsches Jahre hinaus? Hat unser Erden-Paradi s nur eine Eva? Strahlen nicht aus jedem Busche schwarze Augen, blonde Locken, weisse Hände? – Suche aus! Reich oder arm, nah oder fern, habe ich sie erst in meinen Armen, wird sie in Herz und Haus bald heimisch sein.

FERDINAND
entschlossen.
Ich kann Rosalie nicht verlassen –
BILAU.

Nicht? – Wohlan denn – ich will nicht länger ohne Hausfreuden leben; bekomm' ich keine Schwiegertochter, bekommst du eine Stiefmutter, jetzt wähle.

[230]
FERDINAND
erschrickt.
Vater!
GRUNDMANN
leise zu Bilau.
Er ist betroffen.
FERDINAND.
Habe ich recht gehört?
GRUNDMANN
wie oben.
Es wirkt, es wirkt –
FERDINAND.
Sie könnten – sie wollten –
BILAU
wendet sich zu ihm.

Selbst eine Frau nehmen! Was hat sich da zu wundern? glaubst Du, mein Alter stünde mir im Wege? – Der Ehemanns- Artikel ist eine seltene Waare geworden, wurde seit zwanzig Jahren anderweitig verbraucht, und ist beinahe ganz vergriffen. Gieb Acht wie geschwinde ich zu einer Frau komme – kaum wird es in der Stadt laut, der alte Bilau will wieder heirathen, so geht es um mich zu, als ob ich frisch aus dem Ofen käme. Kein übler Mann, sagt die eine, wenn er den großen Sohn nicht hätte, sagt die andere, mir wär er lieber als der Sohn, sagt die dritte; ich heirathe ihn gleich sagt die vierte – die, die nehm ich beim Wort, und habe eine Frau.

FERDINAND.
Vater!
BILAU.
Herr Sohn!
FERDINAND.
Es gilt mein Glück, mein Leben.
[231]
BILAU.
Und meines, wer giebt nach?
FERDINAND.
Ich bitte, ich beschwöre Sie.
BILAU
geht herum.
Bin taub, taub auf beiden Ohren.
FERDINAND.
Ich werde verzweifeln –
BILAU.
Ich werde heirathen. –
FERDINAND.
Nur Aufschub –
BILAU.
Nichts da! –
FERDINAND.
Vielleicht daß die Räthin –
BILAU.

Ich baue auf keine Vielleicht, hier ist mein letztes Wort. Morgen ist mein Geburtstag, es sind Gäste geladen, die halbe Stadt – ich feiere an diesem Tage Deine Hochzeit, oder meine.

FERDINAND
will reden.
BILAU
läßt ihn nicht zu Worte kommen.

Still, still, ich will keine Einwendung hören. Die leeren Zimmer sind mir zuwider, das große Haus ist mir zu öde, es muß mit einem weiblichen Wesen wieder Leben und Freude einziehen. Ich will mein vieles Geld und meine wenigen Jahre genießen, giebst Du mir keine Tochter, bekömmst Du eine Mut ter, und damit Punktum. Kehrt ihm den Rücken, und sagt leise zu Grundmann. Ich denke- ich habe es so [232] recht gut gemacht, er glaubts, ja, ja, er glaubts. Jetzt ist's an Ihnen Freund, das Eisen glüht, frisch zu. Ab.

3. Auftritt
Dritter Auftritt
Grundmann, Ferdinand

GRUNDMANN
nach einer Pause.
So habe ich Herrn Bilau lange nicht gesehn.
FERDINAND.
So hart –
GRUNDMANN.
So felsenfest –
FERDINAND.
Unerbittlich. –
GRUNDMANN.
Unerweichlich –
FERDINAND.
Zu dem Aeußersten –
GRUNDMANN.
Entschlossen.
FERDINAND.
Wie? Sie glauben, er könnte –
GRUNDMANN.
Das Geschäft eingehen, selbst noch eine Frau zu nehmen? Bin es überzeugt.
FERDINAND.
Drohung, leere Drohung.
GRUNDMANN.
Halte es für volle Gewißheit.
[233]
FERDINAND.
Die Heirath wäre –
GRUNDMANN.
Abgeschlossen.
FERDINAND.
Nimmermehr – nimmermehr.
GRUNDMANN.
Steht zu erleben.
FERDINAND
schreit.
Grundmann!
GRUNDMANN.
Belieben?
FERDINAND.
Kommen Sie her, sehen Sie mich an – grade heraus, was halten Sie von der Sache?
GRUNDMANN.
Lieber Herr Bilau –
FERDINAND.
Weichen Sie mir nicht aus.
GRUNDMANN
sieht ihn an, seufzt.
Ach – Sie sind zu bedauern.
FERDINAND.
Um Gotteswillen!
GRUNDMANN
leise.

Ich könnte – ich weiß. Schlägt sich auf den Mund. Pfui, du alte Plaudertasche, kannst nicht schweigen?

FERDINAND
dringend.
Sie sollen reden, alles sagen, was Sie wissen.
GRUNDMANN.
O, ich weiß –
[234]
FERDINAND.
Was?
GRUNDMANN.
Nichts Herr Bilau, nichts Will gehn.
FERDINAND.
Hat mich denn alles verlassen! – Keinen Vater, keinen Freund!
GRUNDMANN
schleicht sich auf den Zehen näher.
So hören Sie denn – es ist im Werk –
FERDINAND.
Was ist im Werk?
GRUNDMANN.
Ich habe abgerathen – aber er will –
FERDINAND.
Was will er?
GRUNDMANN.
Sie alteriren sich –
FERDINAND.
Nein, nein. Hält mit Mühe an sich.
GRUNDMANN.
Sie sind zu heftig.
FERDINAND
zwingt sich.
Ruhig – sehen Sie, ganz ruhig. Er ballt das Tuch zusammen.
GRUNDMANN
leise.
Sie kommt noch heute an.
FERDINAND.
Wer?
GRUNDMANN
wie oben.
Die Braut.
[235]
FERDINAND
schreit.
Die Braut?
GRUNDMANN
hält ihm den Mund zu.
Stille, stille –
FERDINAND
zwingt sich ruhig zu scheinen.
Nur weiter, weiter; ich kann alles hören – Sie sehen ja, ich bin ruhig, bin auf alles gefaßt.
GRUNDMANN.
Auf alles? Das ist gut, denn es kömmt ärger, immer ärger.
FERDINAND
aengstlich.
Grundmann –
GRUNDMANN.
Es ist eine sonderbare Grille.
FERDINAND.
Welche?
GRUNDMANN.
Daß er – es ist unglaublich –
FERDINAND
wieder heftiger.
Was?
GRUNDMANN.
Das er ein armes Bauermädchen vom Pfluge weg –
FERDINAND.
Was sagen Sie da?
GRUNDMANN.
Die Wahrheit.
FERDINAND.
So weit könnte er sich vergessen?
[236]
GRUNDMANN.
Hat sich schon vergessen, alles richtig.
FERDINAND.
Nimmermehr.
GRUNDMANN.
Beide Partheien stehen schon gleichsam an dem lauten Ja.
FERDINAND.
Grundmann! – Mein Glück, mein Leben, meine Ehre liegt jetzt in Ihren Händen.
GRUNDMANN.
Kostbare Artikel.
FERDINAND.
Reden Sie mit meinem Vater – er muß böse Rathgeber haben.
GRUNDMANN.
Leute die ihn aufhetzen.
FERDINAND.

Sein Sie mein guter Engel, bringen Sie ihn von diesem Entschluß ab. – In seinen Jahren eine solche Heirath, es ist eine Thorheit –

GRUNDMANN.
Eine Beschimpfung.
FERDINAND.

Die ganze Stadt wird davon reden. – Wenden Sie dies Unglück von unserm Haus; Sie sind sein Freund, reden Sie mit ihm, sagen Sie ihm, daß ich immer ein gutes, folgsames Kind war.

GRUNDMANN.
Will den Artikel herausstreichen.
FERDINAND.
Daß ich sterbe, wenn er –
[237]
GRUNDMANN.

Will von dem zeitlichen Hinscheiden sprechen, will alles thun, was zu Ihrem wahren Glücke beitragen kann; – aber, wenn alles fruchtlos ist, und er, wie ich fürchten muß, auf seinem Entschlusse beharrt, wie dann?

FERDINAND.
Dann – dann –
GRUNDMANN.

Dann retten wir des Vaters Ehre durch einen festen, männlichen Entschluß, reißen das Herz los, wo es nicht glücklich werden soll, reichen mit des Vaters Seegen einem braven Mädchen unsre Hand, ja – Sie bringen uns die Braut ins Haus, auf Ihre Hochzeit wird getanzt, der Sohn ist Bräutigam und nicht der Vater – und Grundmann sitzt im Winkelchen bei einer Flasche, läßt Braut und Bräutigam und seinen Prinzipal hoch leben. Er ist ein Ehrenmann, er lebe hoch! Ab.

FERDINAND
ruft ihm nach.

Bringen Sie mir Antwort, bald – mich verzehrt die Angst. Geht herum. In welcher Lage bin ich! – Die Räthin ist unerbittlich, Rosaliens Leichtsinn ängstet mich, die Schüchternheit ihrer Schwester stößt alle Freier zurück, Rosaliens Munterkeit zieht jeden an. Dort ist noch an keine Hochzeit zu denken – hier will man, daß sie morgen schon gefeiert werde. – Was soll ich thun?

[238]
4. Auftritt
Vierter Auftritt
Langers, Ferdinand.

LANGERS
unter der Thüre.
Mir um den Hals fallen, mich willkommen heissen, denn Franz Langers ist wieder da.
FERDINAND.
Darf ich meinen Augen trauen? Franz, Du, Du bist wieder da? Umarmt ihn.
LANGERS.

Das muß wahr sein, so herzlich drückt den Freund doch nur der Deutsche an seine Brust, alles übrige ist Form. Hier ist Gefühl, hier ruft es laut, ich bin willkommen!

FERDINAND.
Wo warst du?
LANGERS.

Frage lieber, wo ich nicht war. Ich habe mit Nabobs zu Mittag gespeist, und mit Pariser Operntänzerinnen zu Nacht gegessen; ich habe das Weltmeer durchschifft, und wäre gestern bald in einem Mühlbach ertrunken; kurz, ich habe alle Wunder der Welt in ihrer Nähe gesehen, und trage also ihr Andenken in sehr verkleinertem Maßstab mit mir herum.

FERDINAND.
Du warst hier plötzlich ohne Abschied fort, wie verschwunden.
LANGERS.
Das glaub ich – es litt mich länger nicht.
FERDINAND.
Warum?
[239]
LANGERS.

Ich gesunder, starker Kerl durfte nicht zu den Waffen greifen, als alles für die deutsche Freiheit stritt.

FERDINAND.
Was hinderte dich?
LANGERS.

Meine alte, kranke Mutter. – Sie forderte dies Opfer von mir, es war mir aber nicht möglich, wo sich alles regte und bewegte, ein müßiger Zuschauer zu sein; ich schnürte meinen Bündel, und reiste nach England.

FERDINAND.
Ins Land der Freiheit?
LANGERS.

Ja, reden darf der Mensch dort was er will, und das kam mir in einem Zeitpunkt, wo ganz Deutschland an der Mundsperre schwer darnieder lag, gut zu statten. Ich schrie aus Leibeskräften mit, aber je mehr ich schrie, je mehr Leute sahen auf mich, und meinten, ich könne mit meinen gesunden Fäusten der guten Sache mehr nützen, als mit meiner Lunge, da kam – ich war eben in Loyds Kaffeehans – da kam ein Brief – er enthielt den Tod meiner Mutter.

FERDINAND.
Mein Vater schrieb es Dir.
LANGERS.

Ich weinte bitterlich – aber bald rief ich: Waffen her: ich bin Soldat. – Ich schiffte mich ein, brannte vor Begierde mich an Wellingtons Heldenschaaren anzuschließen; in jedem Knopfloch sah ich Ordensbänder – hörte wie die Leute riefen – Kinder, seht den Helden, der hat das, der hat jenes gethan –

[240]
FERDINAND.
Nun?
LANGERS.
Nichts hab' ich gethan – das Schiff lag wie angenagelt, es ging nicht von der Stelle.
FERDINAND
lacht.
Du armer Held!
LANGERS.

Es war nicht anders, als ob der Geist meiner Mutter dem Herrn Aeolus einen Kniefall gethan, auch noch im Tode mein heldenmüthiges Vorhaben zu verhindern. Endlich lichteten wir die Anker, die Segel blähten sich, wir steuerten der Küste zu, ich stieg ans Land, ich zog mein Schwerdt – da rief alles mir entgegen – eingesteckt guter Freund, die Schlacht bei Waterloo ist gekämpft, der Krieg geht zu Ende.

FERDINAND.
Armer Franz –
LANGERS.

Ich warf die Waffen weg, denn wer zum Kehraus kommt, wird ausgelacht, ich reiste mit den friedfertigsten Gesinnungen nach Paris, sah eine Stadt wo keiner weiß, was er will; nur darüber sind alle einig, daß was fremd ist, das Glück ihrer Bekanntschaft theuer zahlen muß. Mein Aufenthalt hätte mich bei einem Haar so viel gekostet, als ob ich eine von den kriegführenden Mächten gewesen wäre, und da ich keine Hoffnung hatte, bei einem neuen Congreß entschädigt zu werden, so ließ ich anspannen, und fuhr davon.

FERDINAND.
Noch einmal willkommen.
[241]
LANGERS.

Komme eben von Deinem Vater. – Bis jetzt habe ich nur Geld ausgegeben – aber die Jahre sind da, der Verstand stellt sich nach und nach auch ein, jetzt will ich versuchen welches zu erwerben; daher trete ich mit Euch in Compagnie.

FERDINAND.
Mein Vater wird Dich ab –
LANGERS
stolz.
Bin angenommen.
FERDINAND.
Er hat erst gestern einen Compagnon mit einer halben Million ausgeschlagen.
LANGERS.

Weiß; er hat es mir gesagt. Der Mann hatte ihm zu viel von der neuen Manier angenommen, die über Nacht reich macht, ohne Rücksicht auf die Art. Unser Zeitalter, das so reich an Mißgeburten ist, hat auch so manchen Kaufmann etablirt, der im Kleinen handelt, und im Großen betrügt; der die Gebrechen der Zeit benutzt, einen Stand verächtlich zu machen, dessen reiner Ursprung so nützlich, so segenbringend ist.

FERDINAND.
Wenn Du so denkst, so hast Du unsre Firma.
LANGERS.

Ehrlich – ohne Rücksicht auf persönlichen Vortheil, währt am längsten, dies Sprichwort hat sich in unsern Tagen wunderbar bewährt. Es glänzt vom Thron herab, und wills Gott, wohnt es bald wieder wie ehedem in jeder Hütte. Die Schlachten sind gekämpft, der Friede breitet seine Fittige über die müden [242] Völker; unter ihnen bau' ich mir eine Hütte, nehme ein braves Weib, werde ein nützlicher Bürger, ein glücklicher Gatte, und wills Gott – ein glücklicher Vater.

FERDINAND
stutzt.
Du hast noch keine Frau?
LANGERS.

Wie kommst Du mir vor? Zum Verliebtsein fragt man weder nach Stand noch Vaterland, aber bei der Ehe regt sich der Patriotismus. Meine Braut darf am Altar weder oui, noch yes, sondern sie muß ja sagen.

FERDINAND.
Freund – Bruder – zur guten Stunde bist Du gekommen! Fällt ihm um den Hals. Du bist frei?
LANGERS.

Es mögen 14 Tage sein, daß ich meinem Pariser Schwarzkopf ewige Treue schwur. Tags darauf reiste ich fort, mit jedem Radumdrehen haspelte sich meine Leidenschaft nach und nach ab, und ich kam frank und frei auf deutschem Boden an.

FERDINAND
entzückt.
Du liebst nicht?
LANGERS.

Es trifft sich gerade ein seltner Moment, in dem ich aufgehört, und noch nicht wieder angefangen habe zu lieben. Es ist Solstitium eingetreten, habe ich aber die nöthigen Besuche bei Tanten und Basen gemacht, [243] so fängt der Tag schon wieder zu wachsen an. Mein Cupido geht mit mir die Treppe hinauf, tritt mit mir ins Zimmer – vor dem Sopha geht er ehrerbietig vorbei – aber wo er 18 Jahre auf einem Tabourettchen sitzen sieht, drückt er den Pfeil ab, er fliegt ins Herz, es ist um mich geschehn.

FERDINAND.
Langers, ich habe eine Braut für Dich.
LANGERS.
Für mich?
FERDINAND.
Jung, schön, voll Anmuth, voll Verstand.
LANGERS.
Die Hauptrequisiten wären da.
FERDINAND.
Freund! Wenn Du das Mädchen nimmst, bin ich der glücklichste Mensch unter der Sonne.
LANGERS.
Du?
FERDINAND.
Mein Leben dank ich Dir, mein alles –
LANGERS.
Sonderbar! Ich soll heirathen, und Du wirst glücklich?
FERDINAND.
Unaussprechlich glücklich – selig –
LANGERS.
Höre, ists etwa ein ausgebrannter Vulkan? Haben ihre Augen keine Funken mehr für Dich?
FERDINAND.
Sie sprühen Flammen! – Franz, lieber, guter Franz, Du mußt das Mädchen nehmen.
[244]
LANGERS.
Muß? Hast Du Dich etwa schon durch Procuration für mich mit ihr trauen lassen?
FERDINAND
hastig.
Erinnerst Du Dich der Räthin Elmen? Sie hat zwei Töchter.
LANGERS.
Hagere, blasse Dinger – ist etwas aus ihnen geworden?
FERDINAND.
Göttinnen sind es, Meisterstücke der Natur.
LANGERS.

Hatten gar keine Anlage zu künftigen Göttinnen. Halt – ja – die jüngste hatte schöne schwarze Augen, ich erinnere mich.

FERDINAND.
Die ältere ist schöner, das ist die Frau für Dich.
LANGERS.
Warum nimmst Du sie nicht?
FERDINAND.
Ich nehme ja die jüngste –
LANGERS.
Ach – jetzt verstehe ich.
FERDINAND
sehr schnell.

Die Räthin mußte ihrem Manne auf dem Sterbebette geloben, die jüngste Tochter nicht vor der ältesten zu vermählen; mein Vater dringt in mich eine Frau zu nehmen, entschließ' ich mich bis morgen nicht, will er selbst – denke Dir, er selbst ein Mädchen vom Pfluge weg zur Frau nehmen. Das Gerede in [245] der Stadt, die Schande, der Nachtheil für unsre Handlung, Du siehst meine Noth, das Wasser geht mir schon bis an den Hals.

LANGERS.

Und ich soll der Pudel sein der Dich heraus zieht? Lacht. Hm, das Ding ist lustig! Habe mich bis jetzt noch nicht entschließen können zu meinem Seelenheil eine Frau zu nehmen, und soll es jetzt aus Gefälligkeit für einen andern thun? – Nun mit gewissen Klauseln gehe ich den Handel ein.

FERDINAND.
O mein Erretter! – Fort, zu ihr, zu ihr!
LANGERS.

Halt da! – Sieh mich doch nur an! So kommt man von der Reise, so wirbt man um keine Braut. Laß mich erst meinen kurz gestutzten Pariser Frack anziehen.

FERDINAND.
Nichts aus Paris. –
LANGERS.
Also meinen englischen Langkittel –
FERDINAND.
Nichts aus London. –
LANGERS.

Recht – alles aus dem Vaterlande. – Ich habe mir in Frankfurt bei dem ehrlichen Meister Friedel einen Rock machen lassen, nicht zu lang, nicht zu kurz, der wird es thun Du führst mich also, ehe ich mich noch in der Stadt umgesehen habe, was während meiner Abwesenheit groß und hübsch geworden – denn in einigen Jahren wächst die liebe Gottes [246] Gabe wunderbar heran – zur Räthin Elmen. Gefällt mir das Mädchen, so falle ich ihr um den Hals, und bitte die Mutter um der Tochter Hand. Fühle ich aber für sie nur die gewöhnliche Nächstenliebe, mache ich meine Verbeugung, und drehe mich als Junggeselle wieder zur Thüre hinaus.

FERDINAND.
Du bleibst – heirathest das Mädchen, denn Du bist mein Freund.
LANGERS.

Ja, aus Freundschaft geht man wohl durchs Feuer, aber man bleibt nicht darin. Jede Ehe hat ihr kleines Fegfeuer, aber eine Frau zu nehmen die man nicht liebt, vergleichen die Alten und neuen Philosophen mit der Hölle. Sei guten Muths Freund, kann ich Dir durch keine Heirath aus der Noth helfen, diese Pulverkammer hat Minen, die geschickt den Weg öffnen, oder alles was sich widersetzt, in die Luft sprengen. Jetzt komm. Wollen gehen.

5. Auftritt
Fünfter Auftritt
Grundmann, Vorige.

GRUNDMANN.
Herr Bilau, auf ein Wort –
FERDINAND.
Was giebt es?
GRUNDMANN.
Ihre Sache steht schlecht.
FERDINAND.
Das ist nicht wahr, sie steht gut.
GRUNDMANN.
Ihr Vater will –
[247]
FERDINAND.

Sagen Sie meinem Vater – ich bin glücklich, fröhlich, selig wie ein Gott! – Grundmann, mein Spiel ist gewonnen, bald rufen wir Viktoria!


Schnell mit Langers ab.
GRUNDMANN
sieht ihnen nach.

Wie ist mir denn? – Verlasse ihn zerknirschten Herzens und demüthigen Gemüthes, komme auf Befehl seines Vaters ihm die Hölle recht heiß zu machen, mit Fluch und Enterbung zu drohen, und er ruft Viktoria?


Ende des ersten Akts.

[248]

2. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt
Julie, Rosalie. Julie stickt, Rosalie arbeitet an einem Hute.

ROSALIE.

Fertig ist er. Nun meinst Du wohl, daß ich ihn trage Schwester? Nichts da – den Kopf her.Setzt ihr den Hut auf. Der Hut ist Dein.

JULIE
steht auf.
Aber Warum –
ROSALIE.

Nicht gefragt, niedergesetzt – still gehalten. – So hübsch – recht hübsch – jetzt gefällt er mir erst; – das ist ein Hut, als ob ihn der letzte Postwagen aus Paris gebracht hätte.

[249]
JULIE.
Pfui deutsches Mädchen, als ob nichts schön sein könnte was dem lieben Vaterlande gehört.
ROSALIE.

Nicht doch Julie. – Wir zwei gehören ihm ja auch an, und ich denke wir machen ihm Ehre. Meine Bemerkung war nur die gewöhnliche Redensart, mit der wir lächerlich alles loben, was aus der Fremde kommt. Jetzt sollst Du gleich die solide Deutsche hören – weißt Du, warum ich schon in die dritte Nacht nur wenig schlafe?

JULIE.
Brautgedanken – Ehestandssorgen –
ROSALIE.
Recht – aber – nicht für mich, meine Sorge betrifft unser ganzes Geschlecht.
JULIE.
Viel umfassend –
ROSALIE.
Ich studiere auf eine deutsche Tracht.
JULIE
lacht.
Und arbeitest an französischen Hüten?
ROSALIE.
Man muß doch etwas aufsetzen bis die neue Tracht erfunden ist. Und weißt Du, was mich dazu bestimmt?
JULIE.
Du willst etwas thun, das Aufsehen erregt, vielleicht gar – Dich verewigt –
ROSALIE.
Ich will etwas thun, was aus Mädchen Bräute und glückliche Weiber macht.
[250]
JULIE.
Du glaubst –
ROSALIE.

Daß unsre Hauben, Hüte, Shawls, die öfter als der Mond seine Hörner wechselt, ihre Formen ändern, manchen braven Mann abschrecken eine Frau zu nehmen. Darum studiere ich, wie sich die künftige Generation kleiden soll.

JULIE.
Die künftige – ja wohl, die jetzige bedarf noch mit jeder Woche ihr Mode-Journal.
ROSALIE.
Die werden in meinem Reiche verboten, mein Volk soll nicht nachäffen, erfinden.
JULIE.
O weh eine Völkerwanderung beginnt – Euere Majestät stehen in Ihrem großen, weiten Reich allein.
ROSALIE.

Wie? Die Deutschen mit diesem Geiste, mit dieser Kraft den Erdboden zu schütteln, sollten darin ewig Kinder bleiben, die sich nicht allein anziehen können? Nichts da – so lange sich alle 14 Tage der Schnitt des Kleides ändert, ändert sich auch des Menschen Sinn. Unsere Großmütter konnten in demselben Kleide in dem sie getraut wurden, auch ihre silberne und goldene Hochzeit feiern; und das alte Mütterchen meinte es auch noch eben so ehrlich, eben so gut, wie das blühende Mädchen. Jetzt macht man in dem Brautkleide höchstens noch ein paar Bälle mit, das Spinngewebe löst sich auf, und nicht selten hängt es in der Trödelbude, ehe noch die Flitterwochen vorüber [251] sind. – Der Mann geht vorüber, sieht es, – seufzt – und ruft: vergänglich wie dies Kleid, war auch mein Glück.

JULIE.
Freilich sollte man –
ROSALIE.

Die Menschen durch eine vernünftige Kleidertracht an Beständigkeit gewöhnen; was heute schön steht, muß morgen nicht häßlich stehn. So viel erwirbt der fleißige Mann immer, Weib und Kind zu ernähren, aber Schneider und Putzmacherin trägt sein Amt nicht, die ruiniren Familien, die erschweren den Ehestand, darum bleibt er ledig, und findet in einer braun gerauchten Meerschaumpfeife sein ganzes häusliches Glück.

JULIE.

Höre Schwester, alles was Du seit 8 Tagen denkst und thust, hat nur einen Zweck. – Alle Mädchen sollen Männer haben, damit ich auch einen bekomme, nicht wahr?

ROSALIE.

Ach, Du verdienst mehr wie alle einen braven Mann, es giebt nur so wenige, die Deine stille Eingezogenheit erkennen.

JULIE.
Und lieben
ROSALIE.

Darum sind die Menschen verdorben, darum soll das anders werden, oder ich lege mein Haupt nicht sanft.

[252]
2. Auftritt
Zweiter Auftritt
Die Räthin, die Vorigen.

RÄTHIN
noch unter der Thüre.
Was soll anders werden?
ROSALIE.

Der Egoismus, der seine Leckerbissen lieber im Winkelchen allein verzehrt, als daß er Weib und Kind an einer sparsameren, aber durch Liebe gewürzten Tafel mit essen ließe. Das Allein da stehn in der vollen Welt, das Nachäffen fremder Sitten, und Gebräuche, das Verspotten der eignen, das muß aufhören. – Die Urkraft muß in dem Menschen erwachen, er muß dem Boden angehören, der ihn ernährt. Jedes Land muß seine Bürger selbst bilden, nicht durch seine Nachbarn verbilden lassen – dann leben wir in der besten Welt, und dann bitte ich Gott, daß er mich recht lange auf ihr wandeln und handeln läßt.

RÄTHIN.
Ich erstaune, – Dich hat der Zeitgeist gewaltig ergriffen.
ROSALIE.

So gewaltig, daß ich von ganzer Seele ein deutsches Mädchen bin, und wills Gott, bald eine gute deutsche Frau werden, und bleiben will. – Daß Sie es nur wissen, liebe Mutter, so viel Geld Sie auch für meine Erziehung ausgegeben – ich kann kein Wort französisch.

[253]
RÄTHIN.
Du hast also ein Gelübde gethan, keine Gesellschaften zu besuchen?
ROSALIE.
O nein, das nicht.
RÄTHIN.

So wirst Du nicht die beste Figur spielen – denn in den zahlreichsten Gesellschaften spricht man in Deutschland – nicht deutsch.

ROSALIE.
Ist das nicht lächerlich?
RÄTHIN.

Recht sehr mein Kind; aber lache und rede und schreibe dagegen so viel Du willst, es wird doch nicht anders. Die Zungen haben in dieser fremden Sprache eine solche Fertigkeit erhalten, sie plappern fort ohne daß Herz und Kopf etwas davon weiß.

JULIE.
Aber woher kommt das?
RÄTHIN.

Zum Theil ist es ein sehr altes Uebel. Die Römer ließen ihre Kinder von den geschmeidigen Griechen, die Deutschen von den galanten Franzosen erziehen; ihre Muttersprache hören sie nur von dem Gesinde, sie lernen daher nie ihre Erha benheit, nur ihre Gemeinheit kennen und glauben sich berechtigt sie zu verachten.

ROSALIE.
Und sie ist doch so kräftig – und so schön.
RÄTHIN.

Für die, mein Kind, die ihre Dichter lesen, und verstehen, ist sie die Quelle alles Wissens; aber diese [254] Gesetzgeber des guten Geschmacks liegen in verschlossenen Schränken, während sich die französischen Romane auf allen Tischen häufen.

ROSALIE.
Ich habe selbst noch einige – sie sollen ins Feuer.
RÄTHIN.

Nicht doch; – der Vernünftige gleicht einer Biene, die ihren Schatz aus allen Blumen saugt. Sie fliegt auch manchmal in die Ferne, und ruht auf einer fremden Blüthe aus; doch heimisch, ruht sie auf der mütterlichen Wiese, und sie verachtet um der fernen Blüthen, die nahen, eignen nicht.

ROSALIE.
O ich will –
RÄTHIN.

Nichts mein Kind – denn ein Mädchen darf nie auffallend handeln, sonst tritt sie aus dem Kreis, der ihr Wirken beschränkt – und macht sich lächerlich. Nur die Gattin, die Mutter kann, darf, muß gegen dies Verderbniß unsrer Sitten eifern, sie hat die Macht dazu. Alles Gute, was die Welt beglückt, keimt in dem kleinen Garten, den sie als Mutter – als Gattin – pflegt. Unsre Kinder zu dem zu bilden, was die Menschen sein sol len; das können, das dürfen wir, dadurch veredlen, verbessern wir die Welt, dazu habe ich Euch gebildet, entsprecht nun den Hoffnungen der Mutter, dann ist meine, dann ist Eure Pflicht erfüllt.

[255]
3. Auftritt
Dritter Auftritt
Ein Bedienter, Vorige.

BEDIENTER.

Ein Herr, der sich Grundmann nennt, abgeschikt von dem Wechselhaus Bilau, wünscht mit der Frau Räthin zu sprechen.

RÄTHIN.
Führt ihn herein.

Bedienter ab.
ROSALIE.
Ach das betrifft gewiß – liebe Mutter, Ferdinand will –
RÄTHIN
lächelnd.

Ins Wasser springen, sich erschießen, wenn ich Dich ihm nicht auf der Stelle zur Frau gebe? Kind – das hat er schon oft gesagt, aber Du siehst er kommt doch alle Tage wieder – es hat keine Gefahr.

ROSALIE.
Diesmal will er das nicht, er will –
JULIE.
Man kömmt –
4. Auftritt
Vierter Auftritt
Die Vorigen, Grundmann besser gekleidet.

GRUNDMANN.
Halten zu Gnaden – habe wohl nicht die Ehre hierorts gekannt zu sein?
[256]
RÄTHIN.
Nein mein Herr, was steht zu Diensten?
GRUNDMANN.

Mir? Gar nichts, im Gegentheil nenne ich mich der Frau Räthin von Elmen ganz gehorsamster Diener. Bin von meinem Herrn Prinzipal, dem Herrn Fortunatus Bilau anher geschickt, bei dem ich seit vielen Jahren als langgeprüfter Handlungsgeselle in Diensten stehe. Bitte mich darum nicht verächtlich zu betrachten, weil ich in meinem hohen Alter noch Geselle bin, da doch so viele achtzehnjährige Meister unser Stadtpflaster betreten; aber es sind viele berufen und wenige ausersehn, darum nenne ich mich in der Ueberzeugung, daß ich auch nur berufen bin, immer noch Geselle.

RÄTHIN.
Ich freue mich einen so bescheidenen Mann –
GRUNDMANN.

Bitte mich als eine Nulle anzusehen, zu der erst das was ich referire, einige Striche macht. Ersuche, mir die Erlaubniß zu ertheilen, mich eines Auftrags meines ehrenfesten Herrn Prinzipals in möglichster Kürze entladen zu dürfen.

RÄTHIN.
Reden Sie –
GRUNDMANN.
Besagter Herr Prinzipal haben einen Sohn.
RÄTHIN.
Ich kenne ihn.
ROSALIE
für sich.
Ich auch –
[257]
GRUNDMANN.
Besagter Herr Sohn sind noch immer ehelosen Standes.
RÄTHIN.
Er ist noch jung.
ROSALIE.
Kann noch warten.
GRUNDMANN.

Aber besagter Herr Prinzipal sind nicht mehr jung, thun daher Einspruch in die Klausel des Wartens, dringen in Dero Sohn seine Hand einer würdigen Stammutter zu reichen, damit bald junge Sprößlein um ihn herum wachsen und gedeihen, und mein ehrenfester Herr Prinzipal das bilau'sche Geschlecht noch vor seinem zeitlichen Erbleichen in wünschenswerther Prosperität fortblühen sehe. Da er nun in Erfahrung gebracht, wie sein Sohn, der wills Gott, baldige Bräutigam, und vermuthliche Eheherr sein Auge auf Dero jüngstes Fräulein Tochter geworfen –

ROSALIE.
Es bleibe liegen auf mir.
GRUNDMANN.

Da nun aber der ganz besondere Umstand eintritt, daß Dero ältestes Fräulein voran gehen soll in den Stand der heiligen Ehe, und Dero jüngstes gleichsam ihren Fußtapfen folgen darf, sich aber dermal noch kein Männlein gefunden, sie als Weiblein heimzuführen; so wünscht mein Herr Prinzipal, daß die Frau Räthin das ihrem Cheherrn gegebene Wort nicht mit der möglichsten. Strenge erfüllen möge, sondern bittet Sie zu bedenken –

[258]
RÄTHIN.

Daß wir jetzt in einem Zeitpunkte leben, wo ein Wort, ja ein Schwur nichts gilt! – Sagen Sie Herrn Bilau, ich bin zwar nur ein Weib, aber ich spiele nicht mit meinem gegebenen Worte, es steht männlich fest.

GRUNDMANN.
So muß mein Herr Prinzipal mit seinem einzigen Sohn, und respektiven Erben anderweitig verfügen.
ROSALIE
für sich.
Anderweitig? o weh!
RÄTHIN.
Mein lieber Herr –
GRUNDMANN
helfend.
Grundmann, zu beliebigem Sprachgebrauch.
RÄTHIN.

Mein lieber Herr Grundmann, sagen Sie Ihrem Prinzipal, ich schätze, ja ich liebe seinen Sohn; will er ihn aber ohne Rücksicht auf Lebensglück, nur nach seiner Laune auf der Stelle vermählen, so kann meine Tochter nicht die seinige werden; in dem Falle möchte er immerhin mit seinem Sohne anderweitig verfügen.

ROSALIE.
Besagter Sohn ist noch jung, kann noch warten.
GRUNDMANN.
Der Herr Prinzipal geben keine längere Sicht.
ROSALIE.
So werden der Herr Prinzipal an häuslichen Freuden banquerot werden-
GRUNDMAN
lächelnd.
Haben ein Kapital in Petto mit dem sie sich decken.
[259]
ROSALIE.
Das wäre?
GRUNDMANN.

Die Hand selbst noch einmal auszustrecken, und die da einschlägt, als ehrenwerthe Gattin heimzuführen.

ROSALIE.
Es schlägt keine mehr ein.
GRUNDMANN.
Er wagt den Versuch.
ROSALIE.
Wie? Sie glauben?
GRUNDMANN.
Daß morgen auf jeden Fall in dem Bilau'schen Hause eine Hochzeit gefeiert wird.
ROSALIE.
Auf jeden Fall?
GRUNDMANN.

Die Kuchen sind gebacken, die Musikanten bestellt, es kommt jetzt nur darauf an, ob der Vater seine ehrbare Menuet, oder der Sohn einen drehenden Walzer tanzt. Was haben die Frau Räthin auf diese, die Sache verschlimmernde Nachricht zu repliciren?

RÄTHIN.

Daß ich Herrn Bilau aufrichtig wünsche, seine künftige Frau möge das Wort, welches sie ihm am Altare giebt, eben so treu erfüllen, wie ich meines gegen meinen sterbenden Gemahl erfülle.

GRUNDMANN.
Seine Braut ist blutjung.
RÄTHIN
lächelnd.
Um so mehr wiederhole ich meinen Wunsch.
[260]
GRUNDMANN.
Die Frau Räthin beharren –
RÄTHIN.
Auf mein Wort.
GRUNDMANN.
Dero älteste Tochter –
RÄTHIN.
Wird früher Frau.
GRUNDMANN.
Letzter Entschluß?
RÄTHIN.
Letzter Entschluß.
GRUNDMANN.
Hm, hm, hm – sehe mich in meiner Erwartung ja gleichsam betrogen.
RÄTHIN.
Wie so?
GRUNDMANN.

Wir glaubten an dem jungen Herrn Bilau einen Jubel wahrzunehmen, der auf die endliche Erfüllung seiner Wünsche hinzudeuten wäre; es ertönte sogar aus seinem Munde das, nur einem glücklichen, zufriedenen Menschen entströmende Wort: Viktoria! Mein guter Herr, dem nichts so sehr am Herzen liegt, wie das Glück seines einzigen Sohnes, glaubte durch mich Erkundigung einziehen zu müssen, was von diesem Ausruf der Freude ersprießliches zu erwarten sei. Werde mich jetzt stehenden Fußes zurückbegeben, um meinen Prinzipal von dieser gänzlich mißlungenen Spekulazion zu unterrichten. Bitte allseitig wegen meiner Umständlichkeit keinen Groll auf mich zu werfen. Bin gewohnt jeden Auftrag meines Herrn mit[261] christlicher Gewissenhaftigkeit und kaufmännischer Pünktlichkeit zu vollziehen. Habe die Ehre mich zu etwa vorkommenden Geschäften bestens zu empfehlen, und nenne mich der Frau Räthin von Elmen, nebst Dero beiden Fräulein Töchter gehorsamster, dienstbeflissener, und – bereitwilligster Diener. Ab.

RÄTHIN
geht mit ihm bis an die Thüre, er macht ihr dort noch eine Verbeugung, und geht ab.
Leben Sie wohl Her Grundmann.
JULIE
die traurig da gestanden, geht auf Rosalie zu, umarmt sie, und geht dann schnell ab.
ROSALIE.
Was ist Dir Schwester?
RÄTHIN.
Es thut dem armen Mädchen wehe, die unschuldige Ursache zu sein, daß Du Dich von Bilau trennen mußt.
ROSALIE.
Trennen? Wer sagt das?
RÄTHIN.
Hast Du denn nicht gehört –
ROSALIE.
Daß der alte Herr selbst eine Frau nehmen will? Glück zu –
RÄTHIN.
Glaubst Du nicht, daß dieser Schritt des Vaters den Sohn andern Sinnes machen wird?
ROSALIE.

Liebe Mutter, das ist Ihr Ernst nicht. Ferdinand [262] verliert dadurch an Geld, er ist reich, er kann es missen, und kann nun ruhig den Zeitpunkt abwarten, wo ich ihm meine Hand reichen darf.

RÄTHIN
lächelnd.
Ruhig? Kind – seine Heftigkeit –
ROSALIE.

Ist mir nur ein Zeichen seiner Liebe, kurz – er, und kein andrer wird mein Mann, so steht es über den Sternen, und auf jedem Pünktchen wo mein Auge auf Erden weilt geschrieben – und, Mutter, mir sagt mein Herz, dieser Augenblick ist nicht mehr fern.

RÄTHIN.
Liebes Kind – Deine Schwester –
ROSALIE.

Bekommt gewiß bald einen Mann; das Mädchen ist ja schön, ist gut: nur zu schüchtern. – Sie macht nicht geltend was sie weiß, das Auge bleibt immer an der Erde, das taugt nicht; die Männer, die heirathen wollen, halten sich immer ein bischen in der Ferne, man muß gradaus sehen, Pfeile in die Welt schicken – verwunden, tödten – dann geht man auf dem Schlachtfelde triumphirend einher, und reicht dem die Hand, dessen Wunde inkurabel ist.

RÄTHIN.
Da dürfte Julie ledig bleiben.
ROSALIE.
Seinen Kindern giebt der Himmel ihr Glück im Schlaf. Mutter – es ist etwas im Werk.
RÄTHIN.
Wie? Du weißt –
[263]
ROSALIE.
Nichts; aber ich hoffe alles. Ferdinand hat sich melden lassen.
RÄTHIN.
Der kommt sonst ungemeldet.
ROSALIE.
Ja diesmal bringt er jemand mit.
RÄTHIN.
Wen?
ROSALIE.
Einen Freund – merken Sie was? – Aus dem Freund muß ein Ehemann werden.
RÄTHIN
lacht.
Muß? –
ROSALIE.
Ich setze mir das so in den Kopf! – Julie sieht heute allerliebst aus – finden Sie nicht?
RÄTHIN.
Wie gewöhnlich –
ROSALIE.

Nein, nicht wie gewöhnlich. Die Wahl ihrer Kopfzeuge ist meistens unglücklich, darum hab ich ihr des Besuchs wegen meinen neuen Hut aufdisputirt.

RÄTHIN.
O Du Schelm.
ROSALIE.

Helfe was helfen kann – das Mädchen will nicht gefallen, aber sie muß. Für den ersten Eindruck habe ich gesorgt und muß ich nur noch die Schwächen des Fremden aufsuchen, um ihn auf allen Seiten zu packen; daß er die hat, bin ich gewiß; denn er ist ein Mann – daß er sie zeigt kann nicht fehlen; [264] denn heut zu Tage glauben die Männer dadurch mehr Glück zu machen, und halten es daher gar nicht der Mühe werth, sie zu verbergen.

RÄTHIN.
Rosalie – der künftige Mann Deiner Schwester muß sie verdienen.
ROSALIE.

Darum muß er auf die Kapelle. – Etwas Zusatz hat das Gold immer, so wie auch der beste Mann seine Fehler hat. Durch diesen Zusatz erhält das Gold gemeinnützige Formen, und der Mensch – eigentlich ganz Gottes Ebenbild senkt sich dadurch auf die Erde, und macht die Tändeleien des Lebens mit: also nur mehr oder weni ger entscheidet, und geben Sie Acht, ich habe es auf den ersten Blick weg, ob bei dem Menschen zu viel Kupfer ist.

RÄTHIN.

Höre mein Kind, Du bist bei der Sache zu viel interessirt, um unbefangen zu untersuchen. Was glänzt, wißt ihr jungen Mädchen wohl besser zu würdigen, aber die Eigenschaften, die das Glück einer Ehe gründen, glänzen nicht. Ueberlasse also das Richteramt Deiner Mutter, und denke, sie liebt uns beide, sie wacht, sie sorgt mit Mutterliebe für ihrer Kinder Glück.

5. Auftritt
Fünfter Auftritt
Bedienter, später Ferdinand, Langers, Vorige.

BEDIENTER.
Der junge Herr Bilau wünscht –
[265]
ROSALIE.
Nur herein.
BEDIENTER.
Er – mit einem Fremden.
ROSALIE.
Es wäre uns ein Vergnügen – ein –
RÄTHIN.
Eine Ehre ist schon genug.
ROSALIE.
Recht, es wäre uns eine Ehre.

Bedienter ab.
ROSALIE
halb laut.
Der Bräutigam, der Bräutigam –
RÄTHIN.
Stille, stille, triumphire nicht zu früh.

Ferdinand und Langers treten ein.
FERDINAND
zur Räthin.
Ich nehme mir die Freiheit, Ihnen meinen besten Freund aufzuführen, Herrn Langers.
RÄTHIN.
Den Sohn meiner Freundin?
FERDINAND.
Sie kannten seine Mutter?
RÄTHIN.
Ich liebte, ich schätzte sie, es war eine vortreffliche Frau.
LANGERS.
Hier steht ihr vortreffichster Sohn, denn sie hatte außer mir keinen andern.
RÄTHIN.
Sein Sie mir von Herzen willkommen.
[266]
FERDINAND
leise und schnell zu Rosalien.
Ich habe Hoffnung –
ROSALIE
ebenso.
Ich auch. –
FERDINAND.
Suchen Sie ihn nur fest zu halten.
ROSALIE.
An mir soll es nicht fehlen.
RÄTHIN.
Sie haben schöne Reisen gemacht –
LANGERS.
Von denen ich eben um etwas Geld ärmer, aber an Thorheiten reicher zurückkomme.
RÄTHIN.
Reisen bilden.
LANGERS.

Und verbilden. – den Stein der Weisen habe ich nirgend gefunden, obgleich ihn jedes Land zu besitzen wähnt. Da man nun so lange nach ihm graben muß, bis man am Ende selbst in die Grube fällt, so will ich ihn doch lieber im deutschen Vaterlande, als in der Ferne suchen.

ROSALIE.
Recht, im deutschen Vaterlande, das macht Ihnen Ehre.
LANGERS.
Gehorsamer Diener.
ROSALIE.
Es sind so wenige, die seinen Werth erkennen.
LANNGERS.

Viele sind es, viele; auch den Blindgebornen [267] gehen jetzt die Augen auf – und wer nicht sehen will, der gehe nur gleich mir in die Fremde. Ueberall stehen die Menschen vereinzelt da, in Deutschland bilden sie Massen: Hände greifen in einander, Herzen ruhen an einander, der Boden unsrer Väter ist erkämpft, an uns ist jetzt mit ihren alten ehrwürdigen Sitten das alte Recht, die alte Ordnung einzuführen.

ROSALIE
leise zur Räthin.
Mutter – der Mensch ist ganz Gold, ganz Gold. Zu Langers. Werden Sie bei uns bleiben?
LANGERS.
Wenn meine Landsmänninnen mich hier fest halten.
ROSALIE.
Alle mit einander?
LANGERS.
Auch eine – wenn sie Ihnen gleicht.
FERDINAND
tritt schnell zu ihm und sagt leise.
Du, das ist sie nicht, das ist die Jüngste.
LANGERS
ebenso.
Thut nichts, die gefällt mir.
FERDINAND.
Langers –
LANGERS.
Die hat die schwarzen Augen von denen ich Dir sagte.
FERDINAND
laut.
Die Frau Räthin hat noch eine Tochter.
LANGERS
leise.
Gieb Dir keine Mühe, ich bleibe schon bei der.
FERDINAND
leise.
In dem Punkt verstehe ich keinen Spaß.
[268]
LANGERS.
Darum mach ich Ernst.
FERDINAND
sucht sich zu fassen.

O liebe Rosalie, ich bitte Sie, Ihre reizende Schwester zu rufen, mein Freund soll alle Schätze dieses Hauses auf einmal kennen lernen.

LANGERS
hält sie auf.
Halt – um Gotteswillen, wenn ich zwei Sonnen sehe, muß ich erblinden.
ROSALIE
lächelnd.

Ich will mich hübsch hinter den Wolken halten, bis sich Ihr Auge nach und nach an das Doppelgestirn gewöhnt.

LANGERS.
Wenn Sie untergehen, wird es Nacht an meinem Himmel.
ROSALIE.
Dann tritt eben die Venus hervor – erlauben Sie, daß ich nur ihren Trabanten mache –
RÄTHIN.

Bleib mein Kind – wenn die untergehende Sonne die Venus bringt, muß ich sie holen. – Es ist das allgemeine Loos der Mütter; – die Töchter schreiten in die Welt hinein wie wir hinaus schreiten. Also meine Herrn – die Dämmerung beginnt – der letzte Sonnenstrahl verschwindet. Und wenn Sie nach einem kurzen Zwielicht das Auge auf jene Thür heften, – steht die Venus da. Seitwärts ab.

LANGERS
zu Ferdinand.
Du, die Mutter ist auch nicht übel.
[269]
FERDINAND.
Dem gefällt die ganze Sippschaft.
LANGERS.

Tausend Dank für die Bekanntschaft. – Das ist ein charmantes Haus, und was mich besonders freut, das Mädchen ist nicht allein schön, sie ist auch von ganzem Herzen eine Deutsche.

FERDINAND
hämisch.
O ja – von ganzem Herzen –
LANGERS.
Nicht wahr, mein Fräulein, Sie wünschen wie ich, daß es dem lieben Vaterlande wohl ergehe.
ROSALIE.
Daß es seine Würde behaupten möge.
LANGERS.

Wissen Sie was, wir wollen uns manchmal zusammensetzen, und Rath halten, wo und wie in dieser Zeit der Wiedergeburt noch etwas zu verbessern wäre.

ROSALIE.
O, ich habe große Plane.
LANGERS.
Ich führe sie aus.
ROSALIE.
Es ist nicht so leicht.
LANGERS.
Doch keine chinesische Mauer?
ROSALIE.
Eine moralische Mauer um unser Vaterland.
LANGERS.
Fremde Thorheit abzuwenden? Ich trage Steine.
[270]
ROSALIE.
Ich helfe bauen.
FERDINAND.
Das geht vortrefflich.
LANGERS
zu Ferdinand.
Du stehst Schildwache, daß uns bei unserm Bauen niemand stört.
FERDINAND
heimlich.
Langers! Was thust Du?
LANGERS.
Ich suche mich einzuschmeicheln.
FERDINAND.
Du wirst unerträglich.
LANGERS
laut.
Unerträglich? Sagen Sie mein Kind ist das wahr, bin ich unerträglich?
ROSALIE.
Im Gegentheil – Ihre Bekanntschaft macht mir so viel Freude –
LANGERS.
,Da hörst Du, Freund!
ROSALIE.
Die Aehnlichkeit unserer Gesinnungen.
LANGERS.
Wir denken gleich, ganz gleich –
ROSALIE.
Die Liebe zu unserm Vaterlande –
LANGERS.
In allem begegnen wir uns, in allem.
ROSALIE.
Selten wird uns ein Mann bei dem ersten Zusammentreffen so schätzbar –
[271]
FERDINAND.
Rosalie –
LANGERS.
Fahren Sie fort, mein Fräulein, fahren Sie fort –
ROSALIE.

Wenn Sie die Wünsche meiner Mutter, und ich darf sagen, auch meine Wünsche erfüllen wollen, so besuchen Sie uns recht oft.

LANGERS.
Wenn Sie erlauben, gehe ich gar nicht mehr fort – es gefällt mir in diesem Hause außerordentlich.
FERDINAND.
Rosalie – was machen Sie?
ROSALIE.
Ich suche ihn festzuhalten.
FERDINAND.
Das ist nicht die Art –
ROSALIE.
Doch glauben Sie mir, er ist unser.
FERDINAND.
Tod und Hölle – ja.
ROSALIE.
Was ist Ihnen?
FERDINAND
sucht sich zu fassen.
Nichts, nichts – wo bleibt doch Ihre Schwester?
LANGERS
für sich.

Was Teufel! – Eifersüchtig ist die arme Seele? Nun warte nur, dich will ich kuriren, durch Feuer und Wasser sollst Du mir.

[272]
6. Auftritt
Sechster Auftritt
Julie, die Vorigen.

FERDINAND
als er sie erblickt, für sich.

Gott lob!Geht hin, und führt sie vor. Das ist Fräulein Julie von Elmen, das ist der Frau Räthin älteste Tochter.

LANGERS.

Gehorsamster Diener! Wahrhaftig, die Mutter, die älteste und jüngste Tochter, drei Gegenstände der Anbetung und Verehrung. Leise zu Ferdinand. Aber ich bleibe bei der jüngsten.

FERDINAND
laut.
Langers –
LANGERS.

So heiß ich – Du hattest vergessen, dem Fräulein meinen Namen zu nennen, und machst etwas laut deinen Fehler wieder gut. Ja, ich heiße Langers, habe das Glück ihr Landsmann, ja ihr Mitbürger zu sein. Sie sehen, ich komme Ihrem Hause immer näher, und kann den Wunsch nicht unterdrücken, so bald als möglich ein Insasse zu werden.

ROSALIE
zu Ferdinand.
Er wirbt um sie.
LANGERS
zu Julien.

Ich kann es wirklich meinem Freund nicht genug danken, daß er mir Ihre Bekanntschaft gemacht; Ihre Mutter ist eine liebe charmante Frau, hat die liebenswürdigsten Töchter.

JULIE.
Die Sie kaum kennen?
[273]
LANGERS.

Wer sagt das? Von Ihnen, mein Fräulein, hat mir dieser Herzensfreund eine Beschreibung gemacht, die mich mit Ehrfurcht und Bewunderung erfüllt; und die vortrefflichen Eigenschaften Ihrer Schwester kamen mir, wie freundliche Frühlings- Lüftchen entge gen. Ich schlürfte sie gierig ein, und siehe da, verschwistert sind die gleichgestimmten Seelen; geschlossen ist der Bund, den keine Macht mehr trennt.

FERDINAND
für sich.
Das geht zu weit –
LANGERS.

Sie müssen wissen, wir haben große Projekte; von uns beiden geht Glück und Segen für kommende Jahrtausende aus. Nimmt Rosalien bei der Hand. Ein neues Menschengeschlecht – Adam – Eva.

FERDINAND
tritt zwischen sie.
Genug –
LANGERS.
Schon wieder die Schlange in dem Paradies?
FERDINAND
leise, aber wüthend.
Dein Teufet – Du wirst mir folgen, auf der Stelle folgen.
LANGERS.
Wohin?
FERDINAND.
Wo man für dies Betragen Rechenschaft fordert –
LANGERS.
Du wirst doch nicht?
[274]
FERDINAND.
O ja, ich werde –
LANGERS.
Auf Schuß und Stich?
FERDINAND.
Ich oder Du –
LANGERS.
In dem Falle Du. Lacht. Geh nur voran, ich folge dir.
ROSALIE.
Wo wollen Sie hin?
LANGERS.
Zu einem kranken Freund, der Anfälle von Verrücktheit hat
FERDINAND
heftig.
Langers –
LANGERS.
In einem solchen hat er mich, seinen besten Freund auf ein Duell gefordert.
FERDINAND
zwischen den Zähnen.
Seinen Freund?
ROSALIE.
Und Sie wollten sich mit einem Verrückten schlaen?
LANGERS.
Der Mensch ist sonst nicht zur Vernunft zu bringen.
ROSALIE.
Aber Ihre Gefahr –
LANGERS.
Sind Sie wirklich um mich besorgt?
[275]
ROSALIE.
Bedarf das einer Frage?
LANGERS.
Sie nehmen Antheil an mir?
ROSALIE.
Den größten –
LANGERS.
Um so mehr muß der Mensch aus der Welt.
ROSALIE.
Warum?
LANGERS.
Dann trete ich in seine Rechte.
FERDINAND
kann nicht mehr an sich halten.
Nimmermehr!
ROSALIE.
Ferdinand – was geht das Sie an?
LANGERS
lacht.
O sehr viel – er kennt den armen verrückten, er kennt ihn recht gut.
FERDINAND.

Ja – ich kenne – und ich vertrete ihn gegen einen falschen, treulosen Freund, dem ich voll Vertrauen mein Herz öffnete, der dies Vertrauen mißbrauchte, der mir Rosaliens Herz, meinen Himmel, mein Glück, meine Ruhe entreißen will, aber so lang ich lebe, soll das nicht geschehen.

LANGERS.
Darum bring ich Dich erst um.
FERDINAND.

O ich Thor, ich leichtgläubiger Thor, ihn selbst herzuführen – im Vertrauen auf die Treue eines [276] Mädchens, das der Welt zum Muster dienen – die alte deutsche Redlichkeit wieder einführen will. Auf einmal ernst mit unterdrückter Stimme. Aber so waren die deutschen Frauen nicht – so sind sie nicht Fremden entgegen gekommen, haben nicht bei der ersten Zusammenkunft so bekannt mit einander gethan: – die haben ihre Augen sittsam zur Erde geschlagen. Da war noch Zucht und Ehrbarkeit in der Welt, jetzt ist Freundschaft – Achtung – Liebe – Treue – alles Betrug. – Leben Sie wohl, wir haben in dieser Welt uns nichts mehr zu sagen. – Wendet sich rasch zu Langers, heftig. Aber wir –

LANGERS
lacht.
Wir sprechen uns.
FERDINAND
schüttelt ihm die Hand.
Ja – ja – wir sprechen uns – und bald – wir sprechen uns. Stürzt wüthend ab.
ROSALIE.
Um Gotteswillen –
JULIE.
Erklären Sie mir –
LANGERS.
Was ist da zu erklären – er ist toll geworden, rein toll.
ROSALIE.
Aber Sie werden sich doch nicht mit ihm schlagen?
LANGERS.
Das will ich meinen – er muß auf dem Platz bleiben, oder zur Vernunft kommen, was ist Ihnen lieber?
[277]
ROSALIE.
Scherzen Sie nicht – sagen Sie mir –
LANGERS.

Im Ernst, was jetzt geschieht? Also hören Sie mich an. – Pathetisch. Er geht – ich folge ihm, das Verderben schreitet vor uns her – wir suchen eine abgelegene Gegend, legen ein Schnupftuch auf die Erde, jeder knieet auf dem entgegengesetzten Ende, wir nehmen geladene Pistolen – zielen –

ROSALIE
schreit.
Ach –
LANGERS.
Erschrecken Sie nicht – es geht nicht los – ich lache ihm ins Gesicht.
ROSALIE.

O thun Sie das – lachen Sie so viel Sie wollen, aber schießen Sie sich nicht mit ihm, versprechen Sie mir das.

LANGERS.

So wahr ich ein ehrlicher Kerl bin, und zu meiner Unterhaltung wohl närrische Streiche, aber nie einen schlechten mache. Aber sagen Sie mir, kommt der Parexismus oft?

ROSALIE.
Ach, es ist sein einziger Fehler!
LANGERS.

Auch der einzige muß aufhören, er muß mackellos dastehen, soll er würdig sein Ihr Mann zu werden. Hätte ich diese Schwachheit an ihm früher gekannt, so hätte ich mich wohl anders benommen, aber im Grunde reut es mich nicht, denn wer dem Freund nicht vertraut, muß bestraft werden.

[278]
ROSALIE
bittend.
Aber nur –
LANGERS.

Ruhig – Blut soll nicht fließen, so nöthig ihm auch eine kleine Aderlaß wäre, hier meine Hand darauf – aus der Todesgefahr rette ich den Kranken, dann übergebe ich ihn Ihrer Pflege, und mit dem ersten Glas Wein, das Sie Ihrem Rekonvaleszenten erlauben, trinken wir auf ewige Freundschaft, und auf das Wohl aller, die wir lieben. – Ob Sie, meine Domen, damit gemeint sind, ist mein Geheimniß, mit dem ich mich Ihrem freundschaftlichen Andenken bestens empfehle.Nach einer Verbeugung ab.

ROSALIE.
Julie! wie gefällt Dir der Mann?
JULIE
leise.
Wenn er weit genug entfernt ist, daß er es nicht mehr hören kann, so sag ich: gut.
ROSALIE.
Ich rufe ihm zum Fenster hinaus nach, er ist ein Engel.
JULIE
hält sie auf.
Du! Der zu stolze Engel ist zum Teufel geworden.
ROSALIE.

Richtig, er soll es nicht wissen. Die Weiber dürfen es nur fühlen daß die Männer gut sind, wissen dürfen es die Herren nicht – nein Schalkhaft. wissen dürfen sie es nicht.


Ende des zweiten Akts.

[279]

3. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt
Bilau, Grundmann.

BILAU.
Also die Räthin ist nicht zu bewegen?
GRUNDMANN.

Ein wahres Phänomen unserer Zeit. Wenige Frauen halten dem lebenden Manne so Wort wie sie dem todten.

BILAU.
Ihre Meinung wäre also, zum Aeußersten zu schreiten, meinen Sohn zu einem Entschluß zu bringen?
GRUNDMANN.
Dazu, daß man Dero Braut förmlich in das Haus einführe.
[280]
BILAU.

Hem – das hätte ich gerne vermieden, das wird ein Stadtgerede. Lacht. Indeß – jeder wackere Mitbürger ist verpflichtet, wenn gerade nichts auswärtiges die Zungen beschäftiget, auf ein paar Tage seinen guten Namen her zu leihen.

GRUNDMANN.
Und hier leihen wir mit Wucher.
BILAU.
Nun denn – ins Himmels Namen, lassen wir das Mädchen kommen.
GRUNDMANN
reibt vergnügt die Hände.
Sie ist schon da, werther Herr Prinzipal.
BILAU.
Schon da?
GRUNDMANN.
Schon seit einer Stunde auf meinem Zimmer.
BILAU.
Hören Sie – das macht mir ordentlich Herzklopfen – wie sieht sie denn aus?
GRUNDMANN.
Hem – nicht zu verachten, vor etwa 30 Jahren –
BILAU
lacht.

Hätte sie nicht eine Stunde auf Ihrem Zimmer bleiben dürfen. – Wäre sie Ihnen da in die Nähe gekommen –

GRUNDMANN.
Es hätte Funken gegeben, werther Herr Prinzipal.
BILAU.
Ei der Tausend – da könnte meine alte Hütte wohl gar in Flammen aufgehen.
[281]
GRUNDMANN
lacht.
Ha, ha, ha, stehe für nichts.
BILAU.
Fühle schon eine gewisse Unruh –
GRUNDMANN.
Der Bräutigam, der Bräutigam.
BILAU
lachend.
Närrisch wäre es denn doch, wenn daraus Ernst –
GRUNDMANN.
Gratulor, gratulor
BILAU
auf einmal ernst.

Warum nicht gar. – Ich habe mich freilich ziemlich conservirt, aber es giebt denn doch schon tiefe Falten. – Lassen wir den Spaß bleiben, ich glaube die Dirne lacht mir ins Gesicht, wenn ich – lassen wir es bleiben.

GRUNDMANN
geht achselzuckend einige Schritte.
Werde sie also mit Protest –
BILAU.
Freilich – der Junge muß Ernst sehen.
GRUNDMANN.
Das denke ich auch –
BILAU.
Wir bleiben sonst immer auf derselben Stelle.
GRUNDMANN.
Kommen nicht vom Fleck –
BILAU.
Und für das Glück seiner Kinder –
GRUNDMANN.
Muß ein Vater alles thun.
[282]
BILAU.
Sie haben recht – alles. In Gottes Namen denn, holen Sie das Mädchen, ich will den Kampf bestehen.
GRUNDMANN.
Es ist ja nicht der Kampf mit einem Drachen.
BILAU.

Aber mit einer Sirene, die manchmal zum Drachen wird. Geschwind holen Sie das Mädchen, ehe es mich wieder gereut.

GRUNDMANN.
Ich eile, ich fliege. Ab.
BILAU
sieht ihm nach.

Ei seht doch – der bedächtige Alte, der sonst nie aus seinem gemessenen Schritt kam, fängt heute an zu gallopiren, zu fliegen. – Das muß wahr sein, einen schönen Cupido habe ich mir zu meiner Liebesintrigue ausgesucht. – Horch kommt sie schon? – Ich bin, weiß Gott, ganz verlegen. Sieht in den Spiegel. Auf dieser Seite ist der Puder weg – daß dich – da giebt es graue Haare – ich will denn doch den Schaden repariren. Will ab, bleibt plötzlich stehen. Alter – lass' dich nicht vom Teufel blenden – du willst ja nicht heirathen, denkst nicht daran – es soll ja nur ein Schreckschuß sein, meinen Sohn aus seinem Taumel zu wecken – ist er erwacht, reicht er einem braven Mädchen die Hand, dann wandelt meine kleine Braut mit einer hübschen Mitgabe ihrem Dörfchen zu, reicht einem braven Bauerburschen ihre Hand, und betet für den alten Herrn, daß er sie nicht zu seiner, sondern zu der Frau eines braven Landmannes gemacht habe.

[283]
2. Auftritt
Zweiter Auftritt
Käthe, Bilau, Grundmann.

GRUNDMANN
oeffnet die Mittelthüre.
Nur da herein.
KÄTHE
gukt herein.
In die schöne Stube? – Ach Herr Je, wenn ich nur nichts verderbe, warte Er, ich komme gleich zurück.
GRUNDMANN
hält sie.
Wo willst Du hin?
KÄTHE.
Sieht Er denn nicht – der Regen, meine Schuhe, ich will sie nur ein wenig –
GRUNDMANN.
Bleib – da geh hinein – mach Deinen Knix.
KÄTHE
tritt furchtsam ein, bleibt an der Thür stehen, macht einen Knix.
BILAU.
Nur näher Kind.
KÄTHE
leise zu Grundmann.
Soll ich?
GRUNDMANN.
Freilich.
KÄTHE
geht etwas vor, macht wieder einen Knix.
BILAU
für sich.
Ein hübsches Kind – so komm doch
[284]
KÄTHE.
Es ist ja gegen den Respekt.
GRUNDMANN.
Gehe nur näher, der Herr hat es gerne.
KÄTHE.

Bei uns glauben die Bauern, es schicke sich nicht wenn man den vornehmen Leuten so auf den Hals tritt; aber wenn es der alte Herr gerne hat – so geh ich ihm schon näher.

GRUNDMANN
leise.
Du mußt ihn nicht alter Herr nennen.
KÄTHE.
Er ist aber alt.
GRUNDMANN.
Du brauchst es ihm aber nicht zu sagen.
KÄTHE.
Hört ers nicht gerne?
BILAU.
Komm her mein Kind – tritt vor mich hin.
KÄTHE
geht hin, küßt ihm die Hand, und macht wieder einen Knix.
Grüß den Herrn Gott.
BILAU.
Wie geht es bei Euch auf dem Lande?
KÄTHE.

Ei gut – Heu, Haber, Korn und Gerste, als voll auf. Die Bäume tragen kaum ihre Lasten – die standen aber auch heuer in der Blüthe, alle sahen so weiß aus, wie dem Herrn sein Kopf

[285]
GRUNDMANN
hustet verlegen.
KÄTHE.

Der Weinstock, für den wir des Regens wegen schon sehr in Sorgen waren, macht sich auch hübsch heraus, es giebt Trauben genug. Der Vater meinte ich sollte Ihm das gleich sagen, denn die Stadtherrn hätten immer Durst, und fragten fleißig nach dem Wein.

BILAU.
Wie geht es Deinem Vater?
KÄTHE.

Wie es dem Bauer geht – dem ist nicht leicht was recht. Bald zu viel Sonnenschein, bald zu viel Regen; der liebe Gott kann es meinem Vater nie recht machen, damit tröste ich mich, wenn ich sehe daß ich ihm auch nichts recht machen kann.

GRUNDMANN.
Es geht ihr gut vom Munde.
BILAU.
Also bist Du mit Deinem Vater nicht zufrieden?
KÄTHE.
Ei, wer sagt Ihm das? – Ja wohl bin ich mit meinem Vater zufrieden, aber er nicht mit mir.
BILAU.
Warum denn?
KÄTHE.

Das hat seine Ursachen, die kann ich dem Herrn nicht sogleich sagen, da müssen wir erst besser bekannt mit einander werden.

BILAU.
Also willst Du bekannter mit mir werden?
[286]
KÄTHE.
Nun freilich.
BILAU.
Du weißt warum Du in die Stadt gekommen?
KÄTHE.
Wenn ich das nicht wüßte? Ich soll den Herrn heirathen.
BILAU.
Und willst Du gerne meine Frau werden?
KÄTHE.
Mit Freuden.
GRUNDMANN
reibt sich die Hände und sagt leise zu Bilau.
Gratulor.
BILAU
halb verschämt.
O gehen Sie doch – das wäre –
GRUNDMANN.
Gottes Fügung –
BILAU.
Ich begreife gar nicht –
KÄTHE.

Der Vater sagt, wenn ich den Herrn heirathe, brauche ich nicht mehr vor Tages aus dem Bette und ehe noch die Sonne über die Berge gukt, auf das Feld zu gehen. Er sagt auch Lacht dumm. hi hi hi, ich würde schöne Kleider kriegen, und in einer schönen Stube sitzen. Nun sag Er mir, lieber Herr, ist das wahr?

BILAU.
Das ist alles wahr.
[287]
KÄTHE.
In einer solchen Stube werde ich wohnen?Sieht sich um.
BILAU.
In einer noch viel schönern.
KÄTHE.
Höre Er – ich heirath Ihn gar zu gerne.
BILAU
zu Grundmann.
Die kleine Hexe – hätte nicht geglaubt in meinen alten Tagen.
GRUNDMANN.
Nun wie alt sind wir denn?
BILAU.
Wir beide? Jeder von uns kann den 30 jährigen Krieg zweimal mitgemacht haben.
GRUNDMANN.
Ei was, wenn man nur mit ganzen Gliedern davon kömmt. –
BILAU
betrachtet Käthe, dann zu Grundmann.

Hübsch ist das Mädchen, ein bischen roh ist die liebe Seele; indeß die Stadtluft würde das bald verwischen. Sehen Sie sie doch einmal an – je mehr ich sie betrachte – sie sieht meiner seligen Frau ähnlich.

GRUNDMANN.
Richtig – die Nase –
BILAU.

Die war bei meiner seligen Frau etwas zu groß, den Fehler hat sie nicht. Wissen Sie was, lassen Sie mich einen Augenblick mit ihr allein, ich will denn doch sondiren, weß Geistes Kind sie sei.

[288]
GRUNDMANN.

Lauter Tugend und Unschuld, seltene Artikel, schwer aufzutreiben, freilich ländliche Sitten, aber unverdorben.

BILAU.
Wenn Jemand kömmt, ich habe Geschäfte.
GRUNDMANN.
Verstehe – die Post nicht expedirt, einen Wechsel zu acceptiren.
BILAU.
Recht, einen Wechsel –
GRUNDMANN.

Der Funke fängt, bald schlägt die Flamme zum Dach hinaus, aber ich werde nicht löschen – es ist ein Jubelfeuer, ich wärme mich, ich werde wieder jung dabei, ich schreie aus dem Grunde meines Herzens gratulor, gratulor!Schnell ab.

3. Auftritt
Dritter Auftritt
Bilau, Käthe.

BILAU
für sich.

Hätte ich doch nicht geglaubt, daß mir ein paar Weiberaugen noch so gefährlich werden könnten. An den Stadtdamen ging ich immer ganz ruhig vorüber, und hier – es klopft – wahrhaftig – es klopft – hem – ich glaube selbst, mit der könnte ich es noch einmal wagen – die ist unverdorben, lenkbar – dankbar – folgsam wie ein Kind – wohlan Wendet sich rasch zu ihr. Warum lachst Du?

[289]
KÄTHE.
Weil er so mit sich selbst spricht.
BILAU.
Thust Du das nie?
KÄTHE.
Was hilft mir denn das Reden, wenn mir niemand antwortet.
BILAU
für sich.
Ganz Unschuld und Natur. Laut. Wie heißest Du?
KÄTHE.
Weiß der Herr das nicht?
BILAU.
Nein.
KÄTHE.
In unserm Dorfe wissen es alle Leute, sie nennen mich Krums Käthe.
BILAU.
So –
KÄTHE.
Der Krums ist mein Vater, die Käthe bin ich.
BILAU.
Komm näher Käthe.
KÄTHE
stellt sich vor ihn hin.
BILAU.
Gieb mir die Hand.
KÄTHE
will sie geben, sagt dann schnell.
Warte Er. Wischt sie mit der Schürze ab. So – da hat Er sie.
BILAU.
Sieh mich an.
[290]
KÄTHE
sieht ihn dumm an.
BILAU.
Gefall' ich Dir?
KÄTHE.
Nein, lieber Herr, Er gefällt mir nicht.
BILAU
läßt ihre Hand los, und geht von ihr weg.
Da haben wirs – Nach einer Pause geht er zu ihr. Du willst mich also nicht heirathen?
KÄTHE.
Wer sagt das? Ich nehme Ihn gleich.
BILAU.
Wenn ich Dir auch nicht gefalle?
KÄTHE.

Das thut nichts – der Vater hat mir gleich gesagt, daß Er mir nicht gefallen wird, Käthe, hat er gesagt, der Herr ist schon alt, und gar nicht hübsch; mußt darum nicht erschrecken; in der Stadt sieht man nicht auf die Gestalt, nur aufs Geld; brauchst ihn auch nicht zu lieben, mußt ihn nur warten und pflegen, und ihm Kindestreue thun, dann bist du eine gemachte Frau, hast Kutsche, Pferde, Felder, Wiesen, Knecht und Mägde. – Nun sag Er mir, ist denn das alles wahr?

BILAU.
Ja – das ist wahr.
KÄTHE.
Das ist schön – das ist schön.
BILAU.
Was?
[291]
KÄTHE.
Daß ich mir Mägde – und Knechte halten kann.
BILAU.
Ei –
KÄTHE
vertraut.
Hör Er – ich weiß einen
BILAU.
So?
KÄTHE.
Den hab ich gar zu lieb.
BILAU.
Charmant –
KÄTHE.

Er ist ein braver Bursche – war bei uns Oberknecht; weil wir uns aber gar so lieb hattenWeinerlich. hat ihn der Vater fortgejagt.

BILAU.
Das war recht.
KÄTHE.

Nein, das war nicht recht. Lacht. Es hat ihm auch nichts geholfen, wir haben einander noch immer lieb.

BILAU
für sich.
Schöne Entdeckung –
KÄTHE.

Wie ihn der Vater fortgejagt, bin ich ganz desperat geworden, und habe mich zu Tode hungern wollen. Zwei Tage habe ich nichts gegessen, aber am dritten bin ich doch wieder hungrig geworden, und habe mich mit dem Gesinde an die volle Schüssel gesetzt. – Hm dacht ich, wenn auch der Hans nicht mehr im Haus [292] ist, in demselben Dorf ist er doch; lieb haben kann ich ihn ja doch, und wenn der Vater einmal über Land geht – husch bin ich bei ihm.

BILAU.
Schön, schön –
KÄTHE.

So haben wir es denn seit einem halben Jahr gehalten, wenn ich aufs Feld, oder in den Wald zu Holz ging, auf der Straße stand mein Hans.

BILAU.
Dein Hans?
KÄTHE.
Und wie ich heute in die Stadt ging – richtig – an der schwarzen Mühle stand mein Hans.
BILAU.
Dein Hans?
KÄTHE.

Er weinte, meinte, wenn ich eine vornehme Frau würde, könnte ich ihn vergessen. Da sagte ich aber, er solle nur ruhig sein, ich werde meinen Mann gleich bitten, ihn als Oberknecht ins Haus zu nehmen. Hör Er, thue Er das, es soll sein Schade nicht sein. Ich verstehe das Haus- und Feldwesen, Hans ist auch nicht dumm, wir wollen die Wirthschaft führen, daß Er seine Freude daran haben soll – nicht wahr, Er verspricht es mir, Er nimmt den Hans ins Haus?

BILAU.
O Unschuld – o Natur – o Reinheit der Sitten!
KÄTHE.
Wenn Er gleich einen Bothen nach Treuenfeld schickt, so kann Hans noch vor Abend hier sein.
[293]
BILAU.
Hat es solche Eile?
KÄTHE.

Ja lieber Herr – er sitzt zu Haus bei seiner kranken Mutter, er muß sie ernähren und hat jetzt wenig Verdienst. Ich habe mir oft das Essen vom Munde gespart, und es der alten Frau gebracht. Jetzt sorgt Niemand für sie, sie lebt in einer schlechten, ganz verfallenen Hütte; aber wie ich den Herrn heirathe, und sein Geld bekomme, lass' ich dem Hans und seiner Mutter gleich ein schönes Haus bauen.

BILAU
schlägt die Hände zusammen.

Mit meinem Gelde? Für sich. Hätte ich doch den alten Cupido nicht fortgeschickt, der hätte sein Wunder gehört. Bedingt sich wie eine Stadtdame noch vor der Hochzeit ihren Liebhaber, läßt ihm auf meine Kosten Häuser bauen; o Natur, Natur! – Aber höre Käthe, wenn ich Deinen Hans nicht ins Haus nehme, was geschieht dann?

KÄTHE.

Dann? – Ei nun, dann weiß ich mir auch zu helfen; er fährt alle Woche zweimal auf den Heumarkt in die Stadt, dann geh ich zu ihm.

BILAU
schreit.
Auf den Heumarkt! Meine Frau auf den Heumarkt! – Gott stehe mir bei, Grundmann, Grundmann!
4. Auftritt
Vierter Auftritt
Grundmann, Vorige.

GRUNDMANN
guckt zur Thüre herein.
Alles richtig?
[294]
BILAU
lachend.
Alles, alles, nur herein.
GRUNDMANN.
Darf also von Herzensgrund –
BILAU.
Gratuliren?
GRUNDMANN.
Der erste sein, der diese frohe Neuigkeit dem ganzen Haus –
BILAU.

Ja – ja, Sie dürfen es auf dem Markt ausrufen, der alte Bilau hatte einen Fieberanfall, ist aber in wenig Minuten glücklich kurirt.

GRUNDMANN
lächelnd.
Ja, so ein ländliches Hausmittel.
BILAU.

Das Hausmittel ist auch in der Stadt im Gebrauch; es hilft aber nur als Präservativ. Kommen Sie her, da her. – Sagt ihm leise. Ich heirathe nicht.

GRUNDMANN
erstaunt.
Nicht?
BILAU.
Still, das Mädchen darf es meines Sohnes wegen nicht wissen.
GRUNDMANN.
Da Sie aber das gute Kind so herzlich liebt –
BILAU
lacht.
Mich?
GRUNDMANN.
Sich so sehr freute, Ihre Frau zu werden.
[295]
BILAU.
So sehr, daß sie mich bat, ihren Hans ins Haus zu nehmen.
GRUNDMANN.
Einen Hans?
BILAU.
Den sie liebt.
GRUNDMANN.
Einen Hans? Den sie liebt? O du Hexe!
BILAU.

Stille Freund – ich komme noch gut weg, daß ich mich an ein Landmädchen machte; die hat mir doch treuherzig vorher gesagt, was ich zu erwarten habe, bei einer Stadtdame hätte ich das alles erlebt.

GRUNDMANN.
Auf die hätte ich mein Blut verwettet.
BILAU.
Tugend und Unschuld – nicht wahr Herr Grundmann, nur hier zu finden?
GRUNDMANN.
O Menschengeschlecht, wo kommt es mit dir hin?
BILAU.

Nun ich hoffe, in der Art soll es die letzte Erfahrung sein, die wir beide machen. Weisen Sie ihr ein hübsches Zimmer an, sie paradire als meine Braut, die Haushälterin soll ihr Gesellschaft leisten, wir wollen die ländliche Unschuld in Ehren halten, aber – nicht heirathen. Wir beide, lieber Grundmann, dürfen nur als Braut-Väter bei einer Hochzeit erscheinen, die Hand zum segnen ausstrecken, und rufen: seid glücklich meine Kinder! – Dann dankt uns ein nasses Auge, und ein Herz voll Liebe. Dem Gefühl [296] dürfen wir vertrauen, alles übrige geht in unsern Jahren unser Geld an, ist Schein, ist Heuchelei. Also weg damit. Grundmann, Sie verlieren Ihre neue Stelle, Sie hören auf mein Liebesbothe zu sein; aber Sie bleiben was Sie mir seit Jahren waren – mein lieber, guter, be ster Freund. Ab.

5. Auftritt
Fünfter Auftritt
Die Vorigen, ohne Bilau.

GRUNDMANN
sieht Käthe verdrüßlich an, und kehrt ihr den Rücken.
KÄTHE
geht auf ihn zu, und sagt nach einer Pause.
Alter Herr!
GRUNDMANN.
Lass' mich zufrieden.
KÄTHE.
Warum ist Er denn böse auf mich?
GRUNDMANN.
Weil Du ein dummes Ding bist.
KÄTHE.
Das sagt der Vater alle Tage.
GRUNDMANN.
Sagt er das?
KÄTHE.

Aber er meint, wenn ich nur erst ein paar Jahre in der Stadt wäre, würde ich schon gescheidter werden.

GRUNDMANN.
Anlage ist da.
KÄTHE.
Er sagt: wie ein Bauern-Mädchen zum Thor herein käme, ging ihr schon das erste Licht auf.
[297]
GRUNDMANN.
Bei Dir war es eine Fackel.
KÄTHE.

Und es muß auch wirklich so sein. Zu Hause bin ich furchtsam, aber hier in der Stadt rede ich frisch von der Leber weg.

GRUNDMANN.
Das muß wahr sein, das hast Du gethan.
KÄTHE
legt die Hand auf seine Schulter, und fragt vertraut.
Höre Er – was hat denn der alte Herr mit ihm heimlich gesprochen?
GRUNDMANN.
Auch neugierig ist die liebe Seele – o Eva, o Eva –
KÄTHE.
Geschwind, sag Er mir –
GRUNDMANN.
Es geht Dich nichts an.
KÄTHE.

Ja wohl geht es mich an, ich hörte es ja, er sprach von meinem Hans. Streichelt ihm das Kinn. Lieber alter Herr, was sagte Er von ihm?

GRUNDMANN.
Du Schmeichelkatze –
KÄTHE.

Hat Er die Katzen gerne? Ich hab ein ganzes Nest voll auf dem Boden, Er soll sie haben, alle haben, wenn Er mir sagt, was der alte von meinem Hans gesprochen. Er soll ihn holen lassen, nicht wahr?

[298]
GRUNDMANN.
Holen?
KÄTHE.

Ja, holen – das hat Er ihm gesagt. Schick Er doch gleich fort, das Haus ist leicht zu finden, sag Er dem Bothen nur: bei unserm Maierhof vorbei, links um die Ecke bei der großen Schmiede durch das kleine Gäßchen, den Bach aufwärts, über den schmalen Steg, dort stehen drei Linden da muß er vorbei, rechts steht die Kirche, die läßt er stehen, seitwärts führt ein Pfad auf einen kleinen Hügel, auf dem Hügel steht eine Hütte, und in der Hütte wohnt mein Hans.

GRUNDMANN.
Wohnt er da?
KÄTHE.
Wenn ich Abends zu seiner Mutter kam, stand er immer unter der Thüre.
GRUNDMANN.
Dort mag er bis in alle Ewigkeit stehen, wir brauchen ihn nicht.
KÄTHE.
Hör Er – wenn der Hans nicht kommt, giebts keine Hochzeit.
GRUNDMANN.
Das glaub ich selbst.
KÄTHE.
Den muß der alte Herr ins Haus nehmen.
GRUNDMANN.
Der Hans soll Dich ins Haus nehmen, dann ist allen geholfen.
[299]
KÄTHE.

Ach ja – dann wäre uns geholfen, dann braucht ich weder Geld noch Gut. – Aber das thut mein Vater nicht, der Hans ist ihm zu arm; es wird wohl bei dem alten Herrn bleiben.

6. Auftritt
Sechster Auftritt
Ferdinand, die Vorigen.

FERDINAND.
Hat Niemand nach mir gefragt?
GRUNDMANN.
Der Herr Prinzipal schon zweimal.
FERDINAND.
Was will mein Vater?
GRUNDMANN.
Ihren letzten Entschluß.
FERDINAND.
Ich heirathe nicht.
GRUNDMANN.
Hochzeit giebt es darum doch.
FERDINAND.
Stürmt denn alles auf mich ein? Wirft sich auf einen Stuhl.
KÄTHE
zu Grundmann.
Höre Er – wer ist denn der?
GRUNDMANN.
Der junge Herr vom Haus, der wird Dein Sohn.
KÄTHE.
So – hab ich schon einen Sohn? – Warum ist er denn aber so traurig?
[300]
GRUNDMANN.
Weil er sich vor der Stiefmutter fürchtet.
KÄTHE.
Vor mir?
GRUNDMANN.
Er meint, wenn Dich sein Vater heirathet, werde er ihn gar nicht mehr lieben – nur Dich.
KÄTHE.
Sein Vater braucht mich gar nicht zu lieben, sag Er ihm das, damit er wieder frohen Muthes wird.
GRUNDMANN.
Sprich Du selbst mit ihm – frag ihm, was ihm fehlt.
KÄTHE
geht hin, macht einen Knix, dann sagt sie zu Grundmann.
Er sieht mich ja nicht an – wie heißt Er denn?
GRUNDMANN.
Nenne ihn nur Herr Sohn.
KÄTHE
geht näher, macht wieder einen Knix und sagt.
Guten Tag Herr Sohn –
FERDINAND
fährt wild auf.
Was giebt's?
KÄTHE
fährt zurück.
Hat Er mich doch erschreckt!
FERDINAND.
Was will Sie?
KÄTHE.
Ich? Nichts, gar nichts.
[301]
GRUNDMANN.
Sie wollte Sie nur fragen, was Ihnen fehlt?
FERDINAND.
Was geht das sie an?
GRUNDMANN.
Freilich geht es sie an – sie wird ja Ihre Mutter.
FERDINAND
fährt vom Stuhl auf, faßt sie wild bei der Hand.
Du? Sie? Die? Diese Kreatur –
GRUNDMANN.
Respekt, Respekt.
KÄTHE
schreit.
O weh, er bringt mich um!
GRUNDMANN.
Wie? Die Frau Mutter –
KÄTHE.
Lass' Er mich los, sonst schrei ich, daß man es in unserm Dorf hört – dann kommt mein Hans.
GRUNDMANN.
Bedenken Sie, das Mädchen ist Ihres Vaters Braut.
FERDINAND
läßt Sie los.
Braut?
GRUNDMANN.
Wird Ihre Mutter.
KÄTHE
weint.

Nein, daß Er's nur weiß, das werd ich nicht, und sollt es mir das Leben kosten. Sein Vater ist alt, und gar nicht hübsch, aber dennoch hätt ich ihn vom Fleck weg geheirathet, weil er doch freundlich ist, aber den groben Herrn Sohn mag ich nicht – ich [302] gehe fort – ich bleib nicht in der Stadt. – Zwar wird mich der Vater einsperren bei Wasser und Brod – und alle Tage hab' ich meine Prügel – thut nichts, wenn ich sie nur weg habe dann wird er doch wieder gut, und nennt mich wieder seine liebe Käthe. – Dann will ich mich vor ihm hinstellen, und will ihn bitten, so wie man den lieben Gott um etwas bittet, Vater, will ich sprechen, ich will nicht reich und vornehm werden, ich will bei Euch bleiben, gebt mir meinen Hans. Er gibt mir ihn – ja – mir sagts mein Herz, er gibt mir ihn; dann bin ich glücklich und zufrieden, dann bringt mich kein Mensch mehr in die Stadt. Ab.

GRUNDMANN.

Käthe – halt! – Zu Ferdinand. Was haben Sie gemacht? der Frau Mutter so zu begegnen? – Ich muß ihr nach, sie besänftigen, das Haus zu sperren – haltet auf, haltet auf! Ihr nach.

FERDINAND.

Wie ist mir denn? Ist alles um mich her von Sinnen? Diese Dirne wäre meines Vaters Braut? Fällt alles von mir ab? Geliebte, Vater, Freund? – Wo er nur bleibt. – Ich Narr, ich Thor, ihn selbst noch dahin zu führen, da ich Rosaliens, da ich seinen Leichtsinn kenne. – Als er noch hier war, lief er jeder Schürze nach, jetzt hat er die Verstellungskunst in ein System gebracht, er lauert Schwächen ab, stimmt in jede Meinung – sein Verstand intriguirt, sein Witz glänzt, er hat gewonnen – ha, ha, ha, beim Teufel nein, er hat noch nicht gewonnen. Ich oder er, ihm bleibt nur diese Wahl!

[303]
7. Auftritt
Siebenter Auftritt
Langers, Ferdinand. Langers, im Mantel, tritt ein.

FERDINAND.
Endlich – Sie liessen lange warten.
LANGERS.
Das ist sonst nicht meine Art.
FERDINAND.
Diesmal konnten Sie sich nicht losreißen?
LANGERS.
Ich mußte versprechen bald wieder zu kommen.
FERDINAND
voll Wuth.
Ha – Sie dürften Wort halten –
LANGERS.
Wer weiß –
FERDINAND
heftig.
Ich, ich weiß es – zur Sache!
LANGERS.

Noch ein Wort – ehe ich mich schlage, versprichst Du mir, im Fall ich bleibe, diesen Zettel in alle gelesene Blätter Deutschlands, und deren sind jetzt viele – einrücken zu lassen.

FERDINAND.
Was enthält er?
LANGERS.
Im Tode ist Wahrheit – lies – Giebt ihm ein Papier.
FERDINAND
liest hastig.
Ferdinand Bilau, gibt sich die Ehre anzuzeigen, daß er rein toll geworden – ha –
[304]
LANGERS
ruhig.
Weiter, weiter –
FERDINAND
liest.

Und in einem Anfall von Wuth seinen besten Freund – Zerreißt das Papier. das unterschreibe ich nicht –

LANGERS
kalt.
So schlag ich mich auch nicht. Will gehen.
FERDINAND
höhnisch lachend.
Ha, ha – war das die Windstille, die das Schiff nicht von der Stelle ließ? Feigheit? Lebenslust?
LANGERS
kehrt plötzlich um, heftig.

Lebenslust? Ja, die hab ich, der liebe Gott hat kein Geschöpf gemacht, das sich mehr seiner schönen Erde freut – aber Feigheit! Den will ich sehen, dem das Herz mehr auf der rechten Stelle sitzt, mein Wagen ist angespannt, ich bin reisefertig, in diese oder jene Welt, hier ist mein Testament, und hier sind Degen und Pistolen, wähle – Schlägt den Mantel zurück, hat zwei Degen in der Hand, und nimmt aus der Tasche zwei Terzerole.

FERDINAND
stutzt einen Augenblick da er ihn bewaffnet sieht, dann sagt er schnell.
Pistolen!
LANGERS.
Die machen Lärm –
FERDINAND.
Komm mit vors Thor.
[305]
LANGERS.
Nicht von der Stelle.
FERDINAND.
Den Degen –
LANGERS
giebt ihm einen, zieht den andern.
Er ist gezogen. – Wehre Dich, ich fechte gut –
FERDINAND
dringt auf ihn ein.
Ich treffe –
LANGERS
schreit.
Halt – Blut, ich bin verwundet –
FERDINAND
erschrickt.
Wo?
LANGERS.
Hier. Hält die Hand auf die Brust. Mitten durch.
FERDINAND
wirft den Degen weg.
Gott! – Was hab' ich gethan?
LANGERS
hält sich an ihn.
Stille – denk auf Flucht –
FERDINAND.
Nein – ich lasse Dich nicht – Hülfe!
LANGERS.
Pst – Hält ihm den Mund zu. Bist Du von Sinnen? Du bringst ja alles in Allarm –
FERDINAND.
Sie sollen helfen, retten –
LANGERS.
Ferdinand, verstehst Du denn keinen Spaß?
[306]
FERDINAND.
Spaß?
LANGERS.

Glaubst Du ich würde mich im Ernst von Dir erstechen lassen? Du – fechten kann ich – bin schon manchmal dabei gewesen, ans Leben kommst Du mir so nicht.

FERDINAND.
Aber – ich sah ja Blut –
LANGERS
lacht.

Euch Verliebten kann man doch alles weiß machen, erst sieht er in der gewöhnlichsten Galanterie Liebe, und jetzt sieht er Blut ohne Wunde.

FERDINAND.
Galanterie? Und weiter nichts? Gewiß nichts?
LANGERS.

Her mit der Hand – ich habe Dich als einen Hitzkopf – aber, als einen braven Kerl kennen gelernt. Hättest Du, als Du mich verwundet glaubtest, auf Flucht gedacht, dann wäre ich zu Rosalien gegangen, und hätte gesagt: schlage in meine Hand deutsches Mädchen, er ist Deiner nicht werth, aber so warst Du brav, ich bin auch brav, und – alle meine gesammelte Weiberkenntniß müßte trügen, oder Rosalie ist es auch. – Darum lege den häßlichen Fehler der Eifersucht ab, ver traue, glaube an die Tugend, an die Treue Deiner Geliebten, und an den Handschlag eines Freundes.

FERDINAND.
Langers! Kannst Du mir verzeihen?
LANGERS.
Von Herzen.
[307]
FERDINAND.

Meine Tollheit – meine Heftigkeit – aber Du warst selbst Schuld – Du warst ja dort gleich wie zu Haus.

LANGERS.

Würde man denn glauben, daß ich aus Paris komme, wenn ich nicht gleich jedes Haus als das meinige ansähe –

FERDINAND.
Du liebst Rosalien nicht?
LANGERS.
Bis jetzt – nicht.
FERDINAND.
Heirathest ihre Schwester?
LANGERS.
Halt – das hab' ich nicht gesagt –
FERDINAND
dringend.
Beweise mir –
LANGERS.
Der Beweis geht über meine Kräfte.
FERDINAND.
Freund!
LANGERS.
Die gefällt mir nicht.
FERDINAND.
Du kennst sie nicht – sie hat Verstand –
LANGERS.
Ich kann die Weiber nicht leiden, die für ihre Männer denken.
FERDINAND.
Sie hat das beste Herz –
[308]
LANGERS.

Giebt Almosen, sucht Kranke auf, wartet und pflegt sie, weiß, weiß alles, fühle übernatürliche Verehrung, aber keine Liebe. Alles was ich für Dich thun kann ist, daß ich wie ein irrender Ritter im Lande herum ziehe, ihr einen Mann suche, und mich mit jedem auf Leben und Tod herumschlage, der sie nicht heirathen will.

FERDINAND.

Noch einen Vorschlag – komm mit mir hin, berede wenigstens die Mutter, daß sie in mein Glück willige.

LANGERS.

Am Ende soll ich wohl gar die Mutter heirathen, damit ich Dich als Vater segnen kann? Lauter Propositionen, die mir an den Hals gehen.

FERDINAND.

Langers, scherze nicht, ich bin in Verzweiflung! – Heute noch muß ich ihre Einwilligung haben, sonst heirathet morgen mein Vater. Die Braut ist schon im Hause, ich habe sie gesehen.

LANGERS.
Was Teufel –
FERDINAND.
Eine Bauerndirne, roh, dumm –
LANGERS.
Alter Herr! Das wäre ja –
FERDINAND.
Mein Unglück, sein Unglück – o Bruder Rettung, Hülfe, sonst bin ich verloren.
LANGERS.

Nun wohlan – ich gehe hin, rede mit der Mutter, [309] aber wenn mir gegen die Tochter, gegen die mit den großen schwarzen Augen, eine Tändelei entschlüpft, daß ich mich nicht noch einmal mit Dir herumschlagen muß, denn einmal könnte es doch krachen, und ich habe mein Erdenleben gar zu lieb.

FERDINAND.
Ewiger Friede –
LANGERS.
Ewige Freundschaft –
FERDINAND.
Wir sind Brüder, treue Brüder – und wenn das Glück gut geht, vielleicht bald Schwäg –
LANGERS
hält ihm den Mund zu.

Stille – die Mädchen haben feine Ohren, sie hören es Häuser weit, wenn man vom Heirathen spricht. Noch gehöre ich allen, noch flattre ich wie der Vogel in der Luft – ob die mich fängt in einem glänzenden Pallaste; im Blüthenhain am murmelnden Bache, oder unter einem Strohdach sitzt, das weiß ich nicht, aber ich strecke meine Hand nicht nach ihr aus, bis mir mein Herz laut zuruft – das ist sie – dann drücke ich sie an mein Herz – und dann – wer ein guter Ehemann werden will, der spiegle sich an mir.Beide Arm in Arm ab.


Ende des dritten Akts.

[310]

4. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt
Julie, Rosalie.

JULIE
stickt.
ROSALIE
tritt hastig ein.
JULIE
springt auf.
Nun weißt Du noch nichts?
ROSALIE.
Leider ja.
JULIE.
Leider?
ROSALIE.
Das Unglück ist geschehen.
JULIE.
Um Gotteswillen!
[311]
ROSALIE.
Sie haben sich duellirt.
JULIE.
Wer ist todt?
ROSALIE.

Keiner ist todt – aber ärgerlich ist es denn doch, daß sich zwei Freunde so vergessen können. Ich habe Martin spioniren geschickt; Langers Bedienter besorgte Degen und Pistolen.

JULIE
schreit.
Pistolen?
ROSALIE.

Bei Ferdinand muß man sich wundern, wenn er nicht mit Kanonen zu Felde zieht. Wenn der ein großer Herr geworden wäre, der ließe marschiren; Gott sei meinem Ehestand gnädig, ich werde die weiße Fahne auf allen Hüten und Hauben aufpflanzen müssen.

JULIE.
Aber so erzähle doch, wie –
ROSALIE.
Man hat Postpferde bestellt.
JULIE.
Wer ist fort?
ROSALIE.

Keiner. Martin hat sich im Bilauschen Hause auf der Treppe in ein Winkelchen postirt, Ferdinand gieng wie ein Rasender an ihm vorüber; bald darauf kam Langers, den Hut tief in die Augen gedrückt, den Mantel über das Gesicht geschlagen, Martin sagt, es war schauerlich. Kaum war Langers in das Zimmer getreten, hörte Martin laut und heftig [312] sprechen, er näherte sein langes Ohr der Thüre, und hörte deutlich –

JULIE.
Den Schuß?
ROSALIE.
Degen-Geklirr.
JULIE.
Er stürtzte gleich hinein – zwischen sie?
ROSALIE.

Dazu hatte er sein 78 jähriges Leben zu lieb, er wartete ganz ruhig ab, bis einer schrie – halt, ich bin verwundet.

JULIE.
Wer ist verwundet?
ROSALIE.
Ihm schien, es war Langers –
JULIE.
Nun drang Martin ins Zimmer, half, verband die Wunde?
ROSALIE.
Nicht doch, Martin eilte nach Hause.
JULIE.
Und Langers blieb ohne Hülfe?
ROSALIE.
Hätte Martin Lärm gemacht, wüßte es jetzt die ganze Stadt.
JULIE.
Aber ihm wäre geholfen, jetzt liegt er in seinem Blute –
ROSALIE.

Was schadet das einem vollblütigen Menschen? [313] Besser er verliert ein paar Unzen Blut, als wir unsern guten Namen.

JULIE.
Diese Kälte, diese Ruhe – wäre Ferdinand der Verwundete, Du würdest nicht so sprechen.
ROSALIE.

Du irrst – wenn es nicht an's Leben geht, so möchte ich wohl, daß Ferdinand der Gezeichnete wäre. Glück im ersten Duell kreirt eben so gewiß einen privilegirten Duellanten, wie die erste Terne einen ausgemachten Lottospieler schafft. Nun geht erst der Zweikampf mit mir an, nun fragt es sich erst, ob ich den Herrn nehme? Die Todtschlagekunst hat im Universum Unglück genug angerichtet; das ginge mir ab, daß man jetzt den Krieg so im Kleinen in den Häusern führte.

JULIE.
Schicke doch gleich hin –
ROSALIE.
Weßhalb?
JULIE.
Damit wir hören was der arme Langers –
ROSALIE.

Der ist für uns ein weltfremder Mensch; wäre er in der Schlacht geblieben, wir dürften nicht einmal schwarz um ihn gehen.

JULIE.
Es erfordert ja die Menschenliebe, daß man –
ROSALIE.
Ruhig abwartet.
JULIE.
Schwester! Um Deinetwillen ward –
[314]
ROSALIE.
Troja zerstört.
JULIE.
Diese Härte, diese Kälte –
ROSALIE.

Macht den Kontrast zu Deinem Mitleid, Deinem Feuer. – Julie! wie ist Dir denn? Dein Gesicht glüht, Dein Herz pocht, Dein Auge sagt – ich liebe. O Amor und Psyche, es ist um Dich geschehen.

JULIE.
Ach! –
ROSALIE.
Horch – Geräusch auf der Treppe – die Ritter nahen, das Gericht beginnt.
2. Auftritt
Zweiter Auftritt
Langers, Ferdinand, die Vorigen.

LANGERS
trägt von ungefähr die Hand in dem zugeknöpften Frack.
Hier bringe ich einen versöhnten Feind.
ROSALIE.
Versöhnt mit Ihrem Blute.
LANGERS.
Woher wissen Sie?
JULIE.
Sie sind verwundet –
ROSALIE.
Von diesem Grausamen. Zu Ferdinand.
JULIE.
Wir wissen alles.
[315]
ROSALIE.
Wo sind Sie verwundet?
JULIE.
Ach – hier die Hand!
ROSALIE.
Sie verbergen uns umsonst –
LANGERS
den Irrthum benutzend, scheinheilig.
Man trägt sein Unglück nicht zur Schau.
JULIE.
Sie sind blaß –
LANGERS.
Der Blutverlust –
ROSALIE.
Geschwinde einen Sessel.
FERDINAND
für sich.
Welche Sorge.
JULIE.
Hält der Verband noch fest?
LANGERS.
Ich bin noch nicht verbunden.
JULIE.
Nicht – mein Gott! Reißt ein Stück Mousselin von der Stickerei weg. Die Hand her – geschwind.
ROSALIE.
Wir wollen sie verbinden.
LANGERS.
Herzlich gerne – aber, Zieht die Hand hervor. es fehlt ihr nichts.
JULIE
erstaunt.
Nichts?
[316]
ROSALIE.
Die Hand ist ganz.
LANGERS.
Alle fünf Finger.
JULIE.
Sie blutet nicht.
LANGERS.
Hat auch nicht geblutet.
ROSALIE.
Aber verwundet sind Sie doch?
LANGERS
seufzt.
Ja!
BEIDE MÄDCHEN.
?Wo?
LANGERS
deutet aufs Herz.
Hier.
FERDINAND
lacht.
Der Scherz ist allerliebst.
ROSALIE
wendet sich schnell zu ihm.
Was Scherz? Sie, Sie können lachen, nachdem Sie uns diese unverzeihliche Angst gemacht?
FERDINAND.
Es war –
ROSALIE.
Thorheit, mit einem Manne eifersüchtig zu sein, den man zum erstenmal sieht.
FERDINAND.
Meine Liebe –
ROSALIE.

Gründet sich nicht auf Vertrauen, folglich ist [317] das keine Liebe die heirathen darf. Wir sind geschieden.

FERDINAND.
Rosalie –
ROSALIE.

Ein ehrlicher Kaufmann muß Gott vor Augen, seine Frau im Herzen, und hinter dem rechten Ohr seine Feder haben. Der zieht keinen Degen, der kennt Pistolen nur als eine Münze, und endet mit einem Wortwechsel jeden Streit.

FERDINAND.
Auch wenn er Recht hat?
ROSALIE.
Das hat der Eifersüchtige nie.
FERDINAND.
Wenn man sein Herz angreift?
ROSALIE.
Den Kaufmann erschreckt nur ein Angriff auf seine Kasse.
FERDINAND.
Wenn man ihm seine Frau verführt?
ROSALIE.

Halt – jetzt sind wir auf dem Punkt den wir abzumachen haben. Ihr Verdruß entstand, weil Sie glaubten, ich hätte die Ehre Herrn Langers zu gefallen?

LANGERS.
Gehorsamster Diener, die Ehre ist ganz auf meiner Seite.
ROSALIE.

Ich erkläre also hiermit, daß ich das Recht habe, [318] und mir es in jedem künftigen Verhältnisse ausbedinge, allen Männern zu gefallen.

FERDINAND
schreit.
Allen?
ROSALIE.

Repetire – allen Männern zu gefallen, räume Ihnen aber dagegen das Recht ein von mir zu verlangen, daß mir außer Ihnen, keiner gefalle. Dieses Recht muß jedoch durch artiges, gefälliges Betragen erworben, und durch Ver trauen erhalten werden. An beiden haben Sie sich insolvent erklärt; was für Rechte haben Sie denn noch auf mich? Keines. Ich darf also mein, seit einem Jahr nur auf Ihnen haftendes Auge wieder auf die Menge werfen, und zu meinem Herzen sagen: – suche Dir aus was Dir gefällt.

LANGERS.

Charmant, unter der Menge bin auch ich – ich strecke mich, ich stelle mich auf die Zehen, daß Sie mich bemerken.

FERDINAND.
Und ich liege zu Ihren Füßen – verzeihen Sie mir.
ROSALIE.

Mein Gott! Für einen Kaufmann, welche Attitüde! – Auf, mein Freund! Daß es die Weit nicht sieht. – Was thut der Biedermann, dem man vertrauen soll?

FERDINAND.
Er schwört –
ROSALIE.
Nicht doch, er gibt sein Wort.

[319] Muß sehr schnell gesprochen werden.
FERDINAND.
Seine Hand – ich vertraue.
ROSALIE.
Ich liebe –
FERDINAND.
Gleiche Rechte –
ROSALIE.
Gleiche Liebe –
FERDINAND.
Bis in den Tod.
ROSALIE.
Bis in den Tod. Umarmt ihn.
LANGERS.
Amen! Zu Julien. Was meinen Sie Fräulein, werden die Leutchen Wort halten?
JULIE
verlegen.
Ich habe darin zu wenig Erfahrung.
LANGERS.
Ich desto mehr. Wenn beide nicht auf der Stelle sterben, hält keines seinen Schwur.
FERDINAND
drohend.
Langers –
LANGERS.

Hu – der Ton führt Degen und Pistolen, wenn man mir die auf die Brust setzt, schwör ich für unser ganzes Geschlecht –


Ferdinand und Rosalie haben sich zurückgezogen, nach einer Pause sieht sich Langers um.

Ach – die Unterhaltung geräth ins Stocken, das Haus verwandelt sich in verschiedene Komitteen; dort wird über den Sklavenhandel debattirt – hier weiß man noch nicht, was die Minister belieben. Ich [320] merke schon, es geht mir an den Hals, auf jeden Fall bleibe ich Opposition. Sieht Julie an, dann für sich. Wie unterhalte ich sie denn? Das Thema vom Wetter ist zu abgenutzt. Ei was, bin ja so oft von einem Glas Wasser auf die Sündfluth, und von dem großen Mogul auf den kleinen blinden Knaben gekommen. Das Geld kann mir ausgehen, Worte nie. Wendet sich rasch zu ihr, dann sagt er für sich. Uebel wäre sie nicht, aber Tag und Nacht gegen ihre Schwester. Laut. Sehen Sie doch mein Fräulein, wie unartig die Verliebten sind, man lispelt, drückt sich die Hände – verschlingt sich mit den Blicken; um unsere Unterhaltung bekümmern sich die Leute nicht.

JULIE
für sich.
Ich weiß nicht, mir ist so bang.
LANGERS.
Sagten Sie etwas?
JULIE.
Ich? – Nichts.
LANGERS
für sich.

Aus nichts wird nichts. Ein so stummes Frauenzimmer ist mir noch nicht vorgekommen, die kann nie heirathen, denn sie bringt nicht einmal das Ja heraus. Da muß ich Sukkurs holen. Wendet sich gegen Ferdinand. Was Teufel –


Ferdinand und Rosalie sind während dem Gespräch ins Nebenzimmer geschlichen, und lauschen manchmal an der Thüre.
LANGERS.

Fort? – Hm – das ist dumm, sehr dumm. Die Absicht merk' ich – die ist nicht gemacht um mich – kann mich ja auch empfehlen Will gegen Julien eine [321] Verbeugung machen. doch ich sollte ja noch mit der Mutter reden, vielleicht holt er sie; also bis dahin ein stummes tête a tête mit der Tochter. Betrachtet sie. Schön gebaut – aber ohne Geist, ohne Leben – schade. – Laut. Mein Fräulein, sehen Sie sich doch um, die Leutchen haben uns allein gelassen.

JULIE
sieht sich um, erschrickt.
Allein?
LANGERS.

Wir sind hier gleichsam wie auf eine wüste Insel verschlagen, fern von allem was lebt, nur auf uns selbst reduzirt.

JULIE.
Mein Gott –
LANGERS.

Erschrecken Sie nicht. Auf unsrer Insel giebt es keine wilden Thiere. – Und jetzt eine Probe von meinem Erfindungsgeist – ich sammle die Bretter unsers zerschmetterten Schiffes – und hier steht – ein Stuhl! Giebt ihr einen Stuhl.

JULIE.
Nur wenn Sie –
LANGERS.

Auch sitzen? Sorgen Sie nicht, – für mich zimmere ich einen Sorgenstuhl – so, die zwei wichtigsten Geräthe sind fertig.

JULIE
setzt sich.
LANGERS
setzt sich.

Pause, dann für sich. Noch immer stumm? Wenn das so fort geht, lasse ich sie wie Ariadne auf ihrem Naxos, steche wieder [322] in See, und suche Menschen. Laut. Können Sie es denn nicht über sich gewinnen, die Augen aufzuschlagen? Ich besitze die Gabe aus den Augen eines hübschen Mädchens so viele gute Gedanken herauszugucken, daß ich dann um unsre Unterhaltung gar nicht verlegen bin.

JULIE.
O – meine Augen sind –
LANGERS.

Planeten, die das Schicksal armer Sterblichen leiten; was sich in ihren Dunstkreis verirrt, muß sich um sie herum drehen. Ist es nun nicht entsetzlich, daß ich mich schon einen ganzen Tag um Sie herum drehe, ohne zu wissen, von welcher Farbe sie sind.

JULIE
sieht ihn an.
LANGERS.

Ach – blau – blau das gestirnte Firmament. – Ja freilich, wenn die Augen so viel sagen, ist es kein Wunder, wenn die Zunge schweigt. Die interessante Bekanntschaft Ihrer Augen hätte ich gemacht – nun möchte ich den Silberklang Ihrer Stimme hören; die einzelnen Akkorde versprechen viel – verwandeln wir das Pausen-Konzert in ein liebliches Adagio.

JULIE
wendet sich weg.
Ach –
LANGERS
für sich.
Da ist alles umsonst. Zu ihr gutmüthig. Sagen Sie mir, liebes Kind – sind Sie immer so stumm?
[323]
JULIE.
Oft.
LANGERS.
Ihre Schwester hat es doch in der Redekunst sehr weit gebracht.
JULIE.
Sehr weit.
LANGERS.
In Ihrem Alter theilt man sich so gerne mit.
JULIE.
Ich auch – aber nur bei Personen die –
LANGERS.
Charmant, nur fort – nur weiter – bei Personen die? –
JULIE.
Nachsicht mit meinen Fehlern haben.
LANGERS
stutzt.
Hätte ich die nicht?
JULIE.
Ich weiß es Ihnen Dank, wenn ich es so finde – aber voraussetzen durfte ich es bei Ihnen nicht.
LANGERS.
Warum nicht?
JULIE.

Sie leben in der großen Welt, wo man die so gerne lächerlich macht, die besser denken als sprechen, die sich nicht leicht, nicht zierlich ausdrücken, nicht frei und offen benehmen, wo die Form alles, und der innere Gehalt des Menschen so wenig gilt.

LANGERS
erstaunt für sich.
Was Teufel!
[324]
JULIE.

Diese Erfahrungen haben mich in meinem Betragen schüchtern, wohl auch gar linkisch gemacht. Ich sehe ein, daß ich mich zurückziehen muß, weiß es aber denen herzlich Dank, die sich mir gutmüthig nähern –

LANGERS
rückt näher, und sieht sie erstaunt an.
JULIE.

Die mir Muth machen mein Herz zu entfalten, die es der Mühe werth finden das Gute aufzusuchen, was die Erziehung der besten Eltern auf keinen unfruchtbaren Boden gepflanzt; die meine Einfachheit nicht tadeln, meinen Mangel an Welt und Welt-Sinn nicht verspotten, die meinem Herzen glauben, was Geist und Verstand nicht verbürgt; gegen solche Menschen bin ich offen und frei, und daß ich jetzt mit Ihnen so viel über mich gesprochen, muß Ihnen beweisen, daß ich Sie für einen solchen halte.

LANGERS
für sich.
Welche Sprache!
JULIE.
Ich glaube, Sie sind gut.
LANGERS
rückt näher.
Ich bitte, halten Sie mich dafür.
JULIE.
Sie unterscheiden Zurückgezogenheit von Unwissenheit.
LANGERS.
Ganz und gar Rückt näher.
[325]
JULIE.
Einfalt dient Ihnen nicht zum Gespötte?
LANGERS.
Nein – nie –
JULIE.
Sie glauben an Tugend ohne Schimmer?
LANGERS
sehr verlegen.
Ich glaube – ich bin – ich werde – ich muß – Springt auf. Nun komme ich ins Stocken.
JULIE.
Habe ich vielleicht? –
LANGERS.
Nein, nein –
JULIE.
Gewiß habe ich zu viel gesagt?
LANGERS.

Viel, sehr viel, mehr als ich jetzt beantworten kann, aber nicht zu viel. Dies Gespräch hat einen sonderbaren Eindruck auf mich gemacht. Ich war – o ich bitte Sie, nur einen Augenblick überlassen Sie mich mir selbst.

JULIE
geht an ihre Arbeit.
LANGERS
Geht heftig herum, sieht sie oft an, endlich bleibt er vor ihr stehen.
Lieben Sie diese Beschäftigung?
JULIE.
Recht sehr.
LANGERS.
Hat diese schöne Arbeit schon eine Bestimmung?
[326]
JULIE
lächelnd.

Sie hatte eine sehr eitle. – Meine Mutter glaubt, daß ich es darin zu einiger Vollkommenheit gebracht, und dringt darauf, was ich auch dagegen sage, es in einer Sammlung von Kunstwerken öffentlich ausgestellt zu sehen.

LANGERS.
Sie müssen ihren Wunsch erfüllen.
JULIE.
Das ist jetzt nicht mehr möglich.
LANGERS.
Weßhalb?
JULIE.
Es ist beschädigt.
LANGERS.
Wodurch?
JULIE.
Ich habe da vorhin –
LANGERS.
Was?
JULIE.
Ein Stück losgerissen –
LANGERS.
Warum?
JULIE
verlegen.
Zu –
LANGERS
hastig.
Zu meinem Verband?
JULIE.
Ich glaubte Sie verwundet.
LANGERS
mit Feuer.

Julie, das thaten Sie? Dies Meisterstück konnten Sie vernichten, um mich – und mein Muthwille [327] war es, der Sie – Julie – Mädchen – Engel – gieb mir Deine Hand. Der Mann, für den Du das gethan, die Arbeit vieler Tage vernichtet, dem Lob der Menge entsagtest, der Mann muß Dein Mann werden. Julie – werde mein Weib.


Ferdinand und Rosalie treten leise heraus.
JULIE.
Langers – o mein Gott!
LANGERS.

Ich habe in der großen Welt gelebt, aber sie hat mein Herz nicht verdorben – Unschuld gilt mir mehr als Grimasse, Verstand mehr als Witz, gutmüthige Hingebung mehr als Koketterie. – Julie, werde mein Weib, und mache mich zum glücklichsten Menschen.

ROSALIE UND FERDINAND
rufen.
Und uns! Und uns!
FERDINAND.
Geschwind zu meinem Vater. Schnell durch die Mitte ab.
ROSALIE.
Geschwind zu meiner Mutter. Seitwärts ab.
LANGERS.

Was war das? Wir hatten Zeugen? Sie fliegen hin, sie schreien mein Glück in alle Welt – desto besser, so kann die Braut nicht mehr zurück.

JULIE.
Darf ich diesem raschen Entschluß –
LANGERS.

Vertrauen? Ja – nicht meine Sinne sind gefesselt: [328] was Sie sagten, was Sie thaten, traf mein Herz. Ich achte – verehre – ich liebe Sie; ich war als Jüngling ein lockerer Geselle, er ist verblüht, die Flatterseite des Lebens wendet sich – auch seine ernste Seite schreckt mich nicht. Der Mann mit Erfahrung steht jetzt hier, und bietet einem edlen deutschen Mädchen die Hand. Schlage ein – ich leite, hebe, trage Dich über die Klippen des Lebens; ich vermeide, denn ich kenne sie – Julie – Engel – was hab ich zu hoffen?

JULIE.

Ein gutes Weib – ohne Glanz und Schimmer – sie lebt nicht für die Welt, aber für ihren Gatten, und für ihre Pflicht. Giebt ihm die Hand.

LANGERS.
Julie – meine Braut? Und bald mein Weib, mein liebes gutes Weib.
3. Auftritt
Dritter Auftritt
Ferdinand, Vorige.

FERDINAND.
kömmt außer Athem zurück, ruft unter der Thüre. Morgen –
LANGERS.
Was morgen?
FERDINAND.
Wird sie dein Weib.
LANGERS
lacht.
Schon alles in Ordnung?
FERDINAND.

Mein Vater folgt mir auf dem Fuß – Langers – Julie – sagt mir, ist es denn auch wahr? Darf ich allem was ich höre und sehe trauen? Ihr liebt Euch? Wollt Euch? Werdet Mann und Frau? O sagt es [329] noch einmal, ich kann mein Glück nicht oft genug hören.

LANGERS.
Ja – es giebt dabei noch allerlei zu bedenken –
FERDINAND.
Was? Was?
LANGERS.
Einen so ernstlichen Schritt muß man –
FERDINAND
heftig.
Langers –
LANGERS.

Hu, das ist der fürchterliche Ton, der bringt mich zu allem – geschwind – holt den Pfarrer, schließt die Kirche auf, Julie her mit der Hand, ich brülle mein lautes Ja – wir sind Mann und Frau. –

4. Auftritt
Vierter Auftritt
Räthin Elmen, Rosalie, Vorige.

RÄTHIN.
Ohne Mutter-Segen?
JULIE.
O, meine Mutter!
LANGERS.

Es war nur eine General-Probe, und da wissen Sie wohl, daß oft das Nöthigste fehlt.Nimmt den Hut. Ich komme also jetzt erst ins Haus – erblicke die reizende Tochter – liege zu den Füßen der Mutter, und bitte, flehe um ihrer Tochter Hand –

FERDINAND
schnell dazwischen tretend.
Um Juliens Hand.
LANGERS
steht auf.

Wie er sich vor einem Mißverständniß fürchtet. – Ich bitte um die Hand derer – die laut es sagt, daß sie mich will.

[330]
JULIE
schlägt die Augen nieder.
LANGERS.
Keine Antwort?
ROSALIE
ruft.
Sie will!
FERDINAND
schnell.
Ich bitte Sie, Rosalie, lassen Sie es die beiden Leutchen mit einander ausmachen.
LANGERS.

Ach – ich verstehe, ich habe meiner sittsamen Braut zu viel zugemuthet. Also hier ist meine Hand, die einschlägt wird mein gutes, liebes Weib.

JULIE
sieht ihn mit einem Blick voll Liebe an, und reicht ihm mit Grazie die Hand.
LANGERS.

Sie will mich – sie nimmt mich – ihr Händedruck sagt mir, daß sie mich liebt. Mutter, geben Sie uns Ihren Segen, mein Fleiß wird uns viel Geld, und der liebe Gott viele Kinder geben, dann haben wir alles, was der Mensch zum Himmel auf Erden braucht.

RÄTHIN.
Aber wie kam das so plötzlich?
LANGERS.

Spiel der Natur – die allgemeine Nächstenliebe hat sich urplötzlich in die Allernächste- Liebe verwandelt, – das Feuer fällt vom Himmel, entzündet Wald und Felder, und eben so schnell trifft die Gewalt der Schönheit unser Herz.

RÄTHIN.

Wenn das Feuer von der Art ist, daß es die Probe des Ehestandes aushält, meiner Tochter Glück gründet, aber nicht verzehrt, so bin es zufrieden.

[331]
LANGERS.

Das ewige Feuer ist nun freilich schon bei den Griechen verloren gegangen, aber solche Augen fachen es wieder an. Umarmt sie. Julie, wer ist glücklicher als wir?

FERDINAND UND ROSALIE.
Wir!
LANGERS.
Nein wir, wir!
RÄTHIN.
Wer wird es am längsten bleiben?
ALLE.
Ich – ich – wir sind, wir bleiben glücklich – selig.
5. Auftritt
Fünfter Auftritt
Bilau, Grundmann, die Vorigen. Später Käthe, noch später der Bauer Hans.

BILAU
eilig.

Frau Räthin, darf ich es glauben? Hat mich der Junge nicht genarrt? Sie geben meinem Sohne Ihre Tochter? Ja? – Antworten Sie nicht, es ist wahr, Freude strahlt aus aller Augen. O ich glücklicher Vater, so werden endlich meine Wünsche erfüllt. – Frau Räthin – Brautmutter – Schwiegermutter – Tochter – Sohn – Freund – kommt her, alle zu mir! – Ihr glaubt ihr seid glücklich? Ich bin es mehr. Ihr fühlt nur für Euch, ich für Euch alle; Jahre lang habe ich mich nach diesem Augenblick gesehnt – er ist erlebt – er ist gekommen, Gott sei Dank, er ist gekommen!

FERDINAND.
Vater! Diese Braut war doch werth –Stellt ihm Rosalie vor.
[332]
BILAU.
Daß Du auf sie gewartet.
LANGERS.
Dieses Mädchen verdient Stellt ihm Julie vor.
BILAU.
Den Himmel auf Erden.
LANGERS.
Sie finde ihn bei mir.
BILAU.
Nun soll das Morgen ein Spektakel werden – zwei Hochzeiten.
GRUNDMANN.
Muß gehorsamst erinnern – drei.
FERDINAND.
Drei?
BILAU.
Richtig – bald hätte ich vergessen, daß ich selbst Bräutigam bin.
FERDINAND.
Vater, Sie wollten –
BILAU.
Drei Hochzeiten feiern.
FERDINAND.
Sie sagten ja, wenn ich –
BILAU.
Die Sache ist zu weit gekommen, ich kann nicht mehr zurück.
FERDINAND.
Wenn ich Sie bitte, beschwöre –
BILAU.

Alles umsonst – drei Hochzeiten giebts – und [333] damit Du siehst, daß es mein Ernst ist, so habe ich Dir die Frau Mutter gleich mit gebracht.


Holt Käthe an der Thüre, und stellt sie in die Mitte des Theaters.

Nun, wie gefällt euch die Braut?

Alle sind bestürzt.

Keine Antwort – – alle stehen gewendet – Ihr seht mir das Mädchen nicht einmal an? O wartet nur, ich bringe die Köpfe gleich herum. – Kinder! Ich bin nicht der Bräutigam.

ALLE
wenden sich.
Nicht?
BILAU
holt Hans herein, und stellt ihn neben Käthe.
Dieser ists –
ALLE.
Dieser?
GRUNDMANN
lacht vergnügt.
Endlich im Klarem –
KÄTHE.
Alter Herr, ist das wahr?
BILAU.
Wahr –
KÄTHE.
Er will mich nicht heirathen?
BILAU.
Ist mir nie in den Sinn gekommen,
GRUNDMANN
hustet.
Hem hem!
BILAU
deutet.
Pst –
[334]
KÄTHE.
Und Hans wird mein Mann?
BILAU.
Hans – es könnte ja kein anderer mit Dir auskommen.
KÄTHE.
Ja, das ist wahr – aber – der Vater wird mich. Deutet Schläge.
BILAU.

Ohne Sorge, ich habe ihm die Schläge abgekauft. Morgen kommt er in die Stadt, Ihr werdet Mann und Frau.

KÄTHE.
Hans!
HANS.
Käthe!
KÄTHE.
Hast Du es gehört? Mann und Frau?
BILAU.
Ihr bekommt Haus und Hof.
KÄTHE.
Haus und Hof?
BILAU.
Wiesen und Felder.
KÄTHE.
Was? Ich bekomme Haus, Hof, Wiesen, Felder, und meinen Hans?
BILAU.
Und Deinen Hans.
KÄTHE
fällt auf die Knie.
Hans! Fall auf die Knie, hilf mir danken –
HANS.
Gott schenk ihm langes Leben.
[335]
KÄTHE.
Das ist zu wenig Hans; er ist so gut, er darf gar nicht sterben. Ists denn auch wahr? Gewiß wahr?
BILAU.

Da, Giebt Hans und Käthe zusammen. und da, Giebt Rosalie und Ferdinand zusammen. und da, Langers und Julie. Wie sie gepaart stehen, wie in der Arche Noe. Sie Frau Räthin geben mir die Hand; wir treten nicht mehr in den Ehestand, aber wir sind morgen die Ersten in dem Tanzsaale, und eröffnen den Ball. Nun – Sieht alle an. hab ichs so recht gemacht? Seid Ihr zufrieden?

ALLE DREI PAARE.
Glücklich und zufrieden.
BILAU.

Alle Jahre an diesem Tage will ich Euch wieder fragen, und wer mir da nicht offen wie heute in die Augen sehen kann, darf nicht am Ehrentische sitzen. – Kinder, haltet fest aneinander – alle Stürme des Lebens trägt man leicht, wenn der Ehestands-Himmel hell und heiter bleibt; und zieht einmal ein Wölkchen auf, so wirke der Mann mit Kraft –

RÄTHIN.
Das Weib – mit Geduld und Liebe.
ROSALIE UND JULIE
geben Langers und Ferdinand die Hand, und sagen.
Mit Geduld –
LANGERS UND FERDINAND.
Und Liebe –
ALLE.
Ewig bleib es so!

Der Vorhang fällt.

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TextGrid Repository (2012). Weißenthurn, Johanna von. Dramen. Welcher ist der Bräutigam. Welcher ist der Bräutigam. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-9AA4-6