Hermann Sudermann
Der Bettler von Syrakus
Tragödie in fünf Akten und einem Vorspiel

Personen des Vorspiels

[5] Personen des Vorspiels.

    • Lykon, Feldherr der Syrakusaner.

    • Philarete, sein Weib.

    • Diokles,
    • Myrrha, beider Kinder.

    • Arratos, sein Freund.

    • Artemidor, dessen Sohn.

    • Mago, Feldhauptmann der Karthager.

    • Ein Syrakusanischer Hauptmann.

    • Ein Zeltwächter.

    • Die Erscheinung.

    • Krieger der Syrakusaner.

Personen des Dramas

Personen des Dramas.

    • Arratos, Tyrann von Syrakus.

    • Artemidor, sein Sohn.

    • Philarete.

    • Diokles.

    • Myrrha.

    • Hegesias, ein Großer in Syrakus.

    • Ktesias,
    • Lysimachos,
    • Hermachos, vornehme Jünglinge.

    • Phaino,
    • Strution, Hetären.

    • [5] Mago,
    • Gubal, Karthager.

    • Menesto, Schaffnerin.

    • Bio,
    • Phenippe, Dienerinnen.

    • Eurytimos,
    • Deonax,
    • Sosthenes,
    • Mandros,
    • Der Blinde, Bettler.

    • Der erste Späher.

    • Der zweite Späher.

    • Der Türhüter,
    • Ein alter Diener, im Hause des Arratos.

    • Der erste Diener beim Gastmahl.

    • Erster,
    • Zweiter,
    • Dritter , Bürger.

    • Erster,
    • Zweiter , Leibwächter.

    • Ein Reisender.

    • Edle. Volk. Leibwächter des Arratos. Vornehme Jünglinge. Hetären. Karthager. Bettler. Diener.

Vorspiel

1. Szene
[7] Erste Szene
Lykon. Der Zeltwächter rechts neben dem Zelt.

LYKON
sitzt halb liegend im Lehnsessel in seinen Mantel gewickelt, die Hände vors Gesicht geschlagen.
Nun ich dich rufe, Schlaf, enteilst du mir?
So will ich denn die halbgelösten Glieder
Zu neuem Wollen straffen. – Hier ist Wein!

Er trinkt.

Du Wachmann dort! Falls Arratos nicht schläft –
– Ich glaub' es fast – auf seiner Treue lastet
Entscheidungsnot – so sag ihm, euer Feldherr
Begehre sein.
DER ZELTWÄCHTER.
Herr, Arratos steht dort
Und steht seit einer Stunde – rufgewärtig.
LYKON
eilt zum Ausgange, freudig.
Komm her, mein Freund! Was birgst du dich im Dunkel?
2. Szene
Zweite Szene
Lykon. Arratos.

ARRATOS.
Herr, deine Ruhe zu bewachen –
LYKON.
Ruhe?
Dieweil blindwüt'ger Drang nach diesem Kampfe
Die Seele mir mit Geierflügeln wundpeitscht?
[8] Ha, Ruhe! Wer kann ruhen, da uns endlich
Karthagertücke lammfromm in den Stall geht,
Durch dessen Pforte keiner lebend mehr
Ans Licht sich stiehlt? In diesem Felsenrachen,
Des Kiefer lückenlos zusammenklappen,
Der hungrig greift und niemals wieder losläßt –
Hab' ich sie erst – und morgen hab' ich sie.
Denn ahnungslos ziehn sie des staub'gen Weges
Nach Syrakus! – Du schweigst – du blickst zur Seite?
Schenkst mir von meinem Jubel nichts zurück?
ARRATOS.
Vergib mir, Herr! Wohl bist du unser Meister
Und meisterlich der Plan, der sie ins Netz holt,
Doch wolle nicht vergessen, daß der Schlag
Noch nicht geführt ist, daß kein Schwerthieb noch
Des Schicksals Wage sich dir neigen hieß ...
Ich bin ein stiller Mann. Was ich mir wünschte,
Das schlang ich in die wunde Kehle schweigend
Herab. Auch jetzt wünsch' ich mir mancherlei –
LYKON.
Das gleiche hoff' ich.
ARRATOS.
Sicherlich. Wär' ich
Der Sohn des großen Syrakus gleich dir,
Getränkt mit Griechenmilch, von Hellas' goldnen
Gestaden her mit Siegergeist gerüstet,
Und dächte nicht wie du? – Doch sind der Fäden
Gar viele, die die Parze spielend schlingt,
Und eine Schere nur, die sie durchschneidet.
[9]
LYKON.
Verständ' ich dich – ich will dich nicht verstehn!
Phöbos, der Sehende, mag mit dir rechten!
Doch meinem Sinn geziemt es – den erwognen
Gedanken in Gewalt umsetzend –, alles
Zu wagen, daß die meerumgürtete,
Die weiße Stadt – karthagischer Umschlingung
Gewaltig sich entwinde. Und damit
Kein Zaudern, kein Zurück, kein dunkler Ausweg
Den Fuß mir lahme, nahm ich als ein Pfand
Ureignen Wollens und beschworner Pflicht
Das Weib, das meiner Liebe Inbegriff,
Und ihr Geschenk, die Kinder beide, mit mir.
Im Heiligtum der Gäa, dessen Mauern
Grauzahnig in die Felsenwand sich beißen,
Ließ ich sie dir. Du sorgest wohl für sie?
ARRATOS.
Ein Lager, Herr, aus Moos und weichen Farren
Half ich zusammentragen. Dort – umschlungen –
Sanken sie hin, noch halb in meiner Hand,
Und regten sich nicht mehr.
LYKON.
So dien' ich nun
Der Stadt, die mich gebar, mit allem, was ich
Mein eigen nenne: Weib und Kind und Ehre.
Das Leben zähl' ich nicht; das ist des Kriegers
Besitz nicht mehr, wenn er ins Blachfeld zieht.
Doch eines zähl' ich zwiefach, tausendfach:
Den Ruhm, der auch auf toter Stirne grünt,
[10] Der Wurzel schlägt in langversunkne Gräber
Und, aufwärtsdrängend zu den Himmlischen,
Verflognen Staub der Ewigkeit vermählt.
Ob morgen auch mein Mund in blut'gem Stummsein
Die Erde küßt, was tut's? Wenn nur sein Schweigen
Vieltausendfält'gen Wonneruf erschließt.
So will ich leben in des Volks Gedächtnis!
In meines Namens Schatten sollen wandeln
Die Namenlosen. Sieger sollen Zweige
Sich pflücken von dem Baume meines Sieges.
Mein Schwert soll glänzen über allen Schwertern.
ARRATOS.
Stets warst du mir ein güt'ger Herr –
LYKON.
Nicht Herr!
Sag »Freund« – wie ich mit Stolz dich Freund mir nenne.
ARRATOS.
– Und deine Trunkenheit zu nähren, sollte
Gebot mir sein. Doch mein' ich's redlich, kenne
Wohl auch aus eigenem die heiße Sucht,
Die Halbgottähnliches verspricht und wohlfeil
Zu geben scheint. Doch setze nun den Fall,
Dein Schlag mißlingt –
LYKON.
Wie sollt' er das?!
ARRATOS.
Gesetzt
Den Fall, sag' ich – nicht mehr! –
[11]
LYKON.
Dann freilich!
ARRATOS.
Sterben!
Wir Männer haben's leicht – wir sterben. Aber
Dann zogst du auch dein Weib, zogst deiner Kinder
Vertraunde Unschuld mit dir in den Sturz.
LYKON.
Du sprichst, als läg' ich schon besiegt!
ARRATOS.
Ich sprach
Als Freund! Ja, stürben sie mit uns, wir dürften
Den Sprung zum Hades heitern Sinns erproben, –
Doch was Karthago –
LYKON.
Schweig! Den Sprung zum Hades,
Dein Weib erprobt' ihn längst. Was quälst du dich
Um meines? Und der Knabe, den die Tote
Dir ließ, zog er nicht mit uns in das Feld?
ARRATOS.
Er führt sein Schwert gleich allen.
LYKON.
Freund, ich lobe
Die Sorgfalt, die du mir beschertest, doch
Blick auf! – So wahr nur schmählicher Verrat –
Und wo zu Syrakus haust ein Verräter? –
Den Feind zu jenen Felsentürmen trägt,
So wahr weilt schon der Sieg in unsrer Mitte.
[12] Drum spare dein »gesetztenfalls« und spare
Den Eulenschrei ... Was gibt's? Wer wecket uns
Die Schläfer?
3. Szene
Dritte Szene
Die Vorigen. Ein Hauptmann und Mehrere Krieger führen Mago, dem die Arme über der Brust gebunden sind, in das Zelt.

DER HAUPTMANN.
Herr! Vorposten fingen diesen,
Wie er, gemächlich reitend durch die Ebne,
Der Kluft sich näherte.
LYKON.
Braucht' er sein Schwert?
DER HAUPTMANN.
Nein!
LYKON.
So erwürgt ihn!
MAGO
bricht in ein schneidendes Gelächter aus.
LYKON.
Warum lachst du, Unhold,
Der du mit giftig starrem Auge mich,
Wie der gefangene Polyp im Korbe
Den Fänger, anbohrst? Du, Karthager, sprich!
MAGO.
Polyp? Mag sein! Gefangen nur, weil dieses
Mir so beliebte. Und gefangen zehnfach
[13] So frei als ihr. Nun würg mich doch, Spaßmacher!
Erwürg mich!
LYKON.
Arratos! Verhandelnd gingst
Du einst bei ihnen aus und ein. Kennst du
Den Mann?
ARRATOS.
Ich kenn' ihn.
LYKON.
Und?
ARRATOS.
Er nennt sich Mago
Und ist des großen Feldherrn rechte Hand.
Mich dünkt, nichts Gutes bringt er uns.
LYKON.
Bevor
Du stirbst –
MAGO
höhnend.
Im Schlingnetz?
LYKON.
Sag mir, was du nächtens
Vor jenem Felsentor zu schaffen hattest?
Kundschafterdienste tust du nicht.
MAGO.
Du, Freund,
Du feuerblickender, goldzüngiger
Hellene, Feldherr du von meiner Hand,
Wie –
[14]
LYKON
erstaunt, bestürzt.
Arratos!
MAGO.
– wie wär's, wenn du das Schwert,
Mit dem du tollkühn spielst, zur Abwechslung
In meine Hände legtest?
LYKON.
Todesmut
Bringt Ehre sonst in jeglicher Gestalt,
Doch du, Karthager, machst zur Narrheit ihn.
MAGO.
Genug der Narrheit also, arme Narren!
Wollt ihr den Ernst von diesem Raubtierspiel,
Das hier mit euch gespielt wird – löst mir dies!

Er reißt an den Stricken, mit denen er gefesselt ist.

Nicht ich – ihr brauchet meiner Hände Freiheit,
Damit sie euch die Schlinge zeigen können,
In der ihr euch verfinget
LYKON
leise.
Arratos!
ARRATOS
verstört.
Was, Herr?
LYKON.
Wie dünkt dich dies?
[15]
ARRATOS.
Ich weiß nicht, Herr!
LYKON
laut.
Gefährlich scheint der Mann. Drum zieht die Schwerter –
Will er entrinnen, taucht sie in sein Blut.
ALLE
haben die entblößten Schwerter erhoben, Mago im Halbkreis umgebend.
LYKON
zieht das seine, tritt vor Mago, ihn mit den Blicken messend, und durchschneidet dann die Stricke.
Jetzt rede, Mann!
MAGO
dehnt sich mit wildem Lachen.
Dies Bergtal, holde Griechen,
Das ihr zur Mausefalle für uns machtet,
Ist, wie im Eingang hier, im Ausgang dort
Von jähen Felsen himmelhoch umstanden.
Wer diese Felsen hält – wohl dachtet ihr,
Sie mit dem Frührot zu erklettern – nicht so? –
Vertraust du diese Fackel mir?
LYKON
nach kurzem Besinnen.
Es sei!

Er winkt dem Fackelträger, dem Mago den Stiel aus der Hand reißt.
MAGO.
Ich schwinge sie im Kreise! Schaut empor!
Was seht ihr wohl?
[16]
ALLE
sind seiner weisenden Hand gefolgt.
Erstickte Ausrufe des Entsetzens.
LYKON
zurücktaumelnd, leise.
Verrat! –
MAGO.
Ich schwinge sie
Zum zweiten Male! Schauet dorthin!

Er weist nach der entgegengesetzten Seite.

Lichtschein,
Aufblitzend und verschwindend, gab mir Antwort
So hier wie dort – beim Ausgang wie beim Eingang.
Ihr klugen Männer, was wohl folgert ihr?

Stille des Betäubtseins.

Man sagt in unserm Volk: Ein Griechenmund
Verlerne selbst im Grabe nicht das Schwatzen.
Ihr Freunde, dünkt mich, seid gar schweigsam jetzt.
LYKON
gefaßt.
Karthager, falls nach deines Feldherrn Meinung
Und deiner eignen – denn so scheint es fast –
Kein Rettungsweg für uns noch offen ist,
Weswegen kamst du nachts hierher? Um dich
An unsrer Not zu weiden kamst du nicht.
MAGO.
Daß du nicht jammerst, Freund, gefällt mir wohl.
Stolz magst du sein – doch sei bedachtsam auch
Und horche, was in dieser Schicksalsnacht
[17] Mein Herr dir sagen läßt: Ihr Griechen seid
Verloren. Dieses steht so unabwendbar,
Daß jeder Tropfen Blutes, den der letzte
Vom Söldnertroß an euern Schenkeln abwischt,
Ihn überflüssig dünkt. Drum, wollt ihr Gnade
Für euch und eure Stadt und eure Kinder,
Ergebt euch, ehe noch der erste Streich
Gefallen ist. So sprach der große Feldherr.
Der Antwort steh' ich harrend.
LYKON.
Diese Antwort
Ist kurz. Sie lautet: Antwort gibt es nicht.
MAGO.
So reinlich, mit so kühn verschränkten Armen
Stirbt kein Kothurnenheld auf eurer Bühne.
Doch wenn dein Machtrecht so vollkommen ist,
Daß du mit keines Zweifels Frageblick
Bei deinen Freunden dich um Rat bemühst,
So hör noch eins: Du bist verantwortlich
Für das, was nun geschieht. Und du allein.
Die andern mögen sterben. Du stirbst nicht.
LYKON.
Stahlt ihr mein Leben, ihr gefräß'gen Diebe –
Um meinen Tod könnt ihr mich nicht bestehlen.
MAGO.
Von Balearenhand ein Schleuderwurf
Reißt dich herab und, wandelt dich zum Spielzeug
Karthagischer Vergeltung. Speere werfen
[18] Und Schwerter schlagen lernt ihr wohl so gut
Wie wir, doch Rache nehmen an dem Feinde,
Der unserm Zorn die Stirne bot, verstehn
Wir besser als jedwedes Volk der Erde.
Wer unsre Kerker kennt, mag euch erzählen,
Doch wer sie jemals kannte, der erzählt
Nichts mehr. Es sei denn, daß er, losgelassen,
Noch Schlimmres leidet als von unsern Schlangen.
Und nun entscheide dich.
LYKON.
Führt diesen Mann
Aufs Feld hinaus, wo ihr ihn jüngst gefunden,
Und setzt ihn auf sein Pferd. Doch hütet euch,
Daß ihr die Schläfer stört.
MAGO
drohend aufgerichtet.
Wir sehn uns wieder!

Der Hauptmann, Mago und die Krieger hinter dem Zelt links ab.
4. Szene
Vierte Szene
Lykon. Arratos.

LYKON
für sich.
Geschehn ist, was ich vermochte.
Von Säumnissen weiß ich mir keine.
Schuldlos versink' ich in Schmach.

Auffahrend.

Willst du des Vorwurfs Stachel an mir wetzen,
Nur zu! – Hier bin ich – wehrlos – jedem Hohn,
[19] Der aus Verzweiflung seine Kräfte saugt,
Willkommen .... Warum stehest du so stumm
Und kehrst das Aug' nach innen? ... Töte mich! ...
Hier faß mein Schwert und töte mich! ... Doch nein.
Das wär' ein leichter Loskauf ... Arratos –
Daß ein Verräter war in Syrakus,
Das ist das Gift, das in der Wunde wütet,
– Das ist der Tod, an dem wir sterben – heut'
Und immerdar, so lange Griechensöhne
Ausspeien werden über unsern Gräbern.
Ach – Arratos! ...

Wild.

So sprich doch! Wehe tut
Dies Schweigen, weil es Haß und Flüche birgt.
ARRATOS.
Erwäge, Herr, wie ich dich lieben muß,
Wenn ich in dieser Schreckensstunde dich
An die gemahne, die dein eigen sind,
Und die du opfergleich –
LYKON.
O still doch! Still doch!
ARRATOS.
Dies ist nicht Bürgschaft mehr, wie du gewollt,
Für selbstgewähltes Handeln – dies ist Mord.
Darum, so lang' es Zeit, errette sie
Und gib mir Vollmacht, daß ich alsogleich
Durch unsre Nachhut schützend sie geleite.
Vom Felsentore weiter mag mein Sohn –
Denn mir ist bang um ihn – ja, auch um ihn –
[20] Sie heimwärts führen. Lang und glücklich sei
Ihr Leben!
LYKON.
Wäre dies Verrat? – doch nein!
Wer uns nicht helfen kann in diesem Notkampf –
– Und auch dein Knabe hilft nicht viel – der zieh'
In Frieden.
STIMME PHILARETES.
Lykon! Ich will zu dir, Lykon!
LYKON.
Wer weckte mir mein Weib? ...
5. Szene
Fünfte Szene
Die Vorigen. Philarete. Diokles. Myrrha.

PHILARETE
voll Angst.
Vergib! Im Schlafe
Vernahm ich Stimmen, unheilkündende –,
Zornrufe – zähneknirschendes Gelächter –,
Ein Murmeln wie verhaltnes Notgeschrei.
Ich lauschte rings – und jetzt war alles still
Doch träumt' ich nicht – es kam aus deinem Zelte,
Aus deinem Zelte kam das Schreckliche.
Drum nahm ich unsre Kinder bei der Hand –
Verschlafen sind sie noch – und floh zu dir!
LYKON
plötzlich scherzend.
Verschlafen sind sie noch, das muß wohl wahr sein!
O schäm dich, kleiner Mann! Und Mädchen du,
[21] Wenn Hypnos dir Mohnkörner ins Gesicht wirft,
So wirf sie ihm zurück ... Nun also! ... Ruhig,
Geliebte! Siehst du nicht, wie ruhig ich bin?
Zwei Führer stritten sich. Ein jeder wollte
Der erste sein, den schwersten Platz erhalten.
Da mußt' ich schlichten wie auch sonst. Das war es.
Doch da du einmal wach bist – Arratos
Und ich besprachen, wo wir in der Schlacht
Dich mit den Kindern wohl verbergen könnten.
Gefahr ist überall – das beste wäre –
Und – siehe – darum bitt' ich dich! – ihr kehrt
Nach Syrakus zurück noch in der Nacht.
PHILARETE
zuckt hoch auf.
LYKON.
Des Freundes junger Sohn, Artemidor,
Wird euch geleiten. – Seine fünfzehn Jahre
Sind noch zu weich, um altes Holz zu spalten.
PHILARETE
sieht Arratos groß und forschend an.
ARRATOS.
Ich hole nun den Knaben.
DIOKLES
zu Arratos.
Wär' ich erst
Erwachsen wie Artemidor, ich bliebe,
Und nähm' das Schwert, und –
[22]
ARRATOS
trocken.
Ja, mein Sohn.

Ab.
6. Szene
Sechste Szene
Die Vorigen ohne Arratos.

LYKON.
Du schweigst?
Du starrst mich an? ... Du gehst nicht gerne heim?
PHILARETE.
Doch wohl! – Es muß ja sein. Es muß wohl sein,
Daß wir nun Abschied nehmen.
LYKON.
Abschied nehmen?
Was sollen uns die großen Worte? Morgen,
Zur Abendzeit – in Jauchzen eingehüllt –
Auf Purpurwolken ...
PHILARETE.
Kinder, sehet euch
Den Vater an. Macht Wachs aus euren Seelen –
Und drücket seine Züge tief hinein;
Denn heute – seht ihr ihn – zum letztenmal.
LYKON.
Was?! – Philarete?!
PHILARETE.
Tränen hab' ich keine.
Von Klagen hörst du nichts. Und meinen Gram
Empfang' ich heut' in aufgetanem Herzen,
[23] Wie Menschen sonst der Götter Sonnengabe.
Ich will ihn hegen als mein Köstlichstes.
Ich will, so schwör' ich dir, das wenige,
Das mir vom Leben schmerzhaft übrig bleibt,
Vor deinem Bildnis opfernd niederlegen.
Nicht Witwe, Priesterin will ich dir sein.
LYKON.
So spricht ein Weib, das Traumgesichte sah
Und falsch sie deutet ... Freilich – Kinderspiele
Sind's nicht, die auf uns warten. Mancher Speer
Geht seine Bahn, und ...
PHILARETE.
Gnädig sei, Geliebter –
Und laß mich eins nur fühlen, daß ich deiner
Nicht unwert war.
LYKON.
Mein Weib! Mein edles Weib!

Sie halten sich umschlungen.
PHILARETE
sich lösend.
Nun schilt mich, daß ich eigensüchtig bin
Und die vergaß, die mit gerechtrem Anspruch
Als ich um deine Liebe betteln.
LYKON
scheinbar leicht.
Kinder,
Wenn's etwa länger dauert als bis morgen,
Daß wir uns –

Ausbrechend.

Kinder – meine – meine –!

Er herzt sie.
7. Szene
[24] Siebente Szene
Die Vorigen. Arratos und Artemidor ein halbwüchsiger Jüngling erscheinen rechts im Halbdunkel.

ARRATOS.
Herr,
Vergib! Wir stehn bereit.
PHILARETE.
Noch nicht! Noch nicht!
Laß mich in Gier die Augenblicke trinken.
Will ich doch nichts! Ich will nur ... Sieh, so blickt
Das Auge ... So gewölbt der Stirne Rand! ...
Das Haar ist so ... Und so der Mund – der liebe!
O fluche mir, wenn ich jemals, wie Weiber
Gemeinrer Art wohl tun im Drang der Jahre,
Dies Eigentum, dies gütereiche Antlitz
Kaltsinnigem Vergessen würdelos
Zur Beute werden ließ! Und fluche mir,
Wenn je die Nachtzeit zwischen Traum und Tränen,
An finsterm Herd, auf notzerwühltem Lager,
Mir nicht dies Bild als Leidgenossen bringt ...
ARRATOS.
Die Stunden fliehen, Herr!
LYKON.
So lebe wohl!
Es sind zwar Angstgespinste, die dich quälen ...
Doch – lebe wohl!

Er wendet sich ab.
MYRRHA.
Ach, Vater!
[25]
DIOKLES.
Vater!
LYKON
sich mit dem Mantel das Gesicht verhüllend.
Geht!

Philarete nimmt die Kinder bei der Hand, wirft einen langen, abschiednehmenden Blick auf ihn. Mit Arratos und dessen Sohn rechts ab.
8. Szene
Achte Szene
LYKON
allein.
Wie sie dort fliehn, in Dunst schon halb zerronnen,
So rinn' auch ich ins Meer des Niegewesnen.
Des Niegewesenen? So war umsonst,
Was ich dem Antrieb heil'ger Not entrang?
Das Feuer, das aus tausend Herzen mir
Entgegenschlägt, hab' ich umsonst entzündet?
Und willenlos entweich' ich zu den Schatten?
Ihr ew'gen Götter, die ihr Sieg und Fehlgang
In hohlen Händen spielend wägt, weshalb
Verräterischer Tücke den Gewinst?
Und mir, der hohen Sinnes ausgezogen,
Um eure Heiligtümer zu beschützen,
Nur Fluch und Schimpf und Unwert und Vernichtung?
Zeigt mir den Sinn der Klarheit und der Würde,
Mit der ihr uns regiert! Gebt mir den Sieg!
Mir gebt den Sieg! Und ist er längst vertan,
Mir aus dem Schlunde des Unmöglichen
Reißt ihn empor, wie ihr Persephonen
Dem Hades einst entrissen! ... Was ist das? ...
9. Szene
[26] Neunte Szene
Lykon. Die Erscheinung, eine lichtumflossene Jünglingsgestalt mit wüstem Schwarzhaar, fahlen, welken Zügen und brennenden Augen, bis zum Gürtel nackt und von gesträubten, fast bis zur Erde reichenden Fittichen umrahmt, deren Spitzen vorn zusammenstoßen. Sie trägt eine eherne Keule in der Hand und geht zwischen den im Hintergrund liegenden Kriegern umher, den einen und den andern mit der Keule berührend.

LYKON.
Was wandelt dort, in weißes Licht gekleidet,
Gleich einer Flamme durch die Felsen? ... Sandtet
Ihr einen Boten aus den Höhn, ihr Götter,
Mir Heil zu künden? Warum hält er inne
Bei dem und dem und hebt und senkt die Keule
Auf die Nichtsahnenden? An anderen
Schaut er vorbei. Warum an diesem hier –
Und nicht an dem? Wählst du so wählerisch
Die Freunde dir, o Genius, an mir
Geh nicht vorüber! Wer du immer seist,
Mir halte stand – denn mir bist du willkommen!
DIE ERSCHEINUNG.
Was begehrst du, Staubentsproßner?
Warum hemmst du meine Bahn?
LYKON.
Und kämst du von den Unterirdischen
Und bärgest einen Fetzen Sieg in deinem
Gewande – gib ihn her! Ich kann ihn brauchen.
[27]
DIE ERSCHEINUNG.
Fordre nicht, du hast zu geben.
Ungeschehn ist unverloren.
Noch ruht Sieg in deiner Hand.
LYKON.
In meiner Hand?!

Lacht verzweifelt.

Blick um dich, Leuchtender,
Und jage nicht mein Hirn in wildes Hoffen!
Wer sandte dich? Was schleichst du durch das Lager?!
Du bist der Tod – der Tod sitzt dir im Auge!!
DIE ERSCHEINUNG.
Der Tod ist mein lächelnder Bruder.
Nachblühendes Leben
Gönnt er dem Schlafenden,
Den fromm ein Denken geleitet.
Ich aber zermalme die Beute
Erbarmungslos.
LYKON.
Ein Grausen packt mich an. Wer bist du, Dämon?
DIE ERSCHEINUNG.
Wer mir verfallen ist,
Der wird gelöscht
Von der Tafel der Zeiten.
Wen ich berühre,
Der stirbt den großen Tod:
Vergessensein.
[28]
LYKON.
Wie? Jene dort, die du dir auserwählt,
Die jetzt ein Traum durch tausend Leben schaukelt,
Die sind nicht tot nur – sind vergessen schon?
Ein schnelles Handwerk treibst du da. Und ich?
... Mir gibst du Schonung? ... Hör mich an! Der Tod
Ist mir ein Labsal – aber wenn ich lebe,
So weih' ich mir den schreckenvollsten Fluch:
Vergessen will ich sein wie jene dort.
Gelöscht von allen Tafeln aller Zeiten.
Kein Ruhm soll jauchzen, keine Liebe klagen.
Mein Name sei ein wesenloser Schall.
Mein Ich sei nicht mehr Ich ... Zerfallen
Soll dieser Leib im Leben wie im Tode.
Die Sonne will ich nicht mehr sehn ... Was noch? ...
Was will ich noch? ... Mir gib den Sieg, o Dämon!
DIE ERSCHEINUNG.
Opfre Großes, und dir wird ein Größres.
Mögliches erschafft Unmögliches.
Fahre wohl! Du Sohn des Dunkels
Wirst die Sonne nie mehr sehn.

Verschwindet.
LYKON.
... Nie mehr sehn?

Entschlossen.

Drum Kampf, so lang' es nachtet!

Er tritt hinaus und ruft nach hinten.

... Drommeten, ruft die Schläfer!!

Ein langgezogener Tubaruf erschallt.
Der Vorhang fällt.

1. Akt

1. Szene
[30] Erste Szene
Menesto, eine alte Schaffnerin, mit Bio, Phenippe und anderen jungen Sklavinnen, die Blumenkörbe tragen.

MENESTO.
Erst kränzet den Altar, dann kränzt den Thron,
Und Pfort' und Säule wollen auch ihr Teil.
Nur jene Bilder lasset ungeschmückt,
Denn Schmuck sind sie sich selbst, sagt unsre Herrin
Was lacht ihr, Kinder? Lachen dürft ihr wohl.
Das Haus verfällt, des Mägde mürrisch sind,
Sagt unsre Herrin. Aber wenn ihr lacht
Und lacht an diesem Tage –
BIO.
Ist er nicht
Ein Tag der Freude? Jubelt nicht das Volk
Und schmückt die Hermen – tanzt um die Altäre –?
MENESTO.
Und schielt nach rechts und schielt nach links derweilen,
Ob kein Karthagischer des Weges komme.
Denn übel deuten könnt' er das Gebaren.
BIO.
Was wollen sie in unsrer Stadt, die braunen,
Gierschlündigen Gesellen? Wen ein Blick
Aus ihrem Auge trifft, dem ist's, als führe
Der Mordstahl ihm zum Herzen.
PHENIPPE.
Haben wir
Umsonst sie überwältigt in der Quellenschlucht
[31] Heut' vor zehn Jahren, daß wir dulden sollen,
Wie sie auf Markt und Gassen –?
MENESTO
ängstlich.
Still doch, still!
Sorg um die Peitsche, Kind! Wir dienen
Dem Herrn der Stadt. Mit der Gebieterin
Und ihres Hauses Recht erwarb er uns
Und hält uns gnädiglich. Wenn er so will,
Wenn er zu Freunden die Karthager will,
Ob deren Haupt er selbst die Geißel schwang,
Wie darfst du Nichts, du Weniger-als-Nichts,
Du, die du nicht den Kaufpreis wert bist, du –
PHENIPPE.
Ich schweige schon und denk' mir dies und das
Und denk' auch an den Herrn, den gütigen,
Der heute vor zehn Jahren –
MENESTO
zusammenzuckend.
Gar noch er!
BIO.
Gedenkst du seiner nicht, Menesto?
MENESTO
verängstigt.
Nein!
Ich nicht, du nicht, die Herrin nicht und keiner.
Verboten ist's, den Namen je zu nennen
Des Mannes, der in frevlem Unbedacht
[32] Die Stadt der Väter und des Heers Vertrauen
Der List des Feindes blindlings preisgegeben;
Und wäre nicht –
PHENIPPE.
Sieh, wer dort –
2. Szene
Zweite Szene
Die Vorigen. Myrrha.

MENESTO
sich tief verneigend.
Kränze legten
Wir achtsam um des Hauses Heiligtum.
Der Hochsitz steht in Blumen. Was gebietet
Die Herrentochter?
MYRRHA.
Freuen wollt' ich mich
Mit euch – Kranzopfer bringen, wie ihr tut,
Und mit des Liedes Wechselsang den Tag,
Des Feier alle Seelen hebt, verschönen.
Doch schau' ich um mich, find' ich halb nur froh
Die Blicke, und die Stirnen halb umwölkt.
Die Hände streck' ich aus, doch jähes Schweigen
Sagt mir voll Argwohn, daß ich draußen stehe.
Was ist's? Was bergt ihr mir?
MENESTO.
O Herrentochter,
Wer sonnumstrahlt den jungen Morgen grüßt
Wie du, der hüte sich, zu viel zu wissen.
Denn alte Sorgen sind wie alte Hände –
[33] Schwach scheinen sie und überflüssig –; doch
Umspannen sie die Welt. Nur Kindersinn,
Der ihre Macht nicht kennt, kann sie verlachen.
MYRRHA.
Jüngst hört' ich zu, wie meine Mutter sagte,
Ein neu Geschlecht erbaue sich von neuem
Die Welt. Das Wort verstand ich nicht. Nun wird
Es mir wohl klarer, doch wenn eure Sorgen
Und unsere sich nicht die Hände reichen,
Wo nehmen wir dann eine Zuflucht her?
MENESTO.
Sprich nicht von Zuflucht, nicht von Sorge. Du nicht.
Wacht nicht die Mutter liebreich über dir?
Hält nicht der Mann, den du als Vater preisest,
Das Zepter dieser Stadt? Blüht nicht in Prangen
Ein Bruder dir? Beschützt ihn nicht als Freund
Artemidor? Und wenn mich nicht zuweilen
Mein altes Auge täuscht, so will jetzt Eros
Den schärfsten Pfeil aus seinem Köcher nehmen
Und –
MYRRHA.
Still doch, Liebste! Peitsche nicht mit Ruten
Die wunde Seele, die sich schon genug
Bestraft.
MENESTO.
Bestraft? Wofür?
MYRRHA.
Ich weiß nicht. Weiß
Nur eines, daß –

Erschrocken.

Er kommt!
[34]
MENESTO
sich nach hinten wendend, wo die Sklavinnen sich an den Bildsäulen zu schaffen machen, indem sie sie beklopfen und behorchen.
Was treibt ihr da,
Ihr Mägde?
3. Szene
Dritte Szene
Die Vorigen. Artemidor ist, von den andern unbemerkt, erschienen und beobachtet vom Säulengange her Myrrha, die ihn in Beklommenheit nicht sehen will.

PHENIPPE.
Einst erzähltest du, Menesto,
Am Flusse Nil – da gäb' es einen Gott,
Der heißt – wie heißt er gleich? – der klänge grüßend
Der Sonn' entgegen, wenn sie morgens aufsteigt.
Hier – Zeus klingt auch.
MENESTO.
Welch Märchen!
PHENIPPE.
O, kein Märchen!
Jüngst rührt' er seinen Donner – alles bebte,
Und ich in Bangen flüchtete hierher.
Da fand ich unsre Herrin knieend, lauschend –
Sie winkte mir: »Sei still – es spricht der Gott.«
MENESTO.
In seinem Donner sprach er.
[35]
PHENIPPE.
Nein. Denn lauschend,
Wie sie, vernahm ich dann aus diesem Stein
Ein Klingen, das des Gottes Stimme war.
MENESTO.
Selbst wenn er klingt, euch klingt er nicht.
BIO.
Er klingt
Er klang auch jetzt.
MENESTO.
Macht, daß ihr fortkommt!
PHENIPPE.
Schauet!
Dort steht der Herrensohn!
BIO.
Artemidor,
Der schöne!
MENESTO.
Fort nun!

Menesto und die Sklavinnen links ab.
4. Szene
Vierte Szene
Myrrha. Artemidor.

ARTEMIDOR.
Heiß' ich »Schwester« so
Dich, Mädchen, frag' ich immer mich mit Staunen,
Was wohl geschwisterlich in dir und mir.
[36] Uns gab vertrautes Beieinanderwohnen
Ein güt'ger Gott, doch größer war die Güte,
Die mitten in der Jugend frohen Spielen
Einander fremd uns bleiben hieß. Jawohl!
Senk nicht die Wimper, zucke nicht die Lippen!
Fremd sind wir uns, und also soll es sein.
Denn unser wartet nun bedeutungsreich
Ein holdes Näherkommen. Frommer Zwiespalt,
Vorfreud'ges Angstgefühl erwarten uns.
Du schweigst? O nenne nicht Vermessenheit,
Was mir wie Zagen ist, und horche freundlich
Dem Willkommruf in dir, wenn auch dein Auge
Mich scheu von hinnen weist.
MYRRHA.
Artemidor,
Mein Bruder, glaube nicht, daß ich nicht wüßte,
Was rings die Leute raunen. Füreinander
Sind wir bestimmt seit langem. Warum spielen
Wir nun mit Dingen, die so heilig sind?
Ja, rissest du mich an dich, gäbst du mir
Den Namen, den ich fühle, gut, so beugte
Ich mich dem Willen, der von oben kommt,
Und fragte nimmer. Denn wer bin ich Großes,
Daß ich zu fragen hätte? Doch seit Monden
Lieg' ich nun schlaflos lange Nächte – dunkle
Gedanken kommen, gehn und kommen wieder.
Ein Schatten kommt, den ich nicht nennen darf,
Und will ich ihn ergreifen, ist's ein Schatten.
Was wird mit diesem Hause? wird mit uns?
[37] Der Bruder geht leichtherzig seinen Weg.
Wohin? Woher? Ich weiß es nicht. Nur du
Hast Kunde von dem Leben, das ihn festhält.
Die Mutter! Ja, die Mutter. Blut'ge Wunden
Umkleidet sie mit ihrer Seele Weichheit.
Drum zeig' ich ihr ein fröhlich Angesicht,
Geh' mich als Kind und bin es doch so wenig.
So bliebst nur du. Fremd, sagst du, sein wir uns.
Du warst es nicht – mir nicht – doch wirst du's nun,
Mit Schrecken fühl' ich's – wirst es mehr von Stund'
Zu Stunde.
ARTEMIDOR.
Wenn ein plötzlich Zutraun leid'ge
Verborgenheiten bloßlegt, stutzt man wohl –
Ermannt sich aber langsam. Fremdsein heißt
Uns neu sein. Neusein macht bemerkenswert.
Und also soll der Fremderwerdende
In höhrer Schätzung stehn als der Vertraute
Du lächelst? – Fühlst du wohl, wie man es lernt
Sich beugen dem, des künft'ge Herrschaft man
Als gottgewollt empfindet? Hör mich.. Nein!
Hier droht uns eine Feier. Ist mir doch,
Als quält' uns schon des Flötentons Gekreisch..
Doch heut' am Abend, eh das Fest beginnt,
Das Bruder Diokles den Jünglingen
Zu spenden sich vermißt, sei leise dir
Ein Fragewörtlein in das Ohr geraunt.
Erschrick mir nicht. Was andre wie ein Recht
Mit plumpen Händen in den Säckel tun,
[38] Das will ich mir als eine seltne Frucht
Vom höchsten Wipfel der Gewährung pflücken.

Dienerinnen öffnen die Tür links.

Der Vater! Deine Mutter ist mit ihm.
Willst du bereit sein?
MYRRHA
beklommen.
Ja, ich will.
5. Szene
Fünfte Szene
Die Vorigen. Arratos. Philarete.

MYRRHA
neigt sich vor Arratos und wird von ihm auf die Stirn geküßt.
Dann schmiegt sie sich an die Mutter.
ARTEMIDOR
begrüßt mit großer Ehrfurcht Vater und Stiefmutter.
ARRATOS.
Find' ich
In trautem Zwiegespräch euch beieinander,
Ihr beiden Kinder, wird der frohe Tag
Noch heller. Strahlender wird mir der Sinn,
Der Vor- und Nachbedeutung lieblich mischt.
ARTEMIDOR.
Mein gnäd'ger Vater, nimm von meinen Lippen
Den Wunsch, daß dieses Tages Sonne, die
Dein Haupt mit Ruhmgold glorienhaft umspinnt,
[39] Der Menschen und der Götter Neid enthoben,
Durch Ewigkeiten dich umstrahlen möge!
ARRATOS.
Ich danke dir.
PHILARETE
leise.
Nun sprich auch du!
MYRRHA.
Was soll
Ich sprechen?
PHILARETE
leise.
Sprich!
MYRRHA.
Mein Vater, ungeschickt
Bin ich in Lobesworten. Wardst du nicht
Von allen Göttern so mit Glanz gesegnet,
Daß du des Mädchens zage Huldigung
Gar leicht entbehren magst, dem wider Willen –
Ganz wider Willen – glaube mir, der Mund –
Sich –
PHILARETE
leise.
Weine nicht!
MYRRHA
drückt sich mit unterdrücktem Schluchzen an sie.
ARRATOS.
Auch deine Mutter ist
Nicht heiter, wie man sieht. Unausgesprochnes,
Unauszusprechendes wühlt in den Seelen
[40] So ihr wie dir. – Ich ehr' es, und ich muß
Es ehren. Menschlichkeit verleugn' ich nicht.
Drum nehm' ich diesen Ansatz für die Tat
Und sag' euch Dank. Doch was ich ungern jetzt
Gewahren muß, ist, daß der einz'ge, der
Noch hergehört und dessen schuld'gen Gruß
Ich wohl erwartete, dem Hause fernbleibt.
PHILARETE.
O zürn ihm nicht!
ARTEMIDOR.
Und täuscht mich nicht mein Ohr,
So hör' ich ihn nach seiner kindischen
Gemütsart scherzend mit dem Wächter.
6. Szene
Sechste Szene
Die Vorigen. Diokles.

DIOKLES
hereinstürmend und plötzlich stutzend.
Was da?
Wie seht ihr mich so strafend an? Oh, zwar
Ein wenig strafbar fühl' ich mich auch sonst.
Ja, daß ich atme, wirkt schon strafenswert.
Doch, wie gesagt, ich grüß' euch, edler Vater
Und liebe Mutter, und auch sonst die ganze
Gesellschaft.
ARRATOS.
Höre mich, du Wilder! Wer
Sich Sohn mir nennen will, dem wär's geziemend,
Daß er des Vaters würdig sei.
[41]
DIOKLES.
Was nun?
ARRATOS.
Du teilst die Ehren dieses Hauses –
DIOKLES.
Das,
Wenn ich gehorsamst dich erinnern darf,
Von Hause aus mein eigen Haus ist!
ARRATOS.
Schweig,
Vermeßner! zerre nicht an meiner Güte,
Die schon zu lange diesen Trotz erduldet. –
Und läs' ich nicht in deiner Mutter Auge
Ein heimlich Flehen, das um Losspruch bittet,
Und wäre nicht der Tag so freudereich – –
DIOKLES.
Der Tag? Was für ein Tag denn?
ARRATOS.
Wär' es möglich?
Auf welcher Erde hausest du, mein Sohn,
Daß du nicht weißt, wie heute vor zehn Jahren
In jener Schlucht durch aller Götter Hilfe
Karthagos Übermacht –?
DIOKLES.
Ja so! Das war
Ja wohl der Tag, an dem sie meinen – – Wie?
O nichts, vergib! Bald hätt' ich Schwereres
Vergessen. Hätte gar an einem Namen
[42] Die Zunge mir verbrannt, dem heil'gen Namen,
Der, wie du wolltest, uns zum Gift geworden,
Da, der ihn trug, in allzustolzem Glauben
Die weiße Stadt der Not zur Beute gab.
Ich schweige schon! Beim Zeus! ... Doch schau hinaus,
Mein gnäd'ger Vater. Leicht versieht man sich.
Es gibt so viel Karthager in der Stadt,
Die beinespreizend auf den Gassen prunken,
Daß uns der Glaube wohl gedeihen kann,
Der Tag sei nie gewesen – oder schlimmer –
Er hätt' uns eine Schlappe heimgebracht.

Bewegung.
ARRATOS
heftig.
Genug! Im eignen Hause füglich sollte
Man Dank sich ernten. Doch als Trotz und Hader
Und kaum verhehlter Vorwurf kehrt mein Wohltun
Zu mir zurück.
ARTEMIDOR
beflissen.
Mich, Vater –
ARRATOS.
Laß, o laß!
ARTEMIDOR
zu Diokles.
Wie durftest du, zumal an solchem Tage,
Der unsern Jubel zu den Göttern trägt,
Den Helden, der die Stadt errettete –
Den Helden, der uns Vater ist und Freund ...
[43]
PHILARETE.
Tritt vor ihn, Kind, und wirf dich in die Knie! –
Verschmäh ihn nicht, du Teurer. Sei ihm gnädig!

Zu Diokles.

Bei allen Göttern, sprich!
DIOKLES.
Was ich da sagte,
Mein hoher Vater, war kein Lästerwort,
Dich zu betrüben tückisch vorbestimmt,
Auch keines Murrens, das da heimlich hauset,
Geschwätz'ger Widerhall. – Vergnüglich ist
Die weiße Stadt – vergnüglich sind wir alle –
Und wahrlich! Übel würd' es uns geraten,
Wenn's anders wäre! Doch was unverstanden
Und ungehört in jeder Brandung atmet,
Was mit verhaltnem Herzdruck uns die Brust
Zusammenschnürt – ich weiß nicht, was es ist,
Mein Vater. – Ist's, was ich da faselte?
Ist's jener eine Mago, der seit Monden
Als wohlgehegter Gast im Land umherstreicht?
Wie dem auch sei, mein Mund ist nicht berufen,
Dich zu gemahnen, daß – – denn wer – wie ich –
Von da herstammt, wo man – – wo ich herstamme,
Der muß – maulhalten ... Drum – vergib!

Er sinkt in die Knie.
ARRATOS.
Steh auf,
Mein Sohn. Unedel ist dein Wille nicht,
Und so vergeb' ich dir. Doch acht in Zukunft
[44] Bedächtiger, wie Menschenwitz den Lauf
Des Stromes lenkt, der, ob er tausendmal
Bezwungen scheint, uns doch verschlingen würde. –
Ihr Jünglinge, verkündet auf dem Markte,
Daß euer Vater ohne viel Gepränge
– Denn Aufsehn liebt er nicht, als Herr der Stadt
Zu trumpfen liebt er nicht – dem Zeus-Erretter
In dessen hehrem Tempel heut' als Opfer
Zwei goldgehörnte Stiere bringen werde,
Den alten Sieg zu preisen. So zerstört
Ihr gleich das alberne Gerücht, die Feier
Sei nicht beliebt, weil unsre guten Freunde
Sich dran entrüsten könnten. – Noch ein Wort,
Mein Sohn!

Nimmt Artemidor beiseite.
DIOKLES.
Ich aber will für meinen Teil
Der Artemis 'nen Lichterkuchen opfern.
Zehn Lichter drum herum und eins inmitten,
Das ausgeblasen wurde, weil – es stank.

Ab.
ARRATOS
leise zu Artemidor.
Du lenkst ihn falsch. Unschädlich ihn zu machen,
Begehrt' ich, als ich ihn dir übergab,
Doch scheint sein Trotz im Wachsen. Sag, wie steht's?
ARTEMIDOR.
In Lüsten wälzt er sich. Sein Leumund ging
Zuschanden. Was zugleich ihn abwärts treibt
Und wieder hochreißt, dunkel ist's und schwer
[45] Zu bänd'gen – ist ein Gram, ein Groll, der heimlich
Ihn strafft – der Gram um seines Namens Schande.
ARRATOS.
Zu schonen ist mein Wunsch. Sein Blut begehr'
Ich nicht. Doch wenn – ...'s ist gut. – Was jenes Mädchen
Belangt, will ich mich umtun.
ARTEMIDOR
nach Verabschiedung ab.
ARRATOS
zu Myrrha.
Siegesfeste
Laß andre feiern, Kind, und geh derweilen
Dem Eros einen Schurz voll Rosen weihn.
MYRRHA
ab.
7. Szene
Siebente Szene
Arratos. Philarete.

ARRATOS.
Der Tag erglänzt – die Herzen schlagen höher,
Nur du – verfremdet und in Gram gemummt –
Gesellst dich mir als Freudestörerin.
Kehr heim aus deines Kummers dunklem Fernsein!
Kehr heim – nicht bloß, wie du wohl sonst auch pflegtest,
Glutheiße Händel bittend abzukühlen
Und zwischen Fels und Fels ein weiches Wort
[46] Zu streun – kehr heim und bring die Seele mit,
Die irgendwo an hoffnungslosen Ufern
Schiffbrüchig in die Leere weint.
PHILARETE.
Kehr heim,
So rufst du! Mahnst du mich an Pflichten,
Die ich vergaß? Sprich, war ich nicht daheim,
Wenn du in Sorgenächten, krampferfaßt,
Auf deinem Pfühl dich schütteltest? Wenn du
Im Halbtraum angstverzerrte Laute stöhntest,
Und wenn du wahnkrank an des eignen Handelns
Gesetz das Messer der Verzweiflung legtest?
ARRATOS.
Nicht! Laß! Nichts mehr davon! Das war einstmals,
War jüngst noch meinethalben! – aber – sieh! –
Das hat sich aufgehellt – genas – und ward
Zum Heile, denn, was heute – – ja, ich muß
Dich loben! Treulich standest du zu mir,
Vergaßest eigne Not und legtest kühlend
Den Balsam deiner Hände mir aufs Haupt.
Doch wüßt' ich gern, in welcher Bahn derweilen
Dein Denken kreist – ob du nicht gar mißbilligst,
Vergleiche stellst und dich im Rückerinnern
Entthronten Göttern vor die Füße wirfst.
Kehr dich nicht ab. Ich weiß, daß ich mit Schatten
Im Kampfe liege, daß ich Nacht für Nacht
Mir zollbreit meines Lebens Grundwerk neu
Erobern muß.
[47]
PHILARETE.
Mein Freund, laß uns des Daseins
Verhüllte Bürde schweigend weitertragen –
Gleich Weggenossen, die bei hartem Wandern
Die Füße sich wundliefen und dies Wehtun
Wie eine Schande nicht bekennen wollen.
An Heimlichkeiten zwischen dir und mir
Wuchert's in Fülle. Wir ersticken fast
Daran und können, dürfen doch nicht reden.
ARRATOS.
Bedenkst du mich, mein Handeln steht so hell,
So klargefügt vor dir und aller Welt –
Ich weiß nicht, was ich noch zu hehlen hätte!
Schau her! Tyrannenschaft ward mir geschenkt
Von einem Volke, das in Dankesjubel
Nicht Maß noch Schranke sah. Ich wehrte mich
Und tat sie weg – bescheiden, zagend fast –
Wie einen Lorbeer, der mir nicht gebührt.
Kein Schandmal flecket diese Stirn, kein Feind
Sank unter meines Henkers Fäusten hin.
Und wen ich bannte, dessen Schätze machten
Mich selbst nur ärmer. Sieh! Wo ist der Goldreif,
Der herrscherhaft die Schläfen schmücken sollte?
Wo der Palast, der seiner Mauerzinnen
Gebiß der weißen Stadt entgegenfletscht?
In meines Weibes Hause wie ein Gast,
Ja wie ein Fremdling wohn' ich unbewehrt.
Kaum, daß ich mir die tausend Wächter gönne,
Die mir zu meines Leibes Schutz das Volk
[48] In Liebe dargebracht. So leb' ich – leb'
Und sühne! – Sühne – was? – Was wär' zu sühnen!
Wohl jener Sieg? Doch sühnt man Siege? Sühnt
Man Glück, das kein Glück ist? Das wie der Nattern
Geringel Seel' und Leib zuschanden schnürt? – –
Ja so! Vergib! ... Denn dein vergaß ich fast!
Undankbar bin ich nicht! Vergib.
PHILARETE.
Von Danken
Sprich nicht. Weiß ich ein Wort, das zwischen uns
Nicht sinnlos wär' – ein Wort, das unsrer Seelen
Gemeinschaft bündig trifft, so heißt es: Schuld.
ARRATOS.
Was – Schuld? Auch das noch Schuld! Warst du nicht frei?
Warst du nicht mit der Deinen Leib und Leben
Mir anvertraut? Wie könnt' ich dies Vertrauen
Bewähren – klüger, maßvoller bewähren –
Als euch in meines eignen Namens Hut
Vor des empörten Volkes Ungestüm
Zu schützen? So nur wurdest du gerettet
Und mit dir Kinder, Haus und Heimatsrecht.
Du sträubtest dich, du wolltest aus dem Fehlen
Des nie gefundnen Leichnams Schlüsse ziehn –
Und noch in diesem Augenblicke zuckt
Dein Körper wie vom Blitz berührt. So banne
Jetzt endlich jene Sorge! Viele waren
[49] Durch niederdonnerndes Gestein in Staub
Zermalmt und selbst der Liebe Sucherblick
Ganz unerkennbar. Laß ihn ruhen! ... Laß
Ihn ruhen! ... Schlimmer wär' es ihm ergangen,
Wenn etwa – doch genug! Zu Heiterm jetzt.
Was unsre beiden Kinder anbelangt,
So wär's wohl Zeit, daß wir Entscheidung träfen.
Doch bitt' ich noch einmal: Den Schatz des Hauses,
Den unermeßlichen, der von den Vätern
Drin aufgehäuft, gib frei! Bekenne mir
Die Stätte, wo du ihn bewahrst. So kläglich,
So mitgiftlos wirst du die einz'ge Tochter
Nicht aus dem Hause tun. Und von dem Anteil,
Der deinem Sohne zukommt, soll kein Deut
Entwendet sein. So schwör' ich abermals,
Wie ich dir oft geschworen.
PHILARETE.
Und so oft
Du dieses tatst, erhärtete mein Schwur,
Daß ich die Güter alle, die dem Hause
Zu eigen, ohne Rückhalt, ohne Mißtraun
In deine Hände gab und daß die Stätte,
Nach der du forschest, mir Geheimnis blieb.
Nun richte mich, doch quäle mich nicht mehr.
ARRATOS.
Soll ich den Maulwurf spielen unter diesem
Gestein? Soll ich die Sklaven foltern lassen,
Bis Blut und Worte durcheinander sprudeln?
[50]
PHILARETE
in Angst und Flehen.
Nicht einer weiß, nicht einer!
ARRATOS.
Aber mir
Hängt Hand und Herrschaft an dem einen Wissen!
In tausend Truggestalten schleichen sie
Durch Stadt und Lager – wispern hier
Und tuscheln dort und kaufen Trödel, der
Nicht schenkenswert ... Wo dieser schnell verarmte,
Wo jenem Ruf und Ansehn brüchig ward,
Wo Habsucht lauert und verhaltner Groll
Die Fäuste ballt, da nisten sie verstohlen
Und werden Gastfreund, Spiel- und Zechgenosse –
Da gleißt das rote Gold! ... So kaufen sie
Das halbe Syrakus mir, kaufen Volk
Und Edle – kaufen mir die Wächter – kaufen
Das Bettzeug unter meinem Leibe mir.
PHILARETE.
Nicht ganz so freudereich erglänzt der Tag,
Wie du mich glauben ließest. Und auf wen
Kannst du wohl zielen, sind es jene nicht,
Die – –?
ARRATOS.
Die Karthager, glaubst du? Nein, o nein!
Die sind mir freund! Ist Mago nicht mein Freund?
Er mehr als alle? ... Ja ... Denn wär' er's nicht,
Was wollt' er sonst in dieser Mauern Obhut
Und prüfte liebend ihre Kraft und prüfte
[51] Noch liebevoller meine Morgengrüße?
Doch – immerhin – an Einfalt krank' ich nicht.
Ich zäune mir den Garten, drin mein Schicksal
Zur Blüte kam. Spürfinger streck' ich weit
Hinaus. Glaub nicht, daß mir in Stadt und Hafen
Ein Hauch entwischt, und was zu nächt'ger Stunde
Sich zutrug, was –

An das metallne Becken schlagend, das links an einer Säule hängt.

He, holla, Hüter!
8. Szene
Achte Szene
Die Vorigen. Der Türhüter.

TÜRHÜTER.
Herr?
ARRATOS.
Sind von den Männern, die frühmorgens hier
Zu warten pflegen, etliche vorm Tor?
TÜRHÜTER.
Es lauern ihrer zweie, Herr!
ARRATOS.
's ist gut!
Sie sollen kommen.

Der Türhüter ab.
9. Szene
Neunte Szene
Die Vorigen. Zwei Spaher.

ARRATOS.
Was berichtet ihr?
[52]
ERSTER SPÄHER.
Eurytimos, o Herr, der starke Ringer – –
ARRATOS.
Derselbe, den ich unlängst bannte, weil – – –?
Was ist's mit ihm?
ERSTER SPÄHER.
Bebärtet und als Bettler
Schlich er zur Stadt herein in grauer Frühe.
ARRATOS.
Dies wird mich später kümmern. Doch – wie steht's
Mit Mago?
ERSTER SPÄHER
verlegen.
Mago sah ich nicht.
ARRATOS
zum zweiten.
Und du?
ZWEITER SPÄHER
sieht zaudernd Philarete an.
ARRATOS.
Du schweigst? Geheimnisse, die mich mit euch
Verbinden, wird die Herrin ruhevoll
Ertragen! Sprich!
ZWEITER SPÄHER.
Ein andrer Bettler, Herr –
[53]
ARRATOS.
Was, Bettler! Bettler! Kümmern mich die Bettler?
Von Mago, meinem Freunde, laß mich wissen!
ZWEITER SPÄHER.
Der Bettler, Herr, von dem ich Kundschaft bringe,
Wird dich erstaunen, mehr als Mago kann.
ARRATOS.
Wie das?
ZWEITER SPÄHER.
Vom Hafen kam er. Welch ein Schiff
Ihn hertrug, blieb unaufgehellt. In Mühsal
Sich weitertastend, führerlos – denn er
Ist blind, vom Stahl geblendet, wie es scheint –
So kroch er allgemach zur Oberstadt,
Gesellte sich den Gabeflehenden,
Die haufenweis am Tor der Achradina
Im Staube knieen – und –
ARRATOS.
Und?
ZWEITER SPÄHER.
Wirre Reden
Führt er allda: Wenn je du wüßtest, Herr,
Was ihm zu wissen ward vergönnt, du würdest
Ihn lohnen königlich, du würdest –
ARRATOS.
Weiter,
Nur weiter!
[54]
ZWEITER SPÄHER.
Herr, ich darf nicht weiter.
ARRATOS.
Wer
Versagt es dir?
ZWEITER SPÄHER.
Du selbst. Bei Kerkerstrafe
Verbotest du, den Namen je zu nennen
Des Feldherrn, der –
PHILARETE
streckt mit einem fragenden Aufschrei die Hände gegen ihn aus.
ARRATOS
halb zu Philarete gewandt.
Wenn ich so tat, geschah's,
Damit nicht Schmähung ungerecht sich häufe
Ob einem Grabe, das nur Tränen heischt.
PHILARETE.
Bei allen Göttern, warum sprichst du nicht?
ZWEITER SPÄHER
fragend zu Arratos gewandt.
Ich weiß nicht –
ARRATOS.
Sprich!
ZWEITER SPÄHER.
So bleib' ich straflos?
[55]
ARRATOS.
Ja.
ZWEITER SPÄHER.
Der Blinde Bettler also dort am Tor
Berühmte sich in Worten mancherlei –
Und alle lauschten wie verzaubert ihm –,
Er könne melden, was auf Erden keiner
Gehört und wahrgenommen außer ihm:
In welcher Art – und wo – und wann – einst jener –
Der – – der –

Sich ein Herz fassend, fast schreiend.

einst Lykon, unser Feldherr, starb.
PHILARETE
nach einem langen Schweigen.
Am Achradina-Tor, so sagtest du?
ZWEITER SPÄHER.
Dort, wo die Bettler knieen, hohe Herrin.
PHILARETE.
Wie sieht er aus, der Mann?
ARRATOS
leise.
Laß! Davon später!
PHILARETE
sich hoch aufrichtend.
Wie sieht er aus, der Mann?
[56]
ZWEITER SPÄHER.
Kein Menschenanblick
War je so schreckensvoll. Gesicht und Glieder
Von Marterspuren wundgefleischt. Der Augen
Zerrissne Höhlen wie mit Blut erfüllt.
Wildweißes Dünnhaar starrend um die Schläfen.
Die Stimme kreischend wie geborstnes Glas
Und Lästerworte speiend. Böse scheint
Der Mann, und Böses hängt an seinen Fersen.
ARRATOS.
Ihr mögt nun gehn. Doch harret, bis ich eurer
Bedarf.

Die beiden Späher ab.
10. Szene
Zehnte Szene
Arratos. Philarete.

PHILARETE
stammelnd, fassungslos.
Ich will – Menesto will ich rufen –
Damit sie mich geleite.
ARRATOS.
Bleib! Ich bitte!
Unwürd'ges Fragespiel vor aller Welt!
Zudem – wie leicht verfielst du Gauklerkünsten,
Die mit gefälschter Botschaft dich umgarnen!
Ich will den – da – verhören lassen – strafbar
Ist er gewiß – und mit dem nächsten Schiffe
Beiseite tun.
[57]
PHILARETE.
Du, Mann, jetzt höre mich!
Seit Jahren wandl' ich neben dir in Stummheit,
Und meiner Seele Haus hab' ich verschlossen
Mit tausend Schlössern. Jetzo spreng' ich sie.
Daß ich Verbrechen, todeswürdige,
Beging, als ich mich deinem Willen gab
– Denn jenem einzigen war ich geweiht –,
Davon will ich nicht reden, dieses trifft
Mich ganz allein. Doch wenn du jemals wähntest,
Daß, weil ich um dich war in wacher Sorge,
Weil ich dein Bett geteilt und deine Nöte,
Daß darum dir von dieses Herzens Fülle
Mehr als ein Überrest, ein Armutsopfer
Zu eigen ward, so täuscht sich deine Mannheit
Denn ihm gehör' ich ganz – so heut' wie je –
Doch nicht in Sehnsucht mehr, nicht mehr in Liebe,
Die willenlos nach Unsichtbarem greift –
Angst ward mein Wesen, Angst und nichts als Angst,
Angst, daß er leb', Angst, daß er eines Tages –
Als Rächer nicht, denn seine Rache soll
Willkommen sein – o nein, in stummem Jammer
Als Freund und Mahnender so vor mir stehe,
Wie du hier stehst
Und nun, da hergesandt aus dunklen Landen
Eine Bote naht, der Frieden mir verheißt –
Da sträubst du dich und spinnest Ränke? Wahrlich,
Kannst du mit eignem Werke nicht den Mann
Vergessen machen, der mir alles war,
So hol dir einen Helfer! Ich dafür
[58] Gelobe dir: Wenn ich erst wieder lebe
– Vielleicht werd' ich lebendig, weil er tot –,
Dann will ich – ja doch – lieben will ich dich
Und lachen will ich wieder lernen – und –
Zutraulich will ich sein – und – mich – kleinmachen –
So klein, wie jener groß war, dessen Sterben
Mich jetzt befreien soll. Versteh mich gut
– Die Zukunft klammert sich in diese Stunde –
Und schaff ihn her, den blinden Mann – hierher,
Daß ich ihn fragen möge, zeugenlos.
Erfüllst du mein Verlangen?
ARRATOS
nach einem Schweigen.
Dein Verlangen
Soll alsobald erfüllt sein. Noch vor Nacht
Wird er an dieser Stätte stehn.
PHILARETE.
Hab Dank!

Der Vorhang fällt.

2. Akt

1. Szene
[60] Erste Szene
Bettler in zwei Reihen knien vor dem Tor, eine Gasse freilassend, Darunter Eurytimos, Deonax, Sosthenes, Mandros, der Blinde. Ein Reisender mit seinem Diener kommt eben durch das Tor.

DIE BETTLER
in singendem Tonfall.
Kamt ihr als Fremde, von Wogen getragen,
Seid ihr Kinder der nährenden Stadt,
Weigert uns nicht die helfende Gabe;
Vaterlandslos
Könnt ihr einst werden wie wir.
DER REISENDE
zu seinem Diener zurückgewandt.
Du, leere meinen Säckel unter sie.
Manch einer kennt gewiß verborgnen Zauber,
Und gerne käm' ich heim.

Der Diener wirft ihnen Münzen zu, um die sie sich reißen. Nur der Blinde, der abgewandt als letzter der vorderen Reihe sitzt, rührt sich nicht.
DIE BETTLER.
Der hochthronende Zeus,
Poseidons Lächeln
Seien dir gnädig.

Der Reisende und sein Diener nach links ab.
DEONAX.
Drei Schiffe liefen ein. Von Hellas eins,
Zwei von Karthago. Doch weil Festtag heute,
[61] Wird niemand ausgeschifft, wenn nicht – wie diesem –
Das Geld die Tore sprengt. Der Weg bleibt leer,
Und mager der Ertrag.
SOSTHENES.
Doch steigt hernach
Der Opferzug zum Tempel –
EINER
zum Tor hinweisend.
Dort Karthager!
2. Szene
Zweite Szene
Die Vorigen. Drei Reisende in afrikanischer Tracht, einer davon Gubal, kommen durch das Tor von rechts.

DIE BETTLER
wie vorhin.
Kamt ihr als Fremde, von Wogen getragen,
Seid ihr Kinder der –

Die Karthager gehn an der Gruppe vorüber.
EURYTIMOS.
Schweigt stille! Stille, sag' ich! Von Karthagern
Wird nichts genommen, solang' ich hier kniee.

Die Karthager, die mit feindseligen Gebärden den Schauplatz mustern, ohne die Bettler zu beachten, links ab.
SOSTHENES.
Wer bist du, Eindringling, der du mit plumpen
Gelenken maststiergleich die Erde drückst?
[62] Was willst du hier? Geh lieber Weizen schleppen
Zum Hafen, wo man deinesgleichen braucht,
Und schäm dich, daß du bettelst ...
EURYTIMOS.
Von Karthagern
Wird nichts genommen. Und wer's trotzdem tut –
Den mahl' ich zwischen diesen Fäusten – so!
EIN BETTLER.
Will der uns wohl Gesetze geben?
EIN ANDERER.
Fragt
Den Blinden dort.
RUFE.
Der Blinde soll uns helfen!
SOSTHENES.
Du Blinder, horch! Zum Führer wählten wir
Dich heute nacht, weil du uns klüger schienst
Als all die andern. Jetzt entscheide du.
DER BLINDE
im Singsang.
Kamt ihr als Fremde, von Wogen getragen,
Seid ihr Kinder der nährenden Stadt – – –
DEONAX.
Er hört nichts. Seit er von der Wandrung
Zurückkam, die er durch die Stadt gemacht –
– Wie er's vermochte, fremd und blind zugleich,
[63] Das weiß ich nicht – seitdem sitzt er wie tot
Und streckt die Hand nicht aus. Selbst wenn ein Goldstück
Ihm vor die Füße fiele, tät er's nicht.
Du, Blendling – du! –

Die andern lachen.
DER BLINDE.
Hä! – Was? – –
DEONAX.
Wir meinten gestern,
Du hättest zwanzig Augen statt der zweie,
Die man dir ausgestochen. Heute scheint's,
Als fehlten dir zwei Ohren noch dazu.
Nun schüttle dich und sprich ...
DER BLINDE.
Daß Hunde beißen,
Ist ihr Geschäft. Auch solche gibt's, die tückisch
Dem, dessen Futter sie schwanzwedelnd nahmen,
Stracks an die Waden gehn. Daß aber ein
Zahnlos gewordner, wackrer, alter Haushund
Mit schlaffem Gaumen seinem eignen Herrn
Ins Schienbein schnappt, sah ich noch nie – bis heute.
Und wenn selbst eines Hundes Nase trügt,
Wie sollten Menschen wohl noch Wittrung halten?

Lacht.

's ist gut so! Was begehrt ihr?
DEONAX.
Hier sitzt einer,
Der will, daß niemand von Karthagern was
Annehmen soll.
[64]
DER BLINDE.
Feinschmecker scheinst du mir,
Mein Bursche. – Bist du auch ein Schuft mit Auswahl,
Wie du zum Betteln dir die Menschen wählst?
EURYTIMOS.
Karthager sind nicht Menschen.
DER BLINDE.
Sind sie Götter?
EURYTIMOS.
Karthager sind vom Höllenhund erzeugt,
Von Blut verpestet, von Begier gedunsen.
Landräuber – kriechende – neidbrünstige
Landräuber ... Schlamm aufwühlen tun sie – Feuer
Anlegen tun sie ... Ich ... ich hab' geschworen,
Erwürgen will ich jeden, der mir einsam
Begegnet – und erwürgen tu' ich jeden,
Der hier ein Wort zu ihren Gunsten spricht.
DER BLINDE.
Ich aber sage dir: Wohltäter sind
Uns die Karthager – edle, führende
Genossen, die wir ehren sollen, die –
EURYTIMOS
auf ihn eindringend.
So stirb – du –!
[65]
DER BLINDE
ihm entgegen.
Halt, halt, halt! Weil du vielleicht
Brusthaarig bist – Viehtreiberfäuste hast –
Aus strohgestopftem Schädel strohige
Gedanken klaubst und sie hohlschnäuzig andern
In das Gesicht speist – darum meinst du Prahlhans
– Du Stänkerfratz – du Maultrompeter – ich
Und alle müßten vor dir ducken? – Komm!
Laß dich befühlen! – komm! – auf daß ich weiß,
Welch großer Held mich blinden Mann erwürgt.

Leise.

Ich denk' wie du – ja soviel stärker hass'
Ich sie als du – wie meine armen Augen
Geringer sehn als deine. Gib die Hand!
Die Hand ist keines Bettlers. Sprich, wer bist du?
EURYTIMOS
leise.
Gebannt bei Todesstrafe ward ich jüngst
Von hier.
DER BLINDE.
Aus welcher Ursach?
EURYTIMOS.
Weil ich schwor –
Ich sagt' es schon.
DER BLINDE.
Folg mir, als wärst du blind –
Und du wirst sehend sein.

Laut.

Ein guter Mann;
[66] Ich bat ihn sehr – da wurd' er weich, versprach
Mich zu verschonen, auch das Handwerk stören
Will er nicht mehr. Gebt ihm den besten Platz ...
Nun andres! ... Weil ich landfremd bin, belehrt mich:
Ein Fest wird heut' gefeiert, heißt es – gar
Ein Siegesfest. Allein – wie schon gesagt –
Es war ein Mann, den ich einst sterben sah –
Und dieser Mann – seid unbesorgt, den Namen
Verschluck' ich, wie's geboten ward. Auch mich
Gelüstet's nicht, im Kerkerschlamm zu enden.
Ja – dieser Mann behauptete, der Sieger
In jener Schlacht sei er – und rühmte sich –
Und mehr noch seines Volkes Dank. Statt dessen
Find' ich schon nach zehn Jahren sein Gedächtnis
Erloschen – seinen Namen weggeschwärzt –
Und was er tat, im Kote ganz verschüttet.
Vielleicht geschah ihm recht, doch wie geschah's?
Daß Kraft in Ohnmacht sich verwandelt, daß
Ein Sieg zur Niederlage wird und Männer,
Die mit gebrochnem Schwert noch Wunder taten,
Vor einem armen, willenskranken Nichts
Zu nichts vergehn – dies war ein Meisterstück.
Doch sagt: Wo sitzt der Meister? ... Wie seid ihr doch
Verschwiegen plötzlich! Baumelt euch die Peitsche
Im Nacken, oder zittert euer Hunger
Vor einer Wahrheit, die die Spatzen pfeifen?
DEONAX.
Ach was! Als Stoppelvieh begrasen wir
Den Markt – das übrige geht uns nichts an.
[67]
EURYTIMOS.
Doch sag' ich ...
DER BLINDE
leise zu ihm.
Stille!

Zu einem laut.

Du! Wer bist du? sprich! –
Wo kamst du her?

Zu andern.

Und du – Und du?

Zu Mandros.

Dich halt'
Ich fest. Gib Antwort!
MANDROS.
Laß! Wie Eisen, blindes
Gerippe, greift dein Arm.
DER BLINDE.
Drum sprich nun endlich!
MANDROS.
Als Krieger einstmals – in der Quellenschlucht –
DER BLINDE.
Da kämpftest du?
MANDROS
bejahend.
In jenem grausen Dunkel,
Das Tod und Steinsturz rätselvoll
Aus sich gebar, dort unter unserm Feldherrn –
Den andren – toten – mein' ich –
DER BLINDE.
Den! Erinnerst
Du dich, wie er von Ansehn war?
[68]
MANDROS.
So klar
Seh' ich ihn vor mir, wie ich dich hier sehe.
DER BLINDE.
So klar! – Nur weiter!
MANDROS.
Nun – dort in der Nacht
Ward ich zum Krüppel – und –
DER BLINDE.
– Mußt betteln gehn?
MANDROS.
Weil ich für jenen andren – den – den andren
Unklugerweise meine Stimm' erhob,
Macht' ich mich unbeliebt –
DER BLINDE.
Bei wem?
MANDROS.
Bei wem?
Bei Arratos – dem –
DER BLINDE.
Arratos! Bisher,
Wie Diebe ums Schafott, so schlichet ihr
Um dieses Namens Drohung scheu herum.
Jetzt halt' ich ihn und euch. Ein edler Mann –
So hieß es in der Welt, die ich durchwandert –
[69] Von milden Sitten – klug und wohlberedt ...
Was habt ihr gegen ihn?
GEMURMEL.
O – nichts – gar nichts ...
EURYTIMOS.
Von milden Sitten! Töten läßt er keinen –
Und doch verschwand auf Nimmerwiederkehr
Gar mancher Mutter Sohn.
DER BLINDE
vor sich hin.
Der eine kehrt
Ihm wieder!

Laut.

Dann auch hört' ich, daß er jenes –
Des andern – Toten – Weib zur Ehe nahm.
Was spricht die Stadt von solcher Paarung? ... Gutes? ...
DEONAX.
In seinem Hausstand lobt man ihn und sagt,
Er find' an seinem Weibe Glück und Halt.
SOSTHENES.
Was taumelst du?
DER BLINDE
greift um sich, lachend.
Ich finde keinen Halt,
Drum taumel' ich. Sehr einfach.
EINER
nach links weisend.
Ordnet euch.
Karthager kommen dort.
[70]
EIN ANDERER.
Auch Griechen gehn
Mit ihnen.
DER ERSTE.
Einer von den Fremden, scheint's,
Ist Mago!
EURYTIMOS
in Wut aufflammend.
Mago!
DER BLINDE
leise, knirschend.
Mago! –

Zu Eurytimos.

Was ihn angeht –
Sag rasch mir eines: Wurde der Verräter
Jemals gefunden, der vor jener Schlacht
Dem Feinde Heer und Land verkaufte? ...
EURYTIMOS.
Welcher
Verräter?
DER BLINDE.
Wie? Ihr wißt von nichts? Gab's nicht
Prozeß und Untersuchung?
EURYTIMOS.
Nein.
DER BLINDE.
Doch waren
Der Zeugen, hört' ich – manche!
[71]
EURYTIMOS.
Wem ein Steinklotz
Den Schädel bricht, wie kann der zeugen?
DER BLINDE.
Und
Der einzige, der blieb, ist Magos Freund?! ...
3. Szene
Dritte Szene
Die Vorigen. Mago. Gubal. In einiger Entfernung hinter ihnen zwei Karthagische Diener. Die beiden Späher.

MAGO
leise.
Wann also wird die Flotte, deren Nahen
Du meldest, vor der Stadt erscheinen, Gubal?
GUBAL.
Mit nächstem Sonnenaufgang.
MAGO.
Bringst du mir
Des hohen Rats Befehl?
GUBAL.
Du selber mögest
Ermessen, was uns not und nütze, sprach
Der hohe Rat.
[72]
MAGO.
Die Stund' ist meinem Plan
Gewogen. Volk und Krieger, die so lange
Durch Argwohn unbezähmbar, wurden mürbe.
Die Jünglinge verdampfen ihre Kraft
In Wollust. Flatternd hängt in unsern Stricken
Der Herrscher, den wir ihnen heimlich schufen.
Heut' vor zehn Jahren war's, und morgen erst
Gedeiht die Rache. Doch damit nicht zwischen
Dem Tun und dem Getansein irgendwie
Gespenster sich erheben – rasch noch eines.

Er geht einige Schritte nach rechts, die Bettler mit einem Blicke umfassend.
DIE BETTLER.
Kamt ihr als Fremde, von Wogen getragen,
Seid ihr Kinder der nährenden ...
MAGO
zu den Dienern.
Werft Münzen unter sie.

Die Späher heranwinkend, zum zweiten.

Hier, sagtest du?
DER ZWEITE SPÄHER
beflissen.
Hier in dem Haufen, Herr.
MAGO.
Beschreib ihn mir.
[73]
DER ZWEITE SPÄHER.
Der zweite von der rechten Reihe, Herr.
Der weißbehaarte – der –
MAGO.
Mach keinen Aufwand
Mit deinen Blicken, Freund.

Wirft einen vorsichtigen Blick nach dem Blinden hin.

Entsinn' ich mich,
Ihn je – –?

Zu Gubal.

Ein Strolch, so scheint's, der auf Gefahr
Der Folterbank den Helden spielt ... Zur Sichrung
Jedoch erfaß dein Schwert, und blinzl' ich nur,
So stoß ihn nieder. Stellt man Fragen dann,
Geschah's durch ein Versehn.
GUBAL
legt die Hand an den Schwertgriff.
MAGO
sich umwendend, laut.
Den Blinden schafft
Herbei.
DER ZWEITE SPÄHER
diensteifrig.
He, Blinder dort, der edle Mago,
Karthagos Hauptmann, wünscht mit dir zu reden.
[74]
DER BLINDE
sehr ängstlich in jämmerlichem Ton.
Mit mir? Mit mir? Was kann der große Mago
Mit –?
DER KARTHAGISCHE DIENER.
Frage nicht und folge!
EURYTIMOS
leise.
Soll ich ihn –?
DER BLINDE
aufstehend leise zu Eurytimos.
Was du auch siehst, halt an dich – deine Stunde
Wird kommen.

Tastend.

Wehe, wehe mir! Wo steht –
Wo steht der große, der allmächt'ge Mago,
Daß ich den Staub von seinen Füßen trinke?
MAGO.
Was du von jenes Feldherrn Untergang
Gesprochen, wurde ruchbar, Blinder.
DER BLINDE.
Wehe,
O wehe mir! Ist dies des Großen Stimme?
MAGO.
Bestätige dein Wort und schaff Beweise.
[75] Denn bin ich gleich ein Fremder, weiß ich dennoch
Gar manchen Weg, Vergessnes wach zu peitschen.
War's ein karthagisch Eisen, welches dich
Geblendet hat?
DER BLINDE.
Ja. Ein karthagisch Eisen,
Das mich geblendet hat. Ach ja.
MAGO.
Zur Strafe
Wofür?
DER BLINDE.
Nicht Strafe. Nein doch. Sage Lohn.
Verdienten Lohn für greuelvolle Tat.
Ein Söldner war ich, in Iberien
Geworben. Als der Krieg dem Ende nah
Und wir entlassen werden sollten, da – –
MAGO.
Von jenen warst du, die den Aufruhr damals
Entzündeten? Doch wie entrannest du
Dem Kreuzestod?
DER BLINDE.
Ich gab dem Richtenden
Der Führer Namen preis und wurde darum
Zur Blendung und zu ew'gem Kerker huldreich,
Erbarmungsreich begnadigt.
[76]
MAGO.
Und entkamst
Dem Kerker – wie?
DER BLINDE.
Du weißt am besten, Herr,
Nur durch ein Wunder können jene Riegel
Sich öffnen, jene Gräber ihren Raub ausspein.
Ich war gestorben, ja – war tot – ganz tot –
Kein Toter jemals war so tot wie ich.
Doch als ich auf dem Scheiterhaufen lag,
Bereit, des Morgens mich in Dunst zu wandeln,
Da – plötzlich – kriegten meine Beine Leben
Und liefen – liefen – liefen – liefen – Herr!
Ach Herr, wie liefen meine Beine! Wenn
Du jene Kerker kennst, so weißt du, Herr,
Wie meine Beine liefen!
MAGO.
Und dort im Kerker als Gefährten – tretet
Zurück ihr andern –

Nur Gubal bleibt bei ihm – leiser.

fandest du –
DER BLINDE.
So war's!
Genau, wie du's errietest, Herr. Da fand ich –
MAGO.
Du irrst! Dort fandst du niemand. Laß mich deinem
Gedächtnis hilfreich sein. Und wenn es ferner
[77] Dich täuschen sollte, muß ich von dem Herrn
Der Stadt dich als der Kerker Eigentum
Zurückverlangen.
DER BLINDE
in die Knie sinkend.
Hilf mir, Herr! – und töte
Mich Häuflein Elend, mich verdorrtes Unkraut
Zertritt mit deinen Füßen – nur das eine,
Das eine nicht – in jene Kerker nicht
Zurück! Nicht in die Kerker, Herr!
EINER DER BETTLER.
Muß das
Ein Volk ertragen?
DEONAX
zu Eurytimos.
Auch du Starker dort
Erträgst es? Schlage drein jetzt!
EURYTIMOS.
Der ist klüger
Als wir – der weiß, warum da knieen.
MAGO
zu Gubal.
Dieser
Heulende Jammer, dies zerfaulte Nichts
Wird uns noch nützlich sein ... Steh auf und höre!
[78]
DER BLINDE
wimmernd.
Ich höre, Herr, ich höre.
MAGO.
Warst du damals
Mit in der Quellenschlucht?
DER BLINDE
sich unwillkürlich hoch aufrichtend, mit schriller Stimme.
Bei allen Göttern,
Da war ich!
MAGO.
Und somit nach eignem Schauen
Weißt du genau, wie jener Feldherr starb.
Doch fühlst du dich zu weitrem stark und pfiffig,
So denk an jene Kerker – rat' ich dir!
DER BLINDE.
Hab Dank, du gnadenreicher ...
MAGO.
Fuhrt ihn weg!

Ein karthagischer Diener stößt den Blinden zur Bettlergruppe zurück. Dumpfes Geräusch von vielen Stimmen erhebt sich links.
GUBAL.
Ein Volksruf – horch! ... Wir sind in Feindes Landen.
MAGO.
Nur eine schmalgeschnittne Siegesfeier,
Die mit dem Trotz des Schuld'gen Arratos
[79] Dem Pöbel auftischt.

Zu den Spähern.

Edle Griechen, sprecht!
Auf welchem Wege steigt der Zug zum Tempel?
ZWEITER SPÄHER
beflissen.
Von dort herab – und hier empor die Stufen.
MAGO.
Nun kriecht nicht länger mehr um mich herum.
Doch wollt ihr mich auch künftig gut bedienen,
Ihr Pack, so spei' ich euch manch Wörtlein hin,
Das ihm ein Schatz wird.

Zu Gubal.

Für den Fall, daß Volkswut
Verwirrung schafft und wir mit klugem Wort
Sie kirren müssen – laß uns nahe sein.

Er, Gubal und die zwei Diener verschwinden rechts hinten.
4. Szene
Vierte Szene
Die Vorigen ohne Mago, Gubal und die beiden karthagischen Diener. Die beiden Späher haben sich nach dem Hintergrunde zurückgezogen. Das Rauschen der Volksmenge nähert sich. Die Szene beginnt sich von links her zu füllen. Auch durch das Tor von rechts kommen Vereinzelte.

DER BLINDE.
Das Schwert, das schon gezückt war, hat noch nichts
Zu tun bekommen. Alsobald wird man
[80] Mich besser kennen lernen ... Starker Mann,
Bist du an meiner Seite?
EURYTIMOS.
Ja.
DER BLINDE.
Wohin
Man mich auch führe, folge mir stillschweigend!
Vor jedem erznen Tor, das mich verschlingt,
Bleib sitzen wie ein Hund, denn deine Stunde
Will kommen. Hörtest du?
EURYTIMOS.
Wie Hunde hören!
DEONAX.
He! Du dort. Blinder, kniest du nicht?
DER BLINDE
wirft sich lachend nieder.
Ich kniee.
DIE BETTLER
im Litaneienton.
Kamt ihr als Fremde, von Wogen getragen,
Seid ihr Kinder der nährenden Stadt,
Weigert uns nicht die helfende Gabe;
Vaterlandslos
Könnt ihr einst werden wie wir.

Der Blinde spricht, die Arme hochstreckend, eifrig mit.
[81]
EINER AUS DEM VOLKE
derweilen.
Verschwanden dort nicht von Karthagern welche?
EIN ANDERER.
Ja, hinterm Wächterhaus. Und Mago war
Der eine.
MEHRERE.
Mago? Saht ihr Mago?
EINER.
Sprechet
Nicht laut von ihm. Sein Anhang wächst. Es könnte
Uns Schaden tun.
EIN ANDERER.
Wenn Arratos gescheit wär' –
Statt diesen Henkersknecht hier in der Stadt
Zu dulden –
EIN DRITTER.
Still – der Zug.
5. Szene
Fünfte Szene
Die Vorigen. Arratos, umgeben von den Großen der Stadt, darunter Hegesias, Artemidor, Diokles, erscheint auf der Terrasse links.

DIE MENGE
schreiend.
Heil Arratos!
[82]
ARRATOS.
Freunde!
Wenn ich zu sprechen mich erkühnen mag,
So bitt' ich, daß ihr mit des Jubels Lohnung
Sparsamer seid. Was tat ich Großes? Was
Gelang mir, daß geneigten Herzens ihr
Mich lobt?

Rufe freundlichen Widerspruchs.

Ich weiß, ihr nennet mich den Sieger
Der Quellenschlucht. Doch bin ich's wirklich?

Rufe: »Ja – ja!«.
DER BLINDE
in Verwunderung.
Hört!
ARRATOS.
Bin ich der Weise, dessen hoher Wille
Fernschauend Weg und Ziel vorherbemaß?
Bin ich wohl gar ein sonnenfroher Held,
Der in des Augenblickes Strudel tollkühn
Hinabgetaucht, Verlornes an das Licht
Zu heben? Nein, ihr Freunde, denn ich selber
Ward an das Licht gehoben von dem Strudel
Des Unglücks, das mir Glück hieß und so allen
In Glück sich wandelte.
DER BLINDE
leise.
Ist er ein Heuchler
Oder ein Narr geworden?
[83]
ARRATOS.
Darum jauchzet
Mir nicht als eurem Helfer blindlings zu,
Seid herrisch nicht in eurem Dienenwollen,
Und gönnet mir, dem Leis'hinwandelnden,
In eurer Mitte schweigend zu verschwinden.

Unter den Beifallsrufen des Volkes steigt er die Stufen nach der Mitte der Bühne herab.
DER BLINDE.
Für einen Schweigenden spricht er zu gut.
EURYTIMOS.
Verschwinden wird er auch nicht.
ARTEMIDOR
sich Arratos entgegenstellend.
Hoher Fürst!
Erlauchter Vater!

Es wird still.
DER BLINDE.
Wer sprich jetzt?
EURYTIMOS
leise.
Sein Sohn
Artemidor.
DER BLINDE
leise.
Acht auf dies Spiel!
[84]
ARTEMIDOR.
Gewähr uns,
Wenn nicht dich selbst zu preisen – dies verbietet
Dein hochgemuter Wille –, so doch uns!
Uns, die wir unter deines Zepters Obhut
Des goldnen Weltenalters Blütentage
Neu sich vollenden sehn. So schufest du
Granitnen Boden für die Macht, die du
Und nach dir dein Geschlecht, das glückliche,
Der Stadt erobern soll. Denn dies Geschlecht,
Durch mich vertreten – und ich schwör' es heut'
Mit heil'gem Schwure – wird dir ähnlich sein.

Vereinzelter Beifall.
DER BLINDE.
Der Schlaukopf schwört in seine eigne Tasche.
DIOKLES
zu Artemidor.
Nicht neid' ich dir des Thrones Anwartschaft,
Und stets will ich dir dienen. Doch warum
Dir nichts als Ehren und mir nichts als Schmach?
HEGESIAS
der sich mit den ihn umgebenden Männern leise verständigt hat.
Im Namen dieser Edlen, die des Rechtes
Bestimmung zwar in deine Hand gelegt,
O Herr, doch nicht der Wünsche sich entäußert,
Bitt' ich, Hegesias, des Theron Sohn:
[85] Gib, was die Zukunft dieser Stadt an Macht
Und

Mit einem Blick nach Artemidor.

Machtgelüst einst bringen wird, für heute
Den Winden. Laß in liebesinnendem
Gedenken uns zu jenen rückwärts schauen,
Die – ob nun schuldvoll oder nicht, ob nun
Vergessen oder nicht – auf daß wir leben,
In heißer Treue sich den Tod gewählt.
DER BLINDE
für sich.
Der Falke stieß gradaus!
DIOKLES
für sich.
O das tat wohl!
ARRATOS
seinen Arger verbeißend.
Ihr edlen Freunde! Glaubet nicht, daß ich
Den Notkampf dieser Nacht verkleinern will.
Ich selbst hab' ihn geführt.
EINER AUS DEM VOLKE.
Noch eben sagt' er,
Er tat es nicht.
ARRATOS.
Ich selber besserte
Nach meiner schwachen Kraft, was andere
Leichtfertig unterhöhlten.
[86]
DER BLINDE
knirschend, leise.
Glaubst du das?
ARRATOS.
Doch nein! Nicht so! Mein eignes Walten zählt
Nicht mit. Ein Speerschaft war ich nur, ein toter,
Zielsicher schwirrend aus der Hand von Helden.
Gewaltiges, Nichtzubegreifendes
Geschah in jenem Dunkel, dessen Wirrnis
Dem Wissenden sogar, was wahr und falsch,
Zu solchem Knoten durcheinander knäult,
Daß auch der Augen allerschärfstes nicht – –
DER BLINDE
sehr laut, mit schriller Stimme.
Hier kniet ein Blinder, und der löst ihn euch!

Bewegung.
ARTEMIDOR.
Was ist's? Wer wagt den güt'gen Herrn der Stadt
Mit kecker Zwischenrede zu verdrießen?
DER ZWEITE SPÄHER
sich an Arratos drängend, leise.
Das war der Mann, von dem ich Kunde brachte.
ARRATOS
fährt zusammen, faßt sich rasch.
Laßt, Freunde! Dieses Tages Wohlgefühl
Darf keinen Mißklang in die Ferne tragen.

[87] Leichthin.

Ein Bettler, sagt man mir, der dort am Tore
Nach Gaben lungert. Führt ihn in die Schenke,
Gebt ihm zu trinken, und so sei's genug.

Zum zweiten Späher, leise.

Du sorgst dafür, daß, wenn ich sein begehre –
DER ZWEITE SPÄHER.
Ja, Herr!
HEGESIAS.
Mahn' ich dich, Herr, zum andern Male,
Vergib's in Gnaden. Doch falls dieser Blinde
Nicht ganz Betrug, nicht ganz Verirrung ist,
So wär's ein Schaden, wollten wir in Hoffart
An ihm vorübergehn. Darum – im Namen
Auch dieser Edlen – bitt' ich ohne Zagen:
Hier und vor allem Volke heiß ihn reden.
Schon mit dem ersten Wort wird sich's erweisen,
Ob er um Zeit und Achtung uns bestiehlt.

Zustimmung im Volke.
ARTEMIDOR
leise.
Ich flehe: Sprich ein Ja. Des Augenblicks
Bedeutung will es so.
ARRATOS.
Du blinder Mann,
Was du mir zu verkünden hast, verkünde.
DER BLINDE
einfältig.
Verkünden? Ich? Was könnt' ich dir, Erhabner,
Der du ja alles besser weißt als ich,
[88] Wohl je verkünden? Nein doch: Bloß zu fragen
Erkühn' ich mich – und das ist schon zu viel.
Drei Fragen, Herr – drei ganz, ganz kleine Fragen,
Für unsre armen Toten, die von Blumen
Und von Musik und von den schönen Reden
Nichts hören und nichts sehn – dir vorzulegen,
Bitt' ich, der Ärmste aller Lebenden,
Dich, Herr, den Quell der Einsicht und der Würde.

Zustimmung im Volke.
ARTEMIDOR
leise.
Sieh, wie das Volk sich seiner annimmt, Vater!
DER BLINDE.
Und nicht einmal begehr' ich einer Antwort.
Beliebt es dir zu schweigen, Herr, so schweige.
Dein gnäd'ges Ohrhinhalten gilt genug.
Und nochmals bitt' ich: höre meine Fragen,

Halb lauernd, halb einfältig.

Weil – du's – vielleicht – den Toten schuldig bist.

Erhöhte Zustimmung.
ARRATOS
nach einem Zaudern.
Die toten Helden, die ich heiß beklage,
Sollst du vergebens nicht gerufen haben.
Zu hören, was du fragst, gelob' ich.
[89]
DER BLINDE.
Dank,
Erhabner! Meiner Fragen erste lautet:
Wenn du die toten Helden heiß beklagst,
Beklagst du nicht den Feldherrn, der sie führte?
ARRATOS
verwirrt.
Den Feldherrn? – Welchen Feldherrn?
STIMMEN IM VOLKE.
Horcht! O horcht!
DER BLINDE.
Ich hörte sagen:

Schrill.

Lykon heißt der Mann.
Ja – Lykon – ja!

Große Bewegung im Volk. Der Name geht in scheuem Flüstern von Mund zu Munde.
DIOKLES.
Ihr Götter, was wird dieses?!
ARRATOS.
Genug des Lärms. Gesetz in Syrakus
– Ein jeder kennt's, ein jeder kennt die Gründe –
Ist, daß der Name jenes toten Mannes
Für alle Zukunft nicht genannt soll werden.
Du, Blinder, hast hiergegen dich verfehlt
Und wirst die Strafe dulden. Nehmt ihn in
Gewahrsam.

Einige Wächter umringen den Blinden.
[90]
DER BLINDE
lachend.
Solches nennst du Strafe, Herr?
Fast lieblich fühl' ich es, denn – beim Hephästos! –
Das Kettentragen bin ich sehr gewöhnt.
ARRATOS
zu den Edlen, scheinbar unbefangen.
Welch seltsam Ungetüm! Aus Einfalt halb
Und halb aus Arglist dünkt er mich gebacken.

Zu dem Blinden.

An Freveln, scheint es, schleppst du mancherlei,
Du Gauch – warst unter jenen Feinden gar,
Den steineschleudernden, die wir verfluchen.
DER BLINDE.
Kann sein, o Herr! Versuch es zu ergründen!
Und jetzt – und trotz den Fäusten, die mich kitzeln –
Kommt meine zweite Frage. Sie zu hören,
Hast du vorhin gelobt. Jetzt höre sie:
Verfluchst du jener Feinde Steineschleudern
Und fluchst nicht auch dem mitternächt'gen Gaste,
Der dies gedroht?

Große Bewegung.
STIMMEN IM VOLKE.
Der mitternächt'ge Gast?
Was will er damit sagen? Welcher Gast?
EINER.
O seht, der König wankt.
[91]
HEGESIAS.
Erhabner Fürst!
Ein Wahnwitz dünkt uns dieses Blinden Rede,
Doch ist dem anders – und so scheint es gar –
Dann klär uns dies: der mitternächt'ge Gast –
Wer war's? Und von wem redet er?
6. Szene
Sechste Szene
Die Vorigen. Mago, Gubal und die beiden Karthagischen Diener sind von rechts hinten hervorgetreten.

MAGO.
Der Gast,
Der einst zur Mitternacht, von Fesseln blutend,
Des Feldherrn Lagerzelt betrat – war – ich –
Ich, Mago, der Karthager Feldhauptmann
Und gleichbenannt mit jenem großen Mago,
Des Blutes ich mich rühme. Wer behauptet –
– Sei's eigne Zeugenschaft schlau zu benützen,
Sei's nur im Nachschwatz müßigen Geredes –
Daß ich nicht als ein Freund von Syrakus,
Und nicht zu warnen, statt zu drohen kam,
Den nenn' ich –
DER BLINDE.
– Gaukler, Schweinhund, Schwindelmatz,
Aufschneidermeister – Sudelkoch – gar einen
Verlognen Lügenpriester nennt er mich,
Weil ich, als ein stockblinder Mann ihm – bis –
In seine Eingeweide sah.

Hallo im Volke. Rufe: »Fort mit Mago! – Nieder mit Mago!«.
[92]
MAGO
nachdem er und Gubal sich in grenzenlosem Staunen angesehn haben, vor Wut zitternd, die Hand am Schwertgriff.
Erhabner, duldest du, daß auf dem Markte
Ein Bettler mich verhöhnt? Nicht unvergolten
Beleidigt man in mir Karthagos Hoheit.

Rufe: »Nieder mit Karthago!«.
ARRATOS.
Mein edler Mago, tiefgekränkten Herzens
Muß ich ersehn, daß deine Gegenwart
In dieses Tages wildgewachsner Stimmung
Das Volk erbittert. Wolle mir hernach
Die Gunst erweisen, daß in meinem Hause
Ich dich begrüßen darf – für jetzt jedoch – –

Breitet zum Zeichen seiner Ohnmacht die Arme aus.
MAGO
verbeugt sich.

Mit seinen Begleitern links oben ab, während die Wächter ihm einen Weg bahnen. Von der Terrasse her blickt er sich noch einmal drohend um.

7. Szene
Siebente Szene
Die Vorigen ohne Mago, Gubal und die karthagischen Diener.

DER BLINDE.
Mir ist, der griechenfresserische Mago
Zog ab.

Lauschend.

Still alles! Habt ihr ihn verjagt?

Einer: »Du warst es. Du hast ihn verjagt.« Rufe: »Dankt dem Blinden!«.
[93]
ARTEMIDOR.
Blick um dich. Deiner Herrschaft Zügel schleifen
Am Boden, Vater.

Rufend.

Stille für den Herrscher!

Es wird still.
ARRATOS
auf die Stufen steigend, die zum Tempel hinanführen.
Ihr Freunde! Daß ihr mit des Zorns Gebärden
Die Hoheit eurer Vaterstadt verteidigt,
Kann ich nur loben, doch vergaßet ihr,
Daß keiner war, der Hand an sie gelegt.

Vereinzeltes Murren.

Was jenen Bettler anlangt, dessen Zunge,
Mit Gift getränkt, die böse Wallung schuf,
So harr' ich, treu dem eigenen Gelöbnis,
Der dritten Frage. Hab' ich sie gehört –
Und ihr bezeugt, daß ich geduldig höre –,
Dann erst will ich des heil'gen Amtes walten,
Das Tod und Leben meinem Spruch vertraut.
DER BLINDE.
Und ich, o Herr, freu' mich des Mauselochs,
Das mir dein Wort zum Durchschlupf angeboten.
Die dritte Frage möcht' ich gern verschweigen,
Bis – ich vorher mir selbst die Antwort gab.
Antwort und Strafe weiß ich dann zugleich ...
Und so schlüpf' ich ins Mauseloch, mein Fürst.

Unterdrücktes Lachen.
[94]
ARRATOS.
Nach diesem Narrenwerk, das allzulange
Uns außer Atem hielt, laßt andachtsvoll
Zu jenes Tempels würdigem Bereich
Uns aufwärts steigen. Ruhige Betrachtung
Und einer Gottheit sonnenklares Auge
Erwarten uns.

Er wendet sich zum Gehen. Der Zug setzt sich in Bewegung.
DER BLINDE
zu den ihn Festhaltenden.
Ihr aber, liebe Wächter,
Bewahrt mich gut. Karthagerdolche sind
Gar spitz, und sonnenklare Augen möcht'
Auch ich auf mir noch einmal ruhen fühlen.
DIOKLES
aus dem Zuge zurückkehrend.
Ich hab' dich gern, du tausendzüng'ger Tollkopf,
Und ist das Glück dir hold und du wirst frei,
So komm zu meinem Feste heut' am Abend.
Bring uns zum Lachen, und wenn du's vermagst,
Tu mehr!

Er wendet sich zum Zuge zurück.
DER BLINDE
der in wachsender Spannung gelauscht hat.
Schon fort? Ich kenne diesen Ton!
Klang so nicht meines Vaters Stimme – oder –
Vielleicht – die eigne, als ich noch – ein Mensch war?
[95] Ihr Wächter, liebe Wächter, sagt mir doch,
Wie ist der Name – dessen – der hier –?
EIN WÄCHTER.
Dieses
War Diokles, des Herrschers Stiefsohn.
DER BLINDE
in zitternder Erregung ihm nachrufend.
Höre
Mich, Knabe! Ob in Ketten oder frei,
Ob lebend oder tot, ich komme.

Der Vorhang fällt.

3. Akt

1. Szene
[97] Erste Szene
Arratos. Mago. Beide auf Stühlen sitzend, die zu Füßen des Thrones stehen.

ARRATOS.
Noch einmal, edler Mago, was mich schmerzt,
Ist weniger des Pöbels harscher Unmut
Als viel, viel mehr die Furcht, du könntest glauben,
Daß ich durch halbverhüllte Weisungen,
Durch – sei was dem auch sei – der Dankbarkeit,
Der ungemessnen, die mich an dich bindet,
In Überdruß die Quellen abgegraben.
MAGO.
Mein Fürst – ob dich das Volk nun Fürst, ob König,
Ob sonstwie nennt – ich folg' ihm um so lieber,
Als du's von meinen Gnaden bist.
ARRATOS
ängstlich.
Sprich leiser!
MAGO.
Stehn Lauscher an der Tür?
ARRATOS.
Das nicht, doch bitt' ich –
MAGO.
Gut also! Denkst du noch des Augenblicks
In jener Kampfnacht, da du von der Sichrung
Des Weibes, das nun dein Weib, wiederkehrend,
Die Todesbarre, die wir zwei gebaut,
Von Lykons Armen jäh durchbrochen fandest?
[98] Und als ein kriegsgefangner Mann des Trosses
Scheu vor mich tratst, der ich auf Katzenpfaden
Herabgeklommen? – Weißt du noch? ...
ARRATOS.
Ich weiß.
MAGO.
Da sagt' ich dir: der schlau gewobne Plan,
Den du zum Königsmantel schneidern wolltest –
Tollkühnheit riß ihn mitten durch. Der Sieg
Ist uns verloren. Denn obwohl sie noch
Dort in der Ebne sich die Schädel spalten –
Das End' ist so gewiß, wie daß den Scharen,
Die oben in den Felsen eingepfercht,
Nicht Flügel wuchsen, sie hinabzutragen.
Doch – sprach ich ferner – bleibt ein Ausweg: Lykon,
Der seiner selbst nicht achtend uns ins Garn
Geriet, wird noch zur Stunde abgetan.
Du aber eile zu den Kämpfern, reiße
Die Führung an dich, und wenn wir hernach
Dich, demutsvoll um freien Abzug bittend,
Als Sieger grüßen, wirst du Sieger sein.
Geschah dies?
ARRATOS.
Dies geschah. Doch warum marterst
Du mich?
MAGO.
Damit die Feier des Erinnerns
Auch zwischen uns begangen werde. – Dann
[99] Wollt' ich dich fragen: Jener blinde Bettler,
Der irgend etwas weiß, womit er spielt,
Und dessen Prüfung mir verwertbar scheint,
Gibst du ihn wohl in meine Hand?
ARRATOS.
Ich tät's
Gewiß, doch ein Versprechen, fast ein Schwur,
Jawohl ein Schwur, gebietet mir, daß –
MAGO.
Schwüre
Verschenkt man nicht, ist man so arm wie du.
ARRATOS
die Demütigung hinunterwürgend.
Du irrst, mein Freund. Solange dir mein Wille
Nicht wertlos scheint, nenn' ich mich reich. – Der Blinde
Wird gut bewacht und wartet hier.
MAGO.
Im Hause?
ARRATOS.
Im Hause. Wenn er es verläßt –
MAGO.
Und wann
Verläßt er es?
ARRATOS.
Noch heut' am Abend.
MAGO.
Dann?
[100]
ARRATOS.
Gehört er dir.
MAGO.
's ist gut.
ARRATOS.
Doch hüte dich
Vor Aufsehn, denn das Volk –
MAGO.
Schon gut. Leb wohl.
ARRATOS.
Leb wohl.
MAGO
wiederkehrend.
Doch ja, noch eins. Mir wurde Nachricht,
Daß in der nächsten Zeit, vielleicht schon morgen,
Von unsern Schiffen etliche – ob viel,
Ob wenig, weiß ich nicht – an dieser Küste
Die Anker werfen wollen. Wärest du
Wie wohl auch sonst, nicht abgeneigt, den Hafen
Freundwillig aufzutun?
ARRATOS.
Wieviel der Schiffe
Erwartest du?
MAGO.
Ich sagte schon: ich weiß
Es nicht.
ARRATOS.
Vorerst muß ich das Volk, die Edeln
Befragen.
[101]
MAGO.
Frage nur, doch gib inzwischen
Befehl, daß man die Kettensperre löse.
ARRATOS.
Wie quälst du mich!
MAGO.
Wenn Lykons Name wieder
In Syrakus ertönt, dann ist es Zeit,
Daß du nach Rückendeckung spähst. Wer schafft
Sie dir, wenn nicht Karthago?
ARRATOS.
Ich erkenn' es
Voll Dank, mein Freund.
MAGO
mit Doppelsinn.
Bis morgen früh – mein Freund.

Sie schütteln sich die Hände. Mago ab.
2. Szene
Zweite Szene
Arratos. Der Türhüter. Dann Philarete.

ARRATOS
schlägt an das erzene Becken.
Der Türhüter tritt ein.
Bringt mir den Blinden.

Philarete erscheint.
ARRATOS.
Was begehrst du, Herrin?

Der Türhüter ab.
[102]
PHILARETE.
Die Sonne sinkt, und jener fremde Bettler,
Auf den ich angstumengten Herzens warte,
Wo ist er?
ARRATOS.
Wünsche, die ich dir gewähre,
Erfüllen sich, als wären sie das Schicksal
Doch bringe nun auch meinem Wunsch Erfüllung.
PHILARETE.
Woran gemahnst du mich?
ARRATOS.
Artemidor
Und deine Tochter Myrrha, die, du weißt's,
In Eros' Netzen sich verfingen, stehen
Hinlauschend auf den Spruch, der auch ein Schicksal.
PHILARETE.
Wo Eros sprach, da braucht es keines Spruches.
Und ob der Jungfrau Ungewisser Scham
Der Vater machtvoll sonst die Wege weist,
Hier fehlt er, denn du bist der Werbende.
Drum sei sie selbst des Schicksals Walterin.
ARRATOS.
So kund ihr, daß der Weg bereitet ist,
Und komm!
PHILARETE.
Doch jener Bettler?
[103]
ARRATOS.
Wenn es Zeit,
Will ich dich rufen.
PHILARETE.
Und wann ist es Zeit?
ARRATOS
lauscht nach rechts hin, begütigend.
Geduld ... und komm!

Führt sie nach links ab.
3. Szene
Dritte Szene
Der Blinde mit zwei Wächtern. Später Arratos.

EIN WÄCHTER.
Hier warte, bis der Herrscher wiederkehrt.

Die zwei Wächter ab.
DER BLINDE
lauscht hinter ihnen her, vergewissert sich, daß er allein ist, dann geht er suchenden Schrittes zum Altar, wirft sich auf dessen Stufen nieder und umklammert ihn in tiefster Erschütterung mit seinen Armen.
ARRATOS
tritt ein.
DER BLINDE
ist beim Geräusch der Schritte aufgefahren.
ARRATOS.
Was treibst du da?
DER BLINDE
sich von den Knien erhebend.
Es sprach ein Mann zu mir:
»Stehst du in Lykons einstigem Palast,
[104] Dicht an dem Tor, das in die Halle führt,
So mach der Schritte sieben grad hinein.
Dort wirf dich betend nieder. Tatst du dies,
So wende dich nach rechts

Er tut es.

und ruf ins Leere:
Euch, Zeus und Hestia, den Hütenden,
Sendet der Herr des Hauses diesen Gruß! ...«
So hab' ich mein Gelübde nun erfüllt –
Und bin, Erhabener, zu deinem Dienst. –
ARRATOS.
Von jenem Manne sprich mir mehr. Wo sahst
Du ihn dereinst von Angesicht?
DER BLINDE.
Ach Herr,
Es ist so weltenlange her, daß ich
Noch Angesichter sah – fast muß ich lachen –
Und geb' ich dir zur Antwort: Herr, ich sah
Ihn nie, so wirst du mich Betrüger schelten.
Und doch: Ich sah ihn nie! Beim Zeus! 's ist wahr.
Wie blinde Regenwürmer lagen wir
Zum Knauf gewälzt in einer schlamm'gen Grube
Und balgten tastend uns um jeden Brocken.
Da lernten wir ihn – fühlen, – Herr! Ach, Herr,
Was hatte dieser Mensch für eine Faust!
Geprügelt hat er mich und jeglichen,
Der ihm zu nahe kam. Noch heute juckt
Der Buckel mir. – Das macht, er war ein Held.
So sind die Helden alle, sagt man. Bist
Du auch so einer, Herr?
[105]
ARRATOS.
Erzähle weiter.
Doch wenn du glaubst, daß ich den Schwachsinn, welchen
Du heuchelst, nicht durchschaue, Freund –
DER BLINDE.
Durchschaue,
So viel du immer willst Und wenn du mir
Mit deinen Foltern drohst – ach, lieber Herr,
Ich bin in Folterkniffen höchst erfahren!
Weißt du, wie man empfindungslos sich macht,
Als wäre man ein Stein, ein Aas, ein Hauklotz?
Vielleicht kannst du das Spiel einst brauchen, Herr;
Ich lehr's dich gern, nur weil du mir gefällst.
ARRATOS
knirschend.
Wie also trifft man dich?
DER BLINDE.
Man trifft mich gar nicht,
Denn wer so wund wie ich, ward unverwundbar.
ARRATOS
einlenkend.
Du meinst, ich sei dir bös gesinnt; mit nichten,
Mein Freund. Ich könnte manches für dich tun,
Doch müßtest du, damit ich weiß, für wen,
Mich deine wahre Stimme hören lassen.
[106]
DER BLINDE.
Die hört' ich selbst nicht mehr – seit Ewigkeiten,
Denn ich ward heiser, muß das Echo spielen,
Das Echo jenes einen, der im Sterben
Leibeigen mich gemacht mit harten Schwüren
Und den ich hasse, weil er durch die Träume
Mir mahnend folgt und Rechenschaften fordert,
Ob ich das Wort gelöst, das er sich einst
Erzwungen.
ARRATOS.
Was gelobtest du?
DER BLINDE.
Viel, Herr,
Viel mehr, als ich im Ernst erfüllen kann.
ARRATOS.
Geschah's nach seinem Auftrag, daß beim Feste
Du jene Fragen mir entgegenwarfst?
DER BLINDE.
Wie anders, Herr?
ARRATOS.
Doch formtest du sie so,
Daß sie in meine jüngst gesprochnen Worte
Sich hakten wie ein Fingerglied ins andre.
So vorherwissend war der Tote nicht.
[107]
DER BLINDE.
Du weißt ja, Herr, daß ich nur Echo bin,
Und weil du mehr an Kraft hast als ein Schatten,
So ward ich wider Willen auch das deine.
ARRATOS.
Doch nun berichte mir der Wahrheit nach,
Was jener Tote damals über mich –
Sei's Böses oder Gutes – von sich gab.
DER BLINDE.
Ach Herr, was fragst du erst. Ein Maulwerk hatte
Das Untier! Prasselnd wie ein Erbsensieb.
ARRATOS.
So glich es wohl dem deinen?
DER BLINDE
lachend.
Meins dem seinen?!
Wir schimpften zwar nach seinem Vorbild, doch
Dies war ein trübes Wässerchen, verglichen
Mit einem kräftigen Mistjauchenwurf.
Womit er insbesondre dich bedachte,
Verstand ich nicht – und hätt' ich es verstanden,
Dürft' ich's aus Ehrfurcht jemals wiederholen?
Und nur, weil du befahlst, verkünd' ich dir,
Was man ein Kosewort wohl heißen kann.
So sagt' er einst: »Poseidons Liebling ist
Der sanfte Arratos, denn hätt' er ihm
Schwimmhäute nicht zur Hilfe wachsen lassen,
[108] Im Meer des eignen Speichels müßt' er längst
Ertrunken sein.« Sodann zum andernmal:
»Ein Selbstlob stinkt, doch hat es Arratos
In Wohlgeruch verwandelt – und wodurch?
Indem er sich nach heimlichem Vertrag
Von Syrakusens Feinden loben ließ.«
Ein drittes Mal – –
ARRATOS.
Genug, genug jetzt.
DER BLINDE.
Schade!
Mir wär' es ein Genuß, dir nachzuweisen,
Wie schändlich dieser Lykon sich benahm.
Ein Gottesfrevler war er auch, der Unhold.
So sprach er einst: »Drei hohe Götter herrschen
Ob allem Weltgeschehn von Anbeginn.«
Nicht Zeus – nicht – rate was für welche? – »Zufall,
Gewalt und Lüge sind die Götter drei,
Und Arratos, der weise, dienet allen.«
Dies waren seine eignen Worte, Herr.
Ich sage »pfui« – sonst nichts.
ARRATOS.
Wenn's wahr ist, Blinder,
Daß du dem Toten – – Sprich, wann starb er wohl? –
DER BLINDE.
Erlaube, Herr! Eins – zwei – drei Jahre sind's,
Daß ich nicht mehr im, Kerker faule.
[109]
ARRATOS.
Und
So lange –?
DER BLINDE
unschuldig.
Wie?
ARRATOS.
– ist's, daß man ihn begrub?
DER BLINDE.
Begrub. Jawohl.
ARRATOS.
Wenn du, wie deine Reden
Mich glauben machten, jenem Toten Haß
Nachträgst, so wird es dir ein leichtes werden,
So hassenswert ihn an die Wand zu malen,
Daß ob dem Bilde frommes Nachgefühl
In Graun erstirbt.

Der Blinde zuckt auf.

Verstandst du mich?
DER BLINDE
unschuldig.
Nein, Herr.
ARRATOS.
Was lauschest plötzlich du nach allen Winkeln?
DER BLINDE.
Mir war – ein Lüftchen fing sich – irgendwo,
Das mir erzählen will, weshalb ich hier bin.
ARRATOS.
Beliebt's mir mehr zu sagen, denk das eine:
Wir Könige belohnen königlich.
[110]
DER BLINDE.
Wenn Sträflinge – unsträflich dich bedienen.
ARRATOS.
Nun wohl, ob du ein Lügner bist, ob nicht,
Mein Weib verlangt –
DER BLINDE
auffahrend.
Dein Weib?
ARRATOS
stutzend.
Nun ja!
DER BLINDE
Gleichgültigkeit heuchelnd.
Nun ja –
Verlangt –?
ARRATOS.
– daß du ihr jetzt, und zeugenlos,
Verkündest, was du von dem Toten weißt,
Der einst ihr Gatte war.
DER BLINDE
tonlos.
Ihr – Gatte – war –
ARRATOS.
Und tatst du dies durchaus nach meinem Wunsche –
Sprich, Blinder – willst du?
DER BLINDE
stammelnd.
Herr, wie sollt' ich nicht?
[111]
ARRATOS.
Dann wirst du frei des Weges gehn, woher
Du kamst
DER BLINDE
außer Fassung.
Mit deinem Weibe – zeugenlos?
ARRATOS
von neuem, stärkerem Argwohn gepackt.
Fast scheint's, du habest Auftrag auch an sie.
DER BLINDE
ist wieder zu sich gekommen und fährt, scheinbar entsetzt, in dem vorigen Tone fort.
Mit deinem Weibe, Herr – dies wolle nicht!
Erbarm dich meiner! Dieses nicht! Ich bin
Ein armer Bettler, schlechtgekleidet – würde
Vor hohen Frauen blöd verstummen – würde
Voll Angst vergessen, was mir einst geschah.
Den Toten hab' ich schon vergessen, weiß
Kein Sterbenswörtchen mehr von ihm. Nein, Herr,
Dies kann ich nicht. Verlange was du willst,
Dies nicht.
ARRATOS
beruhigt.
Doch wirst du frei hernach, – ganz frei.
DER BLINDE
scheinbar in staunender Ungläubigkeit.
Ganz – frei?
[112]
ARRATOS.
Bleibt dir alsdann noch Zeit, die dritte
Von jenen Fragen mir ans Herz zu legen –
Wohlan, ich werde dir zu Willen sein.

Zutunlich.

Vielleicht vertrauest du sie mir schon jetzt?
DER BLINDE.
Was schert dich eine Frage, Herr, die du
Auf dieser Erde nie vernehmen wirst?
Denn die Karthagerklingen müßten schlecht
Geschliffen sein, die meinen blinden Leib
Nicht an der nächsten Ecke stolpern ließen.
ARRATOS.
In meinem Schutze stehet jedermann
Zu Syrakus.
DER BLINDE.
Ich auch?
ARRATOS.
Du mehr als alle.
DER BLINDE
scheinbar überzeugt.
Ich dank' dir, Herr!
ARRATOS.
Jetzt harre meines Weibes.

Ab.
4. Szene
Vierte Szene
DER BLINDE
allein.
Was ihr mir als Geschenk hinwarft, ihr Götter,
Ob sich's zum Guten oder Bösen wende,
Es ist zu viel, daß ich es tragen kann.
5. Szene
[113] Fünfte Szene
Der Blinde. Philarete.

PHILARETE
erscheint zwischen den Falten des Vorhangs und betrachtet ihn lange.
DER BLINDE
steht und horcht, bei jedem Geräusch erbebend.
PHILARETE.
Du, fremder Mann –
DER BLINDE
taumelt beim Klang ihrer Stimme mit einem gurgelnden Aufschrei gegen die Wand zurück, wo er sich mit den Händen festhält.
PHILARETE.
Warum bei meinem Anruf
Erzitterst du? Man sagte mir, daß du
Von steinerner Gemütsart seist.
DER BLINDE
vom Klang ihrer Stimme berauscht.
So sprich doch –
Sprich weiter, hohe Herrin, sprich!
PHILARETE.
Bist du
Ein Gaukler – gut. Vollführe, was du kannst
Ich aber will dem Hunger meiner Seele
Vorgaukeln, daß du keiner wärest, Mann.
[114]
DER BLINDE
sich wieder verhärtend.
Sag! Soll ich Dolche schlucken, Feuer blasen,
Meerkiesel blinkend aus dem Munde spein?
Den Wundermann der Märkte spiel' ich dir!
Doch willst du Größres, flehe zu den Göttern!
Geburtsreif ist die Stunde. Was sie bringt –
Nachtüberschattet bergen es die Tiefen.
Du aber sorge, daß kein Mißgeschöpf
Ans Licht sich quäle.
PHILARETE.
Worte hast du, Fremder,
Wie nur der Sendung eines dunklen Zornes
Sie sprechen kann. Vergib die trägen Zweifel,
Die dir mißtraut. Doch sag' ich gleich: vergib –
Du wirst sie nimmermehr zum Schweigen zwingen.
Hast du kein Zeichen, dem ich glauben muß,
Auch wenn du als die Lüge selber kämest?
Nicht einen Ring, ein Schlüsselwort, nicht Kenntnis
Von Heimlichkeiten, die er stummer Sehnsucht
Im Traum der Fiebernacht entgleiten ließ?
Du schweigst? Du weißt von keinem? Dann, o Fremdling,
Geh wieder fort und laß dir von den Hütern
An Trank und Speise reichen, was du magst.
DER BLINDE.
Es sprach ein Mann zu mir –

Gequält.

was sprach der Mann?
Ich weiß nicht, was der – laß mich suchen – laß –
Ein weniges mich – –
[115]
PHILARETE
zagend, scheu.
Welcher Mann?
DER BLINDE.
Neugierig
Sollst du nicht sein, bis ich ein Zeichen fand.
PHILARETE
wie vorhin.
Selbst – ohne Zeichen auch – –
DER BLINDE.
Und ohne Glauben?
Nein, Herrin, Spielwerk bin ich nicht. Es sprach
Der Mann: »Entkommst du diesem Kerker, dann –
Durch Sand und Meer, durch Feind' und wilde Tiere,
Betrügend – bettelnd – feilschend – Beute raffend,
Vom Dom zerfetzt – vom Geißelknecht zerschunden,
Auf Bahnen, die der Zufall dir gebaut,
– Und ob sie quer durchs Totenreich dich führen –
Hinwandre du nach Syrakus! Und findest
Du dort mein Weib getreu dem heil'gen Schwure,
Den sie beim Scheiden, keinem Zwang willfährig,
Nein, aus ureignem Wesen stolz mir gab,
Als Witwe meiner trauervoll gedenkend – –«
PHILARETE
in Angst und Entsetzen.
So sprach der Mann? So sprach –?
[116]
DER BLINDE.
– »dann«, sprach der Mann,
»Such deinen Weg zu ihr, und aus den Zeiten,
Da du auf nackter Erd' mein Bettgenoß,
In gleichem Blindsein

Philarete zuckt hoch auf.

Feind und Freund mir warst,
Leg lieberfüllte Botschaft vor ihr nieder.«
PHILARETE.
In gleichem Blind –?
DER BLINDE.
»Erzähl ihr, wie ich starb –
Doch vorher noch – erzähl ihr, daß – ich – siegte.«
PHILARETE.
In gleichem Blindsein, sagtest du? Und etwas
Wie »siegte« sagtest du ... Warum erzählst
Du nicht?
DER BLINDE.
Beliebe zu bedenken: dieses
Gilt nicht für dich. An Arratos' Gemahlin
Trag' ich ganz andre Botschaft –
PHILARETE.
Klärt sich's nun,
Daß du ein Gaukler bist? Denn wärst du's nicht,
Wie könntest du ein harrend Weib so quälen?
Und wenn du meinst, ich hätte nun mein Zeichen,
[117] Erwidr' ich dir: Den Schwur, den ich beim Scheiden
Dem Gatten gab, den hast du frech belauscht –
Warst unterm Kriegsvolk, das dort Wache stand,
Und schreckst mich nun zu eigenem Gewinst.
DER BLINDE.
Ein andres Zeichen – stärker noch als dieses:
Kennst du den Ort, an dem der Schatz des Hauses
Von deinem Gatten einst verborgen ward?
PHILARETE.
Wohl wurd' ich oft bedrängt, doch – nein, ich kenn'
Ihn nicht.
DER BLINDE.
Zu Nutz und Frommen seiner Kinder
Läßt er dir sagen: »Unter jenen Sockeln,
Auf denen Gott und Göttin hütend walten,«

Sich besinnend.

– Dort stehn sie irgendwo – nicht wahr? – »entreiße
Der nächt'gen Erde, was die Väter schufen.«
Und glaubst du dieses nicht –
PHILARETE.
Ich glaube dir.
Denn Zeus – er selber – mit des Donners Mahnung
Wies mir den Platz, und ich verstand ihn nicht; –
Verstand auch dich nicht, Fremdling, der du mahnend
Die Stimme meines Herrn mir heimgebracht.
Ihr beug' ich mich ... Nun sprich die andre Botschaft!
Des Arratos Gemahlin hört, was du
Zu sagen hast.
[118]
DER BLINDE.
Selbst in die Kerkergrüfte
Dringt brandend aus der Welt ein Widerhall –
PHILARETE.
So hat er dies gewußt? – –
DER BLINDE.
Gewußt, doch nicht
Geglaubt! Und für den Fall, daß Wissen einst
Der Tat begegne, spricht er so zu dir:
»Daß du, mein Weib, den Schwur zerbrachst, der Sein
Und Nichtmehrsein in Glut verkettet, sei
Wie jeder Meineid, jeder Treuebruch
Des Abgekühlten Recht.«
PHILARETE
in entsetzter Abwehr die Hände ausstreckend.
O nicht so, nicht!
DER BLINDE.
»Doch daß du Weib den hinterhergekrochnen,
Von Neid zerwühlten Affen meines Tuns,
Der heut' zum Guten allzuklein und morgen
Zum Schlechten allzuklein, in hohler Zagheit
Von Angst zu Reue und von Reue zum
Verbrechen taumelt, daß du den Zerstückler,
Den Schänder meiner Kraft und meines Sieges
In deine brünstig leeren Arme zogst –
PHILARETE
sinkt schweigend vor dem Altar zusammen.
[119]
DER BLINDE.
– Für dieses, Weib, send' ich aus ew'ger Nacht,
Aus der Umarmung unsrer Freundinnen,
Der Kerkerschlangen – keine war so Schlange
Wie du, Weib – send' ich dir als letzten Willen
Des ungebrochnen Mannes diesen nie
Zerbrechenden und – du wirst es erproben –
Dir sehr getreuen – – Dank.« So sprach der Mann,
Der einst dein Gatte war.
PHILARETE
die an den Altarstufen niedergesunken ist, erhebt sich in die Knie.
Wenn statt des Fremden,
Der unser Leid mit fremdem Hasse schärft,
Du selbst, mein Lykon, strafend vor mir stündest,
Du hättest erst gefragt, und ich – in Tränen
Wohl auch, doch nicht so, Blut und Leben weinend
Wie jetzt – ich hätte klagend dir gestanden,
Wie alles kam, und also kommen mußte.
Die Kinder in Gefahr – ich selbst gebannt –
Des alten Stammes Güter eingezogen,
Da galt's ergreifen, was geworfen ward.
Und ob erfüllter Eide Hochgefühl
In hündisches Gepeitschtsein sich verwandle,
Wer hat den Mut nach eignem Wert zu geizen,
Wenn, was ihm angehört, in Unwert sinkt?
Und Lykon ist der letzte, mich hierum
Zu schelten. Will er's dennoch tun, so sei's
Um folgendes: Mit jeder Stunde drängten
Der neuen Pflichten viele sich herzu,
[120] Und auch der Mann, dem ich mich anverlobt,
Trat sorgumdunkelt oft zu meinem Stuhl
Und sah mich flehend an und wollte – – ja
Wie nenn' ich das, was über aller Liebe,
Was mehr als Lustverlangen, mehr als Glück,
Und was allein ein Weib und nur an einen
Verschenken kann? Das nahm ich Lykon fort
Und gab's dem andern. Ob er's wohl verdiente,
Ob er so feig, so schlecht, wie Lykon will,
Ich weiß es nicht und weiß auch nicht, wie weit
Er mir vertraute. Doch ich mußt' es tun,
Denn ich bin Weib, und helfen ist mein Amt,
Um dies lebt' ich in Angst durch all die Jahre
Und schlief nicht, sprach nicht, lachte nicht In diesem
Ward ich ihm untreu und zerbrach den Eid.
Und wenn jetzt Lykon käme, mir zu fluchen
– Ich will nicht wissen, daß er dies schon tat –,
Dann fänd' er eine, die sich selber fluchte
Und die er liegen ließe, wo sie liegt.
DER BLINDE
der in wachsender Erschütterung gelauscht hat, vor sich hin.
Vergessensein! ... Bist du zufrieden, Dämon?

Laut.

Noch kam ich nicht zum Ende, Herrin. Was ich
Getreu dir wiedergab, steht unverrückbar.
Doch als beim Niederstieg zum großen Dunkel
Sich seiner Seele Zorn entatmend löste,
Da, meine Stirn zu seiner Brust geneigt,
Vernahm ich andre Kunde. Hör auch sie:
»O glaub ihm nicht, mein Weib,« so sprach er hauchend,
[121] »Denn wie mein Zorn mir log, so log auch er.
Und schleppt' ich Flüche durch die Kerkernacht
Und pflegte meines Grimmes Ungestalt,
Nicht galt es dir und den vergessnen Eiden.
Was ist ein Eid, was will der Mund dabei?
Denn unsrer Seele letztes, stummes Müssen,
Das schwört die Eide, die uns Leben sind.
Und schlug mir unbewehrter Haß die Zähne
Ins eigne Fleisch – was tut's? Der Mann will Kraft –
Und meine Kraft fraß mir die eigne Kraft auf.
Du aber, stille Seele,« sprach er weiter,
»Du bringe Glück, wo immer Glück vonnöten,
Wahllos, uneingedenk, wem du gehörst;
Wem du gehörst, der wird geadelt sein.«
So sprach der Mann und wandte sich zum Sterben.
PHILARETE
in glückseligem Nichtglaubenwollen.
Und – und? –
DER BLINDE.
Nun ist er eben tot.
PHILARETE.
Und starb
In Frieden? Starb versöhnt? Kein Qualgedanke
Riß den entflohnen Hauch in seine Brust
Zurück? Mit einem Lächeln starb er? Starb,
Wie Götter sterben, deren Welt zerbarst?
Kann ich, die Schuldige, mit deren Fleisch
Die Geier Mahlzeit hielten Tag um Tag,
Das Glück begreifen, daß ich nun erlöst?
[122] Und starb, so sagtest du? Mir starb er nicht.
Mit heut'gem Tage soll in tote Form
Lebend'ger Glaube stärkend sich ergießen.
Der Staub wird Wurzel schlagen, klingen wird,
Was einst zersprang, und seinen Kindern, deren
Beklommne Fragen ich in Scheu verwies,
Wird er der Helfer sein, den sie ersehnen.
Wie hat er sorgend sie umhegt! Und wie
Mit gnäd'ger Hand ihr Daseinsrecht gefestet!
Ihr Kinder, kommt und hört, was – Diokles
Zwar hält sich fern dem Hause – eine doch,
Die zagen Herzens oft – – wo bist du, Liebe?

Eilt nach links.
6. Szene
Sechste Szene
Der Blinde. Später Philarete und Myrrha.

DER BLINDE
allem geblieben, reckt wie betend die Arme hoch und steht so, bis nach kurzer Zeit Philarete, Myrrha an der Hand führend, wieder eintritt.
PHILARETE
leise.
Dort steht der Blinde. Nah ihm ohne Furcht,
Denn sieht er auch ein wenig schreckhaft aus,
Süßredend bringt er Kunde dir von einem,
Der deinem Nachtgebete wohlbekannt.

Laut.

Ich aber, lieber Fremdling, muß nun fort,
Denn jemand weiß ich, der in Ängsten harret,
Ob du ihm raubtest, was er halten will.

Ab.
7. Szene
[123] Siebente Szene
Der Blinde. Myrrha.

DER BLINDE
der bei den letzten Worten Philaretes aufgefahren ist, für sich.
Zum Liebestiften freilich ...

Lacht.

Sei's drum.

Weich.

Wer
Ist hier?
MYRRHA.
Du, fremder Mann, die Mutter sagte,
Daß du – du – meinen Vater – sterben sahst.
DER BLINDE.
So – bist – du –?
MYRRHA.
Myrrha bin ich. Auf den Schultern
Trug er mich oft und gab mir liebe Namen
Und – – Standest du an seinem Lager?
DER BLINDE.
Ja.
MYRRHA.
Und hielt er da wohl deine Hand gefaßt?
DER BLINDE.
Ei ja doch.
MYRRHA.
Welche?
DER BLINDE
verwundert auf die Rechte weisend.
Diese.
[124]
MYRRHA
neigt sich rasch auf die Hand herab und bedeckt sie mit Küssen.
DER BLINDE
zurückfahrend.
Kind, was tust
Du mir?
MYRRHA.
Erschreckt es dich?
DER BLINDE
glückselig lächelnd.
Ein wenig, doch –
MYRRHA.
Vergib!
DER BLINDE.
Ich wünschte wohl, ich sähe dich.
Nicht meinethalben – doch befahl dein Vater –
MYRRHA
fährt, die Augen schließend, beim Worte »Vater« hoch auf.
DER BLINDE.
– weil ich ein wenig schwachgesichtig bin,
So möcht' ich dich mir gut beschreiben lassen.
Sag, stehst du hochgegürtet, wie die Mädchen,
Die schlanken, hierzulande?
MYRRHA
nach ihrem Gürtel fassend.
Hochgegürtet,
Das bin ich.
[125]
DER BLINDE.
Trägst wohl Blumen um den Hals
Gelegt?
MYRRHA.
Nicht um den Hals – doch in das Haar
Hat man mir festlich einen Veilchenkranz
Gewunden.
DER BLINDE.
Veilchenfarben waren einst
Auch deine Augen – sagte mir dein Vater.
MYRRHA.
So sind sie lang' nicht mehr – und sind auch trübe.
DER BLINDE.
Du irrst, mein Kind. Der Treue Sonnenklarheit,
Die ich ersehnte, hellet mir die Nacht.
MYRRHA
ein wenig ängstlich, da sie ihn nicht versteht.
Menesto sagt es auch – die Schaffnerin.
DER BLINDE.
Menesto!
MYRRHA.
Und das kommt vom Wachen, sagt sie.
DER BLINDE.
Wie? Wachst du gar so viel?
[126]
MYRRHA.
Ach, wenn du wüßtest,
Wie ruhelos ich immer nach ihm rief
Durch all die Jahre – all die langen Jahre!
Nicht daß mir nur ein Vater fehle! ... Doch!
Er fehlt mir sehr! Und nun du vor mir stehst,
Botschaften bringst und wahrlich keine frohen –
– Ich schäme mich! – da wird mir froh zumut!
Ich fühl's, er sandte dich, mir beizustehn
In meiner Not.
DER BLINDE.
In welcher Not?
MYRRHA.
Denn siehe!
Es lauern rings um uns geheimer Zwecke
So viel, und schon so viele Jungfraun wurden
Geopfert am Altar – wer weiß für wen? –
Wer weiß für was? ... Vielleicht ist's nun an mir!
Entscheidung naht, doch Angst und Wunsch gehn irre.
Drum bitt' ich dich, der als des Vaters Bote
Hierherkam, rate du – an Vaterstatt:
Steig' ich zum Glücke, oder soll auch ich
Geopfert werden?
8. Szene
Achte Szene
Die Vorigen. Artemidor erscheint links.

MYRRHA
heftig zusammenschreckend.
Der dort steht, der ist's!
[127]
DER BLINDE.
Du – an der Frauentür, laß deine Stimme
Mich hören!
ARTEMIDOR.
Kannst du mir wohl sagen, Schwester,
Wie das dort in des Herrschers Halle kam?
DER BLINDE
auffahrend, leiser.
Den kenn' ich gut genug, um dir zu künden:
Du sollst geopfert werden. Sieh dich vor.
ARTEMIDOR.
Hinweg von Ihr! Mit deiner Dünste Schmutz
Besudelst du die Luft, in der sie atmet.
MYRRHA
ihn mit vorgestreckten Armen schützend.
Rühr ihn nicht an!
ARTEMIDOR.
Beim Zeus! Was will mir dies?

Er schlägt mehrere Male an das metallene Becken.
9. Szene
Neunte Szene
Die Vorigen. Türhüter eilen von rechts herein. Eine Schar älterer Sklaven, von Menesto geführt, kommt mit Lichtern von links. Einer trägt ein weißes Gewand, andere Salbgefäße und goldenes Geräte.

ARTEMIDOR.
Hier diesen dreisten Bettler, diesen Auswurf
Der Gosse, packt und stoßet –
[128]
MENESTO.
Nur gemach,
Du Herrensöhnlein! Die Gebieterin,
Der wir gehorsam sind, befahl den Dienern
Des Hauses, diesen blinden Mann, der segnend
In ihm verweilt, zu baden und zu salben,
Ein weißes Ehrenkleid ihm umzutun
Und an dem Ehrentisch ihn zu bewirten.
Was uns geboten ward, erfüllen wir
Mit Freuden.
ARTEMIDOR.
Geht und meldet mich dem Herrscher.
MENESTO.
Die Herrin weilt mit ihm. Du mögest warten.
ARTEMIDOR.
Sag du mir, Schwester: Was geschieht?
MYRRHA.
Ich will
Zu seinen Füßen sitzen. Das geschieht.

Artemidor mißt sie erstaunt und drohend, dann rechts ab.
10. Szene
Zehnte Szene
Die Vorigen ohne Artemidor.
Einige Sklaven umdrängen den Blinden, während andere die Tür hüter mit leisen Worten aufzuklären suchen.

DER ERSTE SKLAVE.
Hier hast du Speis' und Trank!
[129]
DER ZWEITE.
Hier ist das Festkleid!
DER DRITTE.
Die Schuhe lüften –
DER VIERTE.
Baden will ich dich!
DER BLINDE
der derweilen immer in sich hineingelacht hat.
Ein Bad – beim Hermes! – täte meinem Leibe
Wohl nott und auch das Festkleid kann ich brauchen,
Doch – –
EIN SEHR ALTER SKLAVE.
Dann mußt du erzählen. Eine Bettstatt
Räum' ich dir ein. Wir sitzen drum herum,
Und du erzählst von unserm lieben Herrn!
DER BLINDE.
Das wär' ein Fest, doch leider –

Macht eine Bewegung nach der Ausgangstür hin.
MYRRHA.
Nimmermehr
Wirst du dies Haus verlassen, wirst beglückt
Darinnen weilen, bis der Tod uns naht. –
Du willst nicht?
DER BLINDE.
Segen auf dein Haupt, o Jungfrau!
Doch muß ich fort. Mir ist, ich hab' heut' abend
Noch dies und jenes in der Stadt zu tun.
[130]
MYRRHA.
Und kehrst uns nicht zurück?
DER BLINDE
um sich tastend.
Wo – mein Gewand?

Der Sklave reicht es ihm.

Wenn dieses Kleides Weiß in Purpur glüht,
Dann bin ich wieder da!

Der Vorhang fällt.

4. Akt

1. Szene
[132] Erste Szene
Auf jedem der neun Speiselager eine Person; rechts vorn Diokles, ihm gegenüber Artemidor, hinter diesem Lysimachos; Ktesias in der Mitte; rechts hinter Diokles Hermachos. Hinter jedem der Gäste steht ein Diener. Andere Diener sind beschäftigt, die Tische abzuräumen und den Boden von Speiseresten zu säubern. Noch andere reichen Wasserschalen zum Reinigen der Hände und sodann Kränze herum. Später zwei Flötenspielerinnen. – Bunter Wirrwarr und lautes Durcheinander von Stimmen. Nur Diokles liegt, der Rampe zugewandt, in finsteres Sinnen verloren.

ARTEMIDOR
geht von links nach rechts zu ihm hinüber.
Das Mahl ist aus. Daß es mit Frohsinn prunkte,
Kann man nicht sagen, denn der Wirt blieb stumm.
Doch nun der Wein die Herzen lösen soll,
Bedenke wohl, daß du ihn lächelnd spendest;
Sonst wirst du hören, daß er sauer schmeckt.
Was starrst du nach der Tür?
DIOKLES
der sich dem Hintergrunde zugewandt hat.
Weil einer fehlt.
ARTEMIDOR.
Mich dünkt, wir sind beisammen.
DIOKLES.
Einer fehlt.
ARTEMIDOR.
Genug an Rätseln bot mir dieser Tag,
Darum –

Geht mit einem Achselzucken auf seinen Platz zurück.
[133]
EIN ÄLTERER DIENER
tritt mit Trinkschale und Kanne an Diokles heran.
Der Mischkrug steht bereitet, Herr,
Die Kränze sind verteilt. Wenn du das Opfer
Darbringen willst –
DIOKLES.
So laßt die Flöten kommen.
DER ÄLTERE DIENER
winkt einem anderen Diener, der vorne links an der Türe steht.
Dieser öffnet den Vorhang.
ZWEI FLÖTENSPIELERINNEN
treten ein und bleiben an der Tür.
Derweilen gießt der ältere Diener Wein in die Trinkschale.
DIOKLES
die Schale hochhebend, während die Flötenspielerinnen eine getragene Musik beginnen.
Soll, was der Väter Sitte heischt, ihr Freunde,
Von uns verleugnet sein? Und ob des Nachtreichs
Dämonen, ob die Gorgo selbst der Stunde
Gebietet – diese Schale fromm erhebend,
Spritz' ich die Tropfen ungemischten Weins
Ins Leere hin, wo gute Geister wohnen
– Denn irgendwo muß ihre Wohnung sein –,
Und rufe, mehr weil unsrer Seele Suchen
Als dumpfer Brauch es will: »Dem guten Geist.«

Er trinkt und reicht die Schale dem Nachbarn, während die Musik fortfährt.
EINER
leise.
Seltsamer Weihespruch!
[134]
KTESIAS
leise.
Lud man mich etwa
Zum Leichenschmause?
LYSIMACHOS
leise.
Seht, wie er den Mund
Zerbeißt! Artemidor, was fehlt ihm nur?
ARTEMIDOR
zurück.
Der Becher ist dir nah, drum schweige. Später
Will ich ihn wandeln, wie man Wolle kratzt.

Er trinkt und reicht die Schale dem Diener. Die Musik hört auf.
ARTEMIDOR.
Nun – statt des Lobgesangs, den wir den Göttern
Ersparen – sprich, mein Ktesias, der du
Gedankenschnell wie kaum ein andrer bist:
Wen als des Landes höchsten Ruhm und Preis
Lobst du am meisten?
KTESIAS.
Wollt' ich Harfen stimmen
Und jener scheuen Mädchen Blasebinde
Mir vor die Lippen tun, ich würde wahrlich
Bei Saiten- und bei Flötenschall dir niemand
Zu nennen wissen, mein Artemidor,
Der für Siziliens Gewalt und Fülle
Beredtres Zeugnis gäbe, mit des Ruhmes
Holdatmendem Gedüfte weiterhin
Die Welt durchzöge, als – sizil'scher Käse.

Allgemeines Gelächter.
[135]
ARTEMIDOR
seinen Ärger verhehlend.
Der Scherz gefiel auch mir, und Wohlgeruch
Entströmt ihm, wie den Locken, die du kräuselst.
Doch höher noch – vergib! – preis' ich die Würde,
Die sich vor Helden stolz zu beugen weiß!
HERMACHOS
leise.
Tut ihm die Liebe und lobt Arratos,
Damit wir Frieden haben.
KTESIAS.
Helden! Helden?
Was ist uns Heldentum?
DIOKLES
für sich.
Was Heldentum
Uns ist?
KTESIAS.
Ein Kinderlied, zum Graulichmachen
Von wackelzahn'gen Weibern vorgesungen,
Tugendermahnungen, mit rollendem
Nachtmützenpathos an den Mann gebracht,
Dünnbein'gem Elend eine Strahlenhülle,
Raubsücht'ger Gier ein Biedermannsgewand,
Dem Witzigen ein Werkzeug, und ein Rausch
Dem Dummen – das, ihr Freunde, sind die Helden,
Die man uns tanzen läßt wie Hampelmänner.

Beifall.
[136]
DIOKLES
vor sich hin.
Wenn du die toten Helden heiß beklagst – –
ARTEMIDOR.
Erstaunlich prasselten der Worte Schauer,
Doch was, mein Hermachos, sagst du dazu?
HERMACHOS.
Wie fragst du mich? Zum Weisheitslehrer fehlt
Mir dies und das, und auch die Torheit lehren
Könnt' ich – beim Zeus! – nur durch das eigne Beispiel.
Doch grübelnd, wie der dunkle Heraklit,
Frag' ich ein andres, das mich wicht'ger dünkt
Als eines Ahns verstaubtes Heldentum:
Weshalb wir nämlich auf den breiten Lagern,
Die für zwei Glückliche gezimmert sind,
Einsam die Zeit verquälen müssen? ... Scheint's
Beinahe doch, als ob der liebenswerte,
Der heldenhafte Diokles – denn so
Möcht' ich ihn nennen –

Gelächter.

uns zu Speis' und Trank,
Zu dieser Knaben hochgeschürzter Anmut,
Noch ein weit Besseres bescheren wolle!
Ihr Freunde, kurz und rund: Es riecht nach Weibern –
– Die beiden Dudelnymphen zähl' ich nicht –,
Und weil's nach Weibern riecht, mein Diokles,
Bewähre dich als Held und schaff sie uns.

Lachender Beifall, Zurufe.
[137]
EINER.
Wie? Hört er nicht?
ARTEMIDOR
schüttelt bedenklich den Kopf.
KTESIAS.
Uns andre ludst du ein,
Dich selbst hast du vergessen.
DIOKLES
auffahrend.
Ja. Vergebt ...
Mir war ... Wir sprachen wohl von – Helden. Nicht so?
LYSIMACHOS.
Von Weibern sprachen wir.
DIOKLES.
Ja so doch! Weiber
Sind da. Laßt sie nur kommen.
EIN ÄLTERER DIENER
tritt zu ihm, eine Lyra und ein goldgewirktes Kleid tragend.
Herr, du selbst
Als Führer wolltest sie geleiten. Hier:
Apolls Gewand und Leier!
DIOKLES.
Weg! Und laßt
Sie kommen! Unser Heldentum verlangt's!

Die Diener lüften den Vorhang links. Die Flöten beginnen von neuem.
2. Szene
[138] Zweite Szene
Die Vorigen. Neun verschleierte Mädchen, mit den Sinnbildern der neun Musen, unter ihnen Phaino, Strution, treten in langsamem Zuge ein.

DIOKLES.
Entschleiert euch und werdet, was ihr seid!

Die Mädchen wenden die Köpfe zueinander.

Ihr zögert noch?
DIE ERSTE.
Und unser Wechselsang?
DIE ZWEITE.
Und unsers Reigens wohlgefügtes Spiel?
DIE DRITTE.
Du selbst hast ihn geübt. Du selbst gedachtest
Im Zitherspiele dich hervorzutun!
DIOKLES.
Entschleiert euch und legt euch zu uns Helden!
DIE MÄDCHEN
schlagen murrend die Schleier zurück.
Freudige Ausrufe des Erkennens von seiten der Jünglinge.
EINER.
Melissa, du!
EIN ZWEITER
gleichzeitig.
Du hier, Stratyllis?
[139]
EIN DRITTER.
Lypta,
Hierher!
LYSIMACHOS
gleichzeitig.
Ortaia, komm!
HERMACHOS.
Chalkiope,
Auch du?
EINS DER MÄDCHEN.
Auch du, mein Hermachos!

Alle haben sich verteilt. Nur zwei, die stolze, dunkle Phaino und die blonde, zarte Strution sind vorne stehen geblieben.
PHAINO
sich umwendend.
Und mir,
Der braunen Phaino, bietet sich kein Freund?
ARTEMIDOR
trocken.
Das Gastrecht dieser Kissen gönn' ich dir.
PHAINO.
Das Gastrecht meines Mundes weigr' ich dir.
ARTEMIDOR.
Ich will's ertragen, schöne Phaino.
PHAINO.
Sei's!

Sie legt sich zu ihm.
[140]
STRUTION
nach Diokles hin, weinerlich.
Ich als Urania muß diese schwere
Weltkugel schleppen. Keinen kümmert's, keiner
Begrüßt mich. Ludst du mich, um mich zu kränken?
DIOKLES.
Strution, armer Spatz, was schielst du noch
Hierher? Vergeudet ist der letzte Brocken,
Den man mir jüngst von meinem Eignen zuwarf,
Und morgen werd' ich ärmer sein als du.
STRUTION.
Was schert das mich?

Sie will sich zu ihm setzen.
DIOKLES.
Halt ein! Der Platz gehört
Nicht dir.
STRUTION.
Wem sonst?
DIOKLES.
Noch einen Gast erwart' ich.
STRUTION
eifersüchtig.
Ein Weib?
DIOKLES
schüttelt den Kopf.
STRUTION.
Dann will ich hier am Boden sitzen!
[141]
DIOKLES.
Auch wenn der Mann an deiner Seit' ein Bettler,
Ein schmutz'ger, blinder Bettler ist?
HERMACHOS.
O hört
Die Tollheit! Einen blinden Bettler gibt er
Zum Tischgenossen uns!
LACHENDE RUFE.
Was? Einen Bettler?
ARTEMIDOR
aufspringend.
Denselben, der beim Achradina-Tor
In dreistem Fragespiel an meinen Vater
Sich drängte? Unglücksel'ger, sprich ein Ja!
Wag es zu sprechen!
DIOKLES
lachend.
Wenn auf Erden mir
Nicht mehr zu wagen bliebe als dies Ja!
LYSIMACHOS
zu Artemidor.
Nun wandl' ihn doch! Es scheint mir hohe Zeit.
ARTEMIDOR
in kaltem Zorne.
Und hohe Zeit, daß ich mit dir, den ich
Bis heut' als Bruder grüßte, dir, des besten,
Liebreichsten Pflegers dünkelhaftem Sohn – –
[142]
PHAINO
die sich halb erhoben hat.
Ihr Schwestern! Diese Männer wissen nicht,
Was Groll dem Weine, Zank dem Liebreiz, Sturm
Dem Hauch der Frauennähe schuldig ist.
ARTEMIDOR.
Gib Frieden, schöne Phaino. Meine Schuld
Bezahlt mein Schweigen.
DIOKLES
Artemidor mit den Blicken messend.
Und mein Schweigen werf' ich
Als Gastgeschenk noch obendrauf.
KTESIAS.
Zudem,
Wenn man's erwägt, ihr Freunde, jener Bettler
– Ich hört' ihm zu und stehe für mein Wort –
Ist an Ergötzlichkeit ein Kleinod, das
– Die schöne Phaino woll' verzeihn! – der Frauen
Hauchsüße Nähe fast entbehrlich macht.

Zurufe lachenden Zweifels.

Noch keinen Lustigmacher fand ich, dessen
Von Hohn getränkte Wortflut so aufklatschend
Den Ernst, dem sie entquoll, erraten ließ.
DIOKLES
vor sich hin, leise.
Wenn du die toten Helden heiß beklagst –
[143]
KTESIAS.
Drum Dank dir, Diokles –
DIOKLES
hochauffahrend, laut ihm ins Gesicht.
Beklagst du nicht
Den Feldherrn, der sie führte?
STRUTION
aufspringend.
Lieber, was – –?
WIRRE RUFE.
Er ist von Sinnen!
STRUTION
ihn streichelnd.
Werde ruhig!

Auch andre bemühen sich um ihn.
KTESIAS.
Laßt!
Der Spruch des Blinden, scheint es, wühlt in ihm.
ARTEMIDOR.
Und so wird's klar, weshalb er ihn geladen.
DIOKLES.
Geladen – ja ... doch nicht geleitet Und –
Karthager lieben dunkle Gassen. Mago,
Des Herrschers Freund, den er dem Volksgespötte – –
[144] – – Horch! Welch ein Lärm erhob sich vor dem Hause?

Man hört das dumpfe Geräusch vieler Stimmen.

Ihr Diener! ... Still! Klang nicht das Außentor?

Die Tür des Hintergrundes wird geöffnet.

Dank sei den Göttern, die dich hüteten!

Er stürzt nach hinten.
3. Szene
Dritte Szene
Die Vorigen. Der Blinde, von Eurytimos geführt, ist im Hintergrunde erschienen.

DIOKLES
faßt ihn bei der Hand und führt ihn auf der rechten Seite nach vorne.
Hier eine Stufe! Achtsam! So!
KTESIAS
um den Blinden zu verspotten.
Was brausend
Sich eben in die Nacht verliert, war das
Dein Prunkgefolge, Bettler?
DER BLINDE
mit Nachdruck.
Mein Gefolge!
Auch prunkend! Wie zur Schlacht ... denn als zum zweiten,
Zum dritten Mal vermummte Mordgesellen
Von meinem Führer –

Rückwärts nach Eurytimos tastend, der ihm gefolgt ist.

– Stämm'ger Bursche, ha? –
Den Wink erhielten, der zum Hades führt,
[145] Und strömend Volk im Giftblick der Erschlagnen
Die Freundschaft von Karthago wiederfand,
Da folgte man und fing mir jede Braunhaut,
Wie Mäuse, die sich mausig machen ... Gruß
Euch edlen Jünglingen! ... Ein Mädchenlachen
Vernahm ich auch ... So meinen Gruß auch ihnen,
Die Goldsand streuen in die staub'ge Welt!

Er setzt sich, von Diokles behutsam herabgedrückt, auf das Lager.
LYSIMACHOS
leise.
Wie wunderlich! Herzpochen fiel mich an
Beim ersten Worte, das er sprach,
PHAINO
ebenso.
Wenn Hera
Gewalt des Herrschens einer Dirne leiht,
Warum nicht Zeus dem Bettler?
ARTEMIDOR
steht, vor Wut schwer atmend, zu Füßen seines Lagers und beobachtet, was drüben geschieht.
DIOKLES.
Unser Mahl
Hast du versäumt und könntest hungrig sein.
Darum, ihr Diener, eilt und –
DER BLINDE.
Laß die Knaben!
Längst schon speist' ich zur Nacht, und zwar so trefflich,
[146] Wie man am goldnen Ehrentisch des Herrschers
Von Syrakus nur speisen kann.

Gelächter.

Ihr glaubt
Mir nicht, ihr Jünglinge? ... Nun denn, weilt nicht
Des Herrschers edler Sohn – Artemidor,
So heißt er wohl – in eurer Mitte?

Bejahung.

Dann
Mag er bezeugen, daß auch dieses Kleid
– Als Bettelbruder putz' ich mich mit Lumpen –

Lachen.

Mir im Palast ob meines hohen Wertes
In feierlichem Prunk verliehen ward.

Erneutes Lachen.
RUFE.
So rede doch, Artemidor!
DER BLINDE.
Ja, rede,
Du teurer Jüngling, der du mich so liebst.

Gelächter.
ARTEMIDOR.
Was dieses Ungetüm da sagt, ist Wahrheit.

Bewegung.
DER BLINDE.
Ihr staunt?

Mit Pathos.

O glücklich Syra –

Sich unterbrechend.

Wo ist Wein?
EURYTIMOS
reicht ihm eine Schale.
DER BLINDE
leise.
Bist du's?
[147]
EURYTIMOS
leise.
Ja!
DER BLINDE
leise.
Wasser gib fortan mir, doch
Tu's heimlich.

Mit Pathos wie vorhin.

O du glücklich Syrakus,
Wo das Gesindel, das am Tore lungert
– Der Landfeind wie der Bettler –, herrlich blühend
Mit Ehrenkleidern sich behängt, dieweil
Der arme Tropf, der nichts getan, als für
Sein Vaterland zu sterben – anderswo
Nennt man ihn einen Helden – schmachbedeckt,
Nur durch Vergessenheit sich rein'gen kann!
Doch da ich zum Gesindel zähle, hab'
Ich's gut und schrei' aus vollem Halse:

Mißtönig, krähend.

Heil –
Du glücklich – Syrakus!

Er trinkt, böse lachend.
KTESIAS
nach einem Schweigen.
Dies Hohnwort, Bettler,
Das jeden träfe wie die Peitsche, spräch's
Ein anderer als du – –
ARTEMIDOR
ihm ins Wort fallend.
Verwirrung schaffend
Wie heut' am Tore nistet er sich ein,
Und wenn ihr ihm nicht bald die Türe weist,
[148] Dann – hierfür bürg' ich – werden wir am Schlusse
Mit diesen Bechern uns die Schädel spalten.
DIOKLES
in großer Erregung.
Der Bettler ist mein Gast, und freies Wort
Wird ihm vergönnt wie dir. Zudem, was er
Vom Landfeind sprach – und manches andre sonst –,
Darin bedünkt er mich so sehr im Recht,
Daß wir, die Brust mit unsern Fäusten schlagend,
Gleich einem Seher Dank ihm spenden sollten.
ARTEMIDOR.
Ich warne dich noch einmal, Bruder –
DER BLINDE.
Halt!
Halt! Halt! Bin ich im Händelstiften zwar
Von Hellas bis nach Afrika berüchtigt,
So ist mein eigentliches Handwerk doch,
Als Genius des Friedens die Rohrflöte
Zu blasen. Drum, ihr Jünglinge wie Mädchen,
Laßt uns in Eintracht philosophische
Gespräche führen, wie's beim Gastmahl sich
Geziemen will – von Freundestreue, Haarputz,
Geldnöten, tarentinischem Gewebe –
Und was die Weisen sonst wohl – – doch da Weisheit
Nur Knochen ist am süßen Fleisch der Liebe
Und man die Knochen gern den Hunden hinwirft –,
Vorerst von Liebe – viel – sehr viel – von Liebe.

Lachender Beifall, besonders der Mädchen.
[149]
PHAINO.
Er spielt mit uns, wie man mit Kindern spielt.
DIOKLES.
Vergib mir, Fremdling. Ehe tändelnd wir
Von Liebesdingen reden, hör noch eins:
»Wo anders nennt man einen Helden ihn«,
So sagtest du. Just solches Heldentum
Gab der Genossen einer – Ktesias
Benennt er sich – dem Spottgelächter preis.
Entscheide du, wie weit er sich verirrte.
DER BLINDE
ins Leere sprechend.
Gib deine Gründe mir, mein Ktesias.
KTESIAS
kleinlaut, stockend.
Ich meinte nur –
DER BLINDE
sich der Stimme zuwendend, freundlich.
Was meintest du?
KTESIAS.
Beim Zeus!
Dein blindes Aug' verschlägt die Stimme mir!
DER BLINDE.
Nicht Ursach', Freund! Doch sag' ich ohn' Besinnen:
Du warst im Recht ... Wenn du die Helden meinst,
Die – ob getanem Werke – pfauengleich
[150] Durch Markt und Halle stelzen und Bewundrung
Als Tageszoll in ihren Säckel tun – –
KTESIAS
freudig.
Die meint' ich, ja, die meint' ich!
DER BLINDE.
– oder die,
Bescheidenheit erheuchelnd, mit geklemmtem
Gesäß und ausgespreizten Händen Stimmen
Sich betteln gehn für unerlaubte Macht –
KTESIAS
triumphierend.
Die meint' ich – o, die meint' ich!
ARTEMIDOR.
Nach wem zielst
Du Frevler?
DER BLINDE
unschuldig.
Ich? ... Nach Ktesias.

Gelächter.

– Ja dann,
Mein junger Freund, wie könnt' ich widersprechen?
Doch andre Helden gibt's – und manchesmal
Sind's gar dieselben, nur zu andrer Zeit –,
Die blut- und schweißbesudelt und vor Sorgen
Kaum des Gedankens mächtig, der sie rettet,
Schwer ackernd mit der Pflugschar der Gewalt
– Dann wieder klein in schämenswerten Ränken
Wie Gaukler, die das eigne Spielzeug würgt,
[151] Doch immer groß im Opfer ihrer selbst –
Aus Not zu Not, von Sieg zu Siege gehn.

Bewegung.

Die sind euch fremd, und wenn ihr Herakles
Schweißtriefend, schnaufend, kotig bis zum Nabel
Augias' Miststall hättet schaufeln sehn –
Was gilt die Wette? – naserümpfend wäret
Ihr an dem Arbeitsmann vorbeigegangen.
Nun ist zwar Arbeit noch nicht Heldentum,
Doch Heldentum ist Arbeit, liebe Kinder.
Dies Wort bedenkt, wenn einst auch euch in Wirrsal
Die Schweißflut segnend von der Stirne rinnt.

Verhaltene Ergriffenheit.
KTESIAS
aufspringend.
Gebt Raum, ihr! –

Er schiebt die kleinen Tische auseinander, die vor den Lagern stehen und schreitet quer durch das Innere des Saals auf den Blinden zu.

Mann, wer bist du?
DIOKLES
die Hände auf die Schultern des Blinden legend.
Wer du bist?
Der beste Freund, den ich auf Erden habe,
Denn du sprachst meines Vaters Namen aus.
ARTEMIDOR
für sich.
Man wird nach ein paar Wächtern schicken müssen.
[152]
DER BLINDE
seine Bewegung hinunterwürgend.
Willst du noch mehr von ihm erfahren?
DIOKLES
aufflammend.
Wenn
Du das
DER BLINDE.
Allein mich dünkt, ihr mochtet jetzt
Von Liebe reden?

Allgemeiner Widerspruch.
HERMACHOS.
Weichliches Getue,
Das man verachten muß!

Zustimmung.
DER BLINDE.
Doch eure schönen
Spielmädchen werden ungeduldig sein.
PHAINO.
Spielmädchen sind wir nicht, und was den Helden
Geziemt, geziemt auch uns.
DER BLINDE.
Der Ton war Schlachtruf!
Wohl euch, ihr Knaben, wenn die Quellen, deren
Gefäß ihr liebt, so weiß zu schäumen wissen.

Die Hand Strutions erwischend, die sich mit einem übrig gebliebenen Kranz an ihn herangeschlichen und ihn ihm auf den Kopf gedrückt hat.

Was halt' ich da?
[153]
STRUTION
ängstlich.
Vergib, ich wollte dir
Nur einen Kranz aufsetzen.
DER BLINDE.
Und wer bist du?
STRUTION.
Ein armer Spatz, den

Mit einem Blick nach Diokles hin.

man – vergessen hat.
DER BLINDE
ihre Hand loslassend.
Von einem ebenso vergeßnen Spatze
– Den man gar einst als Adler pries –, will ich
Euch nun erzählen – – wenn es euch beliebt.
RUFE
begierig.
Erzähl! Erzähle!
DER BLINDE.
Heute vor zehn Jahren
– Nur später nach der Stunde, Mitternacht
War schon vorbei – da lag ich nah des Feldherrn
Weitoffnem Zelte schlafend auf der Erde.
DIOKLES.
Du kämpftest in der Schlucht? Für Syrakus?
Mit meinem Vater?
DER BLINDE.
Lykon hieß der Mann.
[154]
ARTEMIDOR.
Verboten ist's bei schwerer Kerkerstrafe,
Den Namen je zu – –

Allgemeines Gelächter erstickt seine Worte.
DIOKLES
herausfordernd.
Lykon hieß der Mann!
ALLE
rufen taktmäßig.
Lykon – Lykon – Lykon –
ARTEMIDOR
drohend.
Nur weiter! Was geschehen wird!
RUFE
nach dem Blinden hin.
Weiter! Weiter
DER BLINDE.
Und plötzlich – ob uns gleich bis an das Frührot
Die nöt'ge Rast verheißen worden – stürmte
Der Tuba Weckruf dröhnend in die Nacht.
Wir schnellten hoch – wir tasteten zum Speerschaft
Was ist's? Was will man uns? – Dort stand der Feldherr.
Wir drängten zu ihm. Und er sprach: »Ein Hauptmann
Karthagos kam ins Lager. Nie bisher
Sah Syrakusens Heerschaar einen Würger
Gleich ihm. Was er uns kündet, heißt Verderben,
Und keiner von uns allen wird jemals
[155] Die Tempel seiner Heimat leuchten sehn,
Wenn wir nicht auf der Stelle, ohn' Besinnen
Und ohne daß ein Herzschlag uns versagt,
Dem Tode sperrend in den Rachen springen.«
So sprach der Feldherr, und die Dunkelheiten
Benützend, die der tiefe Mond uns ließ,
Stürzt' er uns anderen vorauf zum Engpaß,
Der wenig Ellen breit des Hochtals Kerker
Mit der ersehnten Welt verband ... Ein Schlund
Mit schwarzer Fuge, wie von Menschenhand
Geritzt, den Fels durchfurchend ... Lärmendes
Wildwasser quoll hervor – sonst alles still.
Doch wie zur Höhe jener Felsentürme
Der Blick sich hob – ah – da erstarb das Blut
Uns doch. Denn reglos, wie dem Stein entwachsen,
Stand dort ein Kriegerhaufe kampfbereit,
Doch nicht mit Schwertschlag oder Lanzenwerfen,
Wie sich's für wack're Männer wohl geziemt –
O nein – vor jedem künstlich aufgebaut
Ein Mauerwerk von lockerem Gestein,
Durch eines Armes Beuge niederschollernd.
Und als der Feldherr, unsern Schreck zu bannen,
Mit halbem Schritte nur die Kluft betrat,
Vernahmen wir mit geller Stimme – ah!
Ihr kennt sie wohl – ein einziges Befehlswort.
Und schon in dumpfem Donner prasselte,
Den trägen Dunst zum Wirbelsturm aufpeitschend,
Der erste Sturz ... Und soviel würden folgen,
Als noch ein Krüppel auf zwei Stümpfen kroch.
Da wandte sich der Feldherr und sprach so:
[156] »Wehrlos uns morden lassen, dieses schmeckt
Mir nicht. Darum, wenn zwanzig oder dreißig
Bereit sind, auf Gefahr des Lebenbleibens
Ihr Fell zu Markt zu tragen, wie auch ich,
So meldet euch.« Wir waren mehr als dreißig.
Im Nebel halb entschwunden rief er noch:
»Hört ihr ein Schwerterklirren, dann heißt's: durch!«
Das galt den Bleibenden. – Wir hinterher –
Und wie er, katzengleich, in finsterm Spalte
Die jähe Felswand zu erklettern anfing,
Da folgte Mann für Mann, Mann über Mann.
Das ging wohl hundert Atemzüge – wieder
An hundert Atemzüge – noch einmal –
Und – – doch vergebt mir, edle Freunde, falls
Ich euch ermüden sollte, wie wir nicht
Ermüdeten – –
RUFE
durcheinander, ungestüm.
Nein, nein doch! Fahre fort!

Alle sind aufgesprungen und umgeben begierig den Blinden. Auch die Mädchen und die Diener nehmen an der allgemeinen Erregung teil.
DIOKLES
atemlos.
Und dann – mein Vater – was – was tat er dann?
DER BLINDE.
Als erster rang er sich empor. Gestein
Barg ihn und uns, bis wir so viel beisammen,
Um jauchzend, mit des Abersinns Gewalt,
[157] Die Abwärtsspähnden rücklings zu befallen.
Was nun geschah, – der Mond kroch ins Gewölk,
Und Finsternis verzehnfacht' unsre Zahl –
Wie wir, ein jeder schreiend, spießend, plänkelnd,
Auf immer neues Angriffsspiel bedacht,
Den hoffnungslosen Kampf so lang' zu dehnen
Versuchten, bis der Durchbrach unten sich
Vollendet, dies, ihr lieben Freunde, schaut
Mein Blick nicht mehr, denn Dunkel deckt ihn lange.
Doch hör' ich noch die Stimme jenes Würgers,
Der mit dem Stahl die uns Bekämpfenden
Zum Steingeröll zurücktrieb. »Rollt und rollt
Und laßt die Handvoll mir!« So schrie er, und
Wer nicht gehorchte, sank, von ihm durchbohrt,
Mitsamt dem Mordblock in die Tiefe. Doch
Derweilen drängten immer neue Scharen,
Von Mago hergehetzt – –
FRAGENDE RUFE.
Von Mago? Mago?
DER BLINDE.
Ja so! Ah ja! Ihr wißt nicht, daß der Würger
In jener Nacht, der tausend hingemordet,
Derselbe Mago war, der heute hier
Als Freund herumläuft.
RUFE.
Tod dem Mago! – Nieder
Mit Mago!
DIOKLES.
Höret weiter!
[158]
RUFE.
Hört ihn!

Es wird still.
DER BLINDE.
Und
Schon glaubten wir, daß gegen solchen Ansturm
Die letzte Wehr verspielt war, da – wie Rauschen
Der Stygischen Gewässer, friedevoll –
Drang aus den Tiefen ein Gesang empor,
In dem der Unsern Todesnot sich löste.
Ein Söldnerlied, ein altes, das ging so:

Singt.

Sterbend mahnen euch Weiber wir:
Nähret die Knaben, belehret die Knaben,
Daß sie einst sterben wie wir.
KTESIAS
in Tränen nachsingend.
Daß wir einst sterben wie sie.

Er schlägt aufschluchzend die Hände vors Gesicht.
DER BLINDE.
Dies hörend, wuchsen wir zu Götterkraft,
Und spielend saust' ein Funkensturm ringshin.
»Nur noch ein Augenblick, dann ist's getan,«
So rief ich. »Rollt und laßt ihn schrein,« schrie Mago.
Im Kampf und bei den Rollern – überall
War Mago ... Da, wie freie Bahn mir mähend,
Ich auf ihn eindrang –
[159]
DIOKLES.
Blinder, tatest du
Dies alles – sprich, wo war mein Vater?
DER BLINDE
nach einem Schweigen, lächelnd.
Lykons
Vergeßner Schatten, laß es mich nicht büßen,
Wenn ich ruhmredig nur an mich gedacht!
Wo Lykon war? Der Feldherr lag am Boden.
Denn – sagt' ich's nicht? – der Kampf war hoffnungslos.
Erst einer – dann der andre – wen es traf.
Ein Kieselstück so groß wie eine Nuß,
Von Balearentücke hergesandt,
Fand seine Stirn, wie später auch die meine.
DIOKLES.
Und dann?
DER BLINDE.
Nichts dann! Dies dann! –

Er zeigt auf seine Augenhöhlen.

Was ihr hier seht,
Und was in glühndem Eisen bald mit uns
Bekanntschaft machte. – – Aber in die Qual
Hinein, die unaussprechliche, verklang
Das Schwerterklirren jetzt aus ferner Flur.
Und ob wir auch, gefesselt und geblendet,
Zu Schmach und Jammer und Begrabensein
Verdammt, im Krampf uns schüttelten – was tat's?
Der Sieg war nah und – Syrakus gerettet.
[160]
DIOKLES
vor ihm auf die Knie sinkend und das Gesicht in seinem Gewande verbergend.
O Vater, Vater!
DER BLINDE
zuckt hoch auf und tastet zitternd nach Diokles' Kopf.
Ruhig, lieber Knabe!
Nun ist er lange tot! – – –
Doch einer lebt,
Derselbe, der ihn würgte – der, obwohl
Ihn uns die Rachegöttinnen geschenkt,
Mit neuer List und neuer Fluchgewalt
In Syrakusens Mauern ungestört
Auf Syrakusens Nachteil sinnen darf.

Stürmisches Geschrei: »Nieder mit Mago! Tod den Karthagern!« Drei Schläge tönen an der Tür. In das plötzliche Schweigen hinein hört man das dumpfe Brausen einer Volksmenge draußen. Diokles gibt das Zeichen, zu öffnen.
4. Szene
Vierte Szene
Die Vorigen. Zwei bewaffnete Wächter treten ein und stellen sich rechts und links vor der Tür auf. Ihnen folgt Mago barhäuptig und verwildert, das Schwert in der Hand.

MAGO.
Wer ist der Wirt?
DIOKLES.
Ich bin's.
MAGO.
Du ludest dir
Zum Späßemachen einen blinden Bettler.
Der Mann gehört Karthago. Liefr' ihn aus!
[161]
ALLE
mit Ausnahme von Artemidor drängen sich mit lauten Rufen: »Niemals! Dies wird nicht geschehn!« zwischen ihn und den Blinden.
MAGO.
Ihr weigert euch? ... Ihr lärmt

Nach hinten weisend.

gleichwie der Pöbel,
Den ich verachte? ... Eures Herrn Gebot,
Das ich mit Schrift und Siegelwachs mir eben
Bezeugen ließ – – da nimm! –

Er hebt eine Briefrolle hoch und gibt sie einem Diener, der sie Diokles bringt.

– wird euren Trotz
Gefügig machen.
KTESIAS
knirschend.
Ist kein Schwert im Hause?
DIOKLES
der einen Blick in die Rolle geworfen hat.
Karthager, ob du gleich mit unsres Herrschers
Befehl und Waffen vor uns tratst, das Recht,
Den Blinden mir zu nehmen, weigr' ich dir!

Er zerknittert die Rolle und wirft sie zu Boden.
ARTEMIDOR.
Das kostet dich das Haupt, mein Bruder!
DIOKLES.
Sei's!
Und sage dem, mit dessen Schergen furchtsam
Du dich beschütztest – –
[162]
DER BLINDE.
Halt! Halt! Halt! Halt! Ich,
Der Ball in diesem Spiel, bin auch noch da.
Euch Freunden Dank für hochgemuten Schutz,
Den ihr mir botet – doch ich brauch' ihn nicht.
Denn ob er gleich in Ketten mich ersticke,
Mit diesem Helden werd' ich immer fertig ...
Mein edler Mago, gern, aus freiem Antrieb
Will ich dir folgen, will auch noch das Volk
Besänftigen, das – du hast's erfahren – mehr
Als lärmen kann. Doch einen Wunsch zuvor
Erfülle mir, zumal es Höflichkeit
Gebietet.
MAGO.
Nenn ihn!
DER BLINDE.
Einen Becher leere
Auf Syrakusens Wohl. Dann bin ich dein.
DIOKLES
entsetzt.
Du willst, – du –?
DER BLINDE
leise, heftig.
Widersprich mir nicht!

Er tastet nach Eurytimos' Hand, der sich rasch an ihn drängt.
MAGO
sich mißtrauisch im Kreise umsehend.
Mit Freuden,
Und ohne daß ein Bettler mich gemahnt,
[163] Will ich dies tun, doch bitt' ich, daß ich stehend,
Auf diesem Platze trinken möge.
KTESIAS
leise.
Was
Wird dies?
DIOKLES.
Ihr Diener tragt – –
MAGO.
Und schöpft den Trank
Vor meinen Augen.
DIOKLES.
Gut denn!

Er winkt den Dienern.
DER BLINDE
leise zu Eurytimos.
Deine Stunde
Ist da! Nimm dir, was mein ist!
EURYTIMOS
die zwei Diener fortstoßend, die den schweren Mischkrug an den Henkeln gefaßt haben.
Weg da!

Er erfaßt den Krug mit beiden Armen und trägt ihn vor sich her quer durch den Saal bis vor Mago. Der ältere Diener folgt ihm mit Schöpfgefäß und Becher. Beide stellen sich rechts und links vor ihm auf. Der Diener schöpft Wein in den Becher. Atemlose Stille.
DER BLINDE.
Trinke
Dich satt, Karthago!
[164]
MAGO
zieht die ausgestreckte Hand zurück, misst ihn einen Augenblick lang, dann nimmt er mit verächtlichem Auflachen den Becher und trinkt.
EURYTIMOS
hebt den Mischkrug hoch und läßt ihn auf Magos Kopf herniederfallen.
Mago sinkt lautlos zu Boden. Banges Aufatmen, mit leisen Rufen durchmischt.
EURYTIMOS
der ein kurzes Schwert unter dem Gewand hervorgerissen hat, zu den unbeweglich stehenden Wächtern.
He! Ihr Klötze dort!
Nun packt mich doch!
DER ERSTE WÄCHTER.
Uns ward befohlen, dieses
Kundschaftende Geschmeiß hierher zu führen.
Das Weitre schert uns nicht.
DER BLINDE
hochaufhorchend.
Bring mir die Wächter!
EURYTIMOS
die beiden mit gutem Zureden nach vorne führend.
Hier sind sie!
DER BLINDE.
Wer in eurem Haufen denkt,
Wie ihr tut?
ERSTER WÄCHTER.
Alle!
[165]
DER BLINDE
freudig vor sich hin.
Arratos!
KTESIAS
Artemidor, der zu entschlüpfen versucht hat, im Nacken fassend.
Wo kriechst
Du hin, du Schlauer?
ARTEMIDOR.
Laß mich!
DER BLINDE.
Gebt ihn los!
Das Werk, das jetzt beginnt, hält er nicht auf.

Artemidor ab.
DIOKLES.
Doch Blinder, du, der du Verblendete
Gelehrt, wie man die Augen auftut, wie
Die Hand, die längst erschlaffte, löwenstark
Zum Schwerte greift – du, der du meines Vaters
Gedächtnis aus dem Schlamme hobst und uns
Erlöst Aufatmenden die Wege wiesest,
Die er gegangen – du vollbring die Tat,
Die kühn begonnene! Verlaß uns nicht!
Verlaß uns nicht! Und führ uns Jünglinge
Zum Kampf, zur Freiheit und – wohin du willst!

Begeisterte Rufe: »Führ uns! Verlaß uns nicht! Führ uns, wohin du willst!«.
[166]
DER BLINDE.
Was ihr mir schenkt, das geh' ich morgen euch
Vor eines leeren Thrones Stufen wieder.
Doch draußen, dünkt mich, rollt ein schöner Volkszorn
Weglos ins Ungewisse. Öffnet ihm
Die Tür. Allein zuvor verhüllt den Leichnam,
Der Wankenden die Kniee steifen soll.

Aller Augen wenden sich dem Hintergrunde zu. Ktesias breitet einen Mantel über Magos Körper, ein andrer geht zur Tür.
DER BLINDE
lacht in sich hinein.
EURYTIMOS
der allein bei ihm geblieben ist.
Du, Blinder, warum lachst du?
DER BLINDE.
Starker Mann!
Dich, der die Tat getan, hat man vergessen.
Sei ohne Groll! Es geht uns allen so! – –
Ans Werk nun!

Die Pforte ist geöffnet worden. Das Brausen des hereindringenden Volkes schwillt an.
Der Vorhang fällt.

5. Akt

1. Szene
[168] Erste Szene
Arratos. Später der Türhüter.

ARRATOS
allein, sitzt auf dem Thronsessel, in seinen Mantel gehüllt, und starrt ins Leere.

Von der Straße dringt ab und zu gedämpftes Stimmengewirr, durchbrochen von vereinzelten Notschreien. Bei jedem zuckt er zusammen. Dann springt er zitternd auf und schlägt an das Becken.

DER TÜRHÜTER
erscheint rechts.
ARRATOS.
Von meinem Sohne nichts?
DER TÜRHÜTER.
Noch immer nichts!
ARRATOS.
Doch stehn die Wächter dienstbereit? Umstarren
Die tausend Spieße Hof und Halle?
DER TÜRHÜTER.
Viele
Der Boten sandt' ich, doch die Wächterhalle
Ist leer.
ARRATOS
betroffen, leise.
Ist leer? Ist leer?
DER TÜRHÜTER.
Dann, weil ein Schutz
Von bessrer Art nicht zu erhoffen, hab' ich
Die rostzerfressnen Stangen vor die Tore
Gelegt, doch ob sie jähem Ansturm –
[169]
ARRATOS.
Rechnest
Du schon mit – –?

Schläge ertönen von der Außentür her.

Öffne!
DER TÜRHÜTER
ab.
2. Szene
Zweite Szene
Arratos. Der erste Späher.

ARRATOS.
Du? Was bringst du?
DER ERSTE SPÄHER.
Herr,
Kaum wag' ich – –
ARRATOS
mit bitterem Lachen.
Wage! Man wagt viel heut' nacht.
DER ERSTE SPÄHER.
Kurzum – gradaus: Der blinde Bettler herrscht
In Syrakus; die Edlen und das Volk,
Die Weiber selbst und auch die Sklaven, alles,
Vom Taumelgift getroffen, schwärmt ihm zu.
ARRATOS.
Doch meine Söldner? Meine tausend Söldner?
DER ERSTE SPÄHER.
Wenn es noch Söldner gibt in Syrakus,
Ihr Soldherr ist der Bettler – schickt die einen
[170] Zur Burg, die andern in den Hafen, ganz
Wie's ihm beliebt.
ARRATOS
halb für sich.
Die Weisen sagen, Milde
Sei Göttersegen. Schade drum! Zu spät!
DER ERSTE SPÄHER.
Für was zu spät, o Herr?
ARRATOS.
Mir zehn, auch zwanzig
Starkarm'ge Henker anzuschaffen.
DER ERSTE SPÄHER
kriechend.
Doch
Ich blieb dir treu, Erhabner!
ARRATOS
höhnisch lachend.
Hier ist Gold!
DER ERSTE SPÄHER
gierig nach dem Beutel greifend.
Hab Dank, und falls noch einmal dir der Sieg
An deine Pforten pocht –

Schläge an der Außentür.
ARRATOS
mit demselben Lachen.
Gib acht! Er ist's.
3. Szene
[171] Dritte Szene
Die Vorigen. Der zweite Späher.

DER ZWEITE SPÄHER.
Ich weiß nicht, Herr –
ARRATOS.
Auch du darfst wagen, Freund!
DER ZWEITE SPÄHER.
Der Blinde zog mit allem Volk zum Hafen.
Die Ketten, die allnächtlich sonst die Furt
Versperren und die heut' – man weiß nicht, wie? –
Am Grunde schleiften –
ARRATOS
zuckt zusammen.
DER ZWEITE SPÄHER.
– hieß er schleunig spannen.
Dann ging's zur Jagd. Und als man der Karthager
Jüngstangekommne Schiffe scharf durchsuchte,
Fand man sie mit verborgnen Kriegern ganz
Erfüllt. Man griff sie oder tötete,
Was nicht sich greifen ließ. Doch dann, als hell
Die Schiffe brannten – sieh! noch gleischt's am Himmel –
Da, im Gefühl des halbgesättigten
Verlangens, wandte sich des Volkes Wut
Auch gegen dich ... »Wenn er dies duldete,«
So sprang ein fliegend Feuer durch die Menge,
»Dann ist er schuldig. Schuldig ist auch er.«
Der Bettler aber sprach: »Den Arratos
[172] Laßt mir! Und dies gelob' ich: Eh' es tagt,
Wird er gerichtet sein.«

Schweigen.
DER ERSTE SPÄHER.
Sehr schlimm!
ARRATOS
heiser.
Was dann?
DER ZWEITE SPÄHER.
Noch ist es Zeit, Erhabner! Fliehe schnell
Ins Land hinaus, wohin Artemidor,
Dein Sohn, dir um die Mitternacht voranging.
ARRATOS
entsetzt.
Artemidor – entflohn!
DER ZWEITE SPÄHER.
Dein Stiefsohn aber –
ARRATOS
in letzter Hoffnung.
Ja, Diokles! – Das ist's ... denn ob er gleich
Im Wahn der Kränkung gegen mich sich bäumte,
Lenkbaren Sinns und liebreich – und vor allem
Der Erbe jenes Namens, den der Blinde – ...
Das ist's ... mein Diokles! Ruft ihn hierher,
Den Einz'gen, der –
DER ZWEITE SPÄHER.
Dein Stiefsohn aber, Herr,
Ward nächst dem Blinden der Empörung Haupt.
[173]
ARRATOS.
Ja so ... Wie anders! – Ja ...

Gibt auch dem zweiten Späher einen Beutel.

Da nimm! Und ehe
Mir nicht das Glück die Füße küßt, sieht man
Euch zwei nicht wieder.

Die beiden Späher eilends ab.
4. Szene
Vierte Szene
Arratos. Später Philarete.

ARRATOS
steht auf, will an das Becken schlagen, läßt erschlaffend den Schlegel sinken und verbirgt, von Schauern geschüttelt, den Kopf hinter der Lehne seines Sessels.
PHILARETE
tritt von links ein, betrachtet ihn und legt dann die Hand auf seine Schulter.
ARRATOS
fährt, nach seinem Schwerte greifend, mit einem Aufschrei zurück.
PHILARETE.
Mich fürchte nicht, mein Gatte!
ARRATOS.
Wüßtest du,
Du würdest zögern, die Noteinsamkeit
Der letzten Stunde mir zu süßen, Weib!
Drum geh – und –
[174]
PHILARETE.
Glaubst du, daß die Frauenwohnung
Dem Schrei des Schicksals Ohr und Einlaß wehrt?
Doch weil ich diesen Bettler sprach und rings
Um seine blut'gen Augen, aus der Schwärze
Des haßerfüllten Elends ein Gewirr
Von Licht und Güte plötzlich lachen sah –
Drum fühl' ich, daß hier Göttermächte walten
Und daß, wer Ihnen sich ergab, auch dem
Vertrauen darf, den sie für ihren Willen
Zum Werkzeug wählten.
ARRATOS.
Bist du auch von denen,
Die, wie dein Sohn, durch ihn verzaubert sind?
Und kehrst dich wider mich? – Und trachtest heimlich –?
Geh fort und neige dich in Furcht vor jenen,
Als deren Werkzeug du den Blinden liebst!
Mich aber laß in meiner Schmach verderben,
Mich, der so sehr nichts fürchtete – wie dich.
PHILARETE.
Mein Freund! Fern sei's von mir, zu leugnen, daß –
– Ich weiß nicht, wie? – ein traurig Wohlsein leise
Mich überkommt, wenn ich des Manns gedenke,
Der mir von – von – den Toten Kunde gab.
Doch weil ich deines Leibes Anteil ward
Und deine Seele sich an mir verkroch,
So breit' ich meine Hände über dich,
Und statt zu hadern, teil' ich Todesschuld
Und Todesgrauen still mit dir.
[175]
ARRATOS.
Suchst so
Du wahr zu machen, was der Tote sprach:
Der sei geadelt, dem du angehörst?
Geadelt?

Lacht.

Ich? Wodurch wohl?
PHILARETE.
Durch dich selbst.
Denn siehe! Gutes schaffen war dein Wille,
Und atemhaltend hört' ich dich oft ringen
Mit nächtigen Versuchern, die du stolz
Zertratst. Ah! Hätte das Verhängnis je
Dir freie Hand gegönnt, du Armer, wärest
Du in des Volkes Weiheglück nicht selbst
Zum Glücklichen geweiht?
ARRATOS.
Ah ja – ja, ja! –
Das ist's! ... So ist's! Denn frei zu machen – mich
Zu – – frei zu machen – hab' ich – stets – – – doch Schwäche,
So nannten sie's – und andre: Schmeichelkunst – – –
Und meine Wächter – Wächter! Tausend Wächter!
Weil ich sie Frieden halten hieß, darum
Sind sie mir untreu – und das Volk – weil ich
Nicht strafte! – Und jetzt – hab' ich nichts als dich
– Und diesen Ring.
PHILARETE.
Was ist's mit diesem Ringe?
[176]
ARRATOS.
Hähä! Und wenn der Bettler dort hereintritt,
Von Syrakusens Edeln dicht umdrängt,
Und seiner Fragen dritte, schreckensvollste
Mir auf den Leib hetzt – ah! ich kenn' sie wohl,
Die dritte Frage – dann –

Betrachtet den Ring.
PHILARETE.
Dann wachs empor
Hoch über deine Schuld – um deren Wissen
Ich mahnend niemals in dich drang – und lasse
Redlichen Wollens allversöhnende
Gewalt an haßgestählte Herzen klingen.
ARRATOS.
Du redest wie zu einem Hirtenknaben,
Der Honig naschte, weil er hungrig war.
Doch zwischen Tat und guten Willen schiebt
Die Klugheit sich. Und Klugheit sagt: Dies laß –
Und das erst recht – dies sprich und das verschweige!
Dann wälzt des Willens Hoheit sich im Staube
Und wird ein schleichendes Getier und – – – Ja,
Wüßt' ich, wieviel der Blinde weiß und welche
Gewähr er mitbringt – ah! – dann hielt' ich stand,
Dann wüchs' ich mit dem Worte, dann – – –

In aufquellender Angst.

Sie werden
Das Tor erbrechen – Flüche rasen – Schwerter
Gezückt! – – Nicht einer glaubt mir – jeder glaubt
[177] Dem Blinden! Wenn er dann mit seinen Fingern
– Auf jeder Fingerspitze sitzt ein Auge,
In jedem Worte brennt ein Feuerstrahl –
Und jedes Wort, das ich, ich selber spreche,
Wird ihm ein Haken – so hab' ich's erlebt –
Daran zieht er mich langsam – langsam – – Hilfe!
Der Blinde! ... Hörst du vor dem Tor die Stimmen,
Die klagenden? Um mich klagt keine! Um
Wen klagen sie?

Heftige Schläge an der Außentür; in sich zusammenkriechend.

Hä! Schon?
PHILARETE.
Was jetzt auch komme –
ARRATOS
wie erwachend.
Ja – du!

Er versucht sich um Philaretens willen zusammenzuraffen.

Ich will in Größe sterben. – Ja.
5. Szene
Fünfte Szene
Die Vorigen. Die beiden Späher atemlos.

ARRATOS.
Ihr seid's?
DER ERSTE SPÄHER.
Wir liefen, Herr –
DER ZWEITE SPÄHER.
Im Wettlauf, Herr.
Der Blinde –
[178]
DER ERSTE SPÄHER
zum zweiten.
Ich geb' Kunde – ich war erster
Am Tor –
DER ZWEITE SPÄHER.
Und ich –
ARRATOS.
Der Blinde?
BEIDE.
Ist – erschlagen.
DER ZWEITE SPÄHER.
Von den Karthagern, die gefangen zwischen
Den Wächtern gingen, riß gedankenschnell
Der eine – gestern sahst du ihn bei Mago –
Dem Nächsthinschreitenden das Schwert fort, stürzte
Sich auf den Blinden, der, zu Tod getroffen
Darniedersank. Hierauf bot er sich lachend
Den Speeren preis.
DER ERSTE SPÄHER
kriechend.
Wir aber eilten her,
Denn dich würd's freuen, dachten wir in Demut.
ARRATOS
seine freudige Erregung bemeisternd, winkt ihnen schweigend, sich zu entfernen.

Beide mit Bücklingen ab.
6. Szene
[179] Sechste Szene
Arratos. Philarete. Später der Türhüter.

PHILARETE
wendet sich erschüttert ab.
ARRATOS.
Frohlockst du nicht? Denn jetzt behältst du Recht!
Jetzt, da der Alpdruck einer schwülen Nacht
Beim Hahnenschrei im Nebel sich verlor,
Jetzt werd' ich wachsen! Süß wird meine Rede
Des Herrn verlorne Wittrung ihnen wieder
Zur Nase führen, und was guter Wille

Höhnisch.

– Warum soll man's nicht guten Willen heißen?–
An Gunst gewann, wird sich zu Taten wandeln.
– Zu welchen Taten, frage mich noch nicht,
Doch – ... Horch! Ein Volksruf schwillt vom Hafen her –
Und nähert sich – schon schlägt er um das Haus –

Er springt auf und pocht an das Becken.
DER TÜRHÜTER
erscheint.
ARRATOS.
Die Pforten auf! Und wen's zu schaun gelüstet,
Wie heut' ein Herrscher um Vergebung bettelt,
Der sei willkommen!

Leiser.

Doch es wird ihn reun.
DER TÜRHÜTER
ab.
7. Szene
[180] Siebente Szene
Die Vorigen. Myrrha. Menesto, gefolgt von Bio, Phenippe und andern Dienerinnen und Dienern eilends von links.

MYRRHA.
Mein gnäd'ger Vater! Todesbangen trieb
Uns in die Männerhalle. Durch das Tor
Und über Mauern drängt ein schreiend Volk.
Drum laß uns hier, die wir sonst schutzlos wären.
ARRATOS.
Zu deiner Mutter tritt. Ihr andern –

Winkt ihnen, hinten zu bleiben.
8. Szene
Achte Szene
Die Vorigen. – Durch die Tür rechts kommen langsam und scheu Edle und Volk durcheinander gemischt, darunter Hegesias. Hinter ihnen her stürzen in großer Erregung, das Schwert in der Hand, Diokles, Ktesias, Lysimachos und andere Jünglinge.

ARRATOS
aufstehend.
Ruhig,
Ihr Knaben! Dieses ist das Haus des Friedens.
Drum berget Wut und Waffen! ... Meinen Dank
Euch Allen, die ihr euch ums Morgenrot
Zu mir bemühtet Täuscht mich nicht mein Ahnen,
So gab es eine heiße Nacht voll Dunst
Und Blut und Feuersegen. Streng erwogen,
[181] Müßt' ich nun zürnen, weil ihr, ohne mich
Zu fragen, Spiele spieltet, die – beim Zeus! –
Ich ungern andern überließ als mir.
Doch liegt es wenig mir nach Wunsch, die Siegerfreude
Grämlich zu dämmen, die euch flutend trägt,
Zumal – vertraulich sei's gesagt – ich selbst
Sie mit euch teile.

Bewegung.

Dies verwundert euch?
HEGESIAS
als Sprecher einer Gruppe älterer Edlen.
Ja, Herr! Weil wir dich mit des Landes Feinden
In zartem Frieden sahn, der uns gefahrvoll
Und kaum begreiflich schien, so nahmen wir
Geringen Anlaß wahr, um ohne dich
– Und, notgedrängt, auch gegen dich – dem Siege,
Den du dereinst erkämpftest –
DIOKLES.
Wer erkämpfte
Den Sieg?
HEGESIAS
mit einem strafenden Blick nach ihm hin.
– sein gottgewolltes Recht zu geben.
Doch daß wir uns erkühnen sollten, jetzt,
Da wir dich, Herr, in schenkender Vergebung
Den Händeln dieser Nacht – ich selbst geriet
Hinein und weiß nicht, wie? –
KTESIAS.
Wir aber wissen's,
Denn wir entflammten sie.
[182]
HEGESIAS.
Die Jagend schweige,
Wenn altersschwere Häupter sich zum Rat
Begegnen.
DIOKLES.
Was gilt uns ein Altersvorrang,
Wenn er der Freiheit goldne Gabe träg'
Verschleudern läßt? Noch halten wir sie fest,
Doch wenn die Geißel erst geschwungen wird,
Dann trifft sie eure Nacken wie die unsern.
ARRATOS.
Mein teures Kind! Mit ungemessnem Kummer
Seh' ich dich dort in Widersachertrotz
Den Schwertgriff drehn. An eignen Sohnes Statt,
Der heut' entwich und nimmer wiederkehrt,
Wollt' ich dich setzen. Darum nimm den Platz
An meiner Seite. Er gebühret dir.
DIOKLES.
Vergib, mein gnäd'ger Herrscher! Wenn ein Platz
Der Welt in dieser Stunde mir gebührt,
So ist er an der Seite jenes Mannes,
Der mir den Vater, euch die Freiheit gab
Und den ich unter meuchlerischer Faust
Dahingesunken, unfromm liegen ließ,
Weil mich sein matter Wink hierher entsandte
Und daß du's weißt: Ich steh' hier als dein Feind!
Nicht weil ein kleiner Haß, weil Argwohn mir
Das Herz zerfräße – Argwohn heg' ich auch,
[183] Ah ja! – Doch davon schweig' ich, rede nur
Von einem: Wer Karthagos Freund gewesen,
Kann uns nicht Führer werden in dem Kampf,
Der um das nackte Lebenbleiben jetzt
Entbrennt Der ist gezeichnet und – muß fort!
ARRATOS
für sich.
O meine tausend Wächter!

Laut, lächelnd.

So, ihr Freunde,
Erseht ihr, wie die Jugend Aug' und Urteil
Im Blauen ahnungslos lustwandeln läßt.
Schau her, mein Sohn, wie deine Mutter zittert
Und wie die Schwester leblos an ihr hängt!
Nicht mich, dein eigen Blut hast du gelästert.
DIOKLES
schmerzergriffen.
O Mutter!
ARRATOS.
Und wofür? Karthagos Freund
Wär' ich gewesen? Weil ich Frieden suchte?
Weil ich den Kampf, in dem die weiße Stadt
Zu schwarzem Trümmerschutt sich wandeln mußte,
Hinausschob – bis, durch unsern Schatz geworben,
Das Mark der Welt für uns die Speere hob?
Und wenn ich Syrakusens Todfeind witternd
In diesen Mauern duldete, wenn selbst
Dies oder jenes Fahrzeug Heimlichkeiten
In seinen Planken barg, was tut das euch?
[184] Denn mir war nichts verborgen. Zeugnis kann ich
Euch bringen – wenn ihr's fordert, auf der Stelle –,
Daß jede Tat, die ein Karthager plante
– Auch Mago – er, mein Freund, zuerst –, von mir
Erspäht, durchforscht, im Keim vernichtet ward.
So, von des Volkes Mißtraun hart getadelt,
Dem Freundesblick zur Scham, vom eignen Sohn
Verraten, wacht' ich selbstlos, ruhelos
Ob euch und eurem Wohl! Und wenn ihr heut'
Zum Danke der Empörung Fackel mir
Ins Antlitz werft, sie fällt vor mir zur Erde,
Zerspaltet und erlischt, denn hier ist keiner,
Ihr Freunde, gegen den man sich empöre.

Zögernder Beifall im Volk.
HEGESIAS.
Vergib, o Herr, wenn wir in Unverstand
Gefrevelt!

Rufe: »Vergib uns! Vergib!«.

Was zuerst uns obliegt, ist,
Der Söldner Schutz um deinen Thron zu sammeln –
KTESIAS.
Seid ihr von Sinnen?
HEGESIAS.
– denn es rast das Volk
Und will Gericht und Sühne – und was noch?
ARRATOS
seinen Triumph verbergend.
Ich dank' euch, edle Freunde! Würd' es mich
[185] Auch mehr erbauen, wenn in Gunst ihr selbst
Mit euern Schutz –
DIOKLES.
Wir selbst? Wir werden bald
Staub fressen, Wärmer nähren oder barhaupt
Für Syrakusens schnell gewonnene,
Schnell fortgeworfne Freiheit betteln gehn!

Ein von fernher anschwellendes dumpfes Murmeln hat sich erhoben. Alles lauscht.
9. Szene
Neunte Szene
Die Vorigen. Der Türhüter stürzt herein.

ARRATOS.
Was ist's?
DER TÜRHÜTER.
Der Blinde lebt! – Vom Liebesruf
Des Volks geleitet, naht er dem Palast!

Große, gedämpft-freudige Bewegung.
ARRATOS
springt auf und taumelt, das Auge entsetzt auf den Eingang gerichtet, zurück, sich an dem Thronsitz festhaltend.
DIOKLES
dem Eingang zugewandt.
Er lebt! Heil unsrer weißen Stadt! Nun lebt
Auch sie! –
RUFE.
O seht! O seht!
[186]
MYRRHA
nach dem Eingang starrend.
Wie wenn ein Toter
Dem Schattentand entwich, so wandelt er,
Durch Grabesbinden blutend, schattengleich
Daher!
ARRATOS
in Angst entgeistert.
Sieh, Weib! Der ist's, den Götter sandten!

Eine Gasse hat sich gebildet. Das Murmeln draußen pflanzt sich auf die Szene fort. Alle schauen dem Kommenden entgegen.
10. Szene
Zehnte Szene
Die Vorigen. Von Eurytimos gestützt, erscheint der Blinde. Kopf, linker Arm und Brust mit Binden umwickelt, durch die blutige Streifen hindurchschimmern. Sein Gesicht ist wie das eines Toten. Er hält sich nur mit höchster Willensanstrengung aufrecht.

DIOKLES
ihm entgegen.
Du kamst zu rechter Zeit. Sie wähnten dich
Gestorben und verwürfelten dein Erbe.
DER BLINDE.
Noch lebend – schon vergessen! Ich verstehe
Dich, Dämon ... Ihr Abtrünnigen, muß ich
Euch bannen mit des Auges blut'gem Griffe,
Auf daß ihr – mir nicht – nein, euch selbst gehorchet!
Noch bin ich da! Noch wächst mein Werk, und zwischen
Den Fäusten halt' ich euch wie – euren Herrn.
Du Mächtigster der Männer hast zur Stunde
[187] Bezahlter Wächter keinen, mich zu fangen,
Und keinen Mago, der mich heimlich würge!
Mein bist du – mein ist das Gericht! –
ARRATOS.
Wer – setzte –
Dich mir zum Richter? Wer –?
DER BLINDE.
Du selbst Doch ehe
Der Fragen letzte, die zehn Jahre schon
Die Gräber der Verratenen umirrt,
In Zorn aufschreiend, ihm das Herz bloßlegt,
Verkünd' ich allen, die im Dunkel noch
Hierhergeeilt, daß seit dem Dämmergraun
Karthagos hundertbord'ge Flotte rings
Vorm Hafen steht.

Rufe des Entsetzens.

Seid unbesorgt! Ihr selbst
Mit mir vollführtet, was die Not erzwang.
Die frevlerisch gelösten Ketten sind
Gestrafft – die tückisch vorgesandten Schiffe
Vernichtet – alte Söldner kampfbereit.
Und was an Schaden dieser Mann euch antat –
Was er – auch – mir –

Er taumelt, von einer Schwäche ergriffen.
RUFE.
O seht! Er wankt!
[188]
DER BLINDE
von Eurytimos und Diokles gestützt.
Vergebt!
Noch finstrer – wird die Nacht – in mir. Noch tiefer
Die – –
MYRRHA
vorstürzend.
Stirb uns nicht, o Fremdling!
DER BLINDE
sich aufraffend, mit seligem Lächeln.
Welche Stimme
War das? – Du, Mädchen – weilest in der Halle
Der Schrecken? – Deine Mutter ist mit dir?
PHILARETE.
Sie ist's.
DER BLINDE
zuckt auf.
PHILARETE.
Und weil sie weiß, daß gütereich
Das Herz dir schlägt –
DER BLINDE
mit innerlichem Lachen.
Schon schwächer wird der Schlag!
PHILARETE.
– so flehet sie, des Toten eingedenk:
Laß Schonung walten, wie er mich geschont.
[189]
DER BLINDE
mit schriller Stimme.
Hinweg ihr alle! Wer ein Henkeramt
Versieht, der muß allein stehn ... Arratos,
Mein – Freund!
ARRATOS
in Angst halb besinnungslos.
Wann war ich wohl dein Freund?
DER BLINDE.
Du warst's!
Und weil ich Ehr' und Einsicht dir vertraute –
ARRATOS.
Du –? Mir –?
DER BLINDE.
– so muß ich –
ARRATOS.
Keine Frage mehr!
Wer du auch immer seist, ich hab' genug
Von deinen Fragen! ... Guten Willen hab' ich
Bewiesen all die Jahre – doch was half's!
Entsühnen hab' ich wollen – doch was half's?
Faß meine Hand, Weib! So! – –

Während er mit der Linken Philaretens Hand umklammert, führt er mit der Rechten rasch den Ring zum Munde.

Wem – du – gehörst –
Der wird – geadelt – sein!

Er taumelt im Todeskampfe die Stufen hinab und bleibt reglos hinter dem Throne liegen. Philarete wirft sich mit einem Aufschrei über ihn. Dumpfes Murmeln des Schreckens.
[190]
DER BLINDE
sich nach Eurytimos umwendend.
Was ist's?
EURYTIMOS.
Er gab
Sich selbst den Tod, so scheint es.
DER BLINDE.
Sein Geheimnis
Werf' ich ihm nach! ... Jetzt hört! Auch meine Zeit
Ist karg bemessen ... Diokles, wo bist du?
DIOKLES.
Bei dir! Wo sonst?
DER BLINDE.
Da du als deines Vaters
Echtblüt'gen Sprossen dich erwiesen hast,
So leg' ich, seinem Auftrag untertan,
Des Feldherrn Amt in deine Hände! Ferner:
Nimm dieses Hauses altererbte Schätze
– Wo sie geborgen, frage deine Mutter –
Und waffne jung und alt. Und was in Zweifel,
In Wollust oder Armut feig' erlosch,
Das laß zu neuer Flamme himmelauf
Entbrennen! Arm ist keiner, der dem Lande
Des Lebens einen Tod zu schenken hat –
Auch nicht der Bettler, der jetzt von euch geht.
DIOKLES.
Du Herrlicher, dem alles untertan,
Befiehl dem Tode – und er weicht von dir!
[191] Doch ist's dein Wunsch, zu scheiden, dann entsiegle
Das Rätsel, das unlösbar scheint, und sprich:
Wer bist du, der als Heros uns erlöste?
DER BLINDE.
Wohlan denn! Führet mich zu dem Altar,
Der blumenübervoll des Gastes harret,
Und zündet fromm das reinigende Feuer,
Das Leid und Glück, das Tod und Sühne frißt.
Dann will ich reden, will – – – Was ist's? Wer steigt
Dort aus den ...? Was begehrst du, Dämon? ... So
Zornblickend mahnst du mich? ... Betrogen hab' ich
Dich längst! Denn war ich nicht der Herold jenes
In Nacht Verschollenen, des Name jetzt – – –?
Du lächelst? ... Oder kämpfte gar ein Schatten
Für einen Schatten?

Nach Philarete hinlauschend.

Weinen hör' ich dort!
Wer weint, da alles jubeln soll?
MYRRHA.
Die Mutter,
Die über ihrem Toten klagt, o Fremdling!
DER BLINDE.
Ja so ... Ach so ... Das war dein Lächeln, Dämon!
So lohnst du mir mein Werk! Und so wird er
Auch euch einst lohnen! So euch Allen! ... Sei's drum!

Tastend.

Wo sind die Stufen? Ich will heim.
MYRRHA.
Laß mich
Dich führen!
[192]
DER BLINDE.
Ja – und leg mich nieder! So! ...

Er legt sich, von Myrrha gestützt, auf den Stufen des Altars nieder.

Und bettest gar den Kopf in deinem Schoße?
Ah! Das tut gut ... Das tut sehr – – – Diokles!
Der Feind ist ... und – sag – deiner – Mutter – –
DIOKLES.
Mutter,
Der Fremde ruft nach dir!
DER BLINDE.
Nein, nein! Mag sie – – –
Ah! Das – tut – gut.

Er streckt sich im Sterben.
DIOKLES.
Wer bist du? Sprich! Wer bist du?
MYRRHA.
Von allen auf der Welt kann dies nur einer
Gewesen sein.
DIOKLES.
Sag wer? Wer?
PHILARETE
die herzugetreten ist, in aufdämmernder Erkenntnis die Arme hochhebend.
Wer?
MYRRHA
umklammert aufschluchzend den Kopf des Toten.
Nur einer!

Der Vorhang fällt.

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TextGrid Repository (2012). Sudermann, Hermann. Dramen. Der Bettler von Syrakus. Der Bettler von Syrakus. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-3978-9