William Shakespeare
König Heinrich IV.

Erster Teil

[180] Personen

König Heinrich IV.

Heinrich, Prinz von Wales

Prinz Johann von Lancaster, Söhne des Königs

Graf von Westmoreland

Sir Walter Blunt, Freunde des Königs

Graf von Worcester

Graf von Northumberland

Heinrich Percy, mit dem Beinamen Heißsporn, sein Sohn

Edmund Mortimer, Graf von March

Scroop, Erzbischof von York

Archibald, Graf von Douglas

Owen Glendower

Sir Richard Vernon

Sir John Falstaff

Poins

Gadshill

Peto

Bardolph

Lady Percy, Gemahlin des jungen Percy und Mortimers Schwester

Lady Mortimer, Glendowers Tochter und Mortimers Gemahlin

Frau Hurtig, Wirtin einer Schenke zu Eastcheap

Herren von Adel, Beamte, Sheriff, Kellner, Hausknecht, Küfer, zwei Kärrner, Reisende, Gefolge usw.

[180]

Erster Aufzug

Erste Szene
London. Ein Zimmer im Palast.

König Heinrich, Westmoreland, Sir Walter Blunt und andre treten auf.

KÖNIG HEINRICH.
Erschüttert wie wir sind, vor Sorge bleich,
Ersehn wir doch für den gescheuchten Frieden
Zu atmen Zeit, und abgebrochne Laute
Von neuem Kampf zu stammeln, welcher nun
Beginnen soll an weit entlegnem Strand.
Nicht mehr soll dieses Bodens durst'ger Schlund
Mit eigner Kinder Blut die Lippen färben;
Nicht Krieg mehr ihre Felder schneidend furchen,
Noch ihre Blumen mit bewehrten Hufen
Des Feinds zermalmen; die entbrannten Augen,
Die, eines trüben Himmels Meteore,
Von einer Art, erzeugt aus einem Wesen,
Noch jüngst sich trafen in dem innern Sturm
Und wildem Drang der Bürger-Metzelei:
Sie werden nun, gepaart in schönen Reih'n,
Den gleichen Weg ziehn und nicht mehr entgegen
Bekannten stehn, Blutsfreunden, Bundsgenossen.
Der Krieg wird, wie ein Messer ohne Scheide,
Nicht seinen Herrn mehr schneiden. Darum, Freunde,
So weit hin bis zur Grabesstätte Christs,
Des Krieger nun, mit dessen heil'gem Kreuz
Wir sind gezeichnet und zum Streit verpflichtet,
Woll'n wir ein Heer von Englischen sofort
Ausheben, deren Arm im Mutterschoß
Geformt schon ward, zu jagen jene Heiden
Im Heil'gen Lande, über dessen Hufen
[181]
Die segensreichen Füße sind gewandert,
Die uns zum Heil vor vierzehnhundert Jahren
Genagelt wurden an das bittre Kreuz.
Doch dieser unser Plan ist jährig schon,
Es frommt zu sagen nicht: wir wollen gehn;
Deshalb sind wir nicht hier. – Drum laßt mich hören
Von Euch, mein teurer Vetter Westmoreland,
Was gestern abend unser Rat beschloß
Zu dieses teuren Werkes Förderung.
WESTMORELAND.
Mein Fürst, mit Eifer ward die Eil' erwogen
Und mancher Kostenanschlag aufgesetzt
Noch gestern abend, als der Quere ganz
Eine Post aus Wales voll schwerer Zeitung kam;
Die schlimmste, daß der edle Mortimer,
Das Volk von Herfordshire zum Kampfe führend
Wider den wilden, stürmischen Glendower,
Von dieses Wäl'schen roher Hand gefangen,
Und ein Tausend seiner Leute ward erwürgt,
An deren Leichen solche Mißhandlung,
So schamlos viehische Entstellung ward
Von wäl'schen Frau'n verübt, daß ohne Scham
Man es nicht sagen noch erzählen kann.
KÖNIG HEINRICH.
So scheint es denn, die Zeitung dieses Zwistes
Brach das Geschäft zum Heil'gen Lande ab.
WESTMORELAND.
Ja, dies gepaart mit anderm, gnäd'ger Herr.
Denn stürmischer und unwillkommner kam
Bericht vom Norden, und er lautet so:
Am Kreuzerhöhungstag stieß Heinrich Percy,
Der wackre Heißsporn, dort auf Archibald,
Den immer tapfern und gepriesnen Schotten,
Zu Holmedon,
Wo's eine harte, blut'ge Stunde gab,
Wie man nach ihrer Lösung des Geschützes
Und anderm Schein die Neuigkeit erzählt;
Denn, der sie brachte, stieg recht in der Hitze
Und höchsten Kraft des Handgemeng's zu Pferd,
Noch irgend eines Ausgangs nicht gewiß.
[182] KÖNIG HEINRICH.
Hier ist ein teurer, wahrhaft tät'ger Freund,
Sir Walter Blunt, vom Pferd erst abgestiegen.
Bespritzt mit jedes Bodens Unterschied,
So zwischen Holmedon liegt und unserm Sitz,
Und der bringt schöne und willkommne Zeitung:
Der Graf von Douglas ist aufs Haupt geschlagen;
Zehntausend Schotten, zweiundzwanzig Ritter,
In eignem Blut geschichtet, sah Sir Walter
Auf Holmedons Plan: gefangen ward vom Heißsporn
Mordake, der Graf von Fife und ältster Sohn
Des überwundnen Douglas; dann die Grafen
Von Athol, Murray, Angus und Menteith.
Und ist dies ehrenvolle Beute nicht?
Ein hoher Preis? Sagt, Vetter, ist es nicht?
WESTMORELAND.
Fürwahr, es ist ein Sieg, des wohl ein Prinz
Sich rühmen könnte.
KÖNIG HEINRICH.
Ja, da betrübst du mich und machst mich sünd'gen
Durch Neid, daß Lord Northumberland der Vater
Solch eines wohlgeratnen Sohnes ist:
Ein Sohn, den Ehre stets im Munde führt,
Der Stämme gradester im ganzen Wald,
Des holden Glückes Liebling und sein Stolz;
Indes ich, wenn ich seinen Ruhm betrachte,
Wüstheit und Schande meinem jungen Heinrich
Seh' auf die Stirn gedrückt. Oh, ließe sich's
Erweisen, daß ein Elfe, nächtlich spükend,
In Windeln unsre Kinder ausgetauscht,
Meins Percy, seins Plantagenet genannt,
Dann hätt' ich seinen Heinrich und er meinen.
Doch weg aus meinem Sinn! – Was meint Ihr, Vetter,
Vom Stolz des jungen Percy? Die Gefangnen,
Die er bei diesem Treffen hat gemacht,
Behält er für sich selbst und gibt Bescheid,
Mordake, den Lord von Fife, nur sollt' ich haben.
WESTMORELAND.
Das lehret ihn sein Oheim, das ist Worcester,
Euch feindlich unter jeglichem Aspekt;
[183]
Dies macht, daß er sich brüstet und den Kamm
Der Jugend gegen Eure Würde sträubt.
KÖNIG HEINRICH.
Auch hab' ich ihn zur Rechenschaf berufen,
Weshalb auf eine Weile nachstehn muß
Der heil'ge Vorsatz nach Jerusalem.
Vetter, auf nächsten Mittwoch woll'n wir Rat
Zu Windsor halten: meldet das den Lords!
Kommt aber selbst mit Eil' zu uns zurück,
Denn mehr noch ist zu sagen und zu tun,
Als ich vor Zorne vorzubringen weiß.
WESTMORELAND.
Ich will's, mein Fürst.

Alle ab.
Zweite Szene
Ein anderes Zimmer im Palast.

Prinz Heinrich von Wales und Falstaff treten auf.

FALSTAFF.
Nu, Heinz! welche Zeit am Tage ist es, Junge?
PRINZ HEINRICH.

Dein Witz ist so feist geworden, durch Sekttrinken, Westenaufknöpfen nach Tisch und nachmittags auf Bänken schlafen, daß du vergessen hast, das eigentlich zu fragen, was du eigentlich wissen möchtest. Was Teufel hast du mit der Zeit am Tage zu schaffen? Die Stunden müßten denn Gläser Sekt sein, und Minuten Kapaunen, und Glocken die Zungen der Kupplerinnen, und Zifferblätter die Schilder von liederlichen Häusern, und Gottes Sonne selbst eine schöne hitzige Dirne in feuerfarbnem Taft; sonst sehe ich nicht ein, warum du so vorwitzig sein solltest, nach der Zeit am Tage zu fragen.

FALSTAFF.

Wahrlich! da triffst du es, Heinz. Denn wir, die wir Geldbeutel wegnehmen, gehn nach dem Mond und dem Siebengestirn umher, und nicht nach Phöbus, – »dem irrenden Ritter fein«. Und ich bitte dich, Herzensjunge, wenn du König bist, – wie du, Gott erhalte deine Gnaden! – Majestät sollte ich sagen, denn Gnade wird dir nicht zu teil werden –

PRINZ HEINRICH.
Was? keine Gnade?
[184] FALSTAFF.
Nein, meiner Treu! Nicht so viel, um dir ein geröstet Ei damit zu gesegnen.
PRINZ HEINRICH.
Nun, was weiter? Rund heraus mit der Sprache!
FALSTAFF.

Nun gut denn, Herzensjunge: wenn du König bist, so laß uns, die wir Ritter vom Orden der Nacht sind, nicht Diebe unter den Horden des Tages heißen: laß uns Dianens Förster sein, Kavaliere vom Schatten, Schoßkinder des Mondes; und laß die Leute sagen, daß wir Leute von gutem Wandel sind, denn wir wandeln, wie die See, mit der Luna, unsrer edlen und keuschen Gebieterin, unter deren Begünstigung wir stehlen.

PRINZ HEINRICH.

Gut gesprochen, und es paßt auch gut, denn unser Glück, die wir Leute des Mondes sind, hat seine Ebbe und Flut, wie die See, da es, wie die See, unter dem Monde steht. Als zum Beispiel: ein Beutel mit Gold, der Montag nachts auf das herzhafteste erschnappt ist, wird Dienstag morgens auf das scherzhafteste durchgebracht; gekriegt mit Fluchen: »leg' ab!« und verzehrt mit Schreien: »bring' her!« Jetzt so niedrige Ebbe, wie der Fuß der Leiter, und gleich darauf so hohe Flut, wie der Gipfel des Galgens.

FALSTAFF.

Beim Himmel, du redest wahr, Junge. Und ist nicht unsre Frau Wirtin von der Schenke eine recht süße Kreatur?

PRINZ HEINRICH.

Wie der Honig von Hybla, mein alter Eisenfresser. Und ist nicht ein Büffelwams ein recht süßes Stück zum Strapazieren?

FALSTAFF.

Nu, nu, toller Junge! Hast du einmal wieder deine Faxen und Quinten im Kopfe? Was zum Kuckuck habe ich mit einem Büffelwams zu schaffen?

PRINZ HEINRICH.
Ei, was zum Henker habe ich mit unsrer Frau Wirtin von der Schenke zu schaffen?
FALSTAFF.
Nun, du hast manches liebe Mal eine Rechnung mit ihr abgemacht.
PRINZ HEINRICH.
Rief ich dich je dazu, dein Teil zu bezahlen?
FALSTAFF.
Nein, ich lasse dir Gerechtigkeit widerfahren: du hast da immer alles bezahlt.
[185] PRINZ HEINRICH.

Ja, und anderswo auch, soweit mein bares Geld reichte, und wo es mir ausging, habe ich meinen Kredit gebraucht.

FALSTAFF.

Ja, und ihn so verbraucht, daß, wenn du nicht vermutlicher Thronerbe wärst, so würde vermutlich – Aber sage mir, Herzensjunge, soll ein Galgen in England stehen bleiben, wenn du König bist? Soll die Tapferkeit von dem rostigen Gebiß des alten Schalksnarren Gesetz eingezwängt werden, wie jetzt? Häng' du keinen Dieb, wenn du König bist!

PRINZ HEINRICH.
Nein, du sollst es tun.
FALSTAFF.
Ich? O herrlich! Beim Himmel, ich werde ein wackrer Urteilsprecher sein.
PRINZ HEINRICH.

Du sprichst schon ein falsches: ich meine, du sollst die Diebe zu hängen haben und ein trefflicher Henker werden.

FALSTAFF.

Gut, Heinz, gut! Auf gewisse Weise paßt es auch zu meiner Gemütsart, so gut wie bei Hofe aufwarten, das sage ich dir.

PRINZ HEINRICH.
Um befördert zu werden.
FALSTAFF.

Ja, um befördert zu werden, was der Henker nicht nötig hat, weil er selbst befördert. Blitz, ich bin so melancholisch wie ein Brummkater, oder wie ein Zeiselbär.

PRINZ HEINRICH.
Oder ein alter Löwe, oder die Laute eines Verliebten.
FALSTAFF.
Ja, oder das Geschnarre eines Lincolner Dudelsacks.
PRINZ HEINRICH.
Was meinst du zu einem Hasen? oder so melancholisch wie ein fauler Sumpf?
FALSTAFF.

Du hast die abschmeckendsten Gleichnisse von der Welt und bist wahrhaftig der vergleichsamste, spitzbübischste, niedlichste junge Prinz. – Aber, Heinz, ich bitte dich, suche mich nicht mehr mit Eitelkeiten heim! Ich wollte, du und ich, wir wüßten, wo ein Vorrat von guten Namen zu kaufen wäre. Ein alter Herr vom Rate schalt mich neulich auf der Gasse Euretwegen aus, junger Herr, aber ich merkte nicht auf ihn; und doch redete er sehr weislich, aber ich achtete nicht auf ihn; und doch redete er weislich, und obendrein auf der Gasse.

[186] PRINZ HEINRICH.
Du tatest wohl daran: denn die Weisheit läßt sich hören in den Gassen, und niemand achtet ihrer.
FALSTAFF.

Oh, du hast verruchte Nutzanwendungen im Kopf und bist wahrhaftig imstande, einen Heiligen zu verführen. Du hast viel an mir verschuldet, Heinz, Gott vergebe es dir! Eh' ich dich kannte, Heinz, wußte ich von gar nichts, und nun bin ich, die rechte Wahrheit zu sagen, nicht viel besser als einer von den Gottlosen. Ich muß dies Leben aufgeben, und ich will's auch aufgeben. Bei Gott, ich bin ein Schuft, wenn ich's nicht tue; ich will für keinen Königssohn in der Christenheit zur Hölle fahren.

PRINZ HEINRICH.
Wo sollen wir morgen einen Beutel erschnappen, Hans?
FALSTAFF.

Wo du willst, Junge, ich bin dabei; wo ich's nicht tue, so nennt mich einen Schuft und foppt mich nach Herzenslust!

PRINZ HEINRICH.
Ich werde eine schöne Bekehrung an dir gewahr; vom Beten fällst du aufs Beutelschneiden.
FALSTAFF.

Je, Heinz! 's ist mein Beruf, Heinz; 's ist einem Menschen nicht zu verargen, daß er in seinem Berufe arbeitet.


Poins tritt auf.

Poins! – Nun werden wir hören, ob Gadshill was ausgespürt hat. Oh, wenn die Menschen durch Verdienst selig würden, welcher Winkel in der Hölle wäre heiß genug für ihn? Dies ist der überschwenglichste Spitzbube, der je einem ehrlichen Manne »Halt!« zurief.

PRINZ HEINRICH.
Guten Morgen, Eduard.
POINS.

Guten Morgen, lieber Heinz. – Was sagt Monsieur Gewissensbiß? Was sagt Sir John Zuckersekt? Sag, Hans, wie verträgt sich der Teufel und du um deine Seele, die du ihm am letzten Karfreitage um ein Glas Madera und eine Kapaunenkeule verkauft hast?

PRINZ HEINRICH.

Sir John hält sein Wort, der Teufel soll seines Handels froh werden; er hat noch nie ein Sprichwort gebrochen; er gibt dem Teufel, was des Teufels ist.

POINS.
Also bist du verdammt, weil du dem Teufel dein Wort hältst.
[187] PRINZ HEINRICH.
Sonst würde er verdammt, weil er den Teufel hinters Licht geführt hätte.
POINS.

Aber, Jungen! Jungen! morgen früh um vier Uhr nach Gadshill. Es gehen Pilgrime nach Canterbury mit reichen Gaben, es reiten Kaufleute nach London mit gespickten Beuteln; ich habe Masken für euch alle, ihr habt selbst Pferde; Gadshill liegt heute nacht zu Rochester, ich habe auf morgen abend in Eastcheap Essen bestellt, wir können es so sicher tun wie schlafen. Wollt ihr mitgehn, so will ich eure Geldbeutel voll Kronen stopfen; wollt ihr nicht, so bleibt zu Haus und laßt euch hängen!

FALSTAFF.

Hör' an, Eduard: wenn ich zu Hause bleibe und nicht mitgehe, so lass' ich euch hängen, weil ihr mitgeht.

POINS.
So, Maulaffe!
FALSTAFF.
Willst du dabei sein, Heinz?
PRINZ HEINRICH.
Wer? ich ein Räuber? ich ein Dieb? Ich nicht, meiner Treu!
FALSTAFF.

Es ist keine Redlichkeit in dir, keine Mannhaftigkeit, keine echte Brüderschaft; du stammst auch nicht aus königlichem Blut, wenn du nicht das Herz hast, nach ein paar Kronen zuzugreifen.

PRINZ HEINRICH.
Nun gut, einmal in meinem Leben will ich einen tollen Streich machen.
FALSTAFF.
Nun, das ist brav!
PRINZ HEINRICH.
Ei, es mag daraus werden, was will, ich bleibe zu Haus.
FALSTAFF.
Bei Gott, so werde ich ein Hochverräter, wenn du König bist.
PRINZ HEINRICH.
Meinetwegen.
POINS.

Sir John, ich bitte dich, laß den Prinzen und mich allein, ich will ihm solche Gründe für dies Unternehmen vorlegen, daß er mitgehen soll.

FALSTAFF.

Gut, mögest du den Geist der Überredung und er die Ohren der Lehrbegierde haben, damit das, was du sagst, fruchten und das, was er hört, Glauben finden möge, auf daß der wahrhafte Prinz, der Erlustigung wegen, ein falscher Dieb werde; denn die armseligen Mißbräuche der Zeit[188] haben Aufmunterung nötig. Lebt wohl, ihr findet mich in Eastcheap.

PRINZ HEINRICH.
Leb wohl, du Spätfrühling! du alter Jungfern-Sommer!

Falstaff ab.
POINS.

Nun, mein bester Zuckerprinz, reitet morgen mit uns: ich habe einen Spaß vor, den ich nicht allein ausführen kann. Falstaff, Bardolph, Peto und Gadshill sollen diese Leute berauben, denen wir schon aufpassen lassen; Ihr und ich, wir wollen nicht dabei sein; und haben sie nun die Beute, Ihr sollt mir den Kopf von den Schultern schlagen, wenn wir beide sie ihnen nicht abjagen.

PRINZ HEINRICH.
Aber wie sollen wir uns beim Aufbruch von ihnen losmachen?
POINS.

Wir wollen früher oder später aufbrechen und ihnen einen Platz der Zusammenkunft bestimmen, wo es bei uns steht, nicht einzutreffen; dann werden sie sich ohne uns in das Abenteuer wagen, und sobald sie es vollbracht, machen wir uns an sie.

PRINZ HEINRICH.

Ja, doch es ist zu vermuten, daß sie uns an unsern Pferden, an unsern Kleidern und hundert andern Dingen erkennen werden.

POINS.

Pah! unsre Pferde sollen sie nicht sehen, die will ich im Walde festbinden; die Masken wollen wir wechseln, wenn wir sie verlassen haben, und hör' du! ich habe Überzüge von Steifleinen bei der Hand, um unsre gewohnte äußre Tracht zu verlarven.

PRINZ HEINRICH.
Aber ich fürchte, sie werden uns zu stark sein.
POINS.

Ei, zwei von ihnen kenne ich als die ausgemachtesten Memmen, die je Fersengeld bezahlt haben; und was den dritten betrifft, wenn der länger ficht, als ratsam ist, so will ich die Waffen abschwören. Der Hauptspaß dabei werden die unbegreiflichen Lügen sein, die uns dieser feiste Schlingel erzählen wird, wenn wir zum Abendessen zusammenkommen: wie er zum wenigsten mit dreißigen gefochten, was er für Ausfälle, für Stöße, für Lebensgefahren bestanden; und daß er damit zu schanden wird, ist eben der Spaß.

[189] PRINZ HEINRICH.

Gut, ich will mit dir gehen: sorge für alles Nötige und triff mich morgen abend in Eastcheap; da will ich zu Nacht essen. Leb wohl!

POINS.
Lebt wohl, mein Prinz!

Ab.
PRINZ HEINRICH.
Ich kenn' euch all' und unterstütz' ein Weilchen
Das wilde Wesen eures Müßiggangs.
Doch darin tu' ich es der Sonne nach,
Die niederm, schädlichem Gewölk erlaubt,
Zu dämpfen ihre Schönheit vor der Welt,
Damit, wenn's ihr beliebt, sie selbst zu sein,
Weil sie vermißt ward, man sie mehr bewundre,
Wenn sie durch böse, garst'ge Nebel bricht
Von Dünsten, die sie zu ersticken schienen.
Wenn alle Tag' im Jahr gefeiert würden,
So würde Spiel so lästig sein wie Arbeit:
Doch seltne Feiertage sind erwünscht,
Und nichts erfreut wie unverseh'ne Dinge.
So, wenn ich ab dies lose Wesen werfe
Und Schulden zahle, die ich nie versprach,
Täusch' ich der Welt Erwartung um so mehr,
Um wie viel besser als mein Wort ich bin;
Und wie ein hell Metall auf dunkelm Grund
Wird meine Beßrung, Fehler überglänzend,
Sich schöner zeigen und mehr Augen anziehn,
Als was durch keine Folie wird erhöht.
Ich will mit Kunst die Ausschweifungen lenken.
Die Zeit einbringen, eh' die Leut' es denken.

Ab.
Dritte Szene
Ein andres Zimmer im Palast.

König Heinrich, Northumberland, Worcester, Percy, Sir Walter Blunt und andere.

KÖNIG HEINRICH.
Zu kalt und zu gemäßigt war mein Blut,
Unfähig, bei den Freveln aufzuwallen,
Und ihr habt mich erkannt: deswegen tretet
[190]
Ihr meine Duldung nieder; aber glaubt,
Ich will hinfüro mehr ich selber sein,
Mächtig und furchtbar mehr als meine Art,
Die glatt wie Öl gewesen, weich wie Flaum,
Und der Verehrung Anspruch drum verloren,
Die Stolzen nur die stolze Seele zahlt.
WORCESTER.
Mein Lehnsherr, unser Haus verdient gar wenig,
Daß sich darauf der Hoheit Geißel kehre,
Und jener Hoheit zwar, die unsre Hände
So stattlich machen halfen.
NORTHUMBERLAND.
Gnäd'ger Herr, –
KÖNIG HEINRICH.
Worcester, mach' dich fort, ich sehe dir
Gefahr und Ungehorsam in den Augen.
Wißt, Ihr benehmt Euch allzu dreist und herrisch,
Und niemals noch ertrug die Majestät
Das finstre Trotzen einer Dienerstirn.
Ihr seid entlassen: wenn wir Euren Rat
Und Hülfe brauc hen, woll'n wir nach Euch senden.

Worcester ab.

Zu Northumberland.

Ihr wolltet eben reden.
NORTHUMBERLAND.
Ja, mein Fürst.
Die Kriegsgefangnen, in Eu'r Hoheit Namen
Begehrt, die Heinrich Percy hier, mein Sohn,
Zu Holmedon machte, wurden, wie er sagt,
Auf so entschiedne Weise nicht verweigert,
Als Eurer Majestät berichtet ward.
Neid also oder üble Deutung ist
An diesem Fehler schuld, und nicht mein Sohn.
PERCY.
Mein Fürst, ich schlug nicht die Gefangnen ab
Doch ich erinnre mich, nach dem Gefecht,
Als ich, von Wut und Anstrengung erhitzt,
Matt, atemlos, mich lehnte auf mein Schwert,
Kam ein gewisser Herr, nett, schon geputzt,
Frisch wie ein Bräut'gam; sein gestutztes Kinn
Sah Stoppelfeldern nach der Ernte gleich.
Er war bebalsamt wie ein Modekrämer,
Und zwischen seinem Daum und Finger hielt er
[191]
Ein Bisam-Büchschen, das er ein ums andre
Der Nase reichte und hinweg dann zog,
Die, zornig drüber, wenn sich's wieder nahte,
Ins Schnauben kam; stets lächelt' er und schwatzte,
Und wie das Kriegsvolk Tote trug vorbei,
Nannt' er sie ungezogne, grobe Buben,
Daß sie 'ne liederliche, garst'ge Leiche
Zwischen den Wind und seinen Adel trügen.
Mit vielen Feiertags- und Fräuleins-Worten
Befragt' er mich und fodert' unter anderm
Für Eure Majestät die Kriegsgefangnen.
Ich, den die kaltgewordnen Wunden schmerzten,
Nun so geneckt von einem Papagei,
In dem Verdruß und in der Ungeduld
Antwortete so hin, ich weiß nicht was:
Er sollte oder nicht, – mich macht' es toll,
Daß er so blank aussah und roch so süß,
Und wie ein Kammerfräulein von Kanonen,
Von Trommeln schwatzt' und Wunden (beßr' es Gott!),
Und sagte mir, für innre Schäden komme
Nichts auf der Welt dem Spermaceti bei;
Und großer Jammer sei es, ja fürwahr,
Daß man den bübischen Salpeter grabe
Aus unsrer guten Mutter Erde Schoß,
Der manchen wackern, wohlgewachsnen Kerl
Auf solche feige Art schon umgebracht.
Und wären nicht die häßlichen Kanonen,
So war' er selber ein Soldat geworden.
Auf dies sein kahles, loses Schwatzen, Herr,
Antwortet' ich nur lässig, wie gesagt.
Und ich ersuch' Euch, daß nicht sein Bericht
Als gült'ge Klage zwischen meine Liebe
Und Eure hohe Majestät sich dränge.
BLUNT.
Erwägen wir die Lage, bester Herr,
So kann, was Heinrich Percy auch gesagt
Zu solcherlei Person, an solchem Ort,
Zu solcher Zeit, samt allem sonst Erzählten
Gar füglich sterben und nie auferstehn,
[192]
Um ihn zu drücken oder zu verklagen,
Wenn er nun widerruft, was er gesagt.
KÖNIG HEINRICH.
Er gibt ja die Gefangnen noch nicht her,
Als nur mit Klauseln und bedingungsweise,
Daß wir auf eigne Kosten seinen Schwager,
Den albern Mortimer, auslösen sollen;
Der doch, bei meiner Seel', mit Fleiß verriet
Das Leben derer, die zum Kampf er führte
Mit dem verruchten Zauberer Glendower,
Des Tochter, sagt man uns, der Graf von March
Seitdem zur Ehe nahm. Soll unser Schatz
Geleert sein, um Verräter einzulösen?
Soll'n wir Verrat erkaufen? unterhandeln
Für Feigheit, die sich selbst verloren gab?
Nein, auf den kahlen Höh'n laßt ihn verschmachten,
Denn niemals halt' ich den für meinen Freund,
Des Mund mich nur um einen Pfennig anspricht
Zur Lösung des abtrünn'gen Mortimer.
PERCY.
Abtrünn'gen Mortimer!
Nie fiel er ab von Euch, mein Oberherr,
Als durch des Krieges Glück. – Dies zu beweisen,
G'nügt eine Zunge für den offnen Mund
So vieler Wunden, die er kühn empfing,
Als an des schönen Severn bins'gem Ufer,
Im einzelnen Gefechte handgemein,
Er eine volle Stunde fast verlor,
Dem mächtigen Glendower stand zu halten.
Dreimal verschnauften sie und tranken dreimal
Nach Übereinkunft aus des Severn Flut,
Der, bang vor ihren blutbegier'gen Blicken,
Sein bebend Schilf entlang erschrocken lief
Und barg sein krauses Haupt im hohlen Ufer,
Befleckt mit dieser tapfern Streiter Blut.
Nie färbte nackte, faule Politik
Das, was sie schaffte, mit so herben Wunden;
Auch hätte nie der edle Mortimer
So viel' empfangen und so willig alle.
So werd' er denn mit Abfall nicht verleumdet!
[193] KÖNIG HEINRICH.
Oh, du belügst ihn, Percy, du belügst ihn!
Er hat im Kampf Glendower nie bestanden.
Ich sage dir,
Er träf' so gern sich mit dem Teufel allein,
Als Owen Glendower feindlich zu begegnen.
Schämst du dich nicht? – Ich rat' Euch, daß ich nie
Von Mortimer Euch ferner reden höre.
Schickt die Gefangnen mir aufs schleunigste,
Sonst sollt Ihr solchermaßen von mir hören,
Daß es Euch nicht behagt. – Mylord Northumberland,
Ihr seid von uns samt Eurem Sohn beurlaubt. –
Schickt die Gefangnen, sonst sollt Ihr's noch hören!

König Heinrich, Blunt und Gefolge ab.
PERCY.
Und wenn der Teufel kommt und brüllt nach ihnen,
Schick' ich sie nicht; – ich will gleich hinterdrein
Und ihm das sagen, so mein Herz erleichtern,
Und wär's auch mit Gefahr für meinen Kopf.
NORTHUMBERLAND.
Wie? was? Berauscht von Galle? Wart' ein Weilchen:
Da kommt dein Oheim.
Worcester kommt zurück.
PERCY.
Nicht von Mortimer?
Blitz! ich will von ihm reden, und ich will
Nicht selig werden, halt' ich's nicht mit ihm;
Ja, alle diese Adern will ich leeren,
Mein Herzblut tropfenweis' in Staub verschütten,
Um den zertretnen Mortimer zu heben
So hoch, wie diesen undankbaren König,
Den undankbaren, gift'gen Bolingbroke.
NORTHUMBERLAND.
Der König machte Euren Neffen toll.
WORCESTER.
Wer schlug dies Feuer auf, nachdem ich ging?
PERCY.
Er will, ei denkt doch! alle die Gefangnen.
Und als ich wieder auf die Lösung drang
Von meines Weibes Bruder, wurd' er blaß
Und wandt' auf mein Gesicht ein Aug' des Todes,
Beim bloßen Namen Mortimer schon zitternd.
[194] WORCESTER.
Ich tadl' ihn nicht; hat der verstorbne Richard
Ihn für den nächsten Erben nicht erklärt?
NORTHUMBERLAND.
Das hat er; die Erklärung hört' ich selbst,
Und zwar geschah sie, als der arme König –
An dem uns unser Unrecht Gott verzeih'! –
Sich zu dem Zug nach Irland wegbegab,
Wovon er, abgerufen, wiederkam,
Entthront und drauf ermordet bald zu werden.
WORCESTER.
Um dessen Tod im Mund der weiten Welt
Man uns entehrt und unsern Namen schmäht.
PERCY.
Ich bitt' Euch, still! Erklärte König Richard
Denn meinen Bruder Edmund Mortimer
Zum Erben seines Throns?
NORTHUMBERLAND.
Er tat's, ich hört' es selbst.
PERCY.
Dann tadl' ich nicht den König, seinen Vetter,
Der ihn auf kahlen Höh'n verschmachtet wünschte.
Doch soll es sein, daß ihr, die ihr die Krone
Auf des vergeßnen Mannes Haupt gesetzt
Und seinethalb den bösen Schandfleck tragt
Von Anstiftung zum Morde, – soll es sein,
Daß ihr euch zuzieht eine Welt von Flüchen,
Als Helfershelfer, schnödes Werkzeug nur,
Die Stricke, Leitern oder gar der Henker?
Verzeiht, daß ich so tief hinab muß gehn,
Das Fach zu zeigen und die Rangordnung,
Worin ihr steht bei diesem schlauen König. –
Soll man – o Schmach! – in diesen Zeiten sagen
Und Chroniken damit in Zukunft füllen,
Daß Männer sich von eurer Macht und Adel
Verpflichtet einer ungerechten Sache
(Wie beide ihr – verzeih' es Gott! – getan),
Richard, die süße Rose, auszureißen
Und diesen Dornstrauch, Bolingbroke, zu pflanzen?
Und soll zu größrer Schmach man ferner sagen,
Ihr seid gehöhnt, entlassen, abgeschüttelt
Von ihm, für den ihr diese Schmach ertrugt?
Nein, es ist Zeit noch, die verbannte Ehre
Zurückzulösen und euch vor der Welt
[195]
In ihrer guten Meinung herzustellen;
Das stolze, höhnische Verschmähn zu rächen
An diesem König, welcher Tag und Nacht
Drauf sinnt, die ganze Schuld bei euch zu tilgen,
Wär's auch mit eures Todes blut'ger Zahlung.
Drum sag' ich –
WORCESTER.
Stille, Vetter! sagt nichts mehr,
Und nun will ich ein heimlich Buch Euch öffnen
Und Eurem schnell begreifenden Verdruß
Gefährliche und tiefe Dinge lesen,
So voll Gefahr und Unternehmungsgeist,
Als über einen Strom, der tobend brüllt,
Auf eines Speeres schwankem Halte schreiten.
PERCY.
Fällt er hinein, gut' Nacht! – schwimm' oder sink'!
Schickt nur Gefahr von Osten bis zum West,
Wenn Ehre sie von Nord nach Süden kreuzt,
Und laßt sie ringen: oh, das Blut wallt mehr
Beim Löwenhetzen als beim Hasenjagen!
NORTHUMBERLAND.
Die Einbildung von großen Taten reißt
Jenseit der Schranken der Geduld ihn hin.
PERCY.
Bei Gott! mich dünkt, es wär' ein leichter Sprung,
Vom blassen Mond die lichte Ehre reißen
Oder sich tauchen in der Tiefe Grund,
Wo nie das Senkblei bis zum Boden reichte,
Und die ertränkte Ehre bei den Locken
Heraufziehn, dürft' ihr Retter ihre Würden
Dann alle tragen, ohne Nebenbuhler.
Doch pfui der ärmlichen Genossenschaft!
WORCESTER.
Er stellt sich eine Welt von Bildern vor,
Doch nicht die Form des, was er merken sollte.
Gebt, Vetter, auf ein Weilchen mir Gehör!
PERCY.
Habt Nachsicht mit mir!
WORCESTER.
Jene edlen Schotten,
Die Ihr gefangen, –
PERCY.
Die behalt' ich alle.
Bei Gott! er soll nicht einen Schotten haben.
Ja, hülf' ein Schott' ihm in den Himmel, doch nicht:
Bei dieser Rechten! ich behalte sie.
[196] WORCESTER.
Ihr fahrt so auf und leiht kein Ohr dem Vorschlag;
Ihr sollt ja die Gefangnen auch behalten.
PERCY.
Ich will's auch, kurz und gut.
Er sprach, nicht lösen woll' er Mortimer,
Verbot zu reden mir von Mortimer;
Allein ich find' ihn, wo er schlafend liegt,
Und ruf' ihm in die Ohren: »Mortimer!«
Ja, einen Star schaff' ich, der nichts soll lernen
Zu schrein, als »Mortimer«, und geb' ihm den,
Um seinen Zorn stets rege zu erhalten.
WORCESTER.
Hört, Vetter, nur ein Wort!
PERCY.
Hier sag' ich förmlich jedem Streben ab,
Als diesen Bolingbroke recht wund zu kneifen,
Und jenen Schwadronierer, Prinz von Wales:
Dächt' ich nicht, daß sein Vater ihn nicht liebt
Und gerne säh', wenn er ein Unglück nähme,
Ich wollt' ihn mit 'nem Kruge Bier vergiften!
WORCESTER.
Lebt wohl denn, Vetter! Ich will mit Euch sprechen,
Wenn Ihr zum Hören aufgelegter seid.
NORTHUMBERLAND.
Ei, welch ein bremsgestochner, jäher Tor
Bist du, in diese Weiberwut zu fallen,
Dein Ohr nur deiner eignen Zunge fesselnd?
PERCY.
Ja seht, mich peitscht's mit Ruten, brennt wie Nesseln
Und sticht wie Ameishaufen, hör' ich nur
Von dem Politiker, dem schnöden Bolingbroke.
Zu Richards Zeit, – wie nennt Ihr doch den Ort?
Der Teufel hol's! – er liegt in Glostershire,
Wo der verrückte Herzog lag, sein Oheim,
Sein Oheim York; wo ich zuerst mein Knie
Dem Fürst des Lächelns bog, dem Bolingbroke,
Als Ihr und er von Ravenspurg zurückkamt.
NORTHUMBERLAND.
Zu Berkley-Schloß.
PERCY.
Ja, Ihr habt recht.
Ei, welchen Haufen Zucker-Artigkeit
Bot mir der schmeichlerische Windhund da!
»Wenn sein unmündig Glück zu Jahren käme«, –
[197]
Und »lieber Heinrich Percy«, und »bester Vetter«, –
Oh, zum Teufel solche Betrüger! – Gott verzeih' mir! –
Sagt, Oheim, was Ihr wollt, denn ich bin fertig.
WORCESTER.
Nein, wenn Ihr's noch nicht seid, fangt wieder an;
Wir warten Euer.
PERCY.
Ich bin wahrlich fertig.
WORCESTER.
Dann wieder zu den schottischen Gefangnen
Gebt ohne Lösegeld sie gleich zurück
Und macht des Douglas Sohn zu Eurem Mittel,
In Schottland Volk zu werben, was aus Gründen,
Die ich Euch schriftlich geben will, gewiß
Euch leicht bewilligt wird. – Ihr, Mylord, sollt,
Indes Eu'r Sohn in Schottland tätig ist,
Euch insgeheim dem würdigen Prälaten,
Der so beliebt ist, in den Busen schleichen,
Dem Erzbischof.
PERCY.
Von York, nicht wahr?
WORCESTER.
Ja, der empfindet hart
Des Bruders Tod zu Bristol, des Lord Scroop.
Ich rede nicht vermutungsweis', es könnte
Vielleicht so sein; nein, sondern wie ich weiß,
Daß es erwogen und beschlossen ist
Und wartet nur auf der Gelegenheit
Gewognen Wink, um an das Licht zu treten.
PERCY.
Ich wittre schon: es geht, bei meinem Leben!
NORTHUMBERLAND.
Du läßt den Hund los, eh' das Wild sich rührt.
PERCY.
Der Anschlag kann nicht anders sein als schön.
Und dann die Macht von Schottland und von York, –
Mit Mortimer vereint. Ha!
WORCESTER.
Das soll geschehn.
PERCY.
Fürwahr, das ist vortrefflich ausgedacht.
WORCESTER.
Und was uns eilen heißt, ist nichts Geringes:
Durch einen Hauptstreich unser Haupt zu retten.
Denn, mögen wir uns noch so still betragen,
Der König glaubt sich stets in unsrer Schuld,
Und glaubt, daß wir uns nicht befriedigt glauben,
Bis er es uns zu seiner Zeit vergilt.
[198]
Ihr seht ja: wie er schon den Anfang macht,
Uns seiner Liebe Blicken zu entfremden.
PERCY.
Das tut er, ja: man muß sich an ihm rächen.
WORCESTER.
Vetter, lebt wohl! Nicht weiter geht hierin,
Als ich durch Briefe Euch den Weg will zeigen:
Wenn reif die Zeit ist, und das wird sie bald,
Schleich' ich zu Glendower und Lord Mortimer,
Wo Ihr und Douglas und die ganze Macht
Durch mein Bemühn sich glücklich treffen sollen,
Um unser Glück in eignem starkem Arm
Zu fassen, das wir jetzt so schwankend halten.
NORTHUMBERLAND.
Lebt wohl, mein Bruder! Es gelingt, so hoff' ich.
PERCY.
Oheim, adieu! Könnt' ich die Stunden kürzen,
Bis Feld und Streich und Weh das Spiel uns würzen!

Alle ab.
[199]

Zweiter Aufzug

Erste Szene
Rochester. Ein Hof in der Herberge.

Ein Kärrner kommt gähnend mit einer Laterne in der Hand.

KÄRRNER.

Ohe! Wenn's nicht schon um viere ist, will ich mich hängen lassen. Der Wagen da droben steht schon über dem neuen Schornstein, und unser Pferd ist noch nicht bepackt. He, Stallknecht!

STALLKNECHT
drinnen.
Gleich! Gleich!
KÄRRNER.

Hörst du, Thoms, schlag' mir Hansens Sattel zurecht, steck' ein bißchen Werg unter den Knopf! Das arme Vieh hat sich am Widerrist gedruckt wie nichts Gutes.


Ein anderer Kärrner kommt.
ZWEITER KÄRRNER.

Erbsen und Bohnen sind hier so mulstrig wie die Schwerenot, und das ist das rechte Mittel, daß so 'n armes Luder die Würmer kriegt. Das Haus ist um und um gekehrt, seit der alte Fritz tot ist.

ERSTER KÄRRNER.
Der arme Kerl! Er kam nicht wieder zurechte, seit der Hafer aufschlug; es war sein Tod.
ZWEITER KÄRRNER.

Ich glaube, es gibt kein so niederträchtig Haus auf der ganzen Londner Straße mit Flöhen. Ich bin so bunt gestochen wie 'ne Schleie.

ERSTER KÄRRNER.

Wie 'ne Schleie? Sapperment, kein König in der Christenheit kann's besser verlangen, als ich gebissen bin, seit der Hahn zum erstenmal gekräht hat.

ZWEITER KÄRRNER.

Ja, sie wollen uns niemals einen Nachttopf geben, und da schlagen wir's in den Kamin ab, und die Kammerlauge, die heckt euch Flöhe wie ein Froschlaich.

[200] ERSTER KÄRRNER.
He, Stallknecht, komm heraus und geh an den Galgen! komm heraus!
ZWEITER KÄRRNER.
Ich habe eine Speckseite und zwei Packen Ingwer, die soll ich bis Charing-Croß mitnehmen.
ERSTER KÄRRNER.

Gotts Blitz! die Truthähne in meinem Korb sind ganz ausgehungert. – He, Stallknecht! – Daß dich die Schwerenot! Hast keine Augen im Kopfe? kannst nicht hören? Wenn es nicht eben so gut wäre, wie einmal zu trinken, dir den Kopf einzuschmeißen, so will ich ein Hundsfott sein. – Komm an den Galgen! Bist ganz des Teufels?

Gadshill kommt.
GADSHILL.
Guten Morgen, Schwager! Was ist die Glocke?
ERSTER KÄRRNER.
Ich denke, es ist zwei.
GADSHILL.
Sei so gut und leih' mir deine Laterne, daß ich nach meinem Wallach im Stalle sehen kann.
ERSTER KÄRRNER.
Ei, sieh da! schönen Dank! Ich weiß Euch Pfiffe, die noch 'mal so gut sind, mein' Seel'!
GADSHILL.
Sei so gut und leih' mir deine!
ZWEITER KÄRRNER.

Ja, wann geschieht's? Rat' einmal! – »Leih mir deine Laterne«; so? – Ei ja doch, ich will dich erst am Galgen sehen.

GADSHILL.
He, Kärrner! um welche Zeit denkt Ihr in London zu sein?
ZWEITER KÄRRNER.

Zeit genug, um bei Licht zu Bette zu gehn, dafür stehe ich dir. – Kommt, Nachbar, wir wollen die Herren wecken; sie wollen mit Gesellschaft fort, denn sie haben groß Gepäck bei sich.


Kärrner ab.
GADSHILL.
Heda, Hausknecht!
HAUSKNECHT
drinnen.
Ja, ja! »Bei der Hand«, sagt der Beutelschneider.
GADSHILL.

Das paßt so gut, als: »bei der Hand«, sagt der Hausknecht. Du bist vom Beutelschneider nicht mehr verschieden, als Anweisung geben vom Arbeiten. Du machst die Anschläge.


Der Hausknecht kommt.
[201] HAUSKNECHT.

Guten Morgen, Meister Gadshill! Es bleibt dabei, was ich Euch gestern abend sagte: es ist hier ein Gutsherr aus der Kentschen Wildnis, der führt dreihundert Mark in Golde bei sich. Ich hört's ihn gestern abend zu einem aus der Gesellschaft sagen, einer Art von Kammerrevisor, einem, der auch eine Last Gepäck bei sich hat, Gott weiß was. Sie sind schon auf und verlangen geröstete Eier, sie wollen gleich fort.

GADSHILL.
Hör' du, wenn sie nicht Sankt Niklas seine Gesellen antreffen, so lass' ich dir meinen Hals.
HAUSKNECHT.

Ne, ich mag ihn nicht, der gehört für den Schinder; denn ich weiß, du bedienst Sankt Niklas so ehrlich, als ein falscher Kerl nur immer kann.

GADSHILL.

Was sprichst du mir vom Schinder? Wenn ich hänge, so mache ich ein paar Galgen fett, denn wenn ich hänge, so muß der alte Sir John mithängen, und du weißt, der ist kein Hungerleider. Pah! es gibt noch andre Trojaner, wovon du dir nichts träumen läßt, die Spaßes halber sich gefallen lassen, dem Gewerbe eine Ehre anzutun, die, wenn man uns ein bißchen auf die Finger guckte, ihres eignen Kredits wegen alles würden ins Gleiche bringen. Ich halte es mit keinen Fuß-Landstreichern, keinen Langstäben und Buschkleppern; nicht mit solchen tollen, schnurrbärtigen, kupferfarbigen Bierlümmeln: sondern mit Herrschaften und Barschaften; mit Bürgermeistern und großen Kapitalmännern; Leuten, die es an sich kommen lassen; Leuten, die lieber schlagen als sprechen, lieber sprechen als trinken, und lieber trinken als beten. Doch das ist gelogen; denn sie beten beständig zu ihrem Heiligen, dem gemeinen Wesen, oder vielmehr, sie nehmen es ins Gebet: denn sie gerben ihm das Leder und machen sich Stiefeln draus.

HAUSKNECHT.
Was? Stiefeln aus dem gemeinen Wesen? Sind sie wasserdicht in schlimmen Wegen?
GADSHILL.

Ja wohl, ja wohl, die Gerichte haben sie selbst geschmiert. Wir stehlen, wie in einer Festung, schußfrei; wir haben das Rezept vom Farrnsamen, wir gehen unsichtbar umher.

[202] HAUSKNECHT.

Nu, meiner Treu, ich denke, ihr habt es mehr der Nacht als dem Farrnsamen zu danken, wenn ihr unsichtbar herumgeht.

GADSHILL.
Topp! schlag' ein! Du sollst dein Teil an dem Erwerb haben, so gewiß ich ein ehrlicher Mann bin.
HAUSKNECHT.
Versprich mir's lieber, so gewiß du ein falscher Dieb bist!
GADSHILL.

Laß gut sein! Homo ist ein Name, der allen Menschen gemein ist. – Sag dem Pferdeknecht, daß er meinen Wallach aus dem Stalle bringt! – Leb wohl, du Drecklümmel!


Beide ab.
Zweite Szene
Die Straße bei Gadshill.

Prinz Heinrich und Poins treten auf; Bardolph und Peto in der Entfernung.

POINS.

Komm, tritt unter! tritt unter! Ich habe Falstaffs Pferd bei Seite geschafft, und er knarrt, wie gesteifter Samt.

PRINZ HEINRICH.
Versteck' dich!

Falstaff tritt auf.
FALSTAFF.
Poins! Poins und die Schwerenot! Poins!
PRINZ HEINRICH.
Still, du gemästeter Schuft! Was verführst du für ein Geschrei?
FALSTAFF.
Heinz, wo ist Poins?
PRINZ HEINRICH.

Er ist oben auf den Hügel hinaufgegangen, ich will ihn suchen. Stellt sich, als wenn er Poins suchte.

FALSTAFF.

Ich bin behext, daß ich in Gesellschaft mit dem Diebe rauben muß: der Schurke hat mein Pferd weggeschafft und festgebunden, ich weiß nicht wo. Wenn ich nur vier gemeßne Fuß weiter zu Fuße gehe, so muß ich platzen. Nun, ich hoffe bei alle dem noch eines ordentlichen Todes zu sterben, wenn ich nicht gehängt werde, weil ich den Schuft umbringe. Ich habe seine Gesellschaft diese zweiundzwanzig Jahre her stündlich verschworen, und doch bin ich mit des Schuftes seiner Gesellschaft behext. Wenn der Schurke mir [203] nicht Tränke gegeben hat, daß ich ihn lieb haben muß, so will ich gehängt sein; es kann nicht anders sein, ich habe einen Trank gekriegt. – Poins! – Heinz! Daß euch die Pest – Bardolph! Peto! – Ich will verhungern, eh' ich einen Schritt weiter raube! Wenn es nicht eine so gute Tat wäre, wie zu trinken, ein ehrlicher Kerl zu werden und diese Schufte zu verlassen, so bin ich der ärgste Lumpenhund, der je mit Zähnen gekaut hat. Acht Ellen unebner Boden sind für mich zu Fuß so gut wie ein Dutzend Meilen, und das wissen die hartherzigen Bösewichter recht gut. Hol's der Henker, wenn Diebe nicht ehrlich gegen einander sein können!


Sie pfeifen.

Pfüt! Hol' euch alle der Henker! Gebt mir mein Pferd, ihr Schelme! Gebt mir mein Pferd und geht an den Galgen!

PRINZ HEINRICH.

Still, du Dickwanst! Leg' dich nieder, leg' dein Ohr dicht an die Erde und horch, ob du keine Tritte von Reisenden hörst!

FALSTAFF.

Habt ihr Hebebäume, mich wieder aufzurichten, wenn ich einmal liege? Blitz, ich will mein Fleisch nicht wieder so weit zu Fuß schleppen, für alles Geld, was in deines Vaters Schatzkammer ist. Was zum Henker fällt euch ein, daß ihr mich so pferdemäßig arbeiten laßt?

PRINZ HEINRICH.
Du lügst: nicht pferdemäßig, sondern pferdelos.
FALSTAFF.
Ich bitte dich, lieber Prinz Heinz! Hilf mir an mein Pferd, guter Königssohn!
PRINZ HEINRICH.
Schäme dich, du Schuft! Soll ich dein Stallknecht sein?
FALSTAFF.

Geh, hänge dich in deinem kronprinzlichen Hosenbande auf! Wenn sie mich kriegen, so will ich euch dafür anklagen. Wo ich euch nicht alle in Gassenlieder bringe und lasse sie auf niederträchtige Melodien absingen, so will ich an einem Glase Sekt umkommen. Wenn ein Spaß so weit geht, und obendrein zu Fuß, – das hasse ich in den Tod.


Gadshill kommt.
GADSHILL.
Steh!
FALSTAFF.
Ich muß wohl, ich mag wollen oder nicht.
[204] POINS.
Oh, das ist unser Spürhund, ich kenn' ihn an der Stimme.
BARDOLPH.
Was gibt es Neues?
GADSHILL.

Die Gesichter zu! Die Masken heraus! Es kommt Geld für den König den Hügel herunter, es geht in des Königs Schatzkammer.

FALSTAFF.
Du lügst, Schuft, es geht in des Königs Schenke.
GADSHILL.
Es ist genug, uns allen zu helfen.
FALSTAFF.
An den Galgen.
PRINZ HEINRICH.

Leute, ihr viere sollt euch in dem engen Hohlwege an sie machen; Poins und ich, wir wollen weiter hinuntergehen: wenn sie eurem Anfall entwischen, so fallen sie uns in die Hände.

PETO.
Wie viel sind ihrer denn?
GADSHILL.
Ein Stücker acht bis zehn.
FALSTAFF.
Wetter! werden sie uns nicht ausplündern?
PRINZ HEINRICH.
Was? eine Memme, Sir John Wanst?
FALSTAFF.
Fürwahr, ich bin nicht Euer Großvater Johann von Gaunt, aber doch keine Memme, Heinz.
PRINZ HEINRICH.
Gut, das soll auf die Probe ankommen.
POINS.

Hör' du, Hans, dein Pferd steht hinter der Hecke; wenn du es nötig hast, da kannst du es finden. Leb wohl und halte dich gut!

FALSTAFF.
Nun kann ich ihn doch nicht prügeln, und wenn's mir ans Leben ginge.
PRINZ HEINRICH.
Eduard, wo sind unsre Verkleidungen?
POINS.
Hier, dicht bei an; versteckt Euch!

Prinz Heinrich und Poins ab.
FALSTAFF.
Nun, meine Freunde! Wer das Glück hat, führt die Braut heim; – jeder tue das Seinige!

Reisende kommen.
ERSTER REISENDER.

Kommt, Nachbar, der Junge soll unsre Pferde den Berg hinunter führen: wir wollen ein Weilchen gehn und uns die Füße vertreten.

DIE RÄUBER.
Halt!
DIE REISENDEN.
Ach, Herr Jesus!
[205] FALSTAFF.

Schlagt zu! Macht sie nieder! Brecht den Buben die Hälse! Ei, das unnütze Schmarotzer- Pack! Die Speckfresser! Sie hassen uns junges Volk. Nieder mit ihnen! Rupft sie!

ERSTER REISENDER.
Oh, wir sind ruinierte Leute! Ruiniert mit Kind und Kindeskind!
FALSTAFF.

An den Galgen, ihr dickbäuchigen Schufte! Seid ihr ruiniert? Nein, ihr fetten Schnauzen! Hättet ihr nur das Eurige bei euch! Fort, ihr Schweinebraten, fort! Was Hundsfötter? Junge Leute müssen auch leben. Ihr seid Obergeschwor ne, nicht wahr? Wir wollen euch unterschwören, meiner Treu!


Falstaff und die übrigen ab, indem sie die Reisenden vor sich hintreiben.

Prinz Heinrich und Poins kommen verkleidet zurück.
PRINZ HEINRICH.

Die Diebe haben die ehrlichen Leute gebunden: wenn wir beiden nun die Diebe berauben könnten und uns lustig nach London aufmachen, es wäre eine Komödie auf eine Woche, was zu lachen auf einen Monat, und ein guter Spaß auf immer.

POINS.
Tretet beiseit', ich höre sie kommen!

Die Räuber kommen zurück.
FALSTAFF.

Nun, meine Freunde, laßt uns teilen, und dann zu Pferde, ehe es Tag wird! Und wenn der Prinz und Poins nicht zwei ausgemachte Memmen sind, so ist keine Gerechtigkeit auf Erden mehr. Der Poins hat nicht mehr Herz im Leibe als eine wilde Ente.

PRINZ HEINRICH
hervorstürzend.
Euer Geld!
POINS.
Spitzbuben!

Während sie im Teilen begriffen sind, fallen der Prinz und Poins über sie her. Nach einigen Stößen laufen Falstaff und die übrigen davon und lassen
ihre Beute zurück.
PRINZ HEINRICH.
Mit leichter Müh' erobert! Nun zu Pferd!
Die Diebe sind zerstreut und so besessen
Von Furcht, daß sie sich nicht zu treffen wagen:
Ein jeder hält den Freund für einen Häscher.
[206]
Fort, lieber Eduard! Falstaff schwitzt sich tot
Und spickt die magre Erde, wo er geht;
Wär's nicht zum Lachen, ich bedauert' ihn.
POINS.
Wie der Schuft brüllte!

Ab.
Dritte Szene
Warkworth. Ein Zimmer in der Burg.

Percy kommt mit einem Brief in der Hand.

PERCY.

– »Allein was mich selbst betrifft, ich könnte es wohl zufrieden sein, mich dabei zu finden, in Betracht der Liebe, die ich zu Eurem Hause trage.« Er könnte es zufrieden sein; warum ist er es denn nicht? In Betracht der Liebe, die er zu unserm Hause trägt, – er zeigt dadurch, daß er seine eigne Scheure lieber hat als unser Haus. Laßt mich weiter sehn: »Das Unternehmen, das Ihr vorhabt, ist gefährlich.« – Ja, das ist gewiß: 's ist gefährlich, den Schnupfen zu kriegen, zu schlafen, zu trinken; aber ich sage Euch, Mylord Narr, aus der Nessel Gefahr pflücken wir die Blume Sicherheit. »Das Unternehmen, das Ihr vorhabt, ist gefährlich; die Freunde, die Ihr genannt, ungewiß; die Zeit selbst unpaßlich; und Euer ganzer Anschlag zu leicht für das Gegengewicht eines so großen Widerstandes.« Meint Ihr? meint Ihr? So meine ich wiederum, Ihr seid ein einfältiger feiger Knecht, und Ihr lügt. Welch ein Einfaltspinsel! Bei Gott, unser Anschlag ist so gut, als je einer gemacht ward; unsre Freunde treu und standhaft; ein guter Anschlag, gute Freunde und die beste Erwartung; ein trefflicher Anschlag, sehr gute Freunde! Was ist das für ein frostig gesinnter Bursch? Lobt doch Seine Hochwürden von York unsern Anschlag und die ganze Anordnung des Unternehmens. Blitz! wenn ich jetzt bei dem Schurken wäre, so könnte ich ihm mit seiner Frauen Fächer den Kopf einschlagen. Ist nicht mein Vater, mein Oheim und ich selbst dabei? Lord Edmund Mortimer, der Erzbischof von York und Owen Glendower? Ist nicht endlich der Douglas dabei? Habe ich nicht Briefe von allen, daß sie mich am Neunten des nächsten [207] Monats bewaffnet treffen wollen? Und sind nicht einige von ihnen schon ausgerückt? Was ist das für ein ungläubiger Schurke? Ein Heide! Ha, ihr sollt nun sehen, aus wahrer, aufrichtiger Furcht und Engherzigkeit wird er zum Könige gehn und ihm alle unsre Anstalten vorlegen. Oh, ich könnte mich zerteilen und mir Maulschellen geben, daß ich einen solchen Milchbrei zu einer so ehrenvollen Unternehmung habe bewegen wollen. Zum Henker mit ihm! Er mag's dem Könige sagen: wir sind gerüstet. Ich will noch diese Nach aufbrechen.


Lady Percy tritt auf.

Nun, Käthchen? Ich muß Euch in zwei Stunden verlassen.
LADY PERCY.
O mein Gemahl, was seid Ihr so allein?
Für welchen Fehl war ich seit vierzehn Tagen
Ein Weib, verbannt aus meines Heinrichs Bett?
Sag, süßer Gatte, was beraubt dich so
Der Eßlust, Freude und des goldnen Schlafs?
Was heftest du die Augen auf die Erde
Und fährst so oft, wenn du allein bist, auf?
Warum verlorst du deiner Wangen Frische?
Gabst meine Schätze und mein Recht an dich
Starrseh'ndem Grübeln und verhaßter Schwermut?
Ich habe dich bewacht in leichtem Schlummer
Und dich vom eh'rnen Kriege murmeln hören,
Dein bäumend Roß mit Reiterworten lenken
Und rufen: »Frisch ins Feld!« Dann sprachest du
Von Ausfall und von Rückzug, von Gezelten,
Laufgräben, Pallisaden, Parapetten,
Feldschlangen, Basilisken und Kanonen,
Gefangner Lösung und erschlagnen Kriegern
Und jedem Vorfall einer heißen Schlacht.
Dein Geist in dir ist so im Krieg gewesen
Und hat im Schlafe so dich aufgeregt,
Daß Perlen Schweißes auf der Stirn dir standen,
Wie Blasen in dem erst getrübten Strom:
Und im Gesicht erschien gewalt'ge Regung,
Wie wenn ein Mensch den Odem an sich hält
In großer, schneller Eil'. Oh, was sind dies für Zeichen?
[208]
Ein schwer Geschäft hat mein Gemahl in Händen,
Und wissen muß ich's, wenn er noch mich liebt.
PERCY.
Heda! Ist Wilhelm fort mit dem Paket?

Ein Bedienter kommt.
BEDIENTER.
Ja, gnäd'ger Herr, vor einer Stunde.
PERCY.
Ist Butler mit den Pferden da vom Sheriff?
BEDIENTER.
Ein Pferd, Herr, hat er eben jetzt gebracht.
PERCY.
Was für ein Pferd? Ein Rapp', ein Stutzohr, nicht?
BEDIENTER.
Ja, gnäd'ger Herr.
PERCY.
Der Rappe rafft mich weg.
Gut, ich besteig' ihn gleich. – O Espérance! –
Laßt Butler in den Park hinaus ihn führen?
LADY PERCY.
So hört doch, mein Gemahl!
PERCY.
Was sagst du, meine Gemahlin?
LADY PERCY.
Was reißt dich so von mir hinweg?
PERCY.
Ei, mein Pferd,
Mein Kind, mein Pferd!
LADY PERCY.
O du tollköpf'ger Affe!
Ein Wiesel hat so viele Grillen nicht,
Als die dich plagen. Traun,
Ich will's erfahren, Heinrich, ja durchaus.
Ich fürchte, daß mein Bruder Mortimer
Sein Recht betreibt und hat zu Euch gesandt
Um Vorschub für sein Werk; doch, gehet Ihr –
PERCY.
So weit zu Fuß, so werd' ich müde, Kind.
LADY PERCY.
Komm, komm, du Papagei! Antworte mir
Geradezu auf das, was ich dich frage:
Ich breche dir den kleinen Finger, Heinrich,
Wenn du mir nicht die ganze Wahrheit sagst.
PERCY.
Fort, fort,
Du Tändlerin! – Lieben? – Ich lieb' dich nicht.
Ich frage nicht nach dir. Ist dies 'ne Welt
Zum Puppenspielen und mit Lippen fechten?
Nein, jetzo muß es blut'ge Nasen geben,
Zerbrochne Kronen, die wir doch im Handel
Für voll anbringen. – Alle Welt, mein Pferd! –
Was sagst du, Käthchen? Wolltest du mir was?
[209] LADY PERCY.
Ihr liebt mich nicht? Ihr liebt mich wirklich nicht?
Gut, laßt es nur; denn, weil Ihr mich nicht liebt,
Lieb' ich mich selbst nicht mehr. Ihr liebt mich nicht?
Nein, sagt mir, ob das Scherz ist oder Ernst?
PERCY.
Komm, willst mich reiten sehn?
Wenn ich zu Pferde bin, so will ich schwören,
Ich liebe dich unendlich. Doch höre, Käthchen:
Du mußt mich ferner nicht mit Fragen quälen,
Wohin ich geh', noch raten, was es soll.
Wohin ich muß, muß ich: und kurz zu sein,
Heut abend muß ich von dir, liebes Käthchen.
Ich kenne dich als weise, doch nicht weiser.
Als Heinrich Percys Eh'frau; standhaft bist du,
Jedoch ein Weib, und an Verschwiegenheit
Ist keine besser: denn ich glaube sicher,
Du wirst nicht sagen, was du selbst nicht weißt,
Und so weit, liebes Käthchen, trau' ich dir.
LADY PERCY.
Wie? So weit?
PERCY.
Nicht einen Zollbreit weiter. Doch höre, Käthchen:
Wohin ich gehe, dahin sollst du auch;
Ich reise heute, du sollst morgen reisen.
Bist du zufrieden nun?
LADY PERCY.
Ich muß ja wohl.

Ab.
Vierte Szene
Eastcheap. Eine Stube in der Schenke zum wilden Schweinskopf.

Prinz Heinrich und Poins treten auf.

PRINZ HEINRICH.
Ich bitte dich, Poins, komm aus der fettigen Stube und steh mir ein bißchen mit Lachen bei!
POINS.
Wo bist du gewesen, Heinz?
PRINZ HEINRICH.

Mit drei bis vier Ochsenköpfen zwischen drei bis vier Dutzend Oxhöften. Ich habe den allertiefsten Ton der Leutseligkeit angegeben. Ja, Mensch, ich habe mit einer Rotte von Küfern Brüderschaft gemacht und kann sie alle [210] bei ihren Taufnamen nennen, als: Thomas, Fritz und Franz. Sie setzen schon ihre Seligkeit daran, daß ich, obschon nur Prinz von Wales, der König der Höflichkeit bin, und sagen mir gerade heraus, ich sei kein stolzer Hans, wie Falstaff, sondern ein Korinthier, ein lustiger Bursch, ein guter Junge. – wahrhaftig, so nennen sie mich, und wenn ich König von England bin, so sollen alle wackre Bursche in Eastcheap mir zu Befehl stehn. Tüchtig trinken heißt bei ihnen sich rot schminken, und wenn Ihr beim Schlucken Atem holt, so rufen sie: »frisch!« und ermahnen Euch, keine Umstände zu machen. Kurz, ich habe es in einer Viertelstunde so weit gebracht, daß ich lebenslang mit jedem Kesselflicker in seiner eignen Sprache trinken kann. Ich sage dir, Eduard, du hast viel Ehre eingebüßt, daß du nicht mit mir in dieser Aktion gewesen bist. Aber, süßer Eduard, – und um diesen Namen zu versüßen, geb' ich dir dies Pfennigstütchen voll Zucker, das mir eben ein Unterkellner in die Hand drückte; einer, der in seinem Leben kein andres Englisch gesprochen hat als: »acht Schilling und sechs Pfennige«; und: »Ihr seid willkommen«, mit dem gellenden Zusatze: »Gleich, Herr! gleich! Eine Flasche Muskat im Halben Monde angekreidet!« oder dergleichen. – Aber, Eduard, um die Zeit hinzubringen, bis Falstaff kommt, geh, bitt' ich dich, in eine Nebenstube, während ich meinen kleinen Küfer befrage, zu welchem Ende er mir den Zucker gegeben hat, und laß die ganze Zeit nicht ab, »Franz« zu rufen, damit er nichts als »Gleich!« vorbringen kann. Tritt beiseit, und ich will dir den Hergang zeigen.

POINS.
Franz!
PRINZ HEINRICH.
Meisterhaft!
POINS.
Franz! Ab.
Franz kommt.
FRANZ.
Gleich, Herr! gleich! Sieh zu, was sie im »Granatapfel« wollen, Ralf!
PRINZ HEINRICH.
Komm her, Franz!
FRANZ.
Gnädiger Herr?
PRINZ HEINRICH.
Wie lange mußt du noch dienen, Franz?
FRANZ.
Meiner Treu, fünf Jahre, und so lange, bis –
POINS
drinnen.
Franz!
[211] FRANZ.
Gleich, Herr! gleich!
PRINZ HEINRICH.

Fünf Jahre? Wahrhaftig, eine lange Mietszeit, um mit zinnernen Kannen zu klimpern. Aber, Franz, hättest du wohl das Herz, gegen deinen Kontrakt die Memme zu spielen, die Beine auf die Schultern zu nehmen und ihm durchzugehen?

FRANZ.

Du meine Zeit, Herr! Ich will auf alle Bücher in England schwören, ich könnte es übers Herz bringen –

POINS
drinnen.
Franz!
FRANZ.
Gleich, Herr! gleich!
PRINZ HEINRICH.
Wie alt bist du, Franz?
FRANZ.
Laßt mich sehen: Auf nächsten Michaelis werde ich –
POINS
drinnen.
Franz!
FRANZ.
Gleich, Herr! – Ich bitte Euch, wartet ein bißchen, gnädiger Herr!
PRINZ HEINRICH.
Aber höre nur, Franz: der Zucker, den du mir gabst – es war für einen Pfennig, nicht wahr?
FRANZ.
Lieber Herr, ich wollte, es wäre für zweie gewesen.
PRINZ HEINRICH.
Ich will dir tausend Pfund dafür geben, fodre, wann du willst, und du sollst sie haben.
POINS
drinnen.
Franz!
FRANZ.
Gleich! Gleich!
PRINZ HEINRICH.

Gleich, Franz? Nein, Franz; aber morgen, Franz; oder auf den Donnerstag, Franz, oder wahrhaftig, Franz, wann du willst. Aber, Franz –

FRANZ.
Gnädiger Herr? –
PRINZ HEINRICH.

Bestöhlest du mir wohl den mit dem ledernen Wams, krystallnen Knöpfen, gestutztem Kopf, agatnen Ringen, schwarzen Strümpfen, zwirnenen Kniegürteln, spanischem Tabaksbeutel –

FRANZ.
Lieber Gott, Herr, wen meint Ihr?
PRINZ HEINRICH.

Nun, so geht Euch kein Getränk über den braunen Muskat; denn seht, Franz, Euer weißes leinenes Kamisol wird schmutzig werden: in der Barbarei, mein Freund, kann es nicht so weit kommen.

FRANZ.
Wie, Herr?
POINS
drinnen.
Franz!
[212]
PRINZ HEINRICH.
Fort, du Schurke! Hörst du sie nicht rufen?

Hier rufen ihn beide, der Küfer steht verwirrt und weiß nicht, wohin er gehen soll. Der Kellner kommt.
KELLNER.

Was? Stehst du still und hörst solch ein Rufen? Sieh nach den Gästen drinnen! Franz ab. Gnädiger Herr, der alte Sir John und noch ein halb Dutzend andre sind vor der Tür: soll ich sie hereinlassen?

PRINZ HEINRICH.
Laß sie ein Weilchen stehn, und dann mach' die Tür auf! – Poins!
POINS.
Gleich, Herr! gleich!
PRINZ HEINRICH.
Höre: Falstaff und die übrigen Diebe sind vor der Tür. Sollen wir uns lustig machen?
POINS.

So lustig wie Heimchen, mein Junge. Aber wie geschickt habt Ihr die Partie Spaß mit dem Küfer gespielt! Aber was soll nun geschehn?

PRINZ HEINRICH.

Ich bin jetzt zu allen Humoren aufgelegt, die sich seit den alten Tagen des Biedermanns Adam bis zu dem unmündigen Alter der gegenwärtigen Mitternacht als Humore gezeigt haben. Franz kommt zurück mit Wein. Was ist die Uhr, Franz?

FRANZ.
Gleich, Herr! gleich!
PRINZ HEINRICH.

Wie nur der Geselle weniger Worte haben kann als ein Papagei, und doch ist er eines Weibes Sohn! Seine Geschäftigkeit ist trepp- auf und -ab, seine Beredsamkeit ein Stück Rechnung. – Ich bin noch nicht so gesinnt wie Percy, der Heißsporn des Nordens, der Euch sechs bis sieben Dutzend Schotten zum Frühstück umbringt, sich die Hände wäscht und zu seiner Frau sagt: »Pfui über dies stille Leben! Ich muß zu tun haben.« – »O mein Herzens-Heinrich«, sagt sie, »wie viele hast du heute umgebracht?« – »Gebt meinem Rappen zu saufen«, sagt er, und eine Stunde drauf antwortet er: »Ein Stücker vierzehn; Bagatell! Bagatell!« – Ruf doch Falstaff herein, ich will den Percy spielen, und das dicke Vieh soll Dame Mortimer, sein Weib, vorstellen. »Rivo!« schreit der Trunkenbold. Ruft mir das Rippenstück, ruft mir den Talgklumpen!


Falstaff, Gadshill, Bardolph und Peto kommen.
[213] POINS.
Willkommen, Hans! Wo bist du gewesen?
FALSTAFF.

Hol' die Pest alle feigen Memmen, und das Wetter obendrein! Ja und Amen! – Gib mir ein Glas Sekt, Junge! – Lieber als dies Leben lange führen, will ich Strümpfe stricken und sie stopfen und sie neu versohlen. Hol' die Pest alle feigen Memmen! – Gib mir ein Glas Sekt, Schurke! – Ist keine Tugend mehr auf Erden? Er trinkt.

PRINZ HEINRICH.

Sahst du niemals den Titan einen Teller voll Butter küssen? Den weichherzigen Titan, der bei einer süßen Erzählung seines Sohnes schmolz? Wenn du es tatest, so betrachte diese Masse!

FALSTAFF.

Du Schurke, in dem Glase Sekt ist auch Kalk; nichts als Schurkerei ist unter dem sündhaften Menschenvolk zu finden. Aber eine Memme ist doch noch ärger als ein Glas Sekt mit Kalk drin; so 'ne schändliche Memme! – Geh deiner Wege, alter Hans! Stirb, wann du willst! Wenn Mannhaftigkeit, edle Mannhaftigkeit nicht vom Angesicht der Erde verschwunden ist, so bin ich ein ausgenommener Hering. Nicht drei wackre Leute leben ungehangen in England, und der eine von ihnen ist fett und wird alt. Gott helf' uns! Eine schlechte Welt, sag' ich! Ich wollte, ich wär' ein Weber: ich könnte Psalmen singen, oder was es sonst wäre. Hol' die Pest alle feigen Memmen! sag' ich nochmals.

PRINZ HEINRICH.
Nun, du Wollsack, was murmelst du?
FALSTAFF.

Ein Königssohn! Wenn ich dich nicht mit einer hölzernen Pritsche aus deinem Königreich hinausschlage und alle deine Untertanen wie eine Herde wilder Gänse vor dir hertreibe, so will ich mein Lebenlang kein Haar mehr im Gesichte tragen. Ihr ein Prinz von Wales!

PRINZ HEINRICH.
Nun, du gemästeter Schlingel, was soll's?
FALSTAFF.
Seid Ihr nicht eine Memme? Darauf antwortet mir; und der Poins da?
POINS.
Sapperment, du fetter Wanst, wenn du mich eine Memme nennst, so erstech' ich dich.
FALSTAFF.

Ich dich eine Memme nennen? Ich will dich verdammt sehen, ehe ich das tue; aber ich wollte tausend Pfund drum geben, daß ich so gut laufen könnte wie du. Ihr seid ziemlich grade gewachsen, ihr fragt nicht darnach, ob jemand [214] euren Rücken sieht: nennt ihr das ein Rückenhalt seiner Freunde sein? Hol' die Pest solches Rückenhalten! Schafft mir Leute, die mir ins Gesicht sehn! – Ein Glas Sekt! Ich bin ein Schelm, wenn ich heute was getrunken habe.

PRINZ HEINRICH.
O Spitzbube: du hast dir kaum die Lippen vom Trinken abgewischt.
FALSTAFF.
Es kommt alles auf eins heraus. Hol' die Pest alle Memmen! sage ich nochmals. Er trinkt.
PRINZ HEINRICH.
Was soll's?
FALSTAFF.
Was soll's? Viere unter uns, die wir hier sind, haben heute morgen tausend Pfund erbeutet.
PRINZ HEINRICH.
Wo sind sie, Hans? Wo sind sie?
FALSTAFF.
Wo sind sie? Uns abgenommen sind sie. An die hundert gegen uns armselige viere!
PRINZ HEINRICH.
Was sagst du, Freund? An die hundert?
FALSTAFF.

Ich will ein Schuft sein, wenn ich nicht ein paar Stunden lang mit einem Dutzend von ihnen handgemein gewesen bin. Ich bin durch ein Wunder davon gekommen. Ich habe acht Stöße durch das Wams gekriegt, viere durch die Beinkleider, mein Schild ist durch und durch gehauen, mein Degen zerhackt wie eine Handsäge: ecce signum! Zeit meines Lebens habe ich mich nicht besser gehalten, es half alles nichts. Hol' die Pest alle Memmen! – Laßt die da reden: wenn sie mehr oder weniger als die Wahrheit sagen, so sind sie Spitzbuben und Kinder der Finsternis.

PRINZ HEINRICH.
Redet, Leute! Wie war's?
GADSHILL.
Wir viere fielen ein Dutzend an, –
FALSTAFF.
Sechzehn wenigstens.
GADSHILL.
Und banden sie.
PETO.
Nein, nein, gebunden wurden sie nicht.
FALSTAFF.

Ja, du Schelm, sie wurden gebunden, alle, bis auf den letzten Mann, sonst will ich ein Jude sein, ein rechter Erzjude.

GADSHILL.
Wie wir dabei waren zu teilen, fielen uns sechs bis sieben frische Leute an –
FALSTAFF.
Und banden die andern los, und dann kamen die übrigen.
[215] PRINZ HEINRICH.
Was? Fochtet Ihr mit allen?
FALSTAFF.

Alle? Ich weiß nicht, was Ihr alle nennt, aber wenn ich nicht mit ein funfzigen gefochten habe, so will ich ein Bündel Radiese sein. Wenn ihrer nicht zwei- bis dreiundfunfzig über den armen alten Hans her waren, so bin ich keine zweibeinige Kreatur.

POINS.
Gott gebe, daß Ihr keinen davon ermordet habt!
FALSTAFF.

Ja, da hilft nun kein Beten mehr. Ich habe zweien die Freude versalzen; zweien, das weiß ich, habe ich ihr Teil gegeben; zwei Schelmen in steifleinenen Kleidern. Ich will dir was sagen, Heinz, – wenn ich dir eine Lüge sage, so spei' mir ins Gesicht, nenne mich ein Pferd! Du kennst meine alte Parade: so lag ich, und so führte ich meine Klinge. Nun dringen vier Schelme in Steifleinen auf mich ein, –

PRINZ HEINRICH.
Was, viere? Eben jetzt sagtest du ja nur zwei.
FALSTAFF.
Viere, Heinz, ich sagte viere.
POINS.
Ja, ja, er hat viere gesagt.
FALSTAFF.

Diese viere kamen alle in einer Reihe und taten zusammen einen Ausfall auf mich. Ich machte nicht viel Umstände, sondern fing ihre sieben Spitzen mit meiner Tartsche auf, – so.

PRINZ HEINRICH.
Sieben? Soeben waren ihrer ja nur vier.
FALSTAFF.
In Steifleinen.
POINS.
Ja, viere in steifleinenen Kleidern.
FALSTAFF.
Sieben, bei diesem Degengriff, oder ich will ein Schelm sein.
PRINZ HEINRICH.
Ich bitte dich, laß ihn nur, wir werden ihrer gleich noch mehr kriegen.
FALSTAFF.
Hörst du auch, Heinz?
PRINZ HEINRICH.
Ja, ich merke mir's auch, Hans.
FALSTAFF.
Das tu' nur; es ist des Aufhorchens schon wert. Diese neun in Steifleinen, wovon ich dir sagte, –
PRINZ HEINRICH.
Also wieder zwei mehr.
FALSTAFF.
Da ich sie in der Mitte aus einander gesprengt hatte –
POINS.
So fielen ihnen die Hosen herunter.
[216] FALSTAFF.

So fingen sie an zu weichen. Ich war aber dicht hinter ihnen drein, mit Hand und Fuß, und wie der Wind gab ich sieben von den eilfen ihr Teil.

PRINZ HEINRICH.
O entsetzlich! Eilf steifleinene Kerle aus zweien!
FALSTAFF.

Wie ich dabei war, führte der Teufel drei abscheuliche Spitzbuben in hellgrünen Röcken her, die mich von hinten anfielen; – denn es war so dunkel, daß man nicht die Hand vor Augen sehen konnte.

PRINZ HEINRICH.

Diese Lügen sind wie der Vater, der sie erzeugt, groß und breit, wie Berge, offenbar, handgreiflich. Ei, du grützköpfiger Wanst! du vernagelter Tropf! du verwetterter, schmutziger, fettiger Talgklumpen, –

FALSTAFF.
Nun, bist du toll? Bist du toll? Was wahr ist, ist doch wahr.
PRINZ HEINRICH.

Ei, wie konntest du die Kerle in hellgrünen Röcken erkennen, wenn es so dunkel war, daß man die Hand nicht vor Augen sehen konnte? Komm, gib uns deine Gründe an: wie erklärst du das?

POINS.
Eure Gründe, Hans, Eure Gründe!
FALSTAFF.

Was? Mit Gewalt? Wär' ich auch auf der Wippe oder allen Foltern in der Welt, so ließe ich mir's nicht mit Gewalt abnötigen. Mit Gewalt Gründe angeben! Wenn Gründe so gemein wären wie Brombeeren, so sollte mir doch keiner mit Gewalt einen Grund abnötigen, nein!

PRINZ HEINRICH.

Ich will dieser Sünde nicht länger schuldig sein. Diese vollblütige Memme, dieser Bettdrücker, dieser Pferderückenbrecher, dieser (riesenmäßige) Fleischberg, –

FALSTAFF.

Fort mit dir, du Hungerbild, du Aalhaut, du getrocknete Rinderzunge, du Ochsenziemer, du Stockfisch, – o hätt' ich nur Odem, zu nennen, was dir gleicht! – du Schneiderelle, du Degen(scheide, du Bogen)futteral, du erbärmliches Rapier, –

PRINZ HEINRICH.

Gut, hol' ein Weilchen Odem, und dann geh wieder dran, und wenn du dich in schlechten Vergleichungen erschöpft hast, so höre nur dies!

POINS.
Merk' auf, Hans!
[217] PRINZ HEINRICH.

Wir zweie sahen euch viere über viere herfallen; ihr bandet sie und machtet euch ihres Gutes Meister. – Nun merkt auf, wie eine ganz simple Geschichte euch zu nichte macht! – Wir zweie fielen hierauf euch viere an und trotzten euch, mit einem Worte, die Beute ab, und haben sie, ja, und können sie euch hier im Hause zeigen; und Ihr, Falstaff, schlepptet Euren Wanst so hurtig davon, mit so behender Geschicklichkeit, und brülltet um Gnade, und lieft und brülltet in einem fort, wie ich je ein Bullenkalb habe brüllen hören. Was bist du für ein Sünder, deinen Degen zu zerhacken, wie du getan hast, und dann zu sagen, es sei im Gefecht geschehen? Welchen Kniff, welchen Vorwand, welchen Schlupfwinkel kannst du nun aussinnen, um dich vor dieser offenbaren Schande zu verbergen?

POINS.
Komm, laß uns hören, Hans: was hast du nun für einen Kniff?
FALSTAFF.

Beim Himmel, ich kannte euch so gut wie der, der euch gemacht hat. Laßt euch sagen, meine Freunde: kam es mir zu, den Thronerben umzubringen? Sollte ich mich gegen den echten Prinzen auflehnen? Du weißt wohl, ich bin so tapfer wie Herkules: aber denke an den Instinkt: Der Löwe rührt den echten Prinzen nicht an. Instinkt ist eine große Sache, ich war eine Memme aus Instinkt. Ich werde Lebenslang von dir und mir desto besser denken: von mir als einem tapfern Löwen, von dir als einem echten Prinzen. Aber beim Himmel, Bursche, ich bin froh, daß ihr das Geld habt. – Wirtin, die Türen zu! Heute nacht gewacht, morgen gebetet! – Brave, Jungen, Goldherzen! alle Titel guter Kameradschaft sei'n euch gegönnt! He, sollen wir lustig sein? Sollen wir eine Komödie extemporieren?

PRINZ HEINRICH.
Zugestanden! Und sie soll von deinem Davonlaufen handeln.
FALSTAFF.
Ach, davon nichts weiter, Heinz, wenn du mich lieb hast!

Die Wirtin kommt.
WIRTIN.
Gnädiger Herr Prinz, –
PRINZ HEINRICH.
Sieh da, Frau Wirtin! Was hast du mir zu sagen?
[218] WIRTIN.

Ei, Herr, da ist ein angesehener Herr vom Hofe vor der Tür, der Euch sprechen will: er sagt, er kommt von Eurem Vater.

PRINZ HEINRICH.
Mach' ihn zum ungesehenen Herrn und schicke ihn wieder zu meiner Mutter!
FALSTAFF.
Was für eine Art von Mann ist es?
WIRTIN.
Ein alter Mann.
FALSTAFF.
Was hat die Gravität um Mitternacht außer dem Bett zu tun? – Soll ich ihm seinen Bescheid geben?
PRINZ HEINRICH.
Ja, tu' das, Hans!
FALSTAFF.
Mein' Treu', ich will ihn schon heimleuchten. Ab.
PRINZ HEINRICH.

Nun, ihr Herren! Beim Himmel, ihr habt schön gefochten, – Ihr, Peto, und Ihr, Bardolph, – ihr seid auch Löwen, ihr lieft aus Instinkt weg; ihr wolltet den echten Prinzen nicht anrühren, bei Leibe nicht. O pfui!

BARDOLPH.
Meiner Treu, ich lief, wie ich die andern laufen sah.
PRINZ HEINRICH.
Sagt mir nur im Ernst, wie wurde Falstaffs Degen so schartig?
PETO.

Nun, er zerhackte ihn mit seinem Dolche und sagte: er wolle Stein und Bein schwören, um Euch glauben zu machen, es wäre im Gefecht geschehen, und er überredete uns, das Gleiche zu tun.

BARDOLPH.

Ja, und unsre Nasen mit scharfem Grase zu kitzeln, um sie bluten zu machen, und dann unsre Kleider damit zu beschmieren und zu schwören, es sei das Blut von ehrlichen Leuten. Ich habe so was seit sieben Jahren nicht getan; ich wurde rot über seine abscheulichen Einfälle.

PRINZ HEINRICH.

O Spitzbube, du stahlst vor achtzehn Jahren ein Glas Sekt und wurdest auf der Tat ertappt, und seitdem wirst du immerfort ex tempore rot. Du hattest Feuer und Schwert an deiner Seite, und doch liefst du davon; welch ein Instinkt bewog dich dazu?

BARDOLPH.
Gnädiger Herr, seht Ihr hier diese Meteore? Bemerkt Ihr diese Feuerdünste?
PRINZ HEINRICH.
Ja.
BARDOLPH.
Was denkt Ihr, daß sie bedeuten?
PRINZ HEINRICH.
Heiße Lebern und kalte Beutel.
BARDOLPH.
Galle, Herr, wenn man's recht nimmt.
[219] PRINZ HEINRICH.
Nein, wenn man's recht nimmt, Galgen!

Falstaff kommt zurück.

Da kommt der magre Hans, da kommt das Beingerippe Nun, meine allerliebste Wulstpuppe? Wie lange ist es her, Hans, daß du dein eignes Knie nicht gesehn hast?

FALSTAFF.

Mein eignes Knie? Als ich in deinen Jahren war, Heinz, war ich um den Leib nicht so dick als eine Adlersklaue, ich hätte durch eines Aldermans Daumenring kriechen können. Hol' die Pest Kummer und Seufzen! Es bläst einen Menschen auf wie einen Schlauch. – Da sind hundsföttische Neuigkeiten los: Sir John Bracy war hier von Eures Vaters wegen, Ihr müßt morgen früh an den Hof. Der bewußte tolle Kerl aus dem Norden, Percy, und der aus Wales, der den Amaimon ausprügelte und Luzifer zum Hahnrei machte und den Teufel auf das Kreuz eines wäl'schen Hakenspießes den Vasalleneid leisten ließ, – wie zum Henker heißt er doch?

POINS.
Oh, Glendower.
FALSTAFF.

Owen, Owen, eben der; und sein Schwiegersohn Mortimer, und der alte Northumberland, und der mutige Schott' der Schotten, Douglas, der zu Pferde einen Berg steilrecht hinanrennt.

PRINZ HEINRICH.
Der in vollem Galopp reitet und dabei mit der Pistole einen Sperling im Fluge schießt.
FALSTAFF.
Ihr habt es getroffen.
PRINZ HEINRICH.
Er aber niemals den Sperling.
FALSTAFF.
Nun, der Schuft hat Herz im Leibe, der läuft nicht.
PRINZ HEINRICH.
Ei, was bist du denn für ein Schuft, daß du ihn um sein Laufen rühmst?
FALSTAFF.
Zu Pferde, du Finke! Zu Fuß weicht er keinen Fuß breit.
PRINZ HEINRICH.
Doch, Hans, aus Instinkt.
FALSTAFF.

Das gebe ich zu, aus Instinkt. Gut, der ist auch da; und ein gewisser Mordake, und sonst noch an die tausend Blaumützen. Worcester hat sich bei Nacht weggestohlen; deines Vaters Bart ist vor Schrecken über die Nachricht [220] weiß geworden. Land ist nun so wohlfeil zu kaufen wie stinkende Makrelen.

PRINZ HEINRICH.

Nun, wenn ein heißer Junius kommt und diese einheimische Balgerei fortdauert, so sieht es darnach aus, daß man Jungferschaften schockweise kaufen wird, wie Hufnägel.

FALSTAFF.

Potz Element! Junge, du hast recht: es kann sein, daß wir in dem Punkte guten Handel haben werden. – Aber sage mir, Heinz, fürchtest du dich nicht entsetzlich? Da du Thronerbe bist, könnte die Welt dir wohl noch drei solche Gegner auslesen, als den Erzfeind Douglas, den Kobold Percy und den Teufel Glendower? Fürchtest du dich nicht entsetzlich? Rieselt's dir nicht in den Adern?

PRINZ HEINRICH.
Nicht im geringsten, meiner Treu; ich brauche etwas von deinem Instinkt.
FALSTAFF.

Nun, du wirst morgen entsetzlich ausgeschmält werden, wenn du zu deinem Vater kommst; wenn du mich lieb hast, so sinne eine Antwort aus!

PRINZ HEINRICH.
Stelle du meinen Vater vor und befrage mich über meinen Lebenswandel!
FALSTAFF.

Soll ich? topp! – Dieser Armstuhl soll mein Thron sein, dieser Dolch mein Szepter, und dies Kissen meine Krone.

PRINZ HEINRICH.

Dein majestätischer Thron wird nur für einen Schemel geachtet, dein goldnes Szepter für einen bleiernen Dolch, und deine kostbare reiche Krone für eine armselige kahle Krone.

FALSTAFF.

Gut, wenn das Feuer der Gnade nicht ganz in dir erloschen ist, so sollst du nun gerührt werden. – Gebt mir ein Glas Sekt, damit meine Augen rot aussehen; man muß denken, daß ich geweint habe, denn ich muß es mit bewegtem Gemüt sprechen, und ich will es in des Königs Kambyses Weise tun.

PRINZ HEINRICH.
Gut! So mache ich meine Reverenz.
FALSTAFF.
Und so halte ich meine Rede. – Tretet beiseit, ihr Großen!
WIRTIN.
Das ist ein prächtiger Spaß, mein' Seel'!
FALSTAFF.
Weint, holde Fürstin, nicht! Vergeblich träufeln Tränen.
[221] WIRTIN.
O Jemine, was er sich für ein Ansehen gibt!
FALSTAFF.
O Gott, Herrn! bringt mein bang Gemahl hinaus,
Denn Tränen stopfen ihrer Augen Schleusen.
WIRTIN.
O prächtig! Er macht es den Lumpen-Komödianten so natürlich nach, wie man was sehen kann.
FALSTAFF.

Still, gute Bierkanne! still, Frau Schnaps! – Heinrich, ich wundre mich nicht bloß darüber, wie du deine Zeit hinbringest, sondern auch, in welcher Gesellschaft du lebest; denn wiewohl die Kamille, je mehr sie getreten wird, um so schneller wächst, so wird doch die Jugend, je mehr man sie verschwendet, um so schneller abgenutzt. Daß du mein Sohn bist, dafür habe ich teils deiner Mutter Wort, teils meine eigne Meinung; hauptsächlich aber einen verwünschten Zug in deinem Auge und ein albernes Hängen deiner Unterlippe, das mir Gewähr dafür leistet. Wofern du denn mein Sohn bist – dahin zielt dies eigentlich – warum, da du mein Sohn bist, wirst du das Ziel des Gespöttes? Soll die glorreiche Sonne des Himmels ein Schulschwänzer werden und Brombeeren naschen? Eine nicht aufzuwerfende Frage. Soll der Sohn Englands ein Dieb werden und Beutelschneiden? Eine wohl aufzuwerfende Frage. Es gibt ein Ding, Heinrich, wovon du oftmals gehört hast, und das vielen in unserm Lande unter dem Namen Pech bekannt ist; dieses Pech, wie alte Schriftsteller aussagen, pflegt zu besudeln: so auch die Gesellschaft, die du hältst. Denn, Heinrich, jetzt rede ich nicht im Trunke zu dir, sondern in Tränen; nicht im Scherz, sondern von Herzen; nicht bloß in Worten, sondern auch in Sorgen. – Und doch gibt es einen tugendhaften Mann, den ich oft in deiner Gesellschaft bemerkt habe, aber ich weiß seinen Namen nicht.

PRINZ HEINRICH.
Was für eine Art von Mann, wenn es Euer Majestät gefällig ist?
FALSTAFF.

Ein wackrer, stattlicher Mann, in der Tat, und wohlbeleibt; er hat einen heitern Blick, einnehmende Augen und ein sehr edles Wesen, und ich denke, er ist so in den Funfzigen, oder wenn's hoch kommt, gegen sechzig; und jetzt fällt es mir ein: sein Name ist Falstaff. Sollte der Mann ausschweifend sein, so hintergeht er mich; denn, Heinrich, [222] ich sehe Tugend in seinen Blicken. Wenn denn der Baum an den Früchten erkannt wird, wie die Frucht an dem Baume, so muß – das behaupte ich zuversichtlich – Tugend in diesem Fallstaff sein. Zu ihm halte dich, die andern verbanne! Und nun sage mir, du ungezogner Schlingel, sage, wo hast du diesen Monat gesteckt?

PRINZ HEINRICH.
Sprichst du wie ein König? Nimm du meinen Platz ein, und ich will meinen Vater vorstellen.
FALSTAFF.

Mich absetzen? Wenn du es halb so gravitätisch und majestätisch machst, in Worten und Werken, so sollst du mich bei den Beinen aufhängen wie ein Kaninchen oder einen Hasen beim Wildhändler.

PRINZ HEINRICH.
Gut, hier sitz' ich.
FALSTAFF.
Und hier steh' ich: nun urteilt, meine Herren!
PRINZ HEINRICH.
Nun, Heinrich? Von woher kommt Ihr?
FALSTAFF.
Von Eastcheap, mein gnädiger Herr.
PRINZ HEINRICH.
Es werden arge Beschwerden über dich geführt.
FALSTAFF.

Alle Wetter, Herr, sie sind falsch! – Ja, ich will Euch den jungen Prinzen schon eintränken, meiner Treu.

PRINZ HEINRICH.

Fluchest du, ruchloser Knabe? Hinfort komm mir nicht mehr vor die Augen! Du wirst der Gnade gewaltsam abwendig gemacht; ein Teufel sucht dich heim in Gestalt eines fetten alten Mannes; eine Tonne von einem Mann ist deine Gesellschaft. Warum verkehrst du mit dem Kasten voll wüster Einfälle, dem Beuteltrog der Bestialität, dem aufgedunsenen Ballen Wassersucht, dem ungeheuren Fasse Sekt, dem vollgestopften Kaldaunensack, dem gebratnen Krönungs-Ochsen mit dem Pudding im Bauche, dem ehrwürdigen Laster, der grauen Ruchlosigkeit, dem Vater Kuppler, der Eitelkeit bei Jahren? Worin ist er gut, als im Sekt kosten und trinken? Worin sauber und reinlich, als im Kapaunen zerlegen und essen? Worin geschickt, als in Schlauigkeit? Worin schlau, als in Spitzbüberei? Worin spitzbübisch, als in allen Dingen? Worin löblich, als in gar nichts?

FALSTAFF.
Ich wollte, Euer Gnaden machten sich verständlich. Wen meinen Euer Gnaden?
[223] PRINZ HEINRICH.
Den spitzbübischen abscheulichen Verführer der Jugend, Falstaff, den alten weißbärtigen Satan.
FALSTAFF.
Gnädiger Herr, den Mann kenne ich.
PRINZ HEINRICH.
Ich weiß, daß du ihn kennst.
FALSTAFF.

Aber wenn ich sagte, ich wüßte mehr Schlimmes von ihm als von mir selbst, daß hieße mehr sagen, als ich weiß. Daß er leider Gottes alt ist, das bezeugen seine weißen Haare; aber daß er, mit Respekt zu vermelden, ein Hurenweibel ist, das leugne ich ganz und gar. Wenn Sek und Zucker ein Fehler ist, so helfe Gott den Lasterhaften! Wenn alt und lustig sein eine Sünde ist, so muß mancher alte Schenkwirt, den ich kenne, verdammt werden. Wenn es Haß verdient, daß man fett ist, so müssen Pharaos magre Kühe geliebt werden. Nein, teuerster Herr Vater, verbannt Peto, verbannt Bardolph, verbannt Poins; aber den lieben Hans Falstaff, den guten Hans Falstaff, den biedern Hans Falstaff, den tapfern Hans Falstaff, um so tapfrer, da er der alte Hans Falstaff ist: den verbanne nicht aus deines Heinrichs Gesellschaft – den verbanne nicht aus deines Heinrichs Gesellschaft: den dicken Hans verbannen, heißt alle Welt verbannen.

PRINZ HEINRICH.
Das tu' ich, das will ich.

Man hört klopfen.

Die Wirtin, Franz und Bardolph ab.

Bardolph kommt zurückgelaufen.
BARDOLPH.
O gnädiger Herr! gnädiger Herr! Der Sheriff ist mit einer entsetzlichen Wache vor der Tür.
FALSTAFF.
Fort, du Schuft! Das Stück zu Ende gespielt! Ich habe viel zu Gunsten des Falstaff zu sagen.

Die Wirtin kommt eilig zurück.
WIRTIN.
O Jesus! gnädiger Herr! – gnädiger Herr!
FALSTAFF.
Holla! he! Der Teufel reitet auf einem Fiedelbogen. Was gibt's?
WIRTIN.

Der Sheriff und die ganze Wache sind vor der Tür, sie kommen, um Haussuchung zu halten: soll ich sie herein lassen?

[224] FALSTAFF.

Hörst du, Heinz? Nenne mir ein echtes Goldstück niemals eine falsche Münze; du bist in Wahrheit falsch, ohne es zu scheinen.

PRINZ HEINRICH.
Und du eine natürliche Memme, ohne Instinkt.
FALSTAFF.

Ich leugne dir den Maior ab; willst du mich dem Sheriff ableugnen, gut; wo nicht, so laß ihn herein! Wenn ich mich auf einem Karre nicht eben so gut ausnehme als ein andrer, so hol' der Teufel meine Erziehung! Ich hoffe, daß ich eben so geschwind als ein andrer mit einem Strick zu erdrosseln bin.

PRINZ HEINRICH.

Geh, versteck' dich hinter die Tapete, – die übrigen müssen hinaufgehn. Nun, meine Herrn, ein redlich Gesicht und ein gut Gewissen!

FALSTAFF.
Beides habe ich gehabt, aber damit ist es aus, und darum verstecke ich mich.
PRINZ HEINRICH.
Ruft den Sheriff herein!

Alle ab, außer dem Prinzen und Poins. Der Sheriff und ein Kärrner kommen.

Nun, Meister Sheriff, was ist Eu'r Begehren?
SHERIFF.
Zuerst Verzeihung, Herr! Ein Auflauf hat
Gewisse Leut' in dieses Haus verfolgt.
PRINZ HEINRICH.
Was sind's für Leute?
SHERIFF.
Der ein' ist wohl bekannt, mein gnäd'ger Herr,
Ein starker fetter Mann.
KÄRRNER.
So fett wie Butter.
PRINZ HEINRICH.
Der Mann, Ihr könnt mir glauben, ist nicht hier,
Ich brauche selbst ihn eben in Geschäften.
Und, Sheriff, ich verpfände dir mein Wort,
Daß ich ihn morgen mittag schicken will,
Dir Rechenschaft zu geben oder jedem
Für alles, was man ihm zur Last gelegt;
Und wenn ich bitten darf, verlaßt das Haus!
SHERIFF.
Das will ich, gnäd'ger Herr. Zwei Herrn verloren
Bei dieser Räuberei dreihundert Mark.
[225] PRINZ HEINRICH.
Es kann wohl sein; hat er die zwei beraubt,
So soll er Rede stehn; und so, lebt wohl!
SHERIFF.
Gute Nacht, mein gnäd'ger Herr!
PRINZ HEINRICH.
Ich denk', es ist schon guten Morgen: nicht?
SHERIFF.
Ja, gnäd'ger Herr; ich glaub', es ist zwei Uhr. Ab.
PRINZ HEINRICH.
Der ölichte Schlingel ist so bekannt wie die Paulskirche. – Geh, ruf' ihn heraus!
POINS.
Falstaff! – Fest eingeschlafen hinter der Tapete, und schnarcht wie ein Pferd.
PRINZ HEINRICH.
Hör' nur, wie schwer er Atem holt. Suche seine Taschen durch!
Poins sucht.

Was hast du gefunden?
POINS.
Nichts als Papiere, gnädiger Herr.
PRINZ HEINRICH.
Laßt uns sehen, was es ist: lies sie!
POINS.
»Item, ein Kapaun 2 Schilling 2 Pfennig
»Item, Brühe – – – 4 Pf.
»Item, Sekt, zwei Maß 5 Sch. 8 Pf.
»Item, Sardellen und Sekt nach dem Abendessen 2 Sch. 6 Pf.
»Item, Brot – – – 1/2 Pf.
PRINZ HEINRICH.

Oh, ungeheuer! Nur für einen halben Pfennig Brot zu dieser unbilligen Menge Sekt! – Was du sonst noch gefunden hast, bewahre auf, wir wollen es bei beßrer Weile lesen. Laß ihn da schlafen, bis es Tag wird. Ich will früh morgens an den Hof; wir müssen alle in den Krieg, und du sollst einen ehrenvollen Platz haben. Diesem fetten Schlingel schaffe ich eine Stelle zu Fuß, und ich weiß, ein Marsch von ein hundert Fuß wird sein Tod sein. Das Geld soll reichlich wieder erstattet werden. Triff mich morgen bei Zeiten; und somit guten Morgen, Poins!

POINS.
Guten Morgen, bester Herr!

Alle ab.
[226]

Dritter Aufzug

Erste Szene
Zimmer zu Bangor.

Percy, Worcester, Mortimer und Glendower treten auf.

MORTIMER.
Die Freunde sind gewiß, schön die Versprechen,
Und unser Anfang günst'ger Hoffnung voll.
PERCY.
Lord Mortimer und Vetter Glendower,
Wollt ihr euch setzen?
Und Oheim Worcester, – Hol's die Pest! Die Karte
Vergaß ich mitzubringen.
GLENDOWER.
Nein, hier ist sie.
Sitzt, Vetter Percy, – sitzt, lieber Vetter Heißsporn;
Denn jedesmal, daß Lancaster Euch nennt
Bei diesem Namen, wird er bleich, und mit
Verhaltnem Seufzer wünscht er Euch im Himmel.
PERCY.
Und in der Hölle Euch, so oft er hört
Von Owen Glendower sprechen.
GLENDOWER.
Ich tadl' ihn nicht: als ich zur Welt kam, war
Des Himmels Stirn voll feuriger Gestalten
Und Fackelbrand; zur Stunde der Geburt
Erzitterte der Erde Bau und Gründung
Wie eine Memme.
PERCY.
Ei, sie hätt's auch getan
Zur selben Zeit, hätt' Eurer Mutter Katze nur
Gekitzt, wenn Ihr auch nie geboren wär't.
GLENDOWER.
Die Erde, sag' ich, bebt', als ich zur Welt kam.
PERCY.
Und ich sag', die Erde dachte nicht wie ich,
Wofern Ihr denkt, sie bebt' aus Furcht vor Euch.
GLENDOWER.
Der Himmel stand in Feu'r, die Erde wankte.
[227] PERCY.
Oh, dann hat sie geschwankt, weil sie den Himmel
In Feuer sah, nicht bang vor der Geburt.
Die krankende Natur bricht oftmal aus
In fremde Gärungen; die schwangre Erde
Ist mit 'ner Art von Kolik oft geplagt,
Durch Einschließung des ungestümen Windes
In ihrem Schoß, der, nach Befreiung strebend,
Altmutter Erde ruckt, und niederwirft
Kirchtürm' und moos'ge Burgen. Zu der Zeit
Hat unsre Mutter Erde, davon leidend,
Krankhaft gebebt.
GLENDOWER.
Vetter, nicht viele dürften
So durch den Sinn mir fahren. Laßt mich Euch
Noch einmal sagen: als ich zur Welt kam, war
Des Himmels Stirn voll feuriger Gestalten.
Die Geißen rannten vom Gebirg', die Herden
Schrien seltsam ins erschrockne Feld hinein.
Dies tat als außerordentlich mich kund;
Und meines Lebens ganzer Hergang zeigt,
Ich sei nicht von der Zahl gemeiner Menschen.
Wo lebt der Mensch wohl, von der See umfaßt,
Die zürnend tobt um England, Schottland, Wales,
Der mich belehrt und mich darf Schüler nennen?
Und bringt mir einen, den ein Weib gebar,
Der in der Kunst mühsamer Bahn mir folgt
Und Schritt mir hält in tiefer Nachforschung.
PERCY.
Ich denke, niemand spricht wohl besser Wäl'sch.
Ich will zur Mahlzeit.
MORTIMER.
Still, Vetter Percy, denn Ihr macht ihn toll.
GLENDOWER.
Ich rufe Geister aus der wüsten Tiefe.
PERCY.
Ei ja, das kann ich auch, das kann ein jeder.
Doch kommen sie, wenn Ihr nach ihnen ruft?
GLENDOWER.
Ich kann Euch lehren, Vetter, selbst den Teufel
Zu meistern.
PERCY.
Und ich, Freund, kann Euch lehren, sein zu spotten
Durch Wahrheit: redet wahr und lacht des Teufels!
Habt Ihr ihn Macht zu rufen, bringt ihn her,
[228]
Ich schwör', ich habe Macht, ihn wegzuspotten.
Oh, lebenslang sprecht wahr und lacht des Teufels!
MORTIMER.
Kommt! kommt!
Nicht mehr dies unersprießliche Geschwätz!
GLENDOWER.
Dreimal maß Heinrich Bolingbroke sich schon
Mit meiner Macht; dreimal vom Rand des Wye
Und kies'gen Severn sandt' ich so ihn heim,
Daß unbemäntelt seine Niederlage.
PERCY.
Was? ohne Mantel lag er auf der Erde?
Ins Teufels Namen, und er kriegt kein Fieber?
GLENDOWER.
Seht hier die Karte: soll'n wir unser Recht
Nun dreifach teilen, unserm Bund gemäß?
MORTIMER.
Der Erzdechant hat schon es eingeteilt
In drei Quartiere, völlig gleich gemessen:
England, vom Trent und Severn bis hieher
Im Süd und Ost, ist mir zum Teil bestimmt.
Was westlich, Wales jenseit des Severn Ufer
Und all das reiche Land in dem Bezirk,
Für Owen Glendower; Euch, mein lieber Vetter,
Der Überrest, was nordwärts liegt vom Trent.
Auch der Vertrag ist dreifach aufgesetzt,
Und wenn wir wechselseitig ihn besiegelt,
Was diese Nacht sich noch verrichten läßt,
So ziehn wir, Vetter Percy, Ihr und ich
Und Euer Oheim Worcester, morgen aus,
Um Euren Vater und die schott'sche Macht,
Wie abgered't, zu Shrewsbury zu treffen.
Mein Vater Glendower ist noch nicht bereit,
Auch haben wir die nächsten vierzehn Tage
Nicht seine Hülfe nötig; –

Zu Glendower

– in der Zeit
Könnt Ihr zusammen schon berufen haben
Vasallen, Freund' und Herrn der Nachbarschart.
GLENDOWER.
Ein kürzrer Zeitraum bringt mich zu euch, Herrn,
Und dann geleit' ich eure Frau'n zu euch.
Jetzt müßt ihr ohne Abschied fort euch schleichen,
Denn eine Sündflut gibt's von Tränen sonst,
Wenn ihr und eure Weiber scheiden sollt.
[229]
PERCY.
Mich dünkt, mein Anteil nördlich hier von Burton
Ist euren beiden nicht an Größe gleich.
Seht, wie der Fluß mir da herein sich schlängelt
Und schneidet mir von meinem besten Lande
Ein Stück aus, einen großen halben Mond.
Ich will sein Bett an diesem Platz verdämmen,
Und hier soll dann der silberklare Trent
Im neuen Bette schön und ruhig fließen.
Er soll sich da so scharfgezackt nicht winden
Und eines reichen Landstrichs mich berauben.
GLENDOWER.
Nicht winden? Doch, er soll; Ihr seht, er tut's.
MORTIMER.
Ja, doch bemerkt,
Wie er den Lauf nimmt und sich hier hinauf
Mit gleichem Vorteil kehrt zur andern Seite,
Das Land da drüben um so viel beschneidend,
Als er Euch an der andern Seite nimmt.
WORCESTER.
Mit wenig Kosten gräbt man hier ihn durch
Und schlägt die Spitze Land dem Norden zu:
Dann läuft er grad' und eben.
PERCY.
Ich will's, mit wenig Kosten ist's geschehn.
GLENDOWER.
Ich will es nicht verändert wissen.
PERCY.
Nicht?
GLENDOWER.
Nein, und Ihr sollt nicht.
PERCY.
Wer will Nein mir sagen?
GLENDOWER.
Ei, das will ich!
PERCY.
So macht, daß ich Euch nicht versteh':
Sagt es auf Wäl'sch!
GLENDOWER.
Ich spreche Englisch, Herr, so gut wie Ihr,
Ich wurde ja an Englands Hof erzogen,
Wo ich in meiner Jugend zu der Harfe
Manch englisch Liedlein lieblich fein gesetzt
Und so der Zunge reiche Zier geliehn;
Und solche Gabe sah man nie an Euch.
PERCY.
Traun, und ich bin des froh von ganzem Herzen.
Ich wär' ein Kitzlein lieber und schrie' Miau,
Als einer von den Vers-Balladen-Krämern.
Ich hör' 'nen eh'rnen Leuchter lieber drehn,
Oder ein trocknes Rad die Achse kratzen;
[230]
Das würde mir die Zähne gar nicht stumpfen,
So sehr nicht, als gezierte Poesie.
's ist wie der Paßgang eines steifen Gauls.
GLENDOWER.
Nun gut, wir leiten Euch den Trent zur Seite.
PERCY.
Es gilt mir gleich: wohl dreimal so viel Land
Gäb' ich dem wohlverdienten Freund;
Doch, wo's auf Handel ankommt, merkt Ihr wohl,
Da zank' ich um ein Neuntel eines Haars.
Sind die Verträge fertig? Soll'n wir gehn?
GLENDOWER.
Der Mond scheint hell, ihr könnt zu Nacht noch fort.
Ich will den Schreiber mahnen und zugleich
Auf eure Abfahrt eure Frau'n bereiten.
Ich fürchte, meine Tochter kommt von Sinnen,
So zärtlich liebt sie ihren Mortimer.

Ab.
MORTIMER.
Pfui, Vetter, wie Ihr durch den Sinn ihm fahrt!
PERCY.
Ich kann's nicht lassen; oft erzürnt er mich,
Wenn er erzählt von Ameis' und von Maulwurf,
Vom Träumer Merlin, was der prophezeit,
Vom Drachen und vom Fische ohne Flossen,
Berupftem Greif und Raben in der Mause,
Vom ruh'nden Löwen und der Katz' im Sprung,
Und solch 'nen Haufen kunterbuntes Zeug,
Daß mich's zum Heiden macht. Denkt, gestern abend
Hielt er mich wenigstens neun Stunden auf
Mit Aufzählung von all der Teufel Namen
In seinem Sold; ich rief: »Hum! gut! nur weiter!«
Doch hört' ich nicht ein Wort. Oh, er ist lästig,
Mehr als ein lahmes Pferd, ein scheltend Weib;
Noch ärger als ein rauchicht Haus. Viel lieber
Lebt' ich bei Käs' und Knoblauch in der Mühle,
Als daß ich schmaust' und hört' ihn mit mir reden
Im besten Lustschloß in der Christenheit.
MORTIMER.
Bei meiner Treu', er ist ein würd'ger Herr,
Ganz ungemein belesen und vertraut
Mit Wunderkünsten; tapfer wie ein Löwe,
Leutselig ohne Maß, und frei im Geben
Wie Minen Indiens. Darf ich sagen, Vetter?
[231]
Er hält in hohen Ehren Eu'r Gemüt
Und tut sich über die Natur Gewalt,
Wenn Ihr ihm durch den Sinn fahrt: ja, fürwahr,
Ich schwör' es Euch, der Mann lebt nicht auf Erden,
Der so, wie Ihr getan, ihn reizen dürfte
Und nicht Gefahr erproben und Verweis.
Doch tut es nicht zu oft, laßt mich Euch bitten!
WORCESTER.
Fürwahr, Mylord, Ihr seid zu tadelsüchtig,
Und seit Ihr hier seid, tatet Ihr genug,
Um völlig aus der Fassung ihn zu bringen.
Ihr müßt durchaus den Fehl verbessern lernen:
Zeigt es schon manchmal Größe, Mut und Blut
(Was doch die höchste Zier, die es gewährt),
So offenbart es oftmals rauhen Zorn,
An Sitten Mangel und an Mäßigung,
Stolz, Hochmut, Meinung von sich selbst und Hohn,
Wovon, an einem Edelmanne haftend,
Das kleinste ihm der Menschen Herz verliert,
An aller Gaben Schönheit einen Fleck
Zurückläßt und sie um ihr Lob betrügt.
PERCY.
Gut, meistert mich: Gott segn' Euch feine Sitten!
Hier kommen unsre Frau'n, nun laßt uns scheiden.

Glendower kommt zurück mit Lady Percy und Lady Mortimer.
MORTIMER.
Das ist für mich der tödlichste Verdruß,
Mein Weib versteht kein Englisch, ich kein Wäl'sch.
GLENDOWER.
Die Tochter weint, sie will nicht von Euch scheiden:
Sie will Soldat sein, will mit in den Krieg.
MORTIMER.
Mein Vater, sagt ihr, daß sie und Tante Percy
In Eurer Leitung schleunig folgen sollen.

Glendower spricht auf Wäl'sch zu seiner Tochter, und sie antwortet ihm in derselben Sprache.
GLENDOWER.
Sie ist außer sich, die störr'ge, eigenwill'ge Dirne,
An der die Überredung nichts vermag.

Lady Mortimer spricht auf Wäl'sch zu Mortimer.
[232] MORTIMER.
Ja, ich versteh' den Blick; das holde Wäl'sch,
Das du von diesen schwell'nden Himmeln gießest,
Kenn' ich zu gut; und müßt' ich nicht mich schämen,
Ich pflöge gern ein solch Gespräch mit dir.

Lady Mortimer spricht.

Versteh' ich deinen Kuß doch und du meinen,
Und das ist ein gefühltes Unterreden.
Doch bis ich, Liebe, deine Sprach' erlernt,
Will ich nie müßig gehn; denn deine Zunge
Macht Wäl'sch so süß wie hoher Lieder Weisen,
Die eine schöne Königin entzückend
Zu ihrer Laut' in Sommerlauben singt.
GLENDOWER.
Ja, wenn Ihr hinschmelzt, wird sie gar verrückt.

Lady Mortimer spricht wieder.
MORTIMER.
Oh, hierin bin ich ganz Unwissenheit!
GLENDOWER.
Sie will, Ihr sollt
Euch niederlegen auf die leichten Binsen
Und sanft Eu'r Haupt an ihrem Schoße ruhn:
So singt sie Euch das Lied, das Euch gefällt,
Und krönt den Schlummergott auf Euren Wimpern,
Eu'r Blut mit süßer Müdigkeit bezaubernd,
Den Schlaf vom Wachen so gelinde scheidend,
Als zwischen Tag und Nacht die Scheidung ist,
Die Stunde, eh' das himmlische Gespann
Im Osten seinen goldnen Zug beginnt.
MORTIMER.
Von Herzen gern will ich sie singen hören;
Indes wird unsre Schrift wohl fertig sein.
GLENDOWER.
Tut das!
Die Musikanten, die Euch spielen sollen,
Sind tausend Meilen weit von hier in Lüften
Und sollen flugs doch hier sein. Sitzt und horcht!
PERCY.

Komm, Käthchen, du verstehst dich aufs stille liegen; komm, geschwind! geschwind! daß ich meinen Kopf in deinen Schoß lege.

LADY PERCY.
Geh mir, du wilde Gans!

Glendower spricht einige wäl'sche Worte, und dann spielt die Musik.
[233] PERCY.
Nun merk' ich, daß der Teufel Wäl'sch versteht,
Und 's ist kein Wunder, daß er launisch ist.
Mein' Seel', er ist ein guter Musikant.
LADY PERCY.

Dann solltet Ihr ganz und gar musikalisch sein, denn Ihr werdet ganz von Launen regiert. Lieg' stille, du Schelm, und höre die Dame Wäl'sch singen!

PERCY.
Ich möchte lieber Dame, meine Dogge, Irländisch heulen hören.
LADY PERCY.
Möchtest du gern ein Loch im Kopfe haben?
PERCY.
Nein.
LADY PERCY.
So liege still!
PERCY.
Auch nicht, das ist ein Weiberfehler.
LADY PERCY.
Nun, Gott helfe dir!
PERCY.
Zu der wäl'schen Dame Bett.
LADY PERCY.
Was soll das?
PERCY.
Still! Sie singt.

Ein wäl'sches Lied von Lady Mortimer gesungen.

Kommt, Käthchen, Ihr müßt mir auch ein Lied singen.
LADY PERCY.
Ich nicht, gewiß und wahrhaftig.
PERCY.

Ihr nicht, gewiß und wahrhaftig! Herzchen, Ihr schwört ja wie eine Konditors-Frau. Ihr nicht, »gewiß und wahrhaftig!« und: »so wahr ich lebe!« und: »wo mir Gott gnädig sei!« und: »so gewiß der Tag scheint!«

Und gibst so taftne Bürgschaft deiner Schwüre,

Als wärst du weiter nie als Finsbury spaziert.

Nimm als 'ne Dame, Käthchen, deinen Mund

Mit derben Schwüren voll; und laß »fürwahr«

Und solche Pfeffernuß-Beteu'rungen

Den Sammet-Borten und den Sonntagsbürgern!

Komm, sing'!

LADY PERCY.
Ich will nicht singen.
PERCY.

Es führt auch gerade Weges dazu, Schneider zu werden oder Rotkehlchen abzurichten. Wenn die Kontrakte aufgesetzt sind, so will ich in den nächsten zwei Stunden fort; also kommt mir nach, wenn Ihr wollt! Ab.

GLENDOWER.
Kommt, kommt, Lord Mortimer! Ihr seid so träge,
Als glühend heiß Lord Percy ist zu gehn.
[234]
Die Schrift wird fertig sein: wir woll'n nur siegeln,
Und dann sogleich zu Pferd!
MORTIMER.
Von ganzem Herzen!

Alle ab.
Zweite Szene
London. Ein Zimmer im Palast.

König Heinrich, Prinz von Wales und Lords treten auf.

KÖNIG HEINRICH.
Laßt uns, ihr Lords! Der Prinz von Wales und ich,
Wir müssen uns geheim besprechen; doch
Seid nah zur Hand, wir werden euch bedürfen.

Lords ab.

Ich weiß nicht, ob es Gott so haben will
Für mißgefäll'ge Dienste, die ich tat,
Daß sein verborgner Rat aus meinem Blut
Mir Züchtigung und eine Geißel zeugt.
Doch du, in deinen Lebensbahnen, machst
Mich glauben, daß du nur gezeichnet bist
Zur heißen Rach' und zu des Himmels Rute
Für meine Übertretung. Sag mir sonst,
Wie könnten solche wilde, niedre Lüste,
Solch armes, nacktes, liederliches Tun,
So seichte Freuden, ein so roher Kreis
Als der, womit du dich verbrüdert hast,
Sich zu der Hoheit deines Bluts gesellen
Und sich erheben an dein fürstlich Herz?
PRINZ HEINRICH.
Geruh' Eu'r Majestät: ich wollt', ich könnte
Von jedem Fehl so völlig los mich sagen,
Als ich mich ohne Zweifel rein'gen kann
Von vielen, die mir schuld gegeben werden.
Doch so viel Milderung laßt mich erbitten,
Daß, nach erlogner Märchen Widerlegung,
Die oft das Ohr der Hoheit hören muß
[235]
Von Liebedienern und gemeinen Klätschern,
Mir etwas Wahres, wo mich meine Jugend
Verkehrt geleitet und unregelmäßig,
Auf wahre Unterwerfung sei verziehn.
KÖNIG HEINRICH.
Verzeih' dir Gott! – Doch muß mich's wundern, Heinrich,
Daß deine Neigung so die Schwingen richtet,
Ganz abgelenkt von deiner Ahnen Flug.
Dein Platz im Rat ward gröblich eingebüßt,
Den nun dein jüngrer Bruder eingenommen;
Du bist beinah' ein Fremdling in den Herzen
Des ganzen Hofs, der Prinzen vom Geblüt.
Die Hoffnung und Erwartung deiner Zeit
Ist ganz dahin, und jedes Menschen Seele
Sagt sich prophetisch deinen Fall voraus.
Hätt' ich so meine Gegenwart vergeudet,
So mich den Augen aller ausgeboten,
So dem gemeinen Umgang gäng und feil:
So wär' die Meinung, die zum Thron mir half,
Stets dem Besitze untertan geblieben
Und hätte mich in dunkelm Bann gelassen
Als einen, der nichts gilt und nichts verspricht.
Doch, selten nur gesehn, ging ich nun aus,
So ward ich angestaunt, wie ein Komet,
Daß sie den Kindern sagten: »Das ist er«;
Und andre: »Welcher? Wo ist Bolingbroke?«
Dann stahl ich alle Freundlichkeit vom Himmel
Und kleidete in solche Demut mich,
Daß ich Ergebenheit aus aller Herzen,
Aus ihrem Munde Gruß und Jauchzen zog,
Selbst in dem Beisein des gekrönten Königs.
So hielt ich die Person mir frisch und neu;
Mein Beisein, wie ein Hohepriesterkleid,
Ward staunend nur gesehn, und so erschien
Selten, doch kostbar, wie ein Fest, mein Aufzug;
Das Ungewohnte gab ihm Fei'rlichkeit.
Der flinke König hüpfte auf und ab
Mit seichten Spaßern und mit stroh'rnen Köpfen.
[236]
Leicht lodernd, leicht verbrannt; vertat die Würde,
Vermengte seinen Hof mit Possenreißern,
Ließ ihren Spott entweihen seinen Namen
Und lieh sein Ansehn, wider seinen Ruf,
Schalksbuben zu belachen, jedem Ausfall
Unbärt'ger, eitler Necker bloß zu stehn;
Ward ein Gesell der öffentlichen Gassen,
Gab der Gemeinheit selber sich zu Lehn;
Daß, da die Augen täglich in ihm schwelgten,
Von Honig übersättigt, sie zu ekeln
Der süße Schmack begann, wovon ein wenig
Mehr als ein wenig viel zu viel schon ist.
Wenn dann der Anlaß kam, gesehn zu werden,
War er so wie der Kuckuck nur im Juni,
Gehört, doch nicht bemerkt; gesehn mit Augen,
Die, matt und stumpf von der Gewöhnlichkeit,
Kein außerordentlich Betrachten kennen,
Wie's sonnengleiche Majestät umgibt,
Strahlt sie nur selten den erstaunten Augen;
Sie schläferten, die Augenlider hängend,
Ihm ins Gesicht vielmehr und gaben Blicke,
Wie ein verdroßner Mann dem Gegner pflegt,
Von seinem Beisein überfüllt und satt.
Und in demselben Rang, Heinrich, stehst du,
Da du dein fürstlich Vorrecht eingebüßt
Durch niedrigen Verkehr: kein Auge gibt's,
Dem nicht dein Anblick Überdruß erregt,
Als meins, das mehr begehrt hat, dich zu sehn,
Das nun tut, was ich gern ihm wehren möchte,
Und blind sich macht aus tör'ger Zärtlichkeit.
PRINZ HEINRICH.
Ich werd' hinfort, mein gnädigster Gebieter,
Mehr sein, was mir geziemt.
KÖNIG HEINRICH.
Um alle Welt!
Was du zu dieser Zeit, war Richard damals,
Als ich aus Frankreich kam nach Ravenspurg,
Und grade, was ich war, ist Percy jetzt.
Bei meinem Szepter nun und meiner Seele!
Er hat viel höhern Anspruch an den Staat
[237]
Als du, der Schatten nur der Erblichkeit.
Denn, ohne Recht noch Anschein eines Rechtes,
Füllt er mit Kriegszeug in dem Reich das Feld,
Beut Trotz dem Rachen des ergrimmten Löwen
Und führt, nicht mehr als du dem Alter schuldig,
Bejahrte Lords und würd'ge Bischöf' an
Zu blut'gen Schlachten und Geklirr der Waffen.
Welch nie verblüh'nden Ruhm erwarb er nicht
An dem gepriesnen Douglas, dessen Taten,
Des rasche Züge, großer Nam' in Waffen
Die Oberstelle sämtlichen Soldaten
Und höchste kriegerische Würd' entzieht
In jedem Königreich der Christenheit.
Dreimal schlug Heißsporn, dieser Mars in Windeln,
Dies Heldenkind, in seinen Unternehmen
Den großen Douglas; nahm ein mal ihn gefangen,
Gab dann ihn los und macht' ihn sich zum Freund,
Um so der alten Fehde Kluft zu füllen
Und unsers Throns Grundfesten zu erschüttern.
Was sagt Ihr nun hiezu? Percy, Northumberland,
Der Erzbischof von York, Douglas, Mortimer
Sind wider uns verbündet und in Wehr.
Doch warum sag' ich diese Zeitung dir?
Was sag' ich, Heinrich, dir von unsern Feinden,
Da du mein nächst- und schlimmster Gegner bist,
Der, allem Anschein nach, aus knecht'scher Furcht,
Aus einem schnöden Hang und jähen Launen
In Percys Solde wider mich wird fechten,
Ihm nachziehn und vor seinen Runzeln kriechen,
Zu zeigen, wie du ausgeartet bist!
PRINZ HEINRICH.
Nein, denkt das nicht, Ihr sollt es nicht so finden:
Verzeih' Gott denen, die mir so entwandt
Die gute Meinung Eurer Majestät!
Ich will auf Percys Haupt dies alles lösen
Und einst, an des glorreichsten Tages Schluß,
Euch kühnlich sagen, ich sei Euer Sohn,
Wann ich ein Kleid, von Blut ganz, tragen werde
[238]
Und mein Gesicht mit blut'ger Larve färben,
Die, weggewaschen, mit sich nimmt die Scham.
Das soll der Tag sein, wann er auch mag scheinen,
Daß dieses Kind der Ehren und des Ruhms,
Der wackre Heißsporn, der gepriesne Ritter,
Und Eu'r vergeßner Heinrich sich begegnen.
Daß jede Ehr', auf seinem Helme prangend,
Doch Legion wär', und auf meinem Haupt
Die Schmach verdoppelt! Denn es kommt die Zeit,
Da dieser nord'sche Jüngling seinen Ruhm
Mir tauschen muß für meine Schmählichkeiten.
Percy ist mein Verwalter, bester Herr,
Der glorreich handelt zum Erwerb für mich:
Ich will so streng zur Rechenschaft ihn ziehn,
Daß er mir jeden Ruhm heraus soll geben,
Selbst den geringsten Vorrang seiner Jahre,
Sonst reiß' ich ihm die Rechnung aus dem Herzen.
Dies sag ich hier im Namen Gottes zu,
Was, wenn es ihm beliebt, daß ich's vollbringe,
Bitt' ich Eu'r Majestät, den alten Schaden
Von meinen Ausschweifungen heilen mag;
Wo nicht, so tilget alle Schuld der Tod,
Und hunderttausend Tode will ich sterben,
Eh' ich von diesem Schwur das kleinste breche.
KÖNIG HEINRICH.
Dies tötet Hunderttausende Rebellen;
Du sollst hiebei Befehl und Vollmacht haben.

Blunt tritt auf.

Nun, guter Blunt? Dein Blick ist voller Eil'.
BLUNT.
So das Geschäft, wovon ich reden muß.
Lord Mortimer von Schottland meldet uns,
Daß Douglas und die englischen Rebellen
Am eilften dieses Monats sich vereint
Zu Shrewsbury: ein so gewaltig Heer,
Wenn allerseits man die Versprechen hält,
Als je in einem Staat Verwirrung schaffte.
KÖNIG HEINRICH.
Der Graf von Westmoreland zog heute aus
[239]
Mit ihm mein Sohn, Johann von Lancaster,
Denn diese Botschaft ist fünf Tage alt.
Auf nächsten Mittwoch, Heinrich, brecht Ihr auf,
Wir setzen selbst uns Donnerstags in Marsch.
Bridgnorth ist unser Ziel; und Heinrich, Ihr
Marschiert auf Glostershire: auf diese Art
Wird, wie ich rechne, etwa in zwölf Tagen
Zu Bridgnorth unser Heer versammelt sein.
Es gibt vollauf zu tun: so laßt uns eilen.
Denn Feindes Übermacht nährt sich durch Weilen.

Ab.
Dritte Szene
Eastcheap. Ein Zimmer in der Schenke zum wilden Schweinskopf.

Falstaff und Bardolph kommen.

FALSTAFF.

Bardolph, bin ich seit der letzten Affaire nicht schmählich abgefallen? verzehr' ich mich nicht? schrumpfe ich nicht ein? Wahrhaftig, meine Haut hängt um mich herum, wie das lose Kleid einer alten Dame; ich bin so welk, wie ein gebratner Apfel. Gut, ich will mich bekehren, und das geschwind, solange ich noch einigermaßen bei Fleische bin; bald werde ich ganz mattherzig sein, und dann habe ich keine Kräfte mehr zur Bekehrung. Wo ich nicht vergessen habe, wie eine Kirche von innen beschaffen ist, so bin ich ein Pfefferkorn, ein Brauerpferd. – Gesellschaft, abscheuliche Gesellschaft hat mich zu Grunde gerichtet.

BARDOLPH.
Sir John, Ihr seid so ingrimmig, Ihr könnt nicht lange leben.
FALSTAFF.

Ja, da haben wir's: – komm, sing' mir ein Zotenlied, mache mich lustig! Ich war so tugendhaft gewöhnt, als ein Mann von Stande zu sein braucht – tugendhaft genug; ich fluchte wenig, würfelte nicht über siebenmal in der Woche, in schlechte Häuser ging ich nicht über einmal in einem Viertel – einer Stunde; Geld, das ich geborgt, bezahlt' ich wieder, drei- bis viermal; ich lebte gut und in gehörigen Schranken: und nun lebe ich außer aller Ordnung, außer allen Schranken.

[240] BARDOLPH.

Ei, Ihr seid so fett, Sir John, daß Ihr wohl außer allen Schranken sein müßt, außer allen erdenklichen Schranken, Sir John.

FALSTAFF.

Beßre du dein Gesicht, so will ich mein Leben bessern. Du bist unser Admiral-Schiff: du trägst die Laterne am Steuerverdeck; aber sie steckt dir in der Nase, du bist der Ritter von der brennenden Lampe.

BARDOLPH.
Ei, Sir John, mein Gesicht tut Euch nichts zu Leide.
FALSTAFF.

Nein, darauf will ich schwören. Ich mache so guten Gebrauch davon, als mancher von einem Totenkopf oder einem memento mori. Ich sehe dein Gesicht niemals, ohne an das höllische Feuer zu denken und an den reichen Mann, der in Purpurkleidern lebte; denn da sitzt er in seiner Tracht und brennt und brennt. Wärst du einigermaßen der Tugend ergeben, so wollt' ich bei deinem Gesicht schwören; mein Schwur sollte sein: »bei diesem flammenden Cherub-Schwerte!« Aber du liegst ganz im Argen, und wenn's nicht das Licht in deinem Gesichte täte, wärst du gänzlich ein Kind der Finsternis. Als du in der Nacht Gadshill hinaufliefest, um mein Pferd zu fangen, – wenn ich nicht dachte, du wärst ein ignis fatuus oder ein Klumpen wildes Feuer gewesen, so ist für Geld nichts mehr zu haben. Oh, du bist ein beständiger Fackelzug, ein unauslöschliches Freudenfeuer! Du hast mir an die tausend Mark für Kerzen und Fackeln erspart, wenn ich mit dir nachts von Schenke zu Schenke wanderte; aber für den Sekt, den du mir getrunken hast, hätte ich bei dem teuersten Lichtzieher in Europa eben so wohlfeil Lichter haben können. Seit zweiunddreißig Jahren nunmehr habe ich diesen Euren Salamander mit Feuer unterhalten; der Himmel lohne es mir!

BARDOLPH.
Blitz! ich wollte, mein Gesicht säße Euch im Bauche!
FALSTAFF.
Gott steh' mir bei! Da müßte ich sicher vor Sodbrennen umkommen.

Die Wirtin kommt.

Nun, Frau Kratzefuß die Henne! Habt Ihr's noch nicht heraus, wer meine Taschen ausgeleert hat?
[241] WIRTIN.

Ei, Sir John! Was denkt Ihr, Sir John? Denkt Ihr, ich halte Diebe in meinem Hause? Ich habe gesucht, ich habe gefragt, mein Mann hat es auch, Mann für Mann, Jungen für Jungen, Bedienten für Bedienten. Es ist sonst niemals eine Haarspitze in meinem Hause weggekommen.

FALSTAFF.

Ihr lügt, Wirtin; Bardolph ist hier rasiert und hat gar manches Haar eingebüßt, und ich will drauf schwören, mir ist die Tasche ausgeleert. Geht mir, Ihr seid ein Weibsbild, geht!

WIRTIN.
Wer? Ich? Das untersteh' dich! So hat mich noch niemand in meinem eignen Hause geheißen.
FALSTAFF.
Geht mir, ich kenne Euch wohl.
WIRTIN.

Nein, Sir John! Ihr kennt mich nicht, Sir John; ich kenne Euch, Sir John: Ihr seid mir Geld schuldig, Sir John, und nun zettelt Ihr einen Zank an, um mich darum zu betrügen: ich habe Euch ein Dutzend Hemden auf den Leib gekauft.

FALSTAFF.

Sackleinewand! Garstige Sackleinewand! Ich habe sie an Bäckerfrauen weggegeben, die haben Siebbeutel daraus gemacht.

WIRTIN.

Nun, so wahr ich eine ehrliche Frau bin, holländische Leinewand für acht Schillinge die Elle! Ihr seid hier auch noch Geld für Eure Zehrung schuldig, Sir John, für Getränk und vorgeschoßnes Geld, an vierundzwanzig Pfund.

FALSTAFF.
Der hat auch sein Teil daran gehabt, laßt ihn bezahlen!
WIRTIN.
Der? Ach Gott, der ist arm, der hat nichts.
FALSTAFF.

Was? Arm? Seht nur sein Gesicht an! Was nennt Ihr reich? Laßt ihn seine Nase ausmünzen, seine Backen ausmünzen, ich zahle keinen Heller. Was, wollt Ihr mich als einen Neuling zum besten haben? Soll ich keine Ruhe in meiner Herberge genießen können, ohne daß mir die Taschen ausgeleert werden? Ich bin um einen Siegelring von meinem Großvater gekommen, der vierzig Mark wert war.

WIRTIN.
O Jemine, ich weiß nicht, wie oft ich den Prinzen habe sagen hören, der Ring wäre von Kupfer.
[242] FALSTAFF.

Ei was, der Prinz ist ein Hanswurst, ein Schlucker; und wenn er hier wäre, so wollte ich ihn hundemäßig prügeln, wenn er das sagte.


Der Prinz und Poins kommen herein marschiert;

Falstaff geht dem Prinzen entgegen, der auf seinem Kommandostabe, wie auf einer Querpfeife, spielt.
FALSTAFF.
Was gibt's, Bursch? Bläst der Wind aus der Ecke, wahrhaftig? Müssen wir alle marschieren?
BARDOLPH.
Ja, zwei je zwei, wie die Gefangnen nach Newgate.
WIRTIN.
Gnädiger Herr, ich bitte Euch, hört mich!
PRINZ HEINRICH.
Was sagst du, Frau Hurtig? Was macht dein Mann? Ich mag ihn wohl leiden, es ist ein ehrlicher Mann.
WIRTIN.
Bester Herr, hört mich!
FALSTAFF.
Bitte, laß sie gehn und höre auf mich!
PRINZ HEINRICH.
Was sagst du, Hans?
FALSTAFF.

Neulich Abend fiel ich hier hinter der Tapete in Schlaf, und da sind mir die Taschen ausgeleert. Dies ist ein schlechtes Haus geworden, sie leeren die Taschen aus.

PRINZ HEINRICH.
Was hast du verloren, Hans?
FALSTAFF.

Wirst du mir's glauben, Heinz? Drei bis vier Assignationen, jede von vierzig Pfund, und einen Siegelring von meinem Großvater.

PRINZ HEINRICH.
Ein Bagatell, für acht Pfennige Ware.
WIRTIN.

Das sagte ich ihm auch, gnädiger Herr, und ich sagte, ich hätte es Euer Gnaden sagen hören; und er spricht recht niederträchtig von Euch, so ein lästerlicher Mensch wie er ist; und er sagte, er wollte Euch prügeln.

PRINZ HEINRICH.
Was? Ich will nicht hoffen?
WIRTIN.
Wenn's nicht wahr ist, so ist keine Treue, keine Redlichkeit, keine Frauenschaft in mir zu finden.
FALSTAFF.

Du hast nicht mehr Treue, als gekochte Pflaumen; nicht mehr Redlichkeit, als ein abgehetzter Fuchs; und was Frauenschaft betrifft, so könnte Jungfer Mariane, die Mohrentänzerin, gegen dich die Frau des Aufsehers vom Quartiere sein. Geh, du Ding, du!

WIRTIN.
Sag, was für ein Ding? was für ein Ding?
[243] FALSTAFF.
Was für ein Ding? Ei nun, ein Ding, wofür man Gotteslohn sagt.
WIRTIN.

Ich bin kein Ding, wofür man Gottes Lohn sagt, das sollst du wissen. Ich bin eines ehrlichen Mannes Frau, und deine Ritterschaft aus dem Spiel, du bist ein Schuft, daß du mich so nennst.

FALSTAFF.
Und deine Frauenschaft aus dem Spiel, du bist eine Bestie, daß du es anders sagst.
WIRTIN.
Was für eine Bestie? Sag, du Schuft, du!
FALSTAFF.
Was für eine Bestie? Nun, eine Otter.
PRINZ HEINRICH.
Eine Otter, Sir John! Warum eine Otter?
FALSTAFF.
Warum? Sie ist weder Fisch noch Fleisch, man weiß nicht, wo sie zu haben ist.
WIRTIN.

Du bist ein unbilliger Mensch, daß du das sagst; du und jedermann weiß, wo ich zu haben bin, du Schelm, du.

PRINZ HEINRICH.
Du sagst die Wahrheit, Wirtin, und er verleumdet dich aufs gröblichste.
WIRTIN.
Ja, Euch auch, gnädiger Herr, und er sagte neulich, Ihr wärt ihm tausend Pfund schuldig.
PRINZ HEINRICH.
Was? Bin ich Euch tausend Pfund schuldig?
FALSTAFF.

Tausend Pfund, Heinz? Eine Million! Deine Liebe ist eine Million wert, du bist mir deine Liebe schuldig.

WIRTIN.
Ja, gnädiger Herr, er nannte Euch Hanswurst und sagte, er wollte Euch prügeln.
FALSTAFF.
Sagt' ich das, Bardolph?
BARDOLPH.
In der Tat, Sir John, Ihr habt es gesagt.
FALSTAFF.
Ja, wenn er sagte, mein Ring wäre von Kupfer.
PRINZ HEINRICH.
Ich sage, er ist von Kupfer; unterstehst du dich nun, dein Wort zu halten?
FALSTAFF.

Je, Heinz, du weißt, sofern du nur ein Mann bist, untersteh' ich mich's; aber sofern du ein Prinz bist, fürchte ich dich wie das Brüllen der jungen Löwenbrut.

PRINZ HEINRICH.
Warum nicht wie den Löwen?
FALSTAFF.

Den König selbst muß man wie den Löwen fürchten. Denkst du, ich will dich fürchten wie deinen Vater? Wenn ich das tue, so soll mir der Gürtel platzen.

PRINZ HEINRICH.

Oh, wenn das geschähe, wie würde dir der Wanst um die Kniee schlottern! Aber zum Henker, es ist [244] kein Platz für Glauben, Treu' und Redlichkeit in dem Leibe da: er ist ganz mit Därmen und Netzhaut ausgestopft. Ein ehrliches Weib zu beschuldigen, sie habe dir die Taschen ausgeleert! Ei, du liederlicher, unverschämter, aufgetriebner Schuft! Wenn irgend was in deiner Tasche war als Schenkenrechnungen, Tagebücher aus schlechten Häusern und für einen armseligen Pfennig Zuckerkandi, dir die Kehle geschmeidig zu machen; wenn deine Tasche mit andrer Ungebühr als dieser ausgestattet war, so will ich ein Schurke sein. Und doch prahlst du; doch willst du nichts einstecken. Schämst du dich nicht?

FALSTAFF.

Hörst du, Heinz? Im Stande der Unschuld, weißt du, ist Adam gefallen; und was soll der arme Hans Falstaff in den Tagen der Verderbnis tun? Du siehst, ich habe mehr Fleisch als andre Menschen, und also auch mehr Schwachheit. – Ihr bekennt also, daß Ihr mir die Taschen ausgeleert habt?

PRINZ HEINRICH.
Die Geschichte kommt so heraus.
FALSTAFF.

Wirtin, ich vergebe dir. Geh, mach' das Frühstück fertig, liebe deinen Mann, achte auf dein Gesinde, pflege deine Gäste: du sollst mich bei allen vernünftigen Foderungen billig finden; du siehst, ich bin besänftigt. – Noch was? Nein, geh nur, ich bitte dich! Wirtin ab. Nun, Heinz, zu den Neuigkeiten vom Hofe: Wegen der Räuberei, Junge, wie ist das ins Gleiche gebracht?

PRINZ HEINRICH.
Oh, mein schönster Rinderbraten, ich muß immer dein guter Engel sein. Das Geld ist zurückgezahlt.
FALSTAFF.
Ich mag das Zurückzahlen nicht, es ist doppelte Arbeit.
PRINZ HEINRICH.
Ich bin gut Freund mit meinem Vater und kann alles tun.
FALSTAFF.
So plündre mir vor allen Dingen die Schatzkammer, und das zwar mit ungewaschnen Händen!
BARDOLPH.
Tut das, gnädiger Herr!
PRINZ HEINRICH.
Ich habe dir eine Stelle zu Fuß geschafft, Hans.
FALSTAFF.

Ich wollte, es wäre eine zu Pferde. Wo werde ich einen finden, der gut stehlen kann? Oh, einen hübschen Dieb [245] von zweiundzwanzigen oder so ungefähr! Ich bin entsetzlich auf dem Trocknen. Nun, Gott sei gedankt für diese Rebellen! Sie tun niemanden was, als ehrlichen Leuten: ich lobe sie, ich preise sie.

PRINZ HEINRICH.
Bardolph!
BARDOLPH.
Gnädiger Herr?
PRINZ HEINRICH.
Bring' diesen Brief an Lord Johann von Lancaster,
An meinen Bruder; den an Mylord Westmoreland!
Geh, Poins! zu Pferd! zu Pferd! Denn du und ich,
Wir reiten dreißig Meilen noch vor Tisch. –
Hans, triff mich morgen in dem Tempelsaal
Um zwei Uhr nachmittags;
Da wirst du angestellt, und da empfängst du
Geld und Befehl zur Ausrüstung des Volks.
Es brennt das Land, Percy ist hoch gestiegen:
Wir müssen, oder sie nun unterliegen.

Der Prinz, Poins und Bardolph ab.
FALSTAFF.
Schön Reden! Wackre Welt! Wirtin, mein Frühstück her!
Oh, daß die Schenke meine Trommel wär'!

Ab.
[246]

Vierter Aufzug

Erste Szene
Das Lager der Rebellen bei Shrewsbury.

Percy, Worcester und Douglas treten auf.

PERCY.
Ganz recht, mein edler Schotte! Wenn nicht Wahrheit
In dieser feinen Welt für Schmeicheln gölte,
Dem Douglas käme solches Zeugnis zu,
Daß vom Gepräge dieser Zeit kein Krieger
So gangbar sollte sein in aller Welt.
Bei Gott, ich kann nicht schmeicheln; glatte Zungen
Verschmäh' ich: aber einen bessern Platz
In meiner Liebe hat kein Mensch als Ihr.
Ja, haltet mich bei Wort, erprüft mich, Herr!
DOUGLAS.
Du bist der Ehre König.
Auf Erden lebt kein so gewalt'ger Mann,
Dem ich nicht trotzte.
PERCY.
Tut das, und 's ist gut.
Ein Bote kommt mit Briefen.

Was bringst du da? – Nur danken kann ich Euch.
BOTE.
Von Eurem Vater kommen diese Briefe.
PERCY.
Briefe von ihm? Warum kommt er nicht selbst?
BOTE.
Er kann nicht, gnäd'ger Herr, er ist schwer krank.
PERCY.
Blitz! wie hat er die Muße, krank zu sein
In so bewegter Zeit? Wer führt sein Volk?
In wessen Leitung rücken sie heran?
BOTE.
Sein Brief, nicht ich, kann Euch das sagen, Herr.
WORCESTER.
Ich bitt' dich, sag mir, hütet er das Bett?
BOTE.
Ja, gnäd'ger Herr, vier Tage, eh' ich reiste,
Und zu der Zeit, als ich dort Abschied nahm,
Ward von den Ärzten sehr um ihn gesorgt.
[247] WORCESTER.
Ich wollte nur, die Zeit wär' schon genesen,
Eh' ihn die Krankheit hätte heimgesucht.
Nie galt sein Wohlbefinden mehr als jetzt.
PERCY.
Nun krank! Nun matt! Oh, diese Krankheit greift
Das Herzblut unsers Unternehmens an!
Die Ansteckung reicht bis hieher ins Lager.
Er schreibt mir da, – daß innerliche Krankheit, –
Daß er durch Boten nicht so schnell die Freunde
Versammeln konnt' und auch Bedenken trug,
Ein Werk von so gefährlichem Belang
Wem anders als sich selber zu vertraun.
Er gibt uns dennoch kühne Anmahnung,
Mit unserm schwachen Bunde vorzudringen,
Zu sehn, ob uns das Glück gewogen ist.
Denn, wie er schreibt, so gilt kein Zagen jetzt,
Weil sicherlich der König Kenntnis hat
Von allen unsern Planen. – Was bedünkt Euch?
WORCESTER.
Für uns ist seine Krankheit eine Lähmung.
PERCY.
Ein blut'ger Streich, ein abgehau'nes Glied.
Und doch: fürwahr nicht! Daß wir jetzt ihn missen,
Ist nicht so übel, als es scheint. – Wär's gut,
Die volle Summe des, was wir vermögen,
Auf einen Wurf zu setzen? solchen Schatz
Auf einer zweifelhaften Stunde Glück?
Es wär' nicht gut: denn darin läsen wir
Die ganze Tief' und Seele unsrer Hoffnung,
Die Grenzen und das wahrhaft Äußerste
Von unser aller Glück.
DOUGLAS.
Das täten wir,
Da nun noch schöne Anwartschaft uns bleibt.
Wir dürfen kühn vertun, in Hoffnung dessen,
Was einkommt;
Dies hält den Trost auf einen Rückzug rege.
PERCY.
Auf eine Zuflucht, einen Sammelplatz,
Sollt' etwa Mißgeschick und Teufel finster
Auf unsrer Sachen Erstlingsprobe schaun.
WORCESTER.
Doch wollt' ich, Euer Vater wäre hier.
Denn unsers Anschlags Eigenschaft und Farbe
[248]
Gestattet keine Teilung: man wird denken,
Wo man nicht weiß, weswegen er nicht kömmt,
Daß weiser Sinn, Vasallentreu', Mißfallen
An unserm Tun zurück den Grafen hält.
Bedenkt, wie eine solche Vorstellung
Die Flut der schüchternen Parteiung wenden
Und unser Recht in Frage stellen kann.
Ihr wißt, wir auf der rüst'gen Seite müssen
Uns fern von scharfer Untersuchung halten
Und jede Öffnung, jeden Spalt verstopfen,
Wodurch das Auge der Vernunft kann spähn.
Dies Zögern Eures Vaters hebt den Vorhang
Und zeigt Unkund'gen eine Art von Furcht,
Wovon man nicht geträumt.
PERCY.
Ihr geht zu weit;
Mir scheint vielmehr sein Zögern vorteilhaft.
Es leihet Glanz und eine höh're Meinung,
Ein kühners Wagen unserm Unternehmen,
Als wenn der Graf hier wäre: man muß denken,
Wenn ohne seine Hülfe wir dem Reich
Die Spitze bieten können, stürzen wir
Mit seiner Hülf' es über Kopf und Hals. –
Noch geht's ja wohl, noch sind die Sehnen fest.
DOUGLAS.
Wie sich's das Herze wünscht. Kein solches Wort
Hört man in Schottland als den Namen Furcht.

Sir Richard Vernon tritt auf.
PERCY.
Mein Vetter Vernon! Traun, Ihr seid willkommen!
VERNON.
Gott gebe, meine Zeitung sei es wert!
Lord Westmoreland, an siebentausend stark,
Marschiert hieherwärts, mit ihm Prinz Johann.
PERCY.
Kein Arg: was mehr?
VERNON.
Und ferner ward mir kund,
Daß in Person der König ausgezogen
Und sich hieherwärts schleunig hat gewandt
Mit mächtiger und starker Zurüstung.
PERCY.
Er soll willkommen sein. Wo ist sein Sohn,
[249]
Der schnellgefüßte tolle Prinz von Wales,
Und seine Kameraden, die die Welt
Bei Seite schoben und sie laufen ließen?
VERNON.
Ganz rüstig, ganz in Waffen, ganz befiedert
Wie Strauße, die dem Winde Flügel leihn;
Gespreizt wie Adler, die vom Baden kommen;
Mit Goldstoff angetan wie Heil'genbilder;
So voller Leben wie der Monat Mai,
Und herrlich wie die Sonn' in Sommers Mitte;
Wie Geißen munter, wild wie junge Stiere.
Ich sah den jungen Heinrich, Sturmhut auf,
Die Schienen an den Schenkeln, stolz gewaffnet,
Wie der beflügelte Merkur vom Boden
So leicht gewandt sich in den Sattel schwingen,
Als schwebt' ein Engel nieder aus den Wolken,
Den Pegasus zu tummeln und die Welt
Mit edlen Reiterkünsten zu bezaubern.
PERCY.
Genug, genug! Mehr, wie die Sonn' im März,
Wirkt fieberhaft dies Preisen. Laßt sie kommen!
Wie Opfer kommen sie in ihrem Putz:
Wir wollen sie der glutgeaugten Jungfrau
Des dampf'gen Krieges heiß und blutend bringen;
Der eh'rne Mars soll auf dem Altar sitzen
Bis an den Hals in Blut. Ich bin entbrannt,
Zu hören, daß so nah die reiche Beute
Und noch nicht unser. – Kommt, gebt mir mein Pferd,
Das wie ein Donnerkeil mich hin soll tragen,
Wo mir der Prinz von Wales den Panzer beut:
Heinrich auf Heinrich, Roß auf Roß gestellt,
Soll kämpfen, bis der ein' als Leiche fällt.
Oh, wär' doch Glendower da!
VERNON.
Es gibt mehr Neues:
Ich hört' in Worcester unterwegs, er kann
In vierzehn Tagen seine Macht nicht sammeln.
DOUGLAS.
Das ist die schlimmste Zeitung noch von allen.
WORCESTER.
Ja, meiner Treu, das hat 'nen frost'gen Klang.
PERCY.
Wie hoch mag sich des Königs Macht belaufen?
VERNON.
Auf dreißigtausend.
[250] PERCY.
Laßt es vierzig sein:
Ist schon mein Vater und Glendower fern,
G'nügt unsre Macht so großem Tage gern.
Kommt, stellen wir die Must'rung schleunig an:
Der Jüngste Tag ist nah; sterbt lustig, Mann für Mann!
DOUGLAS.
Sprecht nicht von Sterben: für dies halbe Jahr
Kenn' ich nicht Furcht vor Tod und Todsgefahr.

Alle ab.
Zweite Szene
Eine Heerstraße bei Coventry.

Falstaff und Bardolph kommen.

FALSTAFF.

Bardolph, mach' dich voraus nach Coventry, fülle mir eine Flasche mit Sekt! Unsre Soldaten sollen durchmarschieren, wir wollen heute abend nach Sutton-Colfield.

BARDOLPH.
Wollt Ihr mir Geld geben, Kapitän?
FALSTAFF.
Leg' aus, leg' aus!
BARDOLPH.
Diese Flasche macht einen Engel.
FALSTAFF.

Nun, wenn sie das tut, nimm ihn für deine Mühe; und wenn sie zwanzig macht, nimm sie alle, ich stehe für das Gepräge. Sage meinem Lieutenant Peto, er soll mich am Ende der Stadt treffen!

BARDOLPH.
Das will ich, Kapitän; lebt wohl! Ab.
FALSTAFF.

Wenn ich mich nicht meiner Soldaten schäme, so bin ich ein Stockfisch. Ich habe den königlichen Aushebungsbefehl schändlich gemißbraucht. Anstatt hundertundfunfzig Soldaten habe ich dreihundert und etliche Pfund zusammengebracht. Ich hebe keine aus, als gute Landwirte, Pächterssöhne, erfrage mir versprochne Junggesellen, die schon zweimal aufgeboten sind; solche Ware von Ofenhockern, die eben so gern den Teufel hören, als eine Trommel; die den Knall einer Büchse ärger fürchten, als ein einmal getroffnes Feldhuhn oder eine angeschossene wilde Ente. Ich hob keine aus, als solche Butterbemmen, mit Herzen im Leibe, nicht dicker als Stecknadelköpfe: die haben sich vom Dienste losgekauft, und nun besteht meine ganze Truppe [251] aus Fähndrichen, Korporalen, Lieutenants, Dienstgefreiten, Kerlen, die so zerlumpt sind, wie Lazarus auf gemalten Tapeten, wo die Hunde des reichen Mannes ihm die Schwären lecken, und die in ihrem Leben nicht Soldaten gewesen sind, sondern abgedankte, nichtsnutzige Bedienten, jüngere Söhne von jüngeren Brüdern, rebellische Küfer und bankerotte Schenkwirte: das Ungeziefer einer ruhigen Welt und eines langen Friedens, zehnmal schmählicher zerlumpt als eine alte geflickte Standarte. Und solche Kerle hab' ich nun an der Stelle derer, die sich vom Dienste losgekauft haben, daß man denken sollte, ich hätte hundertundfunfzig abgelumpte verlorne Söhne, die eben vom Schweinehüten und Trebernfressen kämen. Ein toller Kerl begegnete mir unterwegs und sagte mir, ich hätte alle Galgen abgeladen und die toten Leichname geworben. Kein menschlich Auge hat solche Vogelscheuchen gesehn. Ich will nicht mit ihnen durch Coventry marschieren, das ist klar, – je, und die Schurken marschieren auch so mit gesperrten Beinen, als wenn sie Fußeisen anhätten; denn freilich kriegt' ich die meisten darunter aus dem Gefängnis. Nur anderthalb Hemden gibt es in meiner ganzen Kompagnie; und das halbe besteht aus zwei zusammengenähten Servietten, die über die Schultern geworfen sind, wie ein Heroldsmantel ohne Ärmel; und das Hemde ist, die Wahrheit zu sagen, dem Wirte zu St. Albans gestohlen, oder dem rotnasigen Bierschenken zu Daintry. Doch das macht nichts; Linnen werden sie genug auf allen Zäunen finden.


Prinz Heinrich und Westmoreland treten auf.
PRINZ HEINRICH.
Wie geht's, dicker Hans? wie geht's, Wulst?
FALSTAFF.

Sieh da, Heinz? Wie geht's, du toller Junge? Was Teufel machst du hier in Warwickshire? – Mein bester Lord Westmoreland, ich bitte um Verzeihung! Ich glaubte, Euer Gnaden wären schon zu Shrewsbury.

WESTMORELAND.

Wahrlich, Sir John, 's ist höchste Zeit, daß ich da wäre, und Ihr auch; aber meine Truppen sind schon dort. Der König, das kann ich Euch sagen, sieht nach uns allen aus; wir müssen die ganze Nacht durchmarschieren.

[252]
FALSTAFF.
Pah! Seid um mich nicht bange: ich stehe auf dem Sprunge, wie eine Katze, wo es Rahm zu mausen gibt.
PRINZ HEINRICH.

Freilich wohl, Rahm zu mausen; denn vor lauter Stehlen bist du schon ganz zu Butter geworden. Aber sage mir, Hans, wessen Leute sind das, die hinter uns drein kommen?

FALSTAFF.
Meine, Heinz, meine.
PRINZ HEINRICH.
Zeitlebens sah ich keine so erbärmlichen Schufte.
FALSTAFF.

Pah! pah! Gut genug zum Aufspießen; Futter für Pulver, Futter für Pulver; sie füllen eine Grube so gut wie bessere; hm, Freund! sterbliche Menschen! sterbliche Menschen!

WESTMORELAND.
Aber mich dünkt doch, Sir John, sie sind ungemein armselig und ausgehungert, gar zu bettelhaft.
FALSTAFF.

Mein' Treu',was ihre Armut betrifft, ich weiß nicht, woher sie die haben; und das Hungern, – ich bin gewiß, das haben sie nicht von mir gelernt.

PRINZ HEINRICH.

Nein, das will ich beschwören; man müßte denn drei Finger dick auf den Rippen ausgehungert nennen. Aber beim Wetter, eilt Euch: Percy ist schon im Felde.

FALSTAFF.
Wie? Steht der König im Lager?
WESTMORELAND.
Ja wohl, Sir John; ich fürchte, wir halten uns zu lange auf.
FALSTAFF.
Gut!
Beim Gefecht gegen 's Ende, und zum Anfang beim Feste,
Ziemt träge Streiter und hungrige Gäste.

Alle ab.
Dritte Szene
Das Lager der Rebellen bei Shrewsbury.

Percy, Worcester, Douglas und Vernon treten auf.

PERCY.
Wir greifen nachts ihn an.
WORCESTER.
Es darf nicht sein.
DOUGLAS.
Ihr gebt ihm Vorteil dann.
VERNON.
Im mind'sten nicht.
[253] PERCY.
Wie sprecht Ihr so? Hofft er nicht auf Verstärkung?
VERNON.
Wir auch.
PERCY.
Die sein' ist sicher, unsre zweifelhaft.
WORCESTER.
Nehmt Rat an, Vetter; rührt Euch nicht zu Nacht.
VERNON.
Herr, tut es nicht!
DOUGLAS.
Ihr gebt nicht guten Rat,
Ihr redet so aus Furcht und mattem Herzen.
VERNON.
Douglas, verleumdet nicht! Bei meinem Leben!
Mein Leben soll dafür zu Pfande stehn,
Wenn wohlverstandne Ehre fort mich zieht,
Pfleg' ich so wenig Rat mit schwacher Furcht
Als Ihr, Herr, oder irgend wer in Schottland.
Wir wollen morgen sehn, wer von uns beiden
Im Treffen zagt.
DOUGLAS.
Ja, noch zu Nacht!
VERNON.
Es gilt!
PERCY.
Zu Nacht, sag' ich!
VERNON.
Geht! Geht! es darf nicht sein.
Ich wundre mich, daß solche große Führer
Nicht einsehn, welche Hindernisse rückwärts
Die Unternehmung ziehn. Eine Anzahl Pferde
Von meinem Vetter Vernon kam noch nicht;
Die meines Oheims Worcester heute erst:
Und nun ist all ihr Feuer eingeschlafen,
Ihr Mut von harter Arbeit träg' und zahm,
Daß keins nur halb die Hälfte von sich gilt.
PERCY.
So sind des Feindes Pferd' im ganzen auch,
Vom Reisen abgemattet und herunter;
Der unsern beßres Teil hat ausgeruht.
WORCESTER.
Des Königs Anzahl übertrifft die unsre:
Um Gottes willen, Vetter! Wartet doch,
Bis alle da sind!

Trompeten, die eine Unterhandlung ankündigen. Sir Walter Blunt tritt auf.
BLUNT.
Vom König bring' ich gnäd'ge Anerbieten,
Wenn ihr Gehör und Achtung mir gewährt.
PERCY.
Sir Walter Blunt, willkommen! Wollte Gott,
[254]
Daß Ihr desselben Sinnes wärt mit uns!
Hier will Euch mancher wohl, und diese selbst
Beneiden Eu'r Verdienst und guten Namen,
Weil Ihr von unserer Partei nicht seid
Und wider uns vielmehr als Gegner steht.
BLUNT.
Verhüte Gott, daß ich je anders stünde,
Solang' ihr, außer Schranken und Gesetz,
Steht wider die gesalbte Majestät!
Doch, mein Geschäft! – Der König sandte mich,
Zu hören, was ihr für Beschwerden führt;
Warum ihr aus des Bürgerfriedens Brust
So kühne Feindlichkeit herauf beschwört
Und seine treuergebnen Untertanen
Verwegne Greuel lehrt? Wofern der König
Jemals vergessen eure guten Dienste,
Die mannigfaltig sind, wie er bekennt:
So nennt nur die Beschwerden, und ihr sollt,
Was ihr verlangt, mit Zinsen schleunigst haben,
Auch gänzliche Verzeihung für euch selbst
Und die, so eure Eingebung mißleitet.
PERCY.
Der König ist gar gütig, und wir wissen,
Er weiß, wann zu versprechen, wann zu zahlen.
Mein Vater und mein Oheim und ich selbst,
Wir gaben ihm das Szepter, das er führt,
Und als er keine dreißig stark noch war,
Krank in der Menschen Achtung, klein und elend,
Ein unbemerkt heimschleichender Verbannter,
Bewillkommt' ihn mein Vater an dem Strand;
Und als er ihn bei Gott geloben hörte,
Er komm' als Herzog nur von Lancaster
Zur Mutung seiner Leh'n und Friede suchend,
Mit Eifers Worten und der Unschuld Tränen:
So schwor mein Vater ihm aus gutem Herzen
Und Mitleid Beistand zu und hielt es auch.
Nun, als die Lords und Reichsbarone merkten,
Daß sich Northumberland zu ihm geneigt,
Da kamen groß und klein mit Reverenz,
Begrüßten ihn in Flecken, Städten, Dörfern,
[255]
Erwarteten an Brücken ihn und Pässen,
Erboten Schwür' und Gaben; brachten ihm
Als Pagen ihre Erben; folgten dann
Ihm an den Fersen nach in goldner Schar.
Er alsobald, wie Größe selbst sich kennt,
Schritt auch ein wenig höher als sein Schwur,
Den er, noch blöden Mutes, meinem Vater
Am nackten Strand zu Ravenspurg getan.
Und nun, man denke! nimmt er sich heraus,
Verordnungen und Lasten abzuschaffen,
Die das gemeine Wesen hart gedrückt;
Schreit über Mißbrauch, scheinet zu beweinen
Die Schmach des Landes, und mit dem Gesicht,
Der scheinbar'n Stirn der Billigkeit, gewann
Er jedes Herz, wonach er angelte;
Ging weiter, schlug die Häupter sämtlich ab
Der Günstlinge, die der entfernte König
Zur Stellvertretung hier zurückgelassen,
Als er persönlich war im ir'schen Krieg.
BLUNT.
Ich kam nicht, dies zu hören.
PERCY.
Dann zur Sache:
In kurzer Zeit setzt' er den König ab,
Und bald darauf beraubt' er ihn des Lebens;
Dann, Schlag auf Schlag, schatzt' er das ganze Reich;
Noch schlimmer nun: ließ seinen Vetter March
(Der doch, wenn jeder stünd' an seinem Platz,
Sein echter König ist) in Wales verstrickt,
Dort hülflos ohne Lösegeld zu liegen;
Beschimpfte mich in meinem Siegesglück
Und war bemüht, durch Kundschaft mich zu fangen;
Schalt meinen Oheim weg vom Sitz im Rat,
Entließ im Zorn vom Hofe meinen Vater;
Brach Eid auf Eid, tat Unrecht über Unrecht
Und trieb uns schließlich, unsre Sicherheit
In diesem Bund zu suchen und zugleich
Zu spähn nach seinem Anspruch, welchen wir
Nicht gültig g'nug für lange Dauer finden.
BLUNT.
Soll ich dem König diese Antwort bringen?
[256] PERCY.
Nicht doch, Sir Walter: erst beraten wir's.
Geht hin zum König, laßt uns eine Bürgschaft
Verpfändet sein zu sichrer Wiederkehr,
Und früh am Morgen soll mein Oheim ihm
Vorschläge von uns bringen; so lebt wohl!
BLUNT.
Ich wollt', ihr nähmet Lieb' und Gnade an.
PERCY.
's ist möglich, daß wir's tun.
BLUNT.
Das gebe Gott!
Alle ab.
Vierte Szene
York. Ein Zimmer im Hause des Erzbischofs.

Der Erzbischof von York und ein Edelmann treten auf.

ERZBISCHOF.
Hurtig, Sir Michael! Mit beschwingter Eil'
Bringt den petschierten Brief hier zum Lord Marschall,
Den meinem Vetter Scroop, und all die andern,
An wen sie sind gerichtet; wüßtet Ihr,
Wie viel an ihnen liegt, Ihr würdet eilen
EDELMANN.
Mein gnäd'ger Herr,
Ich rate ihren Inhalt.
ERZBISCHOF.
Das mag sein.
Guter Sir Michael, morgen ist ein Tag,
An dem das Glück von zehentausend Mann
Die Probe stehn muß: denn zu Shrewsbury,
Wie ich gewiß vernehme, trifft der König
Mit mächtigem und schnell erhobnem Heer
Lord Heinrich; und, Sir Michael, ich fürchte, –
Teils wegen Krankheit des Northumberland,
Auf dessen Macht so stark gerechnet ward,
Teils wegen Owen Glendowers Entfernung,
Der ihnen auch als sichre Stütze galt
Und nun nicht kommt, beherrscht von Weissagungen, –
Ich fürchte, Percys Macht ist allzu schwach,
Gleich mit dem König den Versuch zu wagen.
EDELMANN.
Ei, gnäd'ger Herr, seid unbesorgt:
Douglas ist dort ja und Lord Mortimer.
[257] ERZBISCHOF.
Nein, Mortimer ist nicht da.
EDELMANN.
Doch dort ist Mordake, Vernon, Lord Heinrich Percy,
Dort auch Mylord von Worcester, und ein Heer
Von tapfern Kriegern, wackern Edelleuten.
ERZBISCHOF.
So ist's; allein der König zog zusammen
Des Landes ganze Stärke: bei ihm sind
Der Prinz von Wales, Johann von Lancaster,
Der edle Westmoreland, der tapfre Blunt
Und sonst viel Mitgenossen und von Ruf
Und Führung in den Waffen teure Männer.
EDELMANN.
Herr, zweifelt nicht, man wird schon widerstehn.
ERZBISCHOF.
Ich hoff' es auch, doch nötig ist's zu fürchten,
Und um dem Schlimmsten vorzubeugen, eilt!
Denn, siegt Lord Percy nicht, so denkt der König,
Eh' er sein Heer entläßt, uns heimzusuchen:
Er hat gehört von unserm Einverständnis,
Und 's ist nur Klugheit, wider ihn sich rüsten.
Deswegen eilt! Ich muß an andre Freunde
Noch schreiben gehn, und so lebt wohl, Sir Michael!

Von verschiednen Seiten ab.
[258]

Fünfter Aufzug

Erste Szene
Des Königs Lager bei Shrewsbury.

König Heinrich, Prinz Heinrich, Prinz Johann, Sir Walter Blunt und Falstaff treten auf.

KÖNIG HEINRICH.
Wie blutig über jenen busch'gen Hügel
Die Sonne blickt hervor! Der Tag sieht bleich
Ob ihrem kranken Schein.
PRINZ HEINRICH.
Der Wind aus Süden
Tut, was sie vorhat, als Trompeter kund
Und sagt, durch hohles Pfeifen in den Blättern,
Uns Sturm vorher und einen rauhen Tag.
KÖNIG HEINRICH.
So stimm' er dann in der Verlierer Sinn,
Denn nichts scheint denen trübe, die gewinnen.

Trompete. Worcester und Vernon kommen.

Wie nun, Mylord von Worcester? 's ist nicht gut,
Daß Ihr und ich auf solchem Fuß uns treffen,
Als jetzt geschieht: Ihr täuschtet unser Zutraun
Und zwangt mir, statt der weichen Friedenskleider,
Die alten Glieder in unglimpflich Erz.
Das ist nicht gut, Mylord, das ist nicht gut.
Was sagt Ihr? Wollt Ihr wiederum entschürzen
Den Knoten dieses allverhaßten Kriegs?
Und Euch im unterwürf'gen Kreis bewegen,
Wo Ihr ein schön natürlich Licht verlieht,
Und ferner nicht ein dunstig Meteor,
Ein Schreckenszeichen sein, das lauter Unheil
Noch ungebornen Zeiten prophezeit?
WORCESTER.
Hört mich, mein Fürst!
[259]
Was mich betrifft, mir wär' es ganz genehm,
Den Überrest von meinen Lebenstagen
Der Ruh' zu pflegen; denn ich kann beteuern,
Nie hab' ich dieses Tages Bruch gesucht.
KÖNIG HEINRICH.
Ihr habt ihn nicht gesucht? Woher denn kam er?
FALSTAFF.
Die Rebellion lag ihm vor den Füßen, und da nahm er sie auf.
PRINZ HEINRICH.
Still, Frikassee! Still!
WORCESTER.
Eu'r Majestät beliebt' es, Eure Blicke
Der Gunst von uns und unserm Haus zu wenden;
Und dennoch muß ich Euch erinnern, Herr,
Wir waren Euch die ersten, nächsten Freunde;
Um Euch zerbrach ich meines Amtes Stab
Zu Richards Zeit und reiste Tag und Nacht,
Euch zu begegnen, Eure Hand zu küssen,
Als Ihr an Rang und Würdigkeit noch längst
So stark und so beglückt nicht wart als ich.
Ich war es und mein Bruder und sein Sohn,
Die heim Euch brachten und der Zeit Gefahren
Mit kühnem Mut getrotzt. Ihr schworet uns,
Und diesen Eid schwort Ihr zu Doncaster, –
Ihr hättet keinen Anschlag auf den Staat,
Noch Anspruch, als Eu'r heimgefallnes Recht,
Gaunts Sitz, das Herzogtum von Lancaster,
Wozu wir Hülf' Euch schworen. Doch in kurzem,
Da regnete das Glück auf Euer Haupt,
Und solche Flut von Hoheit fiel auf Euch, –
Durch unsern Beistand teils, des Königs Ferne,
Das Unrecht einer ausgelaßnen Zeit,
Die scheinbar'n Leiden, so Ihr ausgestanden,
Und widerwärt'ge Winde, die den König
So lang' in seinen ir'schen Kriegen hielten,
Daß ihn in England alle tot geglaubt; –
Von diesem Schwarme günst'ger Dinge nahmt Ihr
Die schnell zu werbende Gelegenheit,
In Eure Hand das Regiment zu fassen;
Vergaßt, was Ihr zu Doncaster geschworen,
[260]
Und tatet, da wir Euch gepflegt, an uns,
Wie die unedle Brut, des Kuckucks Junges,
Dem Sperling tut: bedrücktet unser Nest,
Wuchst so gewaltig an durch unsre Pflege,
Daß unsre Lieb' Euch nimmer durfte nahn
Aus Furcht, erwürgt zu werden; ja, wir mußten
Uns sicher stellen mit behendem Flug
Vor Eurem Blick und diese Kriegsmacht werben,
Womit wir Gegner Euch durch Mittel sind,
Wie Ihr sie selbst geschmiedet wider Euch
Durch kränkendes Verfahren, droh'nde Mienen
Und aller Treu' Verletzung, die Ihr uns
In Eures Unternehmens Jugend schwort.
KÖNIG HEINRICH.
Dies habt Ihr freilich stückweis hergezählt,
Auf Märkten ausgerufen, in den Kirchen
Verlesen, um das Kleid der Rebellion
Mit einer schönen Farbe zu verbrämen,
Die Wankelmüt'gen in die Augen sticht
Und armen Mißvergnügten, welche gaffen
Und die Ellbogen reiben, auf die Nachricht
Von Neuerung, die drauf und drunter geht;
Und niemals fehlten solche Wasserfarben
Dem Aufruhr, seine Sache zu bemalen,
Noch solche finstre Bettler, die nach Zeiten
Des blinden Mords und der Verwirrung schmachten.
PRINZ HEINRICH.
In beiden Heeren gibt es manche Seele,
Die teuer diesen Zwist bezahlen wird,
Wenn's zur Entscheidung kommt. Sagt Eurem Neffen,
Der Prinz von Wales stimm' ein mit aller Welt
In Heinrich Percys Lob; bei meiner Hoffnung!
Das jetz'ge Unternehmen abgerechnet,
Glaub' ich nicht, daß solch wackrer Edelmann,
So rüstig tapfer, tapfer jugendlich,
So kühn und mutig, außer ihm noch lebt,
Mit edlen Taten unsre Zeit zu schmücken.
Was mich betrifft, ich sag's zu meiner Scham,
Ich war im Rittertum ein Müßiggänger,
Und dafür, hör' ich, sieht er auch mich an.
[261]
Doch dies vor meines Vaters Majestät:
Ich bin's zufrieden, daß er mir voraus
Den großen Ruf und Namen haben mag,
Und will, auf beiden Seiten Blut zu sparen,
Mein Glück im einzlen Kampf mit ihm versuchen.
KÖNIG HEINRICH.
Und, Prinz von Wales, so wagen wir dich dran,
Obschon unendlich viel Erwägungen
Dawider sind. – Nein, guter Worcester, nein,
Wir lieben unser Volk; wir lieben selbst
Die, so mißleitet Eurem Vetter folgen;
Und wenn sie unsrer Gnad' Erbieten nehmen,
Soll er und sie und Ihr und jedermann
Mein Freund von neuem sein, und ich der seine:
Sagt Eurem Vetter das und meldet mir,
Was er beschließt! – Doch will er uns nicht weichen,
So steht Gewalt und Züchtigung uns bei,
Die sollen ihren Dienst tun. – Somit geht,
Behelligt jetzt uns mit Erwidern nicht:
Nehmt weislich auf, was unsre Milde spricht!

Worcester und Vernon ab.
PRINZ HEINRICH.
Sie nehmen es nicht an, bei meinem Leben!
Der Douglas und der Heißsporn mit einander,
Sie bieten einer Welt in Waffen Trotz.
KÖNIG HEINRICH.
Drum fort, zu seiner Schar ein jeder Führer!
Auf ihre Antwort greifen wir sie an,
Und Gott beschirme die gerechte Sache!

König Heinrich, Blunt und Prinz Johann ab.
FALSTAFF.

Heinz, wenn du mich in der Schlacht am Boden siehst, so komm und stelle dich schrittlings über mich, so: – es ist eine Freundespflicht.

PRINZ HEINRICH.
Niemand als ein Kolossus kann dir diese Freundschaft erweisen. Sag dein Gebet her und leb wohl!
FALSTAFF.
Ich wollte, es wäre Schlafenszeit, Heinz, und alles gut.
PRINZ HEINRICH.
Ei, du bist Gott einen Tod schuldig. Ab.
FALSTAFF.

Er ist noch nicht verfallen, ich möchte ihn nicht gern vor seinem Termin bezahlen. Was brauche ich so bei [262] der Hand zu sein, wenn er mich nicht ruft? Gut, es mag sein: Ehre beseelt mich vorzudringen. Wenn aber Ehre mich beim Vordringen entseelt? Wie dann? Kann Ehre ein Bein ansetzen? Nein. Oder einen Arm? Nein. Oder den Schmerz einer Wunde stillen? Nein. Ehre versteht sich also nicht auf die Chirurgie? Nein. Was ist Ehre? Ein Wort. Was steckt in dem Wort Ehre? Was ist diese Ehre? Luft. Eine feine Rechnung! – Wer hat sie? Er, der vergangene Mittwoch starb. Fühlt er sie? Nein. Hört er sie? Nein. Ist sie also nicht fühlbar? Für die Toten nicht. Aber lebt sie nicht etwa mit den Lebenden? Nein. Warum nicht? Die Verleumdung gibt es nicht zu. Ich mag sie also nicht. – Ehre ist nichts als ein gemalter Schild beim Leichenzuge, und so endigt mein Katechismus. Ab.

Zweite Szene
Das Lager der Rebellen.

Worcester und Vernon treten auf.

WORCESTER.
O nein, Sir Richard! Ja nicht darf mein Neffe
Des Königs gütiges Erbieten wissen.
VERNON.
Er sollt' es doch.
WORCESTER.
Dann ist's um uns geschehn.
Es ist durchaus unmöglich, kann nicht sein,
Daß uns der König Wort im Lieben hielte;
Er wird uns mißtraun und die Zeit ersehn,
In andern Fehlern dies Vergehn zu strafen.
Stets wird der Argwohn voller Augen stecken;
Denn dem Verrat traut man nur wie dem Fuchs,
Der, noch so zahm, gehegt und eingesperrt,
Nicht abläßt von den Tücken seines Stamms.
Seht, wie Ihr wollt, ernst oder lustig, aus,
Die Auslegung wird Euren Blick mißdeuten,
Und leben werden wir, wie Vieh im Stall,
Je mehr gepflegt, je näher stets dem Tode.
Des Neffen Fehltritt kann vergessen werden,
Denn hitzig Blut entschuldigt ihn und Jugend
Und ein als Vorrecht beigelegter Name:
[263]
Ein schwindelköpf'ger Heißsporn, jähen Muts.
All seine Sünden fallen auf mein Haupt
Und seines Vaters; wir erzogen ihn,
Und da von uns ihm die Verderbnis kam,
So büßen wir, als Quell von allem, alles.
Drum, lieber Vetter, Heinrich wisse nie,
In keinem Fall, des Königs Anerbieten!
VERNON.
Bestellt dann, was Ihr wollt, ich will's bejahn;
Da kommt der Vetter.

Percy und Douglas kommen, Offiziere und Soldaten hinter ihnen.
PERCY.
Mein Oheim ist zurück, – nun liefert aus
Den Lord von Westmoreland! – Oheim, was bringt Ihr?
WORCESTER.
Der König wird sogleich die Schlacht Euch bieten.
DOUGLAS.
So fodert ihn durch Lord von Westmoreland!
PERCY.
Lord Douglas, gehet Ihr und sagt ihm das!
DOUGLAS.
Fürwahr, das will ich, und von Herzen gern.
Ab.
WORCESTER.
Der König zeigt von Gnade keinen Schein.
PERCY.
Und batet Ihr ihn drum? – Verhüt' es Gott!
WORCESTER.
Ich sagt' ihm sanft von unseren Beschwerden
Und seinem Meineid; – dies beschönigt' er,
Indem er abschwur, daß er falsch geschworen.
Rebellen, Meuter schilt er uns und droht,
Dies Tun zu geißeln mit der Waffen Zwang.

Douglas kommt zurück.
DOUGLAS.
Auf, Ritter! Zu den Waffen! Kecken Trotz
Hab' ich in König Heinrichs Hals geschleudert,
Und Westmoreland, der Geisel war, bestellt ihn;
Unfehlbar treibt es schleunig ihn heran.
WORCESTER.
Der Prinz von Wales trat bei dem König auf
Und, Neffe, fodert' Euch zum einzlen Kampf.
PERCY.
Oh, läg' der Zwist auf unsern Häuptern doch,
Und niemand sonst käm' heute außer Atem
Als ich und Heinrich Monmouth! Sagt mir, sagt mir,
Wie klang sein Antrag? Schien er voll Verachtung?
VERNON.
Nein, auf mein Wort! Zeitlebens hört' ich nicht
Bescheidner einen Feind herausgefodert,
Es müßt' ein Bruder denn den Bruder mahnen
[264]
Zur Waffenprob' und friedlichem Gefecht.
Er gab Euch alle Pflichten eines Manns,
Staffiert' Eu'r Lob mit fürstlich reicher Zunge,
Zählt' Eu'r Verdienst wie eine Chronik auf,
Euch immer höher stellend als sein Lob,
Das er zu schwach fand gegen Euren Wert;
Und, was ihm ganz wie einem Prinzen stand,
Er tat errötende Erwähnung seiner
Und schalt mit Anmut seine träge Jugend,
Als wär' er da zwiefachen Geistes Herr,
Zu lehren und zu lernen auf einmal.
Da hielt er inn': doch laßt der Welt mich sagen,
Wenn er dem Neide dieses Tags entgeht,
Besaß noch England nie so süße Hoffnung,
So sehr in ihrem Leichtsinn mißgedeutet.
PERCY.
Es scheint ja, Vetter, du bist ganz verliebt
In seine Torheit: niemals hört' ich noch
Von einem Prinzen solche wilde Freiheit.
Doch sei es, wie es will, einmal vor nachts
Will ich ihn mit Soldatenarm umfassen,
Daß er erliegen soll vor meinem Gruß. –
Auf! Waffnet euch! – Und, Krieger, Freunde, Brüder,
Erwäget besser, was ihr habt zu tun,
Als ich, der nicht der Zunge Gabe hat,
Eu'r Blut durch Überredung kann erhitzen

Ein Bote kommt.
BOTE.
Herr, da sind Briefe für Euch.
PERCY.
Ich kann sie jetzt nicht lesen. –
Oh, edle Herrn, des Lebens Zeit ist kurz:
Die Kürze schlecht verbringen, wär' zu lang',
Hing' Leben auch am Weiser einer Uhr
Und endigte, wie eine Stunde kömmt.
Wir treten Kön'ge nieder, wenn wir leben;
Wenn sterben: wackrer Tod, mit Fürsten sterben!
Nun, was Gewissen gilt: – gut sind die Waffen,
Ist nur die Absicht, die sie führt, gerecht.

Ein andrer Bote kommt.
[265] BOTE.
Herr, rüstet Euch, der König naht in Eil'.
PERCY.
Ich dank' es ihm, daß er mich unterbricht,
Denn Reden ist mein Fach nicht. – Nur noch dies:
Tu' jeder, was er kann; und hier zieh' ich
Ein Schwert, des Stahl ich mit dem besten Blut
Beflecken will, dem ich begegnen kann
Im Abenteuer dieses furchtbar'n Tags.
Nun: Espérance! Percy! und hinan!
Tönt all die hohen Krieges-Instrumente
Und laßt umarmen uns bei der Musik:
Denn, Himmel gegen Erde! mancher wird
Nie mehr erweisen solche Freundlichkeit.

Trompeten. Sie umarmen sich und gehen ab.
Dritte Szene
Ebene bei Shrewsbury.

Angriffe und fechtende Parteien. Feldgeschrei. Dann kommen Douglas und Blunt von verschiedenen Seiten.

BLUNT.
Wie ist dein Name, daß du in der Schlacht
Mich so mußt kreuzen? Welche Ehre suchst du
Auf meinem Haupt?
DOUGLAS.
Mein Nam' ist Douglas, wisse,
Und ich verfolge so dich in der Schlacht,
Weil man mir sagt, daß du ein König bist.
BLUNT.
Man sagt dir wahr.
DOUGLAS.
Dem Lord von Stafford kam die Ähnlichkeit
Schon hoch zu stehn; statt deiner, König Heinrich,
Hat ihn dies Schwert erlegt; das soll's auch dich,
Wenn du dich nicht gefangen mir ergibst.
BLUNT.
Das ist nicht meine Art, du stolzer Schotte!
Hier find'st du einen König, der den Tod
Lord Staffords rächt.

Sie fechten, und Blunt fällt. Percy kommt.
PERCY.
O Douglas, wenn du so zu Holmedon fochtest,
Nie triumphiert' ich über einen Schotten.
[266] DOUGLAS.
Gewonnen! Sieg! Hier liegt entseelt der König.
PERCY.
Wo?
DOUGLAS.
Hier!
PERCY.
Der, Douglas? Nein, ich kenne dies Gesicht:
Ein wackrer Ritter war's, sein Name Blunt,
In gleicher Rüstung wie der König selbst.
DOUGLAS.
Ein Narr mit deiner Seel', wohin sie geht!
Zu hoch erkauft ist dein erborgter Titel.
Weswegen sagtest du, du seist ein König?
PERCY.
Viel Ritter fechten in des Königs Röcken.
DOUGLAS.
Bei diesem Schwert, ich töt' all seine Röcke,
Ich mord' ihm die Gard'robe, Stück für Stück,
Bis ich den König treffe.
PERCY.
Auf, und hin!
Es steht aufs beste für des Tags Gewinn.

Beide ab. Neues Getümmel. Falstaff kommt.
FALSTAFF.

Zu London kriegt' ich nicht leicht einen Hieb, aber hier fürchte ich mich davor. Hier kreiden sie die Zeche nicht anders an, als gleich auf den Kopf. – Sacht! wer bist du da? Sir Walter Blunt. – Ihr habt Euer Teil Ehre weg; das ist nun keine Eitelkeit. – Ich bin so heiß, wie geschmolznes Blei, und so schwer ebenfalls; Gott halte mir Blei aus dem Leibe! Ich brauche nicht mehr Last, als meine eignen Eingeweide. – Ich habe mein Lumpenpack hingeführt, wo sie eingepökelt sind: nur drei von meinen hundertundfunfzigen sind noch am Leben; und die sind gut für die Stadttore, ihr Lebenlang zu betteln. Aber wer kommt da?


Prinz Heinrich kommt.
PRINZ HEINRICH.
Was stehst du müßig hier? Leih' mir dein Schwert!
Schon mancher Edelmann liegt starr und steif
Unter den Hufen prahlerischer Feinde
In ungerochnem Tod. Dein Schwert, ich bitte!
FALSTAFF.

O Heinz, ich bitte dich, laß mich ein Weilchen Atem schöpfen! Der Türke Gregor hat nie solche Kriegstaten vollbracht, als ich an diesem Tage. Dem Percy habe ich sein Teil gegeben, der ist in Sicherheit.

[267] PRINZ HEINRICH.
Das ist er auch, und lebt, dich umzubringen. Ich bitte dich, leih' mir dein Schwert!
FALSTAFF.

Nein, bei Gott, Heinz, wenn Percy noch am Leben ist, so kriegst du mein Schwert nicht; aber nimm mein Pistol, wenn du willst!

PRINZ HEINRICH.
Gib es mir! Wie? Steckt es im Futteral?
FALSTAFF.
Ja, Heinz, 's ist heiß! 's ist heiß! Das wird den aufrührischen Sektengeist zu Paaren treiben.

Der Prinz zieht eine Flasche Sekt heraus.
PRINZ HEINRICH.
Was? Ist dies eine Zeit zu Späßen und Possen? Wirft ihm die Flasche zu und geht ab.
FALSTAFF.

Gut, wenn Percy noch nicht erstochen ist, so will ich ihn anstechen. Er zieht den Kork von der Flasche und trinkt. – Kommt er mir in den Weg, je nun; tut er's nicht, und ich komme ihm freiwillig in den seinen, so soll er eine Karbonade aus mir machen. Ich mag nicht solche grinsende Ehre, als Sir Walter hat. Laßt mir das Leben! Kann ich's davon bringen, gut; wo nicht, so kommt die Ehre ungebeten, und damit aus. Ab.

Vierte Szene
Getümmel, Angriffe. Hierauf kommen der König, Prinz Heinrich, Prinz Johann und Westmoreland.

KÖNIG HEINRICH.
Ich bitte dich,
Heinrich, geh in dein Zelt: du blutest stark.
Geht mit ihm, Lord Johann von Lancaster!
PRINZ JOHANN.
Ich nicht, mein Fürst, ich müßte selbst denn bluten.
PRINZ HEINRICH.
Ich bitte Eure Majestät, brecht auf:
Es schreckt die Unsern, wenn man Euch vermißt.
KÖNIG HEINRICH.
Das will ich auch.
Mylord von Westmoreland, führt ihn in sein Zelt!
WESTMORELAND.
Kommt, Prinz, ich will in Euer Zelt Euch führen.
PRINZ HEINRICH.
Mich führen, Herr? Ich brauche keine Hülfe.
Verhüte Gott, daß einer Schramme wegen
[268]
Der Prinz von Wales verlassen sollt' ein Feld,
Wo blutbefleckt der Adel liegt im Staub
Und Aufruhr im Gemetzel triumphiert!
PRINZ JOHANN.
Wir ruhn zu lang: – kommt, Vetter Westmoreland!
Dort ruft uns Pflicht; um Gottes willen, kommt!

Prinz Johann und Westmoreland ab.
PRINZ HEINRICH.
Beim Himmel, Lancaster, du täuschtest mich;
Ich glaubte nicht dich Meister solches Muts:
Zuvor liebt' ich als Bruder dich, Johann,
Doch nun verehr' ich dich wie meine Seele.
KÖNIG HEINRICH.
Ich sah ihn Percy von der Brust sich wehren
Und rüst'ger stand ihm halten, als sich ließ
Erwarten von so unerwachsnem Krieger.
PRINZ HEINRICH.
Oh, dieser Knabe leiht uns allen Feuer.

Ab.

Getümmel. Douglas tritt auf.
DOUGLAS.
Ein andrer König noch!
Sie wachsen wie der Hydra Köpfe nach.
Ich bin der Douglas, allen denen tödlich,
Die diese Farben tragen. – Wer bist du,
Der du als König dich verkleidet hast?
KÖNIG HEINRICH.
Der König selbst, dem's herzlich leid ist, Douglas,
Daß du so viele seiner Schatten trafst
Und nicht den König selbst. Zwei Söhne hab' ich,
Die suchen dich und Percy rings im Feld;
Doch da du dich so glücklich dargeboten,
Nehm' ich es auf mit dir: verteid'ge dich!
DOUGLAS.
Ich fürcht', auch du bist nur ein Afterbild,
Und doch, mein' Treu', gehabst du dich als König.
Doch mein bist du gewiß, wer du auch seist,
Und so besieg' ich dich.

Sie fechten: da der König in Gefahr ist, kommt Prinz Heinrich dazu.
PRINZ HEINRICH.
Das Haupt auf, schnöder Schotte, oder nie
Hältst du es wiederum empor! Die Geister
[269]
Des Shirley, Stafford, Blunt sind all' in mir.
Es ist der Prinz von Wales, der dich bedroht,
Der nie verheißt, wo er nicht zahlen will.

Sie fechten, Douglas flieht.

Getrost, mein Fürst! Wie steht's mit Euer Hoheit?
Sir Nicholas Gawsey hat gesandt um Hülfe,
Und Clifton auch; ich will zum Clifton gleich.
KÖNIG HEINRICH.
Halt! Atm' ein Weilchen auf!
Du hast gelöset die verlorne Meinung
Und dargetan, mein Leben sei dir teuer,
Da du so edle Rettung mir gebracht.
PRINZ HEINRICH.
O Himmel, wie mir die zu nahe taten,
Die stets gesagt, ich laur' auf Euren Tod!
Wär' das, so konnt' ich ja gewähren lassen
Die freche Hand des Douglas über Euch,
Die Euch so schleunig hätte weggerafft,
Als alle gift'gen Tränke in der Welt,
Und Eurem Sohn Verräter-Müh' erspart.
KÖNIG HEINRICH.
Brich auf zum Clifton: ich zu Nicholas Gawsey.

König Heinrich ab. Percy tritt auf.
PERCY.
Irr' ich mich nicht, so bist du Heinrich Monmouth.
PRINZ HEINRICH.
Du sprichst, als wollt' ich meinen Namen leugnen.
PERCY.
Mein Nam' ist Heinrich Percy.
PRINZ HEINRICH.
Gut, so seh' ich
Den tapfersten Rebellen dieses Namens.
Ich bin der Prinz von Wales, und denk' nicht, Percy,
An Herrlichkeit mir ferner gleich zu stehn:
Zwei Sterne kreisen nicht in einer Sphäre;
In einem England können zwei nicht herrschen,
Du, Heinrich Percy, und der Prinz von Wales.
PERCY.
Gewiß nicht, Heinrich! Denn die Stunde kam,
Wo einer von uns endet; wollte Gott,
Dein Nam' in Waffen wär' so groß als meiner!
PRINZ HEINRICH.
Ich mach' ihn größer, eh' ich von dir scheide.
[270]
Und alle Ehren, auf dem Helm dir sprießend,
Will ich zum Kranze pflücken für mein Haupt.
PERCY.
Nicht länger duld' ich deine Prahlerei'n.

Sie fechten. Falstaff tritt auf.
FALSTAFF.
Recht so, Heinz! Dran, Heinz! –
Nein, hier gibt's kein Kinderspiel, das könnt ihr glauben.

Douglas kommt und ficht mit Falstaff, der niederfällt, als wenn er tot wäre. Hierauf Douglas ab. Percy wird verwundet und fällt.
PERCY.
O Heinrich, du beraubst mich meiner Jugend!
Mich kränkt nicht der Verlust des flücht'gen Lebens
Wie dein an mir ersiegter stolzer Ruhm:
Der trifft den Sinn, mehr als dein Schwert mein Fleisch.
Doch ist der Sinn des Lebens Sklav', das Leben
Der Narr der Zeit; und Zeit, des Weltlaufs Zeugin,
Muß enden. Oh, ich könnte prophezein,
Nur daß die erd'ge, kalte Hand des Todes
Den Mund mir schließt. – Nein, Percy, du bist Staub
Und Speise für –

Stirbt.
PRINZ HEINRICH.
Für Würmer, wackrer Percy! Großes Herz, leb wohl!
Wie eingeschwunden, schlecht gewebter Ehrgeiz!
Als dieser Körper einen Geist enthielt,
War ihm ein Königreich zu enge Schranke;
Nun sind zwei Schritte der gemeinsten Erde
Ihm Raum genug. – Kein beßrer Krieger lebt
In diesem Lande, wo du leblos liegst.
Wenn du gefühlig wärst für Freundlichkeit,
So würd' ich nicht so warmen Eifer zeigen.
Doch laß mich dein entstellt Gesicht verhüllen
Mit meinem Schmuck; und selbst in deinem Namen
Dank' ich mir diese holden Liebesdienste.
Leb wohl, und nimm dein Lob mit dir zum Himmel!
Es schlaf' im Grabe deine Schmach mit dir
Und sei in deiner Grabschrift nicht erwähnt!
Er sieht Falstaff am Boden liegen.

[271]
Wie, alter Freund? Konnt' all dies Fleisch denn nicht
Ein bißchen Leben halten? Armer Hans, leb wohl!
Ich könnte besser einen Bessern missen.
Oh, bitter würde dein Verlust mich schmerzen,
Wenn mir die Eitelkeit noch läg' am Herzen!
Heut hat der Tod manch edles Wild umstellt,
Doch kein so feistes Wild als dies gefällt.
So lange, bis ich eingesargt dich sehe,
Lieg' hier im Blut, in edlen Percys Nähe!

Ab.
FALSTAFF
langsam aufstehend.

Eingesargt! Wenn du mich heute einsargst, so gebe ich dir Erlaubnis, mich morgen einzupökeln, und zu essen obendrein. Blitz, es war Zeit, eine Maske anzunehmen, sonst hätte mich der hitzige Brausekopf von Schotten gar zum Schatten gemacht. Eine Maske? Ich lüge, ich bin keine Maske; sterben heißt eine Maske sein, denn der ist nur die Maske eines Menschen, der nicht das Leben eines Menschen hat; aber die Maske des Todes annehmen, wenn man dadurch sein Leben erhält, heißt das wahre und vollkommne Bild des Lebens sein. Das bessere Teil der Tapferkeit ist Vorsicht, und mittelst dieses besseren Teils habe ich mein Leben gerettet. Wetter, ich fürchte mich vor dem Schießpulver Percy, ob er schon tot ist; wenn er auch eine Maske angenommen hätte und stünde auf? Ich fürchte, er würde seine Maske besser spielen. Darum will ich ihn in Sicherheit bringen, ja, und will schwören, daß ich ihn umgebracht habe. Warum könnte er nicht eben so gut aufstehen wie ich? Nichts kann mich widerlegen als Augen, und hier sieht mich niemand. Er sticht nach ihm. Also kommt, Bursch! Mit einer neuen Wunde im Schenkel müßt Ihr mit mir fort. Nimmt Percy auf den Rücken.


Prinz Heinrich kommt mit Prinz Johann.
PRINZ HEINRICH.
Komm, Bruder! Mannhaft hast du eingeweiht
Dein junges Schwert.
PRINZ JOHANN.
Doch still! Was gibt es hier?
Spracht Ihr nicht, dieser feiste Mann sei tot?
PRINZ HEINRICH.
Ich tat's; ich sah tot, atemlos und blutend
Ihn auf dem Boden –
[272]
Sag, lebst du, oder ist es Phantasie,
Die das Gesicht uns blendet? Bitte, sprich!
Wir traun nicht unserm Aug' ohn' unser Ohr:
Du bist nicht, was du scheinst.
FALSTAFF.

Ja, das ist gewiß, denn ich bin kein doppelter Mensch, aber wenn ich nicht Hans Falstaff bin, so bin ich ein Hanswurst. Da habt Ihr den Percy: Wirft den Leichnam nieder. Will Euer Vater mir etwas Ehre erzeigen, gut; wo nicht, so laßt ihn den nächsten Percy selbst umbringen! Ich erwarte, Graf oder Herzog zu werden, das kann ich Euch versichern.

PRINZ HEINRICH.
Ei, den Percy brachte ich selbst um und sah dich tot.
FALSTAFF.

So, wirklich? – Ach, großer Gott, wie die Welt dem Lügen ergeben ist! – Ich gebe Euch zu, ich war am Boden und außer Atem; das war er auch; aber wir standen beide in einem Augenblicke auf und fochten eine gute Stunde nach der Glocke von Shrewsbury. Will man mir glauben, gut; wo nicht, so fällt die Sünde auf deren Haupt, die die Tapferkeit belohnen sollten. Ich sterbe darauf, daß ich ihm diese Schenkelwunde versetzt habe; lebte der Mann noch und wollte es leugnen, so sollte er ein Stück von meinem Degen aufessen.

PRINZ JOHANN.
Nie hört' ich solche seltsame Geschichte.
PRINZ HEINRICH.
Dies ist ein seltsamer Gesell, mein Bruder. –
Komm, trag' die Bürde stattlich auf dem Rücken:
Für mein Teil, schafft dir eine Lüge Gunst,
Vergold' ich sie mit meinen schönsten Worten.
Trompeten.

Man bläst zum Rückzug, unser ist der Tag.
Kommt, Bruder, gehn wir auf der Walstatt Höhe,
Zu sehn, wer lebt, wer tot ist von den Freunden!

Beide ab.
FALSTAFF.

Ich will hinterdrein, nach Lohn gehn. Wer mich belohnt, dem lohne es Gott! Wenn ich zunehme, so will ich abnehmen, denn ich will purgieren, und den Sekt lassen, und säuberlich leben, wie sich's für einen Edelmann schickt.


Geht ab mit der Leiche.
[273]
Fünfte Szene
Trompeten, König Heinrich, Prinz Heinrich, Prinz Johann, Westmoreland und andre, mit Worcester und Vernon als Gefangnen.

KÖNIG HEINRICH.
So fand Rebellion stets ihre Strafe. –
Argmüt'ger Worcester! Sandten wir nicht Gnade,
Verzeihung, freundlichen Vergleich euch allen?
Und dies Erbieten durftest du verleugnen?
Mißbrauchen deines Neffen ganz Vertraun?
Drei Ritter, heute unsrerseits geblieben,
Ein edler Graf und manche Kreatur
Wär' noch zur Stund' am Leben,
Hättest du treulich als ein Christ bestellt
Wahrhafte Botschaft zwischen unsern Heeren.
WORCESTER.
Was ich getan, hieß Sicherheit mich tun!
Und ich empfange dieses Los geduldig,
Weil es so unvermeidlich auf mich fällt.
KÖNIG HEINRICH.
Führt Worcester hin zum Tod, und Vernon auch:
Mit andern Schuld'gen wollen wir's erwägen.

Worcester und Vernon werden mit Wache abgeführt.
Wie geht's im Felde?
PRINZ HEINRICH.
Der edle Schott', Lord Douglas, als er sah,
Daß sich des Tages Glück ganz abgewandt,
Der edle Percy tot und seine Leute
Auf flücht'gen Füßen, floh er mit dem Rest
Und fiel, am Abhang stürzend, sich so wund,
Daß man ihn eingeholt. In meinem Zelt
Ist nun der Douglas, und ich bitt Eu'r Gnaden,
Gebt ihn in meine Macht!
KÖNIG HEINRICH.
Von Herzen gern!
PRINZ HEINRICH.
Dann, Prinz Johann von Lancaster, mein Bruder,
Sei Euch dies ehrenvolle Werk erteilt:
Geht zu dem Douglas, setzt in Freiheit ihn,
Wohin er gehn will, ohne Lösegeld:
[274]
Sein Mut, an unsern Helmen heut bewiesen,
Hat uns gelehret, wie man hohe Taten
Selbst in der Gegner Busen ehren muß.
KÖNIG HEINRICH.
Dann bleibt noch dies, daß unsre Macht wir teilen.
Ihr, Sohn Johann und Vetter Westmoreland,
Zieht eiligst hin nach York und trefft mir dort
Northumberland und den Prälaten Scroop,
Die, heißt es, eifrig in den Waffen sind!
Wir, mein Sohn Heinrich, wollen hin nach Wales,
Mit Glendower und dem Grafen March zu streiten.
Rebellion wird hier im Land gedämpft,
Wenn solch ein zweiter Tag sie niederkämpft;
Und weil so glücklich das Geschäft begonnen,
Laßt uns nicht ruhn, bis alles ist gewonnen!

Alle ab.
[275]

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