Zweite Romanze

Doch der grimme Agolante
Auf des Mohrenlandes Throne,
Wie er solche Kunde hörte,
Glühend rot im heißen Zorne,
Alle seine Mohren rief er,
Alle Gläub'gen an Mahoma.
Aus den afrikan'schen Wüsten
Kam der Schwarm herbeigezogen,
Schwarze Scharen aus dem Süden,
Wo die wilden Gluten toben.
All' die Fürsten um den Sultan,
Nieder in den Staub geworfen
Zitterten vor seinem Blicke,
Still erwartend die Gebote.
Und es traten in die Kreise
Klagend nun die Trauerboten,
Wie der Franken Heer Hispanien
Von dem Meer zum Meer erobert;
Und mit Klaggeschrei verkündend,
Wie die Mohren all' ermordet
So die Taufe nicht empfangen,
Und nicht Mahom abgeschworen:
Wie in ihrem Blute liegend,
Rache sie noch schrie'n im Tode.
Ja auch unsers Gottes Bilder
Liegen alle umgeworfen
Von des grimmen Karles Arme,
Der von Meer zum Meer durchzogen
Blutig hat die span'schen Lande,
Und nur eines steht noch oben
Von den goldnen Mahomsbildern,
Allen Mohren uns zum Troste;
Salomkadir das mit Namen,
[102]
Das der hohe Gott Mahoma
Selbst durch mag'sche Kraft gebildet.
Dort am Rand der Meereswogen,
Wo so hoch die Raben fliegen,
Auf dem steilen Felsen oben,
Unbeweglich schaut der Riese
Nach des Südens wilder Zone,
In der Hand die Keule haltend,
Alles ganz von rotem Golde.
Naht sich irgend da ein Christe,
Fallen auf ihn Legionen
Von den grimmen wilden Geistern,
Die Mahoma hat beschworen,
Bannend an das Riesenbildnis
Ihre Kraft durch mag'sche Worte.
Nahte da in Lüften kreisend
Irgend jemals sich ein Vogel,
Fiel er tot alsbald herunter.
Doch ist dieses Bild gewogen
Allen tapfern Sarazenen,
Die für Mahom Blut vergossen;
Wer zu Mahom betend nahet,
Ist für Unheil da geborgen.
Dieses goldne Riesenwunder
Ist alleine noch verschonet,
Es zerbrachen an der Keule
Noch der Christen Lanz' und Dolche.
Von der goldnen Keule haben
Christen-Magier gesprochen,
Daß sie einst in fernen Zeiten
Jener Faust entsinken solle,
Wo sie furchtbar jetzo ruhet,
Wenn ganz Spanien christlich worden.
Doch es wollen dies verhüten
Und uns retten von dem Hohne,
Unsers Riesen Mahoms Glaube
Und der Geister Legionen,
Jene aber ganz zerschmettern.
Als die Mohren das vernommen,
Ward ein Schreien, ward ein Toben,
Racherufen, Lust zum Morden,
Wie von Löwen und Hyänen,
Oder grimmer Tiger Horden.
[103]
Säbel blinken, Rosse wiehern,
Von viel tausend Scharen Mohren
Viele tausend Fahnen wehen,
Die Hispanien durchzogen,
Daß vom Meere bis zum Meere
Alles schwamm in Blutes Strome.
Gegen diese grimmen Scharen
Hat nun Karl sein Schwert erhoben
Mit dem Milo von Angleren,
Daß den Christen sei geholfen;
Herzog Milo, Rolands Vater,
Zog mit Karl und den Genossen
Durch die spanischen Gefilde
Suchend jene blut'gen Horden.
Auf den schönen grünen Wiesen
Fanden endlich sie den Mohren,
Lagerten ihm gegenüber
An der Cera Silberstrome,
Dort wo Sankt Facundi Münster
Nachmals himmelan erhoben,
Und aus blutbesprengtem Grunde
Eine fromme Stadt entsprossen.
Zornentbrannt in seinem Herzen
Und von stolzer Ruhmgier kochend,
Sandte in der Christen Lager
Agolante edle Boten,
Um zu gutem Ritterkampfe
Alle Christen aufzufodern,
Daß von zweien gegen zweie,
Gleicher Anzahl sei gefochten,
Oder tausend gegen tausend,
Wie es selbst die Christen wollten.
Hundert Ritter sandte Karol,
Hundert gegen hundert Mohren.
Lanzen, Schwerter, Helme blinken,
Schnaubend wiehern hell die Rosse,
Doch der Christen Schwerter siegen;
Von der Heiden Blut begossen,
Färbt sich rot die grüne Wiese
An der Cera Silberwoge.
Diese bittre Schmach zu löschen
Sendet an dem andern Morgen
Früh der zorn'ge Agolante
[104]
Jene erste Zahl verdoppelt;
Doch auch diese fallen blutend
In der Kampfbahn hin zum Tode.
Da entfärbt sich Agolante,
Fluchend laut in heißem Zorne;
Und so sollen denn zweitausend
Mit dem ersten Strahl der Sonne,
Auf die blut'ge Wiese hinziehn,
Wär' es auch zu Fluch und Tode.
Und es standen schon die Christen
Schimmernd in dem Glanz Aurorens,
Gleicher Anzahl ihrer wartend,
An der Cera Silberwoge.
Wohl ward da ein gutes Streiten,
Von den Christen, von den Mohren;
Lanzen splittern, Helme springen,
Jählings stürzen hin die Rosse,
Manche Wunde wird geschlagen,
Bis zum letzten Schein der Sonne,
Als von den zweitausend Heiden
Lagen tausend da im Tode,
Und die andern tausend flohen,
Karol hat den Sieg gewonnen.
Da zerrauft sein Haar der alte
Heidenkönig sich am Boden,
Wild in seinem Grimm sich wälzend
Wilder fluchend seinem Gotte.
Und in nächtlich schwarzer Stunde
Läßt er seine Zaub'rer kommen;
Und die Hölle laut beschwörend,
Werfen sie die schwarzen Lose,
Um durch böse Kunst zu finden,
Was der Frommen Blick verborgen.
Und da sieht er in den Losen,
Auf des andern Tages Morgen
Schlimmes Zeichen für die Christen,
An dem einz'gen Tag beschlossen,
Daß sie da den grimmen Unstern
Meiden, oder fallen sollen.
Froh des Unheils sandt' er eilend
Hin zu Karol seine Boten,
Kampf und Schlacht ihm anzutragen
Auf des andern Tages Morgen,
[105]
Welches Karol, froh des Sieges,
Gern dem Heiden angelobte.
In der Frühzeit dieses Tages,
Da geschah es, wie hier folget,
Daß die Krieger so am Abend
Ihre Lanzen in den Boden
An des Flusses grünem Ufer
Schlugen bis zum andern Morgen,
Durch die Nacht sich wacker rüstend
Und zum Kampf die Waffen probend;
Als sie nun gerüstet kamen,
Ihre Lanzen greifen wollten,
Staunend solche grünend fanden,
Festgewurzelt tief im Boden.
Solches schien ein seltsam Wunder,
Göttlich Zeichen wohl von oben.
Dieses Grün war zu bedeuten
Schön'res Grün der Palmen Gottes.
Wessen Lanze grün umlaubt war,
Starb den Tag im Märt'rertode.
Davon grünt ein Wald noch heute,
Von den Stäben, die im Boden
Auf der Wiese dort geblieben
An der Cera Silberwoge.
Denn es waren viel der Lanzen
Viele Märtyrer zum Tode,
Vierzigtausend Christenseelen,
Die den ird'schen Leib verloren,
Zu der Seelen Freud' und Troste.
Und auch Milo ward erkoren
Mit den andern, deren Lanze
Schön geblüht in grüner Krone.
Auch das Roß des guten Karol
Starb an diesem Tag des Todes.
Unerschüttert stand alleine
Kaiser Karol noch der hohe,
(Mit ihm waren nur zweitausend
Seiner Mannen und Genossen)
In der Sarazenen Haufen
Schwang sein Schwert, genannt Gaudiose,
Mitten von einander hauend
[106]
Manchen wilden grimmen Mohren,
Bis am Abend beide Heere
Wieder in die Lager zogen.
Doch am andern Morgen kamen
Vier Markgrafen hergezogen
Von Italiens ferner Grenze,
Mit der Kriegerschar, der frohen;
Solche fürchtend sind die Heiden
Nach Hispanien heimgeflohen.
Und nun merke wohl der Leser,
Wie hier ist bedeutet worden
Durch die Schlacht das Ziel der Männer,
Die für Christus streiten wollen.
Denn wie Karles gute Krieger
Sich gewaffnet auf den Morgen,
Vor dem Kampf sich wacker rüstend;
So auch wir die Waffen sollen
Hoher Tugend uns umkleiden,
Um so kämpfend zu verfolgen
Wilder Laster grimme Drachen.
Wer da guten Sieg erfochten,
Wie wird dessen Lanze grünen
An dem Richtertage Gottes!

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TextGrid Repository (2012). Schlegel, Friedrich. Gedichte. Roland. Zweite Romanze. Zweite Romanze. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-D807-9