[203] Wiener Votivkirche

Ein Dichter schon vor mir 1
Hat dich, du jüngster der Dome,
»Die Kirche ohne Gott« genannt.
Und wahrlich:
Vielleicht hat,
Seit du zu schau'n bist in gepriesener Schönheit,
Kaum ein Herz wahrhaft gläubig in dir gepocht,
Kaum ein Knie zu wahrer Andacht
In dir sich niedergesenkt.
Und so ragst du,
Ob auch täglich von Orgelklang erfüllt und Weihrauchqualm,
Mit deinen Strebepfeilern
Und deinen durchbrochenen Thürmen
Wie ein steinerner Anachronismus empor
Aus glaubensloser Gegenwart.
[204]
Dennoch, wie du jetzt vor mir liegst
Mit geschlossenem Thor
In sommerlicher Nachmittagsstille,
Durchschauert Andacht mich.
Stimmungsvoll
Im leichten Schatten deiner Bogengewölbe
Webt Vergangenheit,
Und mit leisem Fittich umkreis't dich
Traumhaft
Der Geist ferner Jahrhunderte.

Fußnoten

1 Hans Hopfen in seinem Roman »Juschu«.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Saar, Ferdinand von. Gedichte. Gedichte. Drittes Buch. Rhapsodien. Wiener Votivkirche. Wiener Votivkirche. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-AF25-8