Oskar Panizza
(1853–1921)

Oskar Panizza (Fotografie, um 1895)

Biographie


1853

12. November: Oskar Panizza wird in Bad Kissingen in Franken als sechstes Kind des Hoteliers Carl Panizza und seiner auch schriftstellerisch tätigen Frau Mathilde, geb. Speeth, geboren. Er wird katholisch getauft.


1855

26. November: Panizzas Vater stirbt an Typhus. Die Mutter führt das Hotel »Russischer Hof« allein weiter.

Nach dem Willen der Mutter werden alle Kinder protestantisch.

Von der katholischen Kirche angefeindet und verfolgt, verläßt die Mutter mit den Kindern Bad Kissingen und geht nach München.

Verurteilung und Geldstrafe, Bestellung eines katholischen Vormunds für drei Kinder, die die Mutter vor der katholischen Kirche versteckt.


1860

Erster privater Unterricht.

Die Mutter bestimmt Panizza zum Geistlichen.

Ein Sturz vom Hochrad im Kindesalter führt zu einer zeitlebens anhaltenden Gehbehinderung.


1863

Panizza, der schwer lernt, wird auf das private pietistische Knabeninstitut der Brüdergemeinde in Korntal geschickt, um auf das Gymnasium vorbereitet zu werden.

Strenge religiöse Erziehung.


1868

Konfirmation.

Herbst: Schulwechsel auf das Gymnasium nach Schweinfurt.

Erster Klavierunterricht.


1870

Panizza wechselt auf ein Gymnasium in München. Schlechte Leistungen in der Schule.

Fortsetzung der musikalischen Ausbildung. Panizza hat den Wunsch, Sänger zu werden.


1871

Winter zu 1872: Mathilde Panizza nimmt den Sohn in München in ihre Obhut.


1872

Panizza verläßt das Gymnasium ohne Abschluß und besucht unregelmäßig die Handelsschule. Er erhält Privatunterricht.

Besuch der Gesangsklasse des Konservatoriums in München.


1873

Mai: Von der Mutter gezwungen, beginnt Oskar Panizza eine Lehre beim Bankhaus Bloch in Nürnberg.

August: Wegen schlechten Benehmens wird er aus der Lehre entlassen.

Herbst: Einjährig-Freiwilliger beim III. Bayrischen Infanterie-Regiment. Die Warnungen seiner Mutter vor den Konsequenzen halten ihn von der Desertion ab.

Erste literarische und kompositorische Versuche.


1874

Herbst: Entlassung aus dem Militärdienst und Rückkehr nach München aufs Konservatorium mit dem Wunsch, Berufsmusiker zu werden.

Herbst: Panizza erkrankt an der Cholera.

Gasthörer an der Universität, wo er philosophische Vorlesungen besucht.

Panizza ändert seine Pläne: Er will das Abitur nachholen und studieren.


1876

Erneuter Besuch eines Schweinfurter Gymnasiums.

Herbst: Glänzendes Abiturexamen.

Wintersemester: Beginn des Medizinstudiums in München.


1878

Frühjahr: Reise nach Italien. Vermutlich hier infiziert er sich mit Syphilis.


1880

Er promoviert mit dem Prädikat »summa cum laude« zum Dr. med. und erhält seine Approbation.

Militärarzt der Reserve in München.

Reisen nach England und Frankreich. Studium der französischen Literatur, insbesondere der Dramatik.


1881

Halbjähriger Aufenthalt in Paris.


1882

Rückkehr nach München.

Panizza wird Assistenzarzt in der Oberbayerischen Kreisirrenanstalt unter Prof. Dr. Bernhard von Gudden.

Depressive Gemütserkrankung.


1884

Aus gesundheitlichen Gründen und wegen Differenzen mit dem Vorgesetzten kündigt Panizza seine Stelle als Arzt.

Er wendet sich endgültig der Literatur zu.

Herbst: Fortan erhält Panizza eine ihm aus dem Familienerbe zustehende jährliche Rente von 6000 Mark.


1885

Erste literarische Publikation: »Düstre Lieder« (Gedichte).

Panizza läßt sich als praktischer Arzt in München nieder, gibt aber schon nach kurzer Zeit die Praxis wieder auf. Von nun an lebt er ausschließlich von seiner Rente.

Herbst: Reise nach London, wo er sich bis zum Oktober 1886 aufhält.


1886

Literarische Studien im British Museum.


1887

»Londoner Lieder« (Gedichte).


1889

Zeitweiliger Aufenthalt in Berlin.

»Legendäres und Fabelhaftes« (Gedichte).

Panizza studiert die italienische Sprache und Literatur und reist nach Italien.


1890

Panizza verkehrt im Kreis der Münchner Modernen um Michael Georg Conrad.

»Dämmerungsstücke« (Erzählungen).

Beginn der journalistischen Tätigkeit, die für Panizza bis 1902 von herausragender Bedeutung bleibt.


1891

Panizza wird Mitglied der naturalistischen »Gesellschaft für modernes Leben« unter der Führung von Michael Georg Conrad.

20. März: Panizza hält in diesem Kreis seinen Vortrag »Genie und Wahnsinn«. Da er den von den Gegnern der »Gesellschaft« verlangten Austritt ablehnt, wird er aus dem Militärarztverhältnis entlassen.

Die Veröffentlichung seiner »englischen Erinnerung« unter dem Titel »Das Verbrechen in Tavistock-Square« hat eine Anklage gegen Panizza wegen »Vergehens gegen die Sittlichkeit« zur Folge, die jedoch zurückgezogen wird.


1892


»Aus dem Tagebuch eines Hundes« (Satire).


1893

»Visionen« (Erzählungen)

Unter dem Pseudonym Bruder Martin O.S.B. veröffentlich Panizza die satirische Schrift »Die unbefleckte Empfängnis der Päpste«, die umgehend verboten und beschlagnahmt wird.


1894

Erste dramatische Publikation: »Der heilige Staatsanwalt« (Komödie).

»Der deutsche Michel und der römische Papst«, eine antikatholische Kampfschrift, erscheint.

Herbst: »Das Liebeskonzil. Ein Himmelstragödie in fünf Aufzügen« wird veröffentlicht.


1895

»Das Liebeskonzil« wird verboten und beschlagnahmt. Gegen Panizza wird Anklage wegen Gotteslästerung erhoben.

30. April: Verurteilung zu einem Jahr Gefängnis wegen Vergehens gegen die Religion. Ärztliche Bemühungen, Panizza für unzurechnungsfähig zu erklären, scheitern.

8. August: Haftantritt in der Strafanstalt Amberg.

Theodor Lessing publiziert die Schrift »Der Fall Panizza – eine kritische Betrachtung über ›Gotteslästerung‹ und künstlerische Dinge vor Schwurgerichten«.

»Der Illusionismus und die Rettung der Persönlichkeit«, eine individual-anarchistische, unter dem Einfluß Max Stirners verfaßte Schrift, erscheint.

11. Oktober: Uraufführung des Einakters »Ein guter Kerl« in Leipzig. Es bleibt das einzige Stück Panizzas, das zu seinen Lebzeiten aufgeführt wurde.


1896

8. August: Entlassung aus der Haft.

Oktober: »Abschied von München«. Das Werk wird verboten und beschlagnahmt, Panizza wird steckbrieflich verfolgt.

16. Oktober: Emigration nach Zürich.


1897

»Meine Verteidigung in Sachen ›Das Liebeskonzil‹«.

Juni: Gründung des eigenen Verlags und der Zeitschrift »Zürcher Diskußjonen«. Panizza veröffentlicht darin u.a. seine während der Haft geschriebenen »Dialoge im Geiste Huttens« und den Essay »Christus in psichopathologischer Beleuchtung«.


1898

»Psichopatia Criminalis« (politische Satire).

»Nero« (historische Tragödie).

27. Oktober: Panizza wird wegen des Umgangs mit einer minderjährigen Prostituierten, tatsächlich aber wohl aus politischen Gründen, aus der Schweiz ausgewiesen.

21. November: Umzug nach Paris.


1899

Von Paris aus setzt Panizza die Zeitschrift »Zürcher Diskußjonen« fort.

Dezember: Die Gedichtsammlung »Parisjana. Deutsche Verse aus Paris« wird wegen Majestätsbeleidigung (Wilhelms II.) in Deutschland beschlagnahmt und löst eine internationale Fahndung nach Panizza aus.


1900

10. März: Panizzas in Deutschland befindliches Vermögen wird durch die bayerischen Behörden beschlagnahmt. Panizza ist nun mittellos.

Erstes Auftreten der von ihm selbst als solche diagnostizierten Halluzinationen.


1901

13. April: Aufgrund seiner Mittellosigkeit reist Panizza nach München und stellt sich den Behörden. Er wird verhaftet.

22. Juni – 3. August: Zur Untersuchung seines Geisteszustands wird Panizza in der Münchener Kreisirrenanstalt untergebracht.

28. August: Haftentlassung ohne Angabe von Gründen. Ein ärztliches Gutachten erklärt Panizza hinsichtlich des Verfassens der »Parisjana« für unzurechnungsfähig.

Rückkehr nach Paris. Panizza fühlt sich schweren seelischen und körperlichen Belastungen ausgesetzt.


1902

Die letzten Ausgaben der »Zürcher Diskußjonen« erscheinen. Damit endet Panizzas publizistische Tätigkeit; er schreibt jedoch noch bis 1904 zahllose Artikel für seine nicht mehr existierende Zeitschrift.

Verschärftes Auftreten verschiedener Halluzinationen. Panizza glaubt sich von Kaiser Wilhelm II. und dessen Mittelsmännern in den Wahnsinn getrieben.

Zunehmende Isolation.


1903

Panizza arbeitet an »Imperjalja« (bis April 1904, unveröffentlicht), einer der internationalen Presse entnommenen Aufzählung von Schwerstverbrechen, die Wilhelm II. direkt oder indirekt begangen und zu verantworten habe.


1904

23. Juni: Nachdem die Halluzinationen eine unerträgliche Intensität erreicht haben, verläßt Panizza Paris und reist nach Lausanne, dann nach München, wo er sich für zehn Tage freiwillig in eine private Nervenklinik begibt.

20. Juli: Panizza bezieht in München ein Zimmer.

9. Oktober: Selbstmordabsicht.

19. Oktober: Panizza läuft nur im Hemd bekleidet durch München und provoziert damit seine Einweisung in die psychiatrische Klinik.


1905

Februar: Panizza wird in die Bayreuther Heilanstalt St. Gilgenberg eingeliefert.

28. März: Panizza wird gegen seinen Willen entmündigt.

Er setzt seine literarische Tätigkeit fort.


1906

7. November: Datum der letzten schriftlichen, erhaltenen Äußerung Panizzas.


1908

März: Einweisung in das Luxussanatorium Herzogshöhe bei Bayreuth.


1914

»Visionen der Dämmerung«, eine Sammlung bereits früher veröffentlichter Erzählungen, erscheint ohne Panizzas Wissen.


1915

13. August: Tod der Mutter Mathilde Panizza.


1921

28. September: Oskar Panizza stirbt im Sanatorium Herzogshöhe an einem Schlaganfall und wird zwei Tage später auf dem Städtischen Friedhof Bayreuth beigesetzt.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Panizza, Oskar. Biographie: Panizza, Oskar. Biographie: Panizza, Oskar. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-670B-1