An Flavien

B.N.


Wenn meine feder nicht mit rosen-zucker quillet/
Wenn eckel und verdruß aus allen zeilen steigt/
So dencke/ daß der schmertz mein schreiben itzt umhüllet/
Und dir die traurigkeit auff armen blättern zeigt.
Zwey wörter: gute nacht! verrücken hand und sinnen/
Die liebe macht nicht mehr mein hertze geister-voll/
Und alles/ was mir noch kan in die feder rinnen/
Ist/ daß ich/ schönste/ dich nicht länger sprechen soll.
Ach wie betrieglich sind doch hoffnung und gedancken!
Wie schwer verbinden sich doch lieb und mögligkeit!
Was anfangs uns gelückt/ kan noch im ende wancken/
Und morgen donnert offt/ was heute sonnen streut.
Mein lieben war bißher ein paradieß gewesen/
Ein garten/ den ich offt verwundert angeschaut/
Der mich so blumen ließ wie palmen-früchte lesen/
Wenn ihn dein freundlich-seyn mit zucker überthaut.
Die nelcken blühten mir auff deinen zarten wangen/
Dein amber-voller mund trug purpurnen jesmin/
Und machte/ daß ich offt mehr safft und krafft gefangen/
Als bienen honigseim aus hyacinthen ziehn.
Der hals schwamm voller milch von reinen lust-narcissen/
Die brüste fiengen an mit rosen auffzugehn/
Und wilst du mein gelück in einer zeile wissen?
Dein auge/ Flavia/ war auch mein tausendschön.
Diß alles hat der sturm der zeiten mir entzogen/
[104]
Und wie der sonnen licht durch nebel unterdrückt/
Nachdem ein ander mich an anmuth überwogen/
Und dein verliebtes hertz aus meiner hand gerückt.
Du fiengst ihn selber an mit liljen zu beschütten/
Und halffest ihm mit lust auff des gelückes schooß;
Doch alles konte noch bey weitem nicht verhüten/
Daß ich zuweilen auch nicht einen blick genoß.
Itzt aber must du gar aus meinen augen scheiden/
Wie will mein paradieß nicht endlich untergehn!
Denn wenn du Pommern wilst mit deinen rosen kleiden/
So werden künfftig hier nur scharffe dornen stehn.
Was werden? ich bin schon von aller lust verlassen/
Denn himmel und gewalt reist ihren garten ein/
Und heist den liebes-stock vor traurigkeit erblassen/
Mich aber ohne trost/ und ohne blumen seyn.
Das süsse löffel-kraut/ das meinen geist getrieben/
Entzeucht mir seine krafft/ wie du dein angesicht;
Und was mir endlich noch von allen übrig blieben/
Ist nur ein blümichen/ das heist: Vergiß mein nicht.
Diß leg ich/ schönste/ dir zu deinen marmel-füssen/
Ach strahl es/ wie du pflegst/ mit holden augen an;
Weil diß mein leiden doch alleine wird versüssen/
Wenn deine liebe mich nur nicht vergessen kan.
Mehr fordert nicht mein hertz/ wohl aber meine flammen/
Die/ weil ich seuffzen kan/ nicht werden untergehn;
Denn ihre hitze schlägt von weitem auch zusammen/
Und sucht/ was glück und zeit itzt heissen stille stehn.
Ich brenne/ doch der mund muß wider willen schweigen;
Mein feur soll voller qual/ nicht aber redend seyn/
Sonst würd ich dir den schmertz so wie mein hertze zeigen/
Und mehr als thränen-saltz zu deinen füssen streun.
Ach allerschönstes kind/ erkenne mein gemüthe/
Und schau zuweilen mich noch in gedancken an!
Denn hab ich ärmster nur die strahlen deiner güte/
So weiß ich/ daß der tod mir wenig schaden kan.
Ich sterbe mit gedult in meinen harten stricken/
[105]
Wenn deine flamme nur noch meinen geist bewegt;
Denn dieses soll mich auch im tode noch erquicken/
Daß mich die blosse treu zu meinem grabe trägt.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Neukirch, Benjamin. Gedichte. Gedichte. An Flavien. An Flavien. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-6105-C