[202] Der kern aller Prediger und Christen/ Bey der Beerdigung Hn. D. Johann Acoluths/ in Breßlau fürgestellet/ 1689

B.N.


Der zunder der natur/ den Adam noch behielt/
Als klugheit und verstand wie zucker war zerronnen/
Hat zwar in heyden auch so grosses licht gewonnen/
Daß seiner flammen glut durch stumme bilder spielt:
Wenn Rom und Persien unsterblich feuer ehret/
Aus dem die ewigkeit des grossen Gottes blitzt:
Athen der weißheit brunn in der Minerva lehret;
Egypten Isis bild mit hundert brüsten schnitzt/
Zu zeigen: Daß die krafft der geister-vollen erden/
Durch brüste der natur muß unterhalten werden.
Doch mensch und klugheit muß wie grund-eiß untergehn;
Nachdem uns Gott und schrifft zur sonne selber dienen:
Drum läst der grosse fürst der schwartzen Abyßinen/
Ein edler sinnenbild als alle Griechen sehn:
Wenn seiner sclaven hand ihm nach der Mohren sitten/
Drey schaalen auff das gold der schweren tafel stellt;
Davon die erstre obst/ so wie ein creutz zerschnitten/
Der andern umkreiß feur/ der dritten asche hält/
Und jene Christus bild/ die andere der höllen/
Die letzte tod und grufft ihm soll vor augen stellen.
Denn eben dieses ist des glaubens kern und safft/
So wie gebrandter tranck die krafft von zimmet-rinden.
Auff diese pfeiler muß sich Christ und priester gründen/
Der nicht am sünden-koth verdamter wollust hafft:
Und endlich dieses ist/ was noch bey seinem leben
Des nunmehr seligen erblaßter mund gelehrt:
Wenn er wie Memnons bild des morgens thon gegeben/
Die schulen wie der mond die pflantzen hat vermehrt/
Und allen kurtz gesagt: Calovius im lesen/
Im reden Müller ist/ im schreiben Arndt gewesen.
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Der stärckste balsam ist/ der von sich selber wächst;
Die besten priester sind/ die von sich selber steigen:
Sein eyfer fing sich schon in wiegen an zu zeigen/
Und hat nach himmels-thau wie muscheln bald gelechst.
Die lehr-begierde wuchs mit den erlangten jahren/
Der klugheit blüte nahm mit allen stunden zu:
Je schärffer aber offt die müden glieder waren/
Je seltner ließ sein geist papier und büchern ruh:
So gar muß beyderseits gelehrten und den bienen/
Auch müh und arbeit offt nur zur ergetzung dienen.
Des fleißes mißgeburt ist trotz und schmeicheley.
Die pflegt die klügsten auch wie pfauen auszukleiden:
Er aber ließ sich bald durch frembden ruhm bescheiden/
Daß keiner zu gelehrt zu einem priester sey.
Der sprachen grosser brunn/ der alten väter schrifften/
Der secten unterscheid/ der schwermer irrlichts-schein/
Und was die staats-sucht offt vor frieden denckt zu stifften/
Schrieb auch in seine brust mit diamanten ein:
Die müsten etwas mehr als Hobbes bürger wissen/
Die Christum von der welt nicht denken außzuschliessen.
Wie nun die aloe der stauden kostbarkeit
In funffzig jahren erst durch ihre blumen zeiget
Und denn in einer nacht ihr stengel höher steiget/
Als alle stauden sonst die gantze sommer-zeit:
So keimte zwar sein ruhm mit iedem augenblicke;
Denn ehre folgt der müh wie thürmen schatten nach;
Die demuth aber hielt den stengel noch zurücke/
Biß selbst ein hoher rath der blumen riegel brach/
Und er auff eine zeit ein glied im doctor-orden/
Und ober-priester ist im grossen Breßlau worden.
Was aber müh ich mich doch mit der aloe
Den wachsthum dieses haupts an kräfften zu vergleichen?
Was dort im tage blüht/ muß mit der nacht verstreichen;
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Hier schoß der blumen pracht fast stündlich in die höh.
Der traurbaum Indiens scheint seiner zwar zu schonen/
Und schleust nur bey der nacht der blüte flocken auff:
Hier aber wuste nichts als nutzbarkeit zu wohnen/
Kein frost/ kein sonnen-schweiß brach seiner arbeit lauff/
Dadurch er denn bezeugt: Daß priester lampen wären/
Die offt in anderm dienst ihr öle selbst verzehren.
Die krafft/ die nun zuletzt aus diesen blumen schoß/
War/ daß er erstlich Gott recht wuste vorzustellen/
Wenn sein erhitzter mund mit milch und honig-qvellen/
So wie Chrysostomus mit göldnen ströhmen floß.
Denn einen grossen gram von grillen aus sich schütten/
Zeigt nur gelehrsamkeit nicht aber andacht an;
Und Christus selber hat in dornen zwar gelitten;
Er aber Acoluth durch lehren dargethan:
Daß auch granaten-safft in purpur-rothen kronen/
Und Christus ehre kan auff göldnen lippen wohnen.
Doch/ wie ein gärtner nichts/ was ruhm verdient/ gethan/
Der alte bäume stützt und krumme läst veralten:
So ist ein priester nichts/ der fromme nur erhalten/
Nicht aber auch zugleich die sünder straffen kan.
Ambrosius hat schon zu seiner zeit erfahren/
Daß raup und unflat auch in käyser-kronen steckt/
Daß fall und schönheit sich so wie geschwister paaren/
Der sonnen heisse glut auch kröt' und molchen heckt:
Soll nun das stille gifft nicht geist und seele schwächen/
So muß aus himmeln auch zuweilen donner brechen.
Ihr sünder/ die sein mund mit furcht und trost erfüllt/
Helfft meine feder hier durch euer zeugniß schützen
Wie eurer wollust brunst vor seines eyfers blitzen/
So wie ein elephant vor widdern sich gestillt:
Wie dieser Nathan euch durch lehren von der höllen/
Offt zähmer als den stier der feigenbaum gemacht;
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Und Archimedes eh zur ruh sich konte stellen/
Da er der grossen kunst vergebens nachgedacht/
Wie man Egyptenland mit wasser solte träncken/
Als dieser/ wie er euch zum himmel möchte lenken.
Der Mohren letztes bild ist endlich asch und tod;
Der priester drittes ampt/ die lehre recht zu sterben.
An diesem faden hengt errettung und verderben/
Durch diß fällt Caracall in angst und höllen-noth.
Wer aber weiß wohl nicht/ was Acoluth gelehret/
Wenn er die sichre welt des todes überwieß?
Der frommen helden-muth durch himmels-trost vermehret/
Verzagten aber stets in hertz und ohren bließ:
Man müste/ wolte man mit tod und teuffel kriegen/
Wie Constantinens heer/ im creutze Christus siegen.
Und so traff Acoluth mit seinen lehren ein:
Diß war die läuterung der Abyßiner schaalen:
Was aber nützet wohl mit engel-zungen pralen/
Wenn wir im hertzen doch nur Epicurer seyn?
Ein priester/ dessen glantz wie diamanten blitzet/
Und dennoch schlechte spreu vor seine seele wehlt;
Dem auff dem munde milch und rosen-zucker sitzet/
Im hertzen aber geist und lebens-öle fehlt;
Kan uns zur himmelfahrt so wenig schiff und nachen/
Als ohne mittelpunct gewölbte circkel machen.
Den nachruhm/ den auch hier der selige verdient/
Gebrechen mir vielleicht zu schreiben zeit und stunden:
So gar war mund und hertz an einen thon verbunden/
So gar hat blüt und frucht nach einer art gegrünt.
Er wust und glaubte fest: Daß scharlach weissen händen/
Und priestern frömmigkeit am allerschönsten steh;
Drum hub er stets zu Gott/ als wie die sonnen-wenden/
Den gipffel seines haupts mit freuden in die höh/
Und hatte/ was sein mund der kirchen ausgeleget/
In dreyen schalen auch der seelen eingepreget.
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Die erste schaale war sein flammen-volles hertz/
In welchem Christus creutz und seine dornen stunden.
In diesem kühlten sich nun seine liebes-wunden/
So wie ein hirsch durch kraut der glieder gifft und schmertz.
Zwar Alexanders bild ward auch zu Rom getragen/
Und solte dem August ein pfand der ehren seyn:
Allein sein hertz verwarff was Griech und Römer sagen/
Und bildte sich weit mehr mit Christus purpur ein/
Von dessen hoher krafft/ wie sterne von der sonnen/
Die Götter dieser welt selbst ihren glantz gewonnen.
Das glücke/ das der mensch vor seinen abgott hält;
Die ehre/ der wir sonst fußfällig opffer reichen;
Diß alles pflegt' er nur der mutte zu vergleichen/
Die durch der flügel krafft in tod und flamme fällt;
Und ließ der zeiten sturm sein hertz so wenig schwächen/
Als spiegel/ deren glantz nur ein gesichte zeigt/
So bald wir aber nur das taffel-glaß zerbrechen/
Mit gleicher würckungs-krafft aus iedem theile steigt;
So daß in ihm der spruch: Viel leiden und doch hoffen/
Wie beym Empedocles warhafftig eingetroffen.
Und warlich! dieses ist der seelen kieselstein/
Aus dem das helle feur des wahren glaubens springet.
Denn wer in Canaan nach milch und honig ringet/
Muß in Egyptenland vor knecht und sclave seyn.
Corall und perle wächst im faltze tieffer wellen;
Die schönste rose saugt aus nesseln lebens-krafft/
Das beste gummi kan nicht ohne winde qvellen;
So muß nun auch ein geist/ der an dem himmel hafft/
Wie zucker auff der glut/ wie blumen in der erden/
Und Athanasius im creutze kräfftig werden.
Der himmels-liebe kind/ ist die barmhertzigkeit:
Die schwester der gedult den nechsten recht zu lieben;
Und wie Pythagoras sich nur im schweigen üben/
Wenn neid und eiffer gifft wie drachen auff uns speyt.
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Hier aber müssen mir die federn ströme giessen/
Und dennoch riß ich kaum recht unsern todten ab/
Wie er vor wermuths-safft ließ mußcateller fliessen/
Der güter zehnden theil den armen leuten gab;
Und doch so wenig ist ein kind des elends-orden/
Als sein vergnügtes hertz zum Pharisäer worden.
Die andre schaale/ die der selige geführt/
War sein mit glut und feur erfülletes gewissen:
Denn priestern wird so leicht von sünden/ als narcissen
Und lilgen/ fleck und koth von fliegen angeschmiert.
Drum hat er auch niemahls vor engel sich gepriesen/
Er fühlte/ wie ein mensch/ auch angst und seelen-pein/
Und hat der sichern welt mit thränen offt gewiesen:
Wer dorten nicht ein knecht der höllen wolte seyn/
Der müste hier durch reu vor Gottes zorn-gewittern/
So wie Caligula vor blitz und donner zittern.
Sein drittes sinnen-bild war endlich asch und grab/
Die schaale/ die sie trug/ sein festgesetzter glaube.
Wie manchem Nero wird das hertze hier zu staube!
Wie manchem Hannibal fällt schild und harnisch ab!
Er aber ließ uns offt aus seiner andacht lernen:
Daß rühmlich leben nichts/ als täglich sterben sey.
Der tod/ der füge nur so wie cometen-sternen
Den frommen furcht und angst/ nicht aber schaden bey;
Und könne Christen ja so wenig bitter schmecken/
Als mandeln/ weil sie nur in harten schalen stecken.
Und endlich hat er selbst der erden abgedanckt/
Sein geist hat kett und strick des todes durchgerissen/
Und legt die schalen nun zu seines Gottes füssen/
Mit denen hier der leib im leben hat geprangt:
Sein Jesus aber füllt sie alle voller sonnen/
Mit diesen worten an: Das licht der traurigkeit.
Der mund der engel/ die vor liebe fast zerronnen/
Küßt mit der losung ihn: Der seelen liebes-streit.
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Der himmel aber selbst rieff/ eh sie ihn noch küßten:
Diß ist der rechte kern der priester und der Christen.
Ob gleich der himmel nun den grossen geist verwahrt/
So muß Alphonsus stein doch seinem ruhme weichen/
Der auff der wagen sich zwar allen konte gleichen/
Von erden aber so/ wie federn/ leichte ward.
Denn wo Martellus sich kan groß und glücklich schätzen/
Weil er drey söhne läst von gleicher tapfferkeit;
Muß man dem seligen sein lob in marmel ätzen/
Weil ihn der kinder glantz auch in der grufft verneut/
Und er drey söhne läst/ durch die er kan auff erden/
Wie Pfeiffer/ Lauterbach und Krafftheim/ ruchtbar werden.
Drum gebt/ betrübteste/ des himmels donner nach!
Denn schmertz und unglück wird durch thränen nicht verbunden:
Der beste balsam qvillt aus tieff-geritzten wunden/
Und morgen streut offt gold/ was gestern blumen brach.
Der ist nur lobens werth/ der fromm und selig stirbet;
Der aber ist ein Christ/ der seine schwachheit stärckt/
Wie Amianthen-stein im feuer nicht verdirbet/
Als cedern feste steht/ von Mohren aber merckt:
Daß ieder/ der ihm nicht den himmel will verschlagen/
Muß creutze/ feur und asch' in seinem hertzen tragen.

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TextGrid Repository (2012). Neukirch, Benjamin. Gedichte. Gedichte. Der kern aller Prediger und Christen. Der kern aller Prediger und Christen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-60B7-6