Die mit der himmlischen verwechselte Welt-Music/ Bey beerdigung Frauen von Rehdigern fürgestellet 1689

B.N.


Nachdem des glückes ball/ der liebe gauckel-spiel/
Princeßin Anna/ ward aus Engelland vertrieben/
[209]
Weil könig Heinrich nicht ihr wesen konte lieben/
Und seiner alten haut ihr marmel mißgefiel;
Riß das betrübte kind den wechsel ihres orden/
Der ihr vor sonnenschein nun drachen-blicke gab/
Vor grosser hertzens-angst in einer lauten ab/
Mit dieser überschrifft: Sie ist zu thränen worden.
Wer heute noch den thon der sterbligkeit erreicht/
Wird wie taranteln auch leicht in den adern fühlen/
Daß unser gantzes thun nur süssen saiten-spielen/
Und unser glücke sich mit schwachen lauten gleicht.
Denn wenn die saiten offt am allerhellsten klingen/
So wird das gantze spiel durch einen bruch verrückt;
So/ wenn den sterblichen der freuden anfang glückt/
Muß offt das ende nichts als schwere thränen bringen.
Wir fangen schon die lust in kinder-röcken an/
Und wissen weder maaß noch grentzen auszusetzen;
Wenn bald ein apffel uns/ bald zucker mehr ergetzen/
Als affen honigseim im hunger trösten kan.
Die erste stimmung sind die lustigen geberden/
Das lachen aber ist das wahre saiten-spiel;
Doch wenn die mutter uns das gringste nehmen will/
So sieht man spiel und lust zu saltz und thränen werden.
Mit zeit und alter wächst auch die ergetzligkeit/
Wie farben mit der frucht und schatten mit den zweigen/
Der läst sein hochmuths-lied biß an die wolcken steigen/
Ein ander wird durch gold- und silber-klang erfreut;
Doch/ weil man ohne tact das beste lied verderben/
Mit vielem klange nur die ohren schwächen kan;
Was wunder ist es denn/ daß aberwitz und wahn/
Nach unterbrochner lust/ auch saure thränen erben?
Die schönste stimmung ist/ die nach der liebe klingt/
Was aber muß auch hier vor lange zeit verschwinden/
[210]
Eh man den rechten thon der hertzen lernt ergründen/
Und alle regungen in reine noten bringt?
Ja wenn auch mann und weib wie der magnet mit norden/
In ihrer liebe gleich/ und beyde stimmig seyn:
So stellt der blasse tod das gantze spielen ein/
Und schreibt auff ihre lust: sie ist zu thränen worden.
Mein Herr/ sein liebster schatz/ der auff der bahre liegt/
Und stets mit seiner brust ein gleicher thon gewesen/
Läst hier die sichre welt am allerbesten lesen/
Was lieb und lauten-spiel vor harte brüche kriegt.
Ihr hertze wolte gleich mit neuer stimme fliessen/
Und durch ein süsses pfand sein glücke recht erhöhn/
So heist der himmel sie im spielen stille stehn/
Und ihn sein liebes-lied mit heissen thränen schliessen.
Was flößt/ betrübter/ wohl mehr gall und wermuth ein?
Was aber kan uns auch mehr licht und anlaß geben/
Wie man auff erden schon zum himmel sich erheben/
Und unsre seele soll der engel lustspiel seyn?
Denn was hier weltlich klingt/ muß wie die welt verderben;
Wer aber hertz und brust nach Gottes wesen stimmt/
Der kan/ wenn alles gleich in saltze fast zerschwimmt/
Bey seinem spielen doch noch ohne thränen sterben.
Und dieses eben hat die selige bedacht;
Wenn sie/ wie Memnons bild die stimme von der sonnen/
Der freuden hellen thon von Gottes licht gewonnen/
Und ihm als nachtigall ein täglich opffer bracht:
Wenn sie/ wie Augustin/ die augen ihr verbunden/
Die geile hinderniß der erden abgeschafft/
Und aus der andacht offt mehr honig-reiche krafft/
Als ein verliebtes ohr aus harffen-klang empfunden.
Der abgesagte feind der frommen unter-welt/
Floh ihren schwan-gesang wie crocodile flöten/
[211]
Den eyfer wuste sie mit schöner art zu tödten/
Der wollust süsser thon hat nie ihr hertz gefällt.
Drum tritt sie voller glantz nun in den himmels-orden/
Da sie der engel hand mit neuer lust erfreut/
Und auff das bittre saltz der alten traurigkeit/
Die göldnen worte schreibt: Sie ist zu zucker worden.
Ists so/ betrübtester/ so weint er ohne recht;
Denn kont' ihr liebes-klang auff erden ihn ergetzen/
Wie kan ihr wechsel ihn denn itzt in trauren setzen/
Da Gott nur seine lust zu ihrem nutzen schwächt?
Ein Christ muß schmertz und leid wie dornen lernen fühlen/
Mehr auff der rosen werth als ihre stachel sehn/
Und dencken/ daß kein weh denselben kan geschehn/
Die durch die thränen sich hier in den himmel spielen.

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TextGrid Repository (2012). Neukirch, Benjamin. Gedichte. Gedichte. Die mit der himmlischen verwechselte Welt-Music. Die mit der himmlischen verwechselte Welt-Music. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-6026-A