Entwurf
auf was Weise zur Ehre und zum Vortheil
der Stadt Hamburg eine wohleingerichtete
Comedie unterhalten werden kan.

Die Schauspiele sind bey allen klugen und gesitteten Völkern in großem Ansehen gewesen. Man hat sie mit Recht als eine Schule betrachtet, worinn die Menschen von den Torheiten, von den Ausschweifungen und von den Lastern auf den Weg der Tugend gebracht werden können. Griechenland und Rom, zwey der gesittesten und klügsten Völker, haben die Schauspielkunst jederzeit geliebet, und ihren Vortheil eingesehen. Die lebhafte Vorstellung der menschlichen Schwachheiten macht einen viel stärkern Eindruck in die Gemüther, als alle trockene moralische Schriften.

Die Comedie ist bemüht den Unterschied der Tugend und der Laster anzuzeigen, und beyder nothwendige Folgen zu entdecken. Sie weiset die Schwachheiten der Alten, die Ausschweifungen der Jungen, und überhaupt die Fehler beydes Geschlechts in allen Ständen. Eine solche Vorstellung drückt sich mit der Zeit in die Gemüther ein, und macht allmählig ein Volk bescheidner und sittlicher. Die Tragedie gehet noch weiter. Sie bringet uns die erhabensten Begriffe von der Tugend bey, und sie reitzet uns zu der Liebe zum Vaterlande, zu der Großmuth, und zu tausend edeln Empfindungen, die den Menschen so wohl anstehen. Sie erwecket eine Liebe zu der Obrigkeit, eine Hochachtung für die Gesetze, und eine Neigung zu der vernünftigen Freyheit.

Aus dieser Beschreibung der Comedie, und der Tragedie erhellt nicht nur, daß sie in einer wohleingerichteten Republik zu dulden sind, sondern, daß sie auch dem ganzen bürgerlichen Wesen in seinen Absichten zu Statten kommen. Schauspiele die so eingerichtet sind, gehören zu den schönen Wissenschaften, welche ein Volk angenehm, klug, und berühmt machen.

Unter den schönen Wissenschaften, welche in Deutschland so hoch gestiegen sind, ist die Schauspielkunst am spätsten aus ihrer Barbarey gegangen. Unsere Schaubühnen sind bisher mit unordentlichen Verwirrungen, mit schändlichen Possen, mit lasterhaften Vorstellungen, und mit einem so abscheulichen Wuste angefüllt gewesen, daß sie nothwendig den Eckel aller Vernünftigen nach sich ziehen müssen. Man hat billig wieder eine Ausschweifung geeifert, welche dem Volke nichts als verkehrte Begriffe beybrachte, die der Religion, der Tugend, und dem bürgerlichen Leben schädlich waren. Diese schreckliche Barbarey hat so lange gedauert, bis die Neubersche Gesellschaft, durch den Beystand verschiedener kluger und gelehrter Männer, diese Greuel verworfen, und die Schaubühne von ihrem Unflate zu säubern angefangen. Sie hat sich bemühet alles was der Tugend und den guten Sitten zuwieder ist aus dem Wege zu räumen, und sie so einzurichten, wie sie einem Staate rühmlich und vortheilhaft seyn kan. Doch das Gute braucht in seinen guten Absichten auch einen Beystand, und die Neuber'sche Gesellschaft wird niemals ihren lobenswürdigen Endzweck erreichen, wofern sie nicht von einem mächtigen Schutze unterstützt wird.

Hamburg ist ein Ort, dessen vernünftige und weise Einrichtung von allen auswärtigen Völkern bewundert wird. Wissenschaften und Künste haben an [205] diesem klugen Orte allemal Beyfall gefunden, und er ist schon oft eine Zuflucht der Fremden gewesen, welche in dieser berühmten Stadt eine Mutter angetroffen, von der sie auf das liebreichste versorget worden.

Eben diesen glücklichen Ort hat sich bie Neuber'sche Gesellschaft ausersehen, und eben er ist es, wo sie ihre Versorgung zu finden wünscht.

Sie stellet ihr Verlangen auf das unterthänigste vor, welches sie um so viel getroster thun darf, da sie ihren gehorsamsten Wunsch so vielen erlauchten Männern vortragen kan.

Sie erbittet sich in aller Unterthänigkeit von E. Hochedl. und Hochw. Rathe das gnädige Privilegium, daß sie hier auf 12 nacheinander folgende Jahre, mit Ausschließung aller andern Comedianten und Possenspielern, unter einem so mächtigen Schutze, frey und ungehindert zu den gewöhnlichen Zeiten, Comedie spielen darf. Sie wird mit der gehorsamsten Schuldigkeit bereit seyn jährlich dasjenige dem präsidirenden Herrn Bürgermeister abzutragen, was ihr nach einem gnädig gemachten Schlusse auferlegt wird, wenn sie nur von den beschwerlichen neben Abgaben befreyt bleiben kan.

Hamburg wird durch diese Gnade den Vorzug haben daß es in ganz Deutschland der einzige Ort ist, wo vernünftige und wohleingerichtete Comedien Beystand gefunden; und da die schönen Wissenschaften ihre Versorgung überall mit Ruhme ausbreiten, so wird diese trefliche Stadt durch die Erhaltung einer der zärtlichsten Künste nicht weniger ihr Ansehn rühmlich machen, als durch ihre andern weisen Anstalten.

Die Neuber'sche Gesellschaft wird durch diese Gnade angespornt werden, ihre vernünftigen Absichten immer weiter auszubreiten, die Schaubühne zu einem Aufenthalte der Tugend und der guten Sitten zu machen, und alles dasjenige vollends vom Theater zu verbannen, was auch den Weisesten darauf anstößig seyn könnte. Sie befleißigt sich dabey einer vernünftigen und eingezogenen Lebensart, und beruft sich in diesem Stücke auf das Zeugniß der ganzen Stadt. Diese wird zugleich gestehen, daß ihr ganzes Betragen jederzeit dahin gegangen alles richtig zu machen, und keinem Menschen zu nahe zu thun. Sie hat auch zugleich dadurch ihre Feinde beschämt, welche ihr heimlich zu schaden getrachtet haben. So würklich der Ruhm ist, welchen die Stadt Hamburg aus dieser Versorgung ziehet, so würklich ist auch der Nutzen, Hamburg wird von vielen Fremden besucht, welche die Vorzüge dieser Stadt mit genießen, und die vor ihr eigenes Vermögen daselbst ihr Vergnügen suchen wollen. Diese werden um so viel länger aufgehalten werden, wenn sie in den Neuber'schen Schauspielen dasjenige antreffen, was sie in ganz Deutschland vergebens suchen. Diese Fremden werden nicht nur mit Vergnügen einen Theil ihres Vermögens in der Stadt lassen, sondern sie werden auch eben aus diesen Schauspielen Gelegenheit nehmen Hamburgs Vorzüge allenthalben zu rühmen.

Die deutsche Sprache ist seit einigen Jahren aus ihrer Verachtung herfür gegangen, und die Deutschen haben gesehen, wie nützlich, rühmlich, und nothwendig [206] es einem Deutschen ist, deutsch zu können. Auch die Sprache hat ihren verdienten Platz auf der Schaubühne gefunden, und Schauspiele, welche nach ihren Regeln, und nach ihrer Reinigkeit abgefaßt sind, werden zur Beförderung der Schönheit, Stärke und Deutlichkeit der deutschen Sprache in einer Republik nicht wenig beytragen, wo die Muttersprache so nothwendig und unentberlich ist. Der Vortheil, welcher der Neuber'schen Gesellschaft aus ihren Schauspielen zufließen mögte, ist nichts weiter als ein Seegen, den ihr die Stadt leihet, weil sie denselben bey ihrem beständig Aufenthalte immer mit Wucher wieder erhält, und noch den Vorzug dabey erlangt, daß sie eine Parthey redliche Leute versorget, welche unter allen Städten in Deutschland Hamburg zu ihrem Schutzorte erwählet haben.

[51]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Neuber, Friederike Caroline. Gedichte. Bitt- und Glückwunschgedichte. Entwurf auf was Weise [...] eine wohleingerichtete Comedie. Entwurf auf was Weise [...] eine wohleingerichtete Comedie. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-5FCF-4