[135] Der liebe Gott und der Schwabe.

Es war in der guten alten Zeit, als der liebe Gott einmal auf Erden wandelte, um zu sehen, wie es da und dort zustände, aber ohne daß ihn Jemand erkannt hätte. Da kommt des Weges daher gegangen ein Schwäblein, und spricht zum lieben Gott, »laß uns zusammen reisen!« Das war der Herr wohl zufrieden, und also reisten Beide zusammen weiter.

Kamen sie eines Tages an zwei Dörfer, die nah aneinander lagen, und in beiden Dörfern wurde geläutet mit den Glocken.

»Was wird denn da geläutet?« fragte das Schwäblein.

»Das will ich dir sagen, antwortete der liebe Gott: Siehst du! in dem einen Dorfe lauten sie zu einer Hochzeit, und in dem andern ist eine Leiche, die sie wollen hinaus tragen.«

»Ei! da geh ich ins Hochzeithaus, spricht der Schwabe; da gibts einen guten lustigen Tag mit Essen und Trinken, und mit Tanzen und Springen und andern herrlichen Dingen.« Und damit geht er ins Hochzeithaus, juchheisat dort mit, wartet aber den Gästen auch fein mit auf, trägt Fisch und Braten auf, und langt selbst dreist zu, schenkt die Becher voll, und trinkt fleißig mit aus, macht lustige Schwänke und Schnurren, und treibt mancherlei poßirliches Wesen, daß die Gäste lachen mußten. Und als die Hochzeit alle war, da schenkten sie ihm ein Paar Kreuzerlein, die er für ein groß Gut hielt. Es waren ihrer an drei Stück.

[136] Der liebe Gott aber war derweil ins Leichenhaus gegangen, und weil der Todte ein guter Mann gewesen war, der von allen Leuten beweint und beklagt wurde, und war auch noch nicht hoch in die Jahre, so befiehlt der liebe Gott dem Todten im Namen Gottes, er solle wieder lebendig werden, und wieder aufwachen, welches denn der Todte auch that. Da war große Freude bei allen Leuten, und sie verehrten dem lieben Gott an hundert Goldgülden, die er denn auch annahm, weil man auf Reisen mit Gelde immer besser fortkommt.

Auf dem Wege kamen die beiden Reisenden bald wieder zusammen, und das Schwäbli thut gar groß und breit mit den Paar Kreuzerlein die es verdient hatte, und hätte gegessen und getrunken dazu nach Herzenslust. Da sagt' ihm der liebe Gott, er habe auch etwas verdient, denn er habe den Todten wieder lebendig gemacht, und zeigt dem Schwaben die hundert Goldgülden.

Da wirft das kluge Schwäbli flugs seine Paar Kreuzer in des lieben Herrgotts Säckel; so auf gemeinschaftliche Kasse, und spricht: »Alles für uns Beide! Alles gemei; gleichviel mir und dir; welches denn auch der liebe Gott gar wohl zufrieden ist.«

Sie waren etwa ein Paar Tagereisen weiter gezogen, und hatten unterwegs eben nichts Rechtes zu essen gehabt, da sahen sie am Walde einen Schäfer mit seiner Heerde, und der liebe Gott schickt den Schwaben hin, daß er ein Lämmlein kaufen sollte, welches der Schwab auch brachte und zubereitete, während der liebe Gott ein wenig im Walde spatzieren ging.

Als nun der Schwab kochte, schwamm die Leber vom Lämmlein immer oben auf, und ob er dieselbe gar oft ins Wasser mit dem Kochlöffel hinunter drückte, kam sie doch immer wieder hinauf, und schwamm oben auf dem Wasser, und roch dem Schwaben so lieblich in die Nase, daß er sein Messer zog, schnitt das Leberlein kühnlich in zwei Stücke, und aß es auf.

[137] Als nun der liebe Gott wieder kam, vermißt er sogleich das Leberlein, und fragt den Schwaben, ob er es gegessen hätte? Das leugnet dieser gar hartnäckig zweimal und dreimal, und als der Herr ihm recht ernst und liebreich vorhält, daß er es doch nur bekennen möge, denn er sei ja ganz mutterseelen allein beim Kessel gewesen, da wird er gar trotzig und ungeberdig, und spricht sogar und bleibt dabei, die Lämmer hätten gar keine Leber, und der liebe Gott kann gar nichts dagegen bei ihm ausrichten, schweigt lieber still, und zieht mit dem trotzigen Gesellen weiter.

Kommen sie hierauf wieder an zwei Dörfer, in welchen beiden geläutet wird, und es war wieder, wie das erste Mal. Das eine Geläut galt einem Todten, das andere einem Hochzeitpaare.

Da wollte denn der Schwab sich hundert Goldgülden verdienen, und sagt zum lieben Gott, er wolle dasmal ins Leichenhaus, und fragt gar freundlich, wie es denn der liebe Gott gemacht habe, als er den Todten erweckt habe?

Da antwortete der liebe Gott, er habe die Hand auf den Todten gelegt, und habe demselben mit rechtem Ernst im Namen Gottes befohlen, wieder lebendig zu werden. Da wär der Todte lebendig geworden.

»Nun da will ichs denn wohl eben so gut ausrichten als Ihr,« sagt unser Schwäbli; und der Herr antwortete ihm: »Ja! so du die rechte Kraft und den rechten Sinn dazu hast, so magst du es wohl ausrichten.«

Der Schwabe vermeint, die Kraft und den Sinn habe er denn wohl auch, und geht ins Leichenhaus, wo Alles wehklagt und weint, und er spricht, wenn sie ihm hundert Goldgülden gäben, möcht er den Todten leicht wieder erwecken. Aber die Leute wollten ihm das nicht glauben, denn er sah nicht darnach aus, daß er Todte erwecken könne. Da aber vermaß und verschwor er sich, daß ers wohl ausrichten wolle, wenn er nur hundert Goldgülden bekäme, [138] und wo ers nicht vollbrächte, sollten sie ihn an den nächsten Baum aufhenken. Da verhießen sie ihm denn das Geld.

Das Schwäbli machts nun gerad so, als ihm gesagt war, aber der Todte blieb todt. Er versucht es noch einmal, und auch zum dritten Mal; aber der Todte blieb todt, und konnte zum Leben nicht kommen. Da ward das Schwäbli recht tollköpfisch und unwirrsch, und sprach: »Nun! wenn du denn nicht wieder ins Leben willst, so bleib ins Kukuks Namen todt, und liege so lange du willst.« Und damit wollte er sich auf und davon machen; aber die Leutchen waren schneller als er, hielten ihn fest, und holten eine Leiter, die sie an einen hohen Baum lehnten, und thaten ihm einen tüchtigen Strick um den Hals, und er mußte die Leiter hinauf.

Es war eben die höchste Zeit, als der liebe Gott daher kam, und dem Schwaben verhieß, er wolle ihn erlösen, und statt seiner den Todten gewißlich lebendig machen, nur solle der Schwab bekennen, daß selbiger das Leberlein gegessen habe. Das wollte der aber auch auf der Leiter nicht, und wie hoch und sehr der liebe Gott ihn auch bat, halfs doch nicht, und das Schwäbli blieb dabei, er habe das Leberli nicht gessen, und die Lämmli allzumal hätten kein Leberli.

Da sollte der arme Schwab nun gehenkt werden. Aber der liebe Gott konnte das doch nicht übers Herz bringen, sondern ging hin, und machte den Todten lebendig, und bekam die hundert Goldgülden und erlöste das Schwäblein, und zog mit demselbigen fürbaß (weiter).

Als sie nun einen Tag oder drei wieder mitsammen waren gegangen, setzt sich der liebe Gott auf einen schönen grünen Hügel, und ruht aus, und der Schwab setzt sich neben ihn, und ruht auch aus.

Da hebt der liebe Gott an, und spricht zu dem Schwaben: »Hör du lieber Gesell, es ist nun an der Zeit, daß Jeder von uns seines eigenen [139] Wegs ziehe; denn wo ich hin muß, kannst du nicht mit.« Und der liebe Gott zog den Säckel hervor, und theilte das Geld in drei Häuflein, die alle ganz gleich waren, und auf jedes Häuflein kam eins von den Kreuzerlein des Schwaben. Und der liebe Gott nahm ein Häuflein und gab es dem Schwaben, und sagte: »Das ist dein!« Eins aber nahm er für sich, und that es in das Säcklein, und sprach: »das ist mein!« – Da fragte das Schwäbli: »Aber lieber Gesell, wem soll denn das dritte Häuflein?« – denn er hätte es gern mögen haben. Da sprach der liebe Gott: »das soll der haben, der das Leberlein hat gessen, und gewißlich kein Anderer.«

Da sprach das Schwäbli: »Herr! das Leberli hab ich dennoch wahrhaftig geeßt.«

Und so that das Geld, was der Galgen nicht hatte vermocht.

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TextGrid Repository (2012). Löhr, Johann Andreas Christian. Märchen. Das Buch der Mährchen. Erster Band. Das Buch der Mährchen. Der liebe Gott und der Schwabe. Der liebe Gott und der Schwabe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-1E03-1