Krötensage

Des Berges alte Wangen sind
Von Maiensonne beschienen;
Sie lächeln unter Quellenglanz,
Die Schilfe, die Farren ergrünen.
Die Kröte springt aus dem Kieselstein,
Ein Hirt hat ihn zerschlagen;
Sie schaut verdrossen die Scherben an,
Und sie beginnt zu sagen:
»Viel tausend Jahre bin ich alt
Samt diesem Futterale!
Es schob vom hohen Felsgebirg
Allmählich mit mir zu Tale.
Doch manchmal in der Wasser Sturz
Sind wir gewaltig gesprungen;
Dann hat's um meine dunkle Klausur
Gesungen und geklungen.
Und wie mir ist – ich weiß es nicht,
Noch was ich getrieben indessen;
Ich hab im mindesten nichts gelernt
Und hatte nicht viel zu vergessen.
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Ein warmer Regen, ein grünes Kraut
Nur konnten mir behagen;
Sie liegen mir fort und fort im Sinn
Aus fernen Jugendtagen.
So hab ich ein langweilig Stück
Unsterblichkeit erworben;
Hätt ich getrunken lebendige Luft,
Längst wär ich vernünftig gestorben.«

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Keller, Gottfried. Gedichte. Gesammelte Gedichte. Vermischte Gedichte. Krötensage. Krötensage. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-9B96-2