[185] Südliche Mondnacht

Werden zu doppelter Lust nun doppelte Tage geboren?
Ehe der eine versank, steigt schon der neue herauf!
Herrlich in Salben und Glanz, gedächtnislos wie ein Halbgott,
Deckt er mir Gärten und See zu mit erstarrendem Prunk.
Und der vertrauliche Baum wird fremd, fremd funkelt der Springbrunn,
Fremde und dunkle Gewalt drängt sich von außen in mich.
Sind dies die Büsche, darin die bunten Gedanken genistet?
Kaum mehr erkenn ich die Bank! Die ists? Die lauernde hier?
Aber sie ists, denn im Netz der fleißigen, winzigen Spinne
Hängt noch der schimmernde Punkt! Komm ich mir selber zurück?
Als dein Brief heut kam – ich riß mit zu hastigen Fingern
Ungeduldig ihn auf –, flogen die Teilchen hinweg
Von dem zerrissenen Rand: sie sprühten wie Tropfen dem Trinker,
Wenn er zum Springbrunn sich drängt, um den verdürsteten Mund!
Ja, jetzt drängt sichs heran und kommt übers Wasser geschwommen,
Hebt sich mit lieblichem Arm rings aus dem Dunkel zu mir:
Wie ein Entzauberter atme ich nun, und erst recht nun verzaubert,
Und in der starrenden Nacht halt ich den Schlüssel des Glücks!

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TextGrid Repository (2012). Hofmannsthal, Hugo von. Gedichte. Die Gedichte 1891-1898. Südliche Mondnacht. Südliche Mondnacht. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-7795-8