Albrecht von Haller
Usong
Eine Morgenländische Geschichte,
in vier Büchern

[Widmung]

Dem

Durchlauchtigsten Fürsten und

Herrn

Peter Friedrich Ludwig

Herzoge

von Holstein Gottorp,

Erben von Norwegen.


Der größte Ruhm unsrer Zeiten ist die bessere Auferziehung junger zur Regierung gebohrner Herren. Man bildet sie nicht mehr zu Jägern, sie sollen über Menschen herrschen. Man zieht nicht bloß Krieger aus ihnen, auch wenn er nöthig ist, bleibt der Krieg ein Uebel, und das Ziel aller Arbeiten weiser Fürsten ist der Friede. Wenn man die Geschichte zu Rath zieht, und die christlichen Fürsten des fünfzehnten Jahrhuntes mit den meisten jetztlebenden Fürsten vergleicht, so freuet sich ein redlicher Europäer über den Vorzug unsrer Zeilen. Das Licht dringt täglich bey den Mächtigsten unter den Menschen durch; sie sind überzeugt, daß ihre Glückseligkeit mit dem Wohlseyn ihrer Unterthanen, und dieses mit der Tugend ihres Fürsten, unzertrennlich verbunden ist. Erlauben Sie also,Durchlauchtigster Herr, Sie, aus dessen erlauchten Stamme alle die Beherrscher des Nordentz entsprungen sind, daß ein Bürger einer durch Ihre Gegenwart ehemals beehrten Republik, Ihrem erhabenen Namen die Wünsche eines Menschenfreundes zuschreibe; denn was ist Usong anders als das Bild eines Fürsten, wie ihn ein Menschenfreund wünschet, und wie ihn die Tugenden hoffen lassen, die wir an Euer Durchlaucht verehret haben.

Der Verfasser.

Vorrede

Vorrede.

Die Larve ist nicht mehr nöthig, mit welcher sich Usong in der ersten Auflage bedeckt hat. Man weiß überall, und ich begehre es nicht zu verhehlen, daß ich einige Gedanken über die vornehmsten Regierungsformen in eben so vielen Geschichten vorzutragen mir vorgenommen gehabt habe. Die Misbräuche der Despotischen Gewalt, und einige Räthe diese fürchterliche Art der Regierung zu mildern, schien sich die Geschichte eines Morgenländischen Fürsten am besten zu schicken, da eben die unumschränkte Macht die einzige ist, die diese Gegenden vom Anfange der Dinge her kennen, so daß sie ein Erbe der ältesten Zeiten, und nicht eine neuerliche auf den Untergang der Freyheit gegründete Gewalt ist. Die Wahl des Fürsten war freylich in meiner Willkühr, ich wählte auch einen König, der würklich grosse Eigenschaften besaß, und dessen wesentliche Geschichte, eben diejenige ist, unter welcher ich meine Gedanken vortrage. Er, und seine Art zu regieren, waren nicht so allgemein bekannt, daß der Wohlstand mich zu sehr hätte einschränken können, wann ich etwas mehr von ihm und von seinen Anstalten schreibe, als die ernsthafte Geschichte mir vorsagt. Ich blieb aber dennoch bey den morgenländischen Sitten, und selbst die Einrichtung des Staates ist entweder nach China geschildert, oder sie ist würklich unter den Enkeln Usongs in Persien wahr gewesen: denn das costume zu verletzen ist eine Freyheit, die man auch dem Racine verdacht hat, wann er sie nahm. Wann man einer Erdichtung die Würde einer Geschichte geben will, so muß man sie allerdings der Geschichte so ähnlich machen, daß der Unterscheid nicht zu anstößig in die Augen fällt.


In dieser jetzigen Auflage ist etwas weniges verändert und vermehrt worden. Ich hatte bittere Kritiken vor mir liegen, die mir Anlaß hätten geben können, mich zu bessern, wenn sie auf die würklich fehlhaften Stellen meines kleinen Werks gefallen wären. Auch den Druckfehlern, die man als Verbrechen mir angeschrieben hat, werde ich schwerlich entgehen. Nur die Engelländer, die über den Mangel an Einbildungskraft geklagt haben, verfehlen gänzlich meines Zweckes, der auf keine Geschöpfe der Einbildung geht. Freunde der Tugend, der Freyheit, und des Glückes der Menschen, werden vielleicht der Absicht zu lieb die Fehler verzeihen, die andre begierig samlen.


Bern den 9. Junii

1777.

Haller.

Erstes Buch

[1] Erstes Buch.

Zweymal hatten sich die Geschlechter der Menschen erneuert, seitdem der kaiserliche Stamm der Iwen von dem Throne in China war verdrungen worden. Die Enkel des vergötterten Oguz und des mächtigen Tschengis waren in ihre ehmalige Mittelmäßigkeit zurückgesunken. Sie waren zahlreich, und ein jeder Fürst lebte mit seiner Horde von der Viehzucht und von der Jagd. Die Reichthümer von China, die kostbaren Feyerkleider, der Palankine Pracht, das Gefolg unzählbarer Mandarine, der Glanz des Thrones war verschwunden, und ein von einem reißenden Thiere erfochtener Pelz war der Putz der Nachkommen des Besitzers der Welt.

[1] Einer von ihnen, ein Haupt des ältesten Zweiges des großen Kublai, der kühne Timurtasch, spannte im Winter seine Zelten an dem westlichen Ufer des Kokonors 1 auf. Seine zahlreichen Heerden bedeckten ein breites Gefilde, und seine getreuen Unterthanen lebten unter ihm in Vertraulichkeit und innerlichem Frieden. Im Sommer zog er sich nach und nach in die Ulanischen Gebürge, wo Schatten und Weide für seine Pferde und sein Vieh waren. Timurtasch erinnerte sich, daß er ein Abkömmling der Iwen 2 war, die durch ihre Abhängigkeit an die Bonzen geschwächt, und durch einen Bonzenknecht, den glücklichen Hungwu, vom Throne gestürzt worden waren: in seinem Herzen wallete ein unversöhnlicher Haß gegen die Priester, deren Aberglauben die männlichen Tugenden der Tschengiden erweicht, und deren Eigennutz den Fürsten zu den Wollüsten verleitet hatte. Timurtasch konnte auch dem Geschlechte des Ming nicht verzeihen, daß die Enkel eines verächtlichen Pfaffendieners auf dem schönsten Throne der Welt sitzen, und alle die Vorzüge eines Sohnes des Himmels genießen sollten, die er für sein Erbe ansah.

[2] So schwach die Zahl seiner Mongalen war, so übte dennoch Timurtasch begierig die Rache aus, die er für seine Pflicht hielt. Er bekriegte gegen Westen unaufhörlich den vergötterten Priester, der sich zu Lassa anbeten läßt: und nach Osten streifte er in die benachbarten Provinzen von China. Die unversöhnlichen Kriege, die er wider die Feinde seiner Voreltern führte, gewöhnten seine Horden zu den Waffen; sie wurden die tapfersten unter allen den Stämmen, die den Enkeln des Tschengis gehorchten. Der Sieg belohnte ihren Muth, sie waren allen ihren Nachbarn fürchterlich, und die Zuversicht, die sie zu sich selber gefaßt hatten, machte sie fast unüberwindlich.

Einmal hatte Timurtasch einen Einfall gegen Westen gethan; er war mit einer auserlesenen Reuterey bis an den See Zila gekommen: als er von einem sanften Hügel ein großes Begleit von Tibetern herunterkommen sah, das mit einer in diesen Wüsten ungewöhnlichen Pracht gegen Lassa seinen Weg nahm. Auf einen Elephanten war ein glänzender Thron gesetzt, und mit seidenen Vorhängen war die Person bedeckt, die diesen königlichen Sitz einnahm. Eine Anzahl bemalter Wagen schien mit Frauenzimmer besetzt zu seyn; andere Fuhrwerke führten Kostbarkeiten und fürstliches [3] Geräthe; viele Fahnen zierten diesen Aufzug, und selbst die Gewaffneten, die ihn bedeckten, waren weit kostbarer bekleidet, als sonst die Unterthanen des Dalai Lama sind.

Wie ein Falk, der auf den erschrockenen Reiger stößt, stürzte Timurtasch unter die Völker des Priesters. Sie flohen, und hinterließen die unschätzbare Beute dem Ueberwinder.

Der Fürst näherte sich dem Elephanten, begierig seine Beute näher zu kennen. Die Vorhänge wurden geöfnet; eine Schöne im königlichen Schmucke zeigte sich, und rief in einer unbekannten Sprache den Sieger um Verschonung an. Timurtasch hatte nie geliebt, er hatte auch unter seinen mongalischen Frauen keine Gestalt gesehen, die ihn hätte reitzen können. Die gefangene Fürstinn war von einer Schönheit, dagegen alles ungestalt schien, was Timurtasch gesehen hatte. Sie hatte die schlanke Gestalt, die erhabenen Augenbraunen, die großen und funkelnden Augen, und die edlen Züge einer Einwohnerinn von Kaschmir: sie war aber eben so sehr über die Schönen ihres Landes durch ihre eigenen Reitze erhoben, als sie es durch die Geburt war; denn sie war eine Tochter des Königes dieses glücklichen Landes, die man Dalai [4] Lama 3, einem neulich vergötterten Jünglinge, als Braut zuführte.

Timurtasch fühlte Bewegungen im Herzen, die ihm neu waren. Sein Herz hatte nichts empfunden, als das Wallen eines Siegers, und das rohe Vergnügen, das eine gesättigte Rache giebt. Auf einmal fühlte er, daß größere Vergnügungen seyn konnten; er hoffete nunmehr von der Liebe unendlich mehr Glückseligkeit, als er vom Ruhme und von der Rache genossen hatte. Er begegnete der Fürstinn, mit der Höflichkeit, die aus dem Herzen quillt, und die an keine Sitten und an keine Gewohnheiten gebunden ist. Seine Augen und seine Geberden sagten ihr, sie habe nichts von ihm zu besorgen, und würde bey den Mongalen eben die Verehrung antreffen, die sie in Lassa hätte hoffen können. Er entließ den größten Theil ihres Gefolges, und nahm nur diejenigen von ihren [5] Frauen mit sich, die die Fürstinn selber wählte. Er brachte sie auf ein flüchtiges Pferd, und eilte mit ihr dem Gebürge zu.

Die ganze Horde betete den siegreichen Timurtasch an, und jedermann bestrebte sich der schönen Gefangenen seine Ehrerbietung zu beweisen, da des Fürsten Liebe für dieselbe kein Geheimniß war. Sie lernte die Sprache dir Mongalen von ihrem Liebhaber; er war noch jung, und obwohl seine Züge die Kennzeichen eines Mongalen trugen, so gab doch seine muntere Seele seiner ganzen Person ein Leben und eine Würde. Die Fürstinnen im Morgenland sind gewohnt, sich demjenigen zu ergeben, dem sie das Schicksal zuführt; sie sind niemals in den Umständen, daß sie Vergleichungen anstellen, und eine Wahl sich erlauben können. Scheheristani, so hieß die Königstochter von Kaschmir, ließ sich die ungekünstelten Liebesbezeugungen ihres Siegers gefallen, und wurde seine Gemahlinn.

Timurtasch hatte nunmehr die Tibeter aufs heftigste beleidiget; er verdoppelte seine Einfälle wider ein Volk, von dem er die bitterste Rache zu befürchten hatte, und sein ganzes Leben war eine Reihe kleiner Siege. Seine schöne Gemahlinn kam mit einem Fürsten nieder, der ihr Ebenbild [6] war. Er hatte nichts vom Mongalen, als die dauerhafte Stärke eines unermüdlichen Leibes: sonst war sein Wuchs ungewöhnlich, und zog ihm den Namen des langen 4 zu; seine Augen, seine Züge, seine Farbe, glichen seiner liebenswürdigen Mutter, und der Adel seiner Seele leuchtete aus seiner ganzen Bildung, und aus allen seinen Geberden hervor.

Sein Vater zog ihn selbst zu den Uebungen eines scythischen Fürsten. Niemand unter den Mongalen schoß gewisser, niemand zähmte ein feuriges Pferd mit mehrerm Muthe, niemand rang mit größerer Geschicklichkeit, und niemand widerstund den kühlen Wellen des Kokonors im Schwimmen beständiger. Er folgte mit Entzücken seinem Vater, wenn er den fürchterlichen Tieger im Dickicht reizte, und sein ganzes Heer wallete, wann die Lanze des Timurtaschs dem Ungeheuer durchs Herz drang. Usong, so hieß der junge Sohn der Scheheristani, gewöhnte den Schongar 5 zum Raube, er dauerte in seiner ersten Jugend auf der Jagd unermüdet aus, und lachte der Gefahr und der Mühe entgegen.

[7] Timurtasch hatte unter seinen Angehörigen noch einige Enkel der getreuen Chinesen, die der unrechtmäßigen Gewalt des Ming sich nicht hatten unterwerfen wollen, und die lieber im Unglücke die Gefährten der flüchtigen Iwen geblieben waren. Ein weiser Mann aus diesem Geschlechte, der des Kongfuzee 6 Lehren eben sowohl ausübte, als wohl er sie im Gedächtnisse besaß, wurde gewählt, das Gemüth des jungen Fürsten zu bilden. Begierig sog Usong die Lehren ein, die mit seinen edlen Neigungen übereinkamen; er fand in seiner Natur selbst, daß gerecht, daß gütig, daß großmüthig seyn denjenigen glücklich machte, der es wäre. Sein Herz brannte nach dem edelsten Ruhme, der beste, der weiseste, der rechtschaffenste unter denjenigen zu seyn, die man mit ihm auferzog. Er fiel mit eben der Lust auf die Auszierung seiner Seele, die ihn zu den Uebungen des Leibes antrieb. Er las einen Theil des Schuking's 7, und schrieb die zierlichsten Züge. Sein Herz war groß genug, die Tugenden und die Vorzüge verschiedener Zeiten und verschiedener Völker zu fassen.

[8] Unter den Aufmunterungen seiner bewundernden Eltern, war Usong nunmehr vierzehnjährig worden: aber seine Kräfte waren zu einer mehrern Reifigkeit gekommen, als sein Alter zu gestatten schien. Er glühte vor Begierde, in einem wahren Kriege Ruhm und Erfahrenheit zu erwerben, und dennoch hatte er keine Hoffnung, die Erlaubniß dazu von seinem liebenden Vater zu erlangen. Seine Mongalen bereiteten sich eben damals zu einem Einfalle in Schensi: die auserlesenste Mannschaft rüstete sich zu diesem Feldzuge wider die alten Feinde der Tschengiden. Usong entschloß sich heimlich diesem Streife beyzuwohnen. Er versah sich mit Pferd und Waffen, und einer verstellenden Kleidung, und nahm niemand mit, als seinen vertrauten Scherin, der an Tugenden und Leibesstärke ihm ähnlicher, als sonst kein Mongale, aber etwas älter war. Er gab eine Jagd nach einem Gefilde vor, das von dem Wege nach Schensi am entlegensten war. Er nahm die Zeit in acht, da die nach China bestimmten Mongalen eine Tagreise von den Zelten sei nes Vaters lagen, und ereilte sie auf dem Wege. Sie nahmen ihn als einen von einer freundschaftlichen Horde ihnen zugezogenen Mongalen an, und der Zug gieng vor sich, dieweil der bekümmerte Timurtasch in allen westlichen Gegenden den vermißten Sohn ängstlich suchen ließ.

[9] Die Scythen schwammen durch den gelben Fluß, und vermieden die große Mauer. Sie streiften durch die Wohnsitze eines reichen und in Sicherheit seinem Gewerbe nachgehenden Volkes, und sammelten eine unermeßliche Beute. Aber ein rächender Feind wartete auf sie.

Liewang war Zongtu in Setschuen und Schensi, ein weiser und gerechter Herr, der mit den Vorzügen des Herzens alle Gaben des Verstandes vereinigte: ein würdiger Urenkel des Kongfuzee. Er unterstund sich nicht, der ersten Muth der Mongalen sich entgegen zu setzen. Aber er erwartete ihren Rückzug, wann sie mit einem beschwerenden Gepäcke, in der grösten Sicherheit, und mit der Nachläßigkeit, die die Folge derselben ist, wieder nach ihren Wüsten zurükkehren würden. Er wählte ein enges Thal, zwischen waldichten Hügeln, durch welches der Weg die Scythen führte. Er bot die geübtesten von seinen Kriegsleuten auf, die in dieser bergichten Provinz herzhafter als im südlichen China sind: er nahm eine Menge von denjenigen Kriegern mit sich, die aus eisernen Röhren bleyerne Kugeln durch die Gewalt des entzündeten Staubes trieben, ein Gewehr, das weit tödtlicher verwundete, als die Pfeile der Scythen, das die Mongalen nicht kannten, und dem sie nichts gleich mörderisches entgegen zu setzen hatten. Er führte [10] auch große metallene Röhren mit sich, die von Pferden fortgebracht wurden, und schwere steinerne Kugeln mit einer Gewalt von sich schleuderten, welcher keine Mauer widerstehen konnte, und die unter einer gedrungenen Schaar eine zernichtende Zerstörung anrichten.

Die ihren Feind verachtenden Mongalen kamen ohne Sorge in das unglückliche Thal, wo ihr Untergang ihnen zubereitet war. Sie durchzogen es langsam, wegen der Menge der Gefangenen und des reichen Gepäckes, womit ihr Zug beschweret war. Plötzlich ertönete das Gebürge vom Knallen der tödtlichen Feuerröhre; der Tod regnete auf die tapfern Scythen von den Hügeln und aus dem Gebüsche herab; sie genossen nicht einmal den Trost ihren Feind zu sehen, und fechtend zu sterben. Usong, den sein ungeübter Muth, aus einem angebohrnen Triebe, an die gefährlichste Stelle, und an die Hinterhut geführet hatte, ermunterte die nächsten seiner Freunde. Eilt, rief er, aus dem Thale des Mordes zurück, und fallt dem Feinde in den Rücken. Eine geringe Anzahl der kühnsten folgten ihm, und er stieß auf die Leibwache des Zongtu. Der junge Held öffnete sich den Weg mit dem Säbel, und drang auf den vergüldeten Drachen, das Zeichen der obersten Macht des Unterköniges; er schmeichelte ihm selber mit der [11] Hoffnung den Feldherrn selbst zu stürzen, und sich den Weg zum Rückzuge über die erlegten Feinde zu bahnen. Aber die Zahl der kühnen Folger des Fürsten war zu gering, sie wurden umringt, ein Theil fand an den Spießen der Chinesen den Tod, und die übrigen wurden entwaffnet.

Usong war dem Zongtu so nahe gekommen, daß dieser Unterkönig seine Gesichtszüge erkennen konnte. Liewang sah ihn für einen aus dem entfernten Westen entsprungenen Fremden an, und konnte sich nicht enthalten, seine Bildung zu bewundern. Er befahl, den schönen Jüngling gefangen zu nehmen, und der Befehl wurde leicht erfüllt, da Usong unter sein erlegtes Pferd zu fallen gekommen war. Man brachte ihn und seinen Freund mit andern Gefangenen nach der Hauptstadt in Schensi, dem unermeßlichen Singan, das dem kaiserlichen Sitze zu Pecking an der Größe nicht weicht. Liewang wurde als der Erretter des Landes empfangen, und das Volk, das so viele Tugenden an ihm bewundert hatte, fand nunmehr an seiner sieghaften Klugheit im Kriege neue Gründe, ihn zu verehren.

Der Lerm der Geschäffte hatte den Unterkönig gehindert, den gefangenen Fremdling zu sprechen; nur hatte er ihn befragen lassen, wie sein Vaterland hieße, und warum er in das friedliche Reich [12] eingefallen wäre? Usong kannte die mistrauischen Gesetze von China; sich für einen Iwen erkennen zu lassen, war ein wider ihn ausgesprochenes Todesurtheil. Er ließ also den Unterkönig in seinem Irrthum, und man hielt ihn für einen Mongalen, von einer weit entlegenen und besser gebildeten Horde. Man wies ihm seinen Aufenthalt bey dem Gärtner des Pallastes an, wo er zugleich die fremden und seltenen Thiere zu besorgen hatte, die der Unterkönig vornemlich zum Zeitvertreibe seiner Tochter hielt.

Liosua war zehn Jahr alt, die einzige Tochter, und die einzige Lust, des weisen Vaters. Sie hatte ihre Mutter, eine Fürstinn aus dem kaiserlichen Stamme der Ming, sehr früh verloren. Liewang vereinigte nunmehr alle die Zärtlichkeit seines Herzens in der Liebe dieses angenehmen Kindes. Ihre Bildung war ausserordentlich schön, aber das Gemüth erfullte alle Wünsche des kennenden Vaters. Mildigkeit, Großmuth, und kindliche Liebe, waren mit dem schärfesten Witze, und mit den lebhaftesten Gaben des Verstandes, begleitet. Sie übte sich in den Wissenschaften des Reiches, und füllete ihr Gedächtniß mit den Lehren dir alten Weisen an, der Halbgötter, die zuerst unter den Menschen Ordnung und Gesetze erfunden hatten 8.

[13] Die Flüchtlinge der geschlagenen Mongalen kamen indessen traurig zu dem Ulanischen Gebürge zurück, und aus der Beschreibung des verlornen Jünglings mußte Timurtasch die unglückliche Gewißheit abnehmen, daß auch sein edler Sohn das Leben eingebüsset habe. Usong wußte kein Mittel, seinen Eltern seine Erhaltung einzuberichten: die Bekanntschaft mit einem Erben der Iwen wäre für ihn, und selbst für den Boten tödtlich gewesen. Der junge Fürst zwang sich unter sein Schicksal. Die angeborne Munterkeit seines Gemüths machte ihm den niedrigen Zustand erträglich, und seine Neugierigkeit fand eine angenehme Nahrung an den Blumen, und an den Thieren, die er zu warten hatte. Er blieb aber nicht lang in dieser demüthigenden Beschäftigung.

Des Unterkönigs Pallast hatte hinter sich weit ausgedähnte Gärten liegen. Aus einem 9 nahen Hügel quollen häufige Wasser, die bald in Teiche gesammelt, seltenen Fischen, oder schön gefiederten Wasservögeln zum Aufenthalte dieneten, und bald als schlänglichte Ströme durch die Waldung schlichen, die aus einer Verschiedenheit von Bäumen bald einzeln, bald in kleinen Klumpen, bald auch in Reihen gepflanzet waren. Ein Thal, umringt [14] mit bewachsenen Hügeln, wurde von einem reinen Bache durchflossen, und endigte sich durch einen Felsen, den aber auch die Kunst aufgeführt hatte, und wodurch ein heimlicher Gang, gekrümmt, zu einem zweyten Garten führte. Diesen beschloß ein Gebüsch, das unzugänglich schien, und dennoch einem Fußsteige offen war, der nach einem Tempel auf dem Hügel leitete.

Liosua hatte in dem nächsten Garten bey ihren Zimmern Goldfische, die sie aus ihrer Hand die Speisen holen gelehrt hatte; ihre unschuldige Jugend fand ein Vergnügen, auch stumme Geschöpfe glücklich zu machen, die nicht danken konnten. Sie beschäftigte sich eben mit diesem Spiele ihrer Mildheit, als sie sich etwas zu niedrig bog; das Fräulein stürzte in den Teich, und wurde plötzlich vom Wasser verschlungen. Ihre Frauen schrien und eilten, wie die verstümmelten Füsse es dem Chinesischen Frauenzimmer zuliessen, dem unglücklichen Teiche zu; sie wären aber zu spät gekommen, wenn Usong nicht eiliger gewesen wäre.

Ihm, und allem was nicht weiblich war, war der Garten freylich verboten, der zu des Fräuleins Vergnügen war auserlesen worden. Aber in einem nahen Gebüsche war er eben beschäftigt, ein entkommenes Goldhun zu fangen, dessen glühende [15] Farben es unter dem Laube verriethen, als er das Geschrey der ohnmächtigen Weiber vernahm. Sein Feuer ließ ihm keine Ueberlegung zu: er schwang sich über das Gitterwerk, warf sich in den Teich, und in einem Augenblicke war er mit der geretteten Fürstinn am Lande.

Sie war ohne Empfindung, und er mußte sie umfassen, um sie in die Höhe zu heben. Er sah ihre schmachtenden halbgeschlossenen Augen, und eine unnachahmliche Anmuth auf dem selbst im Schrecken milden Angesichte. Sie holte endlich einen Seufzer, indem er sie zu ermuntern suchte, und blickte ihren Retter mit einer Freundlichkeit an, in welche sich eine zärtliche Schattirung von Schamhaftigkeit mischte, und die blassen Wangen, mit einer schwachen Rosenfarbe übergoß. Usong übergab sie den frohlockenden Wärterinnen, und entfernte sich aufs eiligste, denn er kannte die Sitten des Reichs, und die strenge Eifersucht, mit welcher die Gesetze über die Zucht des Frauenzimmers wachen.

Man brachte das Fräulein in ihr Zimmer, und in die Arme des liebenden Vaters. Liewang war ein Verehrer der Sitten, aber seine Seele war zu groß, als daß er die Uebertretung derselben an einem Fremden hätte rächen sollen, der sich in die [16] offenbarste Gefahr gestürzet hatte, dasjenige zu retten, was dem Unterkönige das Leben erträglich machte. Er ließ den Usong rufen. Junger Fremdling, sagte er, ich bin dir unendlich viel schuldig, wie kann ich dich belohnen?

Usong sah den Unterkönig mit dem edlen Anstand an, den eine erhabenere Geburt ihm gab, und bedachte sich einen Augenblick. Seinem lebhaften Gemüthe stellte sich zugleich die Freyheit und das Vergnügen seiner Eltern, aber auch der Vortheil dar, in der Weisheit der Chinesen sich ausbilden zu lassen. Heimlich mischte sich auch das anmuthvolle Bild der jungen Fürstin in seinen Entschluß, und gab den Ausschlag. Ehrwürdiger Herr, sagte er, ich bin ein Fremdling, ich kenne etwas von der Weisheit des Landes: aber ich bin jung, gönne mir, daß ich mich in den Gesetzen, in den Gebräuchen, und den Wissenschaften eines Reiches unterweisen lasse, das seit den ersten Zeiten der Mittelpunkt der Ordnung und der öffentlichen Glückseligkeit ist.

Es war dem edlen Jünglinge nicht entgangen, wie viele Vorzüge das reiche, das bevölkerte, das angebaute, das gelehrte, das weise China vor seinem verwilderten Vaterlande hatte. Er begriff, daß die Gemüther seiner Mongalen noch unverdorben, [17] und eben so unschuldig waren, als die Hand der Natur sie erschaffen hatte: er sah ein, daß blos der Mangel an Einrichtungen, und an Wissenschaften, sie zu Barbaren machte, und daß sie alle Anlagen zu einem glücklichen Volke hätten, wenn ein Gesetzgeber das viele Gute anzuwenden wüßte, das in diesen rohen Edelsteinen verborgen lag. Und dieser Gutthäter meines Volks kann ich seyn, sagte sein Herz, nicht mit Worten, aber mit der lebhaftesten Empfindung, die ohne Zeitfolge, und ohne Worte, die Sprache des Herzens ist.

Junger Fremdling, sagte der Unterkönig, du verlangest nach Weisheit, du sollst sie erlangen; du bist frey, und ich werde sorgen, daß du unterrichtet werdest.

Die Freigebigkeit des Unterkönigs erstreckte sich auch auf den getreuen Scherin; er erhielt seine Freyheit: auf daß dem beliebten Usong kein Wunsch übrig bleiben möchte. Dieser junge Fürst befliß sich unter den vortreflichen Meistern, die ihm der Zongtu gab, die Weisheit der alten Herrscher von China, sich nützlich zu machen; er fand in der Billigkeit dieser Fürsten, in ihrer Bemühung ihres Volkes Glück zu bewirken, in ihrer Entfernung von allem Eigennutze, in ihrem Geiste der Ordnung, [18] einen Reiz, der sein Herz erhöhete. So hätte ich gedacht, das hätte ich gethan, sagte Usong zu sich selber, ihn dünkte, nichts wäre schwer, was gut wäre. Er kannte die Schwierigkeit noch nicht, die ein Menschenfreund findet, wenn er Gutes thun will.

Ob ihn wohl die Sitten der Chinesen abhielten, die liebenswürdige Liosua zu sehen: so war sie doch die angenehmste Beschäftigung seines Herzens. Er fand tausend Mittel eine Art eines Zuganges zu ihr sich zu öffnen; und da alle ihre Dienerinnen in ihm den Retter einer angebeteten Fürstin liebten: so erleichterten sie willig seine Absichten. Bald fand er seltene Blumen in den Gebürgen, und blühende Nipponische Bäume in den Gärten der Grossen, und ließ sie der Fräulein zubringen; bald waren es die farbenreichsten Vögel, deren Fang einen Theil seiner scythischen Auferziehung ausgemacht hatte; bald neue Gedichte, die er bey seinen Meistern abschrieb. Er vernahm ihren Geburtstag, der im Pallast ein Fest war, und heftete heimlich an eine Spitzsäule in dem Garten des Fräuleins einige Verse an, worinn er das Glück der Ming 10 [19] beneidete, unter denen der Phönix gebohren wäre. Das Fräulein lächelte, und nahm was von Usong kam, mit einer jugendlichen Unschuld freundschaftlich an.

Dennoch vergaß er nicht, daß er ein Fürst, und gebohren war, für sein Volk zu sorgen. Er versäumte die Verhörstunden des Unterkönigs niemals: er bewunderte, wie die erfahrne Weisheit in den Rechtssachen den Knoten im Augenblick auflösete, der die Wahrheit umschlang, und den Schlüssel ausfündig machte, der aus dem Labyrinthe führte. Er sah mit Vergnügen die Anstalten, mit welchen Liewang dem Mangel wehrte: er erkannte die Klugheit, mit welcher er die Rechte des Ackermanns in einem Gleichgewichte gegen den Vortheil des Bürgers hielt, und sowohl den Schweiß des Bauren zu belohnen, als dem armen Handwerksmanne die Nothdurft des Lebens in einem billigen Preise zu verschaffen wußte. Usong fühlte, daß er diese edelste der Schulen nicht immer geniessen würde, und eilte sich mit dem Lichte aufzuklären, das die Einsicht des Unterkönigs von sich gab.

[20] Aber der Fürst war zu jung, und zu feurig, als daß seine Liebe lang hätte verschwiegen bleiben können. Er hatte zwey Jahre zu Singan zugebracht, als endlich sein beständiges Bestreben dem Fräulein gefällig zu werden, den ernsthaftern unter ihren Frauen zu mißfallen anfieng. Schon hatte er sich unterwunden, den eigenen Garten zu betreten, in welchem die Fürstin sich erlustigte, und der für ihn ein verbotenes Heiligthum war. Er erfand immer neue Anlässe, die seine Freyheit entschuldigen konnten. Unter den Blumen, die er ihr zutragen ließ, waren öfters Verse verborgen, deren allgemeine Ausdrücke doch allemal Zeichen behielten, die nur der jungen Schönheit sich zueignen liessen, die er verehrete. Er ließ Zeugnisse seiner Liebe im hellesten Feuer brennen; er weyhete selbst die Stellen, die Liosua berührte, mit zärtlichen Sinnbildern ein.

Endlich hielten sich die Frauen verpflichtet, die Unbedachtsamkeit des Fremdlings dem Unterkönige anzuzeigen. Der weise Herr erwog, was die Sitten des Reichs und seine Eher erforderten, und dann, was Usongs liebenswürdige Eigenschaften, und glückliche Dienste, dagegen vermögen sollten. Er ließ den Sohn des Timurtasch vor sich fordern, und sagte zu ihm: Jüngling, der Sohn der Schlange bewarb sich um die Tochter des Drachen; aber der Drache fragte ihn, wo sind deine [21] Flügel? In dem Herzen des Fürsten hob sich auf einmal das Angedenken des Oguz und des Tschengis, die Herrlichkeit des Kublai, 11 und die ganze Größe seines Geschlechts empor; er antwortete mit gesetztem Anstande: der Sohn der Schlange hatte Flügel, aber man sah sie nicht. Diese Antwort misfiel dem ernsthaften Herrn. Wenn der Fremdling deutlicher unterrichtet werden muß, so wird er sich erinnern, daß die Tochter der durchlauchtigen Ming nicht gebohren ist, unter einem scythischen Zelte zu wohnen. Usong wird sein Vergehen einsehen, und nicht, da er die Gesetze und die Sitten des Reiches zu lernen hier wohnet, durch unerlaubte Triebe sich des Mittels berauben, weiser zu werden. Hastig fuhr der Jüngling bey diesem Verweise auf; er riß seine Oberkleider entzwey, und zeigte dem Unterkönig den gelben Gürtel, das Wahrzeichen des kaiserlichen Geblütes, das er niemals abgelegt hatte. Er stund in der Majestät eines beleidigten Kaisersohnes da. Der Sohn der Iwen, der Enkel des Tschengis, darf keine Vergleichung mit dem Ming befürchten. Nun schicke mich zum Tode hin, denn deine Verachtung ist bitterer für mich.

[22] Liewang liebte den Jüngling; er erschrack über die gefährliche Erklärung, und wollte keinen übereilten Entschluß fassen. Er ließ den von Zorn erröthenden Usong in ein Zimmer führen, und ohne Beleidigung sorgfältig verwahren. Am folgenden Tage rief er den Fürsten wieder vor sich, und sagte zu ihm mit dem gesetzten Wesen, das der größte Vorzug der chinesischen Staatsbedienten ist, und sonst wohl oft die Weisheit selber bey ihnen ersetzen muß; der fremde Jüngling kann im Reiche nicht mehr leben, ihn beschützen wäre eine Untreu, die ich am Sohne des Himmels 12 begehen würde. Auch in sein Vaterland zurück zu kehren kann ihm nicht erlaubt werden. Die Iwen sind vom Verhängnisse zum Untergange bestimmt. Wenn aber der Fremdling in einem entfernten Lande, am äussersten Ende der Welt, sein Leben zuzubringen sich verpflichten wird, so kann vielleicht der Saamen der Weisheit bey ihm zur Reife gelangen, und bey einem andern Volke Früchte tragen.

Usong antwortete mit der Grösse eines wahren Tschengiden: Dasjenige Land wird mir am liebsten seyn, das am entferntesten vom Throne der Ming ist.

[23] Liewang ließ den Jüngling von sich; er schrieb unverzüglich an den Unterkönig von Quangtscheu 13 »ein Fremder würde aus wichtigen Ursachen aus dem Reiche verbannet; weil aber derselbe Zeichen der Tugend von sich gegeben hätte, so wäre der Zongtu 14 vom Liewang gebeten, diesen Fremdling auf einem nach den entferntesten Abendländern abgehenden Schiffe wegbringen zu lassen: doch möchte er ihm dasjenige mitgeben, was Liewang ihm zu den Nothdürftigkeiten des Lebens abfolgen liesse.«

Usong sah sich nunmehr gezwungen, die geliebte Liosua ewig zu meiden; jung, wie er war, konnte er sich nicht enthalten zu versuchen, den letzten Abschied von ihr zu nehmen. Er und sein Freund Scherin späheten alle Augenblicke aus, in welchen die junge Schöne in den Gärten sich befinden würde, und es gelang dem Usong, eben bey dem Teiche, aus welchem er sie gerettet hatte, unvermuthet vor ihre Füsse sich zu werfen. Tochter des Himmels, 15 sagte er, Usongs Tugend, und nicht seine Abkunft, war deiner nicht würdig. Warum habe ich nicht die Vorzüge eines Schung! Warum kann ich nicht hoffen, der Sohn eines neuen Yu [24] zu werden! 16 Er schwieg, und Thränen stiegen das erstemal in seine glühenden Augen.

Die gerührte Liosua erinnerte sich, was die Strenge der Sitten erforderte, sie entfernte sich, und sagte im Gehen: Usong ist ein Fremdling, und kennt unsre Gebräuche nicht, man muß ihm verzeihen. Da sie aber langsam sich ihren Frauen näherte, konnte sie sich der Wehmuth nicht erwehren, da sie sich von einem liebenswürdigen Fürsten trennen sollte, der an eben dem Orte, mit der Gefahr seines eigenen Lebens, das ihrige gerettet hatte. Sie sah sich noch einmal nach ihm um, ihre Augen sagten ihm, mit einem sittsamen Schmachten, aufs deutlichste, sie verlöre ihn nicht gern.

Usong verstand die Sprache; das Herz lernt sie von der Natur; er sprang auf, und eilte halb entzückt, und halb verzweifelnd ins Gebüsch.

Der Tag kam, da er mit dem getreuen Scherin verreisen mußte. Er fand in Quangtscheü Reichthümer an Golde, an seidenen Zeugen, und an allen den Werken der in China so arbeitsamen Künste. Auch der Schuking, und die geheiligten [25] fünf Bücher der alten Weisen, waren unter den Geschenken des Liewangs, und in einem derselben fand er einen Brief von dem Unterkönige.

Nun ich des edlen Usongs Angesicht nicht mehr sehen werde: so ermahne ich ihn, wie ein Vater einen auf ewig sich entfernenden Sohn ermahnet, die Weisheit und die Tugend unverrückt zu lieben. Usong hat Gaben, die ihn zum nützlichen Fürsten machen können: wird er diese Kräfte anwenden, so kann er vom Himmel hoffen, ein Werkzeug der Güte desselben zu werden.

Usong küßte dankbar und wehmüthig dieses Vermächtnis eines Gutthäters, der seiner Liosua Vater war. Die Schiffahrt gieng ohne Hindernisse fort, und der Kaufmann setzte ihn mit seinen Schätzen zu Atschin aus: denn weiter giengen aus dem Reiche keine Schiffe. Der junge Fürst hatte sich in der Einsamkeit des Schiffes einen Grundriß zu seinem künftigen Leben entworfen: er nahm sich vor, Länder zu besuchen, wo er sich ausbilden könnte, Reiche, wo die Weisheit blühete, und wo eine Regierung wäre, die die Unterthanen glücklich machte. Er hatte zu Singan, und noch itzt durch die Bücher der Alten, und durch Liewangs glänzendes Vorbild, sich ganz mit der Begierde angefüllt, sich tüchtig zu machen, am Glücke der Menschen [26] zu arbeiten. Ihm blieb kein andrer Trieb, neben der unschuldigen Sehnsucht nach der bescheidenen tugendhaften Liosua.

Atschin stand unter einem kriegerischen und grausamen Könige. Usong hatte in China die Schonung liebgewonnen, mit welcher man, selbst wider die rächenden Gesetze, das Leben eines jeden Menschen vertheidigt, so lang als er die Gesellschaft seiner Mitbürger nicht unerträglich störet. Hier sah er alle Tage auf einen bloßen Befehl des Königes, ohne Verhör, ohne Verantwortung, ohne Ueberführung, und oft ohne Schuld, diejenigen den Elephanten vorwerfen, oder unter dem Säbel sterben, auf die der Unwillen des Herrschers gefallen war. So würde ein Tiger herrschen, sagte er, wenn der Himmel zugeben könnte, daß Tiger herrscheten. Auch fand er in einem nicht unähnlichen Lande nichts von den Zierraten von China, keine durch die Hand des Fleisses zubereitete Gräben zur innern Schiffarth, keine stuffenweise eingetheilte und bebaute Berge, keine den Reichthum der Einwohner verrathende Gebäude, keine Schulen der Gelehrten, und nichts als Wälder, oder Hütten, worinn Sclaven sich schmiegten.

Bey dem chinesischen Kaufmanne, in dessen Haus ihn der Befehlshaber des Schiffes aus Quangtscheu[27] gelassen hatte, fand er einen Mollah, einen für heilig gehaltenen Hadschi, 17 der von der Reise nach Mecca zurückgekommen war, und etwas von der chinesischen Sprache verstund. Die Gestalt des jungen Fürsten sprach selbst für ihn, und sein freundschaftliches und edles Wesen gewann ihm alle Herzen. Der Mollah vernahm vom Usong, er suche ein Land, wo die Einwohner glücklich wären, und wo die Tugend im Ansehen stünde. Jüngling, sagte der Mollah, alle diese Morgenländer stehen unter harten Herren, und unter keinen andern Gesetzen, als unter dem Willen der Herrscher. Aber fern in Westen, liegt ein Reich, Misr 18 ist sein Namen, das mit deinem China eine Aehnlichkeit hat, aber weit kriegerischer ist. Es ist, wie Taising mit Gräben durchschnitten; ein Fluß kömmt vom innersten Süden, und füllt an einem gesetzten Tage diese Gräben, und durch sie das ganze Land, mit einem segnenden Wasser an, wodurch es fruchtbar wird. So weit das Auge reicht, wird Aegypten zum Garten, wo die gütige Natur mit der geringsten Hülfe dreyßigfach den Saamen wiederbringt. Edle Palmenbäume bekleiden seine Büsche, und eine ausgedehnte Schiffahrt füllt seine Häfen mit [28] den Arbeiten des Morgenlandes, und mit den Werken des Fleißes der künstlichen Völker, die noch weiter nach Abend liegen.

Aber Misr hat noch einen grössern Vorzug: nur das Verdienst macht daselbst Fürsten, und aus den Fürsten Könige. Unter vier und zwanzig Fürsten ist das Reich eingetheilt; keiner folget seinem Vater, sie sind alle die Söhne ihrer Thaten. Einer von ihnen, dessen Vorzüge ihn zur Wahl auszeichnen, steigt auf den Thron; er ist allemal ein Fremdling, und mehrentheils ein Sclav, 19 der durch den Gehorsam durch die Noth, zur Anstrengung seiner Kräfte gezogen, und durch die Geschäfte selber gebildet worden ist. Misr ist das Vaterland des Verdienstes, und der Tempel der belohnten Tugend.

Usong ließ sich die Räthe des Mollah gefallen. Sobald die Jahreszeit günstig war, schiffete er sich nach Dschidda ein, wodurch einige Mahometaner [29] eine Wallfahrt nach Mecca unternahmen, und der Mollah, sein Freund, gieng selbst zum zweytenmale zum Grabe seines Propheten. Die Musse einer langen Schiffahrt brachte Usong zu, die arabische Sprache sich bekannt zu machen, worinn ihn der Mollah unterwies. Er las den Koran mit innigem Vergnügen. Das natürliche Licht führte ihn zu einem einigen Gott, und er fand, daß die chinesischen Weisen zu selten, zu kalt, und zu fremd von Gott sprechen. Der Tien, sagte Usong, ist der Schutzgott des Reiches 20 und des Kaisers: aber hier finde ich einen Gott, der mein Gott, und eines jeden Menschen Gott ist. Nur die Wunder, davon Usong in China auch nicht den Namen gehört hatte, und die, in dem Glauben der Bonzen eingewoben, die Abscheu der Weisen waren, verstatteten ihm nicht, dem Koran einen völligen Glauben zu geben.

Zu Dschidda trennte sich Usong von seinem mahometanischen Freunde, dem Mollah, und fand ein Fahrzeug, das ihn zu Suez aussetzte. In Alkähirah 21 kam er eben zu der Zeit an, da der Soldan mit aller der Pracht eines reichen Königes den Befehl ertheilte, den Kanal zu öffnen, der das Wasser vom Nil einläßt. Die Fürsten des [30] Reiches, und die Befehlshaber der zirkaßischen Krieger, erschienen in den kostbarsten Kleidungen, und auf den edelsten arabischen Pferden. Ganz Aegypten begieng sein größtes Freudenfest, und die allgemeine Wonne drückte sich in tausend Spielen aus. Usong selbst fand etwas prächtiges in dem Befehle, den ein Mensch gab, daß ein Reich fruchtbar werden sollte. Er glaubte einen Augenblick an alle die Vorzüge, die der Mollah Aegypten zugeschrieben hatte.

Aber, als er das verworrene, das unreinliche Alkähirah sah: wie er die in Aegypten herrschende Unordnung mit der genauen Policey der Chinesen verglich: wie er den Uebermuth der zirkaßischen Kriegsleute gewahr wurde, die das übrige Volk wie Sclaven hielten: wie so viele Aufläufe unter den herrschenden Mammelucken selber entstanden, und wie bald dieser und bald jener Bey von seinen Gegnern überfallen und getödtet wurde: wie Usong erfahren mußte, daß der Diebstahl die allgemeine Gewohnheit der Einwohner war, und daß anstatt der Gesetze nur der Wille der Mächtighen herrschte; so wurde seine Seele mit Unmuth gerührt. Sollte denn Weisheit und Tugend allein in China, dem Reiche der Ming, gefunden werden, sagte er, und seufzete!

[31] Er fand auch bald bey seinem Aufenthalte in Misr, daß nicht der Verdienst, sondern die Gewaltthätigkeit hier zum Glücke führte, und derjenige unter den Fürsten den Thron bestieg, dessen Säbel sich am grausamsten in dem Blute seiner Brüder gefärbet hatte. Usongs in der Liebe zum Rechte und Guten erzogene Seele verabscheute ein Land, wo er keines von beyden fand.

Er machte sich indessen die Fremdlinge von allen Völkern bekannt, die die Handlung nach Aegypten rief; sein Zweck war auszuforschen, ob unter den abendländischen Reichen denn keines wäre, wo er Weisheit und Tugend anzutreffen hoffen könnte? Er fand sich in den Sälen ein, wo die Kaufleute von den entferntesten Ländern sich bey dem neuerfundenen Getränke versammelten, das als ein unschuldiges Labsal der müden Seele gesucht wurde: 22 und da selbst gerieth er in einigen Umgang mit einem Edlen aus Venedig, der mit dem Gesandten dieses Freystaates seinem Oheim, nach Alkähirah gereiset war; sein Name war Katharin Zeno.

Usongs Wesen war einnehmend, und er reizte die Neugier selbst durch die Entfernung, aus welcher er herkam; ein Einwohner von China, für [32] den man ihn hielt, war für einen Europäer eine nie gesehene Seltenheit.

Usong kam mit dem Zeno auf die abendländischen Staatsverfassungen zu sprechen. Kömmt denn der edle Zeno nicht aus einem Lande, wo man die Wissenschaften ehret, und die Würde der Sitten kennt? Aus seinem Betragen sollte man schliessen, es gäbe Völker, denen der Namen der Barbaren mit Unrecht beygelegt wird, sagte der Fürst auf arabisch. Zeno lächelte: wann uns die Morgenländer für ungesittet ansehen, so erwiedern wit ihnen diese Unbilligkeit mit der unsrigen. Einer von uns (Marc Pol,) hat etwas von der Grösse und der Weisheit von Kathai uns erzählt, aber insgemein halten sich die Europäer für einzig gesittet. Und gewiß, wann Usong die Gesetze, die Ordnung, den Gottesdienst, die Künste, die Kriegszucht zu Venedig wird gesehen haben: so wird er uns eingestehen, wir haben vor dem Volke, bey welchem wir beyde jezt leben, dennoch ächte Vorzüge.

Die Vaterstadt des Zeno erweckte Usongs nachfragende Neugier, und er bezahlte seinen neuen Freund mit Nachrichten aus China. Er sah selbst aus den Waaren, die aus den Schiffen dieser freyen Stadt nach Alexandria kamen, den blühenden Zustand der Künste. Die Schiffe waren besser gebaut, [33] und wurden geschickter gelenkt, als in China, und an allem Geräthe erkannte man Geschmack und Erfindung. Usong entschloß sich leicht, da des Zeno Oheim eben seine Jahre geendigt hatte, mit beyden Edeln nach Venedig zu segeln. Er legte sich mit seinem gewöhnlichen Feuer auf die welsche Sprache, und auf die Kenntniß der Buchstaben: eine durch viele Windstillen verlängerte Schiffahrt half ihm, sich in beyden zu üben, und zu Venedig war er bald im Stande, seine Gedanken zu erklären.

Diese stolze Stadt stund damals auf dem höchsten Gipfel des Wohlstandes. Niemals hatte Tyrus eine solche Uebermacht in der Handlung erworben. Unter dem Herzoge Thomas Mocengio besaß, kurz vor des Usongs Ankunft, Venedig über drey tausend Schiffe, die mit sechs und dreyßig tausend Seeleuten besetzt waren. Sein Reichthum war fast unermeßlich. Es verschickte alle Jahre Waaren für den Werth von zehn Millionen Goldmünze in fremde Häfen, und gewann an der blossen Fracht zwo Millionen. Der ganze Handel von Indien gieng über Alexandria nach Venedig, und die Venetianer waren die allgemeinen Kaufleute aller abendländischen Völker.

Usong erstaunte in der That, als er die hohen Thürme von Venedig sich allmählig aus den Wellen [34] erheben sah. Er hatte in China grössere Städte gesehen, aber der blosse Gedanke, mitten ins Meer eine Hauptstadt, die Beherrscherin ganzer Königreiche, zu bauen, war für ihn mehr als menschlich. Er fand mehr Festigkeit in den steinernen Gebäuden, in den Tempeln mehr Pracht, reichere Zeughäuser, und einen Gottesdienst, der mehr Anstand hatte, als der kindische Götzendienst der Bonzen, und mehr Andacht zeigte, als die kalte Verehrung der Voreltern.

Nichts bestürzte aber den jungen Usong mehr, als die Staatsverfassung. Der Begriff eines Freystaates war im despotischen China noch nicht entstanden. Man glaubte viele Götter, aber stellte sich nur einen König als möglich vor. Daß aber Edle mit gleicher Gewalt neben einander herrschen, und der Größte auch vom Geringsten abhangen könnte, kam dem Usong wie eine Erscheinung aus dem Reiche der Geister, und als eine Nachricht aus einer andern Erdkugel vor. Seine Erstaunung vermehrte sich, da er vernahm, in den Abendländern wären ehmals alle Völker frey gewesen, und durch ihre eigenen, von ihnen selbst gewählten Obrigkeiten, beherrschet worden. Er konnte den Grund nicht einsehen, warum eben in diesen Ländern eine der übrigen Welt unbekannte Art zu herrschen üblich wäre: und begriff nicht, wie unter vielen gleichmächtigen einmüthige [35] Befehle und Maasregeln verfaßt werden konnten. Er sah zwey Völker; ein herrschendes, das das kleinere war, und ein grösseres, das gehorchte, und niemals zum herrschen gelangte.

So stark sein Vorurtheil wider die Regierung der Edlen war: so fand er doch in Venedig, daß sie mit dem allgemeinen Wohlseyn bestehen konnte: denn das Volk schien reich zu seyn, es wohnte in bequemen Häusern, und seine Arbeit war nicht übermäßig. Die Künste blühten wie in China, alles was zu der Menschen Nutzen und Vergnügen dienen konnte, wurde hier verfertigt. Die Edlen schienen bey ihrer Obermacht bescheiden zu seyn, die Gesetze galten auch wider sie, und ihr Vorzug verhinderte ihre Bestrafung nicht, wann sie schuldig waren. Er sah die knechtische Unterwerfung nicht mehr, die in China Menschen gegen Menschen bezeigen; die Geissel war nicht, wie dort, der Zepter der Gesetze.

Der Fürst der Mongalen fand sehr bald, daß der Kriegsstand besser eingerichtet war, als in dem gepriesenen Reiche der Ming: es herrschete unter den Kriegsleuten mehr Ordnung, mehr Geschicklichkeit, mehr Kriegszucht, und er lernte einen Trieb kennen, der den morgenländischen Kriegsleuten noch fremd war: die Ehre. Er vernahm, daß die Europäer [36] dm gewissesten Tod der Schande vorzögen, und das Fliehen bey vielen Völkern für die größte der Missethaten angesehen würde.

Er ließ sich belehren, daß die in China so gemeine Hungersnoth ein überaus seltenes Uebel wäre, das in Venedig die wenigsten Menschen erlebten; daß die Staatsverfassung seit etlichen Jahrhunderten nicht die geringste Erschütterung erlitten hätte: und daß überhaupt die herrschenden königlichen Häuser in Europa auf ihren Thronen ausstürben, und fast niemals einen Umsturz zu fürchten hätten; da in China so vielmal ein geringer Aufrührer, ein Tschu, das kaiserliche Haus verdrungen, und den beraubten Thron des Tschengis und des Kublai seinen im Pöbelstande gebohrnen Söhnen überlassen hatte.

Je mehr Usong sich überzeugte, daß in den abendländischen Sitten, Gesetzen, und Grundsätzen ein Keim des allgemeinen Besten, ein Grund zur Ruhe und Sicherheit, und dennoch ein Trieb war, der die Menschen zu edlen Handlungen antrieb, je mehr bestrebte er sich, diese Vorzüge genauer zu kennen, die er den Europäern zugestehn mußte.

Zeno erinnerte den neugierigen Usong, die despotische Herrschaft in den Morgenländern erniedrige [37] die Gemüther des Volkes. Wenn man den Ruhm aller edeln Thaten dem Fürsten zuschreibt; wenn auch der erhabenste Unterthan durch den Blick des Herrschers in den Staub gestürzet wird; wenn schimpfliche Bestrafungen willkührlich über das Volk verschwendet werden: da sinkt der Trieb durch eigne Thaten sich zu erheben. Ausgeschlossen von dem Wege zum Ruhme, lernt ein Volk sich unter das Joch beugen, und da es nichts hoffet, und alles befürchten muß, so gewöhnt es sich, mit Schmeicheln die Mächtigen zu versöhnen, und setzt an die Stelle der Ehre, woran es verzweifelt, den Gewinnst, den man ihm gönnet, und die Wollust, die es erkaufet.

In den meisten Ländern des Morgens dämpft die Härte der Regierung alle die Triebe, die das Herz des Volkes erhöhen sollten. In China haben die ersten Kaiser unter dem Volke die Tugend aufgesucht, um sie dem Throne zu nähern; sie haben mit Ausschliessung ihrer Söhne, das Zepter dem Würdigsten abgetreten; lange haben die Kaiser den Rath der Unterthanen willig angenommen, ihre Fehler erkannt, und dem treuen Diener den Ruhm gelassen, daß die bessern Thaten des Fürsten von seinen Warnungen herkämen. Aber auch in China ist die alte Einfalt der Herrscher durch die Schmeichler verdrungen; Usong gestund es. Die Belohnungen [38] werden durch den Rath unwürdiger Verschnittenen ausgetheilt, der obersten Mandarinen Unterdrückungen übersehen, und das Joch auf das Volk erschweret. Noch gewinnen zuweilen die glänzenden Beyspiele tugendhafter Kaiser, und die siegreiche Beredsamkeit alter Weisen, das Herz eines Fürsten, und bereden ihn, sein Vergnügen, im Glücke des Landes zu suchen. Aber das Uebel ist geschehen, das Herz des Volkes ist in den Koth getreten, und keiner edlen Begierden mehr fähig.

Bey den Abendländern ist die Gleichheit der Bürger viel länger beybehalten worden, über welche die Könige nur als blosse Feldherren, als die besten Jäger, zu Anführern gesetzt worden, aber über ihr Volk keine Gewalt gehabt haben. Was ein jedes Mitglied der Gesellschaft ihr zum Besten verrichtete, war sein Eigenthum, und der Ruhm seiner That blieb ihm gesichert. Tausenderley Ermunterungen, und die vornehmste von allen, die laute Hochachtung der Mitbürger, belohnte einen jeden Tugendhaften, da der neidische Despot alles Lob als einen Weihrauch ansieht, der nur den Göttern und ihm zugehört. Nicht gewohnt Beschimpfungen zu erdulden, bleiben freye Völker gegen eine jede Schande höchst empfindlich, und ziehn ihr den Tod vor: weil ohne Ehre zu leben ein fortwährendes Elend ist.

[39] Aber warum sind eben Freystaate in den Abendländern, und im Morgen unumschränkte Herrschaften entstanden?

Zeno versetzte: so viel ich von der Geschichte der Welt kenne, so sind in den äusserst unfruchtbaren Ländern, wo die Menschen wegen der sparsamen Nahrung überaus zerstreuet wohnen, weder Fürsten noch Obrigkeiten. Man hat unter dem nördlichen Angelstern 23 Völker entdeckt, die unter einem eisernen Himmel leben, deren Erde nur Stein und Eis ist, und die bloß das stürmische Meer ernährt. Diese Völker sind alle vollkommen ohne Obrigkeiten, und leben ohne Gesetze und ohne Strafe. Da die Erde für sie zu groß ist, und sie selten mit einander zu streiten haben, da, sie nichts gemeinschaftliches besitzen, so leben sie, fast wie die ihnen ähnlichen Thiere, ungesellig und ohne Regierung.

In kalten, aber doch zur Jagd gelegenen Ländern, leben die Menschen näher beysammen, und die Furcht vor den reissenden Thieren hat sie gezwungen, durch ein gesellschaftliches Leben sich zu verstärken. Diese Völker sind auch frey, und alle Glieder der Gesellschaft einander gleich. Ihre zu allen Beschwerden abgehärteten Gemüther lassen [40] sich weder schrecken noch zwingen, und sie übergeben das angebohrne Vorrecht der Freyheit keinem Tyrannen. Nur hat ein Anführer eine eingeschränkte Macht, die vormals mit der Nothwendigkeit zu Ende gieng. Auf diese Grundsätze waren ursprünglich alle europäische Herrschaften gegründet.

In den mildesten Gegenden, wo wenige Morgen Acker viele Hausgesinde ernähren können, wohnten die Menschen dichter beysammen, und bauten die ersten Städte. Der Werth des Besitzes war hier grösser, und der Streit zwischen den Bürgern, und einer jeden Stadt mit den benachbarten Städten, war gemeiner. Die Natur macht die Einwohner der mildern Gegenden für die Wollust empfindlicher und begieriger, in ihrem Zorn und in ihrem Hasse grausamer, und in allen ihren Trieben unmäßiger. Die Heftigkeit der Leidenschaften in diesen Gegenden würde sie zu Missethaten führen; die Eifersucht und die Rachbegierde, würden die Bande der Gesellschaft zerreissen, wenn sie nicht mit Zwangmitteln gezäumet würden. Hier entstunden Könige, denen man eine schnelle Ausführung der Macht anvertraute, weil sie schnellen Uebeln, und den Ausbrüchen wütender Leidenschaften, Einhalt thun mußten. Aber einmal mit Macht gewaffnet, erhielten sie über die weichlichen Gemüther der Morgenländer eine uneingeschränkte [41] Herrschaft, weil der Schrecken alles auf dieselben vermochte, und ihre Glieder weder durch die rauhe Luft, noch durch die zu ihrer Nahrung unvermeidliche Arbeit, wie bey den nördlichen Völkern, abgehärtet worden waren. Hier entstunden zuerst erbliche, und willkührlich gebietende Einzelherren; das feige Volk ist des Joches gewohnt, und lernt den Namen der Freyheit von seinen knechtischen Eltern nicht.

Usong belehrte sich täglich um desto leichter, je besser er sich nunmehr in der Landessprache ausdrücken konnte. Er unternahm kleine Schiffahrten im adriatischen Seebusen, und sah mit Vergnügen die Ordnung und die Leichtigkeit, mit denen ein Schiffshauptmann sein Volk lenkt: hier sieht man, sagte er, den Ursprung und den Nutzen einer unwidersprochenen Macht: sie wird nothwendig, wo der geringste Verschub des Gehorsams die Gesellschaft umstürzt.

Er besah die Heere, die aus Venedig gegen den benachbarten Herzog zu Meiland auszogen, und begleitete sie als ein Freywilliger. Mit Verwunderung sah er, wie die Europäer, die seit einer sehr kurzen Zeit, das Geschütz kannten, es so viel besser als die Chinesen zu gebrauchen wußten. Auch dieser Vorzug, sagte Zeno zu seinem Freunde, ist [42] die Folge der Freyheit, und des Triebes zur Ehre. Durch ihn werden alle Künste lebend, sie steigen in die Höhe, weil jeder Künstler seine Mitbrüder zu übertreffen strebet. In China bleibt der Sohn bey den Handgriffen seines Vaters, er stellt sich nicht vor, daß jenseit der Weisheit seiner Voreltern etwas zu entdecken seyn könne, er entdeckt auch nichts, und übergiebt seinem Sohne seine Kunst, wie er sie von Vater empfangen hat.

Die geraden Glieder, in welche in Europa die Kriegsleute traten, ihre Ordnung im Gehen, im Stehen, die genaue Aufsicht, und die Staffeln der Gewalt, die ungeschwächt vom obersten Feldherrn zum untersten Kriegsknechte geht, der Muth in den Stürmen, und im freywilligen Unternehmen der gefährlichsten Angriffe, alles entzückte den tapfern Usong. Gegen die Europäer kamen ihm seine Mongalen wie streitbare, aber blos von der Natur gewaffnete Thiere, die Chinesen aber wie Sclaven vor, denen man Waffen leihen, aber keinen Muth mittheilen kan.

Usong fand die Policey und die Uebungen der Gerechtigkeit nicht schlechter als in China. Die Ehre hält, sagte er selbst, die Richter hier ab, der Ungerechtigkeit sich zu überlassen, die die Nachrede bestrafen würde. In jenem Reiche ists nur eine [43] ausserordentliche Tugend, die einen Richter gerecht macht. Liewang war gerecht, aber selten schenkt der Himmel dem Lande einen Liewang, und täglich straft er es mit feilen Mandarinen.

Er begriff endlich, wie in einem Rathe gleichmächtiger Edeln die Einigkeit Platz haben kan, indem sich alle dem Schlusse der mehrern unterziehn. Er sah ein, daß die Obermacht unter freyen Mitherrschern einzig durch die Obermacht in den Gaben erhalten werden kan, und daß Tausende ihre Neigung nicht einem einzigen unterwerfen, wenn er nicht durch die Stärke seiner Gründe sie bezwingen, oder durch seine Beredsamkeit sie gewinnen kan. Auch hierinn liegt ein Mittel, den Trieb zur Vollkommenheit zu erhöhen, da sie der Weg nicht nur zur Ehre, sondern auch zur Gewalt wird.

Aber Zeno selbst gestund nicht ohne Kummer sei nem einsichtsvollen Freunde, alle diese Vortheile würden verschwinden, wenn jemals die Anzahl der Edlen zu klein würde. Ein Freystaat ist nur so lange glücklich, als seine Herrscher von einander unabhängend sind, und durch keine andere Bande zusammen verknüpft werden, als durch das allgemeine Beste. In einem zahlreichen Regierungsrathe gleicher Edlen können die kleinen Verbindungen des Blutes und der Freundschaft, keinen grossen [44] und schädlichen Einfluß haben, er dehnet sich auf wenige aus, denen die vielen Unabhängenden leicht widerstehen. Wann aber die Anzahl der Mitherrscher gering würde, so könnten eben diese kleinern Verbindungen die Entschlüsse der Regierung nach dem Willen der Wenigen lenken, die sich zu eben dem Zwecke vereinigten. Es könnte alsdann das Blut, die Freundschaft, der gemeinschaftliche Vortheil, eine solche Macht zusammenknüpfen, deren die übrigen unabhängenden Edlen nicht zu widerstehn vermöchten, und alsdann würden die besondern Absichten mächtiger Bürger stärker seyn, als der gemeine Nutzen des Staates. Ferne sey von meinem Leben, sagte der Redliche, die Stunde, in welcher ein Edler einen andern Vortheil, als den Vortheil des Vaterlandes, einzugestehn sich entblöden wird!

Der Fürst von Kokonor las, besah und verglich, er wuchs täglich an Einsicht und Kenntniß. Aber ein Krieg, in den die Republik mit dem mächtigen Morad gerieth, rief ihn von Venedig weg.

Georg Castriot, der Erbe Thomas des Fürsten in Epirus, war durch seine fast fabelhafte Tapfekeit der Liebling des Sultans geworden. Georg war ein Held, sein Muth war so groß als seine [45] Leibeskräfte, und gegen beyde war niemand zu vergleichen. Er fühlte seine Rechte, er trennte sich in einer Schlacht vom Morad, und entriß ihm den Sieg. Er erpreßte von demjenigen, der des Sultans Siegel bewahrte, einen Befehl, daß man dem Erben von Epirus Croja, seine Hauptstadt, übergeben sollte, und eilte diesen Befehl zur Wirklichkeit zu bringen. Es gelang ihm; aber Morad drang auf ihn mit der Uebermacht geübter Kriegsleute: die Jenjitscheri waren schon damals der Schrecken der Völker. Die Republik sah an den Osmannen Sturmwolken, die noch von weitem drohten, aber täglich sich näherten, und bald über sie mit zerstöhrenden Strahlen losbrechen würden: die Klugheit rieth, dieses Ungewitter von ihren Grenzen entfernt zu halten. Venedig schickte dem tapfern Castrioten die verlangte Hülfe, und Usong konnte der Begierde nicht widerstehen, einem Helden zu dienen, der eben so grosse Thaten wirklich vollbracht hatte, als die Poeten erdichtet haben.

Der Feldzug war lebhaft, und Georgs tapfere Faust vernichtete alle Vortheile, die die Menge und die Erfahrung den Osmannen gab. Zwey junge Venetianer, die nicht sowol Usongs Freygebigkeit, als der Reiz seiner Sitten gewonnen hatte, begleiteten ihn, und waren mit dem getreuen Scherin nachwerts die Gefährten seiner Reisen, und seiner [46] Thaten. Usong folgte mit allem Feuer der Jugend dem Fürsten von Empirus ins dickste des Gefechtes, und fühlte, nicht ohne Vergnügen, sein Herz am höchsten schlagen, wann der Tod auf allen Seiten auf ihn drang. Einmal stürmte er auf den Sultan selbst mit einer Heftigkeit zu, die auch von den tapfern Albaniern nicht nachgeahmet werden konnte; er wurde umringt, und würde unter den Augen des Sultans sein Leben eingebüßt haben, winn dieser Herr nicht eben so gütig gewesen wäre, als sieghaft er war.

Zum zweytenmale hielt die Tapferkeit und die ausnehmende Bildung des Tschengiden 24 das tödliche Schwerdt zurück, das über seinem Kopfe schwebte. Morad befahl, man sollte den Jüngling schonen. Nach dem Treffen ließ er ihn vor sich bringen, und fragte ihn, warum er eines Sultans Feind wäre, der einen Aufrührer zu bestrafen sich gewaffnet hätte: denn Usongs Züge verriethen gleich, daß er nicht in Europa gebohren war.

Der Fürst bückte sich ehrerbietig; ich bin an den äussersten Gränzen des Morgens gebohren, ich reisete nach dem letzten Abende, Tugend und Tapferkeit [47] zu lernen, und beydes hab ich bey meinem Ueberwinder gefunden.

Morad, dessen Herz so mild, als unerschrocken sein Muth war, lächelte gegen den Jüngling, und fragte ihn, ob er denn einem Fürsten nicht dienen wollte, an dem er gute Eigenschaften erkennte. Usong gestund freymüthig, er habe zu Venedig die großmüthigste Begegnung erfahren, und würde sich entehren, wenn er seinen Degen wider seine Freunde zöge.

Nun so sollst du doch auch den Osmannen nicht gefährlich seyn. Ich werde dich wieder nach Morgenland schicken, mich dünkt, fuhr Morad lächelnd fort, du hast den Krieg gelernt.

Der Sultan 25 ließ für ihn seine Güter beym Feldherrn der Venediger abfordern, und befahl ihn nach Escander 26 einzuschiffen, den Hafen von welchem er durch Halep nach Persien sich begeben sollte.

Usong hätte gern mehrere Staaten in Europa gesehn, und die Verfassung der Reiche sich bekannt gemacht, die von Königen beherrschet wurden.

[48] Aber er unterzog sich seinem Schicksale. Scherin brachte ihm seine Schätze, und beyde kamen über Escander in dem volkreichen Halep an, das sich stuffenweise auf seinen Hügeln erhebt.

Usong hatte in der kurzen Zeit, die er in Morads Lager und bey den Osmannen zubrachte, auf die zunehmende Grösse dieses fürchterlichen Reiches seine Aufmerksamkeit gerichtet. Unter sechs Fürsten waren die Türken aus einem unbekannten Volke zu Herrschern von klein Asien, und von dem östlichen Theile von Europa geworden. Vieles hatte dazu die innere Grösse ihrer Sultanen beygetragen, die fast alle tapfere und unermüdete Feldherren gewesen waren. Morad übertraf alle seine Vorgänger an den Vorzügen der Seele. Er war in der Brust der mildeste, der großmüthigste der Menschen, und er saß auf dem Throne wider die geheimen Wünsche seines nach Ruhe strebenden Herzens. Morad war ein aufrichtiger Anbeter Gottes: zweymal trat er vom Throne, um sich ganz den Pflichten der Religion zu weihen, zweymal zwang ihn der vereinigte Ruf der Osmannen, sich wieder an die Spitze der Völker zu stellen, weil sie keinen Sieg hofften, wenn Morad sie nicht anführte. Morad besaß den kühlen Muth, der mitten in den Gefahren sich besitzt, und nicht nur fähig ist, eine Schaar ins Feuer der Schlacht zu [49] führen, sondern ein ganzes Heer beständig in seinen Augen zu behalten vermag, der jedes Treffen allgegenwärtig zu lenken, sich aller Vortheile zu bedienen, und allen Gefahren die besten Anstalten entgegen zu setzen weiß.

Die Sultanen lebten beständig bey dem Heere, sie kannten keine von den Süßigkeiten des Harems 27, worinn andere morgenländische Fürsten ihre Glückseligkeit suchten. Die Osmannen verehrten in ihren Fürsten nicht nur ihre Erbherren, sondern vornemlich auch die tapfersten und die geübtesten Befehlshaber unter ihrem kriegerischen Volke. Jeder Sultan hatte seine Söhne bey sich im Lager auferzogen, und von der ersten Jugend an, sie wie junge Löwen, zum Streite und zum Siege angeführt.

Aber noch fürchterlicher schien dem nachdenkenden Usong die Einrichtung der Jenjitscheri 28. Man las die stärksten, die muntersten Jünglinge aus; man übte sie unaufhörlich in den Waffen; sie wurden vom Ehestand, von allen Arbeiten des bürgerlichen Lebens ausgeschlossen, und auch im Frieden waren ihre Kammern nur größere Zelten. Sie hatten schon durch wiederholte Siege den Stolz angenommen, [50] der wiederum zu Siegen führt. Sie hielten sich für unüberwindlich, und eben deswegen konnte ihnen niemand widerstehen. Unter den damaligen Völkern waren sie im Gebrauche des noch neuen Geschützes die geübtesten, und man konnte kein Fußvolk finden, das wider sie zu stehen vermochte. Bey allem dem angebohrnen Muthe der abendländischen Völker, konnten sie den grimmigen Anfall der Jenjitscheri nicht ausstehen, weil diese einzig unter allen Kriegern beständig in der Uebung der Waffen blieben, und nicht, wie die europäischen Völker, geworben und abgedankt wurden, sondern unter den Fahnen ihr Leben ununterbrochen zubrachten. Der ausserordentliche Muth eines Castrioten, und die unzählbare Menge der timurischen Reuter, konnten den Osmannen einen Sieg abringen: aber in der Dauer mußte der Jenjitscheri niemals verminderte Kriegszucht allen andern Völkern überlegen seyn, die die Waffen nur in einer Noth ergreiffen, und nach der Gefahr wieder ablegten.

Usong nahm sich vor, zu Basra sich einzuschiffen, und durch Indostan in die Gegenden zu reisen, wo noch Tschengiden herrschten. Dem tapfersten, oder weisesten derselben, wollte er seine Dienste weihen, und das übrige überließ er dem Verhängnisse, dessen Lenkung ein Sterblicher nicht vorsehn, [51] und dessen Gewalt er nicht widerstehen kan.

Er reisete gewaffnet durch die grosse Wüste, die zwischen Halep und Basra liegt: er hatte die Palmenstadt 29 besehen, in deren Schutt sich die Spuren der alten Pracht reicher Bürger mit den traurigen Beweisen der Grausamkeit der Ueberwinder vereinigen, und wo die streifenden Araber ihre Zelten zwischen dem marmornen Gemäuer verfallener Triumphbogen aufrichten. Er reisete durch die schwülen Sandstriche des öden Arabiens die Nacht durch, und wollte bey dem Aufgange der Sonne unter einem nahen Palmenwalde die Ruhe suchen, als er einen ehrwürdigen Greiß, mit einem wohlgebildeten Jünglinge begleitet, an dem Rande des Busches hervor treten sah.

Eben hob die Sonne ihre blendende Scheibe über die östlichen Gebürge von Arabien empor, da die bey den Araber sich auf die Erde niederwarfen, und der Greiß sagte mit gefalteten Händen, und mit einer Stimme, die die innerste Rührung seiner Seele ausdrückte 30:

[52] Herr aller Völker, aller Welten, aller Zeiten! wiederum schickst du den Herold deiner Güte, dich den Sterblichen mit Wohlthaten zu verkündigen. Für menschliche Augen zu strahlend, aber lauter Güte, die Quelle alles Lebens, alles Segens, und Schönheit, ist die Sonne das echte Sinnbild ihres unermeßlichen Schöpfers. O daß doch das Licht der ewigen Sonne unsre Herzen durchstrahlte, daß alle Sterbliche fühlen möchten, wie deine Gnade ihr einziges Glück, wie die Ewigkeit der Zweck ihres Lebens ist!

Der Emir, denn er war ein Fürst eines arabischen Stammes, und ein Nachkömmling des Ali, wurde hier durch das Geschrey einiger Sonnischen Bedwinen unterbrochen; Stirb, riefen die blinden Eiferer, du Ungläubiger, der die Nachfolger des Propheten verflucht 31. Schon rannten sie mit ihren gesenkten Speeren auf die unbewaffneten Anbeter zu. Aber Usong fühlte mit der edlen Ungeduld eines großmüthigen Herzens die Unwürdigkeit eines unverdienten Mordes, er sprengte mit seinem tapfern Gefolge unter die Räuber: die kühnsten fielen, und die übrigen zerstreuten sich.

[53] Der Geist, der angebetet hatte, streckte seine Arme gegen seinen Erretter. Gesegnet sey Gott, sagte er, der in ein so liebenswürdiges Geschöpf eine so erhabene Seele gesetzet hat. Der Sohn, denn es war der Erbe des Emirs, warf sich vor dem Helden nieder, und seine Dankbarkeit strömte in Lobeserhebungen aus.

Komm in unsre Gezelte, sagte der Alte, daß ich dich segne, edles Werkzeug der göttlichen Güte. Er gieng, und Usong folgte ihm in ein Thal nach, wo um eine Quelle die schwarzen Zelte des Stammes gespannt waren, der unter dem Emir stand. Alle Morgen sönderte sich der Rechtschaffene von seinen Folgern ab, und betete in der Einsamkeit zu Gott: sein Name war Hassan, und er hatte alle die Untergebenen überlebt, die seinem Vater gehorcht hatten. Was die dankbare Freygebigkeit des Fürsten vermochte, das schüttete er freudig zu den Füssen seines Befreyers aus, der nichts annahm, als einen kurzen Aufenthalt bey seinen Erretteten.

Hassans Herz überfloß vom Preise Gottes. Ich hoffe ihn bald zu sehen, sagte er: schon itzt hebt mich dieser wallende Gedanke von der Erde, sie sinkt unter mir. Tapfrer Jüngling, fuhr er fort, du hast vielleicht im lachenden Frühling deiner Jahre noch nicht genug dich mit Gott bekannt gemacht, [54] laß die letzten Reden eines sterbenden Freundes die Belohnung deiner Wohlthat seyn.

Der Ruhm, der Reichthum, die Wollust, sind Spielwerke unerfahrner Kinder, die der grosse Vater ihnen nicht misgönnt, weil sie Kinder sind. Aber sie sollen nicht ewig Kinder bleiben; jenseits des Grabes erwartet sie ein Leben, ein unveränderliches, ein ohne Ziel daurendes Leben, dessen Würde keine Spiele mehr verträgt, dessen Ernst alle die Puppen verächtlich macht, womit irrdische Fürsten ihre Jahre vertändeln. In diesem Leben deine Gnade gewinnen, ist die einzige Weisheit; dich, überschwengliches gütiges Wesen zu kennen, dich zu lieben, deine Worte zu hören, zu erfüllen, darzu haben wir den unsterblichen Geist empfangen, dessen die Erde nicht werth ist.

Thränen drangen dem Ehrwürdigen aus den Augen, sie quollen auch aus des muntern Jünglings empfindlicher Seele. Hassan unterhielt täglich den aufmerksamen Usong von der Grösse der Tugend, von dem Werthe des Guten, von dem Glücke der Frommen. Usong fand sich gerührt: ohne Muhammeds gewaltthätige Erhebung zu billigen, betete er zu dem einigen Gott, und hielt sich zu den Anrufern des obersten Wesens: er ließ sich den Namen Hassan beylegen, und sah sich als einen [55] Sohn des Rechtschaffenen an, der ihn Gott kennen gelehrt hatte.

Usong setzte endlich seine Reise fort. Schon sah er von weitem Anah, eine lange Stadt an beyden Ufern des Euphrats, das Ziel der Wüste, wo die Erde wiederum ihren Schmuck annimmt, den die Arbeit der Menschen verbessert. Dattelnbüsche, Felder mit dem vortreflichsten Getreide trächtig, blühende Gärten, Quellen des Ueberflusses, glänzten um den edlen Strom.

Aber die Menschen genossen nichts von dem Guten, das die Natur ihnen anbot. In diesen unglücklichen Zeiten sah man täglich Gewaltthaten ausüben. Usong traf auf der Strasse einen Emir mit grauem Haupte an, der seine Kleider zerriß, und alle Zeichen der Verzweiflung von sich gab. Ach! sie haben meine Tochter geraubet, die Enkelin der Helden, die reine Perle meines Stammes: da schleppen sie sie hin, zum Bette der Unehre, zur ewigen Schmach. Und ich Armer sehe sie vernichten, und vermag sie nicht zu retten. So sagte der Greis zu dem fragenden Usong.

Der Enkel des Tschengis hob die Augen auf, und sah auf dem Wege nach der Stadt einen Staub aufgehn, zwischen welchem er zuweilen ein rennendes[56] Kameel erblickte, das seine Führer zur Eil antrieben. Er verfolgte ungesäumt diese Spur, und fand die junge Förstin, die sich die schwarzen Haare ausriß, und erbärmlich um Hülfe schrie, so oft sie den Mund frey machen konnte. Eine Schaar berittener Räuber umringte sie.

Die Zahl war ungleich, und der Angriff gefährlich. Aber Usong maß seine Unternehmungen nicht nach seinen Kräften; sein Herz folgte den edeln Empfindungen, die es überströmten. Er fiel wie eine Löwin, welcher man die Jungen wegführt, die Diener des Fürsten von Anah an: denn diese hatten die Tochter des Emirs ihrem Vater geraubt, und eilten sie den Wollüsten ihres Herrn zu übergeben, der ein Sohn eines der Krieger des mächtigen Timurs war. Mit bessern Waffen, mit vottreflichern Pferden, mit mehrerer Uebung im Streite, und insonderheit mit der Flamme seines vom Anblicke des Unrechts sich entzündenden Muthes, überwand Usong, und rettete das Fräulein.

Sie war das reizendeste Frauenzimmer, das Usongs Augen gesehn hatten. Schönste der Fürstentöchter, rief er, eile deinen verzweifelnden Vater zu trösten. Er lenkte das Kameel, und die Tochter des Emirs, die fürs erstemal ohne Schleyer einen fremden Jüngling ansah, erröthete wie eine aufblühende [57] Rose: schamhaft ließ sie sich führen, schlug die Augen nieder, und unterstund sich nicht, ihrem Retter zu danken.

Sie ereilten den alten Vater bald, den sein Unmuth aufhielt, und der sich seinen Klagen überließ. Er sah die Geliebte seiner Seele, und traute seinem Glücke kaum. Bist du es meine Emete? sagte er, seh ich dich unbefleckt wieder, soll dein Stamm ohne Schande bleiben, und kan dein Vater zu Grabe gehn, ohne seine Ehre verlohren zu haben!

Die Stelle ist gefährlich, sagte er gleich nach diesem ersten Ausdrucke seiner Freude. Eile, edler Fremdling, laß mich meinen wieder gefundenen Schatz in die Sicherheit bringen. Er führte den Usong zu einem Walde, der zuerst dünn war, sich aber nach und nach verdickte, und endlich keinen Durchgang mehr zeigte. Aber der Emir kannte den gewundenen Steig, der zwischen den Palmbäumen durchführte, und ihn zu einem Thale brachte, das der Wald verbarg, und in welchem seine Gezelte gespannt waren.

Emete' verbarg ihr beschämtes Angesicht in dem Schoose ihrer Mutter. Vergieb, sagte sie, vergieb deinem Kinde, daß es sich entschleyert hat: es war unter den Händen der Barbaren, die keine Sitten [58] kennen. Die Mutter benetzte ihr Kind mit Freudenthränen. Zierde deines Stammes, rief sie, komm in die verschlossene Hütte wieder, noch bist du meine Tochter.

Der edle Abuschir, so hieß der Emir, hatte die Rache und die Uebermacht des Fürsten von Anah zu befürchten: er selbst wallete vor Rachbegierde: ein Araber, den man an der Ehre, und zugleich an seiner Liebe angreift, ist ein gereizter Tieger. Er schickte zu allen den Stämmen der Wüste, von Basra bis gen Halep Boten aus. Edle Emire, ließ er ihnen sagen, wollt ihr euch eure Töchter, eure Ehre rauben lassen; wollt ihr zugeben, daß euer Stamm in die Schande sinke?

Das Feuer, das im Herzen des alten Abuschirs wallte, steckte die arabischen Fürsten mit gleicher Rachbegierde an. Sie haßten ohnedem die Fürsten der Städte, von denen sie allerley Zunöthigungen erlitten hatten, und die ihre Macht durch gedungene Kriegsvölker erhielten, unter denen keine Kriegszucht, und keine Einschränkung der Lüste bekannt war.

Die Emire versammelten sich bey dem rachgierigen Abuschir, und in wenig Wochen wurden sie zu einem Heer. Auch Dschuneid, der Sohn des [59] ehrwürdigen Hassans, kam mit einer auserwählten Mannschaft, und freute sich seinen Brüdern die Rettung anrühmen zu können, die er dem großmüthigen Usong zu danken hatte. Er umarmte seinen Freund, denn Usongs Liebe hatte er durch seine unschuldige Tugend gewonnen, und brachte ihm Segen des dankbarenden Hassans.

Usong war bey seinen neuen Freunden nicht müßig: seine Thaten, und der Adel, der alles begleitete, was er vornahm, gab ihm bey ihnen ein verdientes Ansehn. Er ermahnte die zwanglosen Araber, sich wider einen Feind vorzubereiten, der in allem, nur nicht im Kriegswesen, verächtlich war. Da alle die Einwohner der Wüste zu Pferde kriegen, so lehrte er sie in Gliedern sich bilden, und in geschlossenen Reihen mit gesenkten Speeren in den Feind setzen: er sah vor, daß dem Einbruche ihrer muthigen Pferde und ihrer fürchterlichen Lanzen nichts widerstehen würde.

Der Fürst von Anah war ein Räuber und ein Wollüstling, er hatte den Emir aufs heftigste beleidigt, und dennoch glaubte er sich berechtiget, Rache zu suchen. Man hatte ihm den Vorwurf seiner unordentlichen Begierden entrissen, und er war gewohnt, alles für sein Eigenthum anzusehen, was sein Säbel bezwingen konnte. Er sammelte seine [60] Kriegsleute, und erhielt Hülfe von andern Fürsten, die in andern Theilen des zerrissenen Persiens herrschten, und von eben der Abkunft waren, da sie durchgehends von Timurs Befehlshabern abstammten.

Beyde Heere begegneten einander bald, da sie beyde einander suchten. Usong erhielt von den Emiren, daß sie eine auserlesene Schaar unter seinem Freunde, dem Dschuneid, hinter eine Anhöhe verbargen, die auf der Seite des Schlachtfeldes lag: es ward ihm nicht leicht zu erhalten, daß die Araber sich bis zu einer Kriegslist erniedrigten.

Die Emire führten ihre Reuterey Gliederweise, mit verhängtem Zügel, und mit gesenkten Speeren, an die Feinde, und warfen sie im Augenblicke übern Haufen. Aber hinter den Reutern stund ein Treffen zu Fuß, das den Arabern aus seinen Röhren ein fürchterliches Feuer entgegen schickte, und sie in Unordnung zu weichen zwang. Allein in eben dem Augenblicke fiel Dschuneid diesem Fußvolke in die Seite, und warf es ohne Widerstand zu Boden. Dis Schlacht dauerte nicht lang, die zerstreuten Araber kamen zurück, und wenige unter den Feinden konnten sich retten, da kein andres Pferd einem arabischen entgehen kan.

[61] Die Fürsten eilten gegen Anah, nicht in der Absicht die Stadt für sich zu erobern, kein Araber wagt sich zwischen Mauren, sondern mit dem Vorsatze, ihren Feind auszurotten. Aber der räuberische Herr von Anah war im Treffen zertreten worden, und die Einwohner zogen den Emiren mit Palmenzweigen, und mit allen Zeichen der lebhaftesten Freude entgegen: sie erkannten die Sieger für ihre Erretter: denn sie hatten unter dem härtesten Joche geschmachtet, und weder das Gut, noch die Ehre, noch das Leben eines einzigen von ihnen, war unter der eisernen Hand ihres Fürsten in Sicherheit gewesen.

Beym Anblicke dieser Eroberung rief Abuschir: wir Araber verlangen keine Städte, laßt uns aber dankbar seyn: wir sind den Sieg den Räthen des Fremdlings schuldig, er hat das Leben und die Ehre eurer Brüder gerettet. Edle Freunde, erwerbet einen freundschaftlichen Nachbar, schenkt ihm das willige Anah; was kan rühmlicher für die Araber seyn, als die Tugend belohnen; was können sie den Einwohnern selber für eine grässere Wohlthat erzeigen als wenn sie ihnen einen edelmüthigen Herrn geben.

Der Rath des alten Abuschirs wurde von allen Emiren wiederholt, ein allgemeiner Beyfall [62] bestätigte das Geschenk, und Usong wurde Fürst zu Anah.

Der Emir erfreute sich über die Erhebung seines Freundes: er setzte seiner Dankbarkeit keine Schranken, und dachte dem Usong die schöne Emete zu, die dieser junge Fürst gerettet hatte. Arabien hatte nichts vollkommeners hervorgebracht, und Usong war in dem Alter, wo der Eindruck schöner Augen auf das Herz die gröste Macht ausübet. Aber Dschuneid hatte bey einer seltenen Gelegenheit sie gesehn, die sich von ungefehr den Tag ereignet hatte, da Abuschir zur Schlacht sich waffnete, und ihm seine schöne Tochter einen Talisman 32 umhieng, der einen geliebten Vater vor aller Gefahr bewahren sollte. Dschuneid verliebte sich aufs heftigste, und vertraute sich dem edeln Enkel des Tschengis. Usong blieb allemal seiner selbst würdig: er wandte bey dem Emir die Verbindlichkeit an, in welcher der Vater der schönen Emete gegen ihn stand, er erhielt sie für seinen Freund, und rettete ihm, so sagte Dschuneid, zum zweytenmale das Leben.

Er nahm nunmehr sein Fürstenthum in Besitz: er erinnerte sich an die letzten Worte des weisen[63] Liewangs, und sah Anah als eine Prüfung des Himmels an, der ihm einen Anlaß gab zu zeigen, ob er zu herrschen würdig wäre. Mit solchen Gesinnungen zur Herrschaft zu gelangen, ist der unfehlbare Vorbot einer rühmlichen Regierung.

Usong befliß sich, die weisesten und erfahrensten von seinen Unterthanen zu kennen: er holte die Meinung eines jeden Hauptes eines Geschlechtes ein, er rief alle diejenigen zu sich, deren gute Eigenschaften man ihm anrühmte, er sprach mit ihnen, er ergründete ihre Denkungsart mit angemessenen Fragen, er trug alles, was er von den Tugendhaften vernommen, und was er selber bemerk hatte, ist ein Buch der Würdigen ein. Er gab denjenigen, die einen Vorzug zeigten, zuerst Aufträge, die durch ihre eigene Beschaffenheit auf eine Zeit eingeschränkt waren: er wachte aufmerksam über ihr Begehen, und wenn sie seiner Hoffnung entsprachen, so zog er sie zu beständigen Aemtern.

Er nahm Richter unter den weisesten von Anah an; aber er kam alle Tage selbst in den Gerichtssaal, ließ sie über die Rechtsfrage sich erklären, widerlegen und antworten: hörte ihr Urtheil an, und bestätigte es mit einem freundschaftlichen Gutheissen, oder verbesserte es, nachdem er die Gründe eröfnet hatte, warum er von den Richtern abgieng.

[64] Er hielt sich eine kleine Leibwache, die er aus den edelsten Jünglingen wählte, und die er durch den Scherin, und durch die welschen Gefehrten seiner Reisen, den Riva und den Antonino, in den Waffen üben ließ. Oft führte er sie selber an, er machte ihnen die besten Bewegungen vor: er lehrte sie Glieder und Ordnung halten, und das europäische Feuergewehr gebrauchen: er setzte Preise aus, und beförderte diejenigen, die sich durch ihre Geschicklichkeit und durch ihren Fleiß ausnahmen.

Da er keine Pracht liebte, wenige Kriegsvölker besoldete, und keinen Harem hatte, so war sein Aufwand gering: hierdurch befreyete er sich von der Nothwendigkeit grosse Steuern zu fordern, er erließ dem Volke die Hälfte der Auflagen, die Anah bezahlt hatte, und sicherte die Einwohner wider alle die Erpressungen, die unter ihren vorigen Herren ein jeder ihnen abtrotzte, der einige Gewalt hatte.

Er suchte die Elenden und Armen in ihren Hütten auf: jenen gab er gegen eine geringe Arbeit, die ihnen am wenigsten schwer wurde, den nöthigen Unterhalt: und diesen wies er Land und Vieh an, womit ihn die dankbaren Emire überflüßig versehen hatten. Da sein Gebiet nicht groß war, so kannte er bald einen jeden seiner Unterthanen, und munterte die Tugendhaften durch seinen [65] Beyfall, und durch allerley Vortheile auf: so wie er die Lasterhaften und Trägen zuerst warnte, ihnen dann sein Misfallen, und endlich seine Strafe fühlen ließ.

Die Tugend eines Fürsten ist das Glück seines Landes, und die Unterthanen mußten den Fürsten lieben, der für sie so kräftig sorgte, der einer jeden Klage den Zugang verstattete, jeder Noth abhalf, und keine gute Eigenschaft unbelohnet ließ. Der Ruhm des vortreflichen Usongs stieg aus dem Herzen des Volkes in die Höhe, und breitete sich unter allen Gegenden aus, die einen Umgang mit Anah hatten. Verschiedene kleine Länder machten sich von ihren Tyrannen los, und suchten unter dem einzigen Fürsten Schutz, der seit der Jugend der ältesten Greise Mesopotamien geliebt hatte.

Persien war damals im verwirrtesten Zustande. Die nördlichen Provinzen stunden unter dem Abusaid, dem Enkel Timurs, einem gewaltthätigen Herrscher. Schehan Schach, ein Turkuman, beherrschete mit einem eisernen Zepter Aderbeitschan, Irak, Fars, und Kerman; Schiras stund unter dem Mirza Jusuf; Bagdad, Basra, und viele andere Städte und Landschaften hatten kleine Fürsten, die in beständigen Kriegen gegen einander lebten, und den Unterthanen ihr ganzes Vermögen abpresseten, [66] grosse Heere und zahlreiche Harem zu halten. So weit als Persien war, hörte der Himmel nichts als Klagen der Unterdrückten.

Diarbekir 33 warf sich begierig in die Arme des Usongs. Bagdad und Basra flehten um das Glück ihn zum Fürsten zu haben: er mußte seine Sorgen theilen, und seine Kriegsmacht vergrössern. Aber die Munterkeit seines Geistes wachte ihm alle Arbeit leicht, und die Absicht, die er nie aus den Augen ließ, ein Werkzeug der segnenden Vorsicht zu werden, umschuf für ihn die wachsende Beschwerde du Herrschaft zur reinesten Wollust.

Es fanden sich allgemach aus ganz Persien weise und redliche Männer ein, die den Usong aufforderten, sich der bedrängten Menschlichkeit anzunehmen, und nicht, fast unter seinen Augen, so viele tausende von Unschuldigen unter der Unterdrückung schmachten zu lassen. Usongs Edelmuth fand einen Reiz in der grossen Unternehmung, Persiens Heiland zu seyn: aber so jung er war, so fühlte er doch die Schwierigkeit der Bezwingung mächtiger Tyrannen, und erschrack über den Werth des Blutes, das sie kosten würde.

[67] Er fragte endlich den ehrwürdigen Hassan um Rath: er eröfnete ihm die Anträge, die ihm gemacht waren, und verlangte des Anbeters Gottes Meinung, ob er die Befreyung Persiens unternehmen sollte. Hassan sah in dieser Heldenpflicht nichts als das Glück ganzer Millionen: Die Morgenländer sind gewohnt, das kleine Beste einzelner Menschen zu verachten, wo ein allgemeines Gut zu erhalten ist, das Blut einiger Redlichen schien dem frommen Hassan nicht zu theuer, Persiens Lösegeld zu werden. Er munterte selbst den Usong zur Annahme des Anerbietens der Perser auf.

Nun war der Enkel des Tschengis entschlossen, da der Tugendhafteste unter den Menschen seine Unternehmung gut hieß. Er warb bey seinen Freunden, den arabischen Fürsten, um auserlesene und freywillige Reuter, und erhielt sie leicht: sie eilten ihrem verehrten Anführer zu dienen. Dschuneid riß sich aus den Armen der wunderschönen Emete', und führte eine erwählte Schaar rüstiger Araber an. Aus dem benachbarten Kurdistan erhielt Usong ein vortrefliches Hülfsvolk, das lange nach ihm unveränderlich der persischen Fürsten sicherste Macht ausgemacht hat. Ganz Diarbekir und Algezira wollte für den geliebten Helden zu den Waffen greifen; Usong wählte aber nur den streitbarsten und muntersten. Er brachte also ein kleines und auserlesenes [68] Heer zusammen, das er selbst in den Waffen übte, und über welches er diejenigen Kriegsleute zu Befehlshabern setzte, die er zu Anah gebildet hatte.

Der erste Tyrann, der seine Waffen fühlte, war Schehan Schach, aus dem Geschlechte des schwarzen Schafes. Er war schon bey Jahren, und ein grausamer Fürst, der sich dennoch seinen geilen Lüsten und der Trunkenheit unbereut überließ. Er wollte den wachsamen Usong mit einem fliegenden Heere überfallen; aber sein unordentliches Leben stürzte ihn in die Grube. Usong überfiel ihn, da ihn der Wein ausser Stand gesetzt hatte, zu widerstehen. Der Enkel des Tschengis ließ die Zelten seines Feindes in Brand stecken: in einer schrecklichen Nacht sahen die unglücklichen Völker des Turkumanns sich von den Flammen und vom Schwerdte umringt. Ihr Fürst fiel selber in der Schlacht, und von seinem Heere entrannen nur wenige Flüchtlinge; die erpreßten Reichthümer des turkumannischen Wüterichs fielen in die Hände der Araber und der Kurden, und frischten sie zu neuen Siegen an.

Hassan Ali, des Schehans ähnlicher Sohn, brachte ein zahlreiches Heer zusammen, das zehnmal stärker war, als die Völker des Usongs. Aber [69] es schien, die Vorsehung führe den Tschengiden mit sichtbaren Kräften auf den Thron des Cyrus und des Nuschirwans. Usong traf den Hassan Ali schon überwunden an. Abusaid, ein Enkel des siegreichen Timurs, war wider ihn zu Felde gezogen, und die Völker dieses unglücklichen Fürsten, hatten ihn gröstentheils verlassen. Usong fand keine Schwierigkeit die übrigen zu schlagen, und Hassan Ali blieb im Treffen.

Der mächtige Abusaid, rückte indessen bis in Aderbeitschan, und Usongs Heer war viel zu klein eine Schlacht gegen ihn zu wagen. Aber der kluge Fürst von Anah kannte den Vortheil, den seine flüchtige arabische Reuterey ihm geben konnte. Er vertheilte sie in verschiedene Haufen, denen Usong ihre Stellorte vorschrieb, und deren jeder eine Gegend hatte, worinn er täglich herumschweifte; und dann einen Ort, wo sich die zertrennten Schaaren wiederum versammelten. Die Araber schnitten dem Abusaid alle Zufuhr ab: sie bemächtigten sich alles Vorrathes, den man ihm zubrachte. Wann die schwere Reuterey des Timuriden wider sie auszog, so zerstreuten sich die Araber, und in wenigen Tagen, waren sie wieder versammelt, und thaten einen neuen Anfall. Usong hatte zu Carabag eine so vortheilhafte Stellung genommen, daß Abusaid ihn anzugreifen unmöglich fand.

[70] Die morgenländischen Heere haben kein anderes Band, als den Fortgang ihrer Waffen; das Unglück macht sie muthlos, und zertrennet sie; sie entfernen sich von dem Fürsten, dessen Gestirn zu schwach ist, sie zum Siege zu leiten. Abusaid wurde von seinen Mangel leidenden Völkern verlassen, und gefangen vor den großmüthigen Usong gebracht. Enkel des Timurs, sprach er zu dem Ueberwundenen, ich bedaure dein Schicksal, ob du mich wol ungereizt angegriffen hast; bleib bey mir, und bieg dich unter dein Verhängnis. Aber die edle Gesinnung des Siegers erreichte ihren Zweck nicht; einige Perser, deren Rachgier durch die gewaltsame Herrschaft des Abusaids war gereizt worden, ergriffen eine Gelegenheit, da Usong abwesend war, und brachten den Gefangenen um 34.

Usong verfolgte nunmehr die Ueberbleibsel des Stammes mit dem schwarzen Schafe, und eroberte Fars fast ohne Schwerdtschlag. Khorossan stund unter verschiedenen Timuriden, die einander durch innerliche Kriege entkräftet hatten; bey der Annäherung der persischen Völker entflohen die einen zu den Usbecken, und Badizzaman ergab sich selbst dem Sieger, dessen Gütigkeit der Welt bekannt [71] war: er wurde zu Tabris königlich unterhalten. Mirza Jusuf, der zu Schiras herrschete, war ein leichtes Opfer der siegreichen Waffen. Die Europäer finden es schwer, die Geschwindigkeit zu begreifen, mit welcher in den Morgenländern ganze Reiche erobert werden. Aber es waren keine Festungen in Persien, das Herz des Volkes eilte dem geliebten Usong entgegen 35, die vielen kleinen Herrscher waren die Geisel und der Abscheu der Perser, und das weite Reich war erobert, ohne daß der Sieger fast einen Freund verlohren hatte.

Er berief nunmehr nach Caswin die Vornehmsten der Perser, die Aeltesten des Volkes, die Häupter der Stämme, und die Weisen des Landes. Sie versammelten sich in einer breiten Fläche, und die unzählbare Menge ihrer Pferde bedeckte die Erde. Das Heer, das unter dem Usong so manche Feinde überwunden hatte, umringte seinen Feldherrn mit triumphirender Pracht. Sie trugen die zahlreichen Fahnen, die sie erobert hatten, die Rüstungen der erlegten Fürsten, die Zeichen der obersten Herrschaft der Timuriden. Ihr unaufhörlicher [72] Zuruf verkündigte den versammelten Persern ihre Verehrung gegen den weisen, den gütigen, den tapfern Anführer, der durch alle Gefahren eines grossen Krieges sie ohne Verlust zum Siege geleitet hatte.

Usong erschien unter ihnen in dem kriegerischen Schmucke, der seine zierliche Bildung aufs vortheilhafteste darstellte. Edle Perser, sagte er, ihr seyd versammelt, eurem Reiche ein Haupt zu geben. Es war in zwanzig Früstenthümer zerstreut; die Barbaren traten das älteste Reich der Welt mit Füssen! jetzt ist es vereiniget. Wählt euch einen Herrscher, der Persien seinen alten Glanz wieder gebe. Lange lebe Usong Padischah 36, so sieghaft als Cyrus, so weise als Nuschirwan; er herrsche so lange als Sapor 37, war der Ruf, der von einem Ende der unübersehbaren Menge bis zum andern erschallte, und nicht ein Perser war, der dem allgemeinen Zurufe seine Stimme entzog.

[73] Usong neigte sich gegen sein Volk. Euer Zutrauen ist groß, edle Perser, sagte er gerührt, es möge ihm Usong entsprechen: die einzige Absicht seines Lebens wird euer Glück seyn!

Unter dem lautesten Freudengeschrey bestieg er den Thron des Cyrus, und gürtete Rustans 38 Schwerdt um, des Helden, das als ein Heiligthum bewahret wurde. Er vertheilte alles was er besaß, unter seine Freunde die Araber, unter die Kurden, und unter seine getreuen Perser, und hielt sich mit der Hoffnung reich genug. Die Emire zogen vergnügt und bereichert nach ihren Zelten, nur Dschuneid, dem indessen ein Sohn war gebohren worden, konnte sich nicht so geschwind dem Umgange seines erhabenen Freundes entziehn.

Fußnoten

1 Ein großer See in der Mongaley, westwärts von Schensi.

2 Siehe die allgemeine Weltgeschichte, u.s.w.

3 Der Dalai Lama ist noch zu unsern Zeiten ein vergötterter Mensch. Die Lama, oder die Priester der Tanguter und Tibeter, lehren das Volk, der Fo beseele den Dalai Lama; wann der vermeynte Gott stirbt, so wird ein Jüngling, der dem Verstorbenen ähnlich ist, zur Ehre erwählt, vom Fo besessen zu werden. Einem solchen Jünglinge führte man die Fürstinn von Kaschmir zu: denn in Ansehung der Lüste der Sinne ist er ein Mensch.

4 Hassan al Tawil.

5 Ein nordischer hochgeschätzter Geyerfalk.

6 Confucius.

7 Schuking ist eines der kanonischen Bücher der Chinesen, worinn die weisen Räthe der alten Kaiser, und ihrer Minister, vom Confucius verzeichnet worden sind.

8 Yao, Schung-Yu, Wuwang, Wenwang.

9 So sind die Gärten und Palläste in China beschaffen.

10 Der Kaiserstamm der Enkel des Tschengis hieß Iwen, das Haus des Hongwu, das bis zum izigen Kaiserthume herrschte, hieß Ming. Die Chinesen haben auch ihren fabelhaften Fonghoang, einen Phönix, von dem sie glauben, er zeige sich nur unter den glückhaftigen Beherrschern des Reiches.

11 Des ersten chinesischen Kaisers vom Stamme Iwen.

12 Der Kaiser.

13 Das Canton der Europäer.

14 Unterkönig zweyer Provinzen.

15 Als eine Enkelinn der Söhne des Himmels, der Kaiser.

16 In der zweyten Dynastie nahm Yu den Schung wegen seiner Tugend zum Schwiegersohn und zum Thronfolger an.

17 So heissen diejenigen, die nach Mecca die Wallfahrt verrichtet haben.

18 Der morgenländische Namen von Aegypten.

19 Man hat dieses geleugnet; aber in den Zeiten Usongs, und bis zum Umsturze der Mammeluckischen Regierung, wurden allerdings lauter Sclaven auf den Thron gesetzt: auch unter den Osmannen blieb dieses Gesetz für die Beye, die Aegypten unter dem Pascha beherrschten, mehrentheils in Uebung. Ali-Bey, der neuliche Soldan, ist ein Sclav gewesen.

20 Der Kaiser allein opfert dem Tien.

21 Cairo.

22 Dem in den damaligen Zeiten eingeführten Kaffee.

23 Grönland.

24 Enkel des Tschengis, des grossen Siegers, den die Abendländer Zengis Kan heissen.

25 Amurat II.

26 Alexandrette.

27 Serrail.

28 Janitscharen.

29 Palmyra.

30 Von dem Eifer der Mahometaner in ihrem Gebete, siehe Guys Voy. liter. da la Gréce I. s. 416.

31 Die Aliden verfluchten den Abukeker, Omar, und Otmann, als unrechtmäßige Thronfolger des Mahomeds, die den Ali von seinem Erbrechte verdrungen haben.

32 Die Araber waren zu allen Zeiten diesem Aberglauben ergeben.

33 Bizzaro de reb. pers.

34 Die Abendländer sagen, ein Kriegsrath habe ihn zum Tode verurtheilt.

35 Diese Geschwindigkeit, mit welcher Usong Persien in zwey Jahren eroberte, findet man in allen abendländischen Geschichtschreibern, nur setzen sie die Eroberung einige Jahre später.

36 Dieses Wort ist der uralte Titel der Könige der Parther, und findet sich im zweyten Jahrhunderte auf des Moneses Münzen: (Swinton Phil. Trans. Vol. L.P.I.) Der türkische Sultan führt ihn, und übersetzt den Kaisertitel der Europäer durch Padischah. Die Beherrscher von Persien, aus dem Stamme der Aliden, haben ihn beständig geführt.

37 Siebenzig Jahre.

38 Eines Helden der ersten Perser, von dem man viele colossalische Denkmale findet.

Zweytes Buch

[74] Zweytes Buch.

Die ersten Tage des neuen Kaisers waren sehr unruhig. Mit der freygebigen Hoffnung der Jugend hatte sich Usong auf Persiens Thron geschwungen: jetzt aber fühlte er das Gewicht, dem er sich unterzogen hatte. Ein Fremdling, ohne angestammte Rechte des Blutes, nur seit zwey Jahren in Persien bekannt, übernahm ein unermeßliches Reich zu regieren, das seit Jahrhunderten zerrüttet, weder Gesetze, noch Ordnung, noch Verfassung gekannt hatte, und unter schwachen Fürsten beständig unglücklich, gegen seine Beherrscher aber abgeneigt geworden war. Das Kriegswesen, die Steuersachen, die Gerechtigkeit, die Sitten waren in der größten Verwirrung, und alles mußte, und mußte auf einmal, in Ordnung gebracht werden.

Mitten unter diesen Sorgen, wachte dennoch der angenehmen Liosua Angedenken auf. Die Ahndung Liewangs ist erfüllt, sagte Usong zum erfreuten [75] Scherin, geh' trage diese Geschenke, und diesen Brief, an den erlauchten Zongtu von Schensi, und an seine tugendhafte Tochter. Der Kaiser belud seinen Vertrauten mit den Seltenheiten, die er aus Europa gebracht hatte, und mit den edelsten Früchten Persiens; und Scherin verreisete. Er hatte auch den Auftrag dem ehr würdigen Timurtasch die Erhebung seines Sohnes zu verkündigen; mehrere Boten, die Usong von Anah aus zu den Mongalen abgeschickt hatte, waren bey den Unordnungen in Persien, und in den Wüsten der Tartarey verunglückt, ohne Timurtaschs Zelten erreichen zu können.

Zugleich schrieb der Kaiser an die weisen Herrscher zu Venedig, und fertigte den Riva mit einem wichtigen Auftrage, und mit kostbaren Geschenken ab.

Er aber überdachte nunmehr, wie Persiens elender Zustand zu verbessern wäre. Er sammelte alles in sein Gedächtniß, was er von den alten Weisen in China gelernt, und was er sonst vom erfahrnen Liewang gehört hatte. Er verglich es mit dem Lichte, das ihm auf seinen Reisen bey der klugen Herrschaft zu Venedig, und bey dem tugendhaften Morad aufgegangen war. Seine eigene Scharfsinnigkeit leitete ihn durch den Labyrinth, [76] und einige alte Perser, deren Verdienste er entdeckt hatte, halfen ihm zu einem Leitfaden.

Zuerst entwarf er die Ordnung seines eigenen Lebens. Mit der Sonne stund er auf, er ließ alle Thore der Burg öffnen, und in der Ordnung, wie ein jeder sich angezeigt hatte, die Perser eintreten. Diejenigen, die Bittschriften eingaben, hatten das Vergnügen, sie dem Kaiser selber einzuhändigen, und nach einiger Zeit den Entschluß abzuholen. Die Rechtssachen wurden in seiner Gegenwart vorgetragen und geschlichtet. Nach diesem öffentlichen Verhöre arbeitete Usong mit seinen Staatsbedienten über die Geschäffte des Reiches, die nach der Abtheilung, die er gemacht hatte, in Tage vertheilt waren. Auf den Abend ritt er aus, zeigte sich dem Volke, erkundigte sich um alle Umstände der Policey und der Gerechtigkeit: seine Vertrauten, die er täglich abwechselte, blieben bis in die Nacht, und gaben ihm von allen wichtigen Geschäfften die nöthige Nachricht. Usong fand kein Vergnügen an der Jagd, am Spiele, an den Mahlzeiten, an der Musik; eines Fürsten Stunden, sagte er, gehören alle seinem Reiche. Sein Vergnügen bestand in einem freundschaftlichen Umgange, und in den Büchern der Geschichte, zu denen er die heissern und unthätigen Stunden des Tages anwandte.

[77] Persien, das er nunmehr zu beherrschen hatte, war unendlich grösser als Anah. Usong konnte nicht mehr hoffen, die letzten und äussersten Zweige der untern Geschäffte des Reiches selber einzuschauen: ihm blieb übrig, getreue Diener auszusuchen, durch deren Augen er sehen könnte. Er schickte in eine jede Provinz einen Abgesandten aus 1: denn so hieß er ihn, und hierzu bediente er sich mehrentheils der Männer, deren Rechtschaffenheit er in Mesopotamien erfahren hatte. Ihr Befehl war, des Volkes Huldigung anzunehmen, und ihm anzusagen, der Kaiser würde bis zum ersten Naurus 2 die Steuern einrichten und ausschreiben lassen, die der Glanz des Thrones und die Bedürfnisse des Reiches erforderten; indessen erwartete er von einem jeden Perser eine freywillige Steuer, die aber derselbe nach seinen Mitteln berechnen, und dabey sich allemal die Nothdurft seines Hauses vorbehalten sollte.

Ganz Persien wurde über die Mildigkeit des neuen Beherrschers gerührt, und die Steuer übertraf, was Usong gefordert haben würde, wenn er sie selber ausgeschrieben hätte.

[78] Hierbey hatten die Abgesandten Befehl, daß ein jeder in seiner Provinz sich erkundigen sollte, wer an jedem Ort für redlich, für fähig, für tugendhaft angesehen würde. Die Männer sollten sie vor sich kommen lassen, ihre Gaben prüfen, nach ihrer Rechtschaffenheit sich immer sorgfältiger erkundigen, und aus denselben einen Vorschlag zu obrigkeitlichen Aemtern, und zu Richtern machen, so daß dem Kaiser zu jeder Stelle eine Wahl von drey Männern, und die Gründe zum Vorschlag eines jeden vorgetragen würden. Diese Wahl sollten sie bereit halten, wann der Kaiser das Land durchreisen würde, auf daß die Vorgeschlagenen sich vor ihm stellen möchten.

Usong verhielt den Abgesandten nicht, er würde es keinem vergeben, der ihn betröge, und keiner würde sein Angesicht wieder sehen, der ihm einen untugendhaften oder einen untüchtigen Mann vorschlüge; oder von dem der Kaiser ausfinden würde, daß er sich durch Gaben hätte gewinnen lassen.

Der Kaiser trat seine Reise etliche Monate vor dem Naurus an: er durchzog alle fünfzehn Landschaften seines weiten Reichs, er hielt sich in allen Hauptstädten einige Tage auf, er nahm alle Bittschriften an, ließ sich die Bedürfnisse des Landes vortragen, und prüfte selber die zu den Aemtern [79] vorgeschlagenen Männer, von denen er für ein Jahr denjenigen erwählte, der in seinen Reden am meisten Weisheit, und die lebhaftesten Empfindungen zur Tugend gezeigt hatte. Alle Vorgeschlagene wurden in die Bücher der Würdigen eingetragen, und alle Jahre mußten die Abgesandten eingeben, was für Verdienste, und was für Mängel, sie an einem jeden wahrgenommen hatten, und mit wem sie ihre Zahl zu vermehren Gründe fänden.

Usong fand die meisten Städte verfallen, viele Dörfer verlassen, und die Wasserleitungen eingegangen 3, ohne die Persien eine dürre Wüste ist: Das sind die Früchte, sagte er seufzend zum Dschuneid, der untüchtigen Herrscher, die ihre Unterthanen nicht geliebt haben. Eiligst ließ er die Wassergräben räumen und aufgraben: er setzte Preise auf das Ausfinden neuer oder eingegangener Quellen: er ließ tausende von Schafen und Ochsen von seinen Freunden den Kurden einkaufen, und lieh sie den mangelnden Unterthanen ohne Zinse, so daß sie nach drey Jahren solche an die Krone zu bezahlen anfangen sollten, und noch drey Jahre von dieser Schuld sich frey zu machen übrig behielten. Er befahl von den Flüssen des innern Persiens [80] das Wasser durch woleingerichtete Gräben und Schleussen in die dürre Fläche zu leiten. Andre Preise setzte er auf fruchtbare Bäume, und zumal auf den Pflegvater der Seidenwürmer, den Maulbeerbaum, und versprach sie demjenigen, der am meisten von diesen Bäumen pflanzen wurde, halb im ersten Jahre, und die andre Hälfte für die Zahl reichen zu lassen, die nach drey Jahren übrig bleiben würde.

Zum Wiederherstellen der schadhaften Häuser bot er eine Beysteuer an. Die verabsäumten Landstrassen und Brücken sollten, wiewol erst in mehrern Jahren, alle in den besten Stand gesetzt werden, wozu die Krone zwey Drittel beyzutragen versprach, und das Land die Arbeit für den letzten Drittel thun sollte. Er versprach eine jede Provinz öfters zu besuchen, und der wird mein Freund seyn, sagte er, der seinen Acker am besten baut, und die meisten wolerzogenen Kinder dem Staate schenkt.

Ueberall berief er die Künstler und die Handelsleute; er ermunterte sie, ihm anzuzeigen, was Kunst und Natur an jedem Orte hervorbrächten, was beyde mehrers hervorbringen könnten, was die Lage und die Eigenschaften jeder Gegend für Waaren am leichtesten und wolfeilsten zu zeugen [81] versprächen: und die Mittel, wodurch diese Früchte des Fleisses, und der göttlichen Güte, verbessert und vermehret werden könnten. Alle Vorschläge wurden aufgezeichnet, und mit Verschweigung der Angeber andrer Verständigen Anmerkungen über einen jeden eingeholt. Persien ist arm, sagte Usong, aber es hat die Wurzeln zum Reichthum in sich selber.

Die Steuern schienen ihm die eilfertigste der Einrichtungen zu seyn, die er zu machen hatte. Er erinnerte sich der Pachten, die bey den Osmannen im Gebrauche waren, und der Verwaltung, die er in China gesehen hatte. Er fand unter seinen Räthen einige, die zu den Pachten riethen. Ein kleiner Staat, sagten sie, kan die Kammersachen verwalten, der Fürst kan die Rechnungen durchsehen, und den Unterschleif verhüten. Aber in einem unermessenen Kaiserthume, wie Persien, ist keine Wachsamkeit des Fürsten zureichend, zu hindern, daß das Gold der Unterthanen an den Händen gieriger Steuereinnehmer klebe: und wenn der Geiz sie nicht zu einer thätigen Besorgung ihrer Pflichten aufweckt, so entzieht ihre Saumseligkeit dem Fürsten die Hälfte seiner Einkünfte. Durch Pachten kan der Kaiser auf einmal die Einnahme seines weiten Reiches übersehen, und auch den Klagen der Unterthanen vorkommen, wenn er die Pachten [82] auf kurze Zeit hingiebt, und die Strafe der Abänderung auf alle Erpressungen legt.

Usong hatte in China gelernt, daß der Kaiser der Vater seines Volkes ist, und sein Herz fühlte diese Pflicht mit den lebhaftesten Wallungen. Nimmermehr, sagte er, werde ich das Vorrecht aus meinen Händen lassen, meinem Volke Gutes zu thun. Wann die Heuschrecken 4 eine Landschaft verwüsten, soll sie dennoch die Steuern bezahlen? wann der Landmann durch eine Seuche sein Ackervieh verliert, soll er doch die Grundzinse seines Ackers entrichten, ob er schon weder pflügen noch erndten kan? Der Pachter verdoppelt alle Auflagen; er zählt auf alle nur mögliche Ungewißheit, und zieht jede nur wahrscheinliche Gefahr von dem Pachtgelde ab, das er dem Fürsten erlegen soll: so verliert der Fürst, und dem Volke preßt der Pachter durch tausend Künste so viel aus, daß er bey einer fürstlichen Pracht dasjenige seinen Lüsten aufopfern kan, wovon des Landmanns Kinder leben [83] sollten. Usong hatte bey den Osmannen die Unbilligkeit der Pachter, und das Schmachten der Unterthanen, unter einem weisen und gütigen Sultan, mitleidig angesehn.

Der Kaiser entschloß sich, China und Indostan nachzuahmen, und seine Steuern von dem Acker zu beziehen 5. In Persien hatte man in den meisten Provinzen, schon seit der Regierung des weisen Nuschirwans, alle Felder des weiten Reiches in Büchern verzeichnet, und mit ihren Massen ausgemarchet, weil die unentbehrlichen Wasserleitungen nach dem Maasse eines jeden Ackers abgetheilt werden mußten. Usong erinnerte sich, daß in Indostan die alten Könige, die man wegen ihrer Güte vergöttert hat, drey Zehendtel von den Früchten [84] des Feldes für ihren Antheit genommen hatten, und bey dieser Steuer fanden die Völker ihre güldenen Zeiten. Persien kan minder tragen, sagte er, als die Reißfelder am reichen Ganges und am Caweri 6: ein ärmeres Volk bedarf Hülfe und Nachsicht, und die Bedürfnisse des Staates erfordern keine grössere Auflage. Er belegte einen jeden Morgen fruchtbaren Landes jährlich mit einer halben Unze. Silbers, die nicht völlig den zwölften Theil des Betrages der Erndte machte, und es blieb noch eine unermeßliche Strecke Landes übrig, die man als Krongüter verpachten, oder andere öffentliche Ausgaben darauf anweisen, oder endlich den Leidenden damit beyspringen konnte.

Die Steuern in einem Reiche, sagte Usong zu seinen Räthen, müssen so einfach seyn, daß sie von den Stadtobrigkeiten bezogen werden können. Sobald sie, wie in Europa, vielfach und verwickelt sind, so erfordern sie eigene Bedienten, und so entsteht ein Heer von Geyern, die das Herz der Unterthanen verzehren, und die der Fürst dennoch ernähren muß. In Persien soll ein jeder Landmann, nach dem Maasse seiner Güter, das Silber dem Rathe in der nächsten Stadt entrichten: dieser soll es dem Schatzmeister der Provinz zustellen, [85] und also soll die Abgabe, ohne Abzug und ohne Last, des Herrn oder des Volkes, in den allgemeinen Schatz der Krone kommen. Da die Auflage durch das Maas der Aecker unveränderlich bestimmt ist, so ist kein Irrthum möglich, und die Behändigung hat keine Schwierigkeit. Bey der mäßigen Auflage wird Persien nicht verarmen, und der Kaiser dennoch reich seyn 7.

Geht ein strafendes Ungewitter über eine Landschaft; schickt die zürnende Gottheit ihre Heere aus, alles wachsende aufzuzehren; versagt der eiserne Himmel der Erde seinen Regen, und seine Wärme, so ist es dem Kaiser ein leichtes, durch die Abgesandten die Klagen seines Volkes zu erforschen, die Grösse ihres Unglücks zu ermessen, und ihrem Untergange durch eine väterliche Schonung vorzukommen.

Neben dieser Auflage soll keine andere seyn 8. Freylich könnte der arbeitsame Fleiß der Künstler etwas von seinem Erworbenen entbehren; freylich[86] könnte der reiche Wechsler zur Nothdurft des Staates von seinem Ueberflusse einen Theil abgeben. Aber die Schätzung des Erworbenen würde zu willkührlich, und die Billigkeit unmöglich seyn. Ein Künstler würde abgeschreckt, seinen Verdienst zu vergrössern, wenn er die Frucht seines Fleisses mit dem Kaiser theilen müßte, und nichts ist unerträglicher, als Auflagen, die kein gesetztes Maas haben, die die Gunst erleichtern, und der Haß verdoppeln kan.

Der Landmann selbst soll bey der Vermehrung seiner Erndten der Erhöhung der Steuer nicht unterworfen seyn, der Gewinnst soll sein Eigenthum bleiben: so wie dem Nachläßigen zur Strafe dienen wird, daß er von dem durch seinen Fehler unfruchtbar gewordenen Acker eben so viel Silber abzutragen hat, als vorher, da er in gutem Stande war.

Eine einzige Auflage behielt Usong neben der Landsteuer bey, die Zölle beym Eintritte der Waaren in das Reich. Sie wurden aber auf das geringste Maas herunter gesetzt. Des Kaisers Absicht war nicht, Schätze von der Handelschaft zu erpressen; dieser Zoll belehrte ihn aber von der Menge der ausgehenden und eingehenden Waaren. Usong machte durch denselben die Wunden ausfündig, wodurch Persien seinen Lebenssaft verlohr, und wurde gewarnt, sie zu stopfen. Er vernahm, was [87] für Waaren ins Reich kamen, die man entbehren, oder die man durch persische Waaren ersetzen konnte. Denn Usong hatte allzuviel Einsicht, daß er nicht die Nothwendigkeit gefühlt hätte, die Waagschaale bey der Handlung aufrecht zu halten. Kein Reich kan einigen Wohlstand hoffen, das einen mehrern Werth an Waaren von den Fremden jährlich annimmt, als es verschickt.

Dieses war der erste Entwurf des Kaisers in Absicht auf die Kammersachen. Sein nächster Blick gieng auf die Gerechtigkeit, und auf die Policey.

Er hatte zu Venedig deutlich eingesehen, daß das Gleichgewicht zwischen dem Kriegsstande und dem bürgerlichen, eine der ersten Sorgen des weisen Fürsten ist. Dieser Freystaat, der fast beständig Kriege führte, hatte dennoch von den Kriegsvölkern niemals die geringste Unruhe erlitten: da hingegen zu Rom so oft der Thron bald durch die Leibwache, und bald durch andere Legionen, war umgestürzt worden, und Karthago nach dem Sicilischen Kriege mehr Gefahr von seinen eigenen Heeren, als von den siegenden Römern, erlitten hatte.

Venedig wählte allemal fremde Feldherren, die keinen Anhang und keine Verbindungen im Lande [88] hatten, und die es nur für gewisse Jahre annahm, wol belohnte, und streng bestrafte. Alle Statthalterschaften, die völlige Regierung, die Gerechtigkeit, die Policey, die Steuerkammer, die Obrigkeiten, stunden niemals unter den Kriegsleuten: so blieb das ganze Volk unabhangend, und ein genugsames Gleichgewicht gegen den Ehegeiz oder die Gewalt der Kriegsmacht war erhalten.

Zu Rom war die Kriegsmacht alles. Wann der Rath zuweilen den Geist der Freyheit fühlte, und sich seiner alten Grösse erinnerte, so unterdrückte das Schwerdt der Leibwache gleich die aufsteigende Wallung. Wenige Kriegsleute stürzten den edlen Galba vom Throne, und setzten auf denselben den gefälligen Gefährten der Wollüste des verabscheuten Nero. Der Rath und das Volk war entwaffnet und ohne Kräfte. Eine zahlreiche Leibwache in einem festen Lager war für die Hauptstadt ein Joch, das sie abzuwerfen nicht vermögend war.

Usong sah es als einen Fehler an, der der Ottomannen Reich zerstören würde, daß die Stadthalter der Provinzen zugleich auch die Feldherren und die Häupter des Kriegsvolkes wären. Hier blieb gar kein Gleichgewicht, und das Volk schmachtete in der Sclaverey, es blieben keine zwey Machten, [89] die einander beobachten und in den Schranken erhalten konnten. Der Statthalter war dem Throne um desto gefährlicher, je härter die Urtheile morgenländischer Fürsten sind. Ein bewaffneter Statthalter hat bey der Auflehnung wider den Sultan nichts mehr zu befürchten, als von der leisen Verleumdung eines schwarzen Beschnittenen: der giftige Hauch des letzten ist eben so tödtlich, als das bey einem Aufstande siegende Schwerdt des Fürsten. Bey seiner Aufruhr findet der Pascha keinen unabhängenden Oberbeamten, der ihm widerstehen kan, er opfert das Volk der Kriegsmacht auf, und herrscht durch dieselbe ohne Aufsicht und unumschränkt. So lang ein Bajazid, ein Morad an der Spitze seiner Heere steht, selbst befiehlt, selbst ficht, und den Glanz des Thrones durch eigne Vorzüge verherrlicht, so lang hat das Reich der Osmannen nichts zu besorgen. Aber alle Kaiserstämme in China, sagte der kluge Zuhörer Liewangs, fiengen bey Helden an, und giengen unter Schwelgern zu Grunde. Die Wollüste des Harems, die berauschenden Vergnügungen der Sinne, werden die Sultanen nicht verschonen, ihr Reich wird sich zergliedern, und jeder Pascha selbst ein Sultan werden.

Diesen Mangel der morgenländischen Regierungen suchte Usong aufs sorgfältigste zu verhüten. [90] Er trennte von der Kriegsmacht alle Verwaltung der Schätze, der Gerechtigkeit, und der Policey. Die Bewaffneten hatten am Statthalter der Provinz, am Oberrichter, am Schatzmeister, und am wirksamsten an dem Abgesandten des Kaisers so viele wachsame Aufseher, die die ersten aufsteigenden Gedanken zu einer Auslehnung verrathen würden. Usong vermied auch, grosse Feldherren in den Provinzen zu behalten; er ließ sie am Hofe und in des Kaisers Aufenthalt leben: und die Kriegsmacht blieb unter vielen Obersten zertheilt. Er wollte auch Cohorten haben, und keine Legionen. Die Wirkung des Misvergnügens eines so grossen und innigst verbundenen Haufens ist zu groß und zu gefährlich.

Zur Policey ließ er sich durch den Abgesandten im Anfange in jedem Dorfe ein Haupt, in jeder Stadt zu den unmittelbaren Anstalten und derselben Ausführung einen Begewältigten, mit einigen Beysitzern zu den minder eilfertigen Geschäften vorschlagen. In den grossen Städten war ein Daroga, in den kleinern ein Kalentar, selbst in jedem Dorfe ein Aeltester. Diese Obrigkeiten stunden unter dem Statthalter, der mehrentheils aus ihrem Mittel, und unter denjenigen genommen wurde, die in den untern Stellen Fähigkeit und Tugend bewiesen hatten. Usong wollte, daß alle Wahlen nach Hof kämen: er begriff zwar, daß die Last für [91] den Kaiser eines so weiten Reiches zu groß seyn würde, alles selbst zu übersehen, und überließ dem Statthalter und dem Abgesandten durchgehends die untern Wahlen. Aber dennoch glaubte er, es wäre nützlicher, daß beyde diese Vorgesetzten bey einem jeden Falle erwarten möchten, der Kaiser würde die eingeschickten Gründe erforschen, und ihre Standhaftigkeit einsehen wollen. Usong that es auch sehr oft, bald bey dieser und bald bey jener Provinz, oder er übergab die Prüfung seinen Vertrauten; und niemals würde es sicher gewesen seyn, ihn betrügen zu wollen: denn in diesem Falle war er unversöhnlich.

Eben die Obrigkeiten hatten die Einnahme der Steuern, und Usong wies ihnen nach ihrem Stande allemal zureichende Besoldungen an, die sie von der Versuchung befreyten, in unrechtmäßigen Mitteln ihre Unterhaltung zu suchen; hingegen, ließ er ihnen nicht die allergeringste Möglichkeit zu andern Einkünften.

Die Gerechtigkeit hatte nunmehr ihre eigene Richter. Alles war in Persien willkührlich, und es war kein Gesetz gewesen, als die Gewalt. Usong ließ die Gesetze des weisen Nuschirwans sammlen, er befahl zu ergänzen, wo die veränderten Zeiten nothwendig eine Abänderung erfoderten, [92] und jedem Gerichtshofe eine Abschrift zu geben, nach welcher die Richter urtheilen mußten. Er behielt in allen Hauptstädten der Provinzen einen Gerichtshof, wozu er niemals die Obrigkeiten des Ortes wählte. Der Richter einziges Geschäfte sollte die Gerechtigkeit seyn. Sie wurden ansehnlich besoldet, und vom Kaiser selber geehrt. Die Mehrheit der Stimmen gab den Ausschlag, und der Weiseste, den man ausfinden konnte, hatte den Vorsitz und die Leitung. Geringe Sachen blieben bey diesem Gerichte, grössere kamen an das kaiserliche Divan, und vor die Oberrichter des Hofes, bey denen sehr oft, und an ungewissen Tagen, der Kaiser selbst auf dem Throne saß, und die Gründe der Klagenden anhörte.

Er setzte auf die bey den Morgenländern so gewöhnliche Annehmung der Geschenke nicht den Tod, denn Usong schonte des Blutes der Unterthanen, wie seines eigenen, aber die Entsetzung und die Ehrlosigkeit; er hielt auf diesem Gesetze mit unerbittlicher Strenge. Er verbot auch ihm selber einiges Geschenk zu bringen, das von einigem Werth wäre: denn sobald der Kaiser Geschenke annimmt, wird der Grosse sie gedoppelt vom Volke erpressen.

[93] Alle Jahre giengen die Abgesandten durch die Provinzen. Sie liessen sich die Bücher aufschlagen, worin die Gründe der Urtheile verwahrt lagen: sie untersuchten einen Theil der Sprüche, und wann sie Ursache fanden, der Richter Schlüsse zu misbilligen, so wurden dieselben gewarnet, bey wiederholten Fehlern aber vor den Kaiser gefodert, die Sache von den obersten Richtern, auch wol vom Kaiser selber, untersucht, und bey wiederholten und schweren Fällen die Richter entlassen, dabey aber dem Reiche bekannt gemacht, worinn sie sich vergangen hätten. Das ganze Volk hat einen angebohrnen Anspruch auf die Gerechtigkeit des Herrschers: das ganze Volk, sagte Usong, muß belehret werden, daß ich mich bestrebe, die Ungerechtigkeit von ihm abzuwenden. Auch die Unwissenheit ist ein Laster, wann sie unterdrückt.

Persien erinnerte sich an die Tage der ersten Kaiser; sie sind, sagte das Volk, wieder erneuert. Tausend Jahre lang hat seit dem Nuschirwan 9 die Gerechtigkeit das Reich verlassen, aber Usong hat sie vom Himmel wieder zu uns gebracht.

[94] Das Kriegswesen bekümmerte den Kaiser. Er konnte sich selber nicht verbergen, daß eine stehende Kriegsmacht einen Theil der Bürger dem Pfluge entzieht, sie vom Ehestande abruft, und in Pflichten verweiset, die nur ihre Zeiten haben: da hingegen eben diese besondern Pflichten des Kriegsmanns, die beständigen Pflichten eines nützlichen Bürgers verhindern. Der grosse Aufwand, den der Kriegsstaat erfodert, macht schwere Steuren unvermeidlich, und ist die härteste Last für die Unterthanen.

Und dennoch fand Usong, Persien könnte sich ohne eine solche Kriegsmacht nicht erhalten. Die Osmannen waren noch in den entfernten Abendländern beschäfftigt; aber es war leicht abzusehen, daß das täglich schwindende Bysanz in wenigen Jahren fallen würde. Schon blieb dem Erben des Constantins jenseits den Mauern seiner Hauptstadt nichts mehr eigenes, ein Kadi hatte selbst neben seinem Throne seinen Richterstuhl aufgerichtet. Wann nun die Osmannen das schon entwaffnete Bysanz würden bezwungen haben, so sah Usongs Vorsicht leicht ein, daß der Ehrgeiz dieser Sieger ihre Waffen gegen Morgen lenken würde: er kannte alles, was diese Feinde fürchterlich machte, und Persien konnte ihnen nicht ohne eine Kriegesmacht widerstehen, die beständig in den Waffen geübt wäre. Dieses Heer mußte mit Fußvolk und[95] mit Feuergewehr versehen sey, wenn es den Jenjitscheri die Stirn bieten sollte. Die Waffen waren aber den Persern unbekannt, und im Fußvolke zu dienen, bezeugten sie einen allgemeinen Widerwillen.

Korassan lag den Usbekischen Tataren offen, einem unter zwanzig Fürsten zertheilten Volke, mit dem man keinen standhaften Frieden schliessen konnte; das zwar nicht Länder zu bezwingen, aber die Einwohner der Gränzen elend zu machen fähig war. Diese Gränze erforderte eine leichte und allzeit fertige Reuterey.

Kandahar hatte an den Afganen gefährliche Nachbarn, einem streitbaren Volke, das durch seine Siege in Indien mehr als einmal eigene Reiche aufgerichtet hatte, wo es unter dem Namen der Patanen, der Schrecken der Götzendiener war. Auch hier waren die besten Völker nöthig, ein härteres Geschlecht, als die Perser waren, in den Schranken zu halten.

Usong suchte Mittel, seinem Reiche die Sicherheit zu verschaffen, ohne es zu drücken, oder zu entvölkern. Er hatte die Kurden 10 kennen lernen, [96] ein hartes Bergvolk, ungastfrey und kühn, frey und ohne Fürsten, das an der westlichen Gränze von Persien unter den Zelten lebte, und von der Viehzucht seinen Unterhalt hatte. Usongs Namen machte alle Unterhandlungen leicht; er schloß mit diesen Bergleuten einen Vergleich: sie blieben in ihren Gränzen frey, und gaben an das Reich einige tausend streitbare Männer ab, die den Kern der persischen Macht ausmachten. Eine Auswahl der kernhaftesten diente dem Kaiser als eine Leibwache, und unter denselben bildete Usong die meisten seiner Feldherren. Die übrigen wohnten unter den Zelten an der westlichen Gränze, aber unter der Kriegeszucht und in beständiger Uebung der Waffen. Sie bedeckten die westlichen Provinzen von Persien, mit dem stärkesten aller Wälle, der standhaften Brust eines streitbaren Volkes. Usong erfreute sich, daß durch erträgliche Gutthaten, um einen geringen Sold, und noch mehr durch die Hoffnung der Beförderung, er eine Macht erwarb, wodurch Persien sein bestes Blut ersparen konnte.

[97] Georgien stand noch nicht unter Persien. Die Gewißheit des Soldes, die schmeichelnde Ehre unter dem größten Fürsten von Asien zu dienen, die unfehlbare Belohnung geleisteter Dienste, bewogen aber dennoch die Georgier, häufig aus ihren Bergen zu kommen: und Usong brachte aus ihnen eine Reuterey zusammen, die in ganz Asien die beste war, und welcher er das wichtige Kandahar anvertraute.

In Khorassan befestigte er einige Bergschlösser, wohin das Landvolk seine Zuflucht nahm, und bey einem plötzlichen Einfalle der Usbecken seine Kinder und seine beste Haabe in Sicherheit bringen konnte. Er verlegte an die Gränze die persische Reuterey, die mit den edelsten Pferden, und mit Säbeln vom schärfsten Stahle versehen, unter einem jede Tugend freygebig belohnenden Fürsten, den gefürchteten Usbecken in wenigen Jahren überlegen wurde. Usong ließ auf den Bergen, in gewissen Entfernungen, Holzhäuffen aufrichten, wobey eine Wacht wohnte. Bey einem Einfalle der flüchtigen Tataren wurde der Holzstoß angezündet, und das ganze Land war in einer Stunde von der Gefahr gewarnt. Die Perser sammleten sich in angewiesenen Plätzen, und giengen auf den Feind los, dessen Stellung der erste aufsteigende Rauch verrieth. Die Usbecken, bey denen kein Trieb zur Ehre die Furcht des Todes verminderte, verloren gar bald die Lust, den Säbeln [98] der Perser sich bloszugeben, und liessen von ihren Streifereyen ab.

Die Kriegsvölker aufzumuntern, versammelte sie Usong bey seinen jährlichen Reisen: er ließ sie unter seinen Augen allerley Kriegsübungen vornehmen, ziehen, schlagen, belagern: er gab Preise für die Gemeinen, theilte Turbane, silberne Palmzweige, Kränze und rühmliche Schaumünzen aus: er beförderte die Befehlshaber, er erhob die Verdienten zu den höchsten Stuffen der Ehre, und alles dieses konnte er mit einer sichern Wahl thun, weil er eines jeden Mannes Vorzüge selbst beobachtet hatte.

Aber Usong hatte grössere Absichten. Er wollte die Sicherheit seines Reiches nicht den Fremden anvertrauen, deren Ehrgeitz sich die Ohnmacht der ungeübten Perser hätte zu Nutz machen können. Er suchte alle Perser zu Soldaten ihres Vaterlandes zu bilden. Er befahl, daß in den Zeiten, wo der Ackerbau nicht eine beständige Arbeit erfoderte, alle acht Tage, am Tage der Ruh, der dritte Theil der Erwachsenen sich mit den Waffen versammeln, sich in denselben üben, und allen den Anstalten sich unterwerfen sollten, wodurch die Kriegszucht streitbare Männer erschafft. Folglich wurde die ganze Nation, ohne einen fühlbaren Verlust der nöthigen Zeit, in dem Gebrauche der Waffen unterrichtet. [99] Die Landleute erhielten ihre eigenen Hauptleute und Befehlshaber, aus der Zahl der Sieger, die unterm Usong Persien befreyet hatten. Ihnen waren, wie den ordentlich besoldeten, Preise und Ehrenzeichen zur Aufmunterung ausgesetzt. Der Kaiser erschien auch bey ihren Uebungen, und zeigte ihnen eben die Zuneigung, die er den Besoldeten bewies. Von der unzählbarn Menge Perser, die die Waffen zu tragen fähig waren, wurde der hundertste Mann genommen, und aus diesem Ausschusse der fertigsten und stärksten Männer, entstund ein zahlreiches Heer 11, das in die Städte verlegt in Friedenszeiten Dienste that. Alle drey Jahre wurden alle diejenigen, die es verlangten, entlassen, und andere an ihre Stelle ausgehoben: diejenigen aber, die sich hervorgethan hatten, wurden unter die Besoldeten aufgenommen, und zu höhern Stellen befördert. Alle Perser erhielten durch diese Anstalt eine Geschicklichkeit in den Waffen, die in Kriegszeiten sehr bald zu einer völligen Fertigkeit erhöhet werden konnte; das Gemüth selbst erhob sich durch das Vertrauen, das der Kaiser seinem Kriegsvolke zeigte, sie sahen sich nicht mehr als Knechte eines harten Herrn, sondern als Beschützer des Vaterlandes, als Persiens Krieger an.

[100] Unermüdet in der Arbeit, allzeit munter und froh seinem grossen Berufe genug zu thun, fuhr Usong fort, täglich die Einrichtung seines Reiches zu verbessern, da Riva von Venedig wieder kam, und eine zahlreiche Gesellschaft, samt vielem Feuergewehre mit sich brachte.

Dieser Diener des grossen Usongs hatte desselben Briefe an den Herzog und an die Herrschaft zu Venedig abgegeben. Der Kaiser that dem Freystaate seine Erhebung zu wissen; er bezeugte ein verbindliches Angedenken wegen der mit verschiedenen Edeln gepflogenen Freundschaft: er trug dem Rathe sein Bündniß an, und ließ merken, daß die Osmannen für Venedig, und für Persien, gleich gefährlich wären: er ersuchte um die Erlaubniß einen Vorrath an Gewehren aus Brescia, und einige Künstler mitzunehmen, die Feuergewehre für den Kaiser verfertigen sollten.

Venedig fand seinen Vortheil mit dem Vortheil von Persien verbunden: ein ehrerbietiges Antwortschreiben versprach dem Kaiser eine Bothschaft, die näher mit ihm über das gemeine Beste beyder Staaten sich besprechen sollte, und die Waffen und Waffenschmiede wurden dem Riva vergönnt mitzunehmen.

[101] Der, eben wie Venedig, gegen die Osmannen eifersüchtige Soldan von Egypten öfnete den Gesandten willig die syrischen Häfen, und der erfreute Usong vertheilte die Waffen unter seine verschiedenen Leibwachen: die Künstler aber wurden in eigenen Gebäuden, mit Stahl und Eisen, und mit allen zu ihren Arbeiten erforderten Zubehöre versehen, wo sie beständig sich mit Verfertigung des Feuergewehres, und mit dem Giessen der grössern metallenen Röhren beschäftigten, die schon damals gebraucht wurden, das Schicksal der Schlachten zu entscheiden, und die Mauern der festesten Städte niederzuwerfen.

Unter den Briefen aus Westen war auch ein Brief des Zeno, der in der Zwischenzeit in dem Rathe der Republik seinen Sitz genommen hatte. Er bezeugte dem ehmaligen Fürsten von Kokonor seine aufrichtige Freude, und ließ verspüren, er hoffte das Vergnügen, seinen ehmaligen Freund wieder zu sehen.

Aber eine wichtigere Zeitung verdoppelte Usongs Glückseligkeit. Puldan, ein Nowian 12 aus seinem eigenen Stamme, brachte auf einem flüchtigen Pferde dem Kaiser Briefe vom unermüdeten Scherin. Dieser Freund seines Herrn hatte sich über [102] Atschin nach Quangtscheü begeben, wo er bey dem Kaufmann abtrat, der ehmals auf Liewangs Veranstaltung dem edeln Usong die Nothwendigkeiten zum Einschiffen verschafft hatte: er fand ihn beym Leben, und vernahm, der Zongtu von Schensi stehe noch in seiner Würde, da das allgemeine Verlangen der Landschaft bey dem Kaiser diese Gnade ausgewürkt habe. Scherin setzte seine Reise nach Singan fort, und hörte mit grossem Vergnügen, die Tochter des Zongtu sey noch unvermählt. Verschiedene ansehnliche Freyer hatten sich um diese Zierde ihres Hauses bemüht, sie hatten ganze Schätze für ihren Besitz angeboten: aus Ursachen aber, die man nicht absehen konnte, hatte der Zongtu alle Anträge abgelehnt.

Scherin war in Liewangs Pallast so bekannt, daß er bald zu einem Verhöre gelangte. Er übergab dem ehrwürdigen Herrn mit der gebührenden Ehrerbietung ein Schreiben. Usong, Kaiser in Persien, dem würdigen Liewang. Eines Weisen Muthmassungen sind Weissagungen. Usong beherrscht eines der grösten Reiche der Welt. Aber er wird erst alsdann sich glücklich schätzen, wann er seinen Thron mit der tugendhaften Liosua theilen kan.

[103] Scherin übergab zugleich die Geschenke des Kaisers, die das Maas seiner Hochachtung ausdrückten. Unter denselben waren verschiedene Bücher der Abendländer über die Gesetze, und die Geschichte ihrer Reiche. Scherin, der an der guten Auferziehung seines Fürsten Theil gehabt hatte, war der Uebersetzer dieser Werke, die für den weisen Liewang ein neuer und unerwarteter Schatz waren, und die er weit über alle Perlen von Bahrein schätzte, weil sie die Früchte der Weisheit entlegener Völker waren, die man in China für Barbaren hielt.

Die Bedachtsamkeit, die in China herrschet, erlaubte dem Freunde Usongs nicht, eine schleunige Antwort zu hoffen. Er verreisete, dieweil sich Liewang Zeit zum Bedenken nahm, zu den Mongalen: er eilte zum alten Timurtasch, dem, und der Fürstin, er die fröhliche Nachricht der Erhaltung und der Erhebung Usongs brachte, und die für seine Eltern vom Kaiser mitgegebenen Briefe und Geschenke übergab. Die Freude so viele Jahre nach dem Verluste eines ihrer Liebe so würdigen Sohnes zu vernehmen, daß er eine der Grösse seines Anherrn, des gefürchteten Tschengis, entsprechende Würde bekleide, zogen bey den Eltern Freudenthränen, und bey der ganzen Horde tausend Bezeugungen des allgemeinen Vergnügens nach sich. Verschiedene [104] Nowiane machten sich bereit, ihrem erlauchten Verwandten ihre Dienste anzubieten, und tausend der tapfersten Mongalen waren ihre Begleiter. Dieses ansehnliche Gefolge näherte sich dem Wege nach Kandahar, und erwartete am See Tsarich die Kaiserin; denn Scherin hatte dem Fürsten Timurtasch nicht verschwiegen, daß er hoffte, die Gemahlin des mächtigen Usongs ihm zuzuführen.

Nach einigen Monaten kam Scherin nach Singan zurück, und brachte Briefe vom Fürsten Timurtasch mit, worinn er den Zongtu um seine Tochter begrüssete, und bezeugte, er würde eine so tugendhafte Fürstin mit Vergnügen in das Hans des Tschengis eintreten sehen.

Liewang zweifelte an der Einwilligung der vernünftigen Liosua nicht, die nunmehr ihr achtzehntes Jahr erreicht, und durch tausenderley Ausflüchte die vorgeschlagenen Vermählungen bey dem liebreichen Vater abgebeten hatte. Die Liebe des Fürsten von Kokonor, seine grossen Eigenschaften, und der Adel seiner Bildung, hatten auf das sanfte Herz der nachdenkenden Schönen einen grossen Eindruck gemacht. Von welcher Seite sie den Usong mit ihren Chinesen verglich, so fand sie, alle andere Menschen schienen erschaffen zu seyn, daß Usong über sie herrschete. Die kleinen Tugenden [105] die in China durch die Sitten erzielt werden, verschwanden gegen die natürliche Grösse, die aus allen Eigenschaften des nunmehrigen Beherrschers von Persien strahlte.

Dennoch trug Liewang diese Vermählung seiner Tochter, als eine Entschliessung vor, die er einzig von ihr erwartete. Ich weiß, sagte er, daß deine Hand zu vergeben das Recht eines Vaters ist; aber das Herz ist dein: ich liebe dich viel zu zärtlich, dich dahin zu geben, wohin dein Herz nicht mitgeht.

Der Zongtu hatte in der That seine Bedenken. Der Stamm Iwen, wovon Usong eines der Häupter war, konnte von den Ming nicht anders als wie ein feindliches Haus angesehen werden. Und obwohl in China alles, was das Frauenzimmer betrifft, in dem Umfange der innern Wohnungen bleibt, und niemals ins Gespräch der Leute kömmt, so konnte doch Liewang nicht hoffen, daß eine Ehe, die bey den Mongalen so ein allgemeines Aufsehen gemacht hatte, bey Hofe verschwiegen bleiben würde.

Die Fürstin erröthete über den Antrag ihres ehrwürdigen Vaters, sie schlug die Augen sittsam nieder, kniete und sprach: Einen Zweig von Iwen [106] in sein Haus aufzunehmen, könnte meinen gnädigen Herrn in Gefahr setzen. Man vernehme den Willen des Kaisers.

Swen Zong war ein löblicher Fürst, obwol schon damals die Krankheiten anfiengen, die endlich den Stamm der Ming zum Verderben führten. Er antwortete: der Sohn der Iwen ist zu äusserst nach Abend entfernt, was kan er dem Reiche schaden? Liewang ist Herr über die Hand der Fürstin: so hieß sie der Kaiser, weil sie aus seinem Hause abstammte.

Liewang hatte nun kein Bedenken mehr: denn obwol er mit seiner Tochter das ganze Vergnügen seines Lebens hingab, und ob er wol ein einsames Alter vorsah, wenn er die liebenswürdige Schmeichlerin würde verloren haben, so war er zu weise zu verlangen, daß das Vergnügen der wenigen Jahre eines sterbenden Greises gegen das Glück einer blühenden Tochter vorwägen sollte. Liosua versprach ihrem Vater ohne Widerstand allen Gehorsam, und der Zongtu ließ den Scherin vor sich rufen. Hier ist die Antwort an den Beherrscher von Persien. Mein Kind würde China wegen eines Thrones nicht verlassen, aber sie folget dem Reize der Tugend. Denn es war dem Zongtu nicht unbekannt geblieben, [107] daß Usong mit aller Weisheit der ersten Kaiser das Reich des Cyrus verwaltete.

Die Fürstin bereitete sich festlich, nach den gesetzten Sitten des Landes zum Abzuge: sie machte aber nicht nur blosse Anstalten zum Schmucke und zu der Pracht, mit welcher eine kaiserliche Braut erscheinen sollte. Sie hatte sich vom Scherin belehren lassen, was für Künste in China blüheten, die Persien noch nicht kannte, und sie nahm sich vor, einen würdigern Brautschatz mitzubringen, als Perlen und Rubinen.

Scherin legte nunmehr die Geschenke des Kaisers zu ihren Füssen. Alle prächtige Steine, aller fürstliche Schmuck, und die Seltenheiten, die durch so viele Siege in Usongs Hände gefallen waren, wurden vor der Fürstin ausgeschüttet. Aber was der zärtlichen Liosua schätzbarer als die Diamanten war, las sie aus des Kaisers Schreiben. Das Glück, sagte er, hat den Usong auf den Thron geführt, aber was ist ein Thron, wenn ihm die Tugend ihre Liebe versagte? Nein, sprach die nunmehr freymüthig gewordene Schöne, nein Liosua hat in dem edeln Usong die Morgenröthe der Tugend geliebt: was muß sie fühlen, da der Glanz seiner Verdienste von seiner völligen Höhe die Welt überstrahlet.

[108] Der Tag kam, der dennoch peinliche Tag, da Liosua von ihrem grauen Vater den letzten Abschied nehmen sollte. Segne doch, gnädiger Herr, dein Kind, sagte sie, auf den Knien, und in Thränen schwimmend. O wie fühle ich, daß alles Glück der Welt unvollkommen ist! Liebe mich, liebe mich immer, ewig werde ich deine liebende, deine zärtliche Tochter seyn. Liewang mußte fast mit Gewalt sie aus seinen Armen reissen lassen, und alle Würde der Weisheit konnte seine Thränen nicht unterdrücken.

Sie verreisete mit ihrem Gefolge, und mit dem vertrauten Scherin, der durch ihre Frauen ihr tausend edle Thaten ihres Gemahls erzählte, die der Wehmuth nicht zuliessen, sie einzig zu beschäfftigen. Sie traf am See Tsarich die Nowiane, und die Begleitung an, die mit ihr nach Persien gehen sollte. Die Sitten ihres Vaterlandes erlaubten ihr nicht, sich sehen zu lassen: aber tausend Freudentöne erschallten mit aller der Wildheit der ungezierten Natur täglich um ihren Palankin, den ihre neuen Unterthanen frolockend umgaben: und sie war nahe an den Gränzen von Kandahar, als Puldan sie verließ, und die frohe Botschaft dem Kaiser brachte.

[109] Dem edeln Usong wallte das Herz vor Freuden bey dem Anbringen des Nowians: er umarmte ihn, und versicherte ihn von seiner unveränderlichen Freundschaft. Nunmehr, sagte er zu seinem Freunde, dem Dschuneid, nunmehr bin ich für meine Bemühungen belohnt. Freudig will ich dem Wohlseyn des Reiches die Tage aufopfern, da mich alle Abend die Gesellschaft der weisesten, der tugendhaftesten Schönen erwartet, die nicht zu einer blossen Buhlschaft erniedriget ist, und deren aufgeheiterter Geist meine ermüdeten Sinnen mit Gesprächen ermuntern wird, worin die Anmuth sich mit den Vorzügen des Geistes vereiniget.

Er ließ seinen Persern durch seine Abgesandten wissen, der Kaiser fodere von ihnen bey seiner Vermählung keine Steuer, und keinen Aufwand. Seine Gemahlinn sey zu edel gesinnet, als daß sie Feyerlichkeiten verlangen sollte, wobey sein Volk auch nur die zu seinem eigenen Vergnügen dienenden Mittel zusetzen würde. Aber er würde es als ein Zeichen der Liebe der Perser ansehen, wenn sie mit Blumen, mit Gesängen, mit Tänzen und mit den Zeichen einer ungekünstelten Freude ihre künftige Kaiserin empfiengen.

Die Perser ergriffen mit Freuden die Gelegenheit, an den Tag zu legen, wie feurig sie ihren [110] Kaiser verehrten. Sobald Liosua die persische Gränze betreten hatte, reisete sie durch eine ununterbrochene Reihe von grünen Lustbögen, von belaubten Mayen, und von blühenden Bäumen, durch eine triumphsingende Menge frölicher Landleute hin. Die ödesten Berge waren mit dem Zulaufe ihrer Unterthanen bevölkert, die ihr den Ruhm ihres Gemahls zuriefen. Die schönsten Töchter der ländlichen Dörfer traten in glänzende Reihen auf beyden Seiten ihres Palankins, und bestreuten sie mit Blumen. Die leutselige Fürstin rief oft die artigsten zu sich, ließ sich sehen, und theilte ihnen chinesische Geschenke aus.

Der Kaiser war im Feuer seiner Jahre, sein Herz eilte seiner Geliebten entgegen; aber er wollte den Sitten ihres Vaterlandes nicht zu nahe treten, die keiner Braut zulassen, ihrem Bräutigam sich zu zeigen, ehe sie getraut ist. Sie kam endlich, die erwartete Schöne, und der Seder von Persien verband das edle Paar, dieweil Schiras mit unaufhörlichem Freudenzurufe erschallte. Die sittsame Liosua hob nunmehr den Schleyer auf, und zeigte dem Usong die Züge der Anmuth, auf denen die Tugend und die Liebe zugleich herrschten. Sie war in ihrer Blüthe, China hatte nichts schöneres gezeugt; aber die edle Seele, die alle ihre Reize belebte, erhob sie über alle Vergleichung. [111] Sie wollte vor dem Kaiser auf die Knie fallen; er umarmte sie aber aufs zärtlichste. Sey willkommen, sagte er, edelste der Gaben des freygebigen Himmels, herrsche ewig über Persien, und im Herzen deines Usongs.

Der Kaiser hatte Schiras zum Wohnplatze seiner Gemahlin ausersehen. Die milde Luft, die schönen Bäche vom reinsten Wasser, die in den Rosen blühende, und in den edelsten Trauben fruchtbare Natur, die lachenden Gärten, der Ueberfluß des vortreflichsten Obstes, die königlichen Granatbäume, die güldenen Aepfel, machten diese Stadt zur angenehmsten in Persien. Usong hatte sie mit starken Mauern wider den Anfall der Feinde sicher gesetzt. Liosua dachte nunmehr an die Erfüllung ihres Entwurfes. Sie sorgte, daß an dürren Orten, wo kleine Kiesel kein Gras spriessen liessen, Maulbeerbäume in geraden Zeilen ausgesäet würden, die man unter der Zucht der Schere behielt, und wobey erfahrne Chinesen die Perser lehren sollten, den Seidenwurm ohne Pflege sich aushecken, sich füttern, und sich einspinnen zu lassen. Sie machte sich ein Vergnügen, die Anfängerinnen selbst in dem Seidenbaue zu unterrichten, und arbeitete ihnen vor. So hatte die Gemahlin des vergötterten Fohi gelebt.

[112] Sie ließ sich zuweilen auf das Land tragen, dieweil ihre Bedienten das Volk abhielten, wie es die Sitten erforderten. Sie sah eine grasichte Fläche ab, wohin man aus dem Corremderrhe 13 reichliches Wasser ableiten konnte; hier befahl sie Häuser für die Spinner, Bleicher, Weber und Mahler der feinsten baumwollenen Tücher, zu bauen, eines Zeuges, das Koromandel an alle Morgenländer sonst verkaufte.

Sie fand durch die Erfahrnen, die sie mitgebracht hatte, die zwey nöthigen Erdarten aus, davon die eine zu Glas schmelzen würde, wenn die andere das Verglasen nicht hinderte: die erforderlichen Schmelzöfen wurden gebaut, und ob man wohl die Vollkommenheit der chinesischen Waare nicht gänzlich erreichte, so erwuchs doch hieraus ein Arbeitshaus, wo man Geschirre verfertigte, die selbst auf der kaiserlichen Tafel an die Stelle des Goldes und des Silbers gebraucht wurden.

Die leutselige Fürstin erkundigte sich nach allen den Elenden, die keine Hülfe hatten: sie schickte den blinden, den bettlägrichten, den schwachen und mit Kindern beladenen Wittwen, wöchentliche Geschenke. Sie erforschete unter den Landsleuten [113] den fleißigsten Ackermann, die sorgfältigste Mutter, und ihre Freygebigkeit suchte den demüthigen Verdienst in seinen Hütten auf. Sie that das Gute ohne Geräusch, ohne den Dank zu erwarten.

Die Gemahlinnen, und die Töchter der Grossen, denen ihr Stand einen Zutritt zu der Kaiserinn öfnete, lernten von ihr die Tugend über alles schätzen. Sie erhob vor ihnen das Glück eines Gewissens, das kein Laster beunruhiget; die Würde einer Gemahlinn, deren einziger Zweck das Vergnügen ihres Gatten ist; die Süßigkeit der Eintracht in den Familien; sie zeigte das kleine in der Pracht und im Schmucke, der den Pöbel verblendet, und fast allemal ein Zeichen ist, daß die Auszierung des Gemüthes verabsäumet wird. Liosua war die liebreichste Lehrerin der Tugend, die Anmuth ihres Vortrages machte ihre Lehren reitzend, und ihr Beyspiel leicht.

Täglich erfand sie neue unschuldige Erlustigungen für den arbeitsamen Usong, wann er von den Sorgen des Reiches ermüdet in ihren Armen Ruhe suchte. Sie wiederholte ihm, was sie neues, was sie ehrwürdiges in ihren Büchern gelesen hatte; sie ließ durch ihre Frauen Schauspiele vorstellen, worinn die Beyspiele der erhabensten Tugend rührend erneuert wurden; sie sammelte Seltenheiten, [114] daran Usong ein Vergnügen empfand, Werke der Natur, der Künste, und des Witzes. Selbst der Unterscheid zwischen dem sanften Gemüthe der Fürstin, und dem Feuer des Gemahls, und die Fremdheit der Liosua in den abendländischen Gebräuchen, gaben den Unterredungen des erhabenen Paares Neuigkeit und Leben.

Sie trug schon die Hoffnung von Persien unter dem Herzen, da Zeno, der Freund Usongs, als Botschafter von Venedig anlangte. Er nahm noch mehr als ein Verehrer der Verdienste des neuen Kaisers, als wie der Gesandte eines freundschaftlichen Staates, einen wahren Antheil an der Erhöhung des edeln Tschengiden. Er brachte dem Kaiser verschiedene Geschenke, worunter diesem Herrn die neuen Bücher am besten gefielen, die ohne Feder und mit einer Kunst gedruckt waren, die Liosua der Chinesischen noch vorzog, weil eben die Buchstaben tausendmal dienen konnten, da in China die geschnittene Tafel zu keiner neuen Zusammensetzung tüchtig ist.

Zeno brachte auch neue und bequemere Erfindungen, des Feuergewehres Gebrauch zu beschleunigen, und auch gröberes Geschütü, das zwar kleinere Kugeln schoß, aber geschwinder im abschiessen war. [115] Er hatte aus dem unerschöpflichen Europa das neueste mitgenommen, was zur Bequemlichkeit des Lebens, und zur Pracht eines Hofes dienen konnte.

Er ertheilte dem Kaiser die Nachricht von dem Waffenstillstande, den die Republik mit dem weisen Morad geschlossen hatte. Denn so wenig Venedig sich über die Grösse der Osmannen erfreute, so konnte man dennoch diesem Sultane die Verehrung nicht versagen, die die Belohnung wahrer Tugend ist, und zum Feinde war er so fürchterlich, als zuverläßig seine Freundschaft war.

Venedig ließ herbey dennoch dem Kaiser die allgemeine Gefahr vorstellen, die Europa und Asien von diesem siegreichen Hause drohte. Morad hatte nun schon Thracien und Macedonien bezwungen, und den Sitz seines Reiches nach Edrene' 14 verlegt, das dem zitternden Constantinopel aus der Nähe drohete. Byzanz war ohne Kräfte und Hülfe. Europa war unter eine Menge von Fürsten zertheilt; um die geringsten Vortheile hatten sie unaufhörliche Fehden mit einander, die kurze und unsichere Verträge mehr einschläferten als endigten. Kein Fürst hatte durch seine Thaten, oder [116] nur durch seine Bemühungen Thaten zu verrichten, die Hoffnung erweckt, daß er die allgemeine Freyheit wider die drohenden Osmannen zu schützen vermöchte. Castriot und der Hunniade waren mehr unerschrockene Freybeuter, als Monarchen: mit ihrem Tode verlohr Europa alles, was den siegreichen Morad einschränken konnte. Venedig war wachsam und gewaffnet, seine Seemacht war den Osmannen noch überlegen, aber zu Lande war es viel zu schwach, den zahlreichen Heeren geübter Kriegsvölker zu widerstehen.

Noch war sonst des Rathes herrschender Grundsatz, alle Gefahren lieber zu übernehmen, als etwas einzugehn, das die Ehre der Republik schmälerte. Die Gefahr, sagten die Edeln, wird durch eine Niederträchtigkeit nicht abgewandt, sie verdoppelt sich durch den Muth des Feindes, den sie vermehrt, und durch die Verachtung, die sie bey den Nachbarn erweckt. Byzanz hatte es erfahren, jeder schimpfliche Frieden hatte es geschwächt, und es war, ohne Schlachten zu verlieren, zu nichts geworden. Ein Feldzug, den der Sultan unternehmen würde, mußte der letzte seyn.

Die Herrschaft hat den mächtigen Usong zu betrachten, wie nah ihm selber die Gefahr wäre. Sie warnte ihn selber ehrerbietig, als den einzigen [117] Beschützer des Gleichgewichtes der Welt, im Frieden seine Kräfte zu vermehren, um zu dem Kriege gerüstet zu seyn, den Persien nicht lange vermeiden würde. Sie trug dem Kaiser ihre Freundschaft, und alles an, was sie zu seiner Verstärkung, beytragen könnte.

Usong war über diesen Vortrag aufmerksam; den würdigen Morad anzugreifen, so lange Persien keine Beleidigung von ihm erlitten hatte, war wider die Liebe zur Gerechtigkeit, die alle Triebe des Kaisers beherrschte. Er sah sich auch noch nicht gerüstet. Seine Perser wollten sich zum Gebrauche der Feuerrohre nicht gewöhnen; sie verabscheuten zu Fuß zu dienen, nicht weil sie die Gefahr fürchteten, sondern weil die Mühe in den heissen Himmelsstrichen das größte Uebel ist, das die Morgenländer scheuen. Kaum hatte Usong einige wenige Kurden und Perser gewonnen, die unter seiner eigenen Aufsicht in eine Gesellschaft getreten waren, deren Geschäft und Belustigung die Uebung mit dem Feuergewehr war.

Bey seinen Bemühungen für Persiens Glücke, ließ der muntere Usong den Muth niemals sinken; mit unabläßigem Bestreben hofte er, wird die Hinderniß endlich überwunden, die die ersten Anfälle nicht bezwingen können. Ein Bach bat einen Felsen, [118] sagte er zu seinen Persern, ihm den Durchgang zu gönnen. Stillschweigend widersetzte sich der Fels. Der Bach ließ nicht ab, diesen Durchgang zu erzwingen: er arbeitete ganze Menschenleben durch, ehe man eine Rinne im Felsen gewahr ward: aber endlich brach der unermüdliche Strom durch, er nahm den Weg, den seine Standhaftigkeit ihm eröfnet hatte, und umschuf ein dürftiges Gefilde zu den schönsten Wiesen.

Das grobe Geschütz wurde zwar gegossen: aber die Perser zweifelten, daß es durch die engen Wege, und über die steilen Gebürge würde gebracht werden können. Auch ließ der Kaiser kleinere Stücke verfertigen, die auf Kameele geladen werden konnten, und die in den Schlachten von einem ausnehmenden Nutzen waren.

Die Werkhäuser der Waffen fanden tausend Hindernisse: alle Künste sind verschwistert, und die eine kan nicht aufblühen, wenn sie den Schutz der andern entbehren muß. Tausenderley Werkzeuge mangelten in Persien den in Welschland angeworbenen künstlichen Europäern; ein Theil von ihnen starb unter einem ungewohnten Himmel, und die überlebenden arbeiteten mit Verdruß, weil die Hoffnung sie nicht aufmunterte, in ihrer Unternehmung zur Vollkommenheit zu gelangen.

[119] Usong verbarg seine Sorgen dem Zeno nicht, und versprach sich von der Republik, sie würde ihm mit kundigen Arbeitern, mit Werkzeugen, und mit Geschütze beystehen. Die itzigen Künstler munterte er mit Geschenken, mit freundlichem Zuspruche, und noch am meisten mit den Proben seiner eigenen Kenntniß auf: denn einen Künstler kan nichts kräftiger aufmuntern, als die Versicherung, für einen Herrn zu arbeiten, der seine Geschicklichkeit zu schätzen weiß.

Die Zeit kam, da sich Usong vorgesetzt hatte sein Reich zu besehen: er nahm diesesmal sich vor, bis nach Eriwan zu gehen, und Irak, Aderbeitschan, Diarbekir und Algezira zu besehen. Dschuneid und Zeno begleiteten ihn mit einer auserlesenen Gesellschaft der aufmerksamsten Perser, und einiger Nowiane, alle zu Pferde, mit kriegerischem Ernste, und ohne dem Pomp der morgenländischen Monarchen. Nirgends ließ Usong sich bewirthen, er trat bey keinem Grossen ab, und wohnte beständig unter Zelten: er vermied allen Aufwand, der das Volk hätte drücken können, das allemal es schmerzlich fühlt, wenn die Könige prächtige Feyerlichkeiten begehen. Das Reich soll seinen Herrscher zu sehen wünschen, und nicht fürchten, sagte Usong; die Pracht eines Hosts würde eine neue Last für mein Volk seyn.

[120] Er riß sich aus den liebenden Armen seiner sehnenden Gemahlin, und eilte nach Tschehelminar, dem kaiserlichen Sitze der mächtigen Hystaspiden. Sie hatten sich eine fruchtbare Fläche erwählt, wodurch tausend erfrischende Bäche rannen, und wo die schönsten Blumen, ohne die Hülfe der Kunst aufkeimten, und die Augen an sich lockten. Zeno mußte den Stolz dieser Schutthaufen bewundern, deren Alterthum jenseits aller Geschichte hinaufstieg, und, die Ueberreste von Palästen waren, deren Riesengrösse die Kruft der menschlichen Hände zu übersteigen schienen. In den Felsen waren die grossen Thaten der alten persischen Heiden in kolossalischer Gestalt eingegraben.

Usong fand auf den alten Denkmälern verschiedene Sinnbilder, die er auch in Aegypten wahrgenommen hatte, und zumal die geflügelte Kugel, die er für ein Zeichen der Gottheit hielt. Er sah die von etlichen Männern kaum zu umklafternden Säulen für die Ueberbleibsel des Palastes an, worinn Cyrus seinen Thron gesetzt hatte: und Zeno als ein Kenner, bewunderte zwar nicht den Geschmack der Zeichnung, aber die feinste Ausarbeitung der härtesten Steine. Alle gestunden, kein heutiger Fürst würde solche Gebäude zu unternehmen genugsame Schätze besitzen, und auch bey den erfindsamsten Völkern würden die Werkzeuge [121] mangeln, die ungeheuren Lasten zu verfahren und aufzurichten.

Indem des Kaisers Gesellschaft sich unter dem Marmor und dem Porphyr verweilte, sah Dschuneid auf einem öden Berge ein Feuer aufgehn 15. Er fragte, wozu doch auf dem dürren Felsen, ein so grosses Feuer unterhalten würde? Die Perser antworteten, er sähe ein ewiges Feuer der Gebern, das ihnen zum Tempel diente. Dschuneid fühlte, daß ein Alide war, er fuhr auf: ists möglich sagte er zum Kaiser, daß ein Verehrer Gottes diese Anbeter der Elemente duldet?

Usong lächelte. Diese prachtvollen Ruinen waren der Sitz der Magen, und Cyrus war ein Geber. Persien zu befreyen, hat seine erhabene Tugend ein langes Leben in beständigen Kriegen durchgearbeitet, und wir geniessen nach zwanzig Jahrhunderten die Früchte seiner Bemühung. Aber im Ernst, sagte er zu seinem Freunde: sollte Persien viele tausend arbeitsame Hünde missen, die besten Ackersleute verbannen, und ganze Länder zur Wüste machen, weil die armen Gebern in ihrem Gottesdienste irren? Hat Ali, hat Mahomet nicht die Christen geduldet, die er für Götzendiener [122] ansah? Hat Omar selbst nicht des Abu Obeidah mildere Befehle gebilliget, der der Christen Blut schonte, und das siegreiche Schwerdt aus der Faust des unüberwindlichen Khaleds gerissen 16, eben weil es allzugierig unter den Ungläubigen würgte?

Persien, fuhr er fort, ist mehr als halb eine Wüsteney; die Natur hat es gesegnet; es ist am ärmsten an Menschen. Nur arbeitende Hände können den Segen der Erde erwerben, und sie zu dem Zwecke bringen, den Menschen zu ernähren, wozu sie erschaffen worden ist. Die Gebern sind friedfertig und geduldig; vielleicht werden viele von ihnen die Wahrheit eines körperlosen und unermessenen Gottes von uns abnehmen, die hingegen Götzen von Erde und Leim anbeten würden, wenn wir sie zwängen, nach Indostan zu fliehen.

Usong kam in die lachenden Gegenden um Mayn, den Sitz der reinsten und reichsten Wasserquellen, durch das uralte Yezdekast, wo die Erde das edelste Getraide hervorbringt, und in das grosse Ispahan. Diese Stadt, sagte er, ist zur Hauptstadt von Persien gebildet: sie liegt fast von allen Gränzen gleich entfernt, und der Senderud [123] würde die gesammelten tausende der Perser ohne Mühe nähren, indem er der ganzen Fläche eine unerschöpfliche Fruchtbarkeit mittheilte. Aber die mildere Luft, deren Gelindigkeit der zärtlichen Liosua unentbehrlich geworden war, zog Schiras den Vorzug zu, und die Kriege riefen bald hernach den Kaiser nach Tabris.

Kaschan zog die Augen des Fürsten nach sich, weil es der Sitz der Seidenarbeiter war, die einen Theil des Morgenlandes mit den schönsten Stoffen versorgten, und Zeuge verarbeiteten, die ausser seinen Mauern niemand zu verfertigen wußte. Hier nahm Usong die mit menschlichen Bildern durchwobenen Sammte, die er seiner verbündeten Republik schenkte, und die dieser Sitz der abendländischen Künste bewunderte, und eingestehen mußte, Venedig hätte keine Hände, welche die Geschicklichkeit der Perser nachahmen könnten.

Usong hatte zu Kaschan einen unerwünschten Anlaß zu zeigen, daß er werth war, auf des gerechten Nuschirwans Throne zu sitzen. Zeno sah ihn einen Abend ungewöhnlich niedergeschlagen. Was mag das widrige Schicksal so zerschmetterndes im Rüsthause seines Zornes haben, daß Usong unter der Gewalt erliegen sollte? Morgen wird mein Freund es sehen, sagte der Kaiser. Er [124] hielt seinen Diwan in der Burg der alten Könige; die Fürsten und die Grossen stunden neben seinem Throne, und ein unzählbares Volk umringte den Pallast. Man rief einen Mustassem, einen Gärtner, der in der Vorstadt von Kaschan wohnte. Sieh dich um Mustassem: kennst du den Beklagten? Der Perser warf sich vor dem Kaiser nieder: hier ist er, sagte er, und wies auf einen Nowian, dessen Namen Kulkas war, und der als einer der Hauptleute einen Theil der kaiserlichen Leibwache anführte.

Kulkas, mein Vetter, sagt der Mann wahr? fragte Usong mit einer ernsthaften Stimme, die kein Perser noch an ihm gehört hatte. Der Nowian sah beschämt auf die Erde, und sein Verstummen bewies seine Schuld.

Kulkas, sagte der Kaiser, wir sind nicht von den Ufern des einsamen Kokonors gekommen, die Perser zu unterdrücken. Gott hat mich auf den Thron gesetzt, sein Statthalter zu seyn. Ersetze, was du an der Tochter des Gärtners begangen hast, laß sie dir antrauen, wirf ihr den größten Wittwenschatz aus, den du einer Fürstin aus dem Hause des Tschengis anbieten würdest: morgen sollst du mir Zeugen bringen, daß du gehorcht hast.

[125] Der Mowian warf sich auf die Erde nieder, und gieng mit den Geberden weg, die eine völlige Unterwerfung bezeugten.

Den andern Morgen erschien er, und Mustassen mit ihm; hier ist der Ehebrief, sagte Kulkas, hier ist das Vermächtniß.

Ist Mustassen zufrieden? Er verbeugte sich. Aber das Gesetz ist es nicht. Kulkas, rief der Kaiser, Persien hat mich zu seinem Richter berufen. Die Gerechtigkeit ist die grosse Beylage, die Gott mir anvertrauet hat. Sollen freyer Männer unbefleckte Töchter unter den Augen des Kaisers geraubet werden, und soll er nicht zürnen? Ich werde das Blut des grossen Tschengis nicht vergiessen. Aber fliech Kulkas, suche Länder, wo die Gewaltsamkeit herrscht, und wo der Mächtige des Schwachen Ehre ungehindert unter die Füsse tritt. Meide meine Augen und Persien. Der Nowian entfernte sich, und floh zu den wilden Usbecken.

Bey der freundschaftlichen Abendtafel erzählte der Kaiser, was Dschneid und Zeno zwar erriethen. Ich ritt einsam aus, sagte er, und hörte eine laute Klage aus einem wohlgebauten Garten erschallen, der voll der schönsten Blumen war. Mich wunderte es, vom Spitze der unschuldigen [126] Wollust solches Winseln aufsteigen zu hören. Ich ließ die Leute rufen: Herr, sagte der verzweifelnde Vater, der mich für einen Befehlshaber aus der Leibwache ansah, einer eurer Brüder hat meine Tochter mit Gewalt aus meinen Armen gerissen: sie war unbefleckt in der ersten Blüthe ihrer Jugend, ich war zu schwach zu widerstehen, und die Schmach wird mein Tod seyn.

Ich befahl ihm im Diwan zu erscheinen, und sich durch den Scherin, der mit mir ritt, bey dem Kaiser melden zu lassen.

Nun ermessen meine Freunde, wie mein Herz zwischen meiner Pflicht, und der Liebe, meines eigenen Blutes, beklemmt war. Der Mowian war mir nahe verwandt; ich beleidige vielleicht alle die Mongalen, die der Name eines Tschengiden aus den Gränzen der Welt zu mir gelocket hat, und deren Liebe die Stütze meines Thrones seyn sollte. Und dennoch wie konnte ich anders handeln? Ist ein Nutzen möglich, der der Pflicht vorgeht.

Zeno erwiederte: in meinem Vaterlande schützt kein Namen wider die Gesetze. Ein Zeno, es war mein Ahnvater, war der Retter seines Vaterlandes gewesen, niemand konnte leugnen, daß seine Tapferkeit die siegreiche Macht des feindlichen Genua bezwungen[127] hatte. Er begieng einen geringen Fehler, wenn es ja ein Fehler war; seine Lorbern beschirmten ihn vor der Strafe nicht, er wurde gefangen gesetzt, verwiesen, und von allen den Belohnungen ausgeschlossen, die sein Verdienst erwarten sollte. Diese Strenge ist unvermeidlich, fuhr Zeno fort, und der Kaiser hat heute seinen Thron befestiget. Denn nirgends als auf die Herzen seiner Unterthanen kan ein König seine Herrschaft mit Sicherheit gründen.

Zu Kom betete Dschuneid auf den Gräbern der Imamsade', oder der Nachkommen des Ali, die in dieser Stadt begraben lagen, und die dieser Fürst unter seine Ahnen zählte. Usong besah die Werkstätte der Waffen, und war über die Gewehre vergnügt, die man daselbst aus einem überaus harten Stahl verfertigte.

Kaswin, eine der Hauptstädte des mächtigen Parthiens, war damals verfallen, und Usong dachte an die Mittel, der alten Stadt aufzuhelfen: er nahm sich vor, eine Zeitlang seinen Thron daselbst aufzuschlagen. Ihm mißfiel, daß die morgenländischen Fürsten eine einzige Stadt zu ihrem Sitze wählten, wodurch sie die entfernten Provinzen aller Nahrung beraubten, und erödeten, und dem Reiche ein ungeheures Haupt gaben, das den Gliedern den Lebenssaft entzog.

[128] Bey Sultanie fand der Kaiser einen Theil der grossen Stutereyen, die wegen der fruchtbaren Wiesen und des reinem Wassers, schon seit den alten Königen der Parther hier angelegt worden waren. Noch schöner aber sind die grossen Flächen, die von Aderbeitschan nach Tabris führen, wo unabsehliche Felder mit dem edelsten Futterkraute bedeckt sind, das eben aus dieser Gegend sich in die Abendländer ausgebreitet hat, und wo viele tausende der schönsten Pferde von Persien weiden 17.

Das weit ausgedehnte Tabris war damals die größte Stadt im Reiche: aber wie alle andere persischen Städte ohne alle Befestigung. Usong sah ein, daß es den Waffen der Osmannen blos gesetzt seyn würde, und befahl eine Festung daselbst zu erbauen, wohin er einen Theil seines groben Geschützes bringen ließ: er sah sich auch eine Stelle zu einer königlichen Wohnung aus, wo er einen Pallast aufzuführen die Anstalten machte. Er that eine kurze Reise nach Amadan, dem Sitz des Thrones des Dejoces, nunmehr in ein weites Dorf verfallen.

[129] Er kam nach Irwan, einer Gränzstatt, die den Osmannm noch mehr ausgesetzt war, und entwarf drey einander einfassende Festungen, die alle höher als die Stadt, auf dem Wege nach den beschneyten Gebürgen lagen, worauf der gemeinen Sage nach, der Kasten zur Ruhe kam, worin der zweite Urheber der Menschen in der allgemeinen Ueberschwemmung ist gerettet worden.

Hier, fast am abendlichen Ende des Reiches, wurden Klagen über den Abgesandten des Kaisers geführt, der von der Entlegenheit vom Hofe eine Straflosigkeit hoffete, Geschenke nahm, und untüchtige Leute zu verschiedenen Richterstellen dem Kaiser vorgeschlagen hatte. Usong hatte freylich niemals erwartet, unter fehlervollen Menschen lauter rechtschaffene zu wählen, er ließ seinen Scherin zurück, der die Klagenden gegen den Abgesandten verhören, und wie allemal geschah, ein Urtheil samt den Gründen zur Einsicht des Kaisers entwerfen sollte. Der Abgesandte wurde schuldig erfunden. Usong überzeugte sich von den Vergehungen desselben durch seine eigene Untersuchung, und ließ ihn vor den Diwan fodern.

[130] Du warst, ließ der Kaiser dem Schuldigen durch den zu den höchsten Aemtern erhobenen Scherin sagen, der Vertraute des Kaisers: er ist nicht Gott, und muß durch die Augen der Menschen sehen. Er hoffte von dir die Wahrheit, du warest zum rühmlichen Amte eines Fürsprechers des Volkes auserwählt, du solltest seine Klagen vor den Thron tragen, und den Ruhm geniessen, daß durch dich den Gedrückten Hülfe wiederführe. Aber was verdient der, der eine Arzney geben soll, und Gift giebt? Der Kaiser heißt dich von seinen Augen fliehn; gehe nach Kerman, und überschreite die Gränze dieser Provinz niemals: dort allein läßt dir das Gesetz das verwirkte Leben.

Von Irwan eilte Usong nach Mausel, dem ehemaligen Haupte der Assyrischen Macht: und von da nach Anah, das seiner Reise Ziel war. Hier sammelte sich ein unzählbares Volk um seinen Diwan, und das Lob dieses glücklichen Fürsten erscholl bis an den Himmel. Von seinen alten Unterthanen zu Anah war nicht ein einziger, der durch die Erhebung seines Herrn nicht glaubte, selbst glücklicher worden zu seyn. Jeder ehmaliger Diener, jeder Bürger drängte sich zu ihm, und war erst zufrieden, wenn er den Saum seines [131] Rockes geküßt hatte. Usong wurde durch die treue Liebe seines Volkes gerührt, und versprach sich selber, sie noch besser zu verdienen.

Die Arabischen Fürsten, die Mitgefährten seiner ersten Kriege, besuchten ihn, und erhielten von ihm prächtige Geschenke. Der alte Abuschir wiederholte, wie viel er dem Usong schuldig war: nur Hassans graues Alter gönnte ihm die Kräfte zu dieser Reise nicht. Usong ließ Anah, die Furth des Euphrats, in einen guten Wehrstand setzen, und beurlaubte sich hier vom Zeno, und vom Dschuneid, die mit einander die Reise bis zur Palmenstadt fortsetzten. Dem Zeno gab er die Antwort an seinen Staat, vertraut und aufrichtig: er würde aufmerksam auf die Unternehmungen der Osmannen seyn, und ihrem Ehrgeitze Schranken setzen, wenn er die Klauen zeigen wollte. Venedigs getreuester Bundsgenosse würde er bleiben. Er gab bem Zeno Geschenke mit, reiche Seidenzeuge, kostbare Teppiche, heilsame Mumie, die aus den Felsen von Khorossan quillt, und alle Wunden heilt, echte Bezoarsteine, wahres Rosenöl, das von Schiras kömmt, und an Werth das Gold übersteigt, Türkisse aus dem alten Felsen Firuz-Kuh, Perlen von Bahrein, edle Pferde, [132] und Säbel vom besten Stahl. Er umarmte ihn: Usong wird ewig derjenige gegen Zeno bleiben, der er zu Alkahirah war, sagte der Kaiser. Den liebenswürdigen Dschuneid beurlaubte er mit zärtlichen Ausdrücken seiner Liebe: sage dem Diener Gottes, dem Hassan, Usong sey sein Sohn, und dein Bruder. Hiemit trennten sich beyde Freunde, und Usong gieng über den Euphrat, nach Bagdad.

Dieser Sitz der der mächtigen Befehlshaber der Gläubigen war durch den Halaku halb verwüstet, und unter den schlechten Fürsten noch mehr eingegangen. Aber seine Lage, die den Tiger beherrschete, und zu einer Vormauer des südwestlichen Persiens dienen konnte, bewog den Kaiser, Bagdad aufs stärkste befestigen zu lassen, und hier ließ er eine der zahlreichsten Besatzungen von Persern.

Er verfügte sich nach Basra, dem Sitze der Seehandlung des Reiches. Erließ sich aufs genaueste unterrichten, was für Kaufleute dahin kämen, was sie für Waaren aus den Morgenländern brächten, was wiederum von Persien ausgeführt [133] würde. Er nahm Entwürfe mit, wie auch auf der See der persische Namen furchtbar gemacht werden könnte, und hoffte die Obermacht in dem Meerbusen ernst zu behaupten. Er sah ein, wie nachtheilig es für Persien war, daß man lauter fremde Schiffe zu Basra sah, und die Perser von der Willkühr der Ausländer abhingen, die ihre Waaren in ihrem eigenen Preise den Persern aufdrangen, und hingegen sie nöthigten, die Waaren des Reiches ihnen niedriger, als ihr Werth war, zu überlassen; weil das Reich keinen andern Ausweg hatte, die Früchte der Natur oder der Kunst auszuführen. Aber Usong war zu Einsichtsvoll, als daß er alles auf einmal übernommen hätte, und Portugalls Seemacht hinderte unter seinen Nachfolgern Persien, die seinige zu vergrössern.

Von Bagdad kam der Kaiser nach Jondisabur, dem ehemaligen Sitze der Wissenschaften unter den Sassanischen Herrschern, das aber nunmehr verfallen, und öde war; und nach Suster, dem prächtigen Sitze des großmächtigen Ahaswers. Er eilte über Tschehelminar nach Schiras zurück, um bey der Niderkunft seiner Gemahlin gegenwärtig zu seyn.

[134] Er gab der Tochter, die sie ihm schenkte, den Namen Nuschirwani: sie sollte ein neues Pfand seyn, daß er sich den grossen Herrscher zum Vorbilde nähme, der diesen Namen getragen hätte. Gerecht im Frieden, siegreich in den Kriegen aufmerksam auf alle Theile des allgemeinen Wohlstandes, war Nuschirwan gewesen, und war nunmehr Usong.

Der zarte Bau des Leibes, der mit dem sanften Gemüthe der Kaiserin übereinstimmte, litt bey ihren Niederkunften, und den Geburten der Nuschirwani, und her zwey Fürsten, die auf dieselbe folgeten. Liosua nahm täglich ab; sie überwand aber die Schwachheit ihrer Glieder, und zeigte dem Kaiser nichts als die angenehme Gelassenheit, die allem ihrem Wesen angebohren war. Sie bat sich einmal seine Gesellschaft aus, und wies ihm ihre Seidenhecken, ihre Porcellanöfen, ihre Baumwollenmalereyen, und die übrigen Anstalten, die unter ihrer Aufmunterung erwachsen waren. Der Kaiser sah mit Vergnügen ein, daß die blosse Natur ohne einige Hülfe der Kunst zureichte, das kostbare Gewürme auszuhecken, und sein Gespinnst zum brauchbaren Stande zu bringen. Er berechnete leicht, mit der richtigen Einsicht, die ihm eigen war, daß diese Seide wohlfeiler, als die von[135] zahmen und mit Menschenhänden gefütterten Würmern erzielte Seide, und folglich eine Waare seyn würde, die Persiens Seidenstoffen einen Vorzug geben müßte. Er ließ die Erfindung, in freyer Luft auf den Bäumen die Würmer, ohne Zuthun des Menschen, spinnen zu lassen, durch alle seine Abgesandten bekannt machen, und vertheilte durch die bequemsten Provinzen einen Theil der chinesischen Arbeiter, die den Persern die leichten Handgriffe zeigen sollten, zu dieser freywilligen Gabe der Natur zu gelangen.

Eben so vergnügt war er mit den vortreflich gemahlten, und an Feinheit alle abendländische Webereyen übertreffenden baumwollenen Zeugen, deren Farben unnachahmlich schön waren. Er gab das Beyspiel, sie zu leichten Sommerkleidern zu brauchen: der Hof und das Volk, das seinene Kaiser anbetete, verschafften den Werkhäusern einen solchen Abgang, daß man die Arbeiter vermehren, und neue aus China verschreiben mußte. Persien gewann dabey grosse Schätze, die sich sonst jährlich nach Masulipatan und Surat verlohren hatten.

[136] Der Kaiser sagte zu seiner Geliebten, indem er sie innig umarmte: die Hütten, die meine Liosua hat aufführen lassen, sind dem Reiche nützlicher, als die Riesensäulen zu Tschehelminar, und als die Pyramiden zu Gize. Die wahre Grösse ist im Nutzen, und derjenige Fürst verherrlicht seinen Namen, der die Unterthanen durch Fleiß und Anschlägigkeit glücklich macht. Denn es wäre ein Unsinn, wenn eine Königin der Peris 18 mir schon Häuser voller Gold und Diamanten zuwürfe, und ich dadurch jeden Perser reich, und alle Arbeit entbehrlich machen wollte. Ich wünsche mir ein wohlhabendes Volk, aber das blos durch seine Arbeit reich werde. Liosua bereichert Persien zugleich an neuen Künsten, und an ersparten Schätzen.

Die Kaiserin besaß alle Gaben des Verstandes: sie machte sich die persische Sprache in kurzer Zeit eigen, und da sie in den Gedichten des Saadi eine Aehnlichkeit mit der Weisheit der Chineser gefunden hatte, so ließ sie dem Sittenlehrer, dessen Ueberbleibsel nahe bey Schiras lagen, ein ansehnliches Grabmal aufführen: sie hieß sein Lob auf eine [137] marmorne Spitzsäule schreiben, und bestellte zu seinem Grabe einen gelehrten Mollah, der alle Tage einige Verse des weisen Dichters der Jugend vorlesen, und darüber Erklärungen beyfügen sollte, welche die Tugend reitzend abmahlten.

Fußnoten

1 Intendans nennt sie Ohardin; Missi dominici hiessen sie bey den Karlowingen.

2 Das Neujahrsfest.

3 Dieses wurde im 17. Jahrhunderte von einem weisen Wazir für ein allgemeines Unglück gehalten.

4 In Persien eilten noch im vorigen Jahrhunderte, nach einer allgemeinen Landplage, die Landleute an den Hof, und legten dem Kaiser die ledigen Aehren und die Heuschrecken vor, von denen ihre Aecker waren verwüstet worden. Sie erhielten allemal eine Nachlassung.

5 Ich glaubte, wie ich dieses schrieb, dem Herrn Poivre in seinem Voyageur philosophique, China kenne keine andere Auflage als die Landsteuer. Aber P. Navarette, der lang in China gelebt, und die Sprache verstanden hat, belehrt mich nunmehr eines andern. Man hat in China eine Kopfsteuer, man bezahlt Zölle, und andre Auflagen. Nur in Indostan ist freylich die Landsteuer die einzige Auflage, die aber unter den jetzigen fremden und harten Herrschern bis auf sieben Zehntel der ganzen Landesfrüchte gestiegen ist, und dennoch die Höhe noch nicht erreicht hat, auf welche die Landsteuren in verschiedenen Provinzen Frankreichs gebracht worden sind.

6 Ein Fluß im Koromandel, mit welchem man die Reißfelder wässert.

7 Nach einer mäßigen Berechnung Omina belaufen sich diese Einkünfte auf 1,500,000 Mark Silbers.

8 In einem Lande dessen Einkünfte durchgehends in den Früchten des Landes bestehen, kan die einzige Steuer angehn: In Holland, wo die Manufacturen einen eben so grossen Theil der Steuern aufbringen müssen, wäre die Landsteuer unzureichend.

9 Ist der grosse Cosroes der Griechen, der Ueberwinder des Belisarius, dessen Siege, aber die Perser minder verehren, als seine Gerechtigkeit.

10 Die Abendländer nennen anstatt der Kurden die Turkumannen. Diese wilden Räuber scheinen aber der Kriegszucht unfähig, und die Kortschi waren lange die tapfersten Völker von Asien. Saladin und Kelaun, zween Stammväter egyptischer Soldane, waren beyde Kurden.

11 Schach Abbas konnte zu Tabris sechzigtausend Mann den fremden Bottschaftern auf einmal zeigen, davon keiner ein eigentlicher Soldat war. Della Valle.

12 Fürst vom Geblüte bey den Tschengiden.

13 Dem Flusse der durch Schiras läuft.

14 Adrianopel.

15 Um Tschelminar sieht man verschiedene Feuertempel der Gebern.

16 Aus der arabischen Geschichte des Okley.

17 Medien.

18 Feyen der Mahometaner.

Drittes Buch

[138] Drittes Buch.

Usong liebte den Frieden, weil er sein Volk liebte; aber die Ehre Persiens war ihm noch theurer als der Frieden, weil ohne dieselbe kein Friede bestehen konnte. Er sah sich gezwungen, zu den Waffen zu greifen. Zeno wurde zu Halep von einem gierigen Statthalter des neuen egyptischen Soldans angehalten, mishandelt, und eines Theils der Geschenke beraubt, die er nach Venedig bringen sollte. Ungeachtet Usong dem Zeno einen Abgeordneten mitgegeben hatte, der mit ihm nach Venedig reisen mußte, und allen Vorstellungen zuwider, die der Perser bey den zirkaßischen Räubern that, war weiter nichts zu erhalten gewesen, als daß Zeno, halb geplündert entlassen wurde.

Usong konnte die Beleidigungen nicht ungeahndet lassen, die dem Botschafter einer freundschaftlichen Macht widerfuhren, der unter seinem Schutze gereiset war. Er konnte auch die Gemeinschaft mit [139] Venedig nicht entbehren, die zu seinen grossen Absichten unentbehrlich war. Er schickte einen der Hauptleuten seiner Leibwache, den Merwan, einen gesetzten und standhaften Perser nach Alkahirah. Er stellte dem ohnlängst erwählten Soldan Ol Malek ot Thaher vor, Persien und Aegypten seyen durch die Natur selbst verbündet, da sie beyde einen gemeinschaftlichen Feind an den Osmannen hätten. Das gute Verständniß, das zwischen Persien und Venedig herrsche, hätte eben die Absicht, ein Gegengewicht wider die zunehmende Macht dieses unternehmenden Reiches auszumachen. Usong verlangte blos, daß der Soldan seines Statthalters Frevel für ein Unrecht erklärte, woran er selbst keinen Antheil hätte.

Der Statthalter von Halep war einer der vier und zwanzig Fürsten, die aus Sclaven zu Herren von Egypten worden waren. Er stund unter seinen Brüdern in grossem Ansehen, und er hatte zu der Erhebung des Soldans nicht wenig beygetragen. Dieser gekrönte Sclave hatte weder den Willen, noch den Muth, die Uebelthat seines Freundes zu bestrafen. Er ließ den Abgeordneten des Kaisers lang ohne Antwort, und gab endlich eine Entschuldigung für die Beraubung des Zeno, die fast so beleidigend, als die That selber war. Am ägyptischen Hofe hatten keine gesetzten Berathschlagungen [140] Platz. Der Soldan müßigte sich vom Genusse seiner Wollust selten ab, und dann nahm er eine schleunige Entschliessung, wie sie ihm von den Verschnittenen, oder von einem gefürchteten Bey angerathen wurde.

Merwan eilte nach Schiras, und Usong machte, so ungern er das Blut der seinigen verspritzte, Anstalt zum Kriege. Die unter den Zelten dienenden Kurden wurden aufgeboten. Zu Tabris stieß eine auserlesene Reuterey aus Georgien zum Lager, und die Hälfte der persischen stehenden Völker führte der Kaiser an, der die wenigen Büchsenschützen mitnahm, die er selbst unterrichtet hatte. Das auserlesene Heer vereinigte sich in den fetten Wiesen von Aderbeitschan. Usong führte es durch Erbil und Merdin gegen Halep und drohete der Stadt Orsa, die unter dem Soldan stund. Dschuneid eilte mit den freywilligen Arabern zu seinem Freunde.

Die alten Zirkassen waren zwar durch die Wollüste von Aegypten erweicht, da aber alle Jahre neue Schwärme von Nogaiern, und Crimeern, von Kabardinern und Zirkassen die mamelukischen Völker ergänzten, so unterhielten diese rohen Leute den Muth der Nation durch die Herzhaftigkeit, die unverdorbener Völker Vorzug ist. Der Soldan kam mit einem mächtigen Heere, worinn viel [141] Geschütz, und ganze Schaaren mit Feuerröhren bewafnet waren.

Usong kannte seine Perser. Dieses sinnreiche und nicht unedle Volk ist dem Triebe der Ehre gehorsam, und fällt den Feind tapfer an, aber sein Muth sinkt beym Unglück allzuleicht. Er nahm eine vortheilhafte Stellung, und ließ durch seine Reuterey täglich kleine Treffen wagen, worin der persische Säbel, und die bessere Ordnung der Glieder, fast allemal den Sieg erhielt. Er brachte hierdurch seinem Heere ein Zutrauen zu sich selber bey, und machte es dem Feinde fürchterlich. Täglich ließ er seine Völker vor dem Lager ausrücken, und sich in Schlachtordnung stellen. Die Aegyptier thaten ein gleiches; ehe es aber zum schlagen kam, zog Usong seine Völker ins Lager zurück, das durch verschanzte Anhöhen bedeckt, durch das grobe Geschütz beschirmt war, und keinen Angriff zu befürchten hatte. Zehn Tage nach einander rückte er vor, und zog wiederum zurück, bis endlich die Zirkassen dieser unbedeutenden Bewegungen gewohnt wurden, und es als ein Spiel ansahen, wann schon die Perser in ihrer Schlachtordnung ausruckten. Aber den eilften Tag, da die Mammeluken nunmehr sicher geworden waren, rückte Usong zwey Stunden vor dem Aufgange der Sonne aus, und da dieselbe eben ihre ersten Strahlen [142] zeigte, gab er das Zeichen zum Angriffe. Persiens Sinnbild war die aufsteigende Sonne. Usong rief den Häuptern seines Heeres zu: denkt daß Persien auf euch sieht, eure Thaten zählt, und mit ewiger Hochachtung belohnen wird. Das Wort war Persiens Ehre. Die Perser brachen, wie neu beseelt in die unbereiteten Feinde, viele tausende fielen, und die übrigen verliessen ganz Obersyrien und Halep 1 dem Ueberwinder.

Usong führte sein siegendes Heer durch die schönsten Provinzen Asiens, gegen Syrien hin: seine Absicht war aber nicht, Aegypten allzusehr zu schwächen, ein Reich, das er als eine Vormauer von Persien ansah. Er erfuhr mit Vergnügen, daß Abgeordnete von Alkahirah kamen, und Friedensvorschläge thaten: Usong foderte nach dem Siege nicht mehr, als er zuerst gefodert hatte: der Statthalter von Alep wurde seiner Würde entsetzt, er verlohr seine Stelle unter den vier und zwanzig Fürsten: man suchte die Kostbarkeiten zusammen, die man dem Zeno entwendet hatte, und gab sie zurück. Nur machte Usong es zum Bedinge des Friedens, daß seine Unterhandlungen mit Venedig künftig ohne Hindernis durch die Länder und Häfen des Soldans fortgesetzt, und [143] Leute und Waaren frey durchgelassen werden sollten. Der eroberte Theil von Algezira blieb den Persern.

Usong hatte seinen Zweck erreicht, des Reiches Ruhm war behauptet, und die edle Absicht war fast ohne Blut erhalten worden. Er verlangte keine mehrere Länder, da Persien auch für einen grössern Ehrgeitz weit genug war; er entließ die Gefangenen, und vertheilte sein Heer in den Flächen um Tabris. Aber ehe es sich trennte, theilte er angemessene Geschenke und Ehrenbezeugungen unter die Fürsten, unter die Befehlshaber, und unter die Gemeinen aus: er hatte sich genau nach jeder lobwürdigen That erkundigt, und ließ keine unbelohnt. Er sprach zu den Verdientesten selbst, er dankte ihnen im Namen Persiens, und die Feldherren mußten dem ganzen Heere des Kaisers Vergnügen und Hochachtung bezeugen.

Der Kaiser eilte in die Arme seiner Liosua, und fand die chinesische Colonie mit vielen neuen Künstlern vermehrt. Der Abgeschickte war zurückgekommen, und Briefe vom weisen Liewang warteten auf den Kaiser. Der ehrwürdige Zongtu hatte alle seine Aemter niedergelegt, und sich nach Kiosö, in die Geburtsstadt seines grossen Ahnherrn des Kong-fu-tse begeben, wo er, wie er sagte, [144] über den Uebungen der Weisheit den Tod erwartete. Er ließ merken, daß das Verderben am Hofe zunahm. YngZong war ein Kind, die Tataren verwüsteten das Reich, der Kaiser selbst wurde eine kurze Zeit hernach von den Mongalen in einer Hauptschlacht gefangen, und in die Tatarey weggeführt. Liewang sah den Untergang des Reiches, der zwar lange hernach erst vollendet wurde, dessen Ursachen aber schon itzt wirksam und unheilbar waren.

Von Timurtasch kamen auch Nachrichten, der an den Siegen einen grossen Antheil hatte, die über China errungen wurden. Aber Usongs Wohlstand vergnügt mich mehr als alle Siege, sagte der liebende Vater.

Zu eben der Zeit kam ein angesehener Araber mit einem Schreiben vom ehrwürdigen Hassan: er hatte Befehl es in die eigenen Hände des Kaisers abzugeben. Der alte Alide wünschte dem Sohne seiner Liebe zu allem dem Guten Glück, das die Welt an ihm rühmte. Eines fehlete an der Vollkommenheit seiner Einrichtungen; Hasan fände nicht, daß etwas für die Religion wäre gethan worden. Die Meschiden waren öde, man hörete kein Wort der Vermahnung. Das Volk verwilderte, [145] es vergässe nicht nur den Propheten, sondern Gott selber.

Usong hatte für das höchste Wesen die aufrichtigste Ehrerbietung: von des Propheten Wundern war er nicht überzeugt, ob er wohl glaubte, die Welt sey dem Mahomet verpflichtet, weil er dem Götzendienste Einhalt gethan, und seine Araber den einigen Gott anrufen gelehrt hätte. Er hatte auch den Gottesdienst nicht vergessen; zu wohl wußte der weise Herrscher, daß die Religion das wahre Band der menschlichen Gesellschaft ist, daß sie die sterblichen zu Brüdern macht, und daß sie die Völker am kräftigsten gewinnt, dem Fürsten als dem Statthalter Gottes zu gehorchen. Zu sehr hatte er sich in China überzeugt, daß ohne die Furcht des obersten Wesens die Menschen zwar eine äusserliche Ehrbarkeit beobachten, aber ihren Begierden kein genugsam kräftiges Gleichgewicht entgegen setzen können.

Hassans Klagen waren gegründet. Aber Usong hatte die Unmöglichkeit erfahren, würdige Diener der Gottheit zu finden. Er traf in Persien keine Schulen an, wo man ein Lehrer der Religion bilden konnte, und keinen Imam, dessen Wissenschaft und Sitten die Würde gehabt hätten, die [146] zu einem Vorsteher des Gottesdienstes erfodert wird.

Usong bat den ehrwürdigen Aliden, daß er selbst die Anstalten möglich machen wollte, die er so eifrig anrieth. Er möchte unter den frömmsten in Arabien Männer aussuchen, die man bey den Meschiden 2 der Hauptstädte dem Gottesdienste vorsetzen könnte. Er möchte auch um Gelehrte sich bemühen, die der Jugend die Gesetze des Glaubens und andere Wissenschaften beyzubringen fähig wären. Usong erkannte die äusserste Nothwendigkeit, das Herz und den Verstand des Volkes zu bilden, und zu verbessern. Er verbarg aber dem eifrigen Hassan nicht, daß sein Absehen auf den Dienst eines einigen Gottes, und nicht auf die Zänkereyen zwischen den Secten der Gläubigen gienge: und bat seinen alten Freund, auf Männer zu sehen, zu deren Auswahl, des wahren Gottes Kenntniß, und ein gottesfürchtiges Leben die einzige Absicht wären. Er verachtete die unschuldigen Gebräuche, und das gottesdienstliche Waschen nicht, nur daß er für kindisch hielt, Gott mit etwas gefallen zu wollen, das auch von einem bösen Herzen verrichtet werden könnte.

[147] Er ließ indessen die Meschiden in den Städten wieder in den Stand setzen, daß die Gläubigen sich in denselben versammeln konnten. Er suchte durch seine Abgesandten ehrbare Männer auf, die an den Feyertagen diejenigen Abschnitte des Korans dem Volke vorlasen, die Mollah Abdul von Tabris 3, und Mollah Mahomed Raze Emuni, der Schüler desselben, ausgezeichnet hatten: und worinn die grossen Eigenschaften Gottes, die Pflicht sich nach der Vorschrift des obersten Wesens zu bilden, und die Mittel angezeigt wurden, zu diesem heilsamsten der Zwecke zu gelangen. Er erlaubte diesen Vorlesern, aus den allgemeinen Gesetzen der Natur, und aus der Sittenlehre, die Beweggründe beyzufügen, die im Koran mangeln möchten. Die fünf täglichen Gebete wurden allen Gläubigen anbefohlen.

Allen Dienern des Gottesdienstes wies Usong einen genugsamen Lebensunterhalt an: sie erhielten den zehnten Theil der Landsteuer: Usong wollte ihnen aber weder das Richteramt übergeben, wie es bey den Osmannen eingeführt war, noch sie dem gewohnten Richterstuhle entziehn. Er hatte in der Geschichte der Abendländer gesehen, was für entsetzliche Folgen der Fehler der nazarenischen [148] Fürsten gehabt hatte, durch deren Schwachheit die Geistlichen zu einem eigenen Orden, und endlich zu einem Reiche erwachsen waren, welches das Volk von Mitteln erschöpfte, alle Freyheit unterdrückte, und den Thron der Fürsten umzustürzen stark genug war, die dem Gehorsam gegen das Oberhaupt der Priester Schranken setzen wollten. Der oberste Mollah an der Meschid des Kaisers war in Persien nicht sowohl das Haupt der Geistlichkeit, als des Fürsten Oberaufseher über dieselbe.

Hassan erfuhr, wie schwer es war, Menschen zu finden, deren Herz von den Wahrheiten durchdrungen wäre, die ihr Mund lehrete. Er that aber, was ihm das allgemeine Verderben zuließ; er wählte selbst die ehrbarsten Geistlichen aus, er lockte aus den Einöden diejenigen Weisen, die sich ganz der Betrachtung übergeben hatten, und die kleine Zahl, die er hatte auswählen können, schickte er, nachdem sie durch ihn selbst geprüft worden waren, dem Kaiser zu, der ihnen die königlichen Meschiden in den vornehmsten Städten übergab. Die meisten waren Aliden aus dem Geschlechts Hassans, des Propheten, und ihre Nachkommen behielten auch noch lange hernach die oberste Stelle unter der Geistlichkeit.

[149] Mit grösserm Fortgange richtete Usong überall in den Städten Schulen auf. Der Perser ist scharfsinnig, und zu den Wissenschaften von Natur zubereitet, die zur Sittenlehre, zum Witze, und zur Rechenkunst gehören. Das Reich hatte erhabene Dichter, gründliche Sittenlehrer, und grosse Sternkündiger zu allen Zeiten erzeugt. Usong richtete auch obere Schulen auf, in welchen anshnlichere 4 Männer, auch wohl die Grossen von Persien, die höhere Aemter bedient hatten, der Jünglinge weitere Ausbildung übernahmen, und die Jugend war eben so bereit, die Lehren der Weisheit anzuhören. Des Kaisers gnädige Aufsicht, und seine Aufmerksamkeit, die geschicktesten Jünglinge zu befördern, gab allen Anstalten ein wirksames Leben. Er ließ sie in den Wissenschaften, denen sie oblagen, öffentliche und unvermuthete Proben über Fragen ablegen, die ihnen durchs Loos vorgelegt worden waren. Er selbst, und wo er nicht seyn konnte, sein Abgesandter, waren bey den Proben gegenwärtig: das Verhalten der jungen Leute wurde öffentlich in Gegenwart aller Anwesenden in Bücher eingetragen, und wer dreymal ein rühmliches Zeugniß verdient hatte, konnte seiner Beförderung gewiß seyn. Usong ließ aus solchen Jünglingen Richter nehmen, die [150] drey Jahre bey dem nächsten Gerichtshofe zuhören mußten, und nach einer neuen, aber auch öffentlichen Probe, wirklich auf die Bank zu sitzen kamen. Der Kaiser hatte die chinesische Einrichtung gesehen, aber er verhütete, daß Bestechung und Geschenke nicht der Ungeschicklichkeit den Ruhm zukünsteln konnten, der die Belohnung des wahren Verdienstes seyn soll.

Usong hoffte von dem Zulaufe der neugierigen Perser, und von ihrem scharfen Witze, welcher der bemerkten Fehler zu schonen nicht gewohnt war, diese öffentlichen Proben würden dem Einflusse der Gunst und der Geschenke vorbeugen. Jeder Richter, jeder Abgesandter des Kaisers mußte sich schämen, vor kundigen Zeugen ein Urtheil über die Fähigkeit eines Geprüften einschreiben zu lassen, das der Wahrheit entgegen wäre. Die allgemeinen Grundsätze des Kaisers waren, streng zu strafen, wer ihn zu betriegen sich unterstand, und hier konnte der Betrug sich nicht verbergen, eine ganze Stadt hatte über die Proben die Aufsicht. Das Loos hinderte gleichfalls alle strafbare Begünstigung: es wurde am Abend geworfen und versiegelt, und sobald die Sonne aufgieng, erfolgten die Proben.

[151] Aber Usong errichtete noch andere Schulen, davon Persien kein Exempel bey einem andern Volke gefunden hatte. Er ließ grosse 5 Gebäude aufführen, in welchen verschiedene Künstler mit kaiserlichen Besoldungen unterstützt für den Hof arbeiteten: er zog diejenigen Künste vor, wobey eine gewisse Erfindungskraft erfordert wurde, und worinn der Verstand, und nicht einzig die Uebung, der Kunst eine mehrere Vollkommenheit geben konnte. Er erhielt Mahler und Baumeister: man fand in eigenen Wohnungen andere Künstler, die aus Stahl und Erzt Gewehre für den Kaiser zubereiteten; andere stickten und ahmten mit Seide die Blumen der Natur nach; andere faßten mit Geschmack die Edelsteine des benachbarten Indostans, und die persischen Perlen in Gold und Silber ein; noch andere woben Sammte, deren Güte kein ander Volk erreichen konnte; wiederum andere gaben der Seide und der Wolle die Hellesten und dennoch beständigsten Farben, die den erfahrnen Europäern mangeln. Die geschicktesten wurden ansehnlich besoldet, und der Lohn von aller ihrer Arbeit wurde ihnen unvermindert überlassen, sie waren auch der kaiserlichen Güte für ihr ganzes Leben gewiß. Durch diese weise Anstalt erhielt Persien auf einmal nicht nur eine Menge wirklich [152] ausnehmender Künstler, sondern auch eine vortrefliche Schule für das ganze Reich. Es genoß mehrere Jahrhunderte nach dem Tode Usongs die Früchte seiner Weisheit. Da sonst die Perser keine Erfinder sind, und die Bequemlichkeit den Gebrauch ihrer Gaben dämpfet, so konnte man durch fremde und einberufene Erfinder, und durch anschlägige Europäer, den Persern Muster vorstellen, die ihre nachahmende Gemüthsart zu leiten dienten. Man konnte von jedem Reiche Vorgänger in denjenigen Künsten borgen, die in denselben einen bekannten Vorzug besassen.

Persien brachte es in der That in vielen Künsten auf eine ansehnliche Höhe. Man verfertigt daselbst noch heut zu Tage die kostbarsten Goldstücke. Man webet zu Yezd Stoffe, deren Zoll auf vier und zwanzig 6 Unzen Silber zu stehen kömmt. Die persischen Tapeten sind ein Zierath für alle Reiche der Welt. Die halbdurchsichtigen feinen irdenen Geschirre wurden härter als die von Tschingtetsching, und die Farben höher. Die Gärberey, das Drechslen, die zinnernen und küpfernen Gefässe, die Waffen, der Bogen, die Stahlarbeit, haben in Persien einen Varzug vor dem ganzen Morgenlande. Die Seide machte in [153] den folgenden Zeiten die reichste Waare zur Ausfuhr von Persien aus: das Reich nahm für dieses kostbare Gespinnst jährlich über tausend Centner Silber ein. Alle diese Quellen ersetzten, was Persien aus andern Ländern zur Nothdurft, oder zur Pracht bedurfte, die so vieles überflüßiges zur Nothwendigkeit macht: es bereicherte sich, und zugleich seinen Beherrscher.

Auch nicht das blos Angenehme entgieng des Kaisers Aufmerksamkeit. Er ließ zu Schiras, und hernach zu Tabris und zu Ispahan, königliche Gärten anlegen. Hohe Reihen von schattigten Tschinaren, reine Wasserleitungen, sprudelnde Springbrunnen, reiche Fruchtbäume, wurden dem Volke zur Lust zubereitet; denn der Kaiser verbot, einen Perser zu hindern, das Vergnügen in seinen Gärten, oder das Obst zu geniessen, das für sein Volk gepflanzet war 7.

Persien fühlte nach und nach sein neues Wohlseyn, und aus allen Provinzen kamen vergnügende Nachrichten ein. Die unterirdischen Wassergräben waren erneuert, die Persiens Nil sind, und ohne die es eine dürre Wüste wäre. Sie werden mit einer diesem Volke eigenen, und durch die Nothwendigkeit [154] vollkommen gewordenen Kunst, zwölf Faden tief unter der Erde eine ganze Tagreise weit fortgeführt. Man hatte auch verschiedene neue Quellen in den bergigten Theilen Persiens entdeckt, und Strecken Landes fruchtbar gemacht, die verlassen gewesen waren. Um den Bendemir, um den Senderud, und um andere persische Flüsse war die Fläche zu einem unermeßlichen Garten geworden, da nunmehr das lechzende Erdreich die erquickende Kraft des Wassers empfand. Zu diesen Ländern fanden sich bald Einwohner, die das Glück suchten, unter einer gütigen Herrschaft zu wohnen. Die Bücher, worinn die zinsbaren Ländereyen den Zahlen und der Ordnung der Wassergräben nach eingetragen waren, schwollen täglich an. Persien erhielt neue Bürger, und die Einkünften der Krone vermehrten sich mit den Kräften des Reichs, und dem Glücke des Unterthanen.

Usong entschloß sich zu einer neuen Reise: sie war mühsam und gefährlich: aber eine jede Pflicht war für diesen Fürsten eine Nothwendigkeit, von welcher keine Schwierigkeit ihn lossprechen konnte. Er nahm seinen Weg gerade nach Kerman: diese Provinz war ohne Wasser, und fast ein blosses Sandmeer, wo die Winde die Strassen alle Augenblicke mit neuem Sande bedeckten. Usong mußte das nöthige Wasser auf Kameelen nachtragen [155] lassen; er wollte aber nicht, daß jemand nach ihm leiden sollte, was er selber gelitten hatte. Er ließ Brunnen aufgraben, die an entfernten Stellen aus einigen Felsen sparsam quollen; er befahl öffentliche Ruhstätte nach der Gewohnheit der Morgenländer bey den Wassern zu bauen, und die Strassen wurden mit hohen Säulen ausgezeichnet, die so nahe an einander gesetzt wurden, daß man allemal die nächstfolgende sehen konnte. Siebenzehn Tage hatte er ohne alle Bequemlichkeit unter dem schwülsten Himmel zugebracht, da er Kerman, ein zerstreutes Dorf erreichte.

Seine gütige Absicht war belohnt worden. Die fast ganz verödete Landschaft war nunmehr bebaut und bewohnt. Die Gebern hatten das Gebiet der Patanen 8 und Balluschen 9 häufig verlassen, und unter dem Schutze Usongs ein ruhiges Leben gesucht. Ihr Fleiß hatte die Erde verbessert, sie war wie ein Garten bebaut, und die Wüste selbst wimmelte von unzählbaren Schaafen, deren feine Wolle beym Gebrauche des frischen Grases von sich selber abfällt; ein neuer Reichthum für Persien, der fast dem Werthe der Seide gleich kömmt. Denn die leichten, aus dieser Wolle gewobenen, Zeuge [156] werden den seidenen gleich geschätzt. Usong fand auch feine irdene Waare, die man daselbst verfertigte.

Er hatte hier einen Streit zu schlichten, der zwischen seinem Abgesandten und den Benjanen entstanden war. Der Abgesandte foderte dieses älteste unter den Völkern auf, in seiner Reihe die Waffen zu tragen, und sich in denselben zu üben. Die Benjanen verabscheuten alles Blutvergiessen, und folglich die Werkzeuge des Krieges, die Waffen. Usong erinnerte sich, daß sie die nützlichsten Unterthanen von Persien waren; er wollte sie zu nichts zwingen, das ihr Gewissen beleidigte. Nimmermehr, sagte der Gütige, muß man die Menschen in die Versuchung setzen, zwischen dem zeitlichen und ewigen Wohl zu wählen. Er entließ die Friedliebenden vom Tragen der Waffen, gegen eine kleine Auflage, die man auf jeden Kopf legte, und die unter die Perser vertheilt wurde, die allein die Last der Waffen tragen sollten. Die Benjanen warfen sich zu des Usongs Füssen, und verehrten den Nachfolger des Cyrus und des Gustasps 10.

Usong eilte von Kerman durch eben dergleichen öde Sandfelder nach Gomron. Er sah die Hengisehstaude, [157] und den geduldigen Geber täglich eine neue Scheibe von der entblösseten Wurzel abschneiden, deren Saft zu einer in Indien hochgeschätzten Waare wurde, und eine Quelle des Reichthums der Perser war. Aber die Kräfte des zu allem Ungemach abgehärteten Usongs reichten doch nicht zu, der schwülen Luft, dem schlechten Wasser, und den giftigen Dünsten der Erde zu widerstehen: er fiel zu Gomron an einem gefährlichen Fieber krank, da er eben die Perlenfischerey zu Bahrein selbst besehen wollte. Man trug den schmachtenden Kaiser unverweilt in die Palmenwälder, die am Fusse der Berge Genau und Gerun liegen, wo die Luft gesund ist, wo die reinsten Bäche die Erde erfrischen, und ein beständiger Frühling herrscht. Er kam kaum noch athmend in diese glückselige Gegend; aber die erfahrnen Aerzte von Lar 11 setzten dem tödtlichen Fieber die Zitronen dieser heissen Gegend, und der kühlenden Melonen labendes Wasser entgegen: und die Veränderung der Luft dämpfte langsam das Feuer, das Usongs Lebenskräfte verzehrte.

Im ganzen Reiche erscholl die Gefahr des Kaisers, und das eilfertige Gerücht kündigte bald [158] darauf seinen Tod an. Ganz Persien zitterte über den unersetzlichen Verlust: das Reich hatte vieler Menschen Leben durch unter bösen Fürsten gelitten, kein Greiß konnte sich an einen Herrscher erinnern, der nicht ein Tyrann gewesen wäre. Und nun sollte es den Herrn verlieren, dessen erste Jahre das Reich nur für die Morgenröthe hielt, die vor dem fruchtbarn Tage hergieng, in welchem eine segenreiche Sonne mit vollem Glanze über Persien ihre Strahlen ausschütten würde. Die Mütter riefen ihre Kinder zum Flehen auf; wir müssen vor euch sterben, aber nun stirbt auch der, der nach unserm Tode euer Vater gewesen wäre. Man schrie, der Gerechte, der Gütige, der Weise, der Sieghafte, das Ebenbild Gottes wird uns entzogen, wer wird ihn ersetzen! Hundert eilende Läufer rannten von allen Theilen des grossen Reiches, eine Nachricht vom Zustande des Kaisers einzuholen, nach welcher man mit Zittern verlangte. Die Stimme der Freude wurde nicht mehr gehört. Die Hände der Arbeit stunden still, der Liebe Spiele verstummten, ein banges Erwarten herrschte durch das erschrockene Persien, wie vor dem allgemeinen Gerichte.

Man konnte die entsetzliche Zeitung der Kaiserinn nicht verheelen. Ich will gehen, rief sie aus, und mit ihm sterben. Niemand kennte sie abhalten, [159] die gefährliche Reise zu unternehmen, die kein Dienst der Menschen erleichtern konnte. Sie ließ sich auf einen Palankin bringen, da weder Pferde noch Kameele die unwegsamen Gebürge ersteigen können. Sie eilte, ohne sich einige Ruhe zu gönnen, mit abgewechselten Trägern, über das Gebürge, an entsetzlichen Abstürzen, wo der schmale Steg über den Felsen, und über die in der Tiefe kaum sichtbarn Schlünde hängt: sie trank das bittere Wasser, das die Natur sparsam hergiebt: sie achtete die schwülen Winde um Lar nicht, die oft wie feurige Schlangen den Reisenden im Augenblicke tödten: sie hauchte die heissen und erstickenden 12 Dünste, die aus der Erde steigen, und athmete die gesalzene Luft, die einen unauslöschlichen Durst verursachet: sie setzte zu Kurestun über den gefährlichen Bendemir, der oft wie ein Meer sich plötzlich ergießt, und in wenigen Stunden das ganze Land einnimmt: sie langte in unglaublicher Eile in den Dattenwäldern an, und warf sich in die Arme ihres schwachen Gemahls. Nun, rief sie, will ich leben, da ich meinen Usong wieder sehe.

Des Kaisers fühlendes Herz vernahm nicht ohne Rührung die Liebe seines Volkes, und sah nicht ohne die innigste Empfindung die alle Gefahren [160] verachtende Treu seiner Gemahlin: ihre Umarmungen, ihre holde Pflege, ihre unermüdet sorgende Bemühung, ihm einige Erquickung zu schaffen, schienen ihm Kräfte zu geben; er genas, wiewohl langsam, und ließ sich noch schwach und verfallen nach Schiras tragen.

Hier versammelte sich ganz Persien. Alle Provinzen schickten ihre angesehensten Männer, dem wieder auflebenden Kaiser die Verlängerung der Tage anzuwünschen, die Persiens güldene Zeiten waren: sie brachten die wahren Opfer der getreuen Herzen der Unterthanen, und ihre Rührung strahlte aus den mit Thränen glänzenden Augen. Tausend Freudensbezeugungen waren das allgemeine Geschäfte aller Perser, und von den Tempeln so vieler verschiedenen Glaubensgenossen stieg ein allgemeiner Dank zu dem obersten Wesen auf.

Scherin, der Freund der Jugend Usongs, hatte mit dem Glücke der Perser Sitten angenommen. Er hielt sich ein zahlreiches Harem, das mit den theuersten Schönen aus Georgien bevölkert war, und fand in ihrem Genusse seine Glückseligkeit. Innigst liebte er den Kaiser; an einem der Abende, die Usong wechselsweise seinen Freunden gab, bat ihn Scherin, von einem aufrichtigen Diener eine Frage anzuhören.

[161] Was kan Usong vom Scherin nicht anhören? was kan er ihm versagen? bin ich so klein geworden, daß mich der Stolz undankbar mache? Scherin neigte sich: wir danken dem Tien, der uns den Trost Persiens wieder schenkt: der auch dem Usong Erben seines Thrones gegeben hat, von denen wir die Tugenden des Usongs und des Tschengis erwarten können. Aber die Ruhe der Welt beruht auf wenigen Augen. Wie bald können durch die abißinische Krankheit die jungen Blumen verwelken, ehe ihre Zeit kömmt, für Persien Früchte zu tragen. Warum entzieht sich der Kaiser in seiner muntersten Jugend das Recht, das alle Beherrscher der Morgenländer schon vor dem Cyrus genossen haben? warum schränkt er die Hofnung der Erde auf eine einzige Gemahlin ein? warum unterstützt er das Haus, nicht mehr des Tschengis, sondern des würdigern Usongs, nicht mit mehrern Söhnen, die ihn die Natur hoffen liesse?

Mein Scherin, lächelte der Kaiser, giebt mir ein Zeichen seiner echten Freundschaft, er wünscht den Usong so glücklich zu sehen, als er selbst ist. Doch Usong ist es schon: er findet mehr Vergnügen im Umgange mit einer einzigen Geliebten, die Reitze genug für ihn hat, aber deren Sitten, deren Auferziehung, deren Witz, und deren Wissenschaft, [162] sie zum Umgange angenehmer machen, als erkaufte Sclavinnen, die nichts als die leichte Kunst zu buhlen gelernt haben.

Aber Scherin kennt die chinesische Geschichte, er weiß das Ende der Enkel des furchtbaren Timurs, er hat mit mir den Schutt des Palastes der Kalife zu Bagdad besehen; er ist auch in den Abendländern mit mir gewesen. Scherin wird sich erinnern, daß seit Jahrhunderten ein einziges königliches Haus unter den Nazarenern durch das Schwerdt ausgelöscht worden 13 ist, das war aber eine That des unversöhnlichen Hasses eines gekrönten Priesters. Sonst sterben die herrschenden Häuser auf dem Throne ihrer ersten Ahnen aus, oder stehen, wie die Capetiden, viele Jahrhunderte durch unerschüttert.

Oft habe ich überdacht, warum in China, in dem gesitteten, in dem gelehrten China, der ein und zwanzigste Kaiserstamm herrsche; warum so manches vergöttertes Haus mit allen seinen Zweigen, durch das Schwerdt ausgerottet worden sey; warum es einem verwegenen Bonzenknechte so leicht gewesen seyn möge, die Enkel des Tschengis [163] vom Throne zu verdrängen. Ich wiederhole eben die Frage bey den Kalifen, bey den Gasnewiden, bey allen königlichen Stämmen in Asien, davon noch keiner zweyhundert Jahre im Besitze des Thrones geblieben ist.

Die Enkel der Helden, die ihren Stamm durch ihre grossen Eigenschaften auf den Thron erhoben, sammlen sich ein Harem, sie finden in den Armen der Schönen eine Glückseligkeit, die leichter zu erwerben ist, als die schwere Kunst, seiner Unterthanen Wohlstand zu ersorgen. Ein Kaiser fängt an schläfrig zu werden, noch erwacht er zu Zeiten, und hat den Muth, seinen Schönen zu entgehen. Sein Sohn schläft tiefer, und der Enkel erwacht nicht mehr. Der Monarch bleibt auch im Alter ein Jüngling, was seine Veränderung seyn sollte, wird sein Geschäfte. Die Verschnittenen, die Wazire, die Häupter der Leibwache herrschen für ihn, tausenderley Unterdrückungen nehmen unter dem Schutze Gaben nehmender Grossen überhand. Der leidende Unterthan findet keine Hülfe, er hat sein ganzes Leben durch den Kaiser nicht gesehen, und seine helfende Hand nie gefühlt. Eifersucht und Furcht räth an, die Beschützer des Landes selber zu stürzen; die schwachen Regenten verlangen nicht mehr kriegerische Feldherren, die ihnen gefährlich seyn könnten. Alle Arme der Regierung [164] werden gelähmt: das Herz des Volkes ist verlohren. Hier wird ein Türke, eine Buide, der erbliche Oberherr der angebeteten Kaliffen: dort stürzt ein Tschu den unentschlossenen Tauwang Timur vom ersten Throne der Welt, und treibt ihn in die Wüsteneyen Scythiens. Unter den streitbaren Usbecken reiben die Enkel des mächtigen Timurs einander grimmig auf. Mußte nicht Ulugbeg, der weise, noch neulich von den Händen eines Vatermörders sterben? Wo ist nun der Vorzug der vielen Frauen, der zahlreichen Enkel?

Usong hoffet, der junge Dschuneid werde durch den Unterricht weiser Männer, und durch die Ermahnungen seiner vortreflichen Mutter, zu einem Fürsten erwachsen, bey dem die Völker den Usong vergessen. Er schmeichelt sich sein Stamm werde frey vom Brudermorde bleiben: und eine gute Auferziehung ist, nach seinen Gedanken, die wahre Stütze eines herrschenden Erbhauses.

Scherins Herz ergab sich nicht, das sanfte Gift der Wollust hatte ihn bezaubert, aber sein Verstand fand keine Antwort.

Doch wagte er noch einen Angriff auf seinen erhabenen Freund. Ist es möglich, sagte er, daß Usongs Kräfte der Arbeit widerstehen, deren er [165] sich unterzieht? wird er nicht an den Jahren eines abgekürzten Lebens mehr Stunden verlieren, als er itzt sich selber, seiner billigen Erquickung mißgönnt? Ist denn der Thron ein Ort der Strafe, wovon die Ruhe verbannt ist, wo kein Lust dem erschöpften Herrscher sich nähern darf?

Das sollten mein Freund und ich überlegt haben, als wir von Anah auszogen, unsere Hoffnungen bis zu Persiens Throne sich schwingen hiessen, und die Besorgung so vieler Millionen Menschen ehrsüchtig übernahmen. Itzt ists zu spät, sich der Mühe zu entziehn, die zur Pflicht geworden ist. Doch ich öfne dir mein Herz. Ich fühle keine Last, mir ist der Zepter nicht schwer. Ich sehe jede Stunde wie eine Gnade an, die das oberste Wesen auf mich fallen läßt, tropfenweise fallen läßt, auf daß ich nicht viele Stunden auf einmal verschwende. Aber eben diese Stunden sind gezählt, sie sind Schulden, die ich gegen den Ewigen eingegangen bin, wofür ich Rechnung abzulegen habe. Mich rührt kein Ehrgeitz, meinen Namen zu vergrössern, ich sehe das kindische des Nachruhms nach meinem Tode in seiner verächtlichen Kleinheit. Aber jeden Tag will ich anwenden, jede Stunde will ich etwas Gutes verrichten, jeder Gedanke soll das Wohlseyn Persiens zum Zwecke haben. So freue ich mich des Morgens, wie [166] die ihrer segnenden Macht bewußte Sonne, den Lauf eines Tages anzutreten, den ich mit einer guten That auszuzeichnen hoffe: so freue ich mich jeden Abend, den verstrichenen Tag mit nützlichen Handlungen bestreut zu finden: so werde ich im Alter, wenn die Welt mich verläßt, auf mein angewandtes Leben zurück schauen, und kummerlos sterben: ich werde nicht auf eine mit Müßiggang oder Lastern verdornete Wüste, sondern auf ein Feld zurück sehen, woran ich mühsam gearbeitet, und dessen Früchte ich erschwitzt habe, den Zins, den ich dem Herrn schuldig war, dessen Lehen mein Thron ist.

Der Abgeordnete, den der Kaiser mit dem Zeno nach den Abendländern geschickt hatte, kam endlich zurück. Er brachte Briefe vom Rathe zu Venedig, und vom Zeno: sie enthielten die Vermehrung der Sorgen, die die Siege der Osmannen erweckten. Ein nazarenischer König hatte mit Vortheil den älternden Morad bekriegt, und ihn zum Frieden gezwungen, den der stille Morad um desto lieber eingegangen war, weil er beschlossen hatte, den Thron seinem Sohne einzuräumen. Der christliche König 14 brach den beschwornen Frieden, auf das Anhalten eines mächtigen Priesters,[167] er drang bis ans schwarze Meer. Die Jenjitscheri kannten den jungen Machmud noch nicht, sie glaubten, sein Arm wäre nicht stark genug, des Hunniaden Schwerdte zu widerstehen. Sie erbaten vom Morad, daß er sich an die Spitze der Osmannen stellte. Machmud wich bescheiden, stieg vom Throne, und focht unter seinem Vater. In einer grossen Schlacht wankten die Osmannen, und Morad sah sich dem Untergange ganz nahe. Er rief den Gott an, auf dessen angebetenen Namen die Christen den Frieden beschworen hatten. Er bat, der Himmel wolle doch ein Zeichen geben, daß die Untreu ihm mißfiele, und andere Fürsten abschrecken, die Versprechungen zu brechen, welche der Gottheit Namen geheiliget hätte. Der Muth kam bey den wankenden Jenjitscheri wieder, der König wurde erschlagen, und der gefürchtete Hunniade gerieth in der Türken Hände 15. Morad hatte nach dem Siege den Thron wiederum verlassen, und beyde Sultane hatten das in den Morgenländern seltene Beyspiel gegeben, daß die kindliche Ehrfurcht so stark als die väterliche Liebe, und beyde mächtiger als der Reiz des Zepters seyn können.

[168] Der junge Monarch der Türken war im Lager gebohren, und so feurig, als gesetzt Morad gewesen war. Er dürstete nach Ruhm und Siegen. Man zweifelte nicht, seine erste Unternehmung würde der Umsturz des Reiches zu Byzanz seyn. Venedig sah den Sturm im fernen donnern, und warnte nochmals den Kaiser.

Man schickte ihm Modelle von neuen Erfindungen die Geschütze furchtbarer zu machen, die kleinern Feuergewehre schneller abzuschiessen, und aus grossen erztenen Mörsern schwere Kugeln, mit innerm Feuer schwanger, über alle Mauren zu werfen. Einige Waffenschmiede von Brescia kamen mit dem Abgeordneten, die Usong in seine neue Schule nöthiger Künste aufnahm. Aber die Perser blieben bey ihrem Bogen, den sie am besten von allen Völkern zu verfertigen wissen, und der unterm Cyrus, wie sie meynten, Asien bezwungen, und unterm Nuschirwan Rom zum Zittern gebracht hatte. Das grobe Geschütz war noch weniger nach dem Schwunge des Gemüths dieses Volkes, und keine Aufmunterung war vermögend, sie in dem Gebrauche desselben geübt zu machen.

Eine noch traurigere Zeitung kam aus den Morgenländern. Der alte Hofmeister des ehrwürdigen Liewangs kam nach Schiras, und trat bey seinem[169] Freunde dem Scherin-Kan ab. Ich habe Schriften und Päcke bey mir, die dem Kaiser gehören, aber bereite sein Gemüth, und zumal das Herz der Kaiserin, zu einer traurigen Botschaft.

Usong erlag nicht unter einer Sorge: aber der Kaiserin mußte geschont werden, deren Gesundheit durch die mühsame Reise nach den Dattelbüschen noch schwächer geworden war. Man sagte ihr, Liewang sey krank. Tod ist er, rief die liebende Tochter, und sank auf ein Soffa halb ohnmächtig hin. Es war umsonst das Uebel verhehlen zu wollen. Liewang war in einem hohen Alter in der Vaterstadt des Weisen gestorben, die auch die seine war. Er hatte vor seinem Hinscheiden seine Ahnentafel an die Kaiserin geschickt; an ihr ists, hatte er gesagt, den Ahnen die schuldige Ehre zu beweisen, sie ist mir mehr als ein Sohn. Er schickte dem Kaiser einige die Kunst zu herrschen lehrende Schriften des Kongfutsee mit seinen eigenen Anmerkungen, und der Kaiserin einige Seltenheiten aus dem Reiche. Der Tien, schrieb er, hat den Usong zu grossen Dingen ausersehen, wozu hätte er sonst die ausserordentlichen Gaben, und die größte der Gaben empfangen, die Vorzüge seines Geistes zum Guten anzuwenden. Die Kaiserin versicherte er seiner unveränderlichen Liebe, [170] und ihr Namen war das letzte Wort gewesen, womit sich sein Mund beschäftiget hatte.

Liosua fand, wie zarte Herzen pflegen, ein Vergnügen, sich mit der Ursache ihrer Traurigkeit zu beschäftigen: sie verlangte die Umstände zu wissen, mit denen Liewang aus dem Leben geschieden wäre.

Gelassen und kaltsinnig, wie Kongfutsee, sagte der Hofmeister: er hatte an Kräften nun schon lang abgenommen, und sah deutlich, daß die übeln Umstände des Reichs, und eine geheime Sehnsucht, seine Kräfte noch mehr erschöpften, als die Jahre. Den letzten Morgen, nach einer schlaflosen Nacht, ließ er sich aus dem Saale der Voreltern seine Ahnentafel bringen: er durchgieng die grossen Namen, die in einem Zeitraume von dreissig Menschenleben auf dieser Tafel schimmerten: er hielt sich bey dem grossen Kongfutsee etwas auf und lächelte. Mein Stamm löscht aus, sagte er, vielleicht wären meine Enkel ihrer Ahnen nicht werth gewesen. Aber ich hinterlasse eine Tochter, die ist ihrer werth. Segne sie, Herr des Himmels, sie war eine gehorsame Tochter, sie erfüllte alle Pflichten, und lebte nach allen Regeln des Weisen.

[171] Diese Beschäftigung hatte den Ehrwürdigen ermüdet, er fühlte, daß seine Kräfte verschwanden. Meine Zeit ist zu Ende, sagte er leise, du weißt, o Tien, ob ich sie nach deinem Willen angewandt habe. Doch du kennest die Menschen, keiner ist zu allen Stunden weise, keiner ist dem Bilde ähnlich, das du in den alten Weisen ihnen zum Muster gegeben hast. Aber du liebest die willigen, breite auch über mich deine verschonende Gnade, aus: und hiermit verschied er, ohne Furcht, ohne Ungeduld, ohne Zucken, wie die reife Frucht Litschi, wann die Natur sie von ihrem Baume ruft, oder wie die Sonne in der Abendsee untergeht.

Liosua nahm, mit dem Beyfalle des Kaisers, die grosse Trauer an: sie ließ auch ein Zimmer mit der ernsthaftesten Würde für die Ahnentafel einrichten, dessen ganzes Geräthe aus China kam, und wohin sie ihre Büchersammlung versetzte. Hieher begab sie sich fast alle Tage, ihren Verlust zu beweinen, und sich das Gemüth mit dem erlauchten Beyspiele ihrer würdigen Ahnen anzufüllen.

Aber Usong sah, daß die Geschäfte des Reichs unumgänglich seine Thätigkeit erfoderten, und fuhr fort, alle seine Augenblicke dazu anzuwenden. Er umarmte die Kaiserin aufs zärtlichste: Freude [172] meines Lebens, sagte er, traure so, daß du dich erinnerst, deinem Usong könne ohne dich nichts die Last des Lebens erträglich machen.

Mit dem Hofmeister des würdigen Liewangs war ein Mandarin der Wissenschaften gekommen, der arm schien, und von des Kongfutsee Nachkommen war. Es ist so selten, einen Bürger von China an einem fremden Hofe zu sehen, daß Usong den Mandarin bemerkte, und etwas an ihm fand, das ihm unterhaltend vorkam. An einem der Abende, die Usong seinen Freunden gab, fragte er den Fremdling, was doch die Ursachen seyn möchten, warum er sein gesittetes Vaterland verlassen hätte, und bey einem Volke Ruhe suchte, das er von Jugend auf für barbarisch angesehen haben müßte?

Oel-fu antwortete, nirgends kan die Barbarey herrschen, wo Usong auf dem Throne sitzt. Ich bin zu Kio-sö, des Weisen Vaterstadt, in der Provinz Schang-tong gebohren: ich wurde zu den Wissenschaften erzogen, und durchgieng die gewöhnlichen Stufen. Ich muß flehen, sagte er ferner mit einer tiefen Verbeugung, wenn der Kaiser meine Geschichte verlangt, daß ich frey reden dörfe. Die Arbeit, die man mir vorlegte, schien mir allemal zu leicht, und die Proben nicht schwer [173] genug: ich hätte das Werk eines Jahres in einer Stunde verrichten mögen, um die Wissenschaft zu erlangen, nach welcher meine Seele hungerte. Ich trachtete die zwölf Pflichten zu erfüllen, und da ich viel schrieb, so empfahl ich über alles die Tugend, als den einzigen Weg zum Vergnügen. Ich wurde bald, und jung, in einige Betrachtung gezogen; aber die Beförderung wurde mir schwer gemacht. Wann eine Stelle aus den schönen Wissenschaften ledig war, so hieß es, ich sey ein Sternenkenner: waren es Aemter die zur Staatskunst gehörten, so war ich ein Dichter.

Endlich wurde in einer von meiner Vaterstadt entlegenen Provinz eine Mandarinstelle in den Wissenschaften ledig: ich kannte niemand daselbst, und wurde berufen. Nunmehr verdoppelte ich meine Bestrebung, der Hofnung des Zongtu zu entsprechen. Man gab mir das Amt eines Richters der Bücher: ich mußte sie lesen, in einen Auszug bringen, und mit einem Zeichen unterscheiden, ob ich die Schriften gut hieß. Ich zog einen blauen Kreiß um den Namen des Verfassers, wenn sein Werk mir mißfiel, und die Billigung drückte ich mit einem roten Kreise aus.

Ich that nach meiner besten Einsicht, ich sparte dennoch aus Menschenfreundschaft meinen [174] blauen Pinsel, und brauchte immer mehr Roth, als ich nach der Strenge hätte thun sollen. Dennoch wurde es bekannt, daß ich der Bücherrichter war, und alle Gelehrte verschwuren sich wider mich: ich wurde mit Vertheidigungen, mit Widerlegungen, und mit Spottschriften umringt, und fast unterdrückt. Ein Freund rieth mir: entweder lege den Pinsel nieder, oder entschlage dich der blauen Farbe. Ich zog das erstere vor: und glücklich war ich; denn der Zongtu, der dir mein Amt anvertraut hatte, war schon entschlossen, mir es wieder zu entziehen: er schmeichelt, sagte der ernsthafte Greis, und vergißt seine Pflicht gegen das allgemeine Beste.

Ich kam in eine andere Provinz, wo man mir eine angemessene Stelle versprach. Aber die Bonzen lehnten sich wider mich auf: der Zongtu war ihnen ergeben. Der Mann glaubt an keinen Gott, riefen sie, und mein Glück verschwand mir unter den Händen. Die Bonzen schütteten tausend Verleumdungen wider mich aus.

Ich tröstete mich, weil die Beschuldigung ungegründet war: und kam nach Fokien, wo die Bonzen verhaßt waren. Der Zongtu nahm mich unter seine Freunde auf, und ich war der Gefährte seiner Abendstunden. Er glaubte aber selbst an [175] den Tien nicht; und nach seiner Meinung war kein Richter der Menschen, und kein Unterscheid des Guten und des Bösen. Er hielt mich für einen Anhänger des Laokings 16. Da ich aber nicht verbergen wollte, daß ich den Tien verehrte, und die Tugend dem Laster vorzog, so verlohr ich auch diese Stelle: der Zongtu erniedrigte sich so weit, daß er in harten Ausdrücken wider mich schrieb, ob er wohl meine Schriften niemals gelesen hatte.

Ich kam nach Peking, und wurde in Staatsgeschäften gebraucht: es wurden Schriften mir anvertraut, die von der größten Wichtigkeit waren; ich mußte des Reiches Rechte zu den Inseln Liu Kiu vertheidigen, die Nipon in Anspruch genommen hatte. Nun, dachte ich, hab ich das Vertrauen meiner Obern erworben: aber meine Eitelkeit wurde sehr bald bestraft. Ich hatte Nipons Rechte nach allem meinem Vermögen entkräftet, und man rief, er ist ein Niponier.

Ich warf mich in den Schoos der Wissenschaften, und suchte bey ihnen meinen Trost; ich fand ihn, und erfreute mich über einen Schatz, der zu meinem Glücke zureichte, und den mir niemand [176] rauben konnte. Aber auch diese Zuflucht wurde mir abgeschnitten. Man setzte sich mit Nipon; die Höflinge, die für dieses Reich waren, verfolgten mich nunmehr, weil ich Taisings Rechte verfochten hatte, und ich empfand bey allen Gelegenheiten ihren Haß.

Der Tien, sagte ich endlich, spricht zu den Menschen durch keinen Mund eines Sterblichen. Der Herold seines Willens ist seine Verfügung; er befiehlt mir China zu meiden, dem ich auf keine Weise mich gefällig machen kan. Und wohin würde ich geflohen seyn, als zum grossen Muster der Weisheit und der Güte; denn Liewang, der ihm sein geliebtes Kind anvertrauet hat, verheelte mir seine Hochachtung für den Sohn seiner Wahl nicht.

Usong antwortete: bey den Sterblichen die Belohnung der Tugend suchen zu wollen, ist ein eiteles Verlangen: die Weisen eifern täglich über der Menschen Leidenschaften und über ihre Laster, und wie können sie sich verwundern, wenn sie erfahren, daß ihr Gemälde dem Urbilde ähnlich ist? Ich bin dem Oel-fu verpflichtet, der gehoft hat, Hülfe bey mir zu finden. Usong brauchte den Chinesen zu geheimen Bedenken: er übergab ihm Geschäfte zu entwickeln, die er niemand gern vertraute: [177] und weil der Kaiser diese Aufsätze selbst durchlas, so erkannte er einen brauchbaren Diener am Oel-fu, an dem man in China so viele widersprechende Laster gefunden hatte. Aber Usong hatte selber aus des Oel-fu Unglücken auf seine Tugenden geschlossen. Oel-fu war beständig seiner Ueberzeugung gefolget, und hatte dadurch wechselsweise die einen oder die andern beleidiget, die nicht das gemeine Beste, sondern ihre eigenen Absichten zu befördern suchten. Die Mächtigen lieben nur denjenigen, der allemal mit ihnen dahin sich umlenket, wohin ihr Vortheil führet.

Der Kaiser beschäftigte sich unermüdet mit der Wohlfahrt seines Reiches. Die weisen Männer, denen er die Arbeit aufgetragen hatte, waren mit der Uebersetzung der Gesetze Nuschirwans fertig geworden. Der Kaiser durchsah sie mit der größten Aufmerksamkeit, und suchte alle Worte so richtig zu bestimmen, daß sie niemals zweyerley Deutung haben könnten. Er sorgte, daß sie einfach wären, daß sie aus den allgemeinsten Fällen durch ordentliche Treppen auf die besondern herunter stiegen, daß sie mit einander in ein harmonisches Ganzes übereinstimmten, und daß sie viele Fälle entschieden, ohne dieselben einzeln zu nennen. Der Gesetzgeber muß alle einzelne Fälle sich vorstellen, und sein Gesetz so einrichten, daß es sie alle entscheidet, und über [178] dasjenige spricht, das allen Fällen gemein ist. Usong gab allen Gesetzen einen Hang zum Besten der Armen, der Waisen und des Unterthanen. Des Kaisers Zepter ist ein Schwerdt, sagte er; des Grossen Macht ist sein Schild; das Gesetz muß für die Wehrlosen sorgen. Er versah, daß niemand von diesen Gesetzen sollte ausgenommen seyn: die Priester, die Kriegsleute, des Kaisers eigenthümliche Landgüter und seine Vorrechte, waren eben den Gesetzen unterworfen, denen sich ein Bauer unterziehen mußte. Die Ordnung die Streitsachen zu entscheiden, war auf gewisse Tage eingeschränkt: sie bestund in wenigen Klagen und in kurzen Zwischenzeiten. Die Geschenke waren bey Strafe der Entehrung den Richtern untersagt. Der Kaiser fuhr fort, zwey Tage in der Woche dem obersten Gerichtshofe beyzuwohnen.

Kurz hernach gab Usong die Kriegsgesetze aus; sie bezogen sich blos auf die Geschäfte der Waffen, und auf die Kriegszucht: in andern Streitigkeiten und in allen Fehlern gegen die gemeine Sicherheit, setzte er die besoldeten Kriegsleute unter die gemeinen Richter. Die Obermacht der Krieger ist, zumal auch in den Morgenländern, zu groß, und würde unerträglich, wenn man Kriegsleute vor Kriegsleuten belangen müßte. Auf den Gehorsam gegen die Befehle, auf die Enthaltung von aller [179] Vergewältigung, auf die Standhaftigkeit in der Gefahr, wurde mit der größten Strengigkeit gehalten. Wenn der Feldherr selbst das Panier von Persien nicht zurück rief, so war ein Weichender des Todes schuldig: und das Zerstreuen von der Fahne wurde auch beym befohlenen Rückzuge mit dem Tode geahndet. Usong wußte, daß selbst die freyesten Völker in den Abendländern sich durch die Strenge ihrer Kriegszucht unüberwindlich gemacht hatten, und dasjenige, was allemal und ohne Schonen gestraft wird, endlich nicht mehr in den Gedanken der Menschen aufsteigt, und nicht mehr widerfährt 17.

Der Kaiser brachte es dahin, daß die Unterthanen 18 die Gegenwart der Kriegsvölker für ein Glück hielten, die sonst in andern Ländern fast so verderblich als die Feinde sind. Der persische [180] Kriegsmann konnte von seinem Solde reichlich leben, ein edler Stolz hielt ihn von allen Gewaltthaten ab. Er würde sich als entehrt angesehen haben, wenn er eine Frucht ohne Erlaubniß vom Baume abgerissen hätte. Laßt die Osmannen ihr eigenes Volk berauben, wir sind Persiens Beschützer.

Nuschirwani war nunmehr in ihrem zehnten Jahre. Usong befahl, daß sie eben die Auferziehung erhalten sollte, die für ihre jungen Brüder bestimmet war, wenn sie die zärteste Jugend würden überstanden haben. Sie wurde in der Geschichte, in den Gesetzen, in der Kenntniß des Landes, und der Früchte der Kunst und der Natur, in den Einrichtungen, wodurch die öffentliche Sicherheit, der Ueberfluß, und die Gerechtigkeit gesichert wird, und in allen Tugenden eines Fürsten unterwiesen. Die junge Kaisertochter hatte die Standhaftigkeit ihres Vaters, und eine Bildung, die eine Aehnlichkeit mit dem sanften Gemüthe der Liosua mäßigte. Ihrem Verstande war nichts zu schwer, und Usong sah mit entzückendem Vergnügen, daß, auf welchen Thron das Schicksal seine Tochter führte, sie für ihr Reich ein Geschenk des Himmels seyn würde.

[181] Er rüstete sich zu einer neuen Reise, und gieng mit seinem vertrauten Gefolge nach Persiens nordwestlichen Provinzen ab. Aller Orten ließ er sich die Bücher der Gerichte vorlegen, und selten fand er Ursache zu ändern. Er musterte sowohl die ordentlichen Kriegsvölker, als die gewaffnete Landmacht Persiens: beyde fand er, mit Ausnahme der Feuerrohre, geschickt und geübt. Er besah die Werkhäuser der Künste, und ließ sich von den Bergwerken, von den Stahlgruben in Masanderan, von den Türkissen des Berges Firuzkuh, und von andern Quellen des persischen Reichthums, die genaueste Nachricht ertheilen. Er erfreute sich über die vermehrten Maulbeerbäume, und über die neuen Gärten und Wiesen, die er in allen Provinzen antraf. Ueberall sah er neue Häuser, und in allen Städten den Schutt weggeräumt, den die ehemaligen Zerstörer verursacht hatten: und neue Gebäude stiegen aus den erödeten Plätzen auf. Von seiner Strengigkeit ließ er wenige und unvermeidliche Spuren, von seiner Gnade und Freygebigkeit unzählbare nach sich.

An einem einsamen Orte, auf dem Wege nach Masanderan, entfernte er sich mit Fleiß von seinem Gefolge, und ritt einer mit Stroh bedeckten Hütte zu, die vom Wege entfernt auf einem Hügel lag. Dieser Hügel war durch kleine leimerne Mauren in [182] Stuffen abgetheilt, und jede Höhe war mit den dazu sich schickenden Gewächsen bepflanzt. Den Kaiser befremdete der Anblick des Hügels in der Ferne, der Fleiß des Bewohners zog ihn an sich, es war eine Nachahmung der chinesischen Aemsigkeit. Ein uralter Greis saß unter seinen Enkeln, und gab ihnen seine Räthe bey der Arbeit, an welcher sie mit einem freudigen Eifer sich beschäftigten. Guter Alter, sagte Usong, wieviel sind deiner Jahre? Herr, ihrer sind viele, ich habe auf dem Felde, von dem du kömmst, Timurs Gezelt gespannt gesehen. Wie waren die ehemaligen Zeiten? wie gefallen dir die itzigen? Das Rohr, sagte der Alte, wird nicht ausgewurzelt, weil es sich beugt. Ich habe den Timur gesehen: er herrschte wie der Löwe, er griff nur den Raub an, der ihm widerstehen konnte, der Schwachen schonte er. Es folgten Fürsten, sie herrschten wie die Schakalen 19, sie zerrissen auch den, der nicht widerstund, der wie ein Todter alles leiden mußte. Nun dünkt mich, herrscht der Elephant, der von den Geschenken der Erde lebt, der niemand beraubet und dennoch groß ist. Timurs Kriegsleute nahmen uns die Lebensmittel: aber unter seinen Enkeln war die Unschuld unsrer Kinder vor ihrem Raube nicht sicher. Itzt sind die Kinder, das[183] Vieh, und die Früchte meines Schweises alle mein. Wenn Usong lebt, soll dieser ganze Hügel ein Garten, und diese Hütte ein Dorf werden, das meine Enkel einzig bevölkern. Der Greis war ein Mongal, der als ein Gefangener nach China geführt worden war, und daselbst den vollkommenern Bau der Erde gelernt hatte. Usong lächelte vergnügt, und hinterließ dem glücklichen Alten Zeichen seiner Güte. Der Tartar vernahm niemals, daß der Beherrscher von Persien unter seine demüthige Hütte abgetreten war.

Usong eilte nach Masanderan, um im Frühlinge diese Provinz durchzureisen, zu einer Zeit, da sie durch die vielen Bäche erfrischt zum Paradiese wird. Die Blumen, die Tulpen, die die Gärten der Osmannischen Herrscher zieren, die Hyacinthen, die Pracht der abendländischen Gärten, allen Schmuck der Erde giebt die Natur hier ungesäet und ungewartet hervor. Die Weinstöcke schlingen sich aus eigenem Triebe an die Bäume, sie kennen das Schneidemesser und die Hacke nicht, und tragen dennoch die edelsten Trauben, woraus man den besten der Weine preßt. Schattichte Wälder bekränzten die Hügel, wo sonst in Persien eine traurige Dürre herrscht. Usong fand die fruchtbare Provinz in der jugendlichen Pracht der schönsten Jahreszeit.

[184] Er nahm einen grossen Umweg, die Wüste zu vermeiden, die er mit Bedauren einen beträchtlichen Theil seines Reiches einnehmen sah 20: er gieng über Caswin, und mußte dennoch die beschwerlichsten Gebürge, durch die gefährlichsten Wege, übersteigen, ehe er nach Estrerabad kommen konnte. Er ließ daselbst einige Festungswerke aufführen, und erwählte einen Standort für eine genugsame Zahl Reuter, die sowohl die zur Unruh geneigten Hirkanier, als die benachbarten wilden Truchmannen in den Schranken halten sollten. Er rühmte den Fleiß der Bürger des blumichten Reschd, die mehr Mittel sich zu erwerben wußten, als ganze Provinzen. Er belobte in Gilan die Emsigkeit der wohlgebildeten Weiber, die in dieser fruchtbaren Landschaft einen grossen Theil der Landarbeit übernehmen. Er folgte dem caspischen Meere, und wandte sich weiter nach Westen; er befahl dem Abgesandten, den äusserst verdorbenen Sitten der Bergleute um Kuawer zu steuren, wo von undenklichen Zeiten her die häßlichsten Laster im Schwang giengen, und wo die Einwohner alles Gefühl der Schaam verlohren hatten. An den Schuldigsten wollte er ein Beyspiel seiner Abscheu [185] gezeigt, und die übrigen bedrohet wissen, daß sie gänzlich ausgerottet werden sollten, wenn sie fortführen ein Schandfleck Persiens zu seyn. Er verlegte auch dahin eine genugsame Macht streitbarer christlicher Georgier, die der Gerechtigkeit Hände stärken sollten. Er setzte über den berühmten Araxis, und besuchte Schirwan, und das den Lesgiern zu nah gelegene Schamachie.

Zu Baku hielt er sich auf, und glaubte, es würde keine zu niedrige Beschäftigung seyn, wenn er die Wunder der Schöpfung auf der Halbinsel Okesra betrachtete. Er fand ein Vergnügen an allen Seltenheiten der reichen Natur. Er besah die ewigen Feuer, die an vielen Stellen aus der Erde hervorbrechen; die Quellen des weissen Naphta, dessen Dunst Feuer fängt, und unauslöschlich fortbrennet; den brausenden See der beständig Bergöl in die Höhe stößt, und den Hügel Jugtopa, aus dessen Spitze ein fetter Leim unaufhörlich hervor dringt, und auch wohl in die Luft, wie ein steigendes Wasser, wütend aufsprudelt 21.

Das Ziel der Reise des Kaisers war das uralte Derbent. Usong empfieng daselbst die Abgeordneten der Lesgier, und diese streitbaren Bergvölker [186] begaben sich, durch die blosse Verehrung seiner Tugenden gerührt, unter den Schutz des Kaisers: wobey sie ihre niemals verlohrnen Freyheiten vorbehielten. Er ließ diese von dem grossen Alexander angelegte Stadt, als den nordlichen Schlüssel von Persien, befestigen, das Schloß in den besten Stand setzen, und einen Theil seiner kurdischen Völker dahin verlegen.

Wiederum über unwegsame und über die Wolken sich erhebende Gebürge kam der Kaiser nach dem in blumichten Wiesen erbauten Ardewil zurück, wo viele Ueberbleibsel alter Gräber der geheiligten Aliden sind, und wo die schönsten Schaafweiden von Persien liegen.

Der Kaiser traf bey seiner Zurückkunft seinen Freund Dschuneid an, der seinen ehrwürdigen Vater verlohren, und seine Trauer eben zu Ende gebracht hatte. Er stellte dem Kaiser seinen Sohn, den jungen Haider vor, das Ebenbild der schönen Emete'.

Aber eben damals fieng Usongs Glückseligkeit an abzunehmen. Das Verhängniß, das ihn aus der Gefangenschaft auf den Thron von Persien geleitet hatte, wollte nunmehr auch im Unglücke seine Standhaftigkeit prüfen, nachdem er den Glücksstand [187] so würdig ertragen hatte. Kurz nach seiner Zurückkunft brachen die abißinischen Blattern 22 mit einer Wuth in Schiras ein, die sie seit vielen Jahren nicht gezeigt hatten. Tausende der schönsten Frauen, und unzählbare Kinder wurden weggeraft. Endlich drang die mörderische Seuche in die Burg des Kaisers: Dschuneid und Rustan, seine zwey hoffnungsvolle Söhne, wurden angesteckt. Liosua schätzte die Gefahr ihres eigenen Lebens gering, man konnte die liebende Mutter von dem Lager ihrer Kinder nicht abhalten. Sie wartete ihnen in der eckelhaften Krankheit bis zu ihrem Tode ab, sie hauchte den giftigen Dunst der Fäulung, der aus dem ganzen Leibe der Sterblichen stieg, und wurde zwar nicht angesteckt, aber ihre Gesundheit litt dennoch dabey, und der zärtliche Bau ihres Lebens näherte sich merklich seiner Auflösung.

Usong sah bestürzt die Hoffnung des Reiches aus seinen Armen sinken, ihm blieb kein Erb übrig, als die edle Nuschirwani: er betrauerte seinen Verlust noch mehr wie ein Kaiser, der sein Volk liebte, als wie ein Vater, der die holdesten Kinder begräbt. Er fieng an zu befürchten, alle seine Arbeit möchte verlohren seyn, und sein Reich in [188] die alte Unordnung zurückfallen; er sah kein Mittel wider ein so grosses Uebel, als die Vermählung seiner Erbtochter.

Da er mit ihrer Hand den Zepter von Persien zu vergeben hatte, so sah er sorgfaltig sich um einen Fürsten um, der ihrer würdig wäre, und von dem er hoffen könnte, daß unter dem Zepter desselben das Glück seiner Völker gesichert seyn würde.

Er verwarf alle die Beherrscher eigener Reiche. Persien, das den Kaiser so aufrichtig liebte, sollte keine Provinz eines andern Landes werden, sollte nicht unter die gierigen Hände fremder Grossen kommen, die nicht seine Söhne wären, und die es als eine Beute ansehen würden.

Seine eigenen Blutsverwandten, die Tschengiden, schloß der rechtschaffene Herr ebenfalls aus. Die Nowianen seines Hofes hatten sein väterlich gegen sein Volk gesinntes Herz öfters betrübt: diese Mongalen hatten nicht gelernt, ihren Leidenschaften zu widerstehen, und konnten sich nicht unter das Joch der Gesetze beugen. Ihr rauher Sinn war des zärtlichen Gefühles unfähig, ohne welches ein Fürst kein Vater seines Volkes wird.

[189] Usongs Hofnung blieb auf dem jungen Haider stehen, einem Enkel des Ali, und des Ismaels, dessen Glauben mit dem Glauben der meisten Perser übereinstimmte, den die Hosseniden, und alle Geistlichen, als ein Geschenk des Himmels dem Volke anpreisen würden, den Usong durch seinen Unterricht und durch seine Anführung glaubte ausbilden zu können, und bey dessen sanftem Gemüthe, und reitzender Bildung, er hoffen durfte, daß Nuschirwani glücklich seyn würde.

Er ließ zuerst die junge Fürstin von allen Provinzen zur Erbtochter von Persien annehmen. Es war kein Perser, der dem angebeteten Vater etwas hätte abschlagen können. Sie kannten ihn zu wohl, als daß ihnen ein Zweifel hätte übrig bleiben sollen; sobald Usong in seinem Ausschreiben versicherte, er wäre von der Fähigkeit und von der Tugend seiner Tochter so überzeugt, daß er, unbesorgt für das Glück seines Volkes, sie als seine Erbin vorschlüge. Er versprach zugleich; er würde bey ihrer Vermählung eine solche Wahl treffen, wie sie des Reiches Wohlfarth erfoderte. Er ließ bey allen Gerichtshöfen, und in allen den verschiedenen Abtheilungen der Rechte, des Kriegswesens, der Policey und Kammer, und der Religion sie als Erbfürstin des Reiches nächst seinem eigenen Namen den Büchern des Staates einverleiben.

[190] Er eröfnete hiernächst seine Gedanken, indem er sie innig umarmte, der noch immer traurenden Liosua, und bat sie, die Fürstin zu der beschlossenen Verehlichung zuzubereiten, auch es so einzurichten, daß Nuschirwani, ohne sich bloszusetzen, den edeln Anstand des jungen Aliden selber bemerken könnte.

Das letztere geschah, indem einige Ritterspiele in den innern Höfen der kaiserlichen Burg unter den Söhnen der Grossen veranstaltet wurden, die eben die Festsetzung der Erbfolge zum Vorwand hatten, wodurch Persien Usongs Tochter zu seiner Beherrscherin angenommen hatte.

Nuschirwani war in ihrem dreyzehnten Jahre, ihr Leib und ihr Verstand war weit besser ausgebildet, als es dieses Alter sonst verspricht. Sie hatte ein fühlendes Herz und lebhafte Empfindungen. An dem jungen Fürsten war nichts, das nicht liebenswürdig war, sein Alter übertraf das Alter der kaiserlichen Schönen um vier Jahre.

Die Kaiserin nahm die Zeit wahr, ihrer Tochter die grosse Veränderung zu eröfnen, die ihr erhabner Vater für sie beschlossen hatte. Nuschirwani, sagte die liebreiche Mutter, wäre würdig [191] und fähig selber Usongs Zepter zu tragen. Aber die Vorurtheile der Völker erfodern Nachsicht. Usong hat einen Fürsten ausersehen, der die Last der Regierung der Erbfürstin erleichtern soll; seine Wahl vereiniget alles, was Persien, und was das Herz seiner Tochter wünschen kan.

Nuschirwani erröthete, sie schwieg einige Augenblicke, warf sich vor ihrer vortreflichen Mutter auf die Knie, küßte ihre Hand, benetzte sie mit einigen Thränen, und bat sich, in einer Sache, von welcher ihr Schicksal, und das Glück von so vielen tausenden abhienge, einige Bedenkzeit aus.

Liosua hatte ein viel zu durchdringendes Auge, als daß sie diesen Aufschub für eine blosse Wirkung einer jungfräulichen Zurückhaltung hätte ansehen sollen; sie sah, daß etwas im Herzen der Erbfürstin herrschete, das sich wider dieses Band auflehnte.

Sie wollte doch diese Bedenkzeit der über die Kindheit längst erhabenen Fürstin nicht misgönnen. In acht Tagen wird Nuschirwani sich erklären; aber nimmermehr will ich von ihr hoffen, daß sie einen an dern Willen haben werde, als den Willen eines weisen und liebenden Vaters, der ihr Kaiser ist.

[192] Die acht Tage waren für die verlegene Fürstin allzugeschwind vorbey. Sie kniete nochmals vor ihrer liebreichen Mutter nieder. Meine Hand und mein Leben ist des Kaisers; wenn er verlangt, daß ich beyde ihm aufopfere, so bin ich zum Gehorsam bereit.

Und warum spricht Nuschirwani von ihrem Leben? Weil ich es nicht zu behalten hoffe, wenn ich meine Hand an den Haider vergeben muß.

Die Kaiserin kannte an ihrer Tochter eine Entschlossenheit, dadurch sie ihrem standhaften Vater gleich kam: Liosua verlangte zu wissen, was der Fürstin an dem jungen Haider mißfallen könnte.

Nuschirwani unterdrückte lang ihren geheimen Widerwillen, sie konnte aber der Liebe ihrer Mutter nicht widerstehen, und endlich gestund sie: wenn sie sich vermählen sollte, so würde sie ihrem Gemahl ihre ganze Liebe uneingeschränkt gewähren: sie erwarte aber eben auch ein ungetheiltes Herz von einem Gemahl: sie kenne die Freyheiten wohl, die in den Morgenländern der Gemahl sich heraus nehme: sie sey aber von Kindheit an gewohnt, den Kaiser niemand neben der sein ganzes Herz verdienenden Liosua lieben zu sehen: sie hätte [193] immer angemerkt, wie sehr das Glück der Kaiserin auf diesen so rühmlichen Vorzug sich gründete, und sie selbst würde ohne eben dieses Glück die elendeste Fürstin der Welt, und um so viel unglücklicher seyn, je zärtlicher ihre Empfindungen für ihren Gemahl seyn würden.

Sie hatte von einer ihrer Frauen von dem jungen Aliden sprechen gehört, noch eher als Haider sich hatte schmeicheln dörfen, um die Hand der edlen Nuschirwani zu werben. Sulime', hatte sie vernommen, eine Georgierin, deren Schönheit vollkommen, und deren Gemüth eben so anmuthig als ihre Bildung ist, besitzt Haiders Herz unumschränkt. Selbst in der Gesellschaft seines Vaters hat er sie mitgebracht, weil er ohne sie nicht leben kan. Ich denke meinen Gemahl zu lieben, fuhr die Erbfürstin fort: ohne diese Hofnung würde der Brautkranz mir schwerer als eiserne Fesseln seyn. Ich kan die Erwartung nicht vertragen, die eckelhafte Frau eines überdrüßigen Gemahls zu seyn, dessen Herz bey einer andern seyn würde, dieweil er mich zu umarmen sich zwänge. Eben so wenig kan ich es als ein erträgliches Schicksal ansehen, wenn ich meiner Rechte eingedenk, mich rächen, und die Feindin desjenigen seyn sollte, den man mir als das Werkzeug meines wahren Glückes vermählt hätte.

[194] Die Kaiserin war betreten, sie entließ die junge Fürstin. Man wird trachten, sagte sie mit freundlichem Ernste, daß der Nuschirwani Gehorsam nicht ihr Unglück werde: sie wird sich aber auch erinnern, daß Usongs Aussichten grösser sind, als daß sie den Bedenklichkeiten weichen sollten, die einer Fräulein vergönnt, aber für die Erbtochter von Persien zu jugendlich wären.

Liosua ließ den Kaiser glauben, Nuschirwani setzte dem Rathe ihrer Mutter Verzüge der Schamehaftigkeit entgegen, und schickte ihre Vertrauteste zur schönen Sulime': die Kaiserin verlangt die Zierde Arabiens zu sprechen, sagte die Abgeschickte, und ohne die erschrockene Schöne sprechen zu lassen; Sulime' kan von der bekannten Sanftmuth der Kaiserin nichts zu besorgen haben; aber die Unterredung ist unvermeidlich.

Die geliebte Sclavin mußte gehorchen; sie warf sich vor die Knie der Kaiserin: ich bin des Todes werth, weinte sie: soll die erkaufte Sulime' das Herz eines Fürsten der Erbtochter von Persien streitig machen? denn sie zweifelte an der Ursache nicht, um welche die Kaiserin sie hatte verfodern lassen.

[195] Die schöne Sulime', sagte die leutselige Kaiserin mit ihrer alles bezwingenden Anmuth, verbindet mich, indem sie mir ihr Herz eröfnet. Aber ich verdiene auch ihr Vertrauen. Höre mich, Geliebte des Haiders, höre mich, wie man eine liebende Mutter höret.

Sulime' wird nicht erwarten, daß Dschuneid seinem Stamme den Thron des Cyrus entziehen werde, damit sein Sohn eine junge Schöne ungetheilt lieben könne. Die Heyrath wird vor sich gehen; die Reitze der einnehmenden Sulime' werden ihr vielleicht eine Zeitlang das Herz des jungen Haiders versichern: aber was wird ihr Schicksal seyn? Ganz Persien wird die Zauberkraft ihrer Schönheit hassen, durch welche seine Erbtochter, die Tochter Usongs, unglücklich seyn wird. Dschuneid wird ernsthaft die väterliche Gewalt anwenden, einen Sohn von seiner Geliebten zu trennen: die ganze Welt wird wider Sulime', und niemand für sie seyn, als das Herz eines Jünglings. Wird dieses Herz den Folgen des Genusses, der vereinigten Gewalt der väterlichen, der ehlichen, und der freundschaftlichen Liebe widerstehen? Wenn es endlich so vielen verehrungswürdigen Rathgebern, und dem Wunsche aller Perser nachgiebt, was wird dann Sulime' werden, deren Herze die [196] Liebkosungen eines liebenswürdigen Fürsten zur Nothwendigkeit geworden sind?

Doch Sulime' hat eben so viel Verstand als Schönheit: sie wird einsehen, daß die Liebe eines Jünglings einige Jahre dauert, und daß ihr übriges Leben eine Wüste ohne Trost seyn wird. Sie wird dem allgemeinen Glücke eine Liebe aufopfern, die die blosse Flüchtigkeit der unbeständigen Jugend ohnedem so leicht auslöschen kan. Und Persien hat nichts an Ehr und an Glücke, das sie nicht zu erwarten habe, wenn sie das Hinderniß wegräumt, das der Ruhe des Reichs entgegen ist.

Sulime' hörte bedächtlich zu; sie besann sich, doch nicht allzu lange; sie küßte ehrerbietig den Rock der Kaiserin. Was bin ich, sagte sie, daß ich mein Schicksal gegen das Schicksal von Persien abwegen soll? die Befehle der verehrungswürdigen Liosua werden meine Richtschnur seyn.

Die Kaiserin behielt sie im Harem, und gab ihr eine angesehene Stelle an ihrem Hofe. Die Gnade, womit sie die Georgierin überschüttete, sowohl als die Reitze der schönen Sulime', bewogen einen Grossen vom Hofe, um sie zu werben: sie wurde als eine Freundin der Kaiserin ausgestattet, [197] und ein dauerhaftes Glück war die Belohnung der Aufopferung einer jugendlichen Liebe.

Haider liebte seine Sulime' mit dem Feuer eines Jünglings und eines Arabers. Aber er durfte seine Regungen durch kein Zeichen gegen seinen Vater merken lassen, der das Glück der Aliden, die Ausbreitung des wahren Glaubens, und den Thron seines Sohnes mit einer lebhaften Entzückung sich vorstellte. Haider reichte ohne Widerstand seine Hand der schönen Nuschirwani, und sie machte auch keine Schwierigkeit mehr, den Gemahl anzunehmen, den Usongs Weisheit für sie ausersehen hatte.

Sie bemühte sich, das Herz des jungen Fürsten zu gewinnen, und sie beherrschte es sehr bald uneingeschränkt durch die vereinigten Reitze ihrer Züge, und ihres mit allen den Gaben des Witzes und der Wissenschaften gezierten Verstandes.

Noch einmal brach Usong auf, und durchreisete die östlichen Provinzen, und zumal auch das wichtige Kandahar. Er besah zuerst das wegen seiner Schönen berühmte Yezd, das wie eine fruchtbare Insel mitten in den Sandwüsten liegt. Es bereitet das kostbare Rosenöl, das ein schätzbares Geschenk morgenländischer Könige ist: und verfertigt [198] die reichsten Goldstücke. Usong kaufte eine beträchtliche Menge dieser theuren Stoffe, so wie er überall that, wo eine gemeinnützige Anstalt zu begünstigen war. Er durchreisete das einsame Segestan, und kam ins Gebürge nach Kandahar. Er empfing Besuche von den Afganischen Fürsten, die ihn freywillig für ihren Schutzherrn erkannten, doch daß sie unabhängig blieben. Der Kaiser wandte alle die Kräfte seiner angebohrnen Leutseligkeit an, und streute die Zeichen seiner Freygebigkeit häufig unter diese streitbare Barbaren aus. Er ließ aber nichts desto weniger Kandahar mit einem dreyfachen Umfange starker Mauern befestigen, die den ganzen Raum zwischen den Gebürgen einnahmen, und den Durchgang nach Indien vollkommen beherrschten: er hielt auch ein beständiges Lager von etlich tausend Georgiern zu Pferd in der Nähe der Festung: denn seine Weisheit durchdrang die Zeiten, und sah die Gefahr ein, die dem Reiche von diesen wilden Bergleuten bevorstund, wenn jemals der Zepter von Persien in schwächere Hände fallen sollte 23.

Indostan war damals in der größten Verwirrung, und es würde dem wohlbewafneten Persien ein leichtes gewesen seyn, einige Provinzen dieses [199] geschwächten Reiches an sich zu reissen. Aber Usong dachte beydes edler und weiser: er sah überhaupt den Krieg für eine Strafe Gottes, und für den Schauplatz unvermeidlicher Grausamkeiten an: nichts als die Nothwendigkeit konnte, nach des Kaisers Meynung, einen Fürsten entschuldigen, der so viel Elend unter die Menschen brächte. Er sah dabey Persien für nur allzuweitläuftig an, und die Gebürge machten gegen Osten eine natürliche Gränze aus, die nur ein blinder Ehrgeitz zu überschreiten anrathen könnte.

Die Zeit war nunmehr gekommen, da Usong den größten Unfall leiden sollte, der noch sein Leben betroffen hatte. Liosua war, seitdem sie nach Persien gekommen war, immer etwas schwächlich gewesen. Selbst zu Schiras war ihr die Luft zu rauh und zu bergicht. Schwere Entbindungen, und den Verlust ihres Vaters, und ihrer Söhne, hatten die zärtliche Verfassung ihrer Glieder noch tiefer angegriffen. Sie fühlte sich abnehmen, ohne eigentlich krank zu seyn: und sie sah den Tod als unvermeidlich an. Da sie die Liebe ihres Gemahls kannte, und die Beunruhigung seines rechtschaffenen Gemüthes für das Größte aller Uebel ansah, so verbarg sie, was sie fühlte, und ermunterte sich in seiner Gegenwart mit einer solchen Aufmerksamkeit, daß der Kaiser zwar seine Gemahlin abfallen [200] sah, aber es bald zufälligen Ursachen zuschrieb, und bald mit einer Besserung sich schmeichelte, die niemals erfolgen konnte.

Sie lag ihm nunmehr selbst an, die wichtige Provinz Khorossan zu besuchen, die ganz auf den nordöstlichen Gränzen lag, und die unruhigen Usbecken zu Nachbarn hatte, von deren Streifereyen sie niemals viele Jahre frey blieb. In eben die Zeit sollte die Niederkunft der Nuschirwani einfallen, und auch dieser ihrer Tochter wollte Liosua das traurige Schauspiel ihres Todes ersparen. Sie ließ sich nach Fagrabad in einen Lustgarten bringen, wo sie sich erholen würde, wie sie versicherte, und die zum Reisen allzuweit schon gekommene Erbfürstin blieb zu Schiras.

Der Kaiser kam nach Khorossan, er besah die grosse und fruchtbare Provinz, er bedauerte die weit ausgedehnten Sandflächen. Er besuchte zu Meschet das Grab des Imam Reza, eines der vornehmsten Aliden, und sah eine grosse Handelsstadt, fähig die Vermittlerin zwischen den Schätzen von Bockhara und von Indien, und den Früchten des Fleisses der Perser zu werden. Er kam nach Nisabur, in dessen Nähe die Türkisberge sind, und das wegen seiner Tapeten berühmte Herat. Verschiedene Usbeckische Fürsten besuchten ihn: er [201] empfieng sie mit allen Zeichen der Freundschaft, und kannte dabey die Unbeständigkeit dieses Volkes viel zu wohl, als daß er einiges Vertrauen auf sie hätte setzen sollen. Der Kaiser hatte Marschirhar wohl befestigt, etliche unersteigliche Schlösser erbaut, und Waffenplätze angelegt, wo ein beständiges Heer stehen sollte. Er war schon auf dem Rückwege nach Schiras, als er die erschrecklichste aller Zeitungen empfieng.

Liosua, ihrer Auflösung gewiß, behielt bey einem schmachtenden Leibe die heitere Stille ihres gesetzten Gemüthes. Sie ließ ihre Zimmer mit frischen Blumen auszieren, und wählte Kleider von hellern Farben. Alle Abende ließ sie einige von ihren Frauen in ihrem Schlafzimmer singen, und in verschiedener Musik in ihrer Gegenwart sich üben. Ihre Absicht war, vor dem ganzen Hofe den drohenden Zustand ihrer Gesundheit zu verbergen.

Sie brachte einen Tag mit Schreiben zu, und versiegelte die Briefe. Die Nacht darauf war sie so schwach, daß sie ihr Lager nicht mehr verlassen konnte. Sie behielt nur die vertrautesten unter ihren Frauen bey sich. Sieh nun, schöne Sulime', wozu die Tugend nützt, sieh mich ruhig von dem Throne, und von meinem Gemahle mich trennen, der mir theurer als alle Thronen ist.

[202] Du hast mir den Weg zum Leben und zum Tode gezeigt, weiser Liewang, ich fühle den Werth deiner Lehre. Empfange, o Tien, deine Tochter, die du mit Gnaden überschüttet hast. Beschütze die Nuschirwani, belohne das Gute, das du in meinen Usong selbst geleget hast. Sie sprach und starb im Lächeln. Das letzte Bild, das ihre Einbildung füllte, war Usong, so wie er der erste Gegenstand ihrer Liebe gewesen war.

Und nun war der grosse Unfall nicht mehr zu verbergen. Ein Läufer eilte dem Kaiser entgegen, und brachte ihm das kurze Schreiben, das die letzten Worte der holdseligen Liosua in sich hielt.

Wenn Usong dieses Siegel erbrechen wird, so wird Liosua nicht mehr auf Erden seyn. O erinnere dich, Größter der Sterblichen, des Guten, das du vom Tien empfangen hast. Zürne nicht über meinen Hinscheid. Die Erde ist die Schaubühne, worauf der oberste Herrscher die Menschen Proben vom Gebrauche seiner Gaben ablegen läßt. Niemals ist Usong minder groß am Willen, als an den erhabenen Eigenschaften gewesen, die ihm der Tien geschenket hat. Sey ferner, Theurester meiner Seele, auch in dieser schweren Tugend das Beyspiel der Sterblichen. Ertrage mit Gelassenheit die Leitung eines niemals irrenden Verfugers.[203] Schenke deiner Liosua eine getreue Zähre, und erscheine wiederum den unzählbaren deines Volkes zum Troste, mit der wahren Munterkeit eines sein Volk einzig liebenden Beherrschers. Die Thränen von den Augen der Bedrückten abwischen, ist der würdigste Trost eines Usongs.

Usongs geübtes Herz widerstund dem unvorgesehenen Schlage nicht; er verschloß sich in sein Gezelt; er verbot jemanden vorzulassen, und blieb einen langen Tag und eine schreckliche Nacht in der Betrachtung seines Verlustes stumm. Er fühlte den Werth, den unersetzlichen Werth des Schatzes, den er verlohr, mit aller der Empfindlichkeit des zärtesten Gemüths: er sah in seinem Leben eine Wüste vor sich, wo nichts als Arbeit, ohne Belohnung, für ihn blieb, wo nach seinen bemühten Tagen er traurige und einsame Abende, zu erwarten hatte, und wo er die einzige Freundin missete, welcher er alles vertrauen konnte, und die unerschöpflich an Mitteln war, jede Sorge ihm zu versüssen.

Dschuneid, der den Kaiser begleitet hatte, fand in den ersten Tagen keinen Zutritt zu seinem Herzen. Usong sprach nicht, weinte nicht, und brütete mit Gefälligkeit seinen ewigen Kummer. Nuschirwani wäre vielleicht die einzige Trösterin [204] gewesen, die der liebende Vater angehört hätte: sie war aber entfernt, und man mußte auch vor ihr die traurige Zeitung verheelen.

Aus dem Schlummer des unthätigen Unmuths weckte ein Donnerschlag den Kaiser von Persien. Ein schneller Bote brachte von den westlichen Gränzen des Reichs die gewisse Nachricht, Machmud der zweyte habe, nachdem Morad den Thron noch einmal verlassen, Byzanz mit stürmender Hand erobert. Der letzte Nachfolger Constantins habe sein Leben für den sinkenden Thron der Griechen zugesetzt, und alle osmannische Länder erschallen vom Frohlocken des Sieges, vom Ruhme des jungen Kaisers zu Rom, und vom Gejauchze der Hofnung zur allgemeinen Herrschaft der Welt.

Usong mußte nun dem Kummer, den er liebte, und den er für eine Pflicht eines nicht unnatürlich verhärteten Herzens hielt, unumgänglich sich entschlagen: er sah, daß er an das Ruder treten mußte, da der fürchterlichste Sturm sich näherte. Er kam nicht nach Schiras zurück, wo man die Ueberbleibsel der vollkommensten der Frauen mit stiller Pracht beysetzte, er verfügte sich nach Tabris, und durcheilte noch einmal die westlichen Gränzen des Reiches. Er verstärkte die georgische Reuterey [205] mit neuen Anwerbungen, er setzte die Zahl der kurdischen Gränzvölker bis auf siebenzigtausend 24, er ließ das gegossene grobe Geschütz nach Wan und Irwan bringen; er befahl, daß man die jährliche Landmacht der sechszigtausend gewafneten Perser aufs doppelte erhöhen sollte. Durchs ganze Reich ließ er zu den Waffenübungen doppelte Tage nehmen, und bey den Waffenwerkstätten die Tage durch die Nächte verlängern. Er schickte eigene Abgeordnete nach Alkahirah, und ließ den schlummernden Fürsten der Zirkassen auffodern, die allgemeine Gefahr zu beherzigen, die den Aegyptiern so nah drohete. Vier Bottschafter giengen nach Venedig, und hatten eben denselben Auftrag. Er fand einen neuen, aber allzuschwachen Verbündeten am David, dem sogenannten Kaiser von Trapezunt.

Man mußte endlich auch der Fürstin den Hinscheid ihrer durchlauchtigsten Mutter gestehen, da sie unaufhörlich nach derselben fragte. Sie ertrug dieses Unglück mit wenigerer Standhaftigkeit als man gehoft hatte; gute Gemüther fühlen ihre eigenen Leiden minder, als die Leiden derer, die sie lieben. Nuschirwani konnte lange nicht zu ihrer Munterkeit wieder gelangen; Haider war abwesend, [206] ihr verehrungswürdiger Vater mit Sorgen und Gefahren umringt, und das im Abend drohende Ungewitter schien immer näher zu kommen.

Sobald sie sich erholt hatte, so bat sie den Kaiser ihr zu erlauben, ihm nach Tabris zu folgen. Sie fiel dem untröstbaren Vater zu Füssen. Nimm, gnädiger Herr, deiner Tochter Dienste gütig an, laß sie einen Theil des Verlustes ersetzen, den dir niemand würdig ersetzen wird. Der Kaiser liebte die junge Fürstin als ein Vater, und schätzte sie wegen ihren grossen Einsichten hoch; er gewöhnte sich wechselsweise die Abendtafel bey ihr zu halten, und Nuschirwani sammelte aus allen Ländern Nachrichten und Seltenheiten ein, womit sie den Kaiser einen Augenblick seinen Sorgen entziehen konnte. Der Hof blieb eine lange Zeit in Tabris.

Die völlige Bezwingung des griechischen Europa, und verschiedene schwere Feldzüge an die Donau, beschäftigten den feurigen Machmud noch einige Jahre, und Persien blieb in einer Ruhe, deren Süßigkeit doch durch die Erwartung eines unvermeidlichen Krieges verbittert wurde.

Die junge Erbin von Persien hatte Gelegenheit, vieles von den guten Eigenschaften der Fürstin Martha, der sogenannten Despoina, oder der [207] Kaisers Tochter von Trapezunt zu hören. Ihr Gemüth wäre mild und gütig, ihre Gestalt reizend und fein, ihre Züge auf griechisch schön 25. Die Unglücksfälle die sie befürchtete, hatten sie zu einer Demuth bewogen, die unter Fürstinnen selten zu hoffen war. Nuschirwani fiel auf ein Mittel, eine liebenswürdige Freundin für sich selber zu erlangen, dieselbe aus dem bevorstehenden Umsturze ihres Hauses zu erretten, und des Kaisers Gedanken in eine andere Stellung zu bringen. Die Großmüthige hofte auch, die Erbfolge von Persien zu versichern. Sie unternahm, die Fürstin von Trapezunt mit dem Kaiser zu vermählen.

Da sie einen täglichen Umgang mit ihm hatte, so bezeigte sie, wie sehr sie wünschte, daß die schweren Sorgen des Reiches durch das Vergnügen versüsset werden möchten, das eine treue Liebe einzig einem edlen Gemüthe versprechen kan. Sie gewann nach und nach den Kaiser: David erhielt den Antrag durch einen Gesandten. So tief Trapezunt gesunken war, so erinnerte sich doch David der Grösse Constantins, und legte dem anwerbenden Usong zum ersten Bedinge vor, daß die Fürstin bey dem christlichen Gottesdienste frey [208] bleiben sollte. Usong war nicht abergläubisch, er fand bey den Christen das Wesentliche aller Religionen, die Anbetung eines einzigen Gottes, der alles regieret, ein künftiges Leben, für die Guten eine ewige Belohnung, und eine der vollkommensten Gerechtigkeit Gottes angemessene Bestrafung der Lasterhaften.

Die wirklich liebenswürdige Despoina wurde dem Kaiser zugeführt, und durch den armenischen Patriarchen von Ekmiasin in den Zimmern der Nuschirwani getraut. Usong fand an ihr eine lenksame und tugendhafte Gemahlin: aber ihre Auferziehung hatte ihren Geist in engen Schranken gehalten: sie war den kleinen Feyerlichkeiten ergeben, die das Entbehrliche der Religion ausmachen, und ihr mangelten die Kenntnisse, die sie zum Umgange und zur Unterhaltung des alles übersehenden Usongs hätten auszieren sollen. Nuschirwani war ihre Freundin, und ersetzte, was zur Anmuth und der Lebhaftigkeit des Umganges der neuen Kaiserin mangelte. Martha hatte ihre noch in der kindischen Unschuld blühende Schwester Eudoxia mit sich an den persischen Hof gebracht.

[209] Nuschirwani kam, dieweil der Krieg mit den Osmannen wie aufgeschoben war, mit einem Fürsten nieder, und diese Begebenheit half des Kaisers Kummer besänftigen. Der Kaiser ließ den jungen Erbfürsten Ismael nennen, welches der Namen des Urhebers der Koreischiten, und des Stammvaters des Mohammeds und des Ali war. Er sah nunmehr die Thronfolge befestiget, und erfreute sich, daß hierdurch so vieles Uebel abgewandt wurde. Ein einziges Leben rettet in diesem Falle das Leben von Millionen, und wendet von ganzen Reichen die Zerrüttung ab.

Ein unglücklicher Zufall beschleunigte den Bruch mit den Osmannen. Machmud hatte die Sultane von Karamanien bekriegt, sie geschlagen, und sich ihrer Länder bemächtigt. Einer von ihnen, Pir Hamet, entfloh, und suchte Schutz beym großmüthigen Usong.

Der alles vor sich niederfallen zu sehen gewöhnte Machmud foderte durch einen Kriegsbedienten den unglücklichen Fürsten ab, und der trotzige Osmann ließ sich einige Drohworte entfallen.

Der siegreiche Usong fühlte die Unwürdigkeit dieser Begegnung: der Truchmen, sagte er gegen [210] seine Grossen, bleibt allemal ein Viehhirte, wie zu Timurs 26 Zeiten. Ihn verhöhnte, daß ein Fürst, dessen Voreltern vor zwey Jahrhunderten in den Gefilden von Turkestan von der Viehzucht gelebt hatten, und durch Untreu und Meineid auf den Fürstenthron gestiegen waren, dem Enkel des Tschengis trotzen sollte, dessen Ahnen sich in die Dunkelheit der ersten Zeiten der Welt verlohren. Aber Usong war ein Weiser, und liebte sein Volk. Er schickte einen Gesandten an den Machmud, und ließ ihm vorstellen, die Pforte des Kaisers der Perser sey die Zuflucht der Welt, und seine Ehre lasse ihm nicht zu, denjenigen zum Tode auszuliefern, der günstig genug von ihm gedacht hätte, Schutz bey ihm zu suchen. Der Kaiser erbot sich sonst zum Frieden, und zur Freundschaft, mit dem Sultane der Osmannen. Er bat, Machmud möchte Karamanien und Trapezunt verschonen, und kostbare Geschenke begleiteten die Bitte.

Die Antwort des durch das Glück verwöhnten Machmuds war rauh: er könne denjenigen nicht für seinen Freund ansehen, der seine Feinde beherbergete. Er rückte mit vieler Bitterkeit dem [211] Kaiser seinen Bund mit den ungläubigen Nazarenern vor, die auszurotten Usong dem Sultan billig behülflich seyn sollte. Er fuhr fort, Karamanien zu verwüsten, er bemächtigte sich des reichen Tocats, und die osmannischen Völker verschonten der angränzenden Kurden, und des Theiles von Armenien nicht, der unter Persien stund: der Pascha von Amasia rückte auch in die Lande des Kaisers von Trapezunt ein.

Eine grosse Gesandschaft kann indessen von Venedig. Der Botschafter schloß mit dem Kaiser einen engen Bund; er versprach im Namen seiner Herrschaft, die venetianische Flotte sollte sich auf den Küsten von Karamanien zeigen, die Seestädte angreifen, und den Sultan nöthigen, seine Macht zu theilen: es sollten auch diejenigen Kriegsnothwendigkeiten nach Persien geschickt werden, die dieses Reich selbst nicht erzeugte.

Der unbeständige Hof von Aegypten wollte sich durch keine Vorstellungen aufwecken lassen, und ließ sich nicht bewegen, der allgemeinen Gefahr zu steuren, eh daß sie unwiderstehbar würde: die nazarenischen Fürsten blieben auch bey ihrer Gewohnheit, die wichtigsten Angelegenheiten zu versäumen, und über kleinen Vergrösserungen die allgemeine Sicherheit von Europa zu verabsäumen.

[212] Usong sah die Schwierigkeiten und Gefahren dieses Krieges vor. Schon hatte Machmud seinen Sohn, den jungen Bajazid, mit einem alten und versuchten Feldherrn, und mit einem auserlesenen Heere, nach Karamanien abgeschickt. Er selbst folgte nach, und mit ihm die ganze Kriegsmacht, die in Europa gelegen war, und die den Kern seiner Heere ausmachte. Denn die Bosnier, die Bergleute, die zwischen Ungarn und Griechenland leben, die Epiroten, die Macedonier, sind, wie ihr Land und ihr Himmel, härter, als die Einwohner des mildern Asiens. Machmud brachte auch eine grosse Macht der im Feuer geübten Jenjitscheri, und ein zahlreiches grobes Geschütz mit sich. Seine Kriegsvölker hatten seit vielen Jahren keinen Frieden gekannt, und die Gefahr und die Mühseligkeiten waren ihnen zur Natur geworden: ihre beständigen Siege hatten ihnen auch den Muth erhöhet, sie sahen sich für unüberwindlich an, weil sie noch immer überwunden hatten. Machmud war auch bey aller der Härte seines Gemüthes, ein versuchter und kühner Feldherr, und sein Geist war durch die Wissenschaften viel aufgeklärter worden, als die ihm gehäßigen Abendländer eingestehen. Sein Ehrgeitz, und seine Liebe zum Kriege, waren freylich Fehler an ihm, die aber selber zum Siege führten.

[213] Der Kaiser von Persien hatte den Osmannen seine Kurden entgegen zu setzen, eine versuchte und abgehärtete Reuterey. Seine Georgier waren auch die besten Völker zu Pferd, die Asien kannte, aber sie waren nicht zahlreich. Die persische Landmacht hatte selten den Krieg gesehen, und Usong konnte von ihnen die Standhaftigkeit alter Kriegsleute nicht hoffen. Die größte Ungleichheit war in den Waffen. Zu Pferd, und mit dem Säbel in der Faust, hofte Usong die Oberhand zu behaupten, und ein Perser hielt sich für besser, als zwey Osmannen. Aber Persien hatte so wenig Fußvolk, daß der Kaiser nicht einsah, wie er der gedrungenen Phalanx der Jenjitscheri widerstehen würde: noch weniger konnte er diesen stolzen Siegern ein gleiches Feuer entgegen setzen, und bey dem groben Geschütze war weder die Zahl, noch die Uebung der Perser, den Osmannen zu vergleichen.

Nichts blieb dem weisen Usong übrig, als er selbst. Er versprach sich durch einen klugen Gebrauch seiner Kräfte, und durch die vollkommene Liebe seines Volkes, den Osmannen das Vorrücken, den Unterhalt, und den Krieg so sehr zu erschweren, daß sie in einer von der Hauptstadt ihres Reichs so entlegenen Landschaft nicht lang die unendlichen Unbequemlichkeiten würden aushalten können, die er ihnen zubereitete. Er kannte dabey [214] die Osmannen, die wütende Anfälle wagen, aber die Standhaftigkeit eines Feindes zu bezwingen leicht müde werden.

Der erste Feldzug geschah durch die leichte Reuterey, die er dem feurigen Pir Hamet mitgab, und die bald mit einer Menge Karamanier verstärkt wurde, die ihrem Fürsten frohlockend zufielen. Usong hatte den jungen Fürsten gewarht, er hatte sogar befohlen, keine Feldschlacht mit den Osmannen zu wagen. Pir Hamet war eine Zeitlang glücklich: das ganze Land war wider die Feinde, und keine Hand blieb, die sich nicht für ihren Fürsten wafnete. Er hatte bald ein zahlreiches Heer, und schlug verschiedene Schaaren der Osmannen. Der alte Achmet nahm bey Tocat eine vortheilhafte Stellung: er lagerte sich auf einem gelinden Hügel, der das Gefild übersah, und den er mit dem Geschütze fürchterlich bepflanzte. Unter ihm giengen bis in die Fläche abhangende Weinberge mit schmalen Strassen durchzogen: auch diese Zugänge besetzte er mit seinen Jenjitscheri. Hinter ihm lag das grosse Tocat, und versicherte seinen Rücken.

Pir Hamet war so blind, so voll jugendlicher Hofnung, daß er glaubte, auch in dieser Lage würden die Osmannen ihm nicht widerstehen. [215] Er griff wütend mit der Reuterey die Weinberge an. Ein Hagel von tödtlichem Bley regnete von der Höhe, und von jeder Mauer; die kühnsten blieben, die übrigen Karamanier flohen, und litten im Rückzuge noch sehr vieles von dem Donner des groben Geschützes. Der Unfall benahm den ungeübten Unterthanen des Pir Hamets den allzugeschwind gewachsenen Muth, sie zerstreuten sich. Ihr Fürst mußte sein Lager und seine Erblande verlassen, und floh mit den wenigen übriggebliebenen nach Tabris, wo ihn die Schaam so sehr niederschlug, daß er es nicht wagen wolle, vor dem Kaiser zu erscheinen.

So weislich Usong die Gefahr zu vermeiden hatte, so unerschrocken war er, wann sie ihn umringte. Er hieß den Pir Hamet an den Hof kommen, und sprach ihm Muth ein. Mein Freund, sagte der Kaiser, hat er fahren, daß die gerechte Sache auch die schwächere seyn kan; ich hoffe aber, er soll wiederum ein Zeuge seyn, daß das Glück sich durch die Geduld lenken läßt.

Usong drang in Karamanien ein; Bajazid und der alte Achmet waren triumphirend zum Machmud gestossen, und der feurige Vater freute sich, da er hoffen durfte, der Osmannen Ruhm würde [216] unter seinem Sohne nicht abnehmen. Ein andrer Feldherr, Morad 27, ein abgefallener Christ, aus dem kaiserlichen Geblüte der Paleologen, führte die Osmannen an. Ehrgeitz und Jugend hatten den ehemaligen Fürsten von Byzanz verleitet, seinen Glauben zu verlassen, und eben dieser Ehrgeitz machte ihn niederträchtig genug, dem Zerstörer seines Hauses zu dienen.

Der Kaiser von Persien befolgte seinen Entwurf: er theilte sein Heer, das in blosser Reuterey bestand, in viele Haufen. Alle Nächte gab er dem Haupte eines jeden Haufens seine Vorschrift, wohin er eilen, und wo er wieder zu andern Haufen stossen sollte. Die Perser waren aller Orten, und doch konnten die Osmannen sie nirgends antreffen. Usongs Reuter hieben alles nieder, was von dem Hauptheere sich entfernte. Wollte der Seraskier eine Zufuhr von Kriegsnothdurft an sich ziehen, so stiessen drey persische Haufen zusammen, übermannten die Bedeckung, erschlugen die Osmannen, und nahmen den Vorrath weg. Gieng Morad auf sie los, so zerstreute sich das persische Heer in mehrere Haufen, und die vortreflichen Pferde brachten sie sehr bald aus den Augen der Osmannen. Ein jeder Karamanier wurde ein [217] Ausspäher, kein Schritt der Feinde war den Persern unbekannt, dieweil Morad in einer beständigen Ungewißheit blieb.

Die Osmannen wurden täglich auf diese Weise abgemattet, und Morad, der den Tod eben so sicher zu Byzanz, als in den Flächen von Tocat, vor sich sah, faßte den verzweifelten Entschluß, an allen Orten, wo er ihn nur anträfe, den Kaiser anzugreifen.

Usong vernahm die Verlegenheit, und den Entschluß des Seraskiers, augenblicklich. Nun ist es Zeit zu schlagen, sagte er zu Pir Hamet. Er rief alle die getheilten Schaaren seines Heeres zusammen, in eine Fläche, die hinter seiner itzigen Stellung lag. Der Zurückzug des Kaisers vermehrte den Muth des abtrünnigen Feldherren: er drang mit aller Beschleunigung auf die weichenden Perser.

Da die Osmannen noch zwey Farsangen 28 weit von der Perser Hintertreffen waren, so ließ der Kaiser plötzlich den allgemeinen Befehl ergehen, ohne kriegerisches Spiel, und mit dem wenigsten Geräusche vorzurücken. Da er an Völkern nunmehr [218] überlegen war, so theilte er sie in drey Theile. Zwey Flügel umringten die Osmannen auf den Seiten, und Usong griff den Seraskier vor der Stirn an. Er befahl, seine Völker sollten, ausser der Macht des Feuergewehrs, sich in Ordnung stellen, und dann mit verhängtem Zügel, und mit dem Säbel in der Faust, auf allen drey Seiten einbrechen. Die Osmannen sahen ihren Untergang vor Augen, und den Tod auf allen Seiten an sie dringen. Sie riefen verzweifelnd, es ist das Schicksal 29, und verlohren allen Gebrauch ihrer Kräfte. Sie wurden im Augenblicke zertrennt, viele tausende niedergemacht, und die übrigen bis auf wenige Flüchtlinge gefangen, die am wenigsten verdient hatten, dem Tode zu entgehn. Morad sand den Tod minder fürchterlich, als den zornigen Anblick seines Herrn, er suchte ihn auf der Wahlstadt 30. Persien erkaufte den grossen Sieg mit so wenigem Blute, daß Usong sagen konnte, sein Triumph koste keine Thränen.

Er kam nach Tabris triumphirend zurück, nachdem sich fast ganz Karamanien in seine Arme [219] geworfen, und die osmannischen Besatzungen aus den meisten Städten verjagt hatte. Der Kaiser fand es der Weisheit angemessen, hier eine Pracht zu zeigen, die sonst weit unter seinem Gemüthe war. Der Perser Muth zu erhöhen, ließ er die Gefangenen mit ihren Waffen auf den unermeßlichen Platz zu Tabris einrücken; sie giengen in geschlossenen Gliedern, mit den Feuerröhren, zwischen zwey Reihen geharnischter persischer Reuter. Das gröbe Geschütz, die Fahnen, die Roßschweife, die Befehlstäbe, und alle Zeichen der kriegerischen Pracht folgeten den Gefangenen. Mitten auf dem Platze saß Usong auf einem erhabenen Sofa, das Panier von Persien flatterte über seinem Thronhimmel. Die Feldherren, die Fürsten der Mongalen, die Grossen aus Persien, umringten den Thron in den prächtigsten Kleidungen. Der junge Ismael stund selbst gewafnet neben seinem grossen Ahnherrn. Vor den Augen des Kaisers mußten die Gefangenen die Waffen ablegen, und wurden abgeführt, um in alle Provinzen vertheilt zu werden, auf daß alle Perser die Zeugnisse des Sieges vor ihren Augen haben möchten. Hierauf erschienen diejenigen Krieger vor dem Throne, deren Thaten in dem Feldzuge der Kaiser selbst angesehen, oder von denen ihm sonst angezeigt worden war, daß sie zu dem grossen Siege tapfere Werkzeuge gewesen wären. Sie erhielten von dem [220] Kaiser prächtige Geschenke, edle mit dem kostbarsten Zeuge behangene Pferde, Säbel die von Edelsteinen schimmerten, Fahnen die ihren Ruhm bis zu den Nachkommen aufbewahren sollten, Helme mit glänzenden Federbüschen, stählerne Rüstungen, Lorbeerzweige, in welchen kostbare Steine eingestochen waren.

Das grosse Tabris erschallte von einem Triumphgeschrey, das ganze Stunden dauerte: es lebe der neue Cyrus, der Herr der Welt, der Schatten Gottes.

Das Gerücht trug Usongs Ruhm bis in die entferntesten Gegenden. Die durch so viele Gebürge, und durch unermeßliche Wüsten von Persien abgesonderten Mongalen, jauchzten über das Glück eines Enkels des Tschengis. Indostan schickte ihm Gesandte, und in den Abendländern stieg die Hofnung auf, der Held sey gefunden, der dem Ehrgeitze der Osmannen Gränzen setzen würde.

Der folgende Feldzug war nicht so blutig, aber dennoch siegreich. Usong bemächtigte sich des übrigen Theiles von Karamanien, und erlegte etliche tausende in kleinen Treffen. Aber ihr [221] Feldherr hatte den strengsten Befehl vom Sultan 31, eine Schlacht zu vermeiden, und nahm auf den Bergen, womit dieses Land angefüllet ist, solche Stellungen, daß Usong es abermal unmöglich fand, mit seiner von Fußvolk entblößten Reuterey die Feinde anzugreifen.

Aber nun war die Donnerwolke, die sich langsam vom Abend her fortgewälzt hatte, endlich bis zur Gränze von Persien gekommen. Das grosse Heer des nach Rache lechzenden Machmuds war in Karamanien, unter des Sultans eigener Anführung, eingerückt: ein ungläublich grosser Zug von grobem Geschütze folgte dem Heere. Der Kern aller Osmannen, die Jenjitscheri, die europäischen Völker, rückten in fürchterlicher Menge an, die krimmischen und nogahischen Tataren schwebten auf den Flügeln des weit ausgedehnten Lagers, und versicherten seine Seiten. Alles was unter den Türken tapfer war, alle die versuchten Feldobersten Morads, kamen aus ihren Ruhplätzen, und drängten sich unter die Fahne des kriegerischen Sultans.

[222] Usong hatte alle Kräfte von Persien an sich gezogen, nur mußte er Tabris und das kaiserliche Haus zu bedecken, ein kleines Heer in dieser Stadt lassen. Was aber den Kaiser am meisten bekümmerte, war die Langsamkeit der venetianischen Hülfe. Die Republik hatte allerdings ihre Schiffmacht an die Küste von Cicilien geschickt, wo sie öftere Landungen that, und etliche Seeplätze einnahm; der Befehlshaber hatte auch zur Vorschrift, alles zu thun, was Usong ihm auftragen werde. Der Botschafter brachte viel güldenes und silbernes Geschirr zum Geschenke, wovon die Arbeit den Werth des Metalles übertraf 32; und hundert Büchsenmeister begleiteten das grobe Geschütz unter ihrem Hauptmanne Thomas von Imola. Er brachte einen Ueberfluß an dem Zugehöre zum Gebrauche dieser zu den Belagerungen fester Städte gegossenen Stücke. Es kamen auch zahlreiche Büchsenschmiede, und andere Künstler mit, deren Persien bedürftig war. Aber der Anführer der Venediger war zu langsam gewesen, und diese ganz wichtige Hülfe kam erst nach der blutigen Schlacht an, die Asiens Schicksal entscheiden sollte.

[223] Usong zog dem wütenden Machmud entgegen. Der ergrimmte Sultan ließ alles verbrennen, und verwüsten. Vor seinem Heere, sagten die Osmannen selber, war das Land ein Paradies, und hinter ihm eine rauchende Wüste. Er rückte bis zehn Tagreisen von Tabris vor, und drohete dieser grossen und blühenden Stadt, in welche Usong alle die Nothwendigkeiten verlegt hatte, die zur Unterhaltung eines grossen Heeres erfodert werden.

Gern hätte der kluge Kaiser eine Schlacht vermieden: seine Meynung war unveränderlich, die Osmannen in kleinen Treffen abzumatten, und ihnen die Lebensmittel abzuschneiden. Aber die größten Männer sind die Bescheidensten. Usong gab endlich dem Rathe des feurigen Haiders, des Pir Hamets, der unerschrockenen Nowianen, und der Grossen von Persien nach, die alle ihre Stimmen vereinigten, dem Kaiser vorzustellen, der Verlust von Tabris würde der Untergang von Persien seyn. Viele tausende getreuer Unterthanen würden jämmerlich ermordet werden, und die Mittel, den Krieg fortzuführen, würden verlohren gehen. Die Eiferer für des Ali Geschlecht entsetzten sich vor dem blossen Gedanken, die heiligen Gräber zu Ardewil möchten von den Sonniten entweiht werden. Mit der Reuterey könnte man [224] keine Zugänge verwehren, keine Stellungen nehmen, wohin die Jenjitscheri nicht eindringen könnten. Sie erinnerten den Kaiser an seine zahlreichen Siege, und baten ihn, an dem Muthe der Perser nicht zu zweifeln, davon der letzte sein Blut hingeben würde, ehe daß er Usongs Kriegsruhm würde bestecken lassen.

Der Kaiser gab nach, und rückte gegen den Feind, den er in der Gegend von Arzendgan antraf, in einer grossen Fläche unweit des Euphrats, wo sich die persische Reuterey ausbreiten konnte.

Machmud stand mitten in einem gevierten Treffen von fünfzigtausend Jenjitscheri, die um sich das grobe Geschütz hatten, das den Tod ganzer Tausende um sich schleuderte. Sie giengen in fünfzig Gliedern, eine unzertrennliche, fürchterliche Feuersäule. Auf den Flügeln waren die Spahi, und die krimischen Tataren, die ihr Kan anführte.

Usong nahm mit den Kurden, und mit den auserlesensten Persern, seinen Stand gegen die Jenjitscheri, die übrige Reuterey vertheilte sich auf die Flügel. Er gab eben die Befehle, wie in der sieghaften Schlacht wider den Pascha Morad, er [225] rückte langsam fort, bis er die Entfernung erreicht hatte, wo das feindliche Geschütz anfieng tödtlich zu werden. Er hob die Augen gen Himmel, den er, wie es schien, um seinen Schutz anrief, und gab dann zum Feldgeschrey, Persiens Heil. Hiermit befahl er dem Reichspanier ihn nie zu verlassen, und rannte durch den Dampf des schmetternden Geschützes in den Feind.

Die beyden Flügel warfen die Reuterey der Türken und Tatarn im Augenblicke übern Haufen: sie fielen nach dem erhaltenen Befehl, den Osmannen in die Seite, nachdem sie einen genugsamen Haufen in voller Schlachtordnung hatten stehen lassen, die versicherten, daß die feindlichen Flügel sich nicht erholen konnten.

Den Säbel in der Faust zertrennten die Perser einige Glieder der Jenjitscheri. Aber diese geübten Kriegsleute wandten ihre Feuergewehre gegen alle Seiten, und alle Augenblicke fielen die herzhaftesten unter ihren Angreifern. Usong sah den Sultan im dicksten Haufen zu Pferde halten: ein mit Zobel verbrämter Mantel, und die drey Reigerbüsche machten ihn kenntlich. Sieben Roßschweife mit güldenen Knöpfen stunden neben ihm in die Höhe. Der Kaiser von Persien sah kein [226] Mittel zum Siege, als die Erlegung des Sultans: er drang gegen ihn mit allen den vereinigten Kräften des Muthes und einer halben Verzweiflung. Aber der tödtlichste Blitz schlug aller Orten ihm entgegen. Der Kern der Perser fiel, die meisten Fürsten aus dem Hause des Tschengis, Pir Hamet selbst, für dessen Sache dieses Blutbad entstanden war, wurden an der Seite des Kaisers getödtet. Dschuneid, der Freund des Kaisers, setzte das Leben für ihn zu 33. Endlich fuhr ein feindliches Bley auf die Brust des edlen Haiders, und zerschmetterte sein treues Herz neben dem Pferde des Kaisers. Usong sah den Fall, und suchte den Tod.

[227] Er würde ihn in wenigen Augenblicken gefunden haben. Scherin trug das Reichspanier von Persien. Der Getreue fiel dem Kaiser in den Zaum, und drehte sein Pferd um. Vergib deinem alten Diener, sagte er, aber Persien kan nach einer Niederlage sich erholen, nach Usongs Tode nicht: er befahl auf den beyden grossen Trommeln das Zeichen zum Abzug zu geben, ohne des Kaisers Antwort zu erwarten. Der Rückzug war so gefährlich, als der Anfall, noch mancher Held mußte unter dem Geschütze fallen; doch hieb sich der persische Säbel einen Weg durch die dicken Glieder der Jenjitscheri, und der Kaiser kam in Sicherheit.

Scherin warf sich zu seinen Füssen, und erkannte sich des Todes schuldig, weil er den Abzug anzubefehlen über sich genommen, und selbst dem Kaiser einigermassen Gewalt angethan hatte. Aber der dankbare Usong übersah die Umständlichkeiten, und drang in die innere Absicht des eifrigen Dieners, er umarmte ihn, und dankte ihm, daß er sich in einem Augenblicke besässen hätte, wo Haiders Tod den Kaiser aus aller Verfassung gebracht hatte.

Der Sultan unterstund sich nicht, die Feinde zu verfolgen: sein Fußvolk war unbedeckt, wenn [228] seine dicke Phalanx sich getrennt hätte, so war sein Untergang unvermeidlich. Er sah in geschlossenen Linien auf beyden Seiten einen Theil der Perser stehen: er schloß selbst seine zerbrochenen Glieder, ließ aus dem groben Geschütze ein allgemeines Feuer, als ein Siegeszeichen machen, und blieb in Schlachtordnung. Die Osmannen 34 hatten weit mehr Volk verlohren, als die Perser. Aber den grossen Usong vom Schlachtfelde getrieben zu haben, schien dem Machmud genug, seinen Namen zu verewigen.

Die Perser zogen sich, nach dem Entwurfe des Kaisers, in eine Stellung zurück, wo sie Wasser und Lebensmittel fanden. Seufzend mußte er so manchen Freund, so manche Stütze seines Reichs unbegraben lassen. Und wer wird meine Nuschirwani trösten, sagte er selber trostlos? Er kannte noch nicht ihre ganze Grösse.

Er vertheilte sein Heer auf beyde Flügel der Osmannen, und gab den vorigen Befehl, die Lebensmittel abzuschneiden, und die einzelnen Schaaren, die der Feind wegen des Futters ausschicken [229] schicken mußte, mit Vorsicht anzufallen. Denn das Schlachtfeld war ein dürrer Anger 35.

In drey Tagen hatte ein vom Scherin abgeschickter Bote die unglückliche Zeitung nach Tabris gebracht. Die grosse Stadt wallte, wie ein Meer im Sturme, von der Furcht fürs künftige, und vom Entsetzen über das vergangene. Nuschirwani hörte ohne Thränen alles das zertrümmernde, das in der Zeitung lag. Hier ist keine Zeit zum Weinen, sagte sie, und begab sich auf den weiten Meidan, auf einen zum Kriege ausgerüsteten Elephanten. Sie ließ durch die grossen Trommeln die Häupter der zu Tabris liegenden Völker versammeln, und zugleich die Vornehmsten der volkreichen Stadt zusammenfodern. Das Heil von Persien, sagte sie durch einen Herold, beruht auf dem Gebrauche dieses Augenblickes. In einer Stunde müssen die Kriegsvölker aufbrechen, zum Kaiser zu stossen: morgen möchte er von der Obermacht der Feinde erdrückt seyn. Und wer unter den Einwohnern des grossen Tabris sein Vaterland, und seine Kinder liebt, der wird mich begleiten: ohne neue Kräfte, womit der Kaiser die Feinde aufhalten kan, ist in wenigen Tagen [230] Tabris ein angezündeter Schutthaufen, worinn die Leichen seiner Bürger zu Asche werden.

Tabris griff zu den Waffen, zehntausend streitbare Männer, der Ausbund seiner tausenden, vereinigten sich mit der Kriegsmacht, und zogen augenblicklich gegen Arzendgan. Alle Greise, die Persien hatten befreyen helfen, griffen zur Lanze, und stellten sich vor die Gewafneten. Eilende Boten flogen voran, den Kaiser aufzusuchen, und ihm anzukündigen, daß die Verstärkung anrückte. Andere Boten beriefen auf flüchtigen Pferden Persiens Landmacht zusammen. Nuschirwani zog mitten unter den Kriegern aus, ihren Vater zu retten. Hat doch Ajeschah, sagte sie, in einer weit schlimmern Sache, auf einem Kameele die Schlagenden angefrischt 36.

Sie sorgte für die Gemahlin ihres edlen Vaters, und ließ sie, halb verschmachtend, mit einer genugsamen Bedeckung, auf das Schloß Karpurt 37 [231] bringen, dessen feste Lage es vor einem feindlichen Ueberfalle sicher stellte.

Machmund rückte langsam und zweifelhaft fort. Seine Reuterey war vernichtet, ein Theil seiner Jenjitscheri war unter den Säbeln der verzweifelnden Perser gefallen, er besorgte ohne Wasser und ohne Mundvorrath zu seyn, und sah in einiger Entfernung die persischen Heere ihn beobachten.

In wenigen Tagen vereinigte sich das neue Heer mit dem Kaiser, und alle Stunden kamen Verstärkungen an, die eine Wirkung der von der standhaften Nuschirwani ausgesandten Boten waren. Ganz Persien stund auf, ein einziger Wille herrschte in dem großmüthigen Volke; den Kaiser und des Vaterlandes Ehre retten, war der einzige Wunsch, gegen den die Liebe des Lebens verstummete.

Nuschirwani ließ sich ungesäumt zu ihrem erlauchten Vater bringen. Alles ist gerettet, da [232] Usong lebet, sagte sie, und eilte zu seinen Füssen. Der Kaiser sah keinen weiblichen Zug in ihrem Angesichte, keine Spur der Furcht oder der Niedergeschlagenheit, sie athmete nichts als Großmuth, und die Bestrebung das Reich zu retten, glänzte in ihren Angen. Usong umarmte sie aufs zärtlichste. Mit einer solchen Tochter, sagte er mit Wehmuth lächelnd, wer könnte Söhne wünschen!

Machmud hatte keine Hofnung mehr Tabris zu erobern, er mußte befürchten, seine ermüdeten Völker würden umringt, und ein Raub des Schwerdtes werden. Er zog sich langsam zurück, und kein Haus rauchte in Persien von den Fackeln des siegenden Heeres. Aber Machmud war grausam, er ließ die verwundeten und auf dem Schlachtfeld aufgehobenen Perser niedermetzeln, und wollte keine gemeine Rache ausüben, sondern ließ auf einen jeden Tag hundert dieser Unglücklichen ermorden 38. Er zog sich nach Karamanien, verwüstete was noch verschont geblieben war, und führte sein Heer gegen das schwache Trapezunt.

[233] David war ausser Stand dem Sieger zu widerstehen, er übergab sich dem Machmud, der ihm sein Leben versicherte. Aber dieser blutdürstige Sultan kannte die wahre Ehre und die Würde seines Wortes nicht, er ließ den ganzen kaiserlichen Stamm der Comnenen ausrotten.

Fußnoten

1 Bizarrs hat diesen Sieg angemerkt.

2 Moscheen.

3 Unter den Aliden blieb diese Einrichtung.

4 Chardin in seiner Reisebeschreibung.

5 Chardin descr. d'Ispahan.

6 Chardin T.V.

7 Della Valle T. II.

8 Völker im Gebürge zwischen Persien und Multan.

9 Völker zwischen Kerman und Sind.

10 Darius der Sohn des Hydaspes.

11 Auch Della Valle rühmt sie.

12 Chardins Reise.

13 Schwaben.

14 Uladislaus, König in Polen und Ungarn.

15 Die Schlacht bey Varna.

16 Des chinesischen Epicurs.

17 Im Jahr 1409 rückten die freyen Helvetier durch den halb gefrornen Rhein gegen die Oesterreicher an: wie sie im Strome stunden, so siel etwas vor, das nicht zuließ, sie fortrücken zu lassen. Diese tapfern Männer, die keinen Feldherrn, und ihre Kinder und Brüder zu Hauptleuten hatten, stunden die Kälte und die Ungeduld ganze Stunden aus, und zogen nicht eher ans Ufer, als bis es ihnen etwa befohlen würde.

18 Della Valle T. IV. & V.

19 Raubthiere, die des Nachts die Leichen auswühlen.

20 Das kaspische Meer schwillt aus den persischen Ufern, und macht das nächste Land zum ungesunden Sumpfe.

21 Kämpfer.

22 Kinderpocken.

23 Unter dem Mir Wais und Machmud.

24 So waren sie vor dem Schach Abbas.

25 Dieses Volk besitzt von den alten Zeiten her, und noch itzt, den Vorzug der edelsten Züge.

26 Timur hatte eben so vom Bajazid gesprochen.

27 Bizarro.

28 Starke Stunden.

29 Dieses ist der Gebrauch der Türken bey Uebeln, wider die sie kein Mittel wissen.

30 Bizarro hat diese Schlacht.

31 Bizarro erzählt den Feldzug, als ob Machmud selber die Türken angeführt hatte. Der hitzige Sieger würde schwerlich seinem Feinde ausgewichen seyn.

32 Zu Paris gemacht, sagt die Geschichte.

33 Die abendländischen Geschichtschreiber machen diesen Dschuneid zum Sohne des Usongs. Marco Guazzo schreibt eben diesem Dschuneid, den er Dschenial nennt, den Befehl in der Schlacht, und seiner Verwegenheit zu, daß Persien dieselbe verlohren habe. Usong hätte ihm verboten zu schlagen. Der junge Fürst, der zwey Pascha überwunden hatte, wäre aber wider den väterlichen Willen vorgerückt, von Machmud umringt, und mit dem ganzen Heere erlegt worden. Aber des Bizarro Erzählung ist gläublicher, und höchst unwahrscheinlich, daß der erfahrne Usong bey einer so wichtigen Gelegenheit den Befehl des persischen Heeres einem jungen Herrn überlassen habe.

34 40000 Mann gegen 8000 Perser. Bizarro

35 Gänsefelder nennt es Bizarro.

36 In der Schlacht des Kameels, wo die Syrer vom Ali geschlagen wurden.

37 Bizarro.

38 Bizarro.

Viertes Buch

[234] Viertes Buch.

Das persische Heer lagerte sich in den Wiesen um Tabris. Usong hielt es nicht der Klugheit gemäß, einen sieghaften Feind zu verfolgen, der die Kräfte nicht verlohren hatte, wodurch er den Persern war überlegen gewesen. Der Kaiser hatte immer eingesehen, daß ohne Fußvolk eine standhafte Säule von Jenjitscheri nicht zu bezwingen war, und nunmehr hatte die Erfahrung das ahnden seiner Weisheit bestätiget. Er erhielt zwar die späte Hülfe von Venedig, aber sie ersetzte den Mangel an Völkern nicht, die im Gebrauche der Feuergewehre geübt wären.

Eine schaudrichte Stille herrschte in den Zusammenkünften, und auch im kaiserlichen Hause. In jenen durfte niemand sich nach dem Schicksale der Kriegsbedienten erkundigen, weil er selbst eine leidige Zeitung zu vernehmen, oder andere in Betrübniß zu setzen befürchten mußte. Ganz Persien war in [235] Trauer, und kein angesehenes Haus war, das nicht einen würdigen Abkömmling verloren hatte.

Nuschirwani hatte gesagt, nun darf ich weinen, und hatte sich eingeschlossen, ihr Unglück zu betrauern. In den Jahren, wo sie hoffen sollte, das Vergnügen einer glücklichen Ehe lange zu geniessen, verlor sie einen liebenden Gemahl, den sie mit allem dem Feuer liebte, das in ihrem Gemüthe herrschete. Sie sah des Kaisers Munterkeit abnehmen, seit dem Tode der holdseligen Liosua hatte ihn niemand fröhlich gesehen. Ihre ganze Zärtlichkeit vereinigte sich auf den jungen Ismael, dessen Auferziehung sie selbst übernahm, ob sie wohl dabey die weisesten und tugendhaftesten Perser sich helfen ließ.

Sie verließ den alles versprechenden Knaben fast niemals. Sie hatte von der Kindheit an ihn lallend angenommen, und selber unterwiesen. Die ersten Gründe der Weisheit hatte sie ihm aus den Fabeln beygebracht, die Locman oder Saadi hinterlassen, oder sie selbst erfunden hatte. So wie er anwuchs, wurden die Fabeln zu Erzählungen, in denen er allemal die Tugend loben und belohnen, allemal das Laster schelten und bestrafen hörte.

[236] Die Erbfürstin machte einen nützlichen Gebrauch von der Kunst der Mahler 1: sie wußte, daß sinnliche Bilder die Kinder mehr aufwecken, und unendlich mehr anziehen, als abgezogene Begriffe. Sie fand Mittel, fast die ganze Sittenlehre in Gemählde einzukleiden, die eine Erzählung erklärte. Der künftige Held gewann an dieser Art ihn zu unterrichten einen solchen Geschmack, daß man ihn nicht ersättigen konnte. Bald stellte ein Gemählde einen Sultan vor, der in ein ödes Zimmer trat, wo nichts als ein Schäferkleid und ein Hirtenstab war: der Sultan sah erzürnt die ihm nachfolgenden Höflinge an. Nuschirwani erklärte das Bild durch die bekannte Geschichte des persischen Staatsdieners aus Kerman. Sie ließ dann den Fürsten selber seine Schlüsse aus der Geschichte ziehen, und half ihm zur Anwendung. Ismael siehet, sagte sie, daß ein Fürst den Verleumdungen der Neider unterworfen ist, und daß er sich hüten soll, als wahr anzunehmen, was nicht erwiesen ist. [237] Denn der getreue Diener ließ sich nicht bewegen, zum zweytenmale seines Herrn Wankelmüthigkeit sich bloszustellen, und der König verlor die Stütze seines Reiches. Mehemet Ali Bey war der treueste Diener, und seine Tugend konnte ihn nicht vor dem Neide schützen. Der König sollte sich aber erinnert haben, daß es eine bloße Sage war, das verschlossene Zimmer verheele große Schätze. Hätte er die Pflicht eines weisen Fürsten beobachtet, so hätte er aus den Rechnungen des Ali Bey's selber wissen können, ob dieser Wasir untreu wäre.

Auf einem andern Blatte sah man in einer Entfernung Byzanz in seiner Herrlichkeit liegen, und Timur, dessen Bildung kenntlich, und auch dem jungen Erbfürsten bekannt war, die Augen von der prächtigen Aussicht abwenden. Was sagte Timur, der Schrecken der Welt? Er wurde von dem griechischen Kaiser gebeten, seinen Hof zu besuchen; denn Timur hatte ihn vom Bajazid errettet, dem Ahnherrn Machmuds. Aber Timur antwortete: die Stadt ist zu schön, ich möchte versucht werden, sie behalten zu wollen. Er zog ab, und nahm kein Dorf für den Lohn seiner Hülfe an, die doch vielen tausenden muthigen Tartaren das Leben gekostet hatte.

[238] Auf diese Weise füllte sich Ismaels Gemüth mit den glänzenden Bildern der Tugend, bis daß sie ihm zur Natur wurde. Auch in Bildern lernte er die verschiedenen Geschöpfe, womit die Welt ausgezieret ist, die Reiche, in welche die Menschen die Erde getheilt haben, die einem jeden Lande eigenen Reichthümer, und die Ordnung der Himmel. Oefters schlug ihm die Kaiserstochter zur Strafe ab, ihm eine Geschichte zu erklären, und lernen war seine Belohnung.

Andere auserwählte Männer unterrichteten ihn in den Leibesübungen, die einem Fürsten zur Zierde dienen. Aber man sorgte aufs genaueste, daß unter seinen Meistern kein untugendhafter sich einschleichen konnte, und daß kein Wort gesprochen wurde, das in der reinen Seele des Knaben einen Flecken gelassen hätte.

So wie er älter wurde, lehrte man ihn sein künftiges Volk, und eine jede Landschaft von Persien kennen, und ihre wichtigsten Städte, und die Früchte der Natur und der Kunst unterscheiden. Nuschirwani brachte bey einer jeden gelesenen Stelle eine edle Geschichte an. Hier wurde die schöne Panthea gefangen, und ihrem Gemahle wieder unberührt zugeschickt: und dieser Gemahl setzte hernach das Leben für den enthaltsamen Cyrus [239] zu. Das gewinnt man, sagte Nuschirwani, mit der Tugend, sie erwirbt uns die Zuneigung der Völker, und ist der einzige Preiß, um welchen man die unschätzbare Treu wahrer Freunde erkaufen kann.

Nunmehr war Ismael reif von Gott zu hören. Nuschirwani brachte ihm die unumschränkten Begriffe bey, die doch nur einen Theil der Größe von Gott ausdrücken. Sein Sinn wurde mit lebhafter Liebe gegen den Gutthäter der Menschen belebet, und er lernte mit Zittern den Namen des Richters der Welt verehren, vor dem die Kaiser Menschen sind. Die Kaiserstochter arbeitete unermüdet, dem Gifte der Schmeichler vorzukommen, und den Erben von Persien zu überzeugen, daß der Thron nur darinn seinem Besitzer eine wahre Größe gebe, weil er auf demselben mehr Gutes thun könne. Gott, sagte sie, erwartet aber auch von demjenigen am meisten, dem er seine Macht anvertrauet hat. Wehe dem, der in der Beylage ungetreu ist, für die er ewig antworten soll?

Sie lehrte ihn die Anfänger der kaiserlichen Häuser kennen, den Cyrus, den Ardeschir 2, den [240] Yao, den Wuwang, den Oguz. In der Tugend dieser Helden, in ihrem unermüdeten Eifer für das Wohlseyn ihrer Völker lag die Wurzel ihrer Größe, und ihres ewigen Ruhmes. Auf eben die Weise zeigte sie ihm die Fürsten, unter denen die größten Reiche zu Grunde gegangen waren, den Sardanpul, den Balschazzar, den Tscheü, die letzten Abassischen Kalifen. Die Wollust, sagte sie, erniedrigt das Herz, und beugt es in die Zunft der Thiere. Ein Fürst, der sich ihr übergiebt, verliert das Zutrauen der Völker, und er verfällt in die heimliche Verachtung der Schmeichler selber, die ihn beherrschen: unter seinem Sohne sinkt der wankende Thron ein, den seines Vaters Untugend erschüttert hat.

Sieh deinen Ahnherrn, sagte die edle Nuschirwani mit Entzücken, sieh ihn, einen kleinen Fürsten der Mongalen, einen Gefangenen, einen Sclaven, sich durch seine Tugend auf den Thron von Persien schwingen. Dieser Tugend ist mein Ismael die Erwartung des schönsten Thrones der Welt schuldig. Usong ist durch sie für sich selbst glücklich geworden, und seine Enkel geniessen den Lohn seiner Verdienste. Und was kostet ihn dieser Thron? Nichts als die willige Befolgung seiner Pflichten, wobey er mehr Vergnügen fand, als die elenden Kalifen bey ihren Buhlschaften, unter dem eisernen Stabe ihrer Veziere,[241] unter dem drohenden Säbel ihrer eigenen Leibwache, und unter der täglich sich erneuernden Furcht, noch vor dem folgenden Morgen vom Throne in einen umgitterten Thurm gestossen zu werden. Usong wird von der Liebe seiner Unterthanen wie mit flammenden Schwerdtern bewacht: sein Herz giebt ihm das einzig überzeugende Zeugniß seiner innern Würde: es fühlt keine Triebe, die es vor der Tugend zu verbergen wünschte: sein Feuer wird für die Welt lauter Licht und fruchtbare Wärme. Die ganze Erde wiederholt das Zeugniß seines Herzens, und von dem Munde hundert Völker umschallt den Usong der Ruhm seiner großen Eigenschaften.

Das Herz brannte dem edlen Knaben: soll ich ein Enkel Usongs, und nicht tugendhaft seyn, nicht den Ruhm der Welt verdienen, nicht dem obersten Wesen gefallen, ein unwürdiger Mensch, er Verworfner vor Gott, der Welt und den Nachkommen seyn?

Der Krieg wider die Osmannen wurde zwar durch keinen Frieden geendigt, aber ohne Hitze geführt. Machmud hielt seine Eroberungen besetzt, ohne Persien anzugreifen, und hatte eine Wüste zwischen ihm und dem Usong gemacht, die keiner von beyden mit einem Heere durchziehen konnte, ohne sich dem Untergange bloszusetzen. Usong hatte [242] nach Pir Hamets Tode keine Ursache mehr, Karamanien in Besitz zu nehmen, er kannte die Schwierigkeiten des Krieges, und die Schatten der unersetzlichen Freunde schwebten beständig vor seinen Augen, die bey Arzendgan gefallen waren. Doch that er einen Feldzug wider einige georgische Fürsten, die den Löwen gereitzt hatten, den sie für tod hielten. Aber Usong bewies ihnen sehr bald, daß Persien nichts von seiner Macht verloren hatte, und zwang die Fürsten Gorgora und Pancraz, jährlich ein vorgeschriebenes Gewicht Gold zum Zeichen ihrer Unterwerfung ihm zu bringen 3.

Der Hof zu Tabris vergrößerte sich durch die Ankunft einer zahlreichen Bothschaft vom mächtigen Könige der Patanen. Sie brachte ansehnliche Geschenke, Elephanten und andere seltene Thiere, die Usong mit Vergnügen sah. Der Patan hatte bey dieser Bothschaft keine andere Absicht, als die Begierde, einen Herrscher näher zu kennen, von dem das Gerücht so viel erhabenes ausbreitete.

Eine andere Bothschaft kam im Namen verschiedener Stämme der Mongalen. Sie brachten die Zeitung vom Absterben des Timurtaschs, und vereinigten sich, die Herrschaft ihrer Horden seinem [243] erhabenen Sohne anzubieten, dessen große Thaten bis zu ihnen, in die Wüsten der östlichen Tartarey, durchgedrungen waren.

Usong erklärte sich gegen die Unterthanen seines Vaters nach einigem Bedenken: Euer Glück, sagte er, edle Brüder, erfordert einen gegenwärtigen Fürsten: mich hat das Schicksal auf den Thron von Persien abgerufen. Euer Zutrauen rühret mich, ich werde ihm entsprechen. Tarkemisch, aus dem Blute des Tschengis, ist der getreue Gefährte meiner Gefahren gewesen, er ist bey Arzendgan verschont worden, da so viele Helden von eurem Blute fielen. Ihn schlag ich euch zum Khane vor. Er hat Tugenden, die euer Eigenthum seyn werden. Usong müßte euch durch andere rathen. Tarkemisch wurde auf einen Schild erhoben, den die Edlen unter den Mongalen mit ihren Köpfen stützten, und reisete mit ihnen ab. Er schwur dem großmüthigen Usong eine ewige Dankbarkeit zu, und der Kaiser erinnerte sich des Versprechens, das Liewang von ihm gefodert hatte, niemals der Nachbar von China zu werden.

Die Bothschafter hielten sich eine lange Zeit zu Tabris auf. Usong ließ sie zu den freundschaftlichen Abendmahlzeiten bitten, die er wechselsweise seinen Vertrauten, und denjenigen gab, deren Verdienste [244] er auszeichnen wollte. Ein Freund des Kaisers zu seyn, war der Preiß erhabener Eigenschaften, und das Ziel der tugendhaften Ehrbegierde. Der Kaiser war in dieser auserlesenen Gesellschaft freymüthig, und sah auch gern, wenn die Gäste ihm den Anlaß gaben, über die wichtigsten Angelegenheiten der Regierung sich zu erklären.

Der Patan fieng an: Herr der Zeiten 4, sagte er, wie ich bey der Pforte deiner Burg anlangte, so fragte ich nach deinem Wasir, dem wollte ich die Briefe von dem Wasir meines Herrn, und die Geschenke übergeben, die der hohen Stelle angemessen waren, auf welcher Persiens Polstern erhoben ist 5. Man kennt hier keinen Wasir, war die Antwort. Ich glaubte, vielleicht hat Persien seine Kolas, oder seine Häupter in einer jeden Abtheilung der verschiedenen Geschäfte des Reiches. Ich fragte nach dem Haupte des Kriegswesens: es fand sich keines, und eben so gieng es mit den Kammersachen, der Gerechtigkeit, und der innern Ordnung.

Gott hat dem weisen Usong seines Ahnherrn, des gefürchteten Tschengis, Geist gegeben, er übersieht,[245] wie die Sonne, sein ganzes ausgebreitetes Reich auf einmal. Ist aber Usong, wie die Sonne, unermüdlich? Sie glänzt heute über dem Haupte des Kaisers eben so lebhaft, als sie über dem Oguz glänzete. Kann aber ein Sterblicher sich schmeicheln, unermeßliche Lasten zu tragen, und niemals zu ermüden? Das Wesen, das den Usong von allen Sterblichen mit so großen Eigenschaften unterschieden hat, läßt ihn dennoch in der Reihe der Sterblichen, deren Oberster er ist! Möchte es deine Tage verlängern, wie die Tage der ersten Kaiser, wie die Tage des Cajumaras 6! Aber Usong muß alt werden, er wird einen Nachfolger haben. Werden die Kräfte des ehrwürdigen Greises die Last tragen können, welcher der jüngere Usong gewachsen war? Werden deine Nachfolger eben die Riesenschultern der Bürde, des Staates unterziehen, mit denen Usong Persiens Wohlfarth stützet? Verzeihe, Weisester der Herrscher, wenn der Diener deines Freundes einen Zweifel äussert, der eine Wirkung der aufrichtigsten Theilnehmung an deinem Wohlstand ist. Könnte Usong nicht, wie andere Herren, Hülfe in treuen Dienern finden, er, der scharfsichtig, sie wohl zu wählen, [246] und aufmerksam wäre, sie ihren Pflichten getreu zu erhalten?

Usong sagte mit der Freundlichkeit, die bey ihm nach dem Tode der geliebten Liosua die Stelle seines fröhlichen Lächelns vertretten mußte: Ich erkenne es als eine Glückseligkeit, daß auch weise Freunde mich lieben: es wolle der Khan meine Antwort hören.

Einen Wasir Azem 7 wurde ich nimmermehr annehmen, so eingeschränkt meine Kräfte sind. Ich will von meinem Volke geliebet seyn: ich will, daß es glücklich sey. Ist der Wasir ein würdiger Verweser des Staates, so bleibt der Dank des Volkes bey ihm stehen, so wie die Wohlthaten von ihm kommen. Der Wasir wacht über den Gesetzen, er erhält die Ordnung, seine sind die Siege, sein die Erhörung der Bittschriften, sein die Gerechtigkeit. Ein solcher Wasir wäre eine Wolke zwischen mir und meinem Volke. Die Perser sähen an ihm den Glanz, ich bliebe ungesehen und verborgen. Mein Ehrgeitz ist, gutes zu thun, ich muß also selbst sehen, selbst befehlen.

Hat der Wasir Fehler, ist er unfähig, ist er habgierig, beredet ihn sein Ehrgeitz Eroberungen zu [247] machen, läßt er sich von seinen Günstlingen einnehmen, drückt er die allzuschimmernden Verdienste anderer Diener des Reiches: hat das Volk Ursache zu gerechten Klagen, so trift den Usong die Schuld, den unweisen Usong, der übel gewählt hat, den trägen Usong, der auf dem Throne sitzen will, aber die Pflichten des Zepters zu schwer findet. Usong ist unglücklich, sein Volk liebt ihn nicht mehr. Aber er ist noch viel elender, denn sein Volk ist unglücklich. Und wenn er schon erwacht, wenn er den Wasir stürzt, der das Volk zu murren gezwungen hat, so ist vieles Gutes verabsäumt, das ohne den Untüchtigen hätte geschehen können, viel Böses geschehen, das ein minder mächtiger Diener nicht würde gewagt haben, das nicht geschehen wäre, wenn Usong selbst die Geschäffte gekannt und geleitet hätte. Und wo ist die Sicherheit, daß ein zweyter Wasir ohne Fehler seyn werde?

Ein Fürst hat keine Ursache geitzig zu seyn, er sinkt unter dem Ueberflusse. Er soll nicht eifersüchtig über gute Diener seyn, von ihnen kann er nicht verdrungen werden, er hat sie nicht zu befürchten. Ein jedes Verdienst im Reiche macht den Herrscher größer, weil es das Reich glücklicher macht. Kein fleißiger Landmann ergräbt eine neue Quelle, die mich nicht bereichere: kein Pflug entsteht, [248] dessen Arbeit ich nicht geniesse: kein Zweig der Handlung erweitert sich, ohne den Glanz meines Thrones zu vermehren. Usong leidet hingegen von allen Fehlern seiner Bedienten. Er ist also innigst durch sein eigenes Glück verbunden, alle Guten zu lieben, alle Bösen zu entfernen, alle Theile des öffentlichen Wohlseyns zu vermehren, alle Arten von Ungemach vom Reiche abzuwenden: denn die Ruhe seines Gemüthes, und die Liebe der Perser ist sein theurestes Eigenthum. Wird ein anderer besser für den Usong sorgen, als Usong für sich selber?

Ich will die Geschichte nicht anführen, worinn ich doch die Folgen erwiesen finde, die der Fürsten Fehler oder Tugenden haben. In den Abendländern dulden die Völker auch böse Fürsten viel ruhiger, und sie leiden sie als Strafen des Höchsten, wie die Blitze, und den Hagel, den Gott als Zeichen seines Zornes auf schuldige Länder ausschickt. Und doch selbst in den Abendländern habe ich gefunden, daß die Tugenden und die Laster der großen Staatsdiener die Thronen umgestürzt haben. Drey mächtige Wasire drungen bey den Franken die Enkel ihrer Helden vom Throne weg 8, und erniedrigten sie in den Stand geschorner[249] Derwische: und schlimme Staatsverweser haben andere Reiche von ihren Schätzen entblößt, ihr wahres Wohl verabsäumt, und das Schiff des Staates, woran sie das Steuer führten, gerade an die Klippen geleitet.

So lang Usong Kräfte fühlt, für sein Volk zu arbeiten, so lang wird diese Arbeit seine Wollust seyn. Das hat die Tugend vor der Wollust bevor, daß beyde durch die Gewohnheit zur Natur werden: daß aber die Tugend den Menschen erhebt, und die Wollust ihn erniedrigt; daß bey jener das Vergnügen durch die Gewohnheit zunimmt, und bey dieser die Empfindung täglich schwächer, und endlich zum Eckel wird. Usong ist dabey nicht zu bedauren: er genießt, was ihn einzig vergnügen kann, den täglichen Anblick des Wohlstandes seiner Perser. Welche Georgische Schöne kann den Reitz haben, den ich bey einer Stadt finde, die aus ihrem Schutte steigt, oder bey einem neuen Dorfe genieße, dessen Einwohner wohlgekleidet, freudig ihren Pflug mit starken Ochsen treiben, und am Abende unterm Schatten eines Tschinars ihrer Kinder Vergnügen, und die Aufnahme ihrer Felder überdenken.

Meine späten Nachfolger kann ich nicht kennen, meine Verpflichtung geht nicht so weit, ihre [250] Fehler sich nicht die meinigen. Davon ist aber Usong überzeugt, daß unter einem Fürsten keine Völker glücklich seyn können, der nicht selbst arbeitet, nicht selbst für sie sorget. Alles, was ich thun kann, ist, meinen nächsten Nachfolger so zu bilden, daß ich hoffen könne, er werde ein Kaiser, und nicht die Larve eines Kaisers seyn, durch die ein andrer sprechen und befehlen müsse. Die gute Auferziehung des Thronerben ist das einzige Mittel, das einen herrschenden Stamm auf dem Throne befestigen, und den Wohlstand des Reiches verewigen kan.

Usong sprach mit einem Feuer, das in alle Gemüther drang, und eine dauerhafte Verehrung seiner Tugend bey den erlauchten Fremden bewirkte. Dennoch brachte der Gesandte von Venedig seine Zweifel an. Er war ein Sohn der Freyheit, der die Härte der Regierung, und die despotische Gewalt verabscheute: ihm war unbegreiflich, wie eine Herrschaft gerecht geführt werden könnte, wo ein einziger Wille für alle zum Gesetze würde. Verzeih, erhabner Freund der Tugend, sagte er, wenn ein in entfernten Ländern gebohrner mit befremdeten Augen die morgenländischen Staatsverfassungen ansieht. Gewähre mir die Gnade, die Zweifel aufzulösen, die in meinem Herzen wider die Regierung eines einzigen, vielleicht durch blosse Vorurtheile erzeuget, [251] geherrschet haben. Wenn jemals die unumschränkte Gewalt einen sieghaften Vertheidiger finden kann, so wird es Usong seyn, der diese Gewalt so offenbar zum Besten der Welt anwendet.

Aber wie manchen Usong wird die Geschichte unter den unumschränkten Herrschern der Morgenländer finden? Mir kömmt die Regierung eines einzigen wie eine gesetzliche Tyranney vor, die ihre grausamen Wirkungen unfehlbar ausübt, wenn nicht ein Wunder der Welt auf dem Throne sitzt. Ich habe mir Haruns Alraschids, ich habe mir Timurs, und so vieler andern morgenländischen Helden Geschichte bekannt gemacht: sie waren große Fürsten, herzhaft, edelmüthig, öfters auch gerecht: sie beschützten die Wissenschaften, und hatten überhaupt einen Gefallen an der Tugend, und an den Gemüthsgaben ihrer Unterthanen. Aber diese guten Eigenschaften erfüllen noch nicht die Pflichten eines Beherrschers, sie versichern das Leben und das Glück der Völker nicht. Wie grausam hat nicht Harun aus einer niederträchtigen Eifersucht den edlen Giafar, und das würdigste Geschlecht unter den Arabern, die Barmekiden, unterdrückt? Würde ein solches Unrecht möglich gewesen seyn, wenn sein Rath über das Blut des unschuldigen Giafars gerichtet hätte, der bloß die Rechte der Natur einem [252] unsinnigen Verbote vorgezogen hatte 9? Wie oft hat Timur ganze Völker ausgerottet, wie oft hat er den ihre Schlüssel bringenden Städten Gnade versprochen, und dennoch dem Schwerdte den Lauf gelassen: Wie manche Kriege hat bloß der Ehrgeitz bey den gesetzfreyen Fürsten erweckt? Wie haben die Osmannen halb Asien verwüstet, und Europa mit den rauchenden Spuren der Verheerung angefüllt, bloß weil ein Sultan nach dem Namen eines Gazi 10, und nach dem Rechte einer Dschiami 11 lüstern war?

In freyen Staaten werden alle Entschlüsse von vielen genommen. Es ist nicht leicht möglich, daß ein ungerechter Entschluß von vielen ungleich denkenden, von vielen mit einander eifernden Männern angenommen werde, dabey nicht mancher, oder dabey gar keiner, seinen eigenen Vortheil siehet. Der heimliche Stolz, der auch in tugendhaften [253] Herzen keimt, waffnet die Beredsamkeit derjenigen, die den Verfechter eines ungerechten Anschlages nicht lieben; es wird schwerlich geschehen können, daß er zugleich dem Hasse seiner Gegner, und der Wahrheit zu widerstehen vermöge, die der Beweggrund des uneingenommenen ist.

Aber bey einem unumschränkten Herrscher ist der Zorn eines Augenblickes ein Todesurtheil, eine aufwallende Leidenschaft zerstöret eine Stadt, und der Grimm über ein hartes Wort wird zur Kriegeserklärung. Der Strahl fällt augenblicklich nach dem Blitze, und die Reu kömmt nach dem Unglücke.

Ich sehe, daß Usong nach den Gewohnheiten Persiens unumschränkt herrscht, daß er auch eine eigenthümliche Herrschaft besitzt, die ihren Sitz in den Herzen der Völker hat. Wie hat aber seine Tugend das Mittel gefunden, daß unter einer keinen Gesetzen unterworfenen Macht niemand leidet, niemand klaget, und so viel tausend Münde sich alle zu seinem Lobe vereinigen?

Eine aus vielen weisen Männern bestehende Regierung kann nicht auf einmal verfallen. Der Tod des einen würdigen läßt sich verschmerzen, wo so viele andere übrig sind. Zeno starb, aber [254] Venedig blieb blühend. Unter Monarchen hängt das Glück des Reiches am Athem eines Sterblichen. Kaum hat die Welt einen Timur bewundert, so folgen auf ihn unwürdige Enkel, wollüstige, träge, unfähige Fürsten. Die Wahl, die in einem freyen Staate den verachteten, den ehrlosen, den untüchtigen ausschließt, hat keine Kraft wider die Rechte der Geburt. Ein großes Volk muß sich einem Wütriche, einem Sardan-Pul unterziehen, und geht mit ihm zu Grunde. So sind die Timuriden verschwunden, die Enkel der Geisel der Welt.

Usong sprach: Ich will den abendländischen Weisen nicht die Ungerechtigkeiten entgegen setzen, die durch den Rath freyer Staaten nicht eben selten begangen worden sind. Ich will nicht darauf dringen, daß zu Rom der Ehrgeitz den Rath, und selbst einen tugendhaften Cato, eben so oft zu ungerechten Kriegen aufgebracht hat, als bey den Osmannen oder beym Timur die Lust zur Vergrösserung. Ich gestehe es auch ein, daß es gefährlich ist, einem Menschen eine unumschränkte Macht zu lassen; bey Gott ist die Allmacht an ihrer Stelle, denn er ist allweise, und allgütig. Ich finde selbst, daß mein Herz sich wider die plötzlichen und unüberlegten Todesurtheile erhebet, die in den Morgenländern so gemein sind; diese schleunige Ausübung mörderischer Befehle ist für den Unterthan [255] unerträglich, und auch für den Herrscher gefährlich. Wann es nichts kostet als zu wollen, so werden die Menschen immer zu viel wollen, und durch eben diese willkührliche Anwendung ihrer Gewalt verlieren die Fürsten das Zutrauen ihrer Unterthanen, und werden zuletzt durch den gesammelten allgemeinen Haß wie reissende Thiere überwältiget. Mir ist das Blut des geringsten Persers unschätzbar: niemand hat die Macht es zu vergießen, als das Gesetz.

In Persien habe ich getrachtet eine Staatsverfassung einzuführen, die für den Herrscher nicht gefährlich wäre, und wobey das Volk die Ausbrüche willkührlicher Leidenschaften nicht zu besorgen hätte. Eine freye Staatsverfassung scheint den Morgenländern nicht angemessen (Hier bückte sich der Patan, und bezeugte durch seine Geberden, daß er eine Einwendung hätte, schwieg aber mit Ehrerbietung); ihre heftigen Leidenschaften scheinen also Schranken zu bedürfen, die nur die monarchische Macht nachdrücklich behaupten kann. Es blieb übrig, die Perser vor der Unterdrückung sicher zu stellen.

Ein jeder Unterthan, ein jeder Gerichtshof, ein jeder Theil der Staatsverwaltung, muß das Recht haben, sich an den Kaiser zu wenden: sie müssen nicht nur ihre eigenen Angelegenheiten zu betreiben, sondern auch die Nothdurft des Reiches [256] zu beherzigen frey seyn: über alle Zweige der Regierung nimmt hier der Beherrscher ungeahndet und ungestraft Vorstellungen an.

Der Kaiser verdammt niemand, auch diejenigen nicht zum Tode, die so frech wären, ihn persönlich zu beleidigen. Alle Strafen, alle Verurtheilungen werden von den Gerichtshöfen überlegt, und darüber die mehrern Meynungen eingeholt. Ein guter Kaiser hat nicht zu befürchten, daß derjenige ungestraft hingehen werde, der gegen ihn gefrevelt hat. Er behält dabey das Recht zu begnadigen, und ein kluger Fürst wird es willig ausüben. Das Gesetz bestraft den Schuldigen, und dem Herrscher bleibt das edle Vorrecht, zu vergeben.

Die Abtheilungen der Staatsverfassung bleiben von einander unabhängend: der Gottesdienst, das Kriegswesen, die Gerechtigkeit und die Kammersachen mit der Policey, sind völlig getrennte Körper, bey denen jeder Befehl von den obersten Häuptern zu den untersten gehorchenden, ungestört hinabsteigt. Der Kaiser ist der einige Mittelpunkt, wo sich die Vorträge aller dieser Abtheilungen vereinigen. Die Trennung der Machten in einem Reiche versichert den Thron der Fürsten, und verhindert die Verbindungen, die wider ihn entstehen könnten. Es wird zwischen den verschiedenen [257] Staatsgliedern allemal einige Eifersucht, und einige Fremdheit bleiben.

Der Kaiser verfügt in keiner dieser Eintheilungen der Reichsverwaltung einige neue Verordnung, ohne eben diejenige angehört zu haben, in die das Geschäfft gehört. Dreymal soll der Kaiser ihre Gründe anhören und untersuchen lassen, und die Ausschreibung der Befehle soll stille stehen: endlich aber muß des Kaisers Befehlen Gehorsam geleistet werden, weil doch ein Ende des Zweifels seyn muß.

Der Kaiser findet seine Sicherheit auch in seinen Abgesandten. Sie machet keinen Theil eines der Staatsglieder aus, und haben keine Beysitzer auch keine eigene Macht, als die Ausführung zu hemmen, wann sie glauben, dieselbe würde nachtheilig seyn, und einen Bedienten des Staates in die Unthätigkeit zu versetzen, beydes, bis des Kaisers Wille eröffnet ist. Der Kaiser wird auch über des Abgesandten Vorstellungen die Gründe des Hofes anhören, wohin die Sache gehöret. Sonst soll der Abgesandte über alles ohne Aufnahme wachen, was zum Besten des Reiches abzwecket, und über alles an den Kaiser uneingeschränkt einberichten. Er wird auch auf dasjenige seine Aufmerksamkeit richten, was nicht eigentlich in die [258] großen Abtheilungen gehört; die Handlung, die Schiffahrt, die Gelehrsamkeit, werden seiner Aufsicht anbefohlen.

In allen Befehlen sollen die nöthigen Feyerlichkeiten beobachtet werden, alles wird man in die erforderlichen Bücher eintragen. An diesen äusserlichen Einschränkungen ist alles gelegen: sie unterscheiden eine ordentliche Regierung von der Herrschaft der barbarischen Gewalt.

Mit diesen Vorsorgen glaubte ich, wäre der Uebereilung gesteuert: und der Wahrheit bliebe der Zugang zum Throne offen: und dennoch bleibt dem Usong mehr Gewalt, als er auszuüben gedenkt.

Endlich wird mein Freund zugeben, daß eine monarchische Herrschaft einen wesentlichen Vorzug über die Regierung von vielen hat. Die letztere sinkt langsamer ins Verderben, aber dieses Verderben ist unheilbar, keine Heldentugenden einzelner Männer können dem zum Untergang hinreissenden Wirbel widerstehen. Die Tugenden eines Agis, eines zweyten Cato sind in dem verdorbenen Sparta und Rom verlohren, und führen beyde zu spät gebohrne Rechtschaffene ohne Nutzen für ihr Vaterland in das Verderben. Die Sparsamkeit [259] wird lächerlich. Die Strengigkeit zieht dem Gerechten den Haß seiner Mitbürger zu, und das heimliche Geständniß ihrer Unwürdigkeit macht alle diejenige zu unversöhnlichen Feinden des Tugendhaften, deren Niederträchtigkeit sein glänzendes Beyspiel beschämt. Hingegen kann ein einziger Monarch, wann er ernstlich will, ein in die gröste Unordnung gerathenes Reich wieder in den besten Zustand bringen. Vespasian heilte die Wunden, die sechs böse Herrscher seinem Rom geschlagen hatten, und nach dem heimtückischen Domitien lebte es mit verdoppeltem Glanze unter dem Trajan auf. Aber die Republik sank von den Gracchen an immer tiefer, und eilte unrettbar zu ihrer Zerstörung. Da die Herzen verdorben waren, so ließen sich die Gesetze selbst zur Unterdrückung der Freyheit mißbrauchen, und die Staatsverfassung wurde unter dem Vorwand ihrer Erhaltung gestürzt.

Der Kaiser schwieg, aber es stiegen doch in seinen Gedanken Entwürfe einiger Verbesserungen auf, die er nachwärts ins Werk setzte. Er wandte sich gegen den Patan, und fragte ihn, was er für ein Bedenken bey dem Satze hätte, daß keine Freystaaten in den Morgenländern sich haben erhalten können.

[260] Ein neues Volk erscheint seit einiger Zeit an dem Ufer des Indus, sagte der Patan, das allerdings im genauesten Verstande ein Freystaat ist. Man hält dafür, es sey aus Tibet entsprungen. Diese Fremdlinge sind zahlreich, und in zwölf Stämme abgetheilt. Im Frieden haben sie kein Oberhaupt; ihr Gesetzbuch liegt auf einem Altare, und nach demselben richten ihre Aeltesten. Im Kriege wählen sie einen obersten Feldherrn. Sie haben sich fast des ganzen Indus bis an die See bemächtigt. Ihre Liebe zur Freyheit herrschet bis in den Gottesdienst: sie kennen keine äusserlichen Feyerlichkeiten, und beten in der Stille einen einigen Gott an 12. Usong dankte dem Bothschafter für die Neuigkeit, und wandte sich gegen den Bothschafter von Venedig. Nun haben die Helvetier einem dem ihrigen ähnlichen Bund in Indostan: denn Usong kannte jenes Volk auch insbesondre wegen der Kriegszucht, die bey demselben neben der vollkommensten Freyheit dennoch überaus scharf war, und, wie der Kaiser anmerkte, das meiste zu den Siegen dieser Bergleute beygetragen haben mochte.

Der Kaiser vernahm bald darauf Machmuds Tod, den ein schmerzhaftes Uebel gewaltsam weggeraft hatte. Der Sultan hatte seine Waffen gegen die Abendländer gewandt, und einen Einfall [261] in Italien gethan; er schien das alte Rom zerstören zu wollen, so wie er das neue bezwungen hatte. Seinen Thron bestieg Bajazid, ein friedfertiger Herr, der mit seinem eigenen Bruder zu kämpfen hatte, und alle Gedanken ablegte, Persien zu beunruhigen.

Usong hielt nunmehr seine Gegenwart zu Tabris nicht mehr für nöthig. Geheime Triebe zogen ihn nach Schiras, wo er eine mildere Luft für sein annahendes Alter zuträglich zu seyn glaubte, und wo der Sitz der Künste war, die unter seiner unmittelbaren Aufsicht stunden, und durch seine Freygebigkeit unterstützt wurden. Das Frauenzimmer gieng mit dem Thronfolger dahin ab: der Kaiser aber bereisete zum letztenmale die westlichen Provinzen, und besuchte die Städte die er noch nicht gesehen hatte.

Er sah das den Persern unterworfene Armenien, das wichtige, und durch seine Lage befestigte Tiflis, und die Gegenden, wo der Euphrat und der Tiger ihren Ursprung nehmen. Er hatte einen täglichen Anlaß zu dem wahrhaftigsten Vergnügen. Alle Aecker waren bebaut, unzählbare Pflüge machten Gefilde fruchtbar, wo einzelne Antilopen geweidet hatten.

[262] Die Flüsse im heissen Mesopotamien, und in Irak, waren überall zum wässern abgegraben, und eine segensreiche Fruchtbarkeit durch die durstigen Flächen vertheilt. In allen Dörfern sah Usong neue Häuser, wohlgekleidete Bauern, mit ihren Weibern, mit Silber geschmückt, die Stimme der Freude und des Frohlockens stieg aus allen Hütten. Usong war nicht mehr einer sinnlichen Freude fähig, aber das Herz des Helden schwoll dennoch von Vergnügen auf, das so viele Glückseligkeit erweckte, woran er einen so wesentlichen Antheil hatte. Zuweilen mußte er dennoch bestrafen.

Er fand unweit Amadan einen Landmann, der ein wohl zugerüstetes Pferd leitete, und vernahm, daß es einem der Richter dieser Stadt zugeführt wurde. Der Richter war in den persischen Dichtern wohl belesen, selbst scharfsinnig, und wegen seines angenehmen Witzes dem Kaiser vortheilhaftig bekannt worden. Usong ließ auf den Landmann achten, und vernahm bald, das Geschenk sey angenommen, und das Geschäfft vor dem Richter beträfe eine der Wasserleitungen, die unter den Landleuten allemal die heftigsten Zwiste veranlassen. Beyde wurden vor den Diwan gefodert: sie mußten ihren Fehler eingestehen. Du, sprach der Kaiser zum Landmann, hast einen nützlichen Mann [263] verführt, der alle Eigenschaften zu einem einsichtigen Richter besaß: du hast Persien beraubt; was hat es theurers als tugendhafte Männer? du sollst in Mogostan leben, und dein erster Fehler soll dein Tod seyn. Usong wandte sich hierauf nach dem zitternden Gelehrten: Wer hat besser gewußt als du, daß Geschenke ärger als Räubereyen sind, daß sie aus den Händen der Unschuld ihr rechtmäßiges Eigenthum reißen, und es dem Verführer zutheilen? du sollst auch in Mogostan, in eben dem Dorfe mit demjenigen wohnen, von dem du dich hast bestechen lassen: so oft ihr einander sehet, soll euer Anblick euch erinnern, daß kein Laster in Persien unbestraft bleibet.

Usong kam endlich in Schiras zurück. Seine Künstler hatten manche Jahre ihres Beschützers entbehrt, und kein Geld befruchtet die Künste, wie das Auge des Herrn. Er suchte Hülfe für diejenigen Werke, die geschwächt waren, er munterte die Fleißigen auf, er belud sich mit einem großen Theil der Waaren, die sie verfertigten. Die Chinesen hatten nun ganze Dörfer mit fruchtbaren Maulbeerhecken, und mit Schildereyen baumwollener Tücher besetzt: und die chinesischen Geschirre wurden in Persien an vielen Orten vortreflich nachgeahmt, auch wohl an Festigkeit, [264] am lebhaften Firnisse, und an gutem Geschmacke übertroffen.

Der erste Befehl des Kaisers war, seiner geliebten Liosua ein Denkmal aufzurichten. Er erwählte dazu einen Hügel, auf den man vom Palaste eine freye Aussicht hatte. Das Grabmahl wurde nach dem chinesischen Geschmacke ausgeführt, und in silbernen Lampen brannte Tag und Nacht weisses Naphtha um den Sarg. Einige der ältesten Diener der Kaiserinn wurden zu Hütern gesetzt, denen das leichte Amt zum Troste ihres Alters dienete.

Usong gab hier verschiedene Verordnungen aus: denn der bemühte Kaiser beschäftigte sich mit einer jeden Angelegenheit seines unermeßlichen Reiches, und eines jeden Theils desselben, als wenn er nur etliche Dörfer zu beherrschen gehabt hätte 13. Er sah die Handlung blühen, die Karawanen kamen von Halep, mit den Waaren der Abendländer beladen, nach Mosul. Die tatarischen Schätze wurden von Bockhara nach Mesched gebracht, und aus Indostan giengen die Reichthümer dieser fruchtbaren Gegenden über Kandahar nach Schiras. [265] Die Schiffe aus Arabien, aus Gusurat und Atschin brachten nach Basra die Früchte ihrer Länder, und die Reichthümer des glücklichen Serendibs 14.

Usong wußte, wie die Handlung die zweyte Stütze des Reiches ist, denn dem Ackerbau gab er den Vorzug, der so unmittelbar unentbehrlich ist. Einige Karawanen waren angegriffen worden, die Usbeken streiften noch dann und wann, und schadeten dem Handel nach Bockhara. Usong gab ein Gesetz, nach welchem er versprach, dem Ueberwältigten aus dem Schatze alle die geraubten Güter zu bezahlen, die auf der Landstrasse mit Gewalt weggenommen würden, und der Statthalter sollte von der Landschaft die Ersetzung desjenigen wieder verlangen, das inner ihren Gränzen geraubet worden wäre. Dieses großmüthige Gesetz, das auch die gesittetesten Völker nachzuahmen nicht uneigennützig genug sind, ist in Persien 15 auch unter den gewaltsamsten Regierungen heilig geblieben. Die Landschaften fanden ein leichtes Mittel, daß keine Räuberey [266] mehr so leicht ihnen zur Last gereichen konnte. Sie nahmen Strassenreuter 16 an, deren Anzahl der Gefahr nach bestimmt wurde, und diese leichte Anstalt reinigte sehr bald die Strassen so vollkommen, daß man mit unbedecktem Gelde von Orsa bis nach Kandahar reisen konnte, ohne einen Angriff zu befürchten. Denn da diese Reuter auf allen Landstrassen beständig hin und her eilten, da man die Fremden nöthigte, bey jeder Stadt Zeugnisse zu nehmen, und ohne dergleichen Scheine niemand durchgelassen wurde, so verlohren die Räuber alle Hoffnung, unverfolgt zu bleiben, und vermieden mit der größten Sorgfalt die persischen Gränzen. Alle Perser, und insbesondre die ganze Landmacht hatte Befehl, den Strassenreutern beyzustehen, und Usong würde den Stolz der Kriegsleute streng bestraft haben, die von dem Reiche sich besolden liessen, aber zu dessen inneren Ruhe nicht hätten dienen wollen. Alle die Unbequemlichkeit der Räuberey fiel nun auf die keiner Ordnung fähigen Osmannen, deren Länder von ganzen Schaaren von Freybeutern geplündert wurden.

Der Kaiser erinnerte sich an den Einwurf des Patanischen Bothschafters, sein zunehmendes Alter [267] erforderte einige Verminderung seiner Arbeit. Er gab nunmehr den großen Abtheilungen der Reichsverwaltung Häupter; eine jede hatte einen Vorgesetzten, der mit dem Kaiser arbeitete. Vier Tage waren für diese vier obersten Staatsbedienten bestimmt, an den übrigen arbeitete er in Gegenwart aller der Häupter über die allgemeinen Geschäffte des Reiches. Da nicht alle dieser Abtheilungen gleich viel Geschäffte anbrachten, so blieb die übrige Zeit für die Schreiben der Abgesandten. Jedes Haupt hatte vier Beysitzer, alle aber wurden aus eben der Abtheilung genommen, deren sie vorgesetzt waren. In dem gewöhnlichen Laufe trug das Haupt dem Kaiser vor: alle Beweise mußten bey der Hand seyn. Denn sehr oft, und zumal auf die Warnung hin eines Abgesandten, untersuchte der Kaiser auf der Stelle, ob der Vortrag mit den Beylagen übereinkäme, und er war unerbittlich, wann er im geringsten Umstande eine Unrichtigkeit verspürte. War das Geschäfft zu weitläuftig, so ließ er sich alle Urkunden geben, und untersuchte es, sobald er Zeit fand, oder gab es einem Vertrauten zu untersuchen. Er blieb beym Gebote, daß vor dem endlichen Entschlusse ein jedes Haupt, und alle Beysitzer, ihre Meinung schriftlich von sich geben sollten: das Aufbehalten der Schriften machte sie behutsam im Anführen des Verlaufs, da nicht die geringste Unrichtigkeit [268] übrig bleiben mußte. Usong hob aber das Recht nicht auf, das ein jeder Unterthan hatte, sich an den Kaiser zu wenden, und die öffentlichen Verhöre giengen täglich vor sich.

Ismael war so weit herangewachsen, daß er zu wichtigern Lehren tüchtig war. Der Kaiser gab ihm aus jeder Abtheilung einen geschickten und dennoch angenehmen Mann zum Lehrer, und fugte einen fünften bey, der über die allgemeinen Angelegenheiten des Reiches den Erbfürsten unterrichtete. So lernte er von Jugend auf den Gottesdienst, den Kriegsstaat, die Rechte, die Steuersachen, und die Policey des ihm zugedachten Reiches im innersten kennen. Zu den Kriegsübungen der kaiserlichen Leibwache, auch der um die Städte verlegen Landmacht wurde er zugezogen, weil doch die Jugend am besten durch die Sinne sich unterrichten läßt. Man zeigte ihm die nöthigen Künste, das Giessen des Geschützes, die Werkstätte der Waffen, und der vornehmsten Waaren. Der Kaiser ließ den Schach Sadu den Rechtsfragen beywohnen, und die Beweise der vortragenden Richter, und die Gründe anhören, worauf sich das Urtheil gründete. Zu den Uebungen im Reiten, im Fechten, sogar im Schwimmen, wurde er angeführt. Sein Gemüth war zugleich feurig und [269] biegsam, er flog zur Ehre durch alle Wege, und das Beyspiel seines großen Ahnherrn spornte ihn zur Vollkommenheit an.

Usong ließ ihn die jährlichen Reisen unternehmen, die nunmehr dem Kaiser zu beschwerlich waren. Ihm wurden auserlesene Begleiter mitgegeben, die seine Aufmerksamkeit auf alle würdige Gegenstände richteten. Er that selber den Vortrag an den Kaiser, und brachte die Anmerkungen über alles an, was er in den vier Abtheilungen wichtiges gesehen hatte. Das Volk liebt allemal seine jungen Fürsten, und ein günstiges Vorurtheil entsteht in allen Herzen, wenn sie mit der Blüthe der Jahre die Keime der Weisheit vereinigt finden. Leutselig wie sein Ahnherr, fähig wie Nuschirwani, schön wie Haider, gewann Ismael aller Herzen, und frohlockete über die Zeichen der Liebe, mit denen man ihn überschüttete.

Usong war zu groß, eifersüchtig zu seyn; er wollte, daß Ismael auch im Kriege sich üben sollte. Die Aufruhr einiger Balluschen, eines wilden Bergvolkes, das ein Stamm der Patanen ist, aber weiter nach Süden wohnt, nöthigte den Kaiser, ein kleines Heer wider sie auszuschicken. Der [270] erfahrne Scherin führte es an, und Ismael gieng als ein Freywilliger mit zu Felde. Scherin zeigte ihm die Absicht eines jeden Befehls, den er gab, und eines jeden Schrittes, den das Lager that.

Der Khan drang sehr vorsichtig in die Gebürge, machte sich allemal aller Anhöhen Meister, ehe das Hauptlager vorrückte, und das Feuergewehr, so wenig er desselben hatte, machte ihn sehr bald den halb ungewaffneten Wilden so fürchterlich, daß sie sich unterwerfen mußten. Sie legten vor einem Rasenhügel die Waffen nieder, worauf Ismael in einer prächtigen Rüstung stund, und gaben Geisel. Man führte an den nöthigsten Orten einige Befestigungen auf, die man besetzte, und ein fliegendes Lager blieb einige Jahre am Eingang der Gebürge stehen. Ismael kam voll jugendlicher Freude wieder, seinem Ahnherrn die Begebenheiten des Feldzugs zu erzählen: sein Herz wallete vom mächtigen Gefühle des ersten Sieges. Usong umarmte den liebenswürdigen Erbfürsten, und zog ihn nunmehr zu den Versammlungen der vier Abtheilungen; er fragte ihn zuweilen um seine Meynung, billigte sie, oder brachte ihn liebreich zurechte, und bog ihn unter die Last, die ihm nunmehr nach dem Laufe der Natur bald auffallen mußte.

[271] Nuschirwani war unermüdet besorgt, die anwachsenden Jahre ihrem großen Vater angenehm zu machen. Bald ließ sie wilde Thiere mit einander streiten, womit sich der Kaiser belustigte, weil doch allemal, wie er sagte, ein Räuber starb. Sie ließ die seltensten Thiere zusammenbringen; man fand an Usongs Hofe den mit einer Mähne dem Löwen sich nähernden Baburath, dessen röthlichter Pelz 17 mit schwarzen Flecken beworfen war. Die äthiopische Giraffa, mit dem Kameelhalse und den Pamherflecken zeigte in der fremdesten Gestalt die mildesten Sitten. Bald ließ die Erbfürstin die verschiedenen Leibwachen sich in den Waffen üben: bald erschien eine Menge Arbeiter, deren jeder die Waaren trug, die er verfertigt hatte, und wobey Nuschirwani allemal etwas neues und unerwartetes anzubringen wußte. Bald wurden dem Kaiser indische Edelsteine gebracht, deren Werth und Fehler er sehr wohl kannte, und mit denen er in einer müßigen Viertelstunde sich beschäfftigte. Bald ließ man Dichter kommen, die ihre Gesänge ablasen. Sie ließ auch einige Kämpfer um Preise streiten, ohne einander zu verletzen; andere Preise wurden dem schnellsten Läufer, und auch wohl dem flüchtigsten Pferde ausgetheilt. Diese letztern Kämpfe hielt Usong für nützlich, weil sie [272] die Perser anfrischeten, ihre edle Pferde mit arabischen Hengsten zu verbessern, die man den persischen noch vorzieht.

Usong sah wohl, daß diese Veränderungen lauter Künste der sorgfältigen Liebe der klugen Nuschirwani waren; er zeigte auch eben deswegen ein mehreres Vergnügen an allen diesen Schauspielen, als wie er würklich fühlte. Er hatte seine Munterkeit niemals wieder erhalten, nachdem er seine Gemahlinn verlohren hatte: obwohl er mit der Trapezuntischen Despoina als ein liebreicher Gemahl lebte, und sie um desto glücklicher zu machen suchte, je härter, auch wohl Usongs wegen, ihres Hauses Schicksal gewesen war. Auch die Gesundheit hatte bey seiner ehemaligen Krankheit gelitten. Er fühlte seine Kräfte abnehmen, und ein allgemeiner Eckel gewann bey ihm die Oberhand. Man sah ihn oft des Nachts nach dem Grabmahle der Liosua sehen, und ob er wohl zu gütig war, mit seinem Kummer seine Gemahlinn zu betrüben, so merkte man doch wohl, daß er nicht mehr lang von seiner Verstorbenen getrennt zu bleiben hoffte.

Eine neue Gesandschaft von Venedig unterbrach des Kaisers Schwermuth. Joseph Barbaro, ein Edler, wurde von Venedig abgeschickt, um des Kaisers [273] beharrliche Freundschaft anzusuchen. Er brachte wiederum Kriegsvorrath und Leute mit, die in der Verfertigung der Waffen, und im Gebrauche des Geschützes erfahren waren. Ihn begleitete Nicolo Crespo, Herzog einiger Inseln im ägeischen Meere, ein junger und liebenswürdiger Herr, der die Anmuth der europäischen Sitten mit den grösten Vorzügen der Bildung verband.

Zeno lebte noch; er schickte seinem durchlauchtigsten Freunde eine Anzahl Bücher, die nach der nicht mehr seltenen Erfindung mit zinnernen Buchstaben abgedruckt waren. Die besten Geschichtschreiber von Italien, und vom alten Rom waren unter der Zahl derselben. Der edle Zeno bezeugte sein Vergnügen, daß er unter den ersten gewesen wäre, die innere Größe des jungen Usongs zu kennen, und ihn zu lieben.

Die Gemahlinn des Kaisers genoß alle Freyheit, die sie bey den morgenländischen Christen würde gehabt haben: sie hatte eine eigene Kirche, worinn sie ihre Andacht verrichtete. Ihre jüngere Schwester, die schöne Eudoxia, begleitete sie bey einer der großen Feyerlichkeiten der Christen. Crespo fand sich auch dabey ein, und bemerkte die aus der bescheidensten Kleidung ausbrechenden [274] Reitze der jungen Fürstin von Trapezunt. Es war ein anmuthiges Gemische von Andacht, von Demuth, und von einer fürstlichen Würde. Der Herzog von Naxos sah ihre Schönheit nicht unempfindlich an; ihm gefielen noch über die reizenden Züge die Spuren der Tugend, die er in dem ganzen Wesen der jungen Schönen wahrnahm. Er fand noch mehrere Gelegenheit sie zu sehen, und entzündete sich täglich mehr.

Die kaiserliche Gemahlinn sah alle Christen als ihre Verwandten an, und gab dem Fürsten von Naxos den Vorzug, den seine Geburt und seine angenehmen Eigenschaften verdienten. Durch ihre Güte aufgemuntert, wagte er es der Despoina zu eröffnen wie sehr er wünschte, ihrer liebenswürdigen Schwester Hand zu verdienen. Usongs Gemahlinn trennte sich ungern von ihrer Schwester, sie fand aber unendlich mehr Hoffnung zu der Glückseligkeit der jungen Eudoxia bey einem christlichen Fürsten, als bey irgend einer Vermählung mit einem Mahometaner. Sie selbst hatte den Unterschied des Glaubens nicht zu büssen gehabt; sie wußte aber, wie sehr sonst die morgenländischen Fürsten auf die Annehmung ihrer Grundsätze bey allen den schönen Einwohnerinnen ihres Harems zu dringen pflegten. Sie machte dem Crespo Hoffnung, [275] und leitete es dahin ein, daß er der jungen Fürstin seine innigste Liebe zu erkennen geben konnte. Crespo gewann einen so großen Antheil an ihrer Hochachtung, daß Eudoxia kein anderes Beding vorschrieb, als die Einwilligung ihres Beschützers, des Usongs. Sie war nicht schwer zu erhalten. Seine weise Güte sah nur auf das wahre Glück derer die er liebte; er fand keinen gültigen Einwurf wider des Crespo Ansuchen, und die Trauung sollte in der Stille vor sich gehen: aber ein tiefes Stillschweigen herrschte über die ganze Sache, da es im Morgenlande einer bescheidenen Fräulein schon misfällt, auch nur genannt zu werden.

Die schöne Eudoxia besuchte einmal die tugendhafte Nuschirwani, als unvermuthet Ismael in seiner geliebten Mutter Zimmer trat, bey welcher er eine jugendliche Bitte anzubringen hatte. Die fürstliche Fräulein konnte nicht entweichen, sie war ohne Schleyer, und in aller Freyheit, die der Besuch einer vertrauten Freundinn giebt. Ismael sah sie nur zu wohl, und fand an ihr eben die Reitze, die der griechische Fürst verehrte. Sie verließ zwar, sobald es ihr möglich war, das Zimmer der Kaiserstochter: aber ihre Augen hatten ihre unglückliche Macht schon ausgeübt. Ismael war mit aller der Lebhaftigkeit eines Jünglings, und mit der Heftigkeit eines Morgenländers [276] entflammt, und sah kein Glück mehr vor sich, als in dem Besitze der schönen Griechinn.

Er konnte seine Leidenschaft nicht bezwingen, und bat seine erlauchte Mutter um ihre Fürsprache beym Kaiser. Da er doch Persiens einziger Thronerbe wäre, da er nicht unvermählt bleiben würde, so hoffte er, man würde ihm die einzige Braut nicht versagen, bey welcher er glücklich zu seyn hoffen könnte.

Nuschirwani liebte ihren Sohn, aber noch mehr die Tugend: sie hatte eben das zarte Gefühl der Gerechtigkeit, wodurch jener Kaiser so berühmt worden war, dessen Namen sie trug. Sie belehrete den feurigen Ismael über die wahren Umstände, und suchte ihn zu überzeugen, Eudoxia sey nicht mehr frey, und seine Liebe sey den Gesetzen entgegen. Er stieß die bittersten Klagen aus: und selbst die Verehrung seiner Mutter konnte ihn nicht verhindern, wider seinen Mitbuhler sich einige Worte zu erlauben, die heimliche Drohungen waren. Man vernahm auch von seinen Vertrauten, er hätte die heftigste Leidenschaft geäussert, sobald er von seiner Mutter zurück in seine Zimmer gekommen wäre.

[277] Nuschirwani hoffte, der große Usong würde den feurigen Fürsten besänftigen, und einem Ausbruche vorkommen, der dem Kaiser sehr unangenehm seyn würde, ihm der die Mildigkeit selbst war, und in dessen erlauchtem Hause noch niemals eine Leidenschaft war bekannt worden, welche die Tugend hätte mißbilligen können.

Usong ließ den Erbfürsten von Persien vor sich kommen. Ismael, sagte der ehrwürdige Monarch, zweifelt an meiner Liebe nicht: er ist der einzige Zweck aller meiner Arbeiten: alles, was ich für Persien thue, das thue ich für ihn, und in der Absicht, ihm ein ruhiges und glückliches Reich zu verlassen. Aber ich liebe den tugendhaften, den sich zu einem guten Herrscher bereitenden Ismael: einen ungerechten, einen gewaltthätigen Ismael würde ich nicht lieben, auch nicht wenn er meiner Nuschirwani Sohn wäre.

Ismael ist nur zwey Schritte vom Throne entfernt, er wird in wenig Jahren selbst fühlen, wie schwer der Zepter ist. Dennoch ist es möglich, diese Last zu erleichtern. Wann Ismael mit dem Ruhme eines tugendhaften Fürsten den Thron besteigt, wann Persien von ihm sein Glück hoffen [278] kann, so werden ihm alle Herzen entgegen gehen, und alle seine Befehle werden der Wille des Volkes seyn.

Wie aber, wenn derjenige, der auf mich folgen soll, ein Fürst wäre, der seine Begierden der Gerechtigkeit vorzieht, der versprochene Bräute ihren Verlobten entreissen, und Bande trennen will, die keine Menschen mehr auflösen sollen? was wird Persien von Ismael erwarten, wann der junge Tieger an der Kette der väterlichen Gewalt schon raubet, schon seinem Grimme die noch zarten Klauen leihet? wer wird vor dem erschrecklichen Wütriche sicher seyn, wenn ihn kein Gesetz, keine Ehrerbietung mehr einschränken wird?

Aber so unglücklich wird Ismael nicht seyn: er wird für den Einfall eines Augenblickes die Ehre nicht verscherzen, ein tugendhafter Fürst zu seyn: eine jugendliche Begierde wird nicht mehr auf ihn vermögen, als die Hoffnung einer glücklichen Regierung, der Beyfall aller seiner Perser, und das Glück eines ganzen lange vor ihm ausgedähnten Lebens.

[279] Ismael war feurig, aber tugendhaft: er bückte sich, küßte des Kaisers Hand, ihm blieb die einzige Bitte, abwesend zu seyn, wenn er die edle Eudoxia auf ewig verlieren sollte. Vor seinen Augen sie in die Arme eines geliebten Mitbuhlers gehen zu sehen, wäre für seine schwache Tugend zu viel.

Die Usbecken hatten nach einer langen Ruhe unter neuen und gierigen Fürsten einen Einfall in Khorassan gethan, und Usong ließ unter dem Nortimur, einem der wenigen übriggebliebenen Nowianen, ein fliegendes Heer wider sie zu Felde gehen. Ismael zog mit den Persern wider die Räuber, seine Erfahrung in Kriegssachen zu vermehren. Nortimur wollte die Usbecken nicht nur zurücktreiben, Persien würde nur eine kurze Ruhe genossen haben. Er nahm sich vor sie zu bestrafen, und für eine lange Zeit abzuschrecken, ihre friedlichen Nachbaren zu reizen.

Sie waren, sobald sie den Anzug der Perser vermerkt, gegen ihre Gränzen zurückgewichen. Die Flächen von Khorassan lagen hinter ihnen, und sie hatten sich eines engen Thales zwischen gähen Felsen bemächtigt, das sie gegen ihre Lande führte.

[280] Nortimur versah sich mit einer Heerde Pferde, dem angenehmsten Raube für die Usbecken. Er lagerte sich in der Fläche, die hieher des vom Feinde besetzten Thales war. Er zog seine Völker nahe zusammen, so daß der Haufen klein schien. Die Pferde ließ er zwischen ihm und dem Feinde unter einer schwachen Bedeckung grasen. Die Räuber, deren Begierden nichts, als die Furcht zähmen konnte, glaubten eine leichte Beute zu finden. Sie fielen aus ihrem festen Lager, und bemächtigten sich der Pferde begierig, deren Bedeckung entfloh; Nortimur selbst zog sich um etwas zurück.

Er sah die Usbecken nunmehr beschäfftiget, die flüchtigen Pferde zu haschen; ein jeder von ihnen hatte fast ein Pferd zu schleppen, das seinem unbekannten Meister ungern folgete, als Nortimur das Panier von Persien vorrücken hieß. Die Völker kannten das Wahrzeichen, und brachen mit verhängtem Zügel, und dem hirkanischen Säbel in der Faust, in die zerstreuten Usbecken. Sie fanden wenig Widerstand bey den mit ihrer Beute bemühten Feinden; die Räuber flohen nach der Enge, wodurch sie sich zurückbegeben mußten. Da sie aber fast nur einzeln durchkommen konnten, so wurden die meisten von den Persern der Rache aufgeopfert, die sie oft gereizt hatten, und wenige konnten entkommen.

[281] Der Feldherr rückte ihnen nach, und besetzte ihre besten Städte; denn nichts ist feiger, als geschlagene Räuber. Seine Absicht war nicht, Persiens Gränzen auszudähnen, aber er gewährete den bestürzten Feinden nicht eher den Frieden, bis sie ihm eine Anzahl ihrer Mursen zu Geiseln gegeben hatten, die sie alle drey Jahre gegen eine gleiche Zahl verwechseln sollten. Die Geisel wurden in die festen Plätze von Khorossan vertheilt, und genossen, ausser der Freyheit, sonst alle Mildigkeit von Seiten der Perser. Usong wollte versuchen, ihre Herzen zu gewinnen, und es gelang ihm bey vielen.

Dieweil Persiens Ehre vom Nortimur behauptet wurde, und Ismael den beschäftigten Eifer eines herzhaften Jünglings mit dem Ruhme sättigte, den er durch seine Tapferkeit und Kriegswissenschaft erwarb, wurde die schöne Eudoxia getraut, und verließ Schiras. Ihr Haus setzte sich zu Venedig, und ihre Töchter 18 vermälten sich nachwärts in die edelsten Geschlechter der Republik. Usong beschenkte die Schwester seiner Gemahlinn mit einer Freygebigkeit, die seiner würdig war: und als Ismael frohlockend zurück kam, waren alle Vorwürfe seiner Leidenschaft entfernet.

Usongs vornehmstes Geschäffte war nunmehr der Unterricht, den er für seinen Thronfolger selbst aufsetzte, [282] und davon er eine Abschrift bey jeder der vier Abtheilungen der Staatsverfassung niederlegte, auf daß das Reich wissen möchte, was Usongs Staatsregeln wären, und auf daß Ismael erwarten müßte, man würde seine Regierung gegen die Räthe seines großen Ahnherrn halten, und so von ihm urtheilen, wie er diese Räthe befolgen würde. Ich habe kein Geheimniß, sagte der edle Usong: möchte doch jeder Perser in mein Herz schauen, und die Triebe einsehen, die es lenken! Die vornehmste Urkunde hatte er sich vorgenommen, dem Ismael bey einer Feyerlichkeit zu übergeben, die in seinen Gedanken schon festgesetzt war: sie war von Usongs eigener Hand geschrieben, und sie enthielt wesentlich, was man in diesem Auszuge lieset.

[283]

Letzte Räthe

Usongs, Kaisers der Perser
Letzte Räthe
Schach Sade' Ismael.

Usong giebt seinem geliebten Enkel die Räthe, die er selbst heilsam gefunden hat. Er hat lang gelebt und lang geherrscht, und allemal gefunden, daß die Tugend Weisheit ist.

Fürchte nichts so sehr, mein Sohn, als deine eigene Macht: sie ist unumschränkt, Persien hat mich mit völligem Vertrauen über sich gesetzt, ohne mir Bedinge vorzuschreiben. Diese große Macht ist nur alsdann ein Gut, wann die Weisheit sie lenkt; sie wird zu deines Volkes Unglücke, sobald dein Wille der Beweggrund deiner Thaten seyn wird. Schränke dich selbst ein, theile deine Macht mit den Gesetzen mit den Feyerlichkeiten, mit der Staatsverfassung, behalte nur so viel, als das allgemeine Beste zu bewirken erfodert wird. Beleuchte eine jede Foderung deines Willens, eine jede aufsteigende Begierde, ehe sie zur That wird: verwirf sie, sobald du sie nicht deinem Volke bekennen darfst, sie ist deine Feindinn.

[284] Gedenk, daß wir dasjenige lieben, wodurch wir glücklich werden. Wann die Perser unter deiner Herrschaft in Ruhe und Freyheit leben, wann kein äusserer Feind sie beunruhigt, wann die Frucht ihres Schweises ihr Eigenthum ist, wann sie die Gerechtigkeit in den Gerichtshöfen finden, wann niemand leidet, als wen das Gesetz bestraft: dann werden alle Perser den Kaiser lieben, unter dem sie so viel Gutes geniessen, und auch fremde Völker werden unter deinen Flügeln Schutz zu suchen, herzueilen.

Aber daß dein Reich wohl verwaltet werde, so must du selbst herrschen. Der Wasir, der unter einem aufmerksamen Könige klug und gerecht das Reich verwaltet, würde unter einem unachtsamen Herrscher, dem Tugend und Laster an seinem Bedienten gleichgültig ist, entweder träg oder ein Tyrann. Erwarte nicht, daß ein anderer treuer für dich arbeite, als du selbst. Liebe also die Arbeit, setze allen Geschäfften ihre Zeit aus: versäume keine der Stunden, die du dem Staate versprochen hast, es wäre ein Diebstahl, den du an Persien begiengest. Wenn du dich gewöhnest, deiner Pflicht treu zu seyn, so wird sie dir leicht und angenehm werden. Wenn du sie mehrmalen verabsäumtest, so würdest du sie bald beständig verabsäumen; die Unordnung macht unordentlich.

[285] Fürchte die Arbeit nicht, sie ist die Mutter der Ehre, und die Ehre zeuget die Sicherheit. Bleibst du der Tugend getreu, so wirst du mit Recht dir selber Beyfall geben, und deine innere Würde wird die Stimme des Lasters wegschrecken; es wird sich deinem Herzen nicht nähern dörfen, worinn es kein heimliches Verständniß findet. Wirst du den Wollüsten nachhängen, so wirst du dich selber nicht mehr ehren können, und wie werden dich andere ehren, wann du selbst dich verachten mußt?

Die Trägheit ist eines Fürsten größter Fehler. Er verräth sein Volk, er verkauft es, den Müßiggang für sich selbst zu erhandeln, und liefert es in die Hände seiner Diener. Er entsagt dem Ruhme, die Quelle des allgemeinen Wohlstandes zu seyn, und erniedriget sich bis zu dem Stande eines Schattens, der einen Mann vorstellt, aber nur fremden Bewegungen folget. Unter einem trägen Fürsten leiden die Unterthanen mehr als unter einem bösen, weil die Unterdrückung so vieler losgelassenen untern Bedienten sich in die Hütten eines jeden Landmannes erstreckt, und die Wuth eines Tyrannen nur dem Höflinge gefährlich ist 19. Ein arbeitsamer Fürst [286] kann niemals ein ganz schlimmer Fürst seyn. Das Wohlseyn der Unterthanen ist das Wohl des Staates, der des Fürsten Erbgut ist. Dieses zu befördern wird er, wenn er die Mängel kennt, sich selbst zu Liebe trachten. Da er die Arbeit liebt, so reissen ihn die Wollüste nicht hin, sein Glück vom Glücke des Staates zu trennen. Seine Untergebenen werden nicht mehr das Volk drücken, weil der Fürst es sieht, der die Verwüster seines Erbes bestrafen würde.

Lerne den Unterscheid eines gütigen Fürsten, und eines guten Königs. Gütig nennt das irrig urtheilende Volk den Fürsten, der unter diejenigen Geschenke austheilt, die um ihn sind, der zuweilen einem Elenden aus der Noth hilft, wann das Ungefehr ihn vor die mitleidigen Augen des Fürsten bringt. Enge sind die Schranken dieser Tugend. Der gute König sorget für aller seiner Unterthanen Wohlseyn, für die, die er nie gesehen hat, für die künftige Enkel seines Volkes. Er leitet sie zur Tugend, zum Fleisse, er öffnet ihnen die Wege zur Nahrung, zum Vergnügen, das auf die Arbeit folgen soll. Er entblößt nicht sein Volk, wenige Glückseelige doppelt zu bedecken. Ardeschir 20 der Hystaspide [287] war ein gütiger Herr, Nuschirwan der Gerechte war ein guter König.

Es wird dem Kaiser in Persien weder an schönen Frauen, noch an edeln Früchten mangeln. Aber laß das sinnliche Vergnügen nicht deinen Zweck seyn: es würde dich zum ernsthaften und zur Arbeit untüchtig machen, ohne die dein Thron nur ein Faulbette seyn wird, worauf du deine Ehre und deine Glückseligkeit verschläfst.

Setze dein Vergnügen in dem Glücke der Unterthanen, freue dich, wenn du ihren Wohlstand siehest, schätze dich reicher, wann ihre Anzahl sich vermehret, und herrlich, wann ein jeder deiner Perser seiner Nahrung gewiß ist.

Steh früh auf, ein Tag ist verlohren, der spät anfängt. Verhöre alle Tage alle deine Unterthanen, die sich schon halb getröstet glauben, wann du ihre Klage gehöret hast. Bezwinge dich, wann es dir ekelt, auf deinem Reichsthrone zu sitzen, laß nicht den Unmuth dein Gesicht verstellen: denk, daß jede angewandte Stunde zehn andere Stunden glücklich, und jede verabsäumte zehn andere elend macht.

[288] Ergieb dich der Jagd nicht, dein Leben ist zu edel, die Stunden davon zu verschleudern: ein jeder Tag, den du aufs Gewild wendest, kostet dich das Glück vieler Unterthanen.

Berathschlage dich alle Tage mit den Häuptern der Staatsverwaltung: eine der Säulen des Reiches würde sinken, sobald du eine der Abtheilungen verabsäumtest.

Du kannst nicht alles selbst sehen, aber doch vieles. Laß bey keinem Diener die Hoffnung entstehen, er werde das Unrecht dir anrathen können, und nicht entdeckt werden. Wache über sie, plötzlich überfall sie, und prüfe in einem Geschäffte ihre Rechtschaffenheit.

Nimm keine Geschenke an: laß nicht zu, daß jemand Geschenke annehme. Sie sind für die Grossen ein Gift, für das Volk eine unerträgliche Last; denn auf ihm liegt die Bürde, wann der Große den Hof beschenkt. Laß es ganz Persien wissen, daß du lieber Räubereyen als Geschenke dulden willst 21.

[289] Belege deine Unterthanen selten mit neuen Vorschriften, laß sie den Gesetzen gehorchen, aber vermehre ihre Pflichten nicht. Mische dich nicht in ihre Hausgeschäffte, miß ihnen die Kleider nicht vor, umschränke sie nicht mit entbehrlichen Befehlen. Alle Gesetze schränken den freyen Willen des Menschen ein, viele hindern sie am Genuß des von der Natur ihnen angebotenen Gutes: nur die Nothwendigkeit kann einen guten Fürsten verleiten, seinem Volke Fesseln anzulegen, und weiter als die Nothwendigkeit wird er sie nicht einschränken. Gesetze die den Trieben der Natur entgegen streben, werden mit Unwillen befolget. Sie müssen mit Strenge im Strafen zur Ausübung verstärkt werden, oder sie werden hindan gesetzt. Jenes erreget Unwillen, dieses macht die Regierung verächtlich: das Volk, das in einem Gesetze lernt des Fürsten Befehle zu verachten, wird gereizt, auch in andern ungehorsam zu werden, und die ganze Regierung nähert sich entweder der Tyranney, oder wird zu einer verachteten Aufdringung unwürksamer Vorschriften.

Die Perser lieben die Pracht: die Pracht erfodert Unkosten, sie macht die Großen arm und haabgierig, der Reichthum wird durch die zur einzigen Tugend, und Verdienste werden verachtet, wenn sie mit äusserlichem Glanze nicht schimmern. Der [290] Arme, der kaum das Nöthige hat, muß den Ueberfluß des Mächtigen bezahlen, und hungern, auf daß der Große verschwenden könne. Der Glanz des Thrones erfodert beym Kaiser eine Pracht, des Pöbels Aufmerksamkeit zu erwerben. Aber rühme die Pracht niemals an deinen Dienern, gieb niemals reichen Kleidern einen Vorzug, ehre den nicht, der mit Diamanten schimmert. Laß dein ganzes Volk wissen, daß du die Verschwender hassest, und keine Uneigennützigkeit von einem Diener hoffest, den eine unersättliche Nothdurft drückt.

Liebe die Wissenschaften, sie sind zugleich angenehm und nützlich; sie erhöhen die Seele, sie halten ihr beständig den umstrahlten Kranz vor, den die Verehrung der Welt der Tugend des würdigen Herrschers aufsetzt. Hilf den Wissenschaften auch beym Volke auf; niemand ist aufrührischer, als Barbaren, und gesittete Völker lassen sich mit einer Schnur lenken, da bey jenen ein Gebiß nöthig ist.

Suche dein Reich nicht zu vergrößern. Ein Reich ist weit genug, wenn es seine Nachbarn nicht zu fürchten hat, und die Eroberungen sind des Unglückes nicht werth, was ein Sieger auf sein Volk bringt. Greif niemand an, aber vertheidige dich [291] standhaft, wenn man deine Unterthanen drückt, oder des Reiches Ehre kränket, beydes bist du schuldig.

Vertiefe dich nicht in Schulden, bezahle unverzüglich, unternimm nichts, wozu du die Gelder nicht bereit hast. Die Schulden eines Staates zwingen den Fürsten sein Volk zu unterdrücken: wenn der Krieg sie nothwendig gemacht hat, so bleibt die Last des Krieges auch im Frieden auf dem Volke liegen.

Halt aufs genaueste Treu und Glauben. Die Untreu kann zuweilen in einem Augenblicke vortheilhaft seyn, aber sie hinterläßt ein dauerhaftes Uebel. Ein König, der sein Versprechen nicht hält, hat alle Nachbarn zu heimlichen Feinden. Setze ihn in Gefahr, er wird keinen Freund finden.

Vermeide allen Stolz gegen andere Fürsten. Mancher große Herrscher hat sich dadurch gestürzt, daß er allen umliegenden Herren seine Verachtung bezeigt hatte. Einer lehnte sich wider den stolzen Fürsten auf, und alle fielen ihm bey. Warum solltest du thun, was du von andern nicht leiden willst?

[292] Habe keinen Liebling: dein Ohr ist eines jeden deiner Unterthanen, deine Gerechtigkeit muß für alle gleich wachen, deine Belohnungen dem Verdienste eigen bleiben. Deinen Liebling würde deine Gunst berauschen, sie ist zu stark, wenn sie nicht vertheilt wird. Deine Geschenke würden ihn bereichern, aber dein Volk bezahlt diese Geschenke.

Verändere die Verfassung von Persien nicht, auch bey den scheinbarsten Gründen, ohne den Rath aller vier Abtheilungen: und auch diesen laß dir unterschrieben geben; und dennoch nimm dir Zeit, den Vorschlag noch einmal zu überlegen. Alle Gesetze berasen sich, und erhalten langsam vom Volke eine Verehrung, die auf ihre Dauerhaftigkeit sich gründet: Neue Gesetze sind ein Geständniß, daß der Gesetzgeber gefehlt hat, und warum sollte er nicht wiederum fehlen können?

Hüte dich jemals zuzugeben, daß ein Amt erblich werde. Durch diesen Fehler haben die mächtigsten Fürsten in den Abendländern ihr Reich verlohren. Verlege auch keine Besoldungen auf die Einkünfte einiger Dörfer 22; deine Unterthanen würden [293] von mächtigen Dienern unterdrückt, und der schwächere Beamte an seinem Lohne verkürzet. Zahle alles aus dem Schatze.

Ehre den Gottesdienst, besuche die öffentliche Meschid. Deine Unterthanen werden dich ehren, und dir nachahmen. Verachtest du den Gottesdienst, so wird die Gottesfurcht bey deinen Unterthanen sich verlieren.

Bleib bey dem Glauben deines Ahnherrn des Ali; vertraue auf einen einigen Gott, und erinnere dich, daß er dich siehet, und Rechenschaft von dir fodern wird. Aber dulde alle andere Glaubensverwandte, so werden sie sich vereinigen, für dich anzubeten. Drückest du sie, so machst du dir tausende zu Feinden, deren Treu du in deinen Händen hattest. Und warum solltest du Feinde haben, du, der du des Volkes Vater bist?

Halt auf die Schulen: erwähle fromme Mollah; wie kann der die Tugend in anderer Herzen erwecken, der sie aus dem seinigen verbannet hat?

Brauche die Geistlichen nicht zu weltlichen Geschäfften. Sie haben eine schwere Pflicht, die Ewigkeit [294] ist ihr Geschäfft. Sie würden schlechte Geistliche werden, und enge Begriffe in der Verwaltung des Staates beybehalten. Hüte dich vor dem Beyspiele der Osmannen; ein Mufti, der durch ein Fetfah einem Wasir das Leben abspricht, wird lernen, seinen Sultan verurtheilen.

Muntere die Derwische nicht auf, sich zu vermehren: warum solltest du dein Reich entvölkern? Ein Verehlichter hat einen Antheil am Wohl des Staates, seiner Kinder erben an dem allgemeinen Wohlstande. Er giebt aber auch dem Vaterlande Pfänder, sie müssen zugleich leiden, wenn es dem Staate nicht wohl gehet.

Liebe den Frieden, aber lerne das Kriegswesen, denn nur durch eine gute Verfassung zum Kriege wirst du Frieden erhalten. Alle Uebungen, alle Anstalten zum Kriege müssen dir bekannt seyn. Führe selbst deine Völker an. In der Gegenwart seines Kaisers wird der Perser mit doppeltem Muthe fechten. Belohnung und Ehre ist bey einem Feldherrn ungewiß. Der Feldherr hat Freunde, seine Gunst ist eingeschränkt; der Kaiser hat Unterthanen, er liebt sie alle.

Ehre gute Feldobersten, aber keinem vertraue das Ganze. Belohne die Kriegsleute, besolde sie mit [295] der vollkommensten Richtigkeit; verschaffe ihnen einen reichlichen Unterhalt, aber erlaube niemals daß sie den Unterthan unterdrücken. Sollten die Beschützer eines Volkes wie seine Feinde handeln? Halte auf der Mannszucht unerbittlich, doch schone des Blutes. Das Leben kömmt nicht von dir, von dem Sold und Ehre kömmt.

Laß deine Völker sich unaufhörlich in den Waffen üben: wohlgeübte und fertige Völker müssen einer wilden Herzhaftigkeit allemal überlegen bleiben. Bemühe dich der Europäer Kriegsanstalten zu lernen, sie erfinden und verbessern.

Trachte Fußvolk zu bilden: der Mangel daran kann Persiens Untergang seyn. Waffne lieber Sclaven 23, wann der bequeme und stolze Perser auf dem Pferde beharret. Vermehre den Gebrauch des Feuergewehres und des Geschützes, sonst wirst du die Schmach dulden müssen, die Osmannen zu fürchten.

Laß den Verdienst den gemeinsten Reuter in die höchste Stelle heben. Aber erhöhe ihn allgemach, und nicht mit willkührlichen Sprüngen: ein vortrefflicher Hauptmann könnte ein elender Feldherr werden. [296] Er finde noch mehrere Preise und Ehrenzeichen: sie feuern den Muth an, und fallen dem Lande nicht zur Last.

Halt die Gränzen nach Osten, nach Westen und nach Norden wohl bewahrt. Befestige die Städte daselbst, und versehe sie mit Besatzungen. Das Innere des Reiches beschwere weder mit Schanzen, noch mit stehenden Völkern.

Laß die Kriegsmacht nicht eingehen, du würdest verächtlich werden: vermehre sie nicht zu sehr, du müßtest dein Volk unterdrücken.

Die Gerechtigkeit ist die Stütze deines Thrones: deine erste Sorge sey, daß du sie deinem Volke unverfälscht und leicht verschaffest.

Sey aufmerksam auf die Richter. Verstosse keinen, ohne daß seine Fehler erwiesen seyen. Der Richter muß sicher seyn, daß keine Ungunst der Grössesten ihn stürzen kann. Aber bleib unerbittlich gegen diejenigen, die das Recht um eines Vortheils willen gebogen haben.

Bezeuge den Oberrichtern die gröste Achtung: ihr Beystand wird dich beym Volke vertreten, sie [297] werden nicht zugeben, daß eine ungesittete Macht den Thron stürze, von dessen Strahlen auch sie selber leuchten. Vertraue ihnen deine eigene Sache. Laß die Gerichtshöfe zwischen dir und einem Landmann mit Freyheit sprechen; lobe sie, wenn sie dich mit Grund verurtheilen. Ein Verlust von einigen Morgen wird tausendfältig durch das Zutrauen ersetzt werden, das das Volk zu einem Herrscher hat, bey dem die Gerechtigkeit mehr als sein Schatz gilt.

Halte heiliglich über die Feyerlichkeiten des Rechtes, sonst wird alles willkürlich. Beobachte die gesetzten Tage unverletzlich, du könntest keinen Bürger begünstigen, daß nicht ein anderer litte.

Niemals empfiel eiste Sache einem Richter, du würdest thun, was der Feind Gottes zu thun sucht, einen Gerechten verführen. Niemals erwähle du eigene Richter zu einer Bestrafung: dein Volk würde auch die Schuldigen für unschuldig halten, wenn sie durch ein willkührliches Gericht verurtheilt würden.

Sitze oft im obersten Gerichte, untersuche zuweilen eine Rechtssache selber. Eine geringe Mühe wird die Richter unsträflich machen, weil sie allemal deine Gerechtigkeit fürchten müssen.

[298] Strafe nicht hart, nicht grausam; aber laß auch kein Verbrechen ungestraft. Spare das Blut; und wo du das Leben des Schuldigen beybehältest, so trachte es so zu gebrauchen, daß es dem gemeinen Wesen nützlich sey, und ihm selbst zur Verbesserung dienen könne.

Erlaube nicht, daß man unter einigem Vorwande Schatzungen auflege, oder die Steuern vermehre. Wirst du reicher seyn, wann dein Volk ärmer worden ist? Der erträgliche Zustand des Landmanns in Persien wird ihm Kräfte übrig lassen, daß er das gebaute Land erweitern, und Wüsten zu Aeckern machen kann. Der Fremde, von harten Fürsten unterdrückt, wird flehen, daß man ihm erlaube, Persiens öde Gefilde zu bebauen. Auf beyde Weisen wirst du eben deswegen deine Einkünfte vermehren, weil du sie nicht erhöhest. Freue dich, wann dem Perser über das Unentbehrliche etwas zum Vergnügen übrig bleibt. Sie sind Menschen, und empfinden wie du.

Erhalte die Strassen rein, bequem und sicher. Schütze die Kaufleute, sie sind Stützen des Staates. Ehre sie, der Glanz deines Thrones ist die Frucht ihrer Arbeit.

[299] Usong hat keine Zeit gefunden, der Schiffahrt aufzuhelfen, und Persiens Küsten sind Wüsteneyen. Erinnere dich, daß die Handlung zu Land Schranken hat, zur See aber sich ins Unendliche erweitern kann. Sie hat Venedig aus einer Fischerinsel zur Königinn gemacht.

Beschütze alle Künste, unterstütze sie mit Preisen, mit Besoldungen, mit Ehrenbezeugungen: nicht mit Darleihen, die einen Anfänger stürzen, weil sie ihn bewegen, mehr zu unternehmen, als seine Kräfte zureichen. Sieh den Erfinder eines bessern Pfluges als einen Wohlthäter des Reiches an, und der sey dein Bruder, der dich lehrt, auf einem Morgen mehr Garben zu schneiden. Zieh einen wohlgebauten Acker allen Lustgärten vor, halt einen Waizenhalm für schöner als die Blume Mogori 24. Aller Vorzug kömmt vom Beytrage zum allgemeinen Besten.

Du wirst reich und mächtig seyn, wenn Persien reich an Menschen ist. Die Schlachten werden durch die Hände gewonnen, und die Schätze durch Hände erworben. Ein unbewohntes Paradies ist unfruchtbar. Besorge niemals, die Erde werde ihre [300] zahlreichen Einwohner nicht nähren können, sie wird lieber aus einem Acker zum Garten werden. Je weiter ein Land ist, je schwächer ist es, wenn ihm die Menschen mangeln, seine Gränzen sind schwach, und die Hülfe entfernt.

Die Statthalter sollen des Kaisers Ansehen, vorstellen: ihnen gehört eine Pracht, die der Geringern Gehorsam erleichtert. Die Policey der Provinz, das Glück der Völker, die Aufnahme der Handlung und des Ackerbaues ist ihnen aufgetragen. Wähle sie wohl, o Kaisers Sohn, aus ihnen wird Persien von dir urtheilen. Du wirst ihnen einen umständlichen Unterricht geben 25, wie zahlreich die Einwohner ihrer Provinz, was die Einkünfte, die Früchte des Fleisses oder der Natur seyen, was die Handlung nähre. Die Regeln müssen ihnen vorgeschrieben werden, nach welchen sie regieren sollen. Das öde Kerman muß man nicht regieren wollen, wie die reichen Gefilde um Tabris; der Geber gehorcht dem Kaiser, und der Kurde ist sein Freund.

Die Städte sind der Sitz des Reichthums in einem Lande: nicht daß man das Land verachten solle. Es ist vortheilhafter für das Reich, daß [301] der Landmann sein Brod erwerben müsse: er wird durch die Gewohnheit hart, und durch die Mäßigkeit gesund, bey ihm ist die Pflanzschule der Krieger. Er ist unter einem guten Fürsten der glücklichste Theil der Nation, weil seine Hofnungen so groß als seine Begierden sind. Wer ist frölicher als der Schnitter unter der brennenden Sonne, als der Winzer, der den Weinberg im Herbste pflücket. Der Landmann besitzt Gesundheit und Kräfte, die bey den städtischen Arbeiten niemals sich erhalten können: er verdient das rühmliche Vorrecht das Vaterland zu vertheidigen.

Die Städte gehören den Handwerken und der Handlung zu: die Künste gedeyhen besser, wann sie beysammen sind, und eine jede arbeitet für ihre Schwestern. Ohne die Städte würden tausenderley Bequemlichkeiten des Lebens nicht verfertigt werden können: und sie würden zum Tribute, den Persien den Fremden, und vielleicht seinen Feinden bezahlen müßte. Sie sind die Vormauern gegen die Feinde, deren Raub ohne sie das flache Land seyn würde. Die Städte müssen den Landmann ernähren, indem sie ihm seine erarbeiteten Früchte abnehmen, und gegen seine Nothdurften austauschen; ohne sie würde die mildeste Natur zwar die Nahrung, aber niemals die Mittel [302] verschaffen können, die Metalle und andere Unentbehrlichkeiten zu erhalten.

Schütze also die Städte; sorge, daß sie tüchtige Calantar, und die Hauptstädte erfahrne Daroga haben. Nimm sie aus der Zahl ihrer Beysitzer, alle Menschen müssen sich durch die Geschäffte unterweisen lassen. Besolde sie, daß sie keiner Nebengewinnste bedürfen, laß sie hoffen, durch gute Dienste höher zu steigen: aus ihnen nimm die Abgesandten, doch laß niemand in seiner väterlichen Provinz dieses Amt verwalten.

Tausend Kleinigkeiten beschäfftigen die Handhaber der Policey, eine gewisse Länge mußt du dem Leitseile geben, womit du diese untersten Theile der Verwaltung lenkest. Aber dennoch laß alle diese Bedienten unter der Furcht der Abgesandten und der Untersuchung stehen: sie werden dein Volk nicht unterdrücken, wann sie gegen kleine Gewinnste unfehlbare Strafen zu erwarten haben.

Hilf den Städten mit einigen Beysteuern auf: rechne ein schönes Bürgershaus für einen deiner Paläste, es trägt noch mehr zum Besten des Reiches bey, als die Colossalischen Säulen der Hystaspiden. Gute Häuser sind Rosenfesseln für die Bürger, [303] die sie unter deinem Zepter behalten, und wer zu verlieren hat, macht sich minder leicht strafbar.

Persien ist heiß, und seine Strassen öde; die Hügel sind ohne Waldung: muntere dein Volk auf, Bäume zu pflanzen: waldichte Berge werden wiederum Wasser sammlen, und Wüsteneyen werden bebauet werden können, wenn du Bäche erschaffest. Ein Acker, den du der Unfruchtbarkeit entziehest, ist zwanzig Aecker werth, die du einem Feinde abgewinnst.

Deine Abgesandten sind deine Augen: aber deine Hände laß sie nicht seyn. Wenn du die Strafen ihnen anvertrautest 26, so würde ihre willkührliche Gewalt zur Tyranney werden. Aber sie sollen auf die Geistlichkeit, auf die Kriegsmacht die Gerechtigkeit, die Policey, die Steuern, auf alle Wurzeln des gemeinen Besten wachen, und die Uebel zeitig anzeigen, die diese Wurzeln anstecken möchten. Beschütze sie standhaft, so lange sie die Wahrheit sagen: unter deinem Schatten sollen sie das Drohen des Feldherrn, die Künste des Staatsmanns, auch das Murren des Volkes [304] selbst, nicht zu befürchten haben. Auf die Stimme des Volkes horcht zwar ein weiser Herrscher mit Aufmerksamkeit; es sind entfernte Donner, die in Strahlen ausbrechen, wenn sie nicht zertheilt werden. Aber noch ehrwürdiger ist die Stimme der Wahrheit, die erwarte von deinem Abgesandten. Er soll weder die Gewaltthat der Großen, noch die Trägheit der Vorgesetzten der Städte, noch die Gierigkeit der Steuereinnehmer verschweigen: er soll jedem Seufzer des Unterdrückten bis zum Throne helfen. Dein ist alsdann die Pflicht, die Anzeige zu untersuchen, und durch Warnungen und Strafen dem einschleichenden Uebel zu wehren.

Der Abgesandte ist dir die größte Wirksamkeit, und die reinste Wahrheit schuldig. Entspricht er seinem wichtigen Berufe, so sey er der nächste bey deinem Throne. Misbraucht er die hohe Beylage deines Vertrauens, so sey seine Strafe die härteste.

Ich habe dir mein Geliebter, die Wege zum wahren Glücke eröffnet, die mir bekannt sind, und Usong wird willig sterben, wenn er sich versprechen kann, daß es deine Wege seyn werden.

[305] Usong machte auch eine Verordnung für die Auferziehung eines Thronfolgers, der seinen Vater zu früh verlohren hätte. Persiens Wohlfahrt, sagte er, hängt einzig von der Weisheit und von der Arbeitsamkeit seiner Beherrscher ab: ein so weites Reich muß unumgänglich in eine verderbende Unordnung gerathen, wenn es einen unachtsamen, oder unwissenden Kaiser hat. Wenn also Persien verwaisen sollte, so sollen die Häupter der Abtheilungen der Staatsverwaltung, mit der Mutter des unmündigen Kaisers, seiner Auferziehung vorstehen: die Mutter wird die Sicherheit des Schwachen beschützen; die Häupter besitzen Weisheit, ihn zu einem würdigen Beherrscher eines großen Volkes zu bilden. Sie, die auf der obersten Stelle im Reiche stehen, sollen die große Beylage heilig bewahren, die ihnen anvertrauet ist. Sie sollen die fähigsten und tugendhaftesten Männer auslesen, die dem jungen Erbfürsten die Tugend, die Liebe zum Volke, und die Wissenschaft beybringen, es werkthätig zu lieben. Die Häupter sollen wachen, daß die theuren Stunden nicht verlohren gehen, in welchen das zarte Gemüth gelenkt werden kann; sie sollen mit heiligem Abscheu die Schmeichler ansehen, die dem künftigen Kaiser seine Fehler verschweigen, oder ihn dem Unterrichte zu entziehen nachgeben würden. Allerdings wird zu dieser Standhaftigkeit gegen seinen Herrn mehr Muth erfordert, als zu Schlachten [306] und Siegen. Aber ein treuer Sohn seines Vaterlandes soll das Heil desselben seinem Leben vorziehen. Und ein vernachläßigter Fürst wird seinen Vormündern gefährlich, ein zum Guten umgebogener Fürst aber für ihren großmüthigen Ernst dankbar seyn.

In der That nahm Usong sichtbarlich ab, sein Alter wurde mit einem kleinen Fieber begleitet, das nach und nach seine Kräfte verzehrte. Man nahm einige Monate nachher wahr, daß ein gewisser Nazarener oft um ihn war, sein Nahme war Veribeni. Er war ein Waffenschmied, der von Brescia nach Persien mit dem Thomas von Imola gekommen war. In den Thälern zwischen Frankreich und Welschland war er gebohren, und stund nunmehr als das Haupt diesen Künstlern vor. Alle Tage besprach sich der Kaiser ganze Stunden mit ihm, und allemal ohne Zeugen. Man merkte nicht, daß Veribeni einige Geschäffte zu betreiben hätte, er verlangte auch niemals einige Gnade: seine Kleidung war seinem Stande angemessen, und sein Anstand immer ernsthaft, ohne das geringste Gemische von Traurigkeit. Man fand im Anfange dieser Vertraulichkeit, daß Usong trauriger wurde, man sah ihn seufzen, und die Augen gegen den Himmel wehmüthig aufheben.

[307] Nuschirwani, deren einzige Sorge die Erhaltung ihres erlauchten Vaters war, konnte das Geheimniß nicht vertragen, das zwischen ihm und diesem unbekannten Fremdlinge war. Sie wagte es, dem Kaiser ihre Besorgniß zu eröffnen, Veribeni möchte zu dem Unmuthe beytragen, der an ihrem unschätzbaren Vater merklich wäre, und vor der Zeit seine Tage abzukürzen drohte. Usong umarmte seine geliebte Tochter, aber bat sie, nicht in ihn zu dringen; du sollst wissen, worüber ich mit dem Christen spreche, die Zeit ist aber noch nicht gekommen.

Nach und nach erheiterte sich Usongs Angesicht, er blieb ernsthaft, aber mit einer Ruhigkeit, die auf seiner Stirn sich zeigte, und über alles sein Thun leuchtete. Seine Gesundheit wurde nicht besser, aber es schien eine reine und erhabene Hoffnung in seinem Herzen zu herrschen, vor welcher heilsamen Strahlen der Unmuth verschwunden war.

Usong hatte längst gefühlt, daß sein Leib einsank, und sich seiner Verwesung näherte: er sah sich durch einen unwiderstehbaren Strom zur Ewigkeit hinreissen. Seine Einsicht war zu gründlich, als daß er sich hätte verbergen können, daß in der Ewigkeit die Zeit der Vergeltung seyn würde, wo das oberste [308] Wesen seinen Beyfall, oder sein Misfallen, seinen denkenden Geschöpfen zeigen müßte, da er beide in diesem Leben verbirgt, und oft den Tugendhaften leiden, den Bösen aber in einem beständigen Glücksstande hie leben läßt. 27

So tugendhaft Usong war, so weislich er Persien beherrschte, so fühlte er doch, daß er mit diesen äusserlichen Tugenden seine Schuld gegen das oberste Wesen nicht abgetragen hatte. Sein Gewissen, durch seine Weisheit gestärkt, hielt ihm seine Fehler vor, und den grösten aller Fehler, dessen sich die meisten, und die besten der Menschen schuldig machen, den Undank gegen Gott, die Kälte in der Liebe und in der Verehrung des Gebers alles Guten, die Anhängigkeit an das gegenwärtige, das heimliche Zutrauen auf das zerstreuende der Eitelkeit.

Mit einem entfremdeten Herzen gegen Gott, mit einem an den vergänglichen Geschäfften des Lebens einzig hängenden Gemüthe, hoffte Usong nicht Gott gefallen zu können, dem er sein Herz niemals anders als ungerecht getheilt geschenkt hatte. Und wie sollten seine Fehler vergeben werden. Wer konnte die ewige Gerechtigkeit Gottes abhalten, [309] dasjenige mit Misfallen anzusehen, was ihr Misfallen verdiente, und dieses Misfallen Gottes ist die Hölle.

Lange arbeiteten im Herzen Usongs diese nagende Gedanken, und schlugen alle seine Hofnungen zu Boden. Da er einmal mit tiefem Unmuth in die Werkstätte der Waffen kam, und mit abwesenden Augen die sonst ihm so angelegenen Zubereitungen übersah, wagte es endlich Veribeni, der seines gütigen Herrn Schwermuth nun schon lange angesehen hatte, und warf sich zu des Kaisers Füssen.

Was bin ich, sagte der alte Ehrwürdige, daß ich mich unterstehe, in des Kaisers Herz sehen zu wollen? Und dennoch kann ich nicht widerstehn, ich muß frech seyn, und sollte ich den Tod verdienen, ich muß fragen, was doch für ein Kummer des großen Usongs Herz einnehme: vielleicht bin ich das geringe, und dennoch das ausersehene Werkzeug, etwas zur Befriedigung seiner Sorgen beyzutragen.

Usong antwortete gütig und öffnete sich dem liebenden Fremdlinge noch nicht. Aber sein Herz hatte einen Vertrauten nöthig, er sah beym Veribeni Ernst, Gründlichkeit, Rechtschaffenheit, und [310] Verschwiegenheit, er gestund ihm bald hernach was ihm am Herzen nagete, und alle Ruhe von seinem Gemüthe verscheuchte.

Veribeni war ein ächter Christ, der nicht in Feyerlichkeiten, nicht in äussern dem verdorbensten Herzen leichten Thaten seine eigene Beruhigung suchte, der seine Zuversicht auf die Versprechungen Gottes setzte, und den Weg zur Rettung da suchte, wo ihn die geoffenbarten Bücher zeigten. Er leitete nach und nach den Kaiser auf die völlige Kenntniß der Verdorbenheit des Menschen, auf sein Unvermögen der göttlichen Gerechtigkeit genug zu thun, auf die Mittel, die die Erbarmung des Richters erfunden hatte, mit seiner Gerechtigkeit die Rettung des Sündigers zu vereinigen. Usong trat begierig in die Bahn, die einzig zur Hoffnung führte, er glaubte, und von dem Augenblicke an verschwanden seine Sorgen: eine Aussicht in eine endlose Glückseligkeit öffnete sich seinen aufgeschlossenen Augen, und er sah mit Gefälligkeit die Annäherung einer Ewigkeit, die ihn zu einem versöhnten Gott zurück führte.

Nicht lang hernach erklärte sich der Kaiser, er wäre gesinnet, dem Schach Sade' den Thron abzutreten. Die Geschäffte der Reichsverwaltung wären [311] ihm zu schwer geworden, er wollte sie nicht verabsäumen, und sein Volk nicht ohne ein thätiges Haupt lassen. Usong hätte für sich selber ein wichtiges Geschäffte, das alle seine Kräfte und seine Stunden erfoderte, vielleicht würde diese Ruhe, sagte er freundlich gegen die bekümmerte Nuschirwani, seine Tage um etwas zu verlängern.

Der Tag wurde angesetzt; die Feldherren, die Häupter aller Abtheilungen, die Abgesandten, die vornehmsten Richter, die Daroga, die Statthalter in den Provinzen, die noch übrigen Nowiane, erschienen vor dem großen Diwan. Ein Thron wurde in den großen offenen Saal gesetzt, die Seiten des Meidans besetzten die besten Krieger des Reiches, und den Raum ein unzählbares Volk. Usong trat mit allem Pomp eines orientalischen Kaisers auf den Thron, neben ihm und niedriger saß der Thronfolger.

Häupter der Perser, sprach Usong, indem er aufstund, heute sind fünfzig Jahre verflossen, seitdem ihr mich auf diesen Thron setztet: habt Dank für euer Vertrauen, habt Dank für eure Treu. Kein Perser hat den Usong mit seinem Widerwillen betrübt, keinen Perser hat er zum Feinde gehabt. Ich bin nicht mehr derjenige, [312] der für euch zu Felde zog, meine Arme sind schlapp geworden, meine Augen sehen dunkler, meine Stimme wird undeutlich, und in kurzer Zeit würde ich ein bloßer Schatten eines Herrschers seyn.

Zum letztenmale seht ihr mich: ich werde aber Persien nicht verwaiset verlassen. Ich habe alles gethan, einen würdigen Thronfolger zu bilden, empfangt ihn mit Vertrauen, liebt ihn, wie ihr mich geliebet habt. In ihm vereinigt sich das edelste Blut unter den Menschen, des Ismaels, und des Tschengis. Es lebe Ismael Padischa, der Kaiser der Perser! Hiermit stieg er herunter, er gürtete seinem Enkel Rustans geweihetes Schwerdt um, und leitete ihn auf den erledigten Thron.

Halb bestürzt, wehmüthig, und dennoch durch des wohlgebildeten Jünglings edeln Anstand gerührt, gewohnt alle Räthe des Usongs als die Aussprüche der Weisheit zu verehren, rief das Volk: Es lebe Ismael Padischa, er herrsche wie Usong!

Die Großen bezeugten, nach der Weise der Morgenländer, dem neuen Kaiser ihre Ehrerbietung, und Usong suchte ermattet die Ruhe.

[313] Veribeni verließ ihn selten mehr: die Kräfte nahmen täglich ab, und täglich füllten sich seine Augen mit einem höhern Vergnügen, dessen Quelle nicht in der Welt entsprang. Er ließ zum letztenmal seinen Nachfolger zu sich bitten. Ismael ist jung, er liebt aber die Tugend. Höre, mein Sohn, die Räthe deiner Mutter, dein Ahnherr hat sie gehört, und nützlich gefunden, wer wird dich besser lieben? Traue nicht zu viel auf deine Kräfte, zieh zu Rath, erwäge und dann entschließe. Ich habe getrachtet, die Aemter mit würdigen Männern zu füllen, verändere sie nicht plötzlich. Liebe deines Ahnherrn Freunde, sie sind ihm treu gewesen, und die Erfahrung hat sie weise gemacht. Er umarmte den bestürzten Ismael, wandte sich zur weinenden Nuschirwani, und sagte mit dem zärtlichsten Anblicke: Fahre wohl, meine Tochter, die würdig war meine Freundinn zu seyn. Brauche alle die sieghafte Anmuth deines Geistes, deinen Sohn im Vertrauen gegen dich zu behalten, das Schicksal von Persien beruht auf eurer Freundschaft. Nach meinem Hinscheide wird Veribeni dir die Worte sagen, die mir den Tod zum Wunsche gemacht haben. Fahre wohl, sterbe wie Usong.

Er umarmte die in Thränen schwimmende Gemahlinn, und bat sie, in der Nuschirwani Freundschaft[314] ihren Trost zu suchen. Er beurlaubte sich vom getreuen Scherin, und von seinen Vertrautesten. Er ersuchte hernach, daß man ihn allein lassen möchte: ich kann nicht mehr, sagte er schmachtend. Nur Veribeni blieb: man hörte den Kaiser zuweilen auf einige Zureden des ehrbarn Waldensers antworten; es blieb bald bey einem bloßen ja, und endlich redete Veribeni allein.

Nuschirwani, die im nächsten Zimmer war, konnte sich nicht mehr halten, und stürzte vor das Bette des Sterbenden. Mein Vater, rief sie mit ringenden Händen! Usong sah sie mit einem Antlitz an, auf dem der Glanz der himmlischen Freude sich verbreitete, still, aber ohne Wolken; der Blick war der letzte, sterbend heftete er sein Auge auf die Geliebte, und schloß sie auf ewig.

Man bot dem Veribeni, zur Vergeltung seiner treuen Dienste, alle Geschenke einer kaiserlichen Freygebigkeit an. Nein, sagte er, was ich gethan habe, wird seinen Belohner finden, ich werde frölich sterben, der Gröste der Menschen hat die Wahrheit erkannt. Aber niemand muß mich verdächtigen, daß ich zeitliche Absichten gehabt habe. Diese einzige Bitte bleibt mir: nimm, [315] durchlauchtigste Nuschirwani, diese einfältige Erzählung der letzten Stunden deines verklärten Vaters an, sie ist sein letztes Vermächtniß. Veribeni begab sich in eine Einsamkeit, sein Wunsch wurde erfüllt, er starb bald hernach ohne Freunde, ohne Zeugen, ohne menschlichen Trost; aber derjenige blieb bey ihm, der in Ewigkeit keine Thränen in die Augen seiner Geliebten kommen läßt.

Fußnoten

1 Nach der Strenge des Korans sollten keine Gemählde bey den Mosiemim Platz haben. Aber die Mahlerey hat zu allen Zeiten im Morgenland eine Ausnahme genossen. Ich habe beym Ritter Sloane alle Großen des Hofes von Indostan, und den Aureng Zeb von einem persischen Mahler geschildert gesehen; die Arbeit war vom größten Fleisse, nur zu flach, und ohne genugsamen Schatten.

2 Artaxerxes, der erste der Sassaniden, die auf die Parthen folgeten.

3 Bizarro.

4 So hießen die Morgenländer den Tschengis und den Timur, sie verstunden dadurch das Gestirn, dar eben zu derselben Zeit alles beherrschte.

5 Der Titel des ersten Ministers.

6 Des ersten Menschen in der fabelhaften Geschichte von Persien. Er soll etliche hundert Jahre geherrscht haben.

7 Großvezier.

8 Karl Martel und beyde Pipine.

9 Harun hatte ihm seine geliebte Schwester Abassai vermählt, aber ihm den Gebrauch der Rechte untersagt, die die Ehe giebt.

10 Eroberers. Die sieghaften Sultane fügen ihn ihren Titeln bey.

11 Einer eigenen Meschid, die nur derjenige Sultan erbauen darf, der die Gränzen des Reiches erweitert hat.

12 Die heut zu Tage mächtigen Scheiken.

13 Dieses sagte noch Della Valla vom ersten Abbas.

14 Zeilon.

15 Noch Schach Nadir hat der englischen Gesellschaft die zu Asterabad von den Aufrührern geraubten Güter ersetzt.

16 Rahdar Della Valle T. VI.

17 Aus den Gesandschaften des Contarini und Barbaro an den Usong.

18 Bizarro.

19 Tiberius, Hadrianus, Abas waren gefährliche Fürsten für ihre Höflinge und für die Großen, dabey aber gute und nützliche Regenten für das Reich.

20 Artaxerxes mit der lagen Hand.

21 Das Geschenknehmen ist der große Fehler, und der Untergang aller morgenländischen Staatsverfassungen.

22 Diese Tyul sind einer der größten Saaatsfehler in Persien. Chardin T. VI.

23 Das haben Usongs Nachfolger gethan.

24 Den großen gefüllten wohlriechenden Jasmin.

25 Chardin T. VI.

26 Wie da, wo die Intendans besiegelte Briefe in ihrer Gewalt haben.

27 In dieser Traurigkeit hat Abas der Große seine letzten Jahre hingelegt.

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TextGrid Repository (2012). Haller, Albrecht von. Roman. Usong. Usong. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-33E0-1