[202] Reisebeschreibung, für meinen Fritz

1781.


In Kassel war ein Elephant,
Der an Gehalt im Jahr',
Gerade gleich mit mir sich stand,
Und den ein jeder witzig fand,
Weil er ein Säufer war.
In Frankfurt baun die Herrn, von Stein,
Ein größres Schauspielhaus;
Das alt' ist beides denn: zu klein
Und groß; denn Niemand geht hinein,
Und Niemand geht heraus.
[203]
Ein Thor erbaut der Magistrat
In Heidelberg, voll Pracht 1!
Von Bettlern wird man in der That,
Bis auch ein Arbeitshaus der Rath
Wird baun, fast umgebracht.
Der Dom in Speier ist durchaus
Und schön erneut, mein Sohn.
Siehst gern Ruinen? Manches Haus
Liegt jämmerlich in Schutt und Graus
Ein Seculum dort schon!
Ein Thor der Festung Manheim thut
Zu wissen: daß die Stadt
Drei Hundert Jahre nach der Flut,
Die einst verschlang der Vorwelt Brut,
Mannus erbauet hat.
Das Zeitwort galoppiren: Wie
Schreibt das dein Cantor Heinz?
Was? ga-lop-pi-ren? Pfi doch, pfi!
[204]
Niemand darf kaloupiren hie 2!
So schreibt's der Rath in Mainz.
Mit aller Weltgelehrsamkeit,
Mit Witz und mit Geschmack,
Bringst du, mein Sohn, es niemals weit;
Drum sinne du bei guter Zeit
Auf neuen Schnupftobak.
Herr Bolongaro 3 schrieb zwar fast
Den Mainzern gleich 4; allein
Reichsgrafen gleich hat er gepraßt,
Und einen fürstlichen Pallast
Erbaut, zu Höchst am Main.
[205]
Die Militär-Akademie
In Stutgard, ist allein
Vielleicht der Reise werth, um sie
Zu sehn; doch dahin reise nie!
Denn Niemand kommt hinein 5.
Die Militär-Akademie
In Colmar, kannst du sehn,
So viel du willst, so spat als früh,
Und unzufrieden wirst du nie
Aus ihr nach Hause gehn 6.
Wie, denkst du wohl, daß aus Gefahr
Zurück ein Krieger kehrt?
Essex, auf Strasburgs 7 Bühne, war
[206]
Sehr nett frisirt, und nicht ein Haar
An der Frisur versehrt.
Du weißt, wie schön im Mondenschein'
Spatzieren gehen sey.
In Zweibrück wirst du oben ein
Begleitet von Laternen seyn 8:
Das heiß' ich Polizei!
Wer lahm und blind ist, der vertrau'
Dem Bad' in Lauchstedt zwar,
Doch keine Adelstolze Frau,
Denn die wird nur zu Brückenau 9
Geheilt von ihrem Staar.

Fußnoten

1 Es kostet über 80000 fl.

2 So heißt die Aufschrift der Tafel an der Rheinbrücke, die wenigstens auf Verordnung des Magistrats dastand.

3 Weiland ein Tobaksfabrikant aus Frankfurt, der seinen Namen einer neuen Sorte von Schnupftobak gegeben hat.

4 Wie die Inschrift auf dem von ihm zu Höchst erbauten (Bett-Hause) Bet-Hause beweiset.

5 Nemlich, um den Unterricht, worauf doch alles ankommt, mit anzuhören. Um das Aeußerliche und Zufällige in Augenschein zu nehmen, dazu konnte man leicht Erlaubniß erhalten, als sie noch bestand.

6 Sie war eine Privatanstalt des verstorbenen Dichters Pfeffel.

7 Französischer.

8 Wer ohne Laterne, selbst bei vollem Mondenscheine, betroffen wird, den bringt man in die Wache.

9 Ein Bad und Curbrunnen im Fürstenthum Fulda. Eine adeliche Dame, die dort aus Stolz mit einem Bürgerlichen nicht hatte tanzen wollen, wurde genöthiget, das Bad zu verlassen, weil der Fürst selbst dort keinen Vorzug verlangte.

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TextGrid Repository (2012). Goeckingk, Leopold Friedrich Günther von. Gedichte. Lyrische Gedichte. Zweites Buch. Reisebeschreibung, für meinen Fritz. Reisebeschreibung, für meinen Fritz. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-E06F-D