Des Konnetabels Weib.

Der Konnetabel von Armignac heiratete aus Geldgier die Gräfin Bonne, die insgeheim einen Sohn des Kämmerers König Karls des Sechsten, den kleinen Savoisy, liebte. Der Konnetabel war ein grober Kriegsmann und ein hariger, widerwärtiger Kumpan, der nur ans Hängen dachte und über das Schlachtgetümmel verliebte Kämpfe vergaß. So war ihm auch seine Ehe nur ein Mittel, schneller vorwärts zu kommen, und da solche Kerle den Frauen in den Tod zuwider sind, so entflammte die schöne Gräfin als Weib des Konnetabels nur um so heftiger für Savoisy, und der war nur allzu bereit in dem Liebesduo die Partnerrolle zu übernehmen.

Wie jeder weiß, hütet man sich in den ersten Zeiten solchen Liebeslenzes sorglich, sein Herzensgeheimnis preiszugeben, aber dann kommt doch ein Tag, wo man durch eine winzige Unachtsamkeit alle frühere Vorsicht [104] zunichte macht. So begab es sich denn einmal, als der Herre von Armigniac just Urlaub hatte, daß er seinem Weibe einen guten Morgen wünschen und sie zärtlich wecken wollte. Sie aber schwelgte noch in süßen Träumen und ohne die Lider zu heben erwiderte sie: »Laß mich doch, Karl!«


Der zornige Ehemann

»Hoho!« knurrte der Konnetabel, als er diesen Namen hörte, der dem seinen so gar nicht glich, »was für ein Karl spukt ihr da im Kopfe?!« Stracks stellte er seine Zärtlichkeiten ein, sprang aus dem Bett und stürmte wutflammend mit bloßem Degen in die Kammer, wo die Zofe schlief. Denn er war sicher, daß diese ihre Hand mit im Spiel hatte und zornbebend schnob er sie an: »Hah, du Satansbuhle, sprich dein Sterbegebet, denn den Karl, der ins Haus kommt, sollst du mit dem Leben büßen!«

»Weh! wer sagte Euch das?« fuhr die Zofe auf.

»Auf der Stelle ersteche ich dich, wenn du nicht gestehst, wie sie mich hintergehen! Und nicht erst lange herumgedrückt; heraus mit der Sprache, sonst breche ich dir mit der Klinge die Kiefern auf!«

»So erstecht mich: denn Euch sag' ich kein Wort!« Aber so viel Mut half ihr nichts. Der Konnetabel spießte sie in rasendem Grimme an die Wand und stürmte dann zurück zu seiner Frau. Auf der Stiege traf er seinen Stallmeister, der auf der Zofe Wehegeschrei herbeieilte, und rief ihm zu: »Sieh nach Billette, ich habe sie etwas arg gezüchtigt.« In seines Weibes Zimmer [105] packte er sein schlafendes Söhnlein mit brutaler Faust, und dessen Geschrei weckte die arme Mutter, die mit entsetzensstarren Augen sah, wie ihr Mann mit bluttriefender Hand ihr Kindlein hielt und mit rohen, mordlustigen Blicken Sohn und Mutter anstierte.

»Was habt Ihr?« fragte sie.

»Weib!« rief der blutgierige Kumpan, »ist dies Kind meines Samens oder zeugte es Euer Geliebter Savoisy?« Darob erblich Bonne jählings und stürzte auf ihr Kind zu:

»Natürlich ist es unser beider Kind!«

»So gesteht mir ohne Zaudern, dafern sein Kopf Euch nicht zu Füßen rollen soll: Habt Ihr mir einen Stellvertreter gegeben?«

»Ja.« – »Wer ist es?«

»Es ist nicht Savoisy, aber nie werde ich Euch den Namen eines Mannes nennen, den ich nicht kenne!« Und als der Konnetabel sie grob beim Arm packte, um ihr mit einem Schwertstreiche das Wort abzuschneiden, rief sie mit hoheitsvollem Blicke: »Tötet mich, aber berührt mich nicht mehr!«

»So lebt,« versetzte er, »um eine noch schlimmere Strafe zu leiden als den Tod.« Mit dieser wilden Drohung verließ er sie und erwog dann grübelnd all die Ränke und Schliche der Frauen, um der Sache auf die Spur zu kommen. Unerbittlich, wie Gott beim jüngsten Gericht, vernahm er die Dienerschaft, aber ihr angstvolles Stammeln ergab, daß sie nicht das geringste damit zu [106] tun hatten. Nur ein Köter ward verdächtig, nächtlings im Garten geschlafen statt gewacht zu haben, und ihn erwürgte er mit eignen Händen. Einzig durch die Gartenpforte am Flusse also konnte der Vizegalte gekommen sein. Man muß nun fürs folgende wissen, daß das Schloß allseitig stark befestigt war. Nach der Straße lag eine prächtige Vorhalle und die Ufermauern waren mit Türmen bewehrt. Lange zergrübelte der Konnetabel sich den Kopf, bis er sich einen Hinterhalt erdacht hatte, in den der Liebhaber geraten mußte, wie der Hase in die Schlinge. Und zwar machte er's so: in jenen Türmen postierte er seine besten Bogenschützen und befahl ihnen unter furchtbaren Drohungen unterschiedslos, mit einziger Ausnahme seines Weibes, auf jeden zu schießen, der beim Garten hinaus wollte, hingegen bei Tage wie bei Nacht den verliebten Edelmann hinein zu lassen. Gleiches tat er auch bei der Vorhalle zur Straße hin. Den Hausleuten hingegen war bei Todesstrafe verboten, das Schloß zu verlassen, und zudem ließ er noch die benachbarten Straßen überwachen. Solchen Fangeisen konnte natürlich selbst der Pfiffigste nur mit Gottes Hilfe entgehen, und da die Gräfin wußte, daß der Konnetabel nach dem Essen wider Poissy aufbrechen wollte, mit dessen Bewohnern er in Fehde lag, so war anzunehmen, daß der jugendliche Liebespartner bereits zu dem holden Kampfe geladen war, daraus sie stets siegreich hervorzugehen pflegte. Während jener nun aber das Schloß mit mörderischen Fallen umgab, [107] war auch sein Weib keineswegs müßig. Schon hatte sich die sterbende Zofe zu ihr geschleppt, erzählt, daß der gehörnte Gatte nichts wisse, und die geliebte Herrin im Verscheiden beschworen, sich ihrer Schwester anzuvertrauen, die im Schlosse als Wäscherin diente und für die Gräfin durchs Feuer zu gehen bereit war. Diese spielte zudem ob ihrer Schliche und Pfiffigkeit in der ganzen Gegend die Ratgeberin in kniffligen Liebesfällen. So ließ die Gräfin, kaum, daß sie ihrer Zofe weinend die Augen zugedrückt hatte, jene Wäscherin holen und überlegte mit ihr hin und her, wie man Savoisy rechtzeitig warnen könne.

Zunächst versuchte die gute Magd wäschebeladen aus dem Schlosse zu gelangen; aber an der Tür trat ihr ein junger Krieger in den Weg, der all ihren Vorstellungen taub blieb. Darum versuchte sie in ihrer Opferbereitschaft ihn bei seiner schwächsten Seite zu packen und solch zärtlichen Lockungen widerstand er nicht: gerüstet und gewappnet, so wie er war, wagte er mit ihr ein Tänzlein, und alles ging vortrefflich: nur ließ er sie am Ende doch nicht hinaus. So versuchte sie ihr Glück erst bei einem hübschen Kerl, der ihr gefühlvoller schien, dann bei den andern, aber keiner wollte ihr auch nur das kleinste Pförtlein auftun und so rief sie entrüstet: »Pfui, was für undankbare Gesellen, die nicht gleiches mit gleichem vergelten.«

Doch kannte sie nun wenigstens die Sachlage, eilte zu ihrer Herrin zurück und beschrieb ihr des Grafen Anordnungen. [108] Und wieder hielten beide Kriegsrat, da ja das Feuer auf den Nägeln brannte. Als die Gräfin hörte, daß sie allein das Haus verlassen dürfe, da wollte sie flugs von ihrem Rechte Gebrauch machen. Doch sah sie sich schon nach wenigen Schritten von vier Pagen und zwei Kriegern gefolgt und kehrte so hoffnungslos in ihr Gemach zurück, allwo sie herzbrechender weinte, denn alle Magdalenen auf den Kirchengemälden zusammengenommen. Plötzlich rief die Wäscherin: »Wie wär's, wenn wir den Küchenjungen, der in mich so närrisch verliebt ist, in Edelmannskleider steckten und zur Pforte hinausschickten?«

Die beiden blickten sich verständnisinnig an wie zwei höllische Mordbuben. Aber dann griff die Gräfin wehmütig an ihr Herz und sagte kopfschüttelnd: »Leider wird ihn der Graf erkennen. Nein, nein, meine Liebe, hier muß edles Blut fließen, da hilft nichts!« Dann aber, nach kurzer Überlegung, sprang sie fröhlich der Wäscherin um den Hals und rief: »Dein Rat wird ihm doch das Leben retten und bis zum Tode werd' ich dir das danken!«

Flugs trocknete sie ihre Tränen und begab sich mit zuversichtlichem Gesicht zur Messe in die Paulskirche, gefolgt von den vier Pagen und zwei Kriegsleuten. Stets waren bei dieser letzten Messe die reichsten und schönsten Edelleute und Edelfrauen versammelt und gar mancher dieser geschniegelten Jünglinge pflegte raubvogelgleich die Gräfin zu umkreisen und den Schnabel beutegierig [109] aufzusperren. Unter ihnen war einer, dem die Gräfin gar bisweilen mildtätig einen Blick gönnte, weil er aufrichtiger und ehrbarer ausschaute als die andern. Er lehnte stets an demselben Pfeiler und blickte unverwandt auf sie hin, derweile sein bleiches, schwermütiges Gesicht die Hoffnungslosigkeit seiner Liebe spiegelte. Nach seinem schlichten, aber geschmackvollen Aussehen hielt ihn die Gräfin für einen armen Edelmann und sie hatte recht: Julian von Holzstecken hatte von seinem Ahn nur das Holz geerbt, das seinen Namen zierte. Und maßen selbiges nicht einmal zu einem Zahnstocher gelangt hätte, so hatte sich der Jüngling an den Hof begeben, allwo er seine äußeren Vorzüge verwerten wollte. Denn er wußte wohl, wie die Damen hinter so vielversprechenden kräftigen und schönen Herrlein her sind. Aber bei der Messe hatte er der Gräfin siegreiche Schönheit erblickt und sich also leidenschaftlich in sie verliebt, daß er Essen und Trinken darüber vergaß. Und dieser Jungherr war's, den des Konnetabels Weib nunmehr in den Tod schicken wollte.

Als sie in die Kirche trat, sah sie ihn bereits getreulich an dem Pfeiler ihrer harren, wie ein Kranker der Frühlingssonne entgegenharrt. Nun wollte sie zunächst zur Königin gehen und sie um Beistand anrufen; denn trotz ihrer verzweifelten Lage tat ihr der Jüngling leid. Aber stracks trat ihr einer der Kriegsleute in den Weg und sprach in ehrfürchtigem Tone: »Gnädige Frau, uns ward befohlen, Euch daran zu hindern, daß Ihr mit [110] irgend jemanden sprächet und wäre es selbst die Königin oder Euer Beichtvater. Es würde uns den Kopf kosten!«

So mußte sie geradeswegs ihren gewohnten Platz aufsuchen; doch schaute sie auf den Jüngling und er schien ihr noch bleicher und hohläugiger denn je. Darob sagte sie sich, daß er sowieso mit einem Fuße im Grabe stehe und warf ihm, solchermaßen innerlich beruhigt, einen glühenden Blick zu, der alsbald ihres Anbeters Herz mit wehem Glück erfüllte. Glühe Röte bedeckte jach sein Antlitz und das sagte ihr mehr als die heißesten Worte. Um aber sicher zu gehen, setzte sie ihr Spiel fort und als sie mehr denn dreißig Flammenblicke entsandt hatte, war sie überzeugt, daß er ohne Zagen für sie in den Tod gehen würde. Voll Rührung beschloß sie, ihn in einer einzigen Umarmung mit allen Seligkeiten der Liebe zu beschenken, um nicht ganz sein Schuldner zu bleiben. Als nun der Priester seine Herde heimsandte, ging sie an jenem Pfeiler vorbei und hieß ihm durch einen ausdrucksvollen Blick ihr zu folgen; und um ihre Aufforderung zu bekräftigen, drehte sie sich nach ein paar Schritten ein weniges um und wiederholte ihren Wink. War er zuerst noch unentschlossen, so ward er nun seiner Sache gewiß und mischte sich schüchtern unter die Hinausgehenden, gelenkt und gelockt von immer neuen Funkelblicken: kurz, die Gräfin handelte wie eine Dirne, die ihre Schlingen auswirft. Und als der Jüngling vor dem Tore ihres Schlosses [111] zögerte, da umflammte ihn ein wahrhaft höllischer Blick, der ihn blindlings zu seiner Herzenskönigin eilen ließ, als hätte sie ihn gerufen. Alsbald reichte sie ihm die Hand und erschauernd standen nun beide voreinander im Schloßhofe. Aber er bebte vor Liebe, sie vor Reue ob ihrer Dirnenränke, die Savoisy verrieten um ihn zu retten. Doch ihre Reue ging nicht tief und kam auch zu spät. Das sah sie schnell ein und kurzentschlossen stützte sie sich nachdrücklich auf des Edelmanns Arm und sprach: »Kommt schnell in mein Gemach, denn ich muß mit Euch sprechen.«

Und ihm in seiner Ahnungslosigkeit schnürte die Hoffnung auf ein nahes Glück die Kehle zu, also daß er ihr schweigend folgte. Als die Wäscherin sah, was für ein hübscher Jüngling so schnell ins Garn gegangen war, dachte sie: »Wirklich, den Hofdamen kann man's nicht nachmachen!« Und dann besah sie ihn mit jener Mischung von Achtung und Spott, die jeder erweckt, der für so wenig den Tod wagt. Die Gräfin nahm sie zur Seite und sprach:

»Ach, mir gebricht der Mut ihm zu gestehen, wie ich seine vertrauensvolle Liebe lohnen will.«

»Aber wozu es ihm überhaupt sagen?! Schickt ihn, beglückt wie er ist, zum Gatter. Wie viele sterben im Kriege für nichts, während er einem guten Zwecke geopfert wird.« Doch die Gräfin fuhr auf:

»Nein – ich will ihm alles gestehen: das sei meine Strafe.« Und damit wandte sie sich zu dem Edelmanne, [112] der bescheiden abseits stand und sich teils ob der Keckheit der Gräfin verwunderte, teils sie mit tausend Gründen entschuldigte, zumal er sich selbst einer Tollheit wohl wert hielt. Aus diesen Gedanken riß ihn Bonne, indem sie ihn in ihr Gemach treten hieß. Und dorten nun legte sie alles Selbstbewußtsein ihrer hohen Stellung ab, warf sich ihm als schlichtes Weib zu Füßen und sprach:

»Weh mir, wie hab' ich mich wider Euch vergangen: wisset, daß Ihr im Schloßhofe den Tod findet; denn von Liebe zu einem andern verblendet, liefre ich Euch seinen Mördern aus, ohne Euer Opfer durch sein Glück zu erkaufen. Das ist's, wofür ich Euch hierher lockte.« »Oh, wie danke ich Euch, daß Ihr über mich als Euer Eigen verfügt,« erwiderte er in hoffnungsloser Ergebenheit. »Stets erträumte ich, Euch mein Teuerstes zu opfern: so nehmt denn mein Leben!« Und er sah sie also innig an, daß sich vor Rührung ob seines Mutes ihr Herz zusammenkrampfte in dem Gedanken, er könne sie verlassen, ohne selbst die geringste Gunst zu erflehen. So erhob sie sich, um ihn zu umarmen und rief:

»Kommt, ich will Euch Kraft geben!«

»Weh, edelste Frau!« entgegnete er und seine blinken Augen feuchteten sich, »wollt Ihr mich mit allzu festen Liebesbanden ans Leben ketten?«

Soviel Liebesglut raubte ihr die Besinnung: »Komm, komm! Mag werden, was will. Komm, und hernach wollen wir beiden drunten in den Tod gehen!«

[113] Jähe Glut umlohte beide, wie von Sinnen fielen sie sich in die Arme und in tollem Liebesrasen versanken um sie die Gefahren, die Savoisy und sie selbst bedrohten, versank Gatte, Tod, Leben, alles, alles im Nebel seligen Vergessens.

Indessen war dem Konnetabel von der Vorhalle her gemeldet worden, trotz der warnenden Blicke der Gräfin sei ihr Liebster ihr ins Schloß gefolgt. Aber von der Ufermauer her meldete man zu gleicher Zeit: »Der Herre von Savoisy naht,« und so beachtete er die andern Boten nicht und rief mit herrischer Gebärde, die keinen Widerspruch duldete: »Der Fuchs sitzt dort in der Falle!« und sogleich warfen sich die Mannschaften wider Karl Savoisy, der just die Pforte durchschritten hatte: und eine merkwürdige Fügung wollte es, daß sie ihn unter den Fenstern der Gräfin in dem gleichen Augenblicke erschlugen, da jene sich in heißen Liebeswonnen wand, also daß sich in ihr leidenschaftliches Ächzen der Krieger Lärm und Savoisys Todesstöhnen mischte. Darob fuhren die Liebenden jählings empor und die Gräfin rief schreckenbleich: »Weh mir, er stirbt für mich!«

»So laßt mich für Euch leben!« sprach der Herre von Holzstecken, »und ich werde mich selig preisen, wenn ich mein Glück mit gleichem Opfer bezahlen kann wie er.« »Flink in die Truhe, der Konnetabel kommt!« unterbrach sie ihn. Und wirklich trat gleich darauf der Herre von Armagniac ein, stellte ein blutiges Haupt, das er [114] mitbrachte, auf den Kamin und sprach: »Dies Bild mag Euch eheliche Pflichttreue lehren!«

»So habt Ihr einen Schuldlosen getötet,« erwiderte sie ohne zu erbleichen: »Savoisy war nicht mein Geliebter.« Und dabei blickte sie ihm also kühnlich und voll weiblicher Selbstbeherrschung ins Auge, daß er betreten ward wie ein Mägdelein, das sich am falschen Orte vernehmen läßt. Und voll Bangens, einen Fehlgriff getan zu haben, stammelte er:

»Von wem denn träumtet Ihr heute früh?«

»Vom Könige,« entgegnete sie.

»Aber warum sagtet Ihr das nicht, Liebste?«

»Hättet Ihr mir in Eurer viehischen Wut geglaubt?« Darob zwickte er sich verlegen ins Ohr und fragte: »Aber wie kam Savoisy zu dem Schlüssel für die Mauerpforte?«

Worauf sie kurz erwiderte: »Das weiß ich nicht! Zumal Ihr ja doch nicht achten wollt, was ich Euch sage.« Und damit wandte sie sich hurtig wie eine Wetterfahne um, als wolle sie im Hause nach dem Rechten schauen. Und derweile Holzstecken sich wohlweislich stille verhielt, betrachtete Armignac das Haupt Savoisys voll nagender Beklommenheit, knurrte wilde Flüche vor sich hin, tat endlich einen gewaltigen Faustschlag auf den Tisch und rief: »So mags denen von Poissy an den Kragen gehen!« Damit stürmte er davon, während Holzstecken später im Dunkel der Nacht wohl verkleidet aus dem Schlosse schlich.

[115] Der arme Savoisy ward von seiner Liebsten gar heiß beweint, da sie doch alles menschenmögliche zu seiner Rettung versucht hatte. Aber später ward er von ihr nicht nur beweint, sondern auch, was mehr ist, arg vermißt: denn als die Königin Isabeau von der Gräfin, ihrer Base, die Geschichte erfuhr, machte sie ihr den Herrn von Holzstecken abspenstig, maßen seine edlen Tugenden sie bezauberten. Überhaupt war dieser nunmehr der Löwe des Tages; aber seine Erfolge stiegen ihm zu Kopfe und so zog er sich den Neid der Höflinge zu, die dem Könige verrieten, daß er ihn hörne. Darob ward er eines Tages kurzerhand in einem Sacke in die Seine geworfen. Dem Konnetable aber rieb sein Weib den blutigen Fehlgriff so andauernd unter die Nase, daß er am Ende gefügig ward wie ein zahmer alter Kater, und als demütiger Ehemann sein Weib allenthalben pries und bewunderte.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2011). Balzac, Honoré de. Erzählungen. Die drolligen Geschichten. Des Konnetabels Weib. Des Konnetabels Weib. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-1EBE-A