Die Diebsstellung

Mündlich.


Maria in den Garten trat,
Begegnen ihr drey Jüngling zart.
Der erste war Sankt Daniel,
Dann Raphael, dann Michael.
Sankt Daniel zu ihr da lacht,
Die Jungfrau spricht: »Was hast gelacht?
Sankt Daniel spricht: »Ich wacht zu Nacht,
Zwey Dieb die hatten sich erdacht:
Vermassen sich wohl zu geschwind,
Zu stehln dein allerliebstes Kind.«
Sie spricht: »Das wird nun werden gut,
Dann wer mein Kindlein stehlen thut,
Den müst ihr binden an die Schwell,
Daß er nicht kann von seiner Stell.«
»Sankt Raphael, Sankt Michael,
Ihr bindet ihn da an die Stell.«
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Sankt Daniel sprach: »Ey seht nur an,
Da stehen sie noch Mann für Mann.
Der Schweiß der läuft von ihnen sehr,
Die wagen umzusehn nicht mehr,
Gebunden sind in eiserm Band,
An Gottes Erd, von Gottes Hand,
Sie stehen da wie Stock und Stein,
Bis sie die Stern gezählet ein,
Bis sie den Sand am Meer gezählt,
Die ungebornen Kind der Welt.«
Maria sie aus Banden nahm,
Wer Rechtes thut hat keine Scham.

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TextGrid Repository (2011). Arnim, Ludwig Achim von. Gedichte. Des Knaben Wunderhorn. Band 1. Die Diebsstellung. Die Diebsstellung. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-0AB5-1