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An Wilhelm von Humboldt

[Concept.]

Vorstehendes war schon vor sechs Wochen geschrieben und blieb in Jena liegen, als ich unvermutet von dort abgerufen wurde. Ich gedachte Ihnen noch manches von unsern litterarischen und philosophischen Händeln zu schreiben; will mich aber kurz fassen damit Sie nur ein Lebenszeichen von mir sehen.

Durch Ihren Montserrat haben Sie uns ein großes Vergnügen gemacht. Die Darstellung ist sehr gut geschrieben, man liest sie gern und man kann sie aus der Einbildungskraft nicht los werden. Ich befinde mich seit der Zeit, ehe ich michs versehe, bey einem oder dem andern Ihrer Eremiten.

[103] Wegen des Druckes bin ich in einiger Verlegenheit. Ich möchte den Aufsatz nicht gern für die Propyläen verlieren; aber ins gegenwärtige Stück geht er nicht mehr und ich weiß nicht wann ich an das nächste kommen werde. In den Merkur wird er auch nicht auf einmal ganz eingerückt werden können; denn es macht gegen 5 Bogen unseres Propyläendrucks. Ich will ihn auf alle Fälle zurückhalten bis ich wieder Antwort von Ihnen habe.

Ich kann Ihnen nicht aussprechen wie sehr ich mich freue die übrigen Theile Ihrer Reisebeschreibung zu sehen. Wenn ein Freund, mit dem wir in den Hauptpuncten der Denkweise einstimmen, uns von der Welt und ihren Theilen erzählt; so ist es ganz nahe als wenn wir sie selbst sähen. Ich suchte gestern den Montserrat in einer spanischen Reise auf und es war eben so gut wie gar nichts. Fast glaube ich der Reisebeschreiber ist nicht oben gewesen.

Haben Sie recht viel Dank für die übersendete Skizze des Sextus, mit der erläuternden Beschreibung. Auch hier sieht man die wunderbare sentimentale Wendung, welche die französische Kunst, dem Geist des Jahrhunderts gemäß, immer mehr und mehr zu nehmen auf dem Wege ist. Es scheint eben durch die Künstler aller Nationen durchzugehen dasjenige ausdrücken zu wollen, was man nicht ausdrucken kann noch soll.

Gleichen Dank für alle Bemühungen, die Sie angewendet [104] haben, mir zu Abgüssen einiger griechischen Kunstwerke zu verhelfen, wir wollen denn unsere Begierde darnach mäßigen und zähmen.

Suchen Sie doch übrigens ja einen Correspondenten in Paris zu erhalten, damit man zeitig erführe was in Kunst und Wissenschaft dort vorginge. Es wird zwar alles dieß in Deutschland novellistisch und journalistisch herumgeschleift, aber auf so eine fatale und unzulängliche Weise, daß man auf diesem unreinen Weg nichts davon erfahren mag. Ich habe auf der Leipziger Messe Philiberts Botanik und ein neues physikalisches Lexikon angeschafft, die mir manches zu denken geben, worüber ich aber von Ihnen die näheren Ausschlüsse hoffen kann.

Ich lege, damit Sie doch auch das Neuste aus Deutschland erfahren, eine Ankündigung bey, die, wie Sie wohl gleich sehen werden, von Fichten geschrieben ist. Die Gebrüder Schlegel haben von der andern Seite ein ähnliches Institut, in Cottas Verlag, übernommen und beyde gehen darauf aus, der Litteraturzeitung zu schaffen zu machen. Diese hat nun Griesbach an der Spitze der Direction, Hufeland ist in der Zeit der großen Händel, welche Wilhelm Schlegel und Schelling erregt hatten, abgegangen.

Schiller ist poetisch thätig, ich bin es nicht so sehr als ich wünschte. Die zur Production so nöthige Muße fehlt immer mehr je älter man wird. Grüßen Sie Ihre liebe Reisegefährtin. Möge doch eine gute [105] Gesundheit Ihr Geleitsmann bleiben! haben Sie ja die Güte uns den Zeitpunct Ihrer Ankunft näher zu bestimmen.

Jena am 15. Sept. 1800.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1800. An Wilhelm von Humboldt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-904C-9