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An Sulpiz Boisserée

Auf Ihren freundlichen, umständlichen Brief, der mir ein langes Entbehren Ihrer Nachrichten auf einmal vergütet, will ich sogleich, mich kurz fassend, einiges erwidern. Von der Schlacht bey Lützen an bis zum Ablauf des Stillstandes befand ich mich in Töplitz (denn es ziemt und wohl in dieser Zeit unsere kleinen Privatzustände der Weltgeschichte zu messen), sodann habe ich in Weimar, die bedeutenden Tage hindurch, Sorge, Furcht, Angst, Schrecken und Leiden mit so viel anderen getheilt, nicht ohne eine gewisse innere Thätigkeit, denn es ist mir inzwischen manche Production gelungen. Nunmehr, seit dem Anfang des neuen Jahres, befinden wir uns wieder, im Rücken so großer Ereignisse, wie im völligen Frieden und werden nur durch einige kriegerische Symbole, durch einen Trupp Baschkiren und, von Zeit zu Zeit, durch einen Kanonenschuß, von der Citadelle von Erfurt, an das Kurzvergangene erinnert.

Ihre Sammlung, so wie Ihr Unternehmen sind mir nicht aus dem Sinne gekommen, beyde sind zu ernstlich als daß ich nicht wünschte Ihnen förderlich zu seyn, auch habe ich mich nicht enthalten können, in dem dritten Bande meines biographischen Versuchs, wo vom Cölner Dom die Rede ist, auf Ihrer Bemühungen hinzudeuten. Sie werden diese apostolische[148] Generosität, da ich gern gebe was ich habe, zum besten aufnehmen.

Zu den glücklichen Acquisitionen gratulire ich allerschönstens, den Meister Hemmelinck möchte wohl kennen lernen. Sie machen sich ein großes Verdienst, jene ersten herrlichen Anfänge wieder zur Anschauung zu bringen, denn man begreift nun erst wie die späten trefflichen Meister, die wir gewöhnlich kennen und bewundern, sich auf dem hohen Grad hervorthun konnten, da sie den schweren Reichthum ihrer Vorfahren nur, mit Talent und gutem Humor, zu vergeuden brauchten.

Könnten Sie veranstalten daß mir auch nur ein Probedruck von der Dresdner Platte zugesendet würde, so sollte er bey mir nicht unter den Scheffel gestellt werden, es giebt dieß Gelegenheit von Ihnen, Ihrer Lage, Ihren Wünschen zu sprechen. Wer weiß wo es einmal Feuer fängt.

Von Cornelius und Overbeck haben mir Schlossers stupende Dinge geschickt. Der Fall tritt in der Kunstgeschichte zum erstenmal ein, daß bedeutende Talente Lust haben sich rückwärts zu bilden, in den Schoß der Mutter zurückzukehren und so eine neue Kunstepoche zu begründen. Dieß war den ehrlichen Deutschen vor behalten und freylich durch den Geist bewirkt, der nicht Einzelne sondern die ganze gleichzeitige Masse ergrifft. Ihre Sammlung und Ihr Dom wirken ja aus gleichem Grunde und in gleicher Richtung.

[149] Unter meine liebsten Wünsche gehört es, dieses Jahr die Bäder am Rhein, die Freunde und Ihre Sammlung zu besuchen, und ob ich gleich an der Gewährung zweifle; so will ich mich doch einstweilen an der Hoffnung ergetzen. Leben Sie recht wohl, und fahren immer, so treu als gründlich, fort. Es müßte nicht mit rechten Dingen zugehen wenn ein so redliches Bemühen nicht belohnt werden sollte.

So wie allem
Weimar den 14. Febr.
Aufrichtigen, Rechten,
1814.
so auch Ihnentreu ergeben
Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1814. An Sulpiz Boisserée. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7E61-9